Wolfgang von Engelhardt Physiologie der Haustiere Reading excerpt Physiologie der Haustiere of Wolfgang von Engelhardt Publisher: MVS Medizinverlage Stuttgart http://www.narayana-verlag.com/b19822 In the Narayana webshop you can find all english books on homeopathy, alternative medicine and a healthy life. Copying excerpts is not permitted. Narayana Verlag GmbH, Blumenplatz 2, D-79400 Kandern, Germany Tel. +49 7626 9749 700 Email [email protected] http://www.narayana-verlag.com 167 Kreislauf- und Atmungssystem 8 Herz 8.1 Funktionen des Herzens DAS WICHTIGSTE VORWEG Das Herz ist ein autonomes Organ, dessen Funktion durch spezialisierte Muskelzellen, die das Erregungsbildungs- und Erregungsleitungssystem bilden, und durch das Myocard ermöglicht wird. – Der Herzzyklus besteht aus Systole (Anspannungsund Auswurfphase) und Diastole (Entspannungs- und Füllungsphase). Zu Beginn der Systole entsteht der erste Herzton, zu Beginn der Diastole der zweite Herzton. – Die Herzarbeit wird durch das Ausmaß der mechanischen Muskelvordehnung (Frank-Starling-Mechanismus) und den Einfluss des vegetativen Nervensystems an wechselnde Belastungen angepasst. Das Herz arbeitet als Druck-Saug-Pumpe und besteht aus zwei Vor- und zwei Hauptkammern, die jeweils hintereinander geschaltet sind. Die Richtung des Blutflusses wird durch Einlass- (Atrioventrikularklappen) und Auslassventile (Aorten-, Pulmonalklappe) geregelt. Das rechte Herz treibt den Lungenkreislauf, das linke Herz den Körperkreislauf an. Das Herzzeitvolumen ist das Produkt aus Herzschlagfrequenz (HF) und Schlagvolumen (SV). – Grundlage für die Kontraktion der Myocardzellen ist die Fähigkeit, Aktionspotenziale zu erzeugen. Durch einen Einstrom von Ca2 + in die Myocardzelle aus dem Extrazellularraum und aus dem sarkoplasmatischen Reticulum wird die Muskelkontraktion gesteuert. – Initiiert wird die Autorhythmie des Herzens, wenn im primären Schrittmacher (Sinusknoten) des Erregungsbildungssystems durch spontane Depolarisation ein Aktionspotenzial entsteht, das über das Erregungsleitungssystem zum Myocard wandert. Der Sympathicus kann die Frequenz der Herzschlagfrequenz (positiv chronotrop), die Überleitungszeit im AV-Knoten (positiv dromotrop) und die Kontraktionskraft (positiv inotrop) steigern; der Parasympathicus vermindert die Herzschlagfrequenz (negativ chronotrop). – Die sich rhythmisch verändernde elektrische Aktivität des Myocards erzeugt ein elektrisches Feld, das über ▶ die Extrazellulärflüssigkeit bis an die Körperoberfläche geleitet wird. Dort können die sich zeitlich verändernden Potenzialunterschiede mittels Elektrokardiographie mit Elektroden als Elektrokardiogramm (EKG) registriert werden. Die Standard-Ableitstellen erfolgen an den Extremitäten (Extremitätenableitungen nach Einthoven oder Goldberger) oder auf der Brustwand (Brustwandableitungen nach Wilson). 8.2 Herz als Pumpe Der Blutkreislauf bildet ein in sich geschlossenes System, bei dem das Blut über ein aus Arterien, Arteriolen, Kapillaren, Venolen und Venen bestehendes Gefäßsystem ständig durch den Körperkreislauf und den Lungenkreislauf zu allen Punkten des Körpers hin- und zurücktransportiert wird (Abb. 9.1). Im Mittelpunkt dieses Transportsystems steht das Herz als kombinierte Druck-Saug-Pumpe, die für die kontinuierliche Strömung und den Rücktransport des Blutes sorgt. Das Herz ist von einem bindegewebigen Beutel, dem Pericard, umhüllt; es besteht aus dem äußeren, parietalen und dem inneren, visceralen Blatt (Epicard). Zwischen beiden Blättern ist ein sehr dünner Flüssigkeitssaum vorhanden. Das Epicard ist die äußere Schicht der Herzwand mit dem Herzmuskel als kontraktiles Element. Als die innerste der drei Schichten der Herzwand folgt das Endocard als Auskleidung der Herzhöhlen und der Klappen. Funktionell wird das muskuläre Hohlorgan Herz in zwei Teile gegliedert, in das linke und das rechte Herz, die durch die Herzscheidewand (Septum) getrennt sind. Beide Teile bestehen jeweils aus Vorhof (Atrium) und Kammer (Ventrikel), zwischen beiden befinden sich die Segelklappen (rechtes Herz Tricuspidalklappe, linkes Herz Bicuspidalklappe; Abb. 8.1 a). In den rechten Vorhof münden die obere und untere Hohlvene (Vena cava superior und inferior) sowie eine große Herzvene (Sammelvene), die das venöse Blut aus dem Herzmuskel in das rechte Atrium führt (Sinus coronarius). Diese 3 Venen führen sauerstoffarmes Blut dem Herzen zu. In den linken Vorhof münden vier Ve- aus: von Engelhardt u. a., Physiologie der Haustiere (ISBN 9783830412687) © 2015 Enke Verlag Kreislauf und Atmung Gerhard Breves 168 8 Herz nen, die aus der Lunge kommen und durch die arterielles, sauerstoffreiches Blut in das linke Atrium fließt. Die Blutversorgung des Herzmuskels erfolgt