ANTRAG: Entwicklung des universitären Lehrangebots angesichts neuer gesellschaftlicher Bedürfnisse An die Universitätsvertretung der HochschülerInnenschaft an der Universität Salzburg, 26.6.2014 Hintergrund: Der an Hochschulen betriebene Lehre und Forschung spiegelt seit jeher gesellschaftliche Erwartungen und Anforderungen an diese Bildungs- und Forschungseinrichtungen wider. Dabei findet nicht jeder gesellschaftliche Bedarf nach wissenschaftlicher Beschäftigung mit bestimmten Themen unmittelbaren Niederschlag in der Lehr- und Forschungslandschaft. Denn die Definition dessen, was als „gesellschaftlich relevant“ gilt und einer wissenschaftlichen Behandlung würdig gilt, ist Ergebnis eines sozialen und politischen Prozesses, der in hohem Maße von Machtverhältnissen und Wertvorstellungen geprägt ist. Die Gestaltung des Lehr- und Forschungsbetriebs ist weder naturgegeben noch ein Zufallsprodukt, sondern Resultat politischer Prozesse. Sie betrifft beispielsweise die Fragen, welche Disziplinen wie stark vertreten sind, welche Fragestellungen und theoretischen sowie methodischen Zugänge gefördert werden, und welche gesellschaftlichen Gruppen maßgebliche Impulse für Lehre und Forschung geben. Die aktuelle Diskussion, ob die türkische Sprache zu einem Maturafach an österreichischen Schulen werden sollte, hat der Frage, welche Studien Österreichs Hochschulen anbieten und welche nicht, mehr Aufmerksamkeit verschafft. Der Hintergrund dieses Falles ist, dass keine der 21 österreichischen Universitäten ein Lehramtsstudium Türkisch anbietet. Obwohl das Einwanderungsland Österreich seit Jahrzehnten einen bedeutenden türkischstämmigen und sprachigen Bevölkerungsanteil hat, und obwohl ein hochwertiger Türkischunterricht an Schulen auf Augenhöhe mit anderen lebenden Fremdsprachen aus kultureller, bildungs- und integrationspolitischer sowie wirtschaftlicher Sicht wünschenswert ist, weisen Österreichs Universitäten hier eine Lücke auf. Die Pläne der Uni Graz, ab 2012/13 ein solches Lehramtsstudium anzubieten, scheiterten nach Angaben der Universität am fehlenden politischen Auftrag und einer admit einhergehenden Finanzierungszusage für die benötigten Lehrkräfte. Bezeichnenderweise ließ ein Sprecher von Bundesministerin Claudia Schmid noch 2011 wissen, dass z.B. Türkisch als Maturafach „keine Priorität“ habe. Es ist anzunehmen, dass das geringe Interesse der regierenden Parteien an einer Einführung eines Lehramtsstudiums Türkisch damit zusammenhängt, dass Türkisch ungeachtet der realen Verhältnisse als weniger prestigeträchtig gesehen wird als z.B. 1 Französisch oder Italienisch, dass man vor etwaiger Kritik fremdenfeindlicher Parteien zurückschreckt, und dass man die finanziellen Mittel für die Einführung eines solchen Studiums nicht bereitstellen will. Da die Beschaffenheit der Lehr- und Forschungslandschaft ein Produkt sozialer und politischer Gestaltung ist, sollten wir Studierende einen Beitrag zur Reflexion und öffentlichen Diskussion darüber leisten, welche gesellschaftlichen Bedürfnisse gegenwärtig im Hochschulwesen adäquat berücksichtigt werden und welche nicht. Antrag: Die Universitätsvertretung der HochschülerInnenschaft an der Universität Salzburg möge beschließen: Die ÖH Salzburg anerkennt die Notwendigkeit, eine öffentliche Diskussion über die Beschaffenheit der österreichischen Lehr- und Forschungslandschaft und insbesondere über womöglich vernachlässtigte Themen und Disziplinen zu führen. Um einen Beitrag zu einer solchen Diskussion zu leisten, möge die ÖH Salzburg im Studienjahr 2014/15 eine Diskussionsveranstaltung zu diesem Themenkomplex ausrichten und verschiedene gesellschaftliche AkteurInnen einladen, sich an diesem Diskussionsprozess zu beteiligen. 2