Die Zukunft der Bürgerbeteiligung : Herausforderungen – Trends – Methoden Stiftung Mitarbeit – Evangelische Akademie Loccum 24.‐26.September 2010 Bürgerbeteiligung im Wandel: Veränderung von Methoden und Themen Was kommt auf uns zu? Fossile Partiziparaptoren? Oder der / die sagenumworbene mündige Bürger/in Bürgerbeteiligung Eine politische Odyssee • Zwei Paradigmen im scheinbaren Widerstreit: repräsentative Demokratie durch Parteien (Fossile) und direkte Demokratie durch mündige Bürger (politische Neophyten) • Demokratie ist dynamisches System, strebt idealer Weise nach vollkommener Beteiligung aller Mitglieder einer Gesellschaft (mündige Bürger, mehr Demokratie wagen) • Dies stärkt dezentrale Formen der Beteiligung in kleinen räumlichen Einheiten (Gemeinden) • Etablierte Demokratie ist nur Übergangsphase zu dieser erweiterten Form von Beteiligung und gerät zur bürokratischen Demokratie, wenn sie sich als statisches System in einem dynamischen, offenen System begreift (Max Weber) Die Büchse der Pandora • Wesentliche Treiber dieser vermehrten Bürger‐ beteiligung sind: a) auf der individuellen Ebene ‐ Bildungsexpansion / Akademisierung ‐ Beteiligung wird zum moralischen Wert moderner Zivilgesellschaften ‐ informationelle Allmacht der Bürger durch Kommunikation+Vernetzung b) auf der systemischen Ebene ‐ technologische Innovation hin zu dezentraler Daseinsfürsorge (z.B. Energie, Ernährung) ‐ Verwissenschaftlichung der Beteiligung ‐ vermehrte essentielle Problemlagen und damit verbundene Ohn‐ machten der Politik (Haushalte) Die Hydra und die Sirenen • Bildungsbias der „freien“ Beteiligung führt dazu, dass vornehmlich besser gebildete Bürger/innen sich beteiligen • Protestbias führt dazu, dass sich die Beteiligung zunächst eher passiv äußert, als Reaktion auf staatliche Maßnahmen • Protestbasen sind vornehmlich Aktivitäten in Ballungsräumen, die passive Beteiligung konzentriert sich in diesen Räumen Musen und Titanen ‐ die Hoffnung: Die Wissenschaft von der Beteiligung • Beteiligung wird dadurch vom politischen zum wissenschaftlichen Thema • Normative Zielsetzung ist es, allen Bürgern gleiche Chancen zur Beteiligung zu ermöglichen: Beteiligungsgleichheit Chimären: Neue Themenfelder der Beteiligung • Die fortschreitende Modernisierung führt dazu, dass wichtige Bereiche der Daseinsfürsorge immer mehr zu Themen der Beteiligung werden: ‐ Infrastruktur: Bebauung und Verkehre ‐ lokale Energiezukünfte ‐ lokale Haushalte wg. Sparzwängen und Vertei‐ lungsmechanismen und ‐problemen ‐ Integration und Migration von allen Bürger/innen in Mehrnationen‐Staaten ‐ Zeit‐ und Folgenbewußtsein (Böret) wächst: intergenerative Nachhaltigkeit, Globalisierung ‐ Beteiligung wird reflexiv zum Thema ihrerselbst Neue Formen der Beteiligung • Bürgerbeteiligung wird aktiver (konservative und progressive Urheber, sh. Hamburg) • Bürgerbeteiligung wird rationaler (Diskurse, Expertendilemmata, Verwissenschaftlichung) • Bürgerbeteiligung wird gleicher (Einbeziehung aller Bildungsschichten, Erlernen von Mitsprache) • Bürgerbeteiligung wird größer (mehr Themen – mehr Beteiligung ‐ mehr Stile) • Bürgerbeteiligung wird formaler (Regelungen zu Bürgerentscheide und Bürgerbegehren) • Bürgerbeteiligung wird technischer Neue Methoden und Formen • Bürgerkonferenzen dienen zum Herausfinden relevanter Themen für Prozesse der Bürger‐beteiligung • Diskurse dienen der Einbindung betroffener Gruppen zum Finden gemeinsamer Konventionen und schaffen die gemeinsame Rationalität • Bürgergutachen dienen der Einbindung interessierter Bürger in lokale Entscheidungen • Bürgerentscheide dienen der Klärung strittiger Entscheidungen zu deren demokratischer Legitimation • Beiräte dienen der Beratung von Unternehmen, Politik und Forschung • Expertendelphis schaffen Informationsbasen für strittige Fragen und mehrere Lösungsmöglichkeiten (Szenarien) Sysyphos Arbeit und Mephisto‐Effekt • Durch aufeinander abgestimmte Beteiligungs‐ methoden wird Beteiligung zum Prozess, der zirkulär oder tautologisch werden kann • Vom Geist der stets verneint hin zur Kraft, die Gutes schafft • Entscheidungsprozesse verlangsamen sich dadurch mitunter erheblich, was ökonomische Dilemma aufwirft (einfachere, preiswerte Lösungen bei längeren Entscheidungszeiten) Theoriepraxis: Fallbeispiele • Bürgergutachten Waldschwimmbad Viernheim: zerstritten Parteienfronten, Bürger retten Freibad durch Einbringen von Fachwissen • Lokale Energiezukunft Rottweil‐Hausen: Bürgergutachten und Diskurs über zukünftige Energieversorgung des Stadtteils mit KWK‐Kopplung und erneuerbaren Energien. Einbringen von Fachwissen, Wirtschaftsförderung, Akzeptanzerhöhung, Abarbeiten komplexer Themen • America Speaks: großangelegtes Zukunftsforum (3.500 Teilnehmer/innen) für die Diskussion wichtiger Zukunftsthemen America speaks: http://www.americaspeaks.org • ASSE II: Evalaution der Öffentlichkeits‐ und Informationsarbeit als Vertrauensbasis zwischen Behörde und betroffenen Bürgern bei einem hochsensiblen und schwierigen Thema (Endlagerung radioaktiver Stoffe) Der Hades: Offene Fragen • Kann sich Bürgerbeteiligung als institutiona‐ lisierte Form demokratischer Beteiligung etablieren? • Braucht es dazu einer neuen förderalen Ordnung zwischen Bund‐Land‐Kommunen? • Zählt das jetzige Parteiensystem dann ebenfalls noch dauerhaft zu dieser neuem Struktur politischer Beteiligung? • Siegt die Muse der Synergie über die tradierte Vernunft des effizient Bestehenden? Wo + Wie finden Sie den Autor? Zum Beispiel für Kritik und Nachfragen? Und außerdem hier: Universität Stuttgart Institut für Sozialwissenschaften SOWI V Lehrstuhl für Umwelt‐ und Techniksoziologie Dr. Uwe Pfenning Seidenstraße 36 / D – 70174 Stuttgart 0711 6858 3980 /3971 (Sek.) [email protected]‐stuttgart.de