durch das coronare Gefäßsystem (rechte und linke Coronararterie). Die Coronararterien entspringen einer Einbuchtung der Aorta kurz oberhalb der Aortenklappe (Valvula semilunaris dextra und sinistra). Die vier Herzklappen liegen in der Ventilebene des Herzens (Abb. 8.1 b). Sie haben die Aufgaben, die Herzhöhlen zum Teil zu trennen und als Ein- und Auslassventile zu dienen; es wird damit eine gerichtete Strömung des Blutes durch das Herz erreicht. Einlassventil zwischen dem rechten Atrium und dem rechten Ventrikel ist die Tricuspidalklappe. Die Bicuspidalklappe (auch Mitralklappe, lat. Mitra, Bischoffsmütze) ist das Einlassventil zwischen dem linken Vorhof und der linken Herzkammer. Aus der rechten Herzkammer entspringt die Lungenschlagader (Pulmonalarterie), aus der linken Kammer die Körperhauptschlagader (Aorta). Zwischen rechter Kammer und Pulmonalarterie befindet sich die Pulmonalklappe, zwischen linker Kammer und Aorta die Aortenklappe. Beide fungieren als Auslassventile. Während die Aorten- und Pulmonalklappe aus jeweils drei taschenartigen Ausbuchtungen bestehen (= Taschenklappen), handelt es sich bei der Tri- und Bicuspidalklappe um sog. Segelklappen, die im ersten Fall aus drei Segeln (= tricuspid) und im anderen Fall aus zwei Segeln (= bicuspid) aufgebaut sind. Die Segelklappen werden durch Sehnenfäden (Chordae tendineae) in ihrem Bewegungsausmaß begrenzt; die Sehnenfäden sind bindegewebige, zarte Strukturen zwischen den Segeln und den Auswüchsen der Kammermuskulatur, den Papillarmuskeln. Man spricht hierbei vom Halteapparat der Segelklappen. IN ALLER KÜR ZE Das Herz ist die Pumpe, die Druck erzeugt und dadurch die Energie zur Blutbewegung bereitstellt. Die Herzklappen sorgen als Ein- und Auslassventile dafür, dass der Blutstrom gerichtet erfolgt. 8.2.1 Herzaktion im Viervierteltakt Funktionell ergeben sich durch den Aufbau des Herzens zwei parallel und simultan laufende Pumpen (rechtes und linkes Herz) mit je einem Vorhof und Ventrikel. Jede Ventrikelpumpe arbeitet für sich in einem mechanischen Zyklus, der im Viervierteltakt mit der Anspannungsphase (AS; erster Takt, Abb. 8.2 A) beginnt, gefolgt von der Auswurfphase (AW; Ejektion, zweiter Takt) und der Entspannungsphase (ES; Relaxation, dritter Takt), um schließlich mit der Füllungsphase (FP) abzuschließen (vierter Takt). Bei jedem Herzzyklus („Herzschlag“) bilden Anspannungsund Auswurfphase die Systole, während Entspannungsund Füllungsphase als Diastole bezeichnet werden. Im Elektrokardiogramm (EKG), das später ausführlich besprochen wird, entspricht die elektrische Herzaktivität von der R-Zacke bis zum Ende der T-Welle der mechanischen Ventrikelaktivität der Systole und entsprechend das Intervall von Ende der T-Welle bis zur R-Zacke der Diastole 1 14 2 13 6 12 5 9 Ventilebene 4 17 16 11 15 4 7 10 3 a 8 Valv. tricuspidalis Pulmonalklappe Aortenklappe Valv. bicuspidalis b Abb. 8.1 a Schematisiertes Säugerherz mit den beiden Vorkammern (9 rechtes Atrium, 5 linkes Atrium) und den beiden Hauptkammern (10 rechter Ventrikel, 7 linker Ventrikel). Die Ventrikel werden durch das Kammerseptum (11) getrennt. Das Vorhofseptum wird von der Aorta (1) und der Arteria pulmonalis (2) verdeckt. Zwischen Vorhof und Kammer liegen die Einlassventile Valvula tricuspidalis (17) und Valvula bicuspidalis (16). Allgemein werden die Einlassventile auch als Atrioventrikular(AV)klappen oder Segelklappen bezeichnet. Über Sehnenfäden (Chordae tendineae, (3)) sind die Segel mit Papillarmuskeln (8) verbunden. Dieser Mechanismus verhindert ein Durchschlagen der Ventile während der Systole. Während der Diastole strömt das Blut aus der Vena cava cranialis (14) und caudalis (15) über den rechten Vorhof in den rechten Ventrikel. Im linken Herzen gelangt das arterielle Blut (rosa) aus den Lungenvenen (6) in den linken Vorhof. Während der folgenden Systole wird das Schlagvolumen (SV) des rechten Ventrikels über die Pulmonalklappe in die Arteria pulmonalis ((2), Lungenkreislauf) ausgestoßen. Das SV des linken Ventrikels wird über die Aortenklappe in die Aorta gepumpt ((1), Körperkreislauf). Die Auslassventile werden auch als Semilunarklappen bezeichnet (12). b Querschnitt durch das Herz, Ventilebene schematisch von oben; sie wird durch Ein- und Auslassventile gebildet. Beachte: Das Kammermyocard des linken Ventrikels ist wesentlich dicker als jenes des rechten Ventrikels, weil im Körperkreislauf ein höherer systolischer Kammerdruck erzeugt werden muss als im Lungenkreislauf. Der Sinusknoten ((13), Sinus arteriosus) im Venensinus des rechten Vorhofs ist der primäre Taktgeber des Herzens. Die Blutversorgung des Herzens erfolgt über Coronargefäße (4). aus: von Engelhardt u. a., Physiologie der Haustiere (ISBN 9783830412687) © 