Vorlesung Konsumentenverhalten Informationserwerb Sommersemester 2011 TU Berlin, Lehrstuhl Marketing Prof. Dr. V. Trommsdorff, Sekr. WIL-B-3-1, Wilmersdorfer Straße 148, 10585 Berlin, www.marketing-trommsdorff.de Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Agenda • Grundlagen • • Konsumenten-Information Informationsaufnahme • Visuelle Aufnahme und Imagery • Gesetzmäßigkeiten der Wahrnehmungspsychologie • Gestaltpsychologie Lernen • Begriff • Konditionierung • Kognitives Lernen • Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 2 Grundlagen Prozesskonstrukte im Drei-Speicher-Modell Ultrakurzzeitspeicher UZS Kurzzeitspeicher KZS Langzeitspeicher LZS unbewusste, „automatische“ Prozesse Sinne Arbeitsspeicher Kodieren, Memorieren, Bewerten, Entscheiden Auge Ohr usw. Reizung Zuwendungsfilter Selektive Zuwendung S R Kognitive Strukturen Schemata Verarbeitung Verstehensfilter Wahrnehmung Aufmerksamkeitsfilter Selektive Wahrnehmung Gedächtnis Lernen Lernfilter Selektives Lernen Abrufen Vergessensfilter Selektives Vergessen Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 3 Grundlagen Alternative zum Drei-Speicher-Modell Modell der Verarbeitungstiefe von Craik & Lockhart Aufgaben • Funktionell unterschiedliche Verarbeitungsstufen • Verarbeitungstiefe eines Reizes prägt die Gedächtnisspur • Je tiefer der Reiz dringt, desto besser speichert das Gedächtnis Merkmal und Eigenschaften Gedächtnisspeicher: Analyseebene und Kodierung strukturell phonetisch semantisch REIZ Verarbeitungstiefe, Verarbeitungsdauer, Gedächtnisleistung Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 4 Grundlagen Imagery Außer den Vorteilen der Bilder bei Wahrnehmung und Aktivierung wirkt die „doppelte Kodierung“ unterstützend Stimuli Intervenierende Prozesse bildlich bildliche Verschlüsselung Informationen Reaktionen Gedächtnisleistung Einstellung textlich textliche Verschlüsselung Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 5 Grundlagen Auch Worte können bildhaft aufgenommen werden: Bildhaftigkeit, Konkretheit und Assoziationsgehalt von Wörtern Alkohol Bedeutung Dampf Duft Assoz.-gehalt Genuß Konkretheit Härte Bildhaftigkeit Prestige Sauberkeit Schaum Vertrauen Werbung 0 1 2 3 4 5 6 7 Intensität (7-Stufen-Rating) Quelle: nach Baschek u.a. (1977) Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 6 Agenda • Grundlagen • • Konsumenten-Information Informationsaufnahme • Visuelle Aufnahme und Imagery • Gesetzmäßigkeiten der Wahrnehmungspsychologie • Gestaltpsychologie Lernen • Begriff • Konditionierung • Kognitives Lernen • Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 7 Konsumenten-Information Konsumenten-Informations-Reihenfolge ideal (homo oeconomicus) real (Zeitdruck, low involvement) neutrale Quellen Marketingstimuli Bezugspersonen info chunks (Zertifikate) Marketingstimuli ((neutrale Quellen)) Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 8 Konsumenten-Information 75% der Verbraucher vertrauen bei der Produktauswahl Empfehlungen von Freunden und Bekannten Which of the following would make you feel more comfortable about taking out a product/service with a company? BMRB Omnibus Survey, Royal Mail April, 2001, MEC Media Lab 2004 Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 9 Konsumenten-Information Kauf-Informationsquellen interessenneutral interessengebunden Verbraucherinstitutionen Werbung Vorbilder Medien Hersteller Freunde Print test Handel Prominente TV Berater Experten ... ... Interessante Mischformen: Placement, Testimonials, Agenten usw. Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 10 Konsumenten-Information Brand Communities - einige Beispiele Smart Forum IKEA Family Rover Community Mac User‘s Group Nokia Club Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 11 Konsumenten-Information Verlagerung der Kommunikationsaktivitäten von klassischen zu innovativen Kanälen erfordert neue Kenntnisse und Testmethoden Bekanntheit • • • • • • • • • • • • • • • • Klassische Instrumente TV • Sponsoring Print • Trade promoAußenwerbung tions Radio • Consumer Kino promotions Direct Marketing• … POS "Messen und Ausstellungen„ Moderne Instrumente Communities Foren Blogs Multiplikatoren Viral Marketing … Consid. Set Kauf Loyalität „Above the Line“ Shift „Below the Line“ „Emerging Media“ Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 12 Konsumenten-Information Brand Communities: Anhänger einer Marke tauschen sich über diese „im engsten Kreise“ aus Situation Durch zunehmende Reizüberflutung, Inflation der kommunikativen Maßnahmen und sich ändernde Konsumgewohnheiten gewinnt die Kundenbindung immer weiter an Bedeutung. Für das Kundenbindungsmanagement werden immer neue Wege gesucht. Einer führt über die BRAND COMMUNITIES. Brand Community Brand Community (BC) als „(...) a specialized, nongeographically bound community, based on a structured set of social relationshipfs among admirers of a brand“ (z.B. Apple) Tribalism • Vergemeinschaftlichung durch die Bildung virtueller Stämme: - Gemeinschaftsgefühl - Gemeinsame Rituale und Traditionen - Moralisches Verantwortungsbewusstsein - Gemeinsamer Ethos, Werte Muniz, A. M., O`Guinn, T. C., Brand Communities. In: Journal of Consumer Research, Vol 27 (2001), S. 412-432 Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 13 Konsumenten-Information Relevanz für das Marketing Neue, interaktive Kommunikation • Konsument – Konsument • Konsument – Unternehmen • Interaktion zwischen potenziellen Interessenten • Interaktion zwischen Konsumenten und interessierten Nachfragern Kommunikationseffekte • Beeinflussung der Wahrnehmung und des Verhaltens der Mitglieder • Plattform zur schnellen Verbreitung von Informationen • Brand Communities können als Testgruppen für neue Produkte und Wettbewerberaktionen fungieren • Brand Community-Mitglieder stellen höchst loyale Kunden dar, die gerne mit dem Unternehmen kooperieren Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 14 Konsumenten-Information Welche Chancen und Risiken bergen Brand Communities? • Communities fungieren als Botschafter der Unternehmen • Positive Wirkung auf die Service- und Kommunikationskosten Chancen • Bewirken einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil • Durch direkte Kommunikation von Ideen vom Kunden können Forschung und Entwicklung verbessert werden Risiken • Die persönliche Beziehung ist nur begrenzt steuerbar (Initiativen) und somit schwer kontrollierbar • Communities können als Informationsquelle von der Konkurrenz genutzt werden Fazit • Das Unternehmen sollte als gleichberechtigtes Mitglied aktiv an der Entwicklung der Community teilnehmen • Brand Communities können die Effektivität und Effizienz der Kundenbindung steigern Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 15 Konsumenten-Information Communities leben von besonders aktiven Mitgliedern, diese sind jedoch in der Minderheit 1% „Power Users“ – Mitglieder, die Inhalte einstellen, anderen Mitgliedern helfen und sich für die Community verantwortlich fühlen. 9% „Synthesizers “ – Mitglieder, die selten Content einstellen, aber bewerten und weiterempfehlen. 