Teilchenphysik Seminar SS 2001: „Astro- und Teilchenphysik“ Seminarvortrag zum Thema: Die Higgs-Suche Referent: Stefan Kasselmann Datum: 22.06.2001 Aufbau des Vortrags: 1. Einleitung: Was soll der Higgs-Mechanismus? 2. Theoretische Grundlagen: Symmetrie, Eichinvarianz 3. Der Higgs-Mechanismus 4. Das Higgs im Standardmodell 5. Higgs-Physik bisher / LEP 6. Zukünftige Experimente am LHC 7. Jenseits des Standardmodells 8. Abschließende Bemerkungen 1. Einleitung: Was soll der Higgs-Mechanismus? • Teilchenphysik: Zerkleinerung der „massiven“ Materie in immer weitere Konstituenten. “ Problem der Masse wurde auf Konstituenten „abgewälzt“ • Heute: Leptonen und Quarks werden als das Elementarste betrachtet, doch die Frage nach Masse ist geblieben • Frage: Was ist Masse überhaupt? Versuch einer Definition: „Masse ist die Eigenschaft, die dafür sorgt, dass sich ein Teilchen langsamer als mit der maximal möglichen Geschwindigkeit c bewegt.“ • Standardmodell: Teilchen „an sich“ masselos. Was verschafft den Elementarteilchen Masse? • Idee: Postulat eines skalaren Hintergrundfeldes (Higgs-Feld): Abschirmung der „an sich“ masselosen Teilchen, wodurch diese massiv werden • Energetische Anregung des Feldes muss möglich sein! Man müsste also ein entsprechendes Teilchen nachweisen können, ein „Higgs-Boson“ 2. Theoretische Grundlagen Higgs-Mechanismus eng mit dem Begriff Symmetrie in der Physik verbunden: 2.1 Symmetrien in der Physik: • Symmetrie: „Invarianz eines physikalischen Gesetzes oder Objektes bei Anwendung einer bestimmten (mathematischen) Operation“ • Symmetrien werden mathematisch durch eine Gruppe von Transformationen beschrieben • Man unterscheidet zwischen äußeren und inneren Symmetrien (Beispiele): äußere: Translation, Spiegelung, C/P/T-Transformation innere: • innere Freiheitsgrade von Teilchen, Eichtransformationen (Eine innere Symmetrie wird auch Eichsymmetrie genannt) Man kann Eichsymmetrien global, aber auch lokal fordern. Was bedeutet das? 2.2 Modellanschauung zur Eichtransformation: • Betrachten einen ideal kugelförmigen Luftballon, welcher Längen- und Breitengrade besitzt: Globale Eichtransformation: Lokale Eichtransformation: ~ eiαα , α = const. ~ ei α(x) Drehung der Mittelpunktsachse um Winkel α entspricht einer globalen Symmetrieoperation. Alle Kreuzungspunkte werden in gleicher Weise transformiert Jeder Punkt wird individuell transformiert (lokale Symmetrieoperation). Orts- und zeitabhängige Verschiebung der Punkte verursacht Verzerrungen der Ballonhaut Wie begründet sich die Forderung nach Eichinvarianz ? • 2 Quantentheorie: nur Betragsquadrate ψ messbar. Schrödingergleichung ist „a priori“ invariant unter globalen Phasentransformationen • Gibt es einen physikalischen Grund zudem auch lokale Eichinvarianz zu fordern ? • Stichwort: Retardierung. „Phaseninformationen“ laufen maximal mit Lichtgeschwindigkeit • Gleichheit der Phasen an verschiedenen Raum-Zeit-Punkten also momentan nicht absprechbar ! ⇒ ⇒ • c c Zeit Wahl einer Phase sollte in jedem