2015 Enke Verlag 8.2 Herz als Pumpe AS Aortenklappe AV-Klappe ES AW FP A mV R T P 0 B QS Systole mmHg Diastole Aorta 120 80 linker Ventrikel 40 C Vorhof 0 ml 120 SV 40 D Ventrikelvolumen 80 RV 0 E 1. Herzton mmHg 6 a 2.Herzton c a 4 Venenpuls 2 c F v 0 x y –2 IN ALLER KÜR ZE – Anspannungsphase: Isovolumetrische Kontraktion, alle Klappen sind geschlossen. – Auswurfphase: Die Auslassventile sind geöffnet. – Entspannungsphase: Alle Klappen sind geschlossen. – Füllungsphase: Die AV-Klappen sind geöffnet. Der Ventilebenenmechanismus trägt zur schnellen frühdiastolischen Füllung der Ventrikel bei. 8.2.2 Ventrikel sind nie ganz leer Während eines Herzzyklus entleeren sich die Ventrikel nie vollständig. Wie in Abb. 8.2 D gezeigt ist, enthält jeder Ventrikel am Ende der Diastole ca. 130 ml Blut (enddiastolisches Volumen, EDV; Beispiel eines 70 kg schweren Schweines). Während der Systole werden unter Ruhebedingungen ungefähr 60 ml ausgeworfen (Schlagvolumen, SV), 70 ml bleiben aber zurück (endsystolisches Volumen, ESV). Aus dem Verhältnis von Schlagvolumen zu endiastolischem Volumen ergibt sich die Ejektions- bzw. Auswurffraktion, ein Maß für die Herzfunktion. Wie in Abb. 8.2 C zu sehen ist, ist der linksventrikuläre Druck zu Beginn der Systole sehr niedrig, nahe 5 mmHg. Durch die kraftvolle Kontraktion des ventrikulären Myocards steigt der Druck sehr schnell an, bis er den Aortendruck übersteigt (Anspannungsphase), die Aortenklappe geöffnet wird und das Schlagvolumen den Ventrikel verlässt (Auswurfphase). 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 sec Abb. 8.2 Mechanische und elektrische Aktivität der Herzaktion in Einzelphasen eines etwa 70 kg schweren Schweines. A Aufteilung des Herzzyklus in 4 Phasen: Systole (AS Anspannungs- und AW Auswurfphase), Diastole (ES Entspannungs- und FP Füllungsphase). Die Aortenklappe (als Beispiel linkes Herz) ist während der AW geöffnet (weiß), sonst immer geschlossen (grau). Die Atrioventrikularklappen sind während der Füllung geöffnet (weiß), sonst immer geschlossen (grau). B Zugehöriges Elektrokardiogramm (EKG, schematisch) als Verlaufskurve für die elektrische Aktivität während des Herzzyklus. Die Bedeutung der charakteristischen Wellen und Zacken (P, Q, R, S, T) wird später erläutert; siehe Kap. EKG-Analyse (S. 185). C Druckverlauf während Systole und Diastole in linkem Vorhof und linker Kammer sowie in der Aorta. Beachte: Die Druckamplitude in der Aorta ist wesentlich abgeschwächt, durch die Dehnbarkeit der Gefäße („Windkesselfunktion“ (S. 197); Abb. 9.7; Abb. 9.19). D Während der Systole werden die Ventrikel nie leer gepumpt. In Ruhe ist das Schlagvolumen (SV) sogar kleiner als das verbleibende Reservevolumen (RV). E Durch die Herzaktion in vier Phasen werden zwei wesentliche Herztöne (S. 170) erzeugt, die in einem Phonokardiogramm optisch dargestellt werden können. Der erste Herzton (Anspannungston) ist mit dem Schließen der AVKlappen assoziiert. Der zweite Herzton (Klappenschlusston) entsteht durch die Vibration der Blutsäule in den Gefäßen unmittelbar nach dem Schluss der Taschenklappen. Zu beachten ist die Inzisur (S. 198) (Einkerbung in der Druckverlaufskurve) während der ES-Phase. F Druckverlauf in der Vena cava communis (Venenpuls). Die Auslenkungen werden erzeugt durch: a = Vorhofkontraktion, c = Anspannungsphase des rechten Ventrikels, Vorwölbung der AV-Klappe, x = Absenkung der Ventilebene, v = Aufsteigen der Ventilebene bei noch geschlossener AV-Klappe, y = Füllung des rechten Ventrikels. aus: von Engelhardt u. a., Physiologie der Haustiere (ISBN 9783830412687) © 2015 Enke Verlag Kreislauf und Atmung (Abb. 8.2 B). In der Anspannungs- und in der Entspannungsphase, in denen kein Blut in den Kammern fließt, sind alle Klappen geschlossen. Während der Ejektion sind die Pulmonal- und Aortenklappen (Semilunarklappen) geöffnet, die Segelklappen (Bi- und Tricuspidalklappen, Atrioventrikularklappen, AV-Klappen) sind geschlossen. Während der Füllungsphase ist der Ablauf umgekehrt, die AV-Klappen sind geöffnet, Pulmonal- und Aortenklappen sind geschlossen. Die den Blutfluss regulierenden Herzklappen schließen und öffnen sich dabei passiv in Abhängigkeit von den Druckänderungen. Unterstützt wird dieser Vorgang durch die anatomische Anordnung der Ventile in der sog. Ventilebene (Abb. 8.1 a, b). Die Ventilebene stellt eine bindegewebige versteifte Platte dar, die sich aufgrund der Fixierung des Pericards im Bereich der Herzspitze (Apex cordis) am Zwerchfell in Abhängigkeit des Kontraktionszustands verschiebt und somit maßgeblichen Einfluss auf die Hämodynamik hat (Ventilebenenmechanismus). Durch Verkürzung des Ventrikelmyocards während der Systole wandert die Ventilebene in Richtung der Herzspitze und bewirkt eine Erweiterung der relaxierten Vorhöfe. Hieraus resultiert ein Sog, der am Beginn der Diastole den schnellen Einstrom des Blutes aus den Vorhöfen in die Ventrikel unterstützt. Während der Diastole verschiebt sich dann die Ventilebene durch die Längenzunahme des Kammermyocards wieder in Richtung der Herzbasis (Basis cordis). Die AV-Klappen öffnen sich und die Ventilebene stülpt sich quasi über die Blutsäulen in den Vorhöfen. Gemeinsam mit den Vorhofkontraktionen werden die Ventrikel schnell gefüllt. 