90% „Lurkers“ – Passive Mitglieder von Communities. Sie melden sich zwar in Communities an, besuchen sie jedoch nur selten und beteiligen sich nur wenig. Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 16 Konsumenten-Information Kunden tauschen sich im Web 2.0 zu Marken, Produkten und Kampagnen aus – “word of mouth-Potenzial“ ist Werbewirkung Klassisch bearbeitete Zielgruppen Klassische Medien / Maßnahmen • • • • Fernsehen Funk Verkaufsförderung … 2 1 2 Modern bearbeitete (neue) Zielgruppen „Moderne“ Medien / Maßnahmen • • • Communities Blogs … 1 2 2 +/– 1 Gewollte Wirkung Schwer zu steuernde positive oder negative Wirkung • Einsatz moderner Medien zur Information, zum Austausch und zur Unterhaltung hat Einfluss auf die Wahrnehmung von Marken in allen Zielgruppen. • Der Einsatz herkömmlicher Medien wie Funk, Fernsehen etc. hallt im Web2.0 wider und wird dort teilweise sehr intensiv diskutiert. • Da Communities zukünftig eine immer entscheidendere Rolle bei der Verbreitung von Kampagnen, Diskussion von Kampagneninhalten, Markenund Produktdiskussionen einnehmen, sollten sie in der Pretest-Phase eingebunden werden. Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 17 Konsumenten-Information Ergebnisse der TU Berlin Community Analyse: “Onliner haben mehr Offline-Freunde als Offliner” Offliner Onliner „Normale Menschen“ „noch normalere Menschen“ groß > 16 Pers. 27,4% Freunde (Netzwerkgröße mittel des sozialen Umfelds in der 10 to 16 Pers. realen Welt) klein 0 to 9 Pers. groß > 16 Pers. 56,5% 37,6% Freunde (Netzwerkgröße des sozialen Umfelds in der realen Welt) 35,0% 34,8% 8,7% Quelle: t+d- / TU Berlin-Untersuchung 2006, internetrepräsentativ, n = 1000 Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 18 Konsumenten-Information Beispiel: Relative Performance der VW Tiguan-Kampagne: „Kommunikationsstärke“ berücksichtigt direkte und indirekte Effekte Bekanntheit Netzwerkeffekt Bekanntheit Netzwerkeffekt Kommunikationsstärke „Kenne ich gut. Kann ich beschreiben.“ Verhältnis KampagnenPromotoren / Opponenten (Bekanntheit x Netzwerkeffekt) Kommunikationsstärke • VW Tiguan 26,2% T-Mobile MyFaves 23,8% Fonic Mobilfunk 21,5% ING-Diba Girokonto 20,8% x n = 251 32,9% = 8,6 • T-Home Entertainment16,9% Congstar DSL-Paket 12,3% Wrigley‘s Airwaves 9,5% BMW 1er Coupé 7,4% DWS Riesterrente 5,6% n = 109 n = 86 n = 109 n = 71 n = 43 n = 41 n = 26 n = 20 3,8% 0,9 8,3% 1,8 52,5% 10,9 12,3% 2,1 11,5% 1,4 16,9% 1,6 48,8%* 3,6 8,1%* 0,5 n = 1.038 (Messung 2, gewichtet Online-repräsentativ nach Alter, Geschlecht) *sehr geringes n • VW TiguanKampagne erzielt die besten Bekanntheitswerte: 26,2% der Befragten kennen die Werbung gut. Der NPS drückt die Weiterempfehlungsa bsicht aus und ist für die TiguanKampagne mit 32,9% der drittbeste im Untersuchungs-Set. Kommunikationsstärk e der TiguanKampagne wird insgesamt nur von der ING-DibaKampagne übertroffen. Angaben in % Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 19 Werben im Umfeld von Web 2.0 - Wachstumsraten von über 50% Ein wesentliches Merkmal des Web 2.0: aal (andere arbeiten lassen) Benutzer erstellen selbst und/oder bearbeiten im Internet bereitgestellte Seiten. Beispiele: Wikipedia, Video.Google.de Werbung orientiert sich mehr am Verhalten des Users, als am Anzeigenumfeld „Affiliate Marketing“ Alle Beteiligten am Weg vom Anzeigenklick zum Kauf erhalten Provision Quelle: R. Grauel, Brandeins 10/06, 2006 Web 2.0Werbung Neue Techniken ermöglichen es, Verhaltensmuster von Zielkunden nachzuvollziehen „proaktiv“: „beobachten/anbieten“ statt „suchen/finden“ Behavioral Targeting Select