Rede Dr. Nolte zum

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ÜberdasSelbstverständniseinerkünstlerischenHochschulprofessur.Zur
ReformderkünstlerischenHauptfachstudiengänge.
RedevonRektorDr.RüdigerNolteanlässlichderEröffnungdesAkademischen
Jahres2016/17am24.10.2016.
MeineDamenundHerren,
seit2011befindenwirunsanderFreiburgerMusikhochschuleineinemumfassenden
Reformprozess.EsbegannmitdenReformenderpädagogischenStudiengänge,demfolgten
abungefähr2012ersteUnternehmungenzumAusbaudesFreiburgerStandortsals
HochschulemiteinemSchwerpunktwissenschaftlicherLehreundForschung.
UndvoreinigenSemesternhabenwirmitdemvielleichtgrößtenUnternehmenbegonnen:
mitderReformunsererkünstlerischenAusbildung.
AndersalsfürPädagogikundWissenschaftstehtderKunstnureherschwierigeineigener
DiskurszurVerfügung.IchmöchteeineAnnäherungversuchenundüberdas
SelbstverständniseinerHochschul-ProfessurimkünstlerischenHauptfachsprechen.
1. MöchteichüberdieMeisterschaftsprechenundüberVeränderungender
Ausbildungsansprüche,
2. ÜberunserErinnernundVergessen
DieersteVoraussetzungfüreinesogenanntekünstlerischeProfessuristnachwievordie
Meisterschaft–undichdenke,dieseraltmodischeBegriffkannzunächstsehrwohl
verwendetwerden.
DerAnspruchaufMeisterschaftistdiewohlältestederheutenochgültigenTraditionen
einerMusikhochschuleundsetztaußergewöhnlichesmusikalischesEmpfindenvoraussowie
außergewöhnlichesTalent,sowohlkünstlerischesalsauchpädagogisches.
TalentundEmpfindensindnunnichtgeradepräziseKriterienunderschwereneineRede
darüber.
Wasalsoheißtdas,Meisterschaft?
zunächstbeziehtsichMeisterschaftauftechnischesKönnen,
außerdemaufüberzeugendeAusdrucksfähigkeit,wasnochrelativnaham
technischenKönnenliegt.
DrittensmeintMeisterschaftdieherausragendeFähigkeitzuinterpretieren.
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UnddamitbeanspruchtMeisterschaftviertenstiefreichendeskulturelleswie
ästhetischesWissenund
5.-sehrwichtig-pädagogischeMeisterschaft,worunterimkünstlerischen
BereichtraditionellzunächsteineerfolgreicheAbsolventenbilanzverstanden
wird.
Einen6.Aspektnenneichspäter.
AlsHochschullehrewurdeMeisterschaftlangemitderÜberzeugungeinerdreiteiligen
Erfolgsgarantieverbunden:1.dieProminenzdesProfessors/derProfessorin,2.deshalbeine
nachgefragteKlasseund3.damitverbundendieguteAussichtfürdieStudierenden,zum
VorspieloderVorsingeneingeladenzuwerden.
DieseErfolgsgarantieaberistnichtmehrstabil.
Warum?
EinerseitsliegtdasanverändertenBedingungeneinesverändertenMusikmarkts.
SosinddieKarrieremöglichkeitenunsicherergeworden.Auchwenndasfürmanchen
LehrendenfürdenQualitätsansprucheineskünstlerischenStudiumsfürnichtzwingendvon
Belangist,soistdochderEinflussveränderterBerufssituationaufdieStudienmöglichkeit
nichtnurnichtzuignorieren,sondernsehrwohlbestimmendfürdieRelevanzkünstlerischer
Ausbildung.
DerlangeZeitklareWeg:Studium-Orchester/OpernbühneoderbessernochSolist
funktioniertheuteanders.
Bekanntist,dasseskeineGarantiemehrgibtfüreinelebenslangeOrchesterstelleunddas
heißtauch,dassdiesePerspektivenureinevonmehrerenist.Bekanntistauch,dasssich
immerhäufigerderBerufswegfürMusikeralssogenanntePatchwork-Existenzdarstellt.
Bekanntistebenso,dassPianisten,auchausdemSpitzenbereich,kaumadäquate
Berufschancenhaben,dieihrenQualifikationenangemessenwären.
WasdieUnsicherheitdergenanntenErfolgsgarantiebetrifft,soistaußerdemein
verändertesSelbstverständniskünstlerischerLehrezubeobachten.