169 8 Herz IN ALLER KÜR ZE Der maximale Druck im linken Ventrikel beträgt ungefähr 120 mmHg, der im rechten Ventrikel nur ca. 20–30 mmHg. 8.2.3 Herztöne Die physiologischen Herzaktionen verursachen charakteristische Töne (erster und zweiter Herzton, Abb. 8.2 E), die leicht phonokardiographisch aufgezeichnet und dokumentiert werden können. Der erste Herzton (Anspannungston, Muskelton) entsteht als niederfrequenter, dumpfer Ton während der Anspannungsphase. Er kommt dadurch zustande, dass der Ventrikel sich schnell um das nichtkomprimierbare Blut anspannt und dadurch zusammen mit den AV-Klappen in Schwingung gerät. Man bezeichnet den ersten Herzton deshalb auch als Anspannungs- oder Muskelton. Der zweite Herzton (Klappenton) entsteht beim Schluss der Taschenklappen der Aorta und der A. pulmo- nalis. Es ist ein heller, lauter, kürzerer Ton. Gelegentlich kann auch kurz nach dem zweiten Herzton sehr leise ein dritter Herzton registriert werden, mit dem Stethoskop ist er bei gesunden Tieren nicht zu hören. Der dritte Herzton entsteht während der frühen Ventrikelfüllung durch das einströmende Blut. ZUM WEITERLESEN Kommen zu den Herztönen auch Geräusche hinzu, weisen diese im Gegensatz zu den Herztönen meist auf pathologische Veränderungen der Herzklappen oder auf Stenosen hin. In diesem Fall wird nicht von Herztönen, sondern von Herzgeräuschen gesprochen. IN ALLER KÜR ZE Der erste Herzton entsteht bei der isometrischen Kontraktion der Kammern (Muskelton), der zweite Herzton beim Schluss der Aorten- und Pulmonalklappen (Klappenton). 8.2.4 Pumpleistung in Ruhe a b 10 1 0,001 Blauwal Elefant 100 Mensch Ratte 1000 Hausmaus Etruskermaus Die in Abb. 8.2 besprochenen Vorgänge laufen bei jedem Herzschlag ab und pumpen mit jedem weiteren Zyklus erneut ein Schlagvolumen (SV) in die Pulmonalarterie und in die Aorta. Die Anzahl der Herzschläge pro Minute wird als Herzschlagfrequenz (HF) bezeichnet. Die Ruhe-Herzschlagfrequenz variiert im Tierreich in weiten Bereichen, sie nimmt signifikant mit steigender Körpermasse ab (Abb. 8.3 a). Ein Elefant mit ca. 4 000 kg Körpermasse hat Herzfrequenz (min–1) Weil zu Beginn der Systole das Ventrikelvolumen zunächst gleich bleibt (Abb. 8.2 D), wird diese Anfangsphase als isovolumetrische Kontraktion bezeichnet. Der Auswurf des Schlagvolumens erfolgt zunächst schnell und verlangsamt sich dann, wenn der ventrikuläre Druck und der Aortendruck nach Erreichen ihrer Maxima wieder abfallen. Wenn der ventrikuläre Druck noch weiter abfällt, ist der Auswurf beendet, es kommt zu einem kurzen Rückfluss von Blut im Bereich der Aortenklappe; die Aortenklappe schließt sich daraufhin. Der Übergang von der Systole zur Diastole erzeugt dabei in der Druckpulskurve in den herznahen Arterien eine Inzisur, sodass der Druckverlauf als dikrote (zweigipflige) Welle erscheint (Aorta in Abb. 8.2 C; Abb. 9.7; Abb. 9.8 a). In der Diastole relaxiert das Kammermyocard und der linksventrikuläre Druck sinkt auf einen Wert von etwa 5 mmHg ab (ventrikuläre Vorlast, preload, rechter Ventrikel ca. 3 mmHg). In Abb. 8.2 C beträgt die Druckamplitude im linken Ventrikel ungefähr 120 mmHg. Die Mitralklappe bleibt solange geschlossen, bis der ventrikuläre Druck unter den im linken Vorhof abfällt (Entspannungsphase). Die erste Phase der ventrikulären Diastole wird als isovolumetrische Relaxation bezeichnet. Die ventrikuläre Füllung erfolgt zunächst schnell (Ventilebenenmechanismus (S. 168)) und verlangsamt sich dann, bis durch die Schrittmacherzellen des Sinusknoten ein Aktionspotenzial erzeugt (Beginn der P-Zacke) und damit Vorkammerkontraktionen ausgelöst werden. Wie in Abb. 8.2 D zu erkennen ist, sind während der Diastole 80–90 % der Ventrikelfüllung abgeschlossen, bevor die Vorkammerkontraktion beginnt. Die atriale Kontraktion bewirkt letztendlich nur das abschließende Restauffüllen des Ventrikels (Ende der Füllungsphase). Bei Beginn der Ventrikelsystole beginnt die Vorhofmuskulatur wieder zu erschlaffen. Die hier beschriebenen Abläufe für das linke Herz gelten bezüglich der zeitlichen Abfolge und der Blutflussraten auch für das rechte Herz, allerdings liegen dort andere Druckverhältnisse vor; der maximale systolische Druck im rechten Ventrikel beträgt nur etwa 20–30 