Affinity Adcatch u.a.m Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 20 Konsumenten-Information Produkte bzw. Produktmerkmale nach Informationsverfügbarkeit Inspektionsgüter(-merkmale) Erfahrungsgüter (-merkmale) Vertrauensgüter (-merkmale) Man kann vor dem Kauf Produktinformationen inspizieren Man kann nach dem Kauf Produktinformationen erfahren Es gibt nur Ersatzinformationen, auf die man vertraut Beispiele PC Schuhe Restaurant Autowerkstatt vorbeugende Medizin Schwerpunktkonsequenzen für das Marketing Qualität kommunizieren z.B. technische Angaben Qualität managen z.B. Zufriedenheitsmessung Qualität glaubhaft machen z.B. Referenzen, Zertifikate Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 21 Agenda • Grundlagen • • Konsumenten-Information Informationsaufnahme • Visuelle Aufnahme und Imagery • Gesetzmäßigkeiten der Wahrnehmungspsychologie • Gestaltpsychologie Lernen • Begriff • Konditionierung • Kognitives Lernen • Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 22 Informationsaufnahme Informationsaufnahme - Aufmerksamkeitsumfang Anzahl der Informationen, die bei kurzer Darbietung (< 1 sec) – ohne Memorieren – richtig erkannt werden kann: 4 bis 8 bzw. „magische“ Zahl 7 Der Aufmerksamkeitsumfang variiert je nach: • • • • • Alter Reizstärke Bekanntheitsgrad Homogenität der Reize Möglichkeit des Chunking Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 23 Informationsaufnahme Information Acquisition Capacity - physical versus psychological Unit Capacity Letter 6 bit Page 20,000 bit Book (500 p) Nervus Opticus Attentive Reading 10,000,000 bit 400,000,000 bit/sec 100 bit/sec Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 24 Agenda • Grundlagen • • Konsumenten-Information Informationsaufnahme • Visuelle Aufnahme und Imagery • Gesetzmäßigkeiten der Wahrnehmungspsychologie • Gestaltpsychologie Lernen • Begriff • Konditionierung • Kognitives Lernen • Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 25 Visuelle Aufnahme Visuelle Informationsaufnahme - vom Auge zum Gehirn visueller Reiz (Lichtquellen) Rezeptor (Netzhaut: Stäbchen, Zapfen) Ganglienzellen (elektrophysische Reaktion) Sehnerv (Kreuzung: optisches Chiasma) Seitlicher Kniehöcker (Schaltstelle für Aktivierungsfilter) Visueller Cortex (weitere Informationsverarbeitung) Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 26 Visuelle Aufnahme Bildinformationsaufnahme – ein Prozessmodell Sensorischer Speicher Kurzzeitspeicher visueller Reiz Erwartungshaltung Langzeitspeicher parallele periphere Kodierung einfacher visueller Kodes Flüchtiges Icon. Zerfall < 1 sec Bereitstellung visueller Schemata Aufmerksamk: Selektn. aus sensor. Speicher Scanning der vis. Schemata nein nein Identifiziert Icon gelöscht ja visuelle / sprachl.visuelle Kodebildung ja Erkennen Kein Erkennen Abspeichern Quelle: nach Klimesch (1980) Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 27 Agenda • Grundlagen • • Konsumenten-Information Informationsaufnahme • Visuelle Aufnahme und Imagery • Gesetzmäßigkeiten der Wahrnehmungspsychologie • Gestaltpsychologie Lernen • Begriff • Konditionierung • Kognitives Lernen • Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 28 Visuelle Aufnahme Psychophysiologie: „Übersetzung“ von Reizen in Empfindungen 1) Webersches Gesetz Wir sind begrenzt fähig, Reizunterschiede wahrzunehmen Zwei Reize unterschiedlicher Intensität können erst nach Überschreiten einer Schwelle als unterschiedlich wahrgenommen werden. Die Unterschiedsschwelle ΔI ist proportional zur Reizintensität I mit ΔI / I = K. Beispiele für die