Labor zu jeder Zeit beliebig sein Lokale Phasen müssen geändert werden dürfen: α= α(x) Die Forderung nach lokaler Eichinvarianz begründet sich aus der uneingeschränkten Gültigkeit des Einsteinschen Relativitätsprinzips ! Phase α1 Phase α2 Ort Lokale Eichinvarianz in der Quantenmechanik: • Forderung nach lokaler Eichinvarianz führt auf Einführung eines Vektorfeldes A: ∂ 1 ( − i∇ ) 2ψ ( x ) = i ψ ( x ) ∂t 2m • ⇒ ∂ 1 ( −i∇ − eA) 2 ψ ( x ) = i ψ ( x ) ∂t 2m Diese SG bleibt invariant, wenn man eine lokale Phasentransformation durchführt und gleichzeitig die aus der Elektrodynamik bekannte Eichtransformation durchführt: ψ → ψ = eiα (x) ⋅ψ + A → A′ = A + 1 ∇α e φ → φ′= φ − 1 ∂t α e • Phase der Wellenfunktion eines geladenen Teilchens lokal nur dann unbemerkt änderbar, wenn Kraftfeld (Eichfeld) eingeführt wird, das die lokale Phasenänderung kompensiert (Aharanov-Bohm-Experiment !) • Dieses Eichfeld ist ein Vektorfeld, die zugehörigen Teilchen sind die Eichbosonen (ED: Photonen), welche die Masse Null haben 2.2 Eichsymmetrien als dynamisches Prinzip • Idee: Verallgemeinerung auf den Fall höherdimensionaler Symmetrien ( SU(2), SU(3), ... ) • Dazu noch mal der Vergleich mit dem Ballon: Die lokale Symmetrieoperation verspannt die Ballonhaut, als Folge treten elastische Kräfte zwischen den Punkten auf ! • In ähnlicher Weise treten Kräfte in der Physik immer dann auf, wenn eine physikalische Theorie eine lokale Eichsymmetrie besitzt • Invarianz gegenüber lokaler Transformation impliziert die Einführung neuer Felder. Diese Eichfelder vermitteln die Wechselwirkung • Heutige Meinung: Alle bekannten Wechselwirkungen als Eichtheorien beschreibbar • Die Eichtheorien liefern die „Dynamik“ der Wechselwirkungen, sie sind also ein dynamisches Prinzip. 3. Der Higgs-Mechanismus 3.1 Wofür braucht man nun den Higgs-Mechanismus? • Problem kam auf bei schwacher WW (kurze Reichweite). Vermittlung durch massive Vektorbosonen (W± / Z0). • Expliziter Massenterm in Wellengleichung würde aber Eichinvarianz verletzen: Für massive Teilchen gibt es keine Eichinvarianz • Erklärungsnot: Kann man die Masse irgendwie anders „erklären“ ? (Problem trat in ED nicht auf, Photonen sind masselos) • Ausweg: Teilchen sind „an sich“ masselos. Doch durch „spontane Symmetriebrechung“ einer Eichtheorie erhalten sie ihre Masse. Was bedeutet das ? 3.2 Spontane Symmetriebrechung • Man glaubt, dass alle fundamentalen Wechselwirkungen „an sich“ symmetrisch und die vermittelnden Austauschteilchen „an sich“ masselos sind. • Elementarteilchen erhalten eine „effektive Masse“ durch ein den ganzen Raum durchdringendes Higgs-Feld • Dieses Feld besitzt einen Grundzustand (Vakuumerwartungswert), der die kontinuierliche Symmetrie der zum Feld gehörigen Lagrange-Funktion nicht mehr besitzt (spontane Symmetriebrechung) • Es gibt tatsächlich physikalisch realisierte Grundzustände, die eine geringere Symmetrie besitzen, als die zugrundeliegende Wechselwirkung • Beispiel aus dem Alltag: Ein auf die Spitze gestellter Bleistift