mmHg. Herzminutenvolumen (l · min–1) 170 0,1 10 1000 Körpermasse (kg) 100000 0,1 10 1000 Körpermasse (kg) 100000 10000 1000 100 10 1 0,1 0,01 0,001 0,001 Abb. 8.3 Beziehung zwischen Ruhe-Herzschlagfrequenz (a), RuheHerzminutenvolumen (b) und Körpermasse bei verschiedenen Säugetieren. aus: von Engelhardt u. a., Physiologie der Haustiere (ISBN 9783830412687) © 2015 Enke Verlag 8.2 Herz als Pumpe diastolischen ventrikulären Druck ausgelöste Vordehnung des Herzmuskels wird als ventrikuläre Vorlast des Herzens (preload) bezeichnet. Der enddiastolische ventrikuläre Druck ist identisch mit dem atrialen Druck, da die AVKlappen während der Diastole offen stehen. Damit wird letztendlich die ventrikuläre Vorlast auch durch Vorgänge beeinflusst, die auf den Vorhofdruck wirken wie z. B. der Druck in den Lungenvenen. Abb. 8.4 b zeigt, dass zum Beispiel ein Anstieg der Vorlast auf 5 mmHg zu einem proportionalen Anstieg des EDV führt. Physiologisch bedeutet dieser Effekt, dass vorlastbedingte Anstiege des EDV zu einer Steigerung des Schlagvolumens führen (Abb. 8.4 c). Umgekehrt kann ein Abfall der Vorlast das Schlagvolumen vermindern, z. B. bei Hämorrhagie (Blutung). IN ALLER KÜR ZE Die Ruhe-Herzschlagfrequenz variiert im Tierreich in weiten Bereichen, sie nimmt mit steigender Körpermasse ab. Bei Ruhe wird das gesamte Blutvolumen einmal pro Minute durch die Lunge bzw. das Herz transportiert. 60 40 20 0 8.2.6 Frank-Starling-Mechanismus Die durch das enddiastolische ventrikuläre Volumen bedingte Wandspannung und den dabei vorhandenen end- endiastol. ventrikuläres Volumen (ml) Wie schon in Kap. 8.2.2 erwähnt, ist das Schlagvolumen (SV) das enddiastolische Volumen (EDV) minus dem endsystolischen Volumen (ESV). Das SV kann erhöht werden durch (1) Zunahme des enddiastolischen Volumens (z. B. durch verstärkte Füllung während der Diastole) oder durch (2) eine Verminderung des endsystolischen Volumens oder durch beide Vorgänge gleichzeitig. Die Auswirkungen eines zunehmenden EDV auf das SV sind in Abb. 8.4 a dargestellt. Die dieser Beziehung zugrunde liegenden physiologischen Mechanismen basieren darauf, dass durch Dehnung der ventrikulären Muskulatur (Vordehnung (S. 153), Abb. 7.8) die Kraft der nächsten Kontraktion verbessert wird, und dass eine Dehnung der Muskulatur während der Diastole in den Myocardzellen zu einer vermehrten Ausschüttung von Ca2 + aus dem sarkoplasmatischen Reticulum (SR) führt. Letzteres triggert die Schlagkraft, d. h., die Vordehnung wirkt positiv inotrop. Dieser Effekt ist mit dem sog. Bayliss-Effekt (S. 302) an glatten Muskelzellen vergleichbar; siehe Kap. Autoregulation, myogener Tonus (S. 209). Abb. 8.4 a zeigt die Abhängigkeit zwischen enddiastolischem ventrikulärem Volumen und Schlagvolumen bei einem großen Hund. Die Ruhebedingungen liegen etwa in der Mitte der gezeigten Funktion (gestrichelte Linien). Es wird deutlich, dass das SV in einem gewissen Bereich der EDV-Änderungen nach oben bzw. unten proportional angepasst werden kann. Daraus ergibt sich die Frage, wovon das EDV letztendlich abhängt. 0 20 40 60 80 endiastol. ventrikuläres Volumen (ml) 100 0 5 10 15 20 endiastol. ventrikulärer Druck (mmHg) 25 0 5 10 15 20 endiastol. ventrikulärer Druck (mmHg) 25 a 100 80 60 40 20 0 b Schlagvolumen (ml) 8.2.5 Anpassung der Pumpleistung bei körperlicher Arbeit 60 40 20 0 c Abb. 8.4 a Zunahme des enddiastolischen ventrikulären Volumens (EDV) steigert das Schlagvolumen; b Anstieg des enddiastolischen Ventrikeldruckes (Vorlast, preload) erhöht das EDV; c Kombination der Funktionsbeziehungen in a und b: Anstieg der ventrikulären Vorlast vergrößert das Schlagvolumen. In allen Funktionsbeziehungen wird ein Maximum erreicht (a–c, Beispiele für den linken Ventrikel eines größeren Hundes, gestrichelte Linien bedeuten Werte bei Ruhebedingungen). Bei steigendem EDV wird die Kammerwand bis hin zur Grenze der Elastizität gedehnt. [modifiziert nach Klein, 2013] aus: von Engelhardt u. a., Physiologie der Haustiere (ISBN 9783830412687) © 2015 Enke Verlag Kreislauf und Atmung Schlagvolumen (ml) einen Ruhepuls von 24 pro Minute, eine Etruskermaus mit 2,4 g Körpergewicht einen Ruhepuls von 800–1200 pro Minute. Das Herzminutenvolumen (HMV) bezeichnet das Gesamt-Auswurfvolumen, welches durch jeden Ventrikel in einer Minute ausgepumpt wird. Es ist das Produkt aus SV und HF und korreliert positiv mit der Körpermasse (Abb. 8.3 b). Bei einem Schwein (70 kg) mit einer HF in Ruhe von 85 Schlägen · min–1 und einem SV von ca. 60 ml (Abb. 8.2 D) ergeben sich immerhin 5,1 l · min–1. Eine grobe Schätzung des gesamten Blutvolumens (S. 212) eines adulten Tieres erhält man, wenn man das Körpergewicht mit dem Faktor 0,07 multipliziert: 70 kg · 0,07 = 4,9 kg bzw. ungefähr 4,9 l Blut. Das