Gerald Hackl - Trigon Entwicklungsberatung

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Gerald Hackl und Michaela Türk
„Glaubwürdige ethische und werteorientierte Führung“
„Wir haben ja ein Leitbild und Führungsgrundsätze!“, antworten Führungskräfte, wenn sie zu
Ethik und Werten in Organisationen befragt werden. „Ja, wir haben so etwas, aber keiner
hält sich daran!“, sagen viele MitarbeiterInnen. Langjährige Führungskräfte können Grundsätze, Werte etc. nur schwer vermitteln und daher bleibt es bei oberflächlichen Schlagworten. Die Bedeutung der Begriffe und Grundsätze ist den Führungskräften und MitarbeiterInnen nicht bewusst – und alles, was nicht bewusst ist, wird nicht gelebt! Unterschiedliche Auslegungen der Begriffe führen zu Unklarheiten und Spannungen. Die Diskrepanz zwischen
dem Gesagten und dem Tun führt zum Verlust von Glaubwürdigkeit und Akzeptanz.
Dies führt dazu, dass der Ruf nach mehr „Ethik und Werteorientierung in Organisationen“
immer lauter wird, begleitet von der Hoffnung, dass damit alles besser wird. Oft wird vergessen, genauer hinzuschauen und zu hinterfragen, was diese Begriffe bedeuten und wie die
Auseinandersetzung damit nutzbringend sein kann.
Was versteht man unter den Begriffen Ethik, Werte, Tugenden und wie hängen
diese zusammen?
Ethik leitet sich vom Griechischen ēthos ab, das „Gewohnheit, Herkommen, Gesittung, Charakter, Sitte, Brauch“ bedeutet. Ethische Grundsätze regulieren das zwischenmenschliche
Verhalten einer Gesellschaft und gelten als verbindlich. Alle Ethikkonzepte befassen sich mit
dem Guten. Und hier wird es schwierig: Was ist „das Gute“?
Für Aristoteles (384 bis 322 v. Chr.) ist das Gute mit den Tugenden verbunden. Tugend
wird als ein Verhalten der Entscheidung definiert, die in einer Mitte zwischen dem Übermaß
und dem Mangel liegt. Er versteht sein Modell nicht als genaue Anweisung, sondern als
Wegweiser, um ein wertvoller Mensch zu werden.
Immanuel Kant (1724 bis 1804) stellt die Vernunft und die Würde des Menschen in den
Vordergrund. Als Mensch sind wir Natur- und Vernunftwesen zugleich, können jedoch durch
die Gesetze der Vernunft den sinnlichen Einflüssen widerstehen.
Von Kant ist besonders der Kategorische Imperativ hervorzuheben, bei dem jede Handlung
unter dem Aspekt betrachtet wird, ob sie zum allgemeinen Gesetz werden könnte. Hält eine
Handlung diesem Urteil stand, dann ist sie richtig. Die Menschenwürde als höchstes Gut
setzt voraus, dass der Mensch niemals als Mittel zum Zweck betrachtet und behandelt wird.
Die Würde der anderen sowie die eigene Würde zu bewahren, stellt für Kant die Grundlage
des ethischen Verhaltens dar.
Werte leiten sich von den verschiedenen Ethikmodellen ab. Wir unterscheiden zwischen
materiellen Werten wie Besitz, Geld etc. und immateriellen Werten wie Freiheit, Loyalität etc.
Immaterielle Werte entstehen durch Prägungen und Erfahrungen, wodurch jeder für sich
eine eigene Wertehierarchie hat, die in Differenz zu den anderen stehen kann. Universelle
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Glaubwürdige ethische & werteorientierte Führung
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Werte wie z. B. Selbstbestimmung, Zusammengehörigkeit, Sicherheit etc. sind in allen Gesellschaften und Kulturen zu finden. Die Umsetzung der persönlichen Werte zeigt sich in den
Tugenden.
Tugenden bilden den Charakter jedes Einzelnen und sind durch das Verhalten und Handeln sichtbar. Sie sind der Veränderung durch Zeit und Gesellschaft unterworfen. Wir kennen
z. B. die Kardinaltugenden (Klugheit, Weisheit, Tapferkeit, Mäßigung), die Rittertugenden
(Aufrichtigkeit, Frauenverehrung, Bescheidenheit, Verlässlichkeit), die Frauentugenden
(Sparsamkeit, Keuschheit, Häuslichkeit) oder die bürgerlichen Tugenden (Ordentlichkeit,
Sparsamkeit, Fleiß, Pünktlichkeit). Eine Tugend erwirbt man durch das ständige Tun. Es genügt nicht das Wollen und die Einmaligkeit, sondern es ist Haltung und Handlung auf Dauer.
Man kann die Tugend auch als „Macht über eine Macht“ begreifen, nämlich als Macht über
die Macht der Habgier, als Macht über die Macht der Unbesonnenheit oder als Macht über
die Macht der Eitelkeit.
induktiv
deduktiv
Ethik, Werte und Tugenden hängen eng zusammen. Dazu ein Beispiel: Nach der Ethik
von Immanuel Kant soll der Mensch niemals als Mittel zum Zweck dienen. Die Werte, die
sich davon ableiten, sind z. B. Toleranz, Verantwortung, Güte oder Fairness. Im Handeln
werden die Tugenden sichtbar, wenn wir verantwortungsvoll und fair mit
unseren Mitmenschen umgehen.
