28 Fortbildung Drei Fälle aus der Poliklinik der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe Ästhetische Optimierung von kieferorthopädisch behandelten Fällen durch Komposit Der vorliegende Beitrag zeigt verschiedene Patientenfälle, die nach Abschluss der kieferorthopädischen Therapie noch Defizite in der Frontzahnästhetik haben und daraufhin mit dem Wunsch nach ästhetischer Optimierung konservierend weiter behandelt wurden. Da es sich meistens um junge Patienten handelt, die weitestgehend karies- und restaurationsfreie Zähne aufweisen, stellt eine minimal-invasive Behandlungstechnik mittels Komposit die Therapie der Wahl dar. Therapieentscheidung. Oftmals besteht bei vielen jungen Patienten trotz einer erfolgreich abgeschlossenen kieferorthopädischen Behandlung der Wunsch nach einem schönen Lachen. Dies liegt meistens daran, dass sich in einigen Behandlungsfällen kein harmonisches Frontzahnbild realisieren lässt, weil labiale Verfärbungen oder kariöse Läsionen nach Abnahme der Brackets, hypoplastische Oberkieferfrontzähne oder gar Nichtanlagen mit teilweise resultierenden Diastemata das ästhetische ZBW 10/2013 Erscheinungsbild einschränken. Kleine Korrekturen mit Komposit können bei dieser Patientengruppe schnell, zahnschonend und mit überschaubaren finanziellen Mitteln den teilweise bestehenden Leidensdruck reduzieren und zu einem ansprechenden Auftreten sowie einem ungehemmten Lächeln beitragen. Im Folgenden werden drei Patientenfälle vorgestellt, die interdisziplinär in der Poliklinik der Akademie in Karlsruhe behandelt wurden. Ausgangsorthopantomogramm im April 2008 (Abb. 1). Zustand nach Entbänderung im Januar 2012 (Abb. 4). Zustand vor Umstellungsosteotomie vom Juli 2011 (Abb. 2). Laborgefertigtes Wax-Up zur Anfertigung eines Silikonschlüssels (Abb. 5). Orthopantomogramm nach Dysgnathie-Operation im August 2011 (Abb. 3). Intraorale Anprobe des Silikonschlüssels (Abb. 6). www.zahnaerzteblatt.de Fortbildung Umformung der Eckzähne zu seitlichen Schneidezähnen im April 2012 (Abb. 7). Zufriedenes Lächeln nach Behandlungsabschluss im Juli 2012 (Abb. 8). Nichtanlage der seitlichen Oberkieferschneidezähne Anamnese und Befund. Die im Mai 1986 geborene Patientin stellte sich erstmals im April 2008 in der kieferorthopädischen Abteilung der Poliklinik vor. Es zeigte sich eine kompensierte Progenie mit einem retrognathen Oberkiefer und der Aplasie der Zähne 12 und 22 sowie einer Frontmittenverschiebung nach rechts. Der Unterkiefer war ebenfalls retrognath mit einer engstehenden, retrudierten Front. Die Zähne 3242 wiesen Schlifffacetten auf. Kieferorthopädische Therapie. Nachdem die Patientin die Empfehlung zur bimaxillären Umstellungsosteotomie zögerlich angenommen hatte, konnte im September 2010 die kieferothopädische Operationsvorbereitung mit Multibandapparaturen in Oberund Unterkiefer beginnen. Abbildung 2 zeigt die Frontansicht der Patientin vor der Umstellungsoperation bei einem Mund-Kiefer- und Gesichtschirurgen. Nach abgeschlossener Dysgnathie-Operation im August 2011 (Abb. 3) und anschließender kieferorthopädischer Optimierung der Zahnbögen fanden die Entbänderung sowie die Eingliederung von Retentionsplatten im Januar 2012 statt (Abb. 4). Konservierende Therapie. Obwohl die Behandlung über vier Jahre aus kieferchirurgischer und kieferorthopädischer Sicht erfolgreich verlief, war die 26-Jährige trotzdem mit ihrem Erscheinungsbild unzufrieden. Sie bemängelte ihre zu dunkle Zahnfarbe, die Schlifffacetten der Unterkieferfrontzähne und die unharmonische Zahnstellung, die aufgrund der Nichtanlagen 12 und 22 und der Mesialverschiebung ihrer Eckzähne entstand. In der konservierenden Abteilung der Poliklinik wurde die Patientin umfassend