Entstehung der Masse - II. Institute of Physics

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Entstehung der Masse
Von Heisenbergs Weltformel zur Dynamik des Standardmodell der
Teilchenphysik
Werner Heisenberg
Yoichiro Nambu
Peter Higgs
Im Jahre 1953 veröffentlichte der Direktor des Max-Planck-Instituts für Physik in Göttingen,
Werner Heisenberg, eine wissenschaftliche Arbeit, in der er die damals fundamental neue Frage
stellte, wie die Massen der Teilchen Proton, Neutron und Elektron entstehen, aus denen alle
Atome und damit die uns umgebende Welt aufgebaut ist. Die Theorie der Massenentstehung
sollte so angelegt sein, dass sich auch die Massen aller anderen Teilchen, die sich nur künstlich
herstellen lassen, aus der Theorie ergeben. Heisenberg hatte 1925 als Mitarbeiter von Max
Born in Göttingen die Quantenmechanik entdeckt, die die Bewegungen im Atom beschreibt und
hierfür 1933 den Nobelpreis für Physik für das Jahr 1932 erhalten. Mit der wissenschaftlichen
Arbeit von 1953 und weiteren Arbeiten, die in den folgenden Jahren entstanden sind, strebte
Heisenberg eine Erweiterung der Quantenmechanik an, die die Entstehung der Massen aus dem
Vakuum mit beinhalten sollte. Diese Arbeiten sind unter dem Stichwort Weltformel international
bekannt geworden. Bis in die heutige Zeit bleibend ist Heisenbergs Idee, dass die erweiterte
Quantenmechanik durch eine nichtlineare Feldgleichung darzustellen ist, die die Wechselwirkung
eines Feldes mit sich selbst beschreibt.
Die heute verwendete Form einer nichtlinearen Feldgleichung wurde 1961 von dem USamerikanischen Physiker japanischer Herkunft Yoichiro Nambu aufgestellt, dem in der Folge
eine erfolgreiche Theorie der Massenentstehung gelang, für die er 2008 den Nobelpreis erhielt.
Im Gegensatz zu Heisenberg legte Nambu seinen Berechnungen ein konkretes Modell des Vakuums zugrunde. Dieses Modell lehnte sich zunächst an die Theorie der Supraleitung an, in der
Elektron-Paare, die Cooper-Paare, eine wesentliche Bedeutung haben.
Aus heutiger Sicht lässt sich Nambus Theorie folgendermaßen beschreiben. Atome bestehen
aus den Protonen und Neutronen des Kerns und den Elektronen der Atomhülle. Die Elektronen
sind sehr leichte elementare Teilchen, die sich nicht weiter zerlegen lassen und nur sehr wenig zur
Masse der Atome beitragen. Die Protonen und Neutronen bestehen aus drei Quarks mit sehr
ungewöhnlichen Eigenschaften. Die elementaren Quarks des Standardmodells der Teilchenphysik
sind nur etwa 12mal schwerer als das Elektron. Sie müssten aber etwa 600mal schwerer sein, um
die Massen der Protonen und Neutronen erklären zu können. Hier liefert Nambus Analogie zur
Supraleitung eine Erklärung, indem Nambu die Cooperpare durch Quark-Antiquark-Paare ersetzt, die Bestandteil des Vakuums sind. Sie lagern sich an die nahezu masselosen elementaren
Quarks an und geben ihnen dabei die benötigte 50mal größere Masse. Die dabei herrschenden Kräfte werden durch ein Teilchen vermittelt, das bereits 1957 von dem US-amerikanischen
Physiker Julian Schwinger vorhergesagt wurde und von diesem sigma-Teilchen genannt wurde.
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Dieses sigma-Teilchen vermittelt auch die Kräfte zwischen den Protonen und Neutronen im
Atomkern.
Später wurde die Frage untersucht, woher die elementaren Quarks und die Elektronen ihre
Masse erhalten. Eine Antwort auf diese Frage fand der schottische Physiker Peter Higgs, nach
dem das die Kräfte vermittelnde Teilchen Higgs-Teilchen genannt wurde. Dieses Higgs-Teilchen
wird wegen seiner großen Bedeutung scherzhaft gelegentlich auch Gottesteilchen genannt. Die
Entstehung der Masse der Atome erfolgt also in zwei Stufen. In der ersten Stufe vermittelt das
Higgs-Teilchen 2% der Gesamtmasse der Atome und in der zweiten Stufe das sigma-Teilchen die
restlichen 98%.
Den Arbeiten von Higgs und der anderen Arbeitsgruppen, die gleichzeitig an dem Problem
der Massenentstehung elementarer Teilchen arbeiteten, war eine Arbeit des US-amerikanischen
Physikers britischer Abstammung Jeffrey Goldstone vorausgegangen, die sich auf mathematischem Wege der Massenentstehung näherte. