Vorschau Das Inklusive möglich machen! 21.09.2012 Kassel Univ.-Prof. Dr. Matthias v. Saldern Leuphana Universität Lüneburg (Copyright dieser Folien, soweit nicht anders angegeben, bei Matthias von Saldern) 2. Begriffe Ganz einfach! Extinktion Theorie des unwerten Lebens Regelschule Exklusion Regelschule 1. Einleitung 2. Inklusion: Begriffe und Rechtslage 3. Grundsatz: Bildung aufbauen 4. Ansatzpunkt: Kulturveränderung 5. Heterogenität als Normalfall 6. Denkfehler in Deutschland 7. Erste Schritte ... 8. Fazit Theorie der Bildungsunfähigkeit Inklusion heißt: Alle Kinder kommen in die gleiche Kita. Separation Regelschule Förderschule Zwei-Schulen-Theorie Zwei-Gruppen-Theorie Nach Salamanca, 1994 Regelschule Inklusion Theorie der egalitären Differenz Nach UN-BRHK Nach Wocken; Sander 2004 Alle Kinder werden eingeschult, keines wird ausgeschult. Arbeitswelt … usw. usw. Alles neu? UN Behindertenrechtskonvention Englische Fassung ● Grundgesetz 1949 ● ● ● ● „States Parties shall ensure an inclusive education system at all levels...“ „Persons with disabilities can access an inclusive, quality and free primary education and secondary education on an equal basis with others in the communities in which they live; ...“ Wirklich inklusiv sind wir erst, wenn wir diesen Begriff nicht mehr brauchen. ● Europäische Menschenrechtskommission 1985 ● ● Niemand darf wegen ... benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. (Artikel 3, Abs. 3) Der Genuß der in dieser Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ist ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu gewährleisten. (Art. 14) UN-Kinderrechtskonvention 1989 ● Die Vertragsstaaten erkennen an, daß ein geistig oder körperlich behindertes Kind ein erfülltes und menschenwürdiges Leben unter Bedingungen führen soll, welche die Würde des Kindes wahren, seine Selbständigkeit fördern und seine aktive Teilnahme am Leben der Gemeinschaft erleichtern. (Art. 23) Aber: Die aktuelle Diskussion ● ● ● Viele denken, Inklusion ist IntegrationPlus und verkennen damit die gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Inklusion hat mit „Behinderten“ erst in zweiter Linie etwas zu tun. Inklusion bezieht sich auf alle Merkmale, die ein Mensch haben kann. Wir brauchen einen grundsätzlichen Wechsel im Denkansatz. Inklusion umfasst … … Armut Karikaturen von Renate Alf Inklusion umfasst … Inklusion umfasst … … andere Begabungen … Hochbegabung usw. usw. Perspektive ändern - Zwei Welten werden zu einer! Reduktion der Komplexität durch Inklusion Förderschwerpunkte Lernen Sehen Hören Sprache Körperliche und motorische Entwicklung Geistige Entwicklung Emotionale und soziale Entwicklung ... Sonderpädagogik: Neue Rolle ● Andere Diversitäten ● Migration ADHS Hochbegabung Armut Religion Geschlecht Alter ... ● ● Die historische Leistung der Sonderpädagogik ist es gezeigt zu haben, dass alle Kinder beschulbar sind. Sonderpädagogik ist nicht nur zuständig für die klassischen Behinderungsformen, sondern für alle besonderen Merkmale von Menschen Derzeit reduziert auf WHO-Definitionen „Behinderung“. Also: auch Annehmen von Hochbegabung, ADHS, usw. Hohe diagnostische Kompetenz nutzen! Neu denken! ● ● ● 3. Inklusion als Bildungsziel Nahezu alle Beteiligten versuchen, neue Probleme in alten Strukturen zu lösen. Folgen sind Probleme der Umsetzung, Ängste vor Unbekanntem, usw. Die Lösung liegt darin, die Gesamtsituation neu zu betrachten: ● ● Roman Herzog (1963) Paul Watzlawik (1992) - “Lösung 2. Art“ Aufklärung: Immanuel Kant (1724-1804) Bildung als Befähigung zu vernünftiger Selbstbestimmung. 1789 Franz. Rev. Bildung muss nützlich sein. 1776 Am. Unabh.-Erklärung Inklusion und Nützlichkeit (kurzfristig) Beispiel Nützlichkeit ● ● ● ● Adolph Friedrich Ludwig Freiherr Knigge Geboren am 16.10.1752 in Bredenbeck bei Hannover; gestorben am 6.5.1796 in Bremen. Über den Umgang mit Menschen, 1788 ● ● ● 1789 Franz. Rev. 1776 Am. Unabh.