über mögliche Therapieoptionen aufgeklärt. Da die Patientin eine non-invasive Behandlung wünschte, wurde ihr ein Home-Bleaching und die Umformung der Eckzähne zu seitlichen Schneidezähnen sowie der Aufbau der Unterkieferfrontzähne mittels Komposit vorgeschlagen. So führte die Patientin nach Entfernung der Platten im Februar 2012 das Bleaching durch und www.zahnaerzteblatt.de Orthopantomogramm nach Behandlungsabschluss im Juli 2012 (Abb. 9). konnte ihre Zahnfarbe von A3,5 auf A2 erhellen. Im April 2012 erfolgten nach Wax-Up und Silikonschlüsselerstellung (Abb. 5) die Umarbeitung der Eckzähne zu seitlichen Schneidezähnen und der Aufbau der Unterkieferzähne frei Hand in Mehrschichttechnik mittels Komposit (Abb. 6 und 7). Zur Stabilisierung des Behandlungsergebnisses wurde abschließend ein Retainer in der Ober- und Unterkieferfront angebracht. Hypoplastische Zahnform Anamnese und Befund. Die im Oktober 1996 geborene Patientin stellte sich im April 2006 nach Milchzahnverlust zur Anfertigung von Lückenhalter erstmals in der Kieferorthopädie der Akademie vor (Abb. 10). Nach regelmäßigen Kontrollen des Wechselgebisses mit Umarbeitungen der Lückenhalter wurde im Januar 2009 folgende Diagnose gestellt. Der Oberkiefer war orthognath und anteinkliniert mit lückiger Front bei bestehendem Diastema mediale durch tief ansetzendes Lippenbändchen und hypoplastischen seitlichen Schneidezähnen. Hinzu kamen diverse Zahnrotationen in Ober- und Unterkiefer. Der Unterkiefer war orthognath mit retrudierter Front. Es lagen eine Distalokklusion und ein tiefer Biss vor. Kieferorthopädische Therapie. Mit Hilfe von cervikalem Haedgear und einer Multibracketapparatur konnte zwischen Januar 2009 und September 2011 die kieferorthopädische Therapie durchgeführt werden. Im Ober- und Unterkiefer wurde die Front prodrudiert, achsengerecht eingestellt und intrudiert. Die Zähne 16 und 26 wurden distalisiert. In beiden Kiefern wurden die rotierten Zähne derotiert und die Zahnbögen harmonisch ausgeformt. Die beidseitige Neutralokklusion konnte gesichert werden und eine Bisshebung fand statt. Konservierende Therapie. Trotz einer erfolgreichen kieferorthopädischen Behandlung über einen Zeitraum von fünf Jahren, war die damals 15-jährige Patientin mit ihrem Erscheinungsbild nicht zufrieden. Sie empfand ihre immer noch auf Lücke stehende Front, welche durch das Diastema mediale und die hyZBW 10/2013 29 30 Fortbildung poplastischen seitlichen Schneidezähne hervorgerufen wurden, unvorteilhaft. So kam sie in Begleitung ihrer Mutter in die konservierende Abteilung der Poliklinik mit dem Wunsch nach Optimierung der Ästhetik. Da die Zähne kariesfrei waren und in Anbetracht des Alters der Patientin kam für sie nur eine non-invasive Therapie mit Adhäsivtechnik infrage. Im Oktober 2011 wurden die Dunkelräume zwischen 12 und 22 in einer Sitzung mit Komposit elegant und auf natürlich wirkende Weise geschlossen. Nach einer abschließenden Kontrolle im Juli 2012 wurde die zufriedene Patientin zu ihrem Hauszahnarzt zurückempfohlen. Restlücken durch Platzüberschuss Anamnese und Befund. Der im September 1991 geborene Patient stellte sich im August 2009 erstmals in der kieferorthopädischen Abteilung der Akademie vor (Abb. 16). Die Untersuchung ergab einen orthognathen Oberkiefer mit einer steilstehenden und lückigen Front mit einem Diastema mediale sowie rotierten Zähnen im Seitenzahnbereich. Der ebenfalls orthognathe Unterkiefer wies eine ausgeprägte Spee-Kurve, eine stark vergrößerte Länge und eine steil stehende Front auf. Die Bisslage entsprach einer skelettalen ZBW 10/2013 Klasse III mit einer Mesialverzahnung und einem tiefen Biss. Kieferorthopädische Therapie. Die Planung beinhaltete keine