ImGegensatzzufrüherverstehenheutevieleProfessorinnenundProfessorenihren
UnterrichtwenigeralsimitativgestaltetesMeister-Schüler-Verhältnis,sondernstellensich
selberundihrenStudierendengegenüberweitdifferenziertereAnsprüche.
Zunennenwären,ohnedassdieseReihegeordnetodervollständigwäre:
-dieindenletztenJahrengegenübersolistischerQualifikationgesteigertgesehene
BedeutungkammermusikalischerLehre,
-dergesteigerteAnspruchzurBefähigungstilistischbewusstdifferenziertenSpiels
(alteMusik,neueMusik,reflektierteRomantik).VorallembeidenStreicherngehört
dasmittlerweilezumStandardhochqualifizierterAusbildungundhatseineeigenen
KonsequenzenfürdaskünstlerischeSelbstverständnisundauchfürden
traditionellenBezugaufeineneinzigenLehrer,
-außerdemdieindenletztenJahrenauchfürdaskünstlerischeHauptfachstudium
gesteigertgeseheneBedeutungvonMethodikbzw.Methodik-Vermittlung,
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-außerdemdas-mehroderweniger–EndederstriktenAbgrenzungsogenannter
ErnsterMusikgegensogenanntepopuläreMusik.
-außerdemdiewiederentdeckteTatsache,dassimprovisatorischesSpielkein
spielerisches„Spontangeklimper“ist(soeinZitat),sondernaufderGrundlage
tradierter,gelehrterRegelngeschieht.Unddarausfolgt,dassImprovisationder
InterpretationdurchkomponierterWerkenichtwiderspricht,wederästhetischnoch
künstlerisch,
-außerdemdieEinsicht,dassSpitzenqualitätnichtmehrnuralssolistischesSpielzu
verstehenist,d.h.dieEntdeckung,dassdieFähigkeitzuhochqualifiziertem
Orchester-bzw.EnsemblespielalseigeneSpitzenqualitätzubegreifenist.
DieseVeränderungenzeigenunsu.a.folgendes:dieQualitätkünstlerischerLehreerweist
sichwenigeralsErgebnissubjektiverMeinungderLehrenden,sonderneherinnerhalbder
KombinationverschiedenerWissenskompetenzen.
DieerstenbeidengenanntenAspektederMeisterschaft:„technischesKönnen“und
„Ausdrucksfähigkeit“undebensoeinTalentfürpädagogischesKönnenbegründensichwohl
eherindividuell.AberdieweiterenBedeutungenkünstlerischerLehre:Interpretation,
kulturellesundästhetischesWissensowiepädagogischesWissenbedürfenBildungund
damitjenerWissens-Kooperationen,dieüberindividuelleMöglichkeitenhinausgehen.
DasaberbedeutetfürvielekünstlerischeProfessorinnenundProfessoreneinhohesMaßan
Bereitschaft,dieeigeneprofessoraleIdentitätzuüberdenken.
AufunsererletztenKlausurtagungzumneuenStruktur-undEntwicklungsplanklangensolche
Gedankenan.Teilweisekontrovers,zeigtesichfürmichdocheineerstaunliche
UmorientierungaufSeitenderkünstlerischlehrendenProfessorinnenundProfessoren.
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DieseUmorientierungbegründetsichauchdamit,dassdieheutigeKulturklassischerMusik
jeneselbstverständlichebürgerlicheVerankerungverlorenhat,diesieim19.Jahrhundert
hatte.
Bisinsfrühe20.JahrhundertwarendieLehrendenmitihremUnterrichtinderMusikihrer
Gegenwartverwurzelt.UndebendieserBezugzurdamaligenmusikalischenGegenwart-
Chopin,Brahms,Mahler-formtedieRezeptiondesVergangenen–Bach,Beethoven.
Heuteistesmeistso,dasswirunsereGegenwartüberspringen–woranauchimmerdas
liegenmag.
IndemwirdamitunseremusikalischeVergangenheitrezipierenalsseisieunsereGegenwart,
übersehenwir,dasssiedocheigentlichVergangenheitist-Schumann,Verdi,Webern.
WennwiraberMusikderVergangenheitspielen,hörenoderunterrichten,alsseisieuns
ganznah,danntunwirso,alsbewegtenwirunsineinemvonallenhistorischen
BedingungenunabhängigenRaum.
UndgenaudiesevermeintlicheUnabhängigkeitistalsHaltungkünstlerischerLehre
problematisch,weilsienichtdieGeschichtlichkeitvonMusikrespektiertunddamitauch
nichtvonderBedeutungvonErinnerungausgeht.
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IndemwirdieMusikderVergangenheitalsosospielenundunterrichten,alsgehörtenwirzu
ihrundsiezuuns,verhaltenwirunsdeshalbgeschichtslos,weilwirunsnichtrichtig
erinnern.
