152 5 WEITERE ANWENDUNGEN DER NEWTON’SCHEN AXIOME I Mechanik +y b|v| n y^ maG +x 5.21 Kräftediagramm für einen in der Luft fallenden Körper. steigt auch die Widerstandskraft, sodass die Beschleunigung abnimmt. Schließlich wird die Geschwindigkeit so hoch, dass der Betrag der Widerstandskraft b |v|n gegen den der Gravitationskraft m g geht. In diesem Grenzwert geht die Beschleunigung gegen null, wobei die dann erreichte Geschwindigkeit die sogenannte Endgeschwindigkeit vE ist. Bei der Endgeschwindigkeit sind Widerstandskraft und Gravitationskraft gerade im Gleichgewicht, sodass die Beschleunigung null ist. Setzt man in Gleichung 5.6 v = vE und a y = 0, erhält man: b |vE |n = m g . Löst man diese Gleichung nach der Endgeschwindigkeit auf, ergibt sich: |vE | = (qay, pixelio.) Bei t = 0, also zu dem Zeitpunkt, zu dem der Körper losgelassen wird, ist seine Geschwindigkeit null. Damit ist auch die Widerstandskraft null, sodass die Beschleunigung g nach unten wirkt. Während die Geschwindigkeit des Körpers steigt, m g 1/n b . (5.8) Je größer die Konstante b ist, desto kleiner ist die Endgeschwindigkeit. Beim Entwurf von Kraftfahrzeugen wird versucht, die Konstante b und damit den Luftwiderstand so klein wie möglich zu machen. Ein Fallschirm ist dagegen so konstruiert, dass er b möglichst groß und die Endgeschwindigkeit dadurch möglichst klein macht. So beträgt z. B. die Endgeschwindigkeit eines Fallschirmspringers vor Öffnen des Fallschirms ungefähr 200 km/h, also rund 60 m/s. Welcher Widerstandskraft und Beschleunigung er dabei ausgesetzt ist, zeigt Beispiel 5.8. Beim Öffnen des Fallschirms nimmt der Luftwiderstand schnell zu und wird bald größer als die Gravitationskraft. Dadurch erfährt der Fallschirmspringer während des Fallens eine Beschleunigung nach oben, sodass seine Bewegung abgebremst wird. In dem Maße, in dem sich die Geschwindigkeit des Fallschirmspringers verringert, nimmt auch die Widerstandskraft ab, bis er eine Endgeschwindigkeit von rund 20 km/h erreicht. Beispiel 5.8: Die Endgeschwindigkeit Ein Fallschirmspringer mit einer Masse von 64,0 kg fällt mit einer Endgeschwindigkeit von 180 km/h, wenn er seine Arme und Beine ausgestreckt hat. a) Wie groß ist der Betrag der nach oben gerichteten Widerstandskraft FW auf den Fallschirmspringer? b) Wie groß ist die Konstante b, wenn sich der Betrag der Widerstandskraft gemäß b |v|2 berechnet? Problembeschreibung: In Teilaufgabe a verwenden wir das zweite Newton’sche Axiom, um die Widerstandskraft zu berechnen. Anschließend berechnen wir mit den gegebenen Werten in Teilaufgabe b die Konstante b. Lösung: Teilaufgabe a 1. Zeichnen Sie ein Kräftediagramm (Abbildung 5.22). +y FW maG +x 5.22 Tipler/Mosca: Physik, 6. Auflage 2. Wenden Sie Fi,y = m a y an. Da sich der Fallschirmspringer mit konstanter Geschwindigkeit bewegt, ist seine Beschleunigung null: Fi,y = m a y ⇒ FW − m g = 0 und damit ist FW = m g = (64,0 kg) · (9,81 N· kg−1 ) = 628 N Teilaufgabe b 1. Wir setzen FW = b |v|2 , um die Konstante b zu ermitteln: FW = m g = b |v|2 und so b= 2. Ermitteln Sie die Geschwindigkeit in m/s und berechnen Sie anschließend b: mg |v|2 180 km· h−1 = = 50,0 m· s−1 b= 180 km 1h · 1h 3600 s (64,0 kg) · (9,81 m· s−2 ) = 0,251 kg· m−1 (50,0 m· s−1 )2 Plausibilitätsprüfung: Für die Konstante b ergibt sich die Maßeinheit kg/m. Wir multiplizieren sie mit (m/s)2 . Dabei entsteht die als kg · m· s−2 definierte Krafteinheit Newton, wie es auch sein sollte, da ja die Widerstandskraft eine Kraft ist. 5.3 Krummlinige Bewegung In vielen Fällen bewegen sich Körper nicht auf einer Geraden. Beispiele hierfür sind ein Auto, das durch eine Kurve fährt, oder ein Satellit, der die Erde umkreist. Wir betrachten einen solchen Satelliten auf einer Umlaufbahn um die Erde (Abbildung 5.23). In einer Höhe von 200 km ist die auf den Satelliten wirkende Gravitationskraft nur geringfügig kleiner als auf der Erdoberfläche. Weshalb fällt dann der Satellit nicht auf die Erde herunter? Tatsächlich „fällt“ er durchaus; er kommt der Erdoberfläche dabei nur deshalb nicht näher, weil sie gekrümmt ist. Würde der Satellit nicht zur Erde hin beschleunigt, würde er sich in einem Zeitraum t vom Punkt P1 geradlinig zum Punkt P2 bewegen. Stattdessen gelangt er zum Punkt P2 auf der Erdumlaufbahn. In gewissem Sinn „fällt“ der Satellit also um die in Abbildung 5.23 gezeigte Strecke h. Bei einem kleinen Zeitraum t liegen P2 und P2 nahezu auf derselben radialen Geraden. In diesem Fall ergibt sich h aus dem rechtwinkligen Dreieck mit den Seiten v t, r und r + h. Da r + h die Hypotenuse dieses rechtwinkligen Dreiecks ist, folgt aus dem Satz des Pythagoras (r + h)2 = (v t)2 + r 2 , r +2hr +h = v t +r 2 2 2 2 bzw. h (2r + h) = v 2 t 2 . Tipler/Mosca: Physik, 6. Auflage 2 Für sehr kurze Zeiten ist h klein gegen r und kann somit gegenüber 2 r vernachlässigt werden. Damit ist dann 2 r h ≈ v2 t 2 oder h≈ 1 2 v2 r t2 . Ein Vergleich mit der Formel h = 12 a t 2 für die gleichförmig beschleunigte Bewegung zeigt, dass die Beschleunigung des Satelliten P1 r vt r P2 P'2 h 5.23 Ein Satellit bewegt sich mit dem Geschwindigkeitsbetrag v auf einer Kreisbahn mit dem Radius r um die Erde. Würde der Satellit nicht auf die Erde zu bewegt werden, würde er sich geradlinig vom Punkt P1 zum Punkt P2 bewegen. Da er beschleunigt wird, fällt er stattdessen die Strecke h auf die Erde zu. Für einen hinreichend kleinen Zeitraum t ist die Beschleunigung im Wesentlichen konstant, sodass h = 12 at 2 = 12 (v 2 /r)t 2 ist. 153 I Mechanik 5.3 KRUMMLINIGE BEWEGUNG