kombinierte kieferchirurgisch-kieferorthopädische Vorgehensweise, da der damals 18-jährige Patient keinen operativen Eingriff wünschte und die Reaktionslage des Gewebes zur Bissumstellung als günstig eingestuft wurde. So beinhaltete die knapp zweijährige Therapie die Protrusion, die achsengerechte Einstellung und Intrusion der Oberkieferfront. Die Frontmittenverschiebung sollte korrigiert und der Zahnbogen harmonisch ausgeformt werden. Dabei kamen eine Multibandapparatur und eine zusätzliche skelettale Verankerung über zwei Minipins und Beneplate zum Einsatz. Im Unterkiefer war keine Therapie vorgesehen. Konservierende Therapie. Nach erfolgreichem kieferorthopädischen Behandlungsabschluss im Juli 2011 mit Entbänderung und Eingliederung von Retentionsplatten waren in der Oberkieferfront immer noch Restlücken vorhanden, welche von dem 19-Jährigen als störend empfunden wurden. Bis auf den Zahn 11, der nach einem Trauma mit Komposit aufgebaut wur- Ausgangsorthopantomogramm im April 2008 (Abb. 10) Zustand 8 Monate nach abgeschlossener konservierender Behandlung im Juli 2012 (Abb. 13 und 14). Abgeschlossene Behandlung. Zustand nach abgeschlossener kieferortopädischer Behandlung im September 2011 (Abb. 11 und 12). Abb. 14 Abb. 12 Orthopantomogramm nach Behandlungsabschluss im Januar 2012 (Abb. 15). www.zahnaerzteblatt.de Fortbildung Ausgangsorthopantomogramm im August 2009 (Abb. 16) Lückenschluss in der Oberkieferfront mit Komposit im Juli 2013 (Abb. 19). Zustand kurz vor Entbänderung im Juni 2011 (Abb. 17). Orthopantomogramm nach Behandlungsabschluss im Januar 2012 (Abb. 20). Abgeschlossene Behandlung. Zustand nach abgeschlossener kieferortopädischer Behandlung im Juli 2011 (Abb. 18). Zufriedenes Lachen und stabiles Ergebnis im Juni 2013 (Abb. 21) de, besaß der Patient eine karies- und restaurationsfreie Oberkieferfront. Da er mit Komposit schon eine gute Erfahrung gemacht hatte, entschied er sich für das minimalinvasive bzw. non-invasive Vorgehen. So wurde die Restauration an 11 in Mehrschichttechnik neu aufgebaut und die Lücken dank individualisierter Matrizentechnik ästhetisch geschlossen. Der Patient war mit seinem neuen Erscheinungsbild sehr zufrieden und auch zwei Jahre nach der konservierenden Therapie kann das Behandlungsergebnis als stabil bezeichnet werden. Epikrise. Die vorgestellten Patientenfälle zeigen, welche Möglichkeiten uns die modernen Kompositsysteme mittlerweile ermöglichen, um Defizite in der Frontzahnästhetik elegant zu beheben. Gerade bei jungen Patienten sollte diese zum Teil non-invasive und damit sehr gewebsschonende Behandlungstechnik gegenüber invasiveren Verfahren (Veneers oder Kronen) bevorzugt werden. Mit ihnen lassen sich in relativ kurzer Zeit sehr gute ästhetische Ergebnisse erzielen, die auch finanzierbar sind. Entsprechende Korrekturen und Verbesserungen bei den Betroffenen verhelfen zu einer Optimierung des Lächelns und zu einer Festigung des Selbstbewusstseins. Eine enge www.zahnaerzteblatt.de interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt und Kieferorthopäden ist in diesen Fällen von großer Bedeutung, um Behandlungsziele zu besprechen, den Behandlungsverlauf besser zu steuern und das Behandlungsergebnis sowohl funktionell als auch ästhetisch langfristig zu stabilisieren. Das Literaturverzeichnis kann beim Informationszentrum Zahngesundheit Baden-Württemberg unter Tel: 0711/222966-14, Fax: 0711/222966-21 oder E-Mail: [email protected] bestellt werden. Eine Langfassung des Beitrags mit weiteren Abbildungen finden Sie unter www.zahnaerzteblatt.de. Dr. Simone Ulbricht, M.A., Fallbeispiel in Zusammenarbeit mit der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe Dr. Simone Ulbricht ZBW 10/2013 31