bedeutet, dass schon unter Ruhebedingungen das gesamte Blutvolumen einmal pro Minute durch die Lunge bzw. das Herz transportiert wird. 171 8 Herz Die hier beschriebene Autoregulation des Schlagvolumens in Abhängigkeit des enddiastolischen Volumens wurde zuerst von den Wissenschaftlern Otto Frank und Ernest Henry Starling untersucht und wird als Frank-Starling-Mechanismus bezeichnet. Durch den Frank-StarlingMechanismus wird vor allem auch erreicht, dass sich das rechte und linke Herz auf gleich große Auswurfvolumina anpassen. Würde beispielsweise das rechte Herz pro Schlag nur 1 ml Blut mehr pumpen als das linke, so entspräche die Differenz nach einer Minute bereits ca. 60 ml und würde innerhalb kürzester Zeit zum Lungenödem führen. Diese Wirkungen des enddiastolischen ventrikulären Volumens auf das Schlagvolumen des rechten und des linken Ventrikels gewährleistet autoregulatorisch bei gleichbleibender Herzschlagfrequenz eine Anpassung der Schlagvolumina. Dadurch kann auch eine schnelle Koordination der Pumpleistung beider Ventrikel an schnelle Blutdruckschwankungen wie z. B. beim Hinlegen oder Aufstehen eines Tieres erreicht werden. IN ALLER KÜR ZE Frank-Starling-Mechanismus: Autoregulation des Schlagvolumens; sorgt dafür, dass die Schlagvolumina beider Herzkammern gleich bleiben. Neben der Vorlast wird das enddiastolische Volumen auch durch die ventrikuläre Compliance beeinflusst. Die Compliance (Nachgiebigkeit) ist ein Maß für die Dehnbarkeit einer Körperstruktur wie z. B. der Gefäße (S. 197) oder der Lunge (S. 268). Die Compliance der Ventrikel beschreibt die Volumenerhöhung bei steigendem Füllungsdruck. Abb. 8.5 (obere Kurve) zeigt, dass bei normaler ventrikulärer Compliance bei einer Vorlast bis ca. 5 mmHg kein Problem für die enddiastolische Füllung besteht; bei einer Vorlast von 10 mmHg wäre die EDV deutlich höher. Bei verminderter Compliance, die durch unelastisches Bindegewebe in der Ventrikelwand bedingt ist, ist das EDV deutlich geringer endiastol. ventrikuläres Volumen (ml) 172 100 normale Compliance 80 60 verminderte Compliance 40 20 0 0 5 10 15 20 endiastol. ventrikulärer Druck (mmHg) (Vorlast) 25 Abb. 8.5 Enddiastolisches ventrikuläres Volumen und enddiastolischer ventrikulärer Druck. Ventrikel mit einer verminderten Dehnbarkeit (Compliance) benötigen einen größeren Füllungsdruck (Vorlast, z. B. 10 mmHg gegenüber 5 mmHg), um ein normales enddiastolisches Volumen (z. B. 60 ml; Hund, 30 kg) zu erreichen. [modifiziert nach Klein, 2013] (Abb. 8.5, untere Kurve). Das normale EDV wird bei verminderter Compliance erst bei einer Vorlast von 10 mmHg erreicht (gestrichelte Linie). IN ALLER KÜR ZE Die Compliance ist ein Maß für die Dehnbarkeit einer Körperstruktur, wie z. B. der Gefäße oder der Lunge. Die Compliance der Ventrikel beschreibt die ventrikuläre Volumenerhöhung bei steigendem Füllungsdruck. Neben der Vorlast und der Compliance spielt die Füllungszeit als dritter Faktor für die Kontrolle des EDV eine Rolle. Die Füllungszeit wird durch die Herzschlagfrequenz determiniert. Mit der Steigerung der Herzschlagfrequenz geht in der Regel auch eine Steigerung der Kontraktilität (S. 171) einher. Unter Ruhebedingungen ist für die Füllung ausreichend Zeit gegeben, die ventrikuläre Füllung ist quasi abgeschlossen, wenn die atriale Systole beginnt (Abb. 8.2 D). Wenn aber bei schwerer körperlicher Arbeit die Herzschlagfrequenz stark steigt, nimmt die Diastolendauer und damit die Füllungszeiten deutlich ab (Abb. 29.13). In Kap. 8.2.8 wird besprochen, warum das Herzminutenvolumen bei schwerer Arbeit und damit steigenden hohen Herzschlagfrequenzen nicht deutlich abnimmt. IN ALLER KÜR ZE Eine Erhöhung der Herzschlagfrequenz geht zu Lasten der diastolischen Füllungszeit. 8.2.7 Ventrikuläre Kontraktilität Unter Kontraktilität wird die Kraft und die Geschwindigkeit der Herzmuskelverkürzung zusammengefasst, die vom Muskel selbst ohne den Einfluss von Vor- oder Nachlast ausgeht. Mit steigender Kontraktilität nimmt das Schlagvolumen zu, mit abnehmender Kontraktilität nimmt es ab (Abb. 8.6). Die Kontraktilität des Myocards wird dabei maßgeblich durch die Wirkung des Sympathicus (S. 179) über Noradrenalin (S. 116) vermittelt; die Wirkung von Adrenalin, das aus dem Nebennierenmark ausgeschüttet wird, ist vergleichbar (Abb. 8.13). Die Ventrikelwand kann sich kräftiger, schneller und in kürzerer Zeit kontrahieren. Das Schlagvolumen (Abb. 8.6) und damit auch das Herzminutenvolumen nehmen entsprechend zu und damit kann es zur Blutdrucksteigerung kommen (Abb. 9.23; Abb. 9.24). ZUM WEITERLESEN Die steigernde Wirkung von Noradrenalin und Adrenalin auf die Kontraktilität erfolgt über die Erregung von adrenergen Rezeptoren, im Herzen β1-Rezeptoren (S. 118) (Tab. 5.1; Abb. 