bricht spontan die Rotationssymmetrie • Beispiel aus der Physik: Spontane Magnetisierung eines Ferromagneten 3.3 Spontane Symmetriebrechung beim Ferromagneten Merkmale spontaner Symmetriebrechung: • Wechselwirkung ist an sich symmetrisch (hier: rotationssymm. Kopplung benachbarter Spins) • „Jenseits“ eines kritischen Punktes wird der symmetrische Grundzustand instabil • Der neue stabile Grundzustand besitzt eine geringere Symmetrie und ist entartet (hier: Es gibt eine sich spontan einstellende Magnetisierung im Grundzustand) • Für einen innerhalb eines solchen Magneten lebenden Physikers ist die Rotationssymmetrie der Wechselwirkung bei seinen „gewöhnlichen“ Temperaturen nicht erkennbar, sie bleibt ihm „verborgen“ • Erhöht er jedoch seine Umgebungstemperatur über TC, so erkennt er, dass die Wechselwirkung „an sich“ symmetrisch ist und nur in seinen bekannten Temperaturbereich gebrochen wird 3.4 „Der Massenterm“: • An welcher Stelle kommt der Massenterm in einer Lagrangefunktion vor ? • Ausgehend von der relativistischen Energie-Impuls-Beziehung E 2 = p 2 + m 2 erhält man durch die bekannten Ersetzungsvorschriften ∂ E →i ∂t p → −i ∇ (h = c = 1) die Wellenfunktion eines spinlosen Teilchens der Masse m (Klein-Gordon-Gleichung): 2 ∂2 2 ∇ − 2 − m φ = 0 ∂t • (∂ν ∂ν + m )φ = 0 2 Die zugehörige Lagrangefunktion lautet: L • bzw. 1 = (∂ν φ )(∂ φ ) − m 2φ 2 ν 2 Dies ist die Beschreibung eines freien Teilchens der Masse m, welches durch ein skalares Feld φ dargestellt wird. Wichtig: Die Masse tritt dabei vor dem Ausdruck φ 2 auf ! 3.5 Das Potential des Higgs-Feldes: • In der Feldtheorie wird die Idee der spontanen Symmetriebrechung durch die Einführung skalarer Felder in die Lagrange-Dichte realisiert (betrachten zunächst einfachsten Fall!): L • = ( ∂ν φ )( ∂ φ ) − V (φ ) ν Das verwendete „Higgs-Potential“ V (φ) hat die Form: V (φ ) = − µ 2 φ 2 + λ2 φ 4 Dabei ist φ das komplexe, skalare „Higgs-Feld“: φ (x) = • 1 2 ( φ 1 ( x ) + i φ 2 ( x )) Warum wählt man obiges Potential und was fordert man für die Parameter µ und λ ? Für Selbstwechselwirkung benötigt man mind. Für Grundzustand erforderlich: φ φ 3 . φ 4 braucht man, damit V reell bleibt ! 2 µ und λ sind die Parameter des Potentials, λ2 > 0 (Potential nach unten beschränkt) Für uns interessant: Was wird durch µ2 bestimmt ? Der „Massenparameter“ µ: µ2 ≥ 0 µ2 ≤ 0 Das Minimum liegt bei φ = 0 (symmetrische Lösung): beschreibt freies Teilchen der Masse m = µ Kein eindeutiges Minimum mehr. Minima auf Kreis: φ0 = 1 2 eiδ φ12 + φ 22 = µ 2 λ 1 Unendlich viele gleichenergetische Grundzustände! • Die Grundzustände sind entartet, die globale Symmetrie wird spontan gebrochen. • Frage: Welche Konsequenzen hat die spontane Symmetriebrechung für das Teilchen, das wir durch die Lagrangedichte beschreiben wollen ? Higgs- und Goldstone-Bosonen: φ0 = • Beliebigkeit der Phase, wählen δ = 0 : • Entwicklung um den Grundzustand (Vakuumerwartungswert) des Quantenfeldes φ: φ ( x) = Einsetzen in V(φ) an der Stelle φ0 liefert unter Vernachlässigung höherer Terme: • Die Lagrangefunktion nimmt dann folgende Gestalt an: • = 1 2 (a + η ( x) + iξ ( x)) 1 V (φ ) = µ 2η 2 − µ 2 a 2 + O (η 3 , ξ 3 ,ηξ 2 ) 4 • L 1 µ a ≡ 2 λ 2 1 Kein Term 1 ν η ) − 2 µ 2 η 2 + 1 ( ∂ ξ )( ∂ ν ξ ) ∂ ∂ ( )( η 2 ν 2 ν Ergebnis: Erhalten ein massives Teilchen mit M η = 2µ Zusätzlich ein Teilchen mit Mς = 0 (Higgs) (G-Boson) + ... ∝ξ2 ! 