I 1 8 I KU N D E N & KO N Z E P T E I MARKETING Getränke Zeitung 26.8.2010 | Heft 18 Auf Augenhöhe KEY ACCOUNT. Die Anforderungen an das Key Account Management steigen kontinuierlich. So ist in den letzten Jahren im Handel eine zunehmende Professionalisierung des Einkaufs zu beobachten. Nur wenn Key Account-Manager den Einkäufern auf Augenhöhe begegnen können, kann es zu guten Ergebnissen kommen. H I NT E RG R U N D JAHRESGESPRÄCHE sind für die Industrie in Zeiten geballter Handelsmacht nicht immer erfreulich oder einfach. Allerdings hat beispielsweise die renommierte Nymphenburg Gruppe beobachtet, dass viele Jahresgespräche seitens der Key Account-Manager strategisch nicht ausreichend vorbereitet sind. „Die Projekterfahrung der Gruppe Nymphenburg, die in langen Jahren mit namhaften Herstellern verschiedener Food- und Nonfood-Branchen gesammelt wurde, zeigt, dass ein strukturierter Prozess für die Vorbereitung von Jahresgesprächen häufig nur in Teilen vorhanden ist“, so Hannes Nechansky, Senior Consultant der Gruppe Nymphenburg Consult AG, der spezialisiert ist auf den Themenbereich „Vertrieb für Konsumgüterhersteller“. Ganz entscheidend nämlich für ein erfolgreiches Gespräch sei eine Begegnung auf Augenhöhe, die man am besten erreiche, indem man sich vollständig auf den Handelspartner und sein Unternehmen einstelle und vorbereite. Und: „Ein ganzheitlicher Blick auf den Kunden ist dabei unerlässlich“, betont der erfahrene Berater. D en Großteil ihrer Arbeitszeit nutzen Key Account Manager (KAM) für das operative Tagesgeschäft, dabei findet ein intensiver und häufig guter Kontakt zum Handel statt. In den Jahresgesprächen geht es dann ans „Eingemachte“. Um diese Gespräche erfolgreich durchzuführen, sollten sich Hersteller strukturiert darauf vorbereiten, denn hier wird über die zukünftige Zusammenarbeit mit dem Handelsunternehmen entschieden, und gute, aber auch schlechte Ergebnisse werden für einen langen Zeitraum zementiert. Die Projekterfahrung der Gruppe Nymphenburg, die in langen Jahren mit namhaften Herstellern verschiedener Food- und Nonfood-Branchen gesammelt wurde, zeigt, dass ein strukturierter Prozess für die Vorbereitung von Jahresgesprächen häufig nur in Teilen vorhanden ist. Es gilt daher, einen Prozess aufzusetzen, der dabei unterstützt, die längerfristige Strategie mit einem Kunden zu definieren und eine bestmögliche Vorbereitung auf das Jahresgespräch zu gewährleisten. Die Herausforderung dabei ist weniger die Detailausarbeitung der einzelnen Schritte (häufig können bestehende Prozesse integriert werden), sondern das konsequente Durchführen und Nachhalten des Prozesses. 1. D AS M ARKTUMFELD KENNEN Hersteller sollten sich mit Trends im Handel und bei Verbrauchern beschäftigen, da diese wertvolle Ansatzpunkte für die Zusammen- arbeit zwischen Handel und Hersteller liefern können. Dabei werden zuerst die wichtigsten 10 bis 15 Trends identifiziert (z.B. über Branchenmedien). Diese Trends werden danach dahingehend bewertet, ob, und wenn ja, wie starke Auswirkungen sie auf den Handelskunden haben werden und welche Chancen und Risiken sich daraus für die Kundenbeziehung ergeben. Ein aktueller Trend ist bspw. die zunehmende Ökologisierung („Greentailing“) der Handelsunternehmen. Wenn man erwartet, dass sich dieser Trend stark auf den betrachteten Händler auswirken wird, könnte man dies z.B. als Chance nutzen, Know-How aufzubauen und sich damit als kompetenter Ansprechpartner für den Handel in der Getränkekategorie positionieren. 2. D EN K UNDEN KENNEN Um Strategien und Maßnahmen für den Kunden ableiten zu können, ist ein ganzheitlicher Blick auf den Kunden unerlässlich. Dazu ist es hilfreich, sämtliche Informationen über den Kunden in einem Factbook zusammenzufassen. Der Fokus soll dabei auf folgende Themenbereiche gelegt werden: Strategie des Kunden und Haupterfolgsfaktoren, POS-Auftritt, Sortiment, Vertriebskanäle, Organisation und Personen, Marketing, finanzielle Eckdaten sowie die Rentabilität für Ihr Unternehmen. Hier gilt es, so fundierte und detaillierte Erkenntnisse wie möglich zusammenzutragen. Mithilfe der vorliegenden Informationen leitet man wiederum Chancen und Risiken ab. Erwartet man zum Beispiel einen Wechsel von Ansprechpartnern im Einkauf, so kann dies, je nach Qualität der aktuellen Beziehung, Möglichkeiten für eine intensivere Zusammenarbeit eröffnen oder auch potenzielle Einschränkungen bedeuten. 3. RICHTIGE A NALYSEN MACHEN Neben den klassischen Umsatzund Abverkaufsanalysen lohnt es sich, qualitative Kriterien in die Betrachtung zu integrieren. Dabei geht es insbesondere um die Fragestellung, wie das eigene Unternehmen im Wettbewerbsumfeld bei dem Handelskunden aufgestellt ist. Dafür sollte man eine Liste mit ca. 20 bis 30 Punkten erstellen, die die wichtigsten Erfolgsfaktoren in der Kategorie beinhaltet, z.B. Sortimentsbreite und -tiefe, Promotionunterstützung, POS-Displays, Lieferfähigkeit, CMKompetenz, Zielgruppenfit und Handelsspanne. Für diese Punkte bewertet man möglichst objektiv das eigene Unternehmen und die Hauptwettbewerber. Ergebnis dieser Analyse sind die eigenen Stärken und Schwächen bei dem betrachteten Handelskunden. 4. K UNDENENTWICKLUNGSPLAN In diesem Schritt werden sämtliche Analyseergebnisse aus den Schritten 1 bis 3 zusammengeführt und daraus eine SWOT-Analyse (Stärken, Schwächen, Chancen, Risiken) pro Handelskunde erstellt. Auf Basis der Ergebnisse der SWOT entwickelt man Zielsetzungen, wie man sich beim Kunden zukünftig strategisch aufstellen will. Wurde als Chance z.B. identifiziert, als Category Captain mehr Einfluss auf das Kategoriesortiment zu erhalten, werden die Einzelschritte zum Ziel „Category Captain“ zusammen mit dem Zeithorizont definiert. Im nächsten Schritt werden die Ziele im Entwicklungsplan mit Konditionen hinterlegt. Häufig stellen wir fest, dass KAMs nicht die volle Transparenz über alle mit dem Kunden vereinbarten Konditionen haben, schon alleine auf- aussagen seiner eigenen Argumentation und erstellt danach die zu den Aussagen passenden Inhalte der Präsentation. Wichtig dabei: Man sollte auf jeden Fall den Hintergrund erklären, warum man ein bestimmtes Konzept umsetzen möchte sowie dessen Vorteile für den Handelspartner. Einkaufsentscheidungen werden sehr häufig aus dem Bauch heraus entschieden. Das mag auf den ersten Blick überraschen, jedoch zeigen wissenschaftliche Untersuchungen, dass 70 bis 80 Prozent aller Entscheidungen unbewusst getroffen werden – das » JAHRESGESPRÄCHE ENTSCHEIDEN ÜBER DIE KÜNFTIGE ZUSAMMENARBEIT « HANNES NECHANSKY, GRUPPE NYMPHENBURG grund der Vielzahl von möglichen Konditionenelementen. Hier ist es erforderlich, die Transparenz herzustellen, indem die Elemente des Konditionensystems aufgelistet und die jeweils aktuellen Werte recherchiert werden. Daraufhin rechnet man mehrere Varianten durch, welche Konditionen in welcher Höhe als mögliche Gegenleistung gegeben werden können, jeweils in einer Bandbreite von Best-Case zu Worst-Case. 5. G ESPRÄCH VORBEREITEN Stehen strategische Ziele, Maßnahmen und Konditionen fest, wird eine Dramaturgie für den Kundentermin entwickelt. Dazu definieret man zuerst die Haupt- menschliche Gehirn kann einen so komplexen Vorgang wie die Bewertung eines Lieferanten trotz aller „objektiven“ Bewertungsraster nicht vollständig leisten und zieht sich daher in starkem Maße auf emotionale Verhaltensmuster zurück. Da diese Verhaltensmuster von Person zu Person unterschiedlich sind, ist es entscheidend, dass man sein eigenes Verhalten, seine Präsentation und seine Argumentation auf die Persönlichkeit der Gesprächspartner abstimmt. Eine Möglichkeit sich darauf einzustellen besteht mit „Limbic“, dem Neuromarketing-Ansatz der Gruppe Nymphenburg. Wissenschaftlich fundiert kann man damit die bewussten und unbe- wussten Motive der Gesprächspartner ermitteln und die gesamte Kommunikation zum Kunden hin darauf abstimmen. Damit wird es deutlich einfacher, einem zum Beispiel stark auf verlässliche Abverkaufszahlen fokussierten Gesprächspartner auch einmal eine innovative Werbemaßnahme schmackhaft zu machen. 6. ERFOLGREICHES G ESPRÄCH Bei aller notwendigen Planung und Vorbereitung für ein Jahresgespräch ist ein wichtiger Baustein zum Erfolg natürlich auch die Professionalität im Gespräch selbst. Wichtig ist insbesondere, die vorbereitete Argumentation beizubehalten und im Falle des NichtGelingens die Gründe dafür genau zu analysieren. Ein Tipp zur Umsetzung: Es hat sich bewährt, den Prozess bei der erstmaligen Durchführung auf einen oder zwei der Top Key Accounts zu fokussieren, um Erfahrungen mit der Vorgehensweise zu sammeln. Vorzugsweise wählt man dazu kooperative Kunden aus, die ein gutes Potenzial für Umsatzsteigerung bieten. Key Account Manager, die diese strukturierte Vorgehensweise nutzen, werden es eher schaffen, die Unternehmensziele in Vereinbarungen mit dem Handel umzusetzen. Wird die inhaltliche Vorbereitung durch die Berücksichtigung der bewussten und unbewussten Motive der Gesprächspartner abgerundet, dann können Key Account Manager mit einem guten Gefühl in die Jahresgespräche geHannes Nechansky hen. W