Webersche Konstante K Tonhöhe bei 2.000 hz Druck bei 400 g Helligkeit bei 1000 Photon Gewichtheben bei 300 g Lautstärke bei 100 db Gummigeruch bei 200 Olfaktin 1/333 1/77 1/62 1/53 1/11 1/10 Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 29 2) Fechnersches Gesetz Funktionalzusammenhang zwischen Reizstärke R und Empfindungsstärke E E log E = n • log R R n<1 Unterschätzung einer Reizverstärkung 0,6 Lautstärke von Tönen 0,5 Geruch von Kaffee 0,5 Helligkeit Mischlicht n>1 Überschätzung einer Reizverstärkung Benzinpreis? Autosicherheit? Urlaubsortentfernung? 1,9 Elektroschock in Hand 1,5 Gewichte heben 1,3 Salz schmecken Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 30 Agenda • Grundlagen • • Konsumenten-Information Informationsaufnahme • Visuelle Aufnahme und Imagery • Gesetzmäßigkeiten der Wahrnehmungspsychologie • Gestaltpsychologie Lernen • Begriff • Konditionierung • Kognitives Lernen • Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 31 Gestaltpsychologie Gestaltpsychologie sucht Gesetzmäßigkeiten der Wahrnehmung 1) Gesetz der „Nähe“ Elemente, die dicht beieinander liegen, werden zusammengefasst. = Punktreihen = S-Linie Quelle: Behrens & Hartmann 1977 Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 32 Gestaltpsychologie 2) Gesetz der „Ähnlichkeit“ Elemente, die sich ähnlich sind, werden zusammengefasst. Die Ähnlichkeit kann sich beziehen auf Größe, Farbe, Helligkeit, Lautheit, Klangfarbe usw. + • + • + • + • + • + • + • + • + • + • + • + • + • + • + • + • + • + • + • + • + • + • + • + • + • + • + • + • Hier werden Zeilen, nicht Spalten erkannt. Quelle: Behrens & Hartmann 1977 Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 33 Gestaltpsychologie 3) Gesetz der „guten Gestalt“ Können Reize auf verschiedene Art organisiert werden, so schiebt sich die jeweils „beste“ Reizkonfiguration in den Vordergrund. „Beste“ ist hier im Sinne von Ähnlichkeit, Kontinuität, Nähe, Symmetrie usw. zu verstehen. Quelle: Behrens & Hartmann 1977 Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 34 Gestaltpsychologie 4) Gesetz der „Geschlossenheit“ Es besteht die Tendenz, die Wahrnehmung zu Figuren (Gestalten) zu organisieren. Ist das Reizmuster unvollständig, so hat der Wahrnehmende die Tendenz, die fehlenden Bestandteile zu ergänzen (Geschlossenheit siegt über Nähe). Wir nehmen nicht 36 verschiedene Kleckse wahr Quelle: Behrens & Hartmann 1977 Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 35 Gestaltpsychologie Optische Täuschungen Hase oder Ente? Gerade oder Ungerade? Stimmgabel? Quelle: Tagesspiegel 04.02.2001 Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 36 Gestaltpsychologie Exkurs Behavioral Pricing-Forschung: Einige Befunde zu Suche nach und Wahrnehmung von Preisen (Qualitäten) • • • • • • Konsumenten suchen weniger intensiv nach Preisen als es die Informationsökonomie sagt Manche Konsumenten investieren aus Spaß Zeit in die Preisinformationssuche Je höher der Ausgangspreis und je geringer die Suchkosten, desto mehr Preisinfosuche Bei Preisrückerstattungsgarantie wird weniger Preisinfo gesucht Das Ausmaß der Preiskenntnis wirkt positiv auf die Preisinfosuche Kaum klare Preisinfosuchbefunde zu Personenmerkmalen wie Alter, aber Bildungsniveau • 9er Preisendungen wirken für den Verkäufer günstig, u.a. weil der Preis unvollständig von links nach rechts „abgearbeitet“ wird • Preisorientierte Qualitätswahrnehmung Zahlreiche empirische Untersuchungen und Befunde zu: • Preisschwellen • Referenzpreise Preisfairness • Quelle:Homburg & Koschate, Behavioral Pricing-Forschung, ZfB 4/2005, 383 ff. Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 37 Agenda • Grundlagen • • Konsumenten-Information Informationsaufnahme • Gesetzmäßigkeiten der Wahrnehmungspsychologie • Visuelle Aufnahme und Imagery • Gestaltpsychologie Lernen • Begriff • Konditionierung • Kognitives Lernen • Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 38 Lernen Lernen - Begriff Kurzdefinition Verhaltensänderung durch Wiederholung (Übung) oder Übernahme, nicht angeboren oder entwicklungsbedingt, nicht temporär begrenzt (z.B. Ermüdung, Drogen). Behaviorismus • mechanistisch, unbewusst, biogenetisch, programmiert S-R-Modell Neo-Behaviorismus S-O-R-Modell • komplex, bewusst, kognitiv, kontrolliert • mit motivationalen (Belohnung, Bestrafung) und kognitiven (Assoziation, Analogie) Vermittlern (O = Organismus intervenierende, „vermittelnde“ Variablen) und sozialem Einfluss (Imitation, Identifikation usw.) Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 39 Agenda • Grundlagen • • Konsumenten-Information Informationsaufnahme • Visuelle Aufnahme und Imagery • Gesetzmäßigkeiten der Wahrnehmungspsychologie • Gestaltpsychologie Lernen • Begriff • Konditionierung • Kognitives Lernen • Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 40 Konditionierung Klassische und emotionale Konditionierung I Klassische Konditionierung Lernphase Beispiel CS Ton ⇒ ⇒ ⇒ Ton Ausführung UCS Futter R Speichel Speichel Emotionale Konditionierung Lernphase Beispiel CS Marke Marke Ausführung ⇒ UCS Story ⇒ ⇒ R Emotion Emotion C=Konditioniert, UC=Unkonditioniert, S=Stimulus, R=Reaktion Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 41 Konditionierung Klassische Konditionierung etwas differenzierter (Pawlow: Speichelsekretion bei Hunden) Terminologie: US UR unkonditionierter Stimulus unkonditionierte Reaktion (Fleischpulver) (Speichelfluss) NS OR neutraler Stimulus Orientierungsreaktion (Glockenton) (Ohren aufstellen) CS CR konditionierter Stimulus Konditionierte Reaktion (Glockenton) (Speichelfluss) Quelle: H. Spada (Hg.): Allgemeine Psychologie. Bern: Huber. 1990. S. 327 - 330 Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 42 Konditionierung Klassische Konditionierung etwas differenzierter (Pawlow: Speichelsekretion bei Hunden) Vorgehensweise: US löst aus: UR Kontrollphase: (Fleischpulver → Speichelfluss) NS löst aus: OR (Glockenton → Ohren aufstellen) Konditionierungsphase: NS ist gepaart mit US US löst aus: UR (Glockenton → Fleischpulver) (Fleischpulver → Speichelfluss) Ergebnis des Konditionierungstrainings: NS wird CS CS löst aus: CR (Glockenton wird kond. Stimulus) (Glockenton → Speichelfluss) Löschungsphase: Kein US CS löst aus : CR (Kein Fleischpulver) (Glockenton → Speichelfluss) Ergebnis der Löschungsphase: Keine spezifische Reaktion auf den CS (keine Reaktion auf den Glockenton) Spontanerholung: Kein US CS löst nochmals aus: CR (Glockenton → Speichelfluss) Quelle: H. Spada (Hg.): Allgemeine Psychologie. Bern: Huber. 1990. S. 327 - 330 Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 43 Konditionierung Klassische und emotionale Konditionierung II werblich relevante intervenierende Variablen der Lerntheorie Wiederholungszahl Faustregel > 30 Prägnanz des CS z.B. klares Markenzeichen Stärke des UCS z.B. stark erotische Anzeige Generalisierung z.B. Imagetransfer, „sklavische Anlehnung“ Reizdiskriminierung z.B. Differenzierung homogener Marken durch Farben Überschattung z.B. mehrere Marken konkurrieren um Lernen derselben Emotion Irrelevanz z.B. nicht zum Produkt passende Emotion (wie Autoreifen und