3.6 Spontane Brechung einer Eichsymmetrie: • Die Brechung globaler Symmetrien führt also auf sogenannte Goldstone-Bosonen. Wurden in der Physik jedoch nie beobachtet! (Was kann man anders machen?) • Bisher nur globale Phaseninvarianz „gefordert“. Lokale Phaseninvarianz fordern und „Konzepte“ verbinden: Eichtheorie Einführung masseloser Eichfelder Higgs-Mechanismus durch verallgemeinerte Ableitung ∂ν → Dν = ∂ν + ... Lokale Eichinvarianz Einführung eines Higgs-Potentials L = ... − µ φ 2 2 Spontane Symmetriebrechung Erhalten massives Feldboson + massives Higgs (G-Boson wurde weggeeicht) +λ φ 2 4 3.7 Higgs-Mechanismus und Elektrodynamik: • Die lokal eichinvariante Lagrangedichte für ein Higgs-Feld und das elektromagnetische Feld lautet: Higgs-Potential, um massive Bosonen zu „erzeugen“ 2 L • = (∂ i + iqAi )φ 2 1 2 ... + q 2 a 2 Ai Ai + ... − 1 Fµν F µν 4 Kinetische Feldenergie Wichtig: Durch den Higgs-Mechanismus konnten wir ein massives Vektorfeld konstruieren! Die Eichbosonen (Photonen des elektromagnetischen Feldes) haben folgende Masse erhalten (das ½ kommt von L): MA =qa • µ 4 φ a2 Das gleiche Vorgehen (Entwicklung von V, Einsetzen in L, Vernachlässigen höherer Ordnungen...) liefert neben anderen folgenden wichtigen Term: Lokale Eichinvarianz durch Einführung eines Eichfeldes A • + µ2 φ − 2 Vakuumerwartungswert des Higgs-Feldes Also: Ein zunächst masselos eingeführtes Vektorfeld A ist durch spontane Symmetriebrechung „massiv“ geworden (in Wirklichkeit jedoch nicht realisiert!) 4. Das Higgs im Standardmodell Übersicht über die Teilchen des Standardmodells. Wie gliedert sich das Higgs-Teilchen in dieses Bild ein ? 4.1 Eichinvarianz und Symmetriebrechung im SM: Eichtheorie Higgs-Mechanismus Einführung masseloser Eichfelder W1 W2 Einführung eines Hintergrundfeldes W3 B Lokale Eichinvarianz Spontane Symmetriebrechung Massive Vektorbosonen + masseloses Photon W+ W- Z0 γ 4.2 Massive W±- und Z0- Bosonen im Standardmodell: • Wollen elektroschwache Theorie, brauchen also SU(2) x U(1)-Symmetrie • Von vier vorhandenen Vektorbosonen sollen 3 Masse erhalten, man benötigt: φ + φ = 0 φ L φ+ = φ0 = 1 2 1 2 (φ 1 ( x ) + i φ 2 ( x )) (φ 3 ( x ) + i φ 4 ( x )) = ( Di φ ) ( D φ ) − µ φ φ + λ (φ φ ) 2 − † i 2 † 2 † Higgs-Potential g g′ Di = ∂ i + i τ ⋅ Wµ + i ⋅ Bµ 2 2 L 4 reelle Felder: φ1 φ2 φ3 φ4 1 i ( f µν f iµν + Fµν F µν ) + ... 