Rede des Bundesvorsitzenden Bernd Schlömer am BPT 12.2 (24.11.2012) ES GILT DAS GESPROCHENE WORT Liebe Piraten, als ich am 28. April diesen Jahres an dieser Stelle stand und meine Bewerbungsrede hielt, da habe ich auf etwas aufmerksam gemacht, dass heute in Erinnerung zu rufen ist. Es war meine dritte Herausforderung, die ich für die Amtszeit als Bundesvorsitzender gesehen habe: Auch gute Politik ist nicht frei von Krisen. Ich habe gesagt, dass es eines Tages keinen Applaus für die Piraten geben wird. Keinen Applaus. In den letzten Wochen haben wir dieses alle schmerzlich spüren können. Jetzt sind wir 1 zusammengekommen, um uns neue Positionen zu geben. Wir sind zusammengekommen, um uns darauf zu konzentrieren, auf was es ankommt: Wir wollen Politik machen. Gute Politik. Mit einem hoffentlich erfolgreichen Abschluss des Parteitags hier in Bochum am Sonntag wird uns das hoffentlich auch gelungen sein. Es ist aber nicht nur gute Politik, die wir machen wollen. Es ist auch an der Zeit, sich darauf zu besinnen, dass wir gemeinsam Politik machen wollen - ohne einander zu beschimpfen, zu missachten oder zu ignorieren. Auch ich habe ich Fehler gemacht. Dafür entschuldige ich mich. Ich finde es aber jetzt wichtig, dass wir wieder mehr Freude, Lust und Spaß an der politischen Arbeit zurückgewinnen. 2 Ich glaube, dass es diese Frische und die Gemeinsamkeit es ist, die uns als Partei attraktiv macht. Wir sind angetreten, um ein anderes politisches Klima in diesem Land zu entfachen. Packen wir es auch an! Mit den hier in Bochum neu beschlossenen Positionen werden wir dann das Profil für die Piratenpartei weiter schärfen. Wir werden erreichen, dass wir die Menschen mit ihren unseren innovativen, offenen, auf Teilhabe und Beteiligung setzenden politischen Ansätzen überzeugen. Wir werden erreichen, dass die Piraten als die 3 sozial-liberale Kraft der Informationsgesellschaft wahrgenommen werden. Eine politische Kraft, die in unserer Gesellschaft fehlt. Es ist unser unverwechselbares Profil. Hier können wir uns eindeutig gegenüber anderen Parteien abgrenzen. Ich selber bin vor ein paar Jahren Pirat geworden, weil mir genau dieses fehlt: Es fehlt an einer Stimme, die unsere verfassungsrechtlich verbürgten Bürgerrechte betont und sie zu schützen versucht. Unter den demokratischen Staaten sind wir nämlich in diesem Land oftmals Weltmeister darin, durch unverhältnismäßige, manchmal dramatische Einbrüche in die Privatsphäre, Bürgerfreiheiten einzugrenzen. Und damit die Freiheiten unbescholtender Bürger 4 einzuschränken. Es fehlte bislang an einer bürgerrechtsorientierten Politik, die sich diesen Vorhaben entgegenstellt. Aus meiner Sicht können das nur die Piraten sein. Aber !! Wir dürfen auch Lücken bleiben. Menschen werden sich auch für die Piratenpartei entscheiden, nicht weil sie als Partei jedes Sachthema besetzt. Nein, ich glaube, dass Menschen werden die Piratenpartei primär wählen, weil sie ihrer Wertehaltung, ihrer Mentalität oder ihrer Lebenseinstellung entspricht: weil Piraten offen, tolerant, sozial, liberal, aufrichtig und politikinteressiert sind. Piraten werden gewählt, weil sie - liebe 5 Bundestagsparteien - nicht nur leere Versprechungen bieten. Piraten werden gewählt, weil sie sich durch aktive Teilhabe für diese Demokratie einsetzen und engagieren möchten. Und weil wir uns den gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft stellen und diese gemeinsam