Erotik) Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 44 Konditionierung Mere Exposure (Zajonc): Lernen ohne Voraussetzungen klassischer Konditionierung Positive Einstellungsbildung allein schon durch häufige Kontakte Befunde Hypothese von Zajonc (1968) Kritik Anwendung in der Werbung • Häufiger verwendete Wörter haben angenehmere Konnotationen (emotionale Werte) • Im Experiment oft exponierte sinnlose Silben erlangen eine positive „Bedeutung“ • Oft vorgeführte Fotos oder Musikstücke werden besser bewertet Auch ohne Verstärker kann eine positive Einstellung entstehen, einfach durch häufige Kontakte mit dem Einstellungsobjekt. Kausalrichtung fraglich; mögliche Verstärkung durch Experimentalbedingungen Low-involvement-Technik „Wiederholung ist alles“ Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 45 Konditionierung Operante Konditionierung – Belohnungslernen Häufigkeit des Verhaltens Erhaltung, gelegentliche Bestätigung „Anfangstraining“, kontinuierliche Bestätigung Zufälliges Verhalten Zeit Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 46 Konditionierung Instrumentelle (operante) Konditionierung von Kaufverhalten I Angebot Kauf Zufriedenheit Erstkauf Verstärkung Angebot Kauf Zufriedenheit Zweitkauf Verstärkung (häufige Wiederholung) Angebot Kauf Zufriedenheit n-ter Kauf Verstärkung Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 47 Konditionierung Instrumentelle (operante) Konditionierung von Kaufverhalten II Einige marketingrelevante Hypothesen aus der operanten Lerntheorie • Belohnungen wirken stärker als Bestrafungen • Verstärkung wirkt am besten unmittelbar nach dem (Kauf-)Verhalten • Zugaben verstärken die Kundenbindung Voraussetzung: das Verhalten muss bereits “operant” sein (kein “Zufallskauf”) • gelegentliche, unterschiedliche Zugaben wirken besser als “Immerverstärkung” • neutrale Reize (z.B. Corporate Design) können “sekundär” verstärkend wirken, wenn sie auf eine Primärverstärkung (z.B. Zugaben) konditioniert wurden Beispiel Konsumentenverhalten • • • • gelegentliche Zugaben für Markentreue soziale Belohnungen in der Werbung sekundäre Verstärkung durch Musik im Laden selbstbelohnender Konsum von Süßigkeiten Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 48 Agenda • Grundlagen • • Konsumenten-Information Informationsaufnahme • Visuelle Aufnahme und Imagery • Gesetzmäßigkeiten der Wahrnehmungspsychologie • Gestaltpsychologie Lernen • Begriff • Konditionierung • Kognitives Lernen • Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 49 Kognitives Lernen Kognitives Lernen Lernphase neues Problem Problemlösungsprozess Reaktion Know-How-Speicherung spätere Nutzungsphase ähnliches Problem Problemlösungsprozess Reaktion Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 50 Kognitives Lernen Sozial-kognitives Lernen: Kritik an mechanistisch-behavioristischen Lerntheorien: Falsches Menschenbild Emanzipatorisch-optimistisches Menschenbild: Lernen als aktive, kognitive Verarbeitung • als Verhaltensbeobachtung an Vorbildern (Modellen) • als symbolische Verarbeitung / -speicherung / -nutzung von Beobachtungen, Ereignissen, Erfahrungen • als Selbststeuerungsprozess über selbsterzeugte Anreize und Konsequenzen Lernwirksame Vorgänge • • • • Aufmerksamkeit, z.B. Hinwendung zum Modell Gedankliche Übernahme und physische Umsetzung des Modellverhaltens Motivationale Verstärkungsprozesse Stabilisierung des gelernten Verhaltens Quelle: Bandura 1979 Technische Universität Berlin Lehrstuhl Marketing Professor Dr. Volker Trommsdorff Konsumentenverhalten – Informationserwerb 51