4 Kinetische Feldenergie Entwicklung um Vakuumerwartungswert v, Vernachlässigen höherer Ordnungen etc. liefert schließlich folgende wichtige Terme: 1 1 g 2a 2 + 2 1 g 2a 2 − 2 ν 2 2 Zµ = (∂ η )(∂ η ) − 2µ η + ⋅ Wµ + Wµ + ⋅ ν 2 4 2 2 4 cosθW mHiggs = 2µ mW = ga 2 mW mZ = cos θW 2 4.3 Die Masse der Fermionen im Standardmodell: • Weiterer Term in L um Leptonenmassen zu „erklären“. Für erste Generation: L • = g e ( L φ eR + φ eR L ) † WW ν e L = − e L φ + φ = 0 φ Analoges Vorgehen wie zuvor liefert folgende Lagrangedichte: L WW • Der erste Term beschreibt eine Elektronenmasse der Form: me = • Der zweite Term beschreibt eine Kopplung zwischen Elektron und Higgs: e me a • Ein Higgs koppelt also um so stärker an ein Fermion, je größer die Masse des Fermions ist! • Analoge Wege kann man für die beiden anderen Leptonenfamilien bzw. etwas modifiziert auch für die Quarks durchführen gea ge ( eL eR + e R e L ) + ( eL eR + e R e L ) H = 2 2 gea 2 e H 4.4 Rekapitulation zur Theorie: • Die Forderung nach lokaler Eichinvarianz erzwingt masselose Austauschteilchen • Durch den Higgs - Mechanismus kann man den Vektorbosonen (und anderen Elementarteilchen) Masse verleihen, ohne die Eichtheorie aufgeben zu müssen • Dazu wird ein Higgs - Feld postuliert, was die „an sich“ masselosen Teilchen abschirmt, wodurch ihnen eine effektive Masse zukommt (Abschirmung des „nackten“ Teilchens) • Preis für diese „Lösung“ des Massenproblems ist ein neues reales Teilchen (Higgs-Boson) und das man nun nachweisen muss ! • Frage: Welche Möglichkeiten von Produktion und Nachweis gibt es für das Higgs ? 5. Higgs-Physik bisher: 5.1 Bisherige experimentelle Erkenntnisse: • Obwohl es Kandidatenereignisse gibt, wurde bisher noch kein Higgs-Boson zweifelsfrei nachgewiesen • Grundsätzlich ist die Higgsmasse im Standardmodell ein frei wählbarer Parameter • erste physikalisch motivierte Schätzungen lagen bei: • Erkenntnisse bis August 2000 (LEP II): Kein Higgs für mH < 113 GeV • Erster Higgs-Kandidat (14. Juni 2000) bei + − ALEPH u. DELPHI: e e → bb qq mH ≈ 114 GeV • Momentan: Verschiedene Kandidatenereignisse aller vier Detektoren am LEP deuten auf: mH ≈ 115 GeV • LEP II endete am 2. November 2000 ohne direkten Nachweis, jedoch mit vielversprechenden Daten (LEP macht Platz für den Umbau zum LHC) einige GeV < mH < 1 TeV 5.2 Large Electron Positron Collider (LEP): 1989-1995: LEP I s ≈ 90 GeV (Produktion von Z-Bosonen) 1995-2000: LEP II s ≈ 200 GeV (Produktion von W- und Z- Paaren, H0-Suche) ALEPH OPAL L3 DELPHI Der LEP- Speicherring am CERN in Genf (1989-2000) 5.3 Higgs-Physik bei LEP II: e+ + e− → Z * → Z 0 + H • Der wichtigste Produktionsprozess bei LEP II war die Higgs-Strahlung: • Für die Erzeugung des Higgs galt: • Maximale Schwerpunktsenergie lag bei 209 GeV in 2000: • „Kandidatenereignisse“ bei DELPHI und L3 bei 114 GeV: s ≥ mH + mZ Suche war bis mH ≈ 115 GeV möglich ! 