-Erklärung Kants Bestimmung von Aufklärung: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldete Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen.“ Wo ist hier der Gebärdendolmetscher? Wo ist das Mikrofon für Träger eines ChochleaImplantats? … Also: SIE als Verantwortliche und Vorbilder müssen überall auf Inklusion achten! Phil Hubbe Neuhumanismus (langfristig) ● ● ● ● ● Ziel: Langfristige Änderung Richtung Inklusion. Problem: Man kann nicht in die Zukunft sehen. Lösung: Der Neuhumanismus Wilhelm von Humboldts vertrat entschieden das Prinzip der allgemeinen Bildung der Persönlichkeit und … … verwahrte sich gegenüber einer zu frühen Spezialisierung sowohl der Schulen als auch der Universitäten. Bildung geht nur über Selbstbildung. Zielbereiche in Humboldts Bildungstheorie ● ● ● Individualität: einzigartige Ausgestaltung der individuellen Fähigkeiten und Haltungen Totalität: Entfaltung aller Kräfte des Individuums Universalität: Teilhabe an allen Lebens- und Kulturbereichen (1767-1835) zeitunabhängig 4. Kulturveränderung Kultur ist eine mentale Programmierung (erlerntes Verhalten), die das Denken, Fühlen und Handeln der Menschen bestimmt und die Mitglieder einer Gruppe von Menschen von anderen Menschen unterscheidet. Enkulturation-Sozialisation-Erziehung-Unterricht Unterricht (Schule) Erziehung („sozial machen)“ Intendiertes Erlernen der sozialen Aspekte der Kultur Sozialisation („sozial werden“) Erlernen der sozialen Aspekte der Kultur Enkulturation Erlernen der Kultur (zu sein wie alle anderen; zu sein wie kein anderer) Szialraumanalyse? Nein! Sozialraumgestaltung! Enkulturation-Sozialisation-Erziehung-Unterricht ● Enkulturation ● zu sein wie alle anderen ● zu sein wie kein anderer ● Frage an die Kommune, Träger, ... (Beispiel) ● Wo und wann gibt es bei uns Gelegenheiten, die Kultur zu erlernen (z.B. Museen, Bibliotheken, Gedenkstätten, ... ● Problem: Holpflicht Enkulturation-Sozialisation-Erziehung-Unterricht ● Sozialisation ● Zu einem Menschen werden (durch Sprache, Erfahrung, Mitmenschen, ...) Enkulturation-Sozialisation-Erziehung-Unterricht ● ● Erziehung Zu einem Menschen gemacht werden (durch Erziehungsberechtigte, Jugendhilfe, Schule, ...) ● ● ● Frage an Kommune (Beispiel) Wo und wann gibt es bei uns institutionalisierte Gelegenheiten, die Kultur zu erlernen? Wie unterstützen wir aktiv Familie, Schule, Kitas, andere Institutionen? ● Frage an die Kommune, Träger, Schule (Beispiel) ● Wo und wann gibt es bei uns Gelegenheiten, mit anderen die Kultur zu erlernen? („Räume“ wie Jugendtreffs, Veranstaltungen, Kitas, usw.) Enkulturation-Sozialisation-Erziehung-Unterricht ● Unterricht ● Erziehung in Schule ● Frage an die Schule (Beispiel) ● Wie ist Schule und Unterricht gestaltet, damit das Erlernen der Kultur möglich und erfolgreich ist? (Schulklima, Schulkultur, GTS, Abschaffen Sitzenbleiben, usw., ...) Der Einzelne trifft auf Orte der Kultur Orte der Kultur treffen auf Akteure ● ● ICH ● ● ● ● ● Familie Peergroup Schule Nachbarschaft Verein Kita usw.. ● Schulträger, Jugendhilfe ● Träger der Wohlfahrtspflege und der Erwachsenenbildung, Schulen KITAS ● Sonstige rechtsfähige juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts, die pädagogisch Maßnahmen zur Förderung des Bewusstseins für bürgerschaftlich Teilhabe/aktive Bürgerschaft und des Engagements für Demokratie und Menschenrechte anbieten. ● Nichtregierungsorganisationen ● Hochschulen ● ... Ursprung ● ● ● ● ● ● 1000 v. Chr.: Beamtentest in China ab 1790 Tests für öffentlichen Dienst in Europa; Ziel: contra Geburtsadel u. Privilegien Allokation durch Leistung: „Berechtigung“ etwas zu tun (Laufbahn bei Militär; GS-Weiterf. Schule, AbiUni; usw.) Voraussetzung: Chancengleichheit (Ob das funktioniert, ist eine andere Sache; siehe PISA) Chancengleichheit ● ● Referenz: GG oder Menschenrechte Chancengleichheit = faktische Vorbedingung, um Freiheit zu nutzen ● ● ● ● Gleichheit der Ausgangs- und Startbedingungen Leistungsprinzip (das zur Ungleichheit führt!) Tatsächlich: Wettbewerbsgleichheit unter Ungleichen Echte Gleichbehandlung ist die Ungleichbehandlung von Ungleichen „Wie hast Du dies alles anzufangen bei einem Haufen Kinder, deren Anlagen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Neigungen, Bestimmungen verschieden sind, die aber doch in einer und eben derselben Stunde von Dir erzogen werden sollen?“ „Ein weiterer Bereich, in dem ich ebenfalls einen dringenden Handlungsbedarf sehe, ist der Umgang mit Heterogenität. (…) In der Verbesserung des Umgangs mit Differenz liegt vermutlich die eigentliche Herausforderung der Modernisierung des Systems.“ Trapp 1780 Baumert 2002 Wir brauchen Heterogenität! ● ● ● ● Die Umwelt beim Lernen in heterogenen Gruppen ist der Andere. Ego stößt auf Alter. Entscheidend ist dabei, dass Ich (Ego) mich in die Sichtweise des Anderen (Alter) versetzen kann. (Hintergrund: George Herbert Mead.) Identität entwickelt sich aus diesen Interaktionssituationen. Also: Leben und Lernen in heterogenen Gruppen verhilft zur Identitätsbildung! Alter und Ego müssen sich unterscheiden Wenn Alter und Ego identisch sind, gibt es keine Entwicklung! ● Man lernt NUR in Differenz! ● Dabei doppeltes Ziel: ● – zu sein wie alle anderen – zu sein wie kein anderer ● Problem: Differenz-Notwendigkeit stößt auf Homogenisierungswahn 6. Denkfehler ● alt: ● ● ● Lernen und S+E häufig nicht dabei ● neu: ● ● ● Students with special ecucational needs (SEN) in allgemeinen Schulen in Europa (Stand: 2008; Klemm & Preuss-Lausitz, 2011) Heterogenität: "Abweichung" von einer Norm, Integration: Einbeziehung des "Andersartigen", Differenzierung: "Sonder"-behandlung gegenüber der Normgruppe. Heterogenität: "Unterschiedlichkeit", Integration: "Gemeinsamkeit" Differenzierung: Raum für die "Individualität" aller. Brüggelman Ändern: Perspektive (WHO) 1980 und 1998 Differenzielle Entwicklungsmilieus (vier Schüler mit gleichen Voraussetzungen) Impairment (Schädigung) / Impairment: Funktionsstörung bzw. Schädigung auf der organischen Ebene (menschlicher Organismus allgemein). Disability (Behinderung) /Ability: Störung auf der individuellen personalen Ebene (Bedeutung für einen konkreten Menschen). Handicap (Benachteiligung) /Participation: Störung bzw. mögliche Konsequenzen auf der sozialen Ebene (Nachteile, durch die die Übernahme von solchen Rollen eingeschränkt oder verhindert wird, die für die betreffende Person in Bezug auf Alter, Geschlecht, soziale und kulturelle Aktivitäten als angemessen gelten) (vgl. Vernooij 2007) Förderschule Hauptschule Milieu 1 Milieu 2 Milieu 3 Gymnasium Milieu 4 Erinnere PISA-Studien: Soziale Selektion Schulsozialarbeit ist die offizielle Bestätigung dieser sozialen Selektion! 7. Erste Schritte ... Im Internet: www.kommunen-und-inklusion.de http://www.eenet.org.uk/ Realschule Sozialraum und Inklusion Außerschulische Bereiche Gegen Abgrenzungsund Zuständigkeitsprobleme Lebenshilfe 21.03.2012 Kritische Nachfrage ● ● Fehler sind normal! Arbeiten wir an unserem Arbeitsplatz konsequent und nachhaltig inklusiv? Wurde schon einmal eine Analyse auf der Basis des Index für Inklusion gemacht? 5 „Einen Fehler machen und ihn nicht korrigieren – das erst heißt wirklich einen Fehler machen.“ Konfuzius (551-479 v.Chr.) 8. Fazit ● Inklusion ist ... ● ● ● ● ● möglich pädagogisch sinnvoll rechtlich angesagt Aber: Es gibt noch viel zu tun! Ihnen wünsche ich für Ihren Weg ● Beharrlichkeit ● Kraft ● Akzeptanz von Fehlern Bestellung unter https://sites.google.com/site/entwicklungvonschule Oder im Buchhandel