Störung des Sozialverhaltens

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Fallbeispiel: Kevin, 9 Jahre
GÖTTINGEN
Störung des
Sozialverhaltens
Probleme:
• Heftige Wutausbrüche mit Sachbeschädigungen
• Gehorcht nicht
• Quält Tiere
• Lügt
• Geringe Frustrationstoleranz
• Motorisch unruhig, impulsiv
• Gereizt- dysphorische Stimmung
• Einschlafstörung
• Selbstverletzungen
• keine Freunde
Vorlesung
Universität Göttingen
Kinder- und Jugendpsychiatrie/
Psychotherapie
GÖTTINGEN
Störungen des Sozialverhaltens
Fallbeispiel: Kevin, 9 Jahre
GÖTTINGEN
GÖTTINGEN
Vorgeschichte:
• Körperliche Gewalt zwischen Eltern; Trennung, als
Kevin 4 Jahre alt war
• Asthma seit 6. Lebensmonat
• Bis vor einem Jahr Alpträume
• Zuspitzung der Probleme nach Wiederheirat der
Mutter vor 2 Jahren
• Rivalität zu Stiefvater und zum „ganz anderen“
braven jüngeren Bruder
• Mutter beschreibt sich als „am Ende“; Jugendamt
vermutet Abschiebetendenz
• Wiederholtes und persistierendes
Verhaltensmuster, bei dem entweder
die Grundrechte anderer oder wichtige
altersentsprechende soziale Normen
oder Gesetze verletzt werden
• Mindestens 6 Monate anhaltend
• Nicht durch andere psychische
Störungen verursacht
Störungen des Sozialverhaltens
GÖTTINGEN
Definition
Definition
Störungen des Sozialverhaltens
GÖTTINGEN
Leitsymptome
• Dissozialität: Abweichung von altersgemässen
Regeln und Normen und/oder
Beeinträchtigung der Rechte
anderer. Klinische Bezeichnung:
Störung des Sozialverhaltens.
• Delinquenz: Handlungen, die von
gesellschaftlichen Kontrollinstanzen
verfolgt werden.
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Störungen des Sozialverhaltens
Störungen des Sozialverhaltens
Klassifikation nach ICD-10
GÖTTINGEN
•
F91.0
•
F91.1
•
F91.2
•
F91.3
•
F92.0
•
F92.8
auf den familiären Rahmen beschränkte
Störung des Sozialverhaltens
Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden
sozialen Bindungen
Störung des Sozialverhaltens bei
vorhandenen sozialen Bindungen
Störung des Sozialverhaltens mit
oppositionellem, aufsässigen Verhalten
Störung des Sozialverhaltens mit
depressiver Störung
andere kombinierte Störung des
Sozialverhaltens und der Emotionen
GÖTTINGEN
• Perinatale Schädigungen, hyperkinetische
Störungen und Hirntraumen sind biologische
Risikofaktoren
• Kinder mit gestörtem Sozialverhalten zeigen häufig
verminderte Angst- und Stressreaktionen
• Bindungsstörungen können ursächlich für
dissoziales Verhalten sein
• Stufenmodelle (Loeber) erklären Eskalationen des
Verhaltens, aber auch Ausstiegsmöglichkeiten
• Eltern-Kind- Interaktionsmuster sind für Entstehung
und Verlauf von Bedeutung
Störungen des Sozialverhaltens
Entwicklungsmodell nach Loeber
GÖTTINGEN
Pathogenese
GÖTTINGEN
Familiäre Interaktionsmuster
Elterliche Charakteristika (nach Patterson):
• Inkonsistentes Erziehungsverhalten
• Unvorhersehbares explosives Erziehungsverhalten
• Geringe Aufsicht und Betreuung
• Unflexibles rigides Erziehungsverhalten
Besonders häufig bei Familien mit
• Arbeitslosigkeit und Armut
• beruflicher Überlastung
• Alkohol- und Drogenmissbrauch der Eltern
• massiven Ehekonflikten
• psychischen Störungen der Eltern (z.B. Depressionen)
Störungen des Sozialverhaltens
GÖTTINGEN
Familiäre Interaktionsmuster
Störungen des Sozialverhaltens
GÖTTINGEN
Familiäre Interaktionen
Charakteristika des Kindes:
• Ausprägung der Fähigkeiten zur sozialen Anpassung und zur
Frustrationstoleranz
• Unterscheidung reaktive (impulsive) gegenüber proaktiver
(instrumenteller) Aggression
• Reaktive Aggression ist bedingt durch Faktoren wie geringe
Selbstregulationsfähigkeit und geringe emotionale Impulskontrolle.