5.3). Durch β1-Blocker wie Propranolol kann Bluthochdruck durch Hemmung des adrenergen Signalweges behandelt werden. Die ventrikuläre Kontraktilität steht bei der Modulation des endsystolischen ventrikulären Volumens im Vordergrund. Darüber hinaus beeinflusst der arterielle Blutdruck die Pumpleistung des Herzens. Ein nennenswerter Anstieg des arteriellen Blutdrucks erschwert die Ejektion des SV, aus: von Engelhardt u. a., Physiologie der Haustiere (ISBN 9783830412687) © 2015 Enke Verlag 8.3 Elektrische Aktivität des Herzens 60 normale Kontraktilität 40 verminderte Kontraktilität 20 0 0 20 40 60 80 endiastol. ventrikuläres Volumen (ml) (EDV) 100 10 bei Leistung 8 erwartet 6 4 2 0 0 Abb. 8.6 Die Zunahme des Schlagvolumens in Abhängigkeit vom enddiastolischen ventrikulären Volumen bei normaler (Abb. 8.4 a), bei verminderter und verstärkter Kontraktilität bei einem Hund. Die verstärkte ventrikuläre Kontraktilität zeigt sich graphisch als Aufwärtsverschiebung, die verminderte Kontraktilität als Abwärtsverschiebung der Funktionskurve. Bei normaler Kontraktilität und normalem EDV von 60 ml beträgt in diesem Beispiel eines Hundes (30 kg) das Schlagvolumen etwa 30 ml. Erhöht sich die Kontraktilität bei unverändertem EDV, ist das Schlagvolumen auf 45 ml erhöht, erniedrigt sich die Kontraktilität, beträgt das Schlagvolumen nur noch 18 ml. [modifiziert nach Klein, 2013] da der links ventrikuläre Kammerdruck während der Systole den Aortendruck übertreffen muss, damit Blut herausgepumpt werden kann. Dieser in der Aorta gemessene Druck wird als Nachlast (afterload) bezeichnet. Sie wird vor allem durch zwei Faktoren bestimmt: dem Druck in der Aorta, der bei jeder Systole überwunden werden muss, und der Compliance der Arterien (S. 197). 8.2.8 Anpassung des Herzminutenvolumens bei Arbeit Da sich das Herzminutenvolumen aus dem Produkt von Schlagvolumen und Herzschlagfrequenz ergibt, ist zu erwarten, dass sich mit Verdopplung der HF auch das HMV verdoppelt (Abb. 8.7, schwarze Linie; Tab. 8.1). Bei steigender Leistung und damit verbundener ansteigender Herzschlagfrequenz steigt die Auswurfleistung sogar über die erwarteten Werte hinaus an (Abb. 8.7, rote Linie). Dieser Anstieg geschieht durch eine Kombination aus gesteigerter Vorlast (erhöhtes Schlagvolumen) und Anstieg der Herzschlagfrequenz. Entscheidend für diese Zunahmen ist die Aktivierung des Sympathicus, wodurch die Herzschlagfre- 100 200 Herzfrequenz (min–1) 300 Abb. 8.7 Unter der Annahme, dass das Schlagvolumen gleich bleibt, steigt mit steigender Herzschlagfrequenz das Herzminutenvolumen linear an (erwartete Abhängigkeit als schwarze Linie). Die rote Linie zeigt den Anstieg des HMV bei einem Hund, der neben dem Fahrrad läuft. Dieser Anstieg des HMV bei steigender HF ist durch Sympathicus-Einfluss größer als der erwartete lineare Anstieg. [modifiziert nach Klein, 2013] quenz erhöht und die Kontraktionskraft gesteigert wird sowie Kontraktion und Erschlaffung schneller erfolgen (Abb. 8.13). Bei den sehr hohen Herzschlagfrequenzen nimmt das Schlagvolumen wegen der dann sehr kurzen Füllungsphase ab, der Anstieg des Herzminutenvolumens wird dadurch bei weiter steigender Herzschlagfrequenz (S. 640) geringer; siehe Kap. Frank-Starling-Mechanismus (S. 171). 8.3 Elektrische Aktivität des Herzens Der Herzmuskel ist wie der Skelettmuskel ein quergestreifter Muskel, allerdings bestehen neben Gemeinsamkeiten auch wichtige Unterschiede (Tab. 7.1). Die elektrischen Vorgänge im Herzen werden durch Zellen des Erregungsbildungs- und Erregungsleitungssystems vermittelt (Abb. 8.9 a). Die Kontraktion des Myocards wird durch Aktionspotenziale getriggert, die durch spontane Depolarisationen in spezialisierten Herzmuskelzellen im primären Schrittmacher, im Sinusknoten, entstehen. Fällt der Sinusknoten aus, dann kann der Atrioventrikularknoten (AVKnoten) dessen Funktion übernehmen, allerdings mit einer deutlich niedrigeren Frequenz (sekundärer Schrittmacher, „Ersatzschrittmacher“). Der AV-Knoten hat die Fä- Tab. 8.1 Typische Anpassungen cardialer Parameter bei einem größeren Hund während eines Belastungsexperiments (Hund 30 kg). [Daten aus Klein, 2013] Parameter körperliche Ruhe körperliche Arbeit ventrikuläres enddiastolisches Volumen (ml) 60 55 ventrikuläres endsystolisches Volumen (ml) 30 15 Schlagvolumen (ml) 30 40 Auswurffraktion (%) 50 73 80 240 2,4 9,6 Herzschlagfrequenz (Schläge · min–1) Herzminutenvolumen (l · min–1) aus: von Engelhardt u. a., Physiologie der Haustiere (ISBN 9783830412687) © 2015 Enke Verlag Kreislauf und Atmung Schlagvolumen (ml) Herzminutenvolumen (l · min–1) verstärkte Kontraktilität 80 173 174 8 Herz higkeit zur spontanen elektrischen Depolarisation, die jedoch im Normalfall nicht zum Tragen kommt, da