Unddasheißtandersrum:weilwirvergessen.
EineReformkünstlerischerAusbildung:dasmeintnichtnureinbewussteresNachdenken
überunseregegenwärtigeMusikkultur,dasmeintnichtnureinNachdenkenüberunsere
tradiertenAusbildungen,sonderndasmeintauchdiebewusstereWahrnehmungdessen,
dasswirunsmitunsererLehrevergangenerMusikkulturineinemErinnerungs-oder
Gedächtnisvorgangbefinden.
UndhieristdasProblemmitunserermusikalischenGegenwartwichtig.Dennwenndiese
GegenwartvonVergangenembesetztist-Brahms,Wagner,Strauss-,dannhatunser
GedächtniseinenfalschenGegenwarts-Ausgang.UnsereErinnerungsreiseindie
VergangenheitsetztbereitsbeiVergangeneman.DamitistunserkulturellesGedächtnis
gestört.
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WasdasSelbstverständniseinerkünstlerischenProfessurbetrifft,somöchteichnunden6.
AspektderMeisterschaftnennen,denältestenüberhaupt:dasistdieTraditionmündlicher
ErfahrungsvermittlungvomLehrerandenSchüler,vonMundzuOhr,wieWalterBenjamin
schreibt.GemeintisteinemündlichvermittelteTraditionsüberlieferung,dieaber-unddas
istwichtig-weiterreichtalsdiedernurpersönlichenErinnerungen.Dieseralte
ErfahrungsdiskurswarandieMöglichkeitlebendigerErinnerungskulturgebunden.Unddie
LebendigkeitdieserErinnerungskulturwiederumhattezutunmiteinemstimmigen
Gegenwartsbezug.
OffensichtlichabergingdieserBezugzurGegenwartimfrühen20.Jahrhundertverloren-
unddamitauchdieKulturderErinnerung.
MitderKonsequenzdesVergessens.
Vergessenwurdendamalsu.a.TraditionendesMusikstudiums.
Vergessenwurdez.B.,dassImprovisationundKompositioneinanerkannterBestandteil
künstlerischerQualifizierungwaren.
VergessenwurdenauchinstrumentenbaulicheTraditionenz.B.diehistorischer
Tasteninstrumente,dasallerdingshatteschonim19.Jahrhunderteingesetzt.Bekanntistder
Fall,dassCembalimitvölligunhistorischerTechnikrekonstruiertwurden.
Vergessenwurdedamalsauchdiebisins20.JahrhundertüblicheSpielpraxisdifferenziert
eingesetztenVibratosunddamitganzandererKlangmöglichkeiten.
Dasalleswurdeim20.Jahrhundertzunächstnichtmehrvermittelt.
Allgemeinkannmansagen:vergessenwurdedamalsdieBedeutungjenerErinnerung,die
überdieMöglichkeitenderjeeigenenpersönlichenErinnerungenhinausgeht.Undesgehört
zudenwichtigenundpositivenEntwicklungen,dassindenletztenJahrensehrvielvondem
Vergessenenwiederzurückentdeckt,d.h.erinnertwurde.
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KulturwissenschaftlichwirdGedächtnisalssozialesPhänomengesehenundzwischen
KommunikativemundKulturellemGedächtnisunterschieden.
ZurKennzeichnungjenerHaltungkünstlerisch-professoralerLehre,diezwarTradition
beansprucht,dieabersoetwaswieGeschichtlichkeitignoriert,wäredasKommunikative
Gedächtniszunennen.
DasKommunikativeGedächtnisbeziehtsichauferlebbareVergangenheiten,konstituiert
sichindividuelloderkollektividentifizierendmitGruppenwieFamilie,Berufs-oder
Interessengruppen,Verbändeetc.imBewusstseingemeinsamerVergangenheitsbezüge,die
sehrwohlvonhoherErfahrungsbedeutungseinkönnen,dieabergleichzeitigderGefahr
einergroßenFehlerquoteunterliegen.
MitdemKommunikativenGedächtnisbestehtdieGefahrderVerwechslungvonhistorischer
WahrheitundindividuellerMeinung.
AlsBeispielsolchungesicherterim20.JahrhundertgebildeterGewissheitwärezunennen:
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z.B.dieÜberzeugungvonderprivilegiertenBedeutungklassischerMusik
gegenüberallenanderenArtenvonMusik.Daswarnämlichkeineswegsimmer
so.
oderdieÜberzeugung,dassalledenkbarengestaltetenTöneeinemeinzigenMaß
vonKlangschönheitunterliegen,dassesalsoeinennicht-schönenKlangeigentlich
nichtgebendarf.