miteinander lösen möchten – ohne Probleme ständig vor sich her zu schieben. Ohne Vorgabe von oben, im Wettbewerb mit gleichberechtigten Ideen. Nutzen wir hierfür auch elf kleine Hilfestellungen. Elf einfache Haltungen, die jeder beherzigen 6 kann. Elf Dinge, um uns neu zu positionieren: Erstens: Wir sind eine Bürgerbewegung, eine Bürgerrechtsbewegung und keine Volkspartei. Zweitens: Wir stehen für das Prinzip der Basisdemokratie. Das bedeutet, wir müssen mit Hilfe digitaler Medien die Möglichkeiten der politischen Teilhabe offensiv ausbauen. Viel stärker als bislang. Drittens: Die Basis entscheidet über die politische Richtung. Mitglied der Piratenpartei zu sein, bedeutet mit-beteiligt zu sein und zur MitArbeit eingeladen zu werden. Unabhängig von sozialer Herkunft, Geschlecht oder Ethnie müssen die jeweiligen politischen Interessen vorurteilsfrei eingebracht werden können. Die 7 Chancen für gleichberechtigte Teilhabe sind zu verbessern. Viertens: Offenheit und Transparenz sind entscheidende Voraussetzung für die Demokratie Fünftens: Das Internet, das Netz ist der Schlüssel und das Verbindungsglied unseres Zeitalters. Sichern wir dessen freie, ungehinderte Kommunikation und Beteiligung. Sechstens: Politik ist nur dann relevant, wenn sie die Menschen mit-einbezieht. Schaffen wir die Voraussetzungen hierfür. Wir wollen die Menschen an den politischen Entscheidungen beteiligen. Siebtens: Politik gleicht Verantwortung. Wir 8 wollen Verantwortung zeigen und tragen. Achtens: Wir müssen strategisch handeln, nicht taktisch. Wir wollen den Stil der Politik ändern, nach außen wirken. Überwinden wir unseren Hang zur Eigenbeschäftigung. Neuntens: Politik besteht darin, den Hoffnungen der Menschen gerecht zu werden. Achten wir darauf. Zehntens: Die Vielfältigkeit unserer Partei spiegelt die Vielfalt unserer Gesellschaft wieder. Elftens: Wir haben dazu gelernt. Wir können aus Fehlern lernen. Diese elf Punkte sind es, die uns einzigartig 9 machen und bislang zu den vielen Erfolgen geführt haben. Wenn wir ihnen folgen, dann sind wir stark und wir werden erfolgreich sein. Am Ende wird es den Menschen nämlich darum gehen, eine andere Kultur in die Parlamente zu bringen. Danach werden sie die Parteien bewerten. Und nur die Piraten sind es, die diesen Neustart für die Demokratie in diesem Land erreichen können. Lassen wir also den Vortragsreisenden Steinbrück hinter uns. Belächeln wir die solide Hausfrau Merkel. Grenzen wir uns positiv von der konservativen Protestantin Göring-Eckardt ab. 10 Wir sind Piraten! ------ PAUSE ------ Zum Abschluss möchte ich im Namen des Bundesvorstands noch eine Bitte an euch richten. Wir möchten ein Meinungsbild von euch einholen, welchen Inhalt der nächste Parteitag haben soll. Wir müssen Programm machen, aber es gibt auch Stimmen, die im Mai 2013 einen neuen Vorstand wählen möchten. Wir sollten diese beiden Tage hier in Bochum nicht dafür aufwenden, darüber zu befinden, was wichtiger sein könnte. Ich möchte euch deshalb bitten, die vielen 11 Gespräche abseits der Agenda heute auch dafür zu nutzen, um zu klären, welchen Verlauf der nächste Parteitag haben soll. Heute Nachmittag um 17:00 Uhr werde ich die Versammlungsleitung bitten, mir das Wort zu geben und in dieser Frage ein Meinungsbild einzuholen: Programm oder Personenparteitag. Euer Feedback hierüber ist uns wichtig. Aber jetzt gilt es, machen wir Politik! Bevor uns der Hausmeister herausschmeißt 12 13