Wie könnte nun eine bewusste Auseinandersetzung aussehen, die ethische bzw. wertorientierte Führung glaubwürdiger macht? Dafür gibt es
grundsätzlich zwei Möglichkeiten: den deduktiven und induktiven Ansatz.
Nachstehend wird ein induktiver Ansatz näher beleuchtet, der einen bewusst gestalteten Raum für Reflexion und Dialog anhand der nachfolgenden Reflexionsschleife bedingt.
Harmonie- und Spannungsfelder zwischen
persönlichen Werten und Spielregeln der
Organisation bewusst machen
Änderungsbedarf in der
Unternehmens- und
Führungskultur klären
Diskrepanzanalyse
durchführen
5
3
Reflexionsschleife
6
Definition und Vereinbarung von
Maßnahmen zur Verbesserung der
Unternehmens- und Führungskultur
Bewusstmachen der Normen,
Spielregeln und Werte in der
Organisation
4
7
2
1
Austausch der persönlichen
Werte mit anderen in der
Organisation
Individuelle Auseinandersetzung mit den persönlichen
Werten
Tagesgeschäft
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Schritt 1: Individuelle Auseinandersetzung mit den persönlichen Werten
Jeder Mensch hat seine eigene Wertehierarchie. Dem einen ist persönliche Freiheit das
Wichtigste, dem nächsten die Familie usw. Viele haben Kenntnis über ihre persönlichen
Werte und die Reihung, aber viele andere haben noch nie bewusst darüber nachgedacht.
Die wichtigsten persönlichen Werte sichtbar zu machen und sich über die intrapersonelle
Rangordnung klar zu werden, stärkt das Selbstbewusstsein.
Schritt 2: Austausch persönlicher Werte mit anderen in der Organisation
Ein offener Austausch der persönlichen Werte erzeugt Verständnis untereinander; es wird
sichtbar, dass sich die persönlichen Werte mit denen der anderen vielfach decken, eventuell
in der Hierarchie sehr unterschiedlich sind. Oft ist das auch die Ursache für Spannungsfelder
zwischen einzelnen Personen bzw. Personengruppen. Nach Klärung der Gemeinsamkeiten
und Unterschiede sowie dem Umgang mit den Unterschieden entsteht mehr Toleranz, gegenseitiges Verständnis und Zusammenhalt.
Schritt 3: Bewusstmachen der Werte und Spielregeln in der Organisation
Nach dem Blick auf die Einzelperson wird die Organisation auf dieses Thema hin beleuchtet.
Dabei gilt es herauszufinden, welche Werte und Spielregeln in der Organisation proklamiert
werden, welche davon gelebt bzw. nicht gelebt werden und welche geheimen Spielregeln es
gibt. Damit wird sichtbar, wie die Organisation kulturell „tickt“.
Schritt 4: Harmonie- & Spannungsfelder zwischen persönlichen Werten und den Werten und Spielregeln der Organisation besprechen
Wie passen nun die persönlichen Werte mit den gelebten Werten und Spielregeln der Organisation zusammen? Gibt es weitestgehende Übereinstimmung und damit Harmonie oder
tun sich Einzelne schwer, weil persönliche Werte mit den gelebten Spielregeln der Organisation im Spannungsfeld stehen? Gibt mir dieser Zustand Kraft oder schwächt er mich?
Schritt 5: Änderungsbedarf in der Unternehmens- und Führungskultur klären
Sind wir mit dem derzeitigen Zustand zufrieden, werden wir die Unternehmenskultur behutsam weiter pflegen und entwickeln. Wenn nicht, sollte überlegt werden, in welche Richtung
es zukünftig gehen soll und wo der Handlungsbedarf konkret liegt. Das Führungsteam definiert in diesem Schritt einen gemeinsam angestrebten Sollzustand.
Schritt 6: Potenzial-Analyse durchführen
Auf Basis des definierten Sollzustandes kann mit der Delta-Analyse analysiert werden, in
welchem Ausmaß das Sollbild heute gelebt wird und wo die größten Potenziale liegen.
Schritt 7: Definition und Vereinbarung von Maßnahmen zur Verbesserung der Unternehmens- und Führungskultur
Für die größten Potenziale aus der Diskrepanz-Analyse werden Handlungsfelder und Maßnahmen abgeleitet, um eine ethischere und werteorientiertere Führung zu verankern. Wichtig
ist hier auch die Implementierung laufender Reviews bzw. Reflexionsschleifen, um am Thema dran zu bleiben und es nachhaltig zu verankern.
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Schlussendlich sollte/n mit der bewussten Auseinandersetzung…
• mehr Klarheit über persönliche Werte sowie ein stärkeres individuelles Selbstbewusstsein
entstehen,
• ein verständliches und attraktives Leitbild, Führungsgrundsätze etc. definiert und ins gemeinsame Bewusstsein gebracht werden,
• die gelebten Werte und Spielregeln der Organisation auf eine ethischere Basis gestellt
werden
Leitbild,
Führungsgrundsätze etc.
•
•
•
•
Person
(FK + MA)
Individuelle
Werte
…………
…………
…………
…………
Raum für
REFLEXION
notwendig!
Unternehmen
Harmonie?
Spannungsfelder?
Werte und
Spielregeln
Ganz im Sinne von Mahatma Gandhi:
„Be the change agent you want to see in the world!”
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