DassindBeispielefürneuformulierteGewissheiten,dieimMomentihrerErfindungkeiner
historischerinnerbarenTraditionentsprachen.
Sowarnochimspäten20.JahrhundertdieEmpörunggegenhistorischeAufführungspraxis
groß.DawurdeimNameneineralsvollkommenklarempfundenenWertigkeitundinstarker
GruppenidentitäteineseigenenLagersdieandereArtzuinterpretierenabgelehnt-mit
VerweisaufKönnenundErfahrung,mitdemAnspruchaufjenekünstlerisch-individuelle
Autorität,diejedochnichtbeansprucht,nachBegründungenzufragen.Sospielteesbei
dieserKritikkeineRolle,dasssichdieabgelehnteSpielweisederhistorischen
AufführungspraxisaufQuellenbezieht-undnichtaufMeinungen.
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GeheichnunnocheinenSchrittzurückaufeineallgemeinereEbeneundbetrachte
kunsthistorischeZusammenhängealsBedeutungkulturhistorischerZusammenhänge,dann
zeigtsichdieBedeutungeinerKunstprofessur-egalobbildendeKunstoderMusik–von
äußersthohemAnspruch,weilsieletztlichdenFundusdergesamtenKulturtradition
repräsentiertundnichtnureinenindividuellgeprägtenAusschnitt.
InUnterscheidungzumKommunikativenGedächtnislässtsichhiervonKulturellem
Gedächtnissprechen.
DieKulturwissenschaftlerAleidaundJanAssmannbezeichnenimUnterschiedzum
KommunikativenGedächtnisalskulturellesGedächtnis„dieTraditioninuns,dieüber
Generationen,injahrhunderte-,jateilweisejahrtausendelangerWiederholunggehärteten
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Texte,BilderundRiten,dieunserZeit-undGeschichtsbewusstsein,unserSelbst-und
Weltbildprägen“.
DassichdamitandeutendeKapazitätsprobleminnerhalbderVielschichtigkeitdes
„generationen-undepochenübergreifendenGedächtnisses“regeltsichnachAssmannsu.a.
durchsogenannteArchive,derenpersonen-unabhängigeSpeicherungengrundsätzlich
verschlossensind,jedochfürÖffnungenbereitstehen.UndhieristdieBedeutung
wissenschaftlicherForschungzunennen.
DieerwähnteWiederentdeckunghistorischerAufführungspraxiswäreeinBeispielfürdie
Erschließungvonvergessener,ineinArchivabgespeicherterkünstlerischerPraxis,dieuns
langeZeitnichtzugänglichwar.
DerAnspruchvielerLehrender,ihrenUnterrichtnurausderExzellenzihrereigenen
Persönlichkeitherauszugestalten,beschränktsichimNormalfallalsoaufdieDimension
dessen,wasAssmannsdasKommunikativeGedächtnisnennen.
InUnterscheidungdazumeintKulturellesGedächtnisdiehistorischvertikaleVertiefung
sämtlicherkulturellenundauchpolitischenSpurenundEreignisse,die,nachmeiner
Meinung,imAnsprucheinerkünstlerischenProfessurbeschriebenist.
AleidaundJanAssmannfolgendwäredasKulturelleGedächtnismiteinemPalimpsest
vergleichbar,dasunendlichvieleÜberschreibungen,d.h.Spuren,aberauchSpeicherungen
aufweist.
DasaberüberfordertnunendgültigdieMöglichkeiteneinereinzelnenPerson.Aberdarum
sollesauchgarnichtgehen,sondernumeineentsprechendeHaltung.UmdieHaltungdes
einzelnengegenüberderTiefeundBedeutungdesGanzen.
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KommeichzurückzurReformkünstlerischerAusbildung,sobeabsichtigtsiezumindest
dreierlei:
1. dieEinsicht,dasszurLebendigkeitunsereskünstlerischenErlebensauchdie
MöglichkeitvonQuellen-oderüberhauptvonhistorischerForschunggehört.Dasist
ebenkeinGegensatz.
2. dieEinsicht,dassesdieDimensionenderkünstlerischenLehreerforderlichsein
lassen,denGesamtkomplexalleruniversitärenLehr-DisziplinenimSinneder
BedeutungdeskulturellenGedächtnisseszurespektierenunddieQualitätdes
künstlerischenStudiumsinnerhalbdiesesGesamtzusammenhangszubegreifen.