der Sinusknoten dem AV-Knoten seine höhere Frequenz „aufzwingt“. Der Herzmuskel bildet über gap junctions ein funktionelles Syncytium (Abb. 8.8), über das das Schrittmacherpotenzial schnell auf jede Muskelzelle übergreift. Das Herzmuskel-Aktionspotenzial ist sehr lang, dadurch ist die Relaxation und eine erneute Füllung zwischen zwei Herzschlägen garantiert. Über Noradrenalin aus sympathischen Nervenendigungen am Sinusknoten wird die Herzschlagfrequenz stimuliert (positiv chronotrope Wirkung), parasympathische Nervenendigungen vermindern die Herzschlagfrequenz über Acetylcholin (negativ chronotrope Wirkung). Noradrenalin bewirkt an allen Herzmuskelzellen schnellere und kräftigere Kontraktionen (positiv dromotrop, inotrop und lusitrop). Die Wirkung des Parasympathicus beschränkt sich auf den Sinusknoten, die Vorhöfe (negativ inotrop) und den AV-Knoten (negativ dromotrop). Myocyte a 0,1 mm Nucleus Glanzstreifen Zonula adhaerens Desmosom Z-Streifen Mitochondrium IN ALLER KÜR ZE Die elektrische Herzaktivität wird über das Erregungsbildungs- und Erregungsleitungssystem gesteuert. Aktuelle Schrittmacher sind die Zellen mit der schnellsten Depolarisation, normalerweise die Sinusknotenzellen. Im Prinzip kann aber jede Zelle der Herzmuskulatur ein Aktionspotenzial auslösen. 8.3.1 Vergleich der kontraktilen Elemente im Herzmuskel und im Skelettmuskel Der Aufbau des Herzmuskels aus Muskelfasern (Herzmuskelzellen, Cardiomyocyten) aus jeweils ein paar Hundert Myofibrillen, entspricht dem der quergestreiften Muskulatur (S. 145). Bei Herz- und Skelettmuskeln besteht jede Myofibrille aus vielen, hintereinander geschalteten Sarcomeren, die die kleinste funktionelle Einheit des Muskels bilden. Die kontraktilen Elemente des Sarcomers sind Actin und Myosin, sie erzeugen über ihre Interaktion unter ATP-Verbrauch die Kontraktionen und auch die Relaxationen (Querbrückenzyklus, Gleitfilamenttheorie). Dadurch kommt es zu Verkürzung und Kraftentwicklung des Skelett- und Herzmuskels (S. 151) (Abb. 7.6; Abb. 7.7). Cardiomyocyten besitzen einen zentralständigen Zellkern und sind viel kürzer als Skelettmuskelzellen. Durch desmosomale End-zu-End-Verknüpfungen (Glanzstreifen) entstehen lange Zellketten, die wie eine lange Muskelfaser funktionieren (Abb. 8.8 a). Die Cardiomyocyten verzweigen sich und verbinden sich über diese Verzweigungen mit anderen parallel gelagerten Zellsträngen, sodass ein miteinander verbundenes Geflecht entsteht. Zwischen den Zellsträngen verlaufen kollagenfaserige Septen mit kleinen Blutgefäßen und Kapillaren. Die Kapillardichte im Herzmuskel ist sehr hoch (Schwein: 1000–1500 Kapillaren pro mm2! Skelettmuskel 100–300 Kapillaren pro mm2). Die End-zu-EndVerknüpfungen erscheinen lichtmikroskopisch als helle Li- Gap Junction b Abb. 8.8 a Grundstruktur des Myocards mit den aufgefaserten Querverbindungen, zentralständigem Nucleus und der Querstreifung (schematisch). An den Glanzstreifen (Disci intercalares) haften die Muskelzellen aneinander. b Vergrößerter Bereich eines Glanzstreifens. Es gibt 3 Arten von Haftverbindungen: Desmosomen, die die Zellmembran benachbarter Fasern aneinanderheften, Zonulae adhaerentes, die nicht nur Zell-Zell-Verbindungen darstellen, sondern auch an die Actinfilamente binden, und die elektrisch leitenden gap junctions. Die Herzmuskelzelle enthält zahlreiche Mitochondrien. nien und werden Glanzstreifen (Disci intercalares) genannt. Glanzstreifen enthalten drei Arten von Zellhaften: 1. Desmosomen, die benachbarte Zellen mithilfe der intermediären Filamente wie eine Verzahnung eng miteinander verankern; 2. Zonulae adhaerentes, die die Actinfilamente der Sarcomere an den beiden Zellenden fixieren (Adäquat der Z-Scheiben der quergestreiften Muskulatur); 3. gap junctions, die die Passage der Membranerregung ermöglichen (Abb. 8.8 b). Eine Stammzellpopulation analog zu den Satellitenzellen des Skelettmuskels ist in der Herzmuskulatur der Säugetiere nur schwach ausgebildet, sodass die Fähigkeit des Herzmuskels zu Regenerationsprozessen nur wenig ausgeprägt ist. 8.3.2 Herzmuskulatur als funktionelles Syncytium Ein wesentlicher Unterschied zwischen Herz- und Skelettmuskulatur sind die elektrischen Verknüpfungen (gap junctions, Abb. 8.8 b; Abb. 7.16 glatte Muskelzelle; Abb. 2.5a Zell-Zell-Kontakte) zwischen Herzmuskelzellen. Aktionspotenziale wandern in Längsrichtung der Zelle, durch die gap junctions an den Zellendigungen zur Nachbarzelle oder über Zellverzweigungen zum benachbarten aus: von Engelhardt u. a., Physiologie der Haustiere (ISBN 9783830412687) © 2015 Enke Verlag Wolfgang von Engelhardt Physiologie der Haustiere 676 pages, pb publication 2015 More books on homeopathy, alternative medicine and a healthy life www.narayana-verlag.com