• Störungen, die damit in Zusammenhang stehen, sind u.a.
hyperkinetische Störungen (ADHS), affektive und Angststörungen
sowie Sprachentwicklungsverzögerungen.
Entstehung und Verfestigung oppositioneller Störungen durch
das Aufeinandertreffen entsprechender elterlicher und kindlicher
Charakteristika ? Teufelskreis aggressiven Verhaltens
Teufelskreis aggressiven
Verhaltens in Familien
(Petermann & Petermann, 2000)
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Störungen des Sozialverhaltens
GÖTTINGEN
Prävalenz (nach Schmidt)
Störungen des Sozialverhaltens
GÖTTINGEN
Verlaufstypen
• Früher Beginn (mit oppositioneller Störung),
„early starters“; schlechte Prognose
• Später Beginn (nach dem 10. Lebensjahr;
vorwiegend in der Adoleszenz): eher gute
Prognose; Symptomatik verschwindet oft
zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr
• Im Entwicklungsverlauf nehmen körperliche
Aggressionen ab, andere dissoziale
Verhaltensweisen zu.
• Je breiter die Symptomatik, desto höher das
Risiko eines Substanzmissbrauchs.
Prävalenz:
• 8-Jährige 3% (4/0)
• 13-Jährige 8,5 % (9/7)
• 18-Jährige 5% (6/4)
• 25-Jährige 4,5% (7/2)
Die Stabilität dissozialen Verhaltens 8-Jähriger ins
Erwachsenenalter beträgt ca. 50%
Störungen des Sozialverhaltens
GÖTTINGEN
Diagnostik 1
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• orientierend über Verhaltensfragebögen
• funktionale Verhaltensanalyse (z.B.
reaktive vs. instrumentelle Aggression;
Dauer; auslösende und bedingende
bzw. unterhaltende Faktoren;
Erziehungsverhalten der Eltern)
• Fremdberichte (z.B. Schule, Heime)
GÖTTINGEN
Störungen des Sozialverhaltens
Diagnostik 2
• Familienanamnese (z.B. HKS,
Alkoholismus, Psychosen)
• Eigenanamnese (z.B. Risikofaktoren,
Traumen)
• Psychiatrische Exploration
• Testpsychologische Untersuchungen
– Leistungstests
– Persönlichkeitstests
• Körperlich-neurologische Untersuchung
• Labordiagnostik (bei spezieller Indikation)
Störungen des Sozialverhaltens
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Komorbidität
• Hyperkinetische Störungen (ADHS)
• Depressive Störungen
• Emotionale Störungen
• Lernstörungen (vgl. Sprachentwicklungsstörungen, Legasthenie, niedrige
Intelligenz)
• Substanzmissbrauch
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Störungen des Sozialverhaltens
GÖTTINGEN
Interventionen 1
• Elterntraining/ verhaltenstherapeutische
Familientherapie
• Kindzentrierte Verbesserung sozialer
Kompetenz
• Pharmakotherapie (Stimulanzien,
Risperidon)
• Behandlung komorbider Störung
• Frühintervention als indizierte Prävention
• Rechtzeitige Einschaltung der Jugendhilfe
Störungen des Sozialverhaltens
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Interventionen 2: Behandlungsplan Kevin
• Noch ausstehende diagnostische Informationen aus
der Schule; Lernstörung? Klärung noch vorhandener
familiärer Ressourcen
• Diagnostische Festlegung: Störung des Sozialverhaltensmit depressiver Störung (nach bisherigem
Kenntnisstand wahrscheinlich); Komorbidität mit
ADHS und/ oder umschriebener Lernstörung?
• In Kooperation mit Jugendhilfe: Tagesgruppe, Schule
für Erziehungshilfe, soziales Kompetenztraining und
Elterntraining
• Falls dadurch keine ausreichende Besserung der
depressiven Symptomatik: medikamentöse
Behandlung
Störungen des Sozialverhaltens
GÖTTINGEN
Was Sie behalten sollten
• Früh beginnende Störungen haben
ungünstige Prognosen
• Kombination mit hyperkinetischen
Störungen häufig
• Flexible Reaktionen verhindern
Eskalationen
• Medikamentöse Mitbehandlung nicht
aus Prinzip unterlassen
• Koordination mit Jugendhilfe von
zentraler Bedeutung
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