3. dieumnichtszuvernachlässigendeEinsicht,dasszudenVoraussetzungen
künstlerischerLehresehrwohldietiefeBedeutungindividuellerkünstlerischer
Erfahrunggehört.
GeradeweildasAusmaßdesKulturellenGedächtnissesvonsolcherartTiefeist,solltenwir
unswenigeralsZentrumunsererjeeigenenErinnerungenverstehen,sondernalsTeileines
vielweiterreichendenZusammenhangs.DennesistwirklichkeinNachteil,wennwirunsin
diesemSinnebescheiden.UnddiesesBescheidenwidersprichtkeineswegsdemAnspruch
aufMeisterschaft–wennmandiesenBegriffdennüberhauptnochverwendenmöchte.
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DenkerdererstenJahrzehntedes20.JahrhundertshabenaufdierapidenVeränderungen
derModernereagiert,siewarenfasziniertdavonundkamengleichzeitigschwerdamit
zurecht.AbiWarburg,MauriceHalbwachsoderWalterBenjamin,siehabenüberdas
Erinnerngeschrieben.UndüberdasVergessen.AuchüberdasVergessendessen,was
BenjaminErfahrungnannte,die,wieerschrieb,wieeinRingvonGeschlechtzuGeschlecht
wandert.
Dennso,vonGenerationzuGeneration,vonMundzuOhr,wurdeüberlangeZeitauch
musikalischesWissenweitergegeben.NebendengroßenmusiktheoretischenLehrenund
Analysendes18.und19.Jahrhunderts,nebendengroßenmusikwissenschaftlichen
DiskursenwareineErfahrungs-undErinnerungspflegemöglich,dieohneVerschriftung
stattfand.DiesegenerationenübergreifendeErfahrungstraditionfandzuBeginndes20.
JahrhundertsihrEndeundreduziertesichaufdenAnspruchindividuellerErinnerungund
Überzeugung.
EswurdenwieschongesagtneueTraditionengeschaffen,diejedochkeinenoderkaum
mehrBezugzudenaltenErfahrungenfanden,diedeshalbtraditionsloswaren,z.B.dieschon
genannteÜberzeugungegalitärzuverstehenderTongestaltungoderdieÜberzeugungvon
ausgrenzendemSpezialistentum,z.B.:nurklassischeMusikodernur19.Jahrhundertoder
nursolistischeBrillanz.OderdieÜberzeugung,dassdieQualitätdereigenenMeisterschaft
ausreichendist.DiesedamalsneuenSicherheitentatenso,alshätteeskeinen
Traditionsbruchgegeben.Erwarvergessen.
Wobeidaranerinnertwerdenmuss,dassnichtnurim20.Jahrhundertvergessenwurde.Als
FelixMendelssohnBartholdy1829BachsMatthäusPassionerstmaligwiederaufführte,
geschahdasbewusstalsAnliegen,diesesWerkausderVergessenheitzubefreienundes
erklärtermaßenmitRespektvordemhistorischenOriginalzupräsentieren.Aber
MendelssohngrifftrotzallerAuthentizitätsansprücheaktivindiePartiturein,erveränderte,
ließweg,setztehistorischunkorrektneueInstrumenteeinetc..Mendelssohnwareinerder
erstenVertreterdesdamalsganzneuenTypuseineskünstlerischen
Musikhochschulprofessors.ObwohlersehrwohlnachhistorischenUrsprüngenfragte,
verwechselteermöglichesgegebenesWissenseinerZeitmitseinerindividuellenMeinung
darüber,wasundwieesrichtigsei.
Dasgabesalsowohlimmer.DasVergessenim20.Jahrhundertaberwargrundsätzlicher,es
warvomVerlustdesGegenwartsbezugsgeprägt,denMendelssohnsehrwohlhatte,undes
wargeprägtvonhistorischganzneuenkulturindustriellenVermarktungsstrategien.
Undheute?Im21.Jahrhundert?ZumVergessengehörtleider,dassmanesnichtmerkt.
DochhabenschonseitlängererZeitneueErkenntnissedieim20.Jahrhundertbehaupteten
GewissheitenüberwundenunddiePerspektiveneuerkünstlerischerOrientierungen
eröffnet.DaszeigtsichnichtzuletztmitneuenFragenanAusbildungundkünstlerische
Bedeutung.
IndiesemZusammenhanglässtsichalsonichtsagen,dassallesimmernurschlechterwird.
AusdenneuenFragenergibtsichgeradezusachlichdieChancefürReformender
künstlerischenLehre.
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Ichwürdemichfreuen,wennwirhieranunsererHochschuleauchdiesenSchrittschaffen
könnten.
HabenSieDankfürsZuhören.
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