Eine Depression kann jeden treffen Die häufigste seelische Erkrankung neben der Altersdemenz ist die Depression. Etwa jede vierte Frau und jeder achte Mann erkrankt im Lauf des Lebens daran. Wie bei anderen seelischen Störungen auch werden arme Menschen häufiger depressiv als reiche. Menschen mit depressiv erkrankten Vorfahren haben ebenfalls ein höheres Risiko krank zu werden. Aber prinzipiell gilt: eine Depression kann jeden treffen. Viele seelische Krankheiten werden immer noch verschwiegen – man schämt sich darüber zu reden, wenn man darunter leidet. Durch das mutige Selbstbekenntnis bekannter Persönlichkeiten und die breite Diskussion des Themas in den Medien hat sich das bei der Depression weitgehend geändert. Das ist eine sehr positive Entwicklung, denn wenn depressive Menschen ihr Leiden verstecken müssen, ist die Last der Erkrankung noch schwerer zu ertragen. Es ist eine wichtige Hilfe, wenn sie über ihre Krankheit reden, und sie können heute in aller Regel Verständnis erwarten. Viele glauben, dass man durch Lebensereignisse depressiv wird, etwa durch eine schwere Verlusterfahrung. Meistens ist man dann aber nicht depressiv, sondern tief traurig. Trauerreaktionen gehören zu den normalen Schwankungen unserer Stimmung und müssen nicht behandelt werden. Auch berufliche Erschöpfungszustände (Burnout) oder das Erleben, Opfer von Mobbing zu sein, haben nichts mit einer Depression zu tun. Depressionen können während des ganzen Lebens zum ersten Mal auftreten, von der Kindheit bis ins hohe Alter. Manchmal besteht ein Zusammenhang mit Lebensereignissen, etwa bei der Wochenbett-Depression. Meistens tritt die Krankheit aber ohne erkennbaren Grund auf, besonders häufig im Frühling und Herbst. Fast immer erkennen die Erkrankten beim ersten Mal nicht dass sie krank sind. Sie fühlen sich freudlos, kraftlos, können sich kaum zu Aktivitäten aufraffen, sind voller Selbstzweifel und leiden unter Ängsten. Schwer depressive Menschen fühlen sich innerlich leer, gefühlsmäßig versteinert, wertlos. Oft gibt es zusätzliche körperliche Beschwerden, z.B. Kopf- und Rückenschmerzen, und Schlafstörungen trotz großer Müdigkeit. Depressionen sind nicht nur sehr quälend, sondern auch ein potenziell tödliches Leiden: Die meisten depressiv Kranken denken über Selbstmord nach und nicht wenige bringen sich tatsächlich um. Die gute Nachricht über Depression ist: Die Krankheit geht fast immer nach einigen Monaten vorbei, ob mit oder ohne Behandlung, und danach ist man wieder völlig gesund. Wer allerdings schon einmal depressiv war, hat ein hohes Risiko im weiteren Leben wieder so eine Krankheitsphase zu erleiden. Die schlechte Nachricht über diese Krankheit ist: Die meisten Kranken lassen sich nicht behandeln, oft weil sie nicht wissen, dass eine Krankheit hinter ihrem Leiden steckt. Dabei können Depressionen sehr gut und wirkungsvoll behandelt werden. Bei einer Depression sind bestimmte Transmitter, die Überträgerstoffe zwischen den Nervenzellen im Gehirn, in einem Ungleichgewicht. Antidepressive Medikamente stellen dieses Gleichgewicht wieder her. In der Regel tritt nach 2 Wochen eine deutliche Besserung ein. Natürlich kann es auch Nebenwirkungen geben, aber meistens werden diese Medikamente gut vertragen. Letztlich muss man selber abwägen, ob man lieber die Krankheitsbeschwerden oder eventuelle Nebenwirkungen ertragen will. Süchtig wird man von diesen Medikamenten nicht und sie führen auch nicht zu einer Persönlichkeitsveränderung. Da die Krankheit fast immer in Phasen verläuft, müssen die Patienten die antidepressiven Medikamente nicht lebenslang einnehmen, sondern können sie wieder absetzen, wenn die Phase vorbei ist. Bei leichteren depressiven Störungen helfen schon nichtmedikamentöse Maßnahmen ausreichend und auch bei tiefen Depressionen sind diese eine zusätzliche Hilfe. Dazu gehören vor allem Sport und andere Aktivitäten, die man in einem festen Tages- oder Wochenrhythmus ausüben sollte, auch wenn es wegen der Krankheit schwer fällt. Durch Psychotherapie kann man lernen, besser mit der Krankheit umzugehen und negative durch positive Gedanken zu ersetzen. Ferner helfen viel Sonnenlicht, Gespräche über das Krankheitserleben mit Vertrauten oder in einer Selbsthilfegruppe und verständnisvolle Angehörige und Freunde. Wer glaubt, er oder sie könnte depressiv krank sein, sollte in jedem Fall die Beschwerden einem Arzt schildern. Jo Becker