21.07.2000 14.10.2000 H → bb qq H → bb νν 6. Zukünftige Experimente: 6.1 Der Large-Hadron-Collider (LHC): • p-p-Speicherring , s ≈ 14 TeV • 4 Detektoren: CMS, ATLAS, ALICE, LHC-b • Umfang: • Tiefe: 27 km 100 m 6.2 Die LHC-Infrastruktur: Compact Muon Solenoid A Large Ion Collider Experiment A Toroidal LHC Apparatu s 6.3 Was passiert am LHC ? • Die Teilchen werden auf ca. 450 GeV vorbeschleunigt in Sektor 2 und 8 eingespeist • Protonen werden in bunches zu je 1011 Teilchen in einem „Abstand“ von 25 ns geführt • Insgesamt 40 Millionen Kollisionen je zweier bunches pro Sekunde in jedem Kreuzungspunkt • Der räumliche Abstand zwischen zwei bunches beträgt ca. 7,5 m 6.4 Die „Nadel im Heuhaufen“: • 18 überlagerte p-p Kollisionen (Simulation des „inner tracker“) • Alle Spuren pt < 2 GeV ausgeblendet • Zwischen ihnen 4 Myon-Spuren eines Higgs-Zerfalls • Nun gut sichtbar die 4 MyonSpuren des Higgs-Zerfalls Finde 4 gerade Spuren ! Lösung ! 6.5 Der CMS-Detektor: Gewicht: ca. 14.500 t Durchmesser: ca. 14,6 m Länge: ca. 21,6 m Job: Suche nach der Nadel im Heuhaufen 6.6 Subdetektoren beim CMS: Die Subdetektoren sollen möglichst effizient die Reaktionsprodukte von p-p Kollisionen identifizieren: Myonkammern (Proportionalkammern / Driftröhren) Vorwärts-Kalorimeter (Proportionalzählkammern) EM-Kalorimeter (Szintillator) Spurerkennungssystem (Silizium-Halbleiterzähler) Vorwärts-Kalorimeter (Proportionalzählkammern) p 7 TeV p 7 TeV Hadronen-Kalorimeter (Szintillator-Sandwich) Supraleitende Spule (max. 4 Tesla) Eisenjoch (zur Feldrückführung) 6.7 Mögliche Erzeugungsprozesse am LHC: • Standardmodell: detaillierte Aussagen über mögliche Erzeugungsprozesse und Zerfallskanäle • Wirkungsquerschnitte, Verzweigungsverhältnisse und Erzeugungsraten aller erwarteten Teilchenreaktionen wurden simuliert • Verschiedene Möglichkeiten einer Higgs-Boson Erzeugung an einem p-p-Ring im StandardModell: Quark-Schleife / Gluon Fusion: WW,ZZ-Fusion: g g→H qq→qq H Weitere Erzeugungsprozesse: Higgs-Strahlung vom t-Quark I: Higgs-Strahlung vom t-Quark II: Bremsstrahlung vom W/Z : g g →t t H q q →t t H q q →W H qq →ZH 6.8 Wirkungsquerschnitte der Higgs-Produktion: • Größtes σ für Gluon-Gluon Fusion, da das Higgs am stärksten an das top-Quark koppelt • Zweitgrößter Querschnitt: WW/ ZZ Fusion (wegen hochenergetischer „Jets“ interessant) • Für mH > 150 GeV starker Abfall der anderen Produktionsmöglichkeiten 6.9 Verzweigungsverhältnisse des Higgs-Zerfalls: Das Higgs zerfällt bereits nach etwa 10-43 bis 10-46 s. Die Wahrscheinlichkeit für eine Zerfallsart („branching ratio“) hängt dabei von seiner Masse ab: 6.10 Simulierte Higgs-Zerfälle für LHC: In jedem Massenbereich gibt es also „bevorzugte“ Zerfallsprozesse für das Higgs-Boson. Man kann im Groben folgende Unterteilung treffen: • „Leichtes“ Higgs-Boson (100 bis 130 GeV): γ H →γ γ • γ „Mittelschweres“ Higgs-Boson (130 bis 200 GeV): H → W W (*) → l+ l− ν ν H → Z Z * → l+ l− l+ l− • „Schweres“ Higgs-Boson (200 bis 1000 GeV): H → Z Z → l+ l− j j H → Z Z → l± ν j j 6.11 Higgs- Zerfallskanäle: Je nach Masse des Higgs werden verschiedene Zerfallsarten bevorzugt. Man spricht dabei von sogenannten „Zerfallskanälen“: 7. Jenseits des Standardmodells/Ausblick: • Im Standardmodell gibt es nur ein Higgs-Dublett und nur ein Higgs-Teilchen H0 • Es gibt aber auch weitergehende Theorien wie die Supersymmetrie, welche Bosonen und Fermionen verbindet • Im MSSM (Minimal Sypersymmetric Standard Model) gibt es bereits zwei Higgs- Dubletts, dadurch erhält man fünf Higgs-Bosonen: H+, H , h0 , H0 , A0 • Dadurch ergeben sich zusätzliche physikalische Effekte und man hat sechs statt zwei freie Parameter im Higgs-Modell • Das Standardmodell steht und fällt mit dem Nachweis des Higgs-Teilchens • Sollte der Nachweis von Higgs-Teilchen ausbleiben, so muss man annehmen, dass man noch nicht beim Elementarsten angekommen ist. Dann stellt sich erneut die Frage: 8. Abschließende Bemerkungen Der Higgs-Mechanismus einmal anders... Folgende Analogie stammt von David Miller, der sie anlässlich eines Wettbewerbs vorbrachte, um dem britischen Wissenschaftsminister den Grund für die Higgs-Suche zu verdeutlichen: Wie bekommen Teilchen Masse ? Man denke sich einen Raum voller Physiker, die leise diskutieren. Dies soll ein Bild für das HiggsFeld sein, der Raum entspricht dem Universum Der Higgs-Mechanismus einmal anders... Ein Nobelpreisträger betritt den Raum. Er entspricht in unserer Analogie dem „an sich“ masselosen Teilchen Der Higgs-Mechanismus einmal anders... Beim Durchschreiten des Raumes drängen sich neugierige Physiker um ihn herum und behindern damit seine Bewegung, er erlangt Masse, wie ein Teilchen beim Durchqueren des Higgs-Feldes Der Higgs-Mechanismus einmal anders... Wie entsteht ein Higgs-Teilchen ? Ein Gerücht wird im Raum verbreitet. An einer Stelle findet es bei ein paar Physikern Gehör. Der Gerüchteverbreiter entspricht also der energetischen Selbstanregung des Feldes Der Higgs-Mechanismus einmal anders... Tuschelnd werden Köpfe zusammengesteckt, eine dichte Gruppe von Physikern entsteht. Dies entspricht dem Auftreten eines Higgs-Teilchens Anhang: Dank: Hiermit möchte ich ganz herzlich bei Herrn Prof. Flügge bedanken, der mir durch umfangreiche Bereitstellung von Literatur und konstruktive Kritik sehr geholfen hat. Insbesondere für die Mühe bei der Bereitstellung und Einrichtung des Beamers und des Laptops für meine Präsentation ein herzliches Dankeschön. Des weiteren danke ich meinem Freund und Studienkollegen Andreas Nowack für die „Higgs-Diskussions-Abende“, die zum Verständnis der Materie maßgeblich beitrugen. Quellenangabe: • Bethge, Klaus: „Elementarteilchen und ihre Wechselwirkungen“, 2. überarb. Auflage, 1991, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, ISBN 3-534-08750-X • Peter Schmüser: „Feynman Graphen und Eichtheorien für Experimentalphysiker“, 2. Auflage, 1995, Springer-Verlag, ISBN 3-540-58486-2 • CERN Collaboration: „The Compact Muon Solenoid Technical Proposal“, CERN/LHCC 94-38, LHCC/P1, 1994 • Andreas Nowack: „Die Suche nach dem Higgs-Boson“, Seminararbeit 1996 • Peter Wienemann: „Higgs-Physik bei LEP und LHC“, Seminararbeit 2001 • Jan Olzem: „Die Suche nach dem Higgs-Boson“, Seminararbeit 1998 • Gordon Fraser: „Season of Higgs and melodrama“, CERN Courier Vol. 41, Nr. 2, March 2001 • Klaus Desch/Norbert Wermes: „Das Higgs-Boson: wie nahe dran ist LEP?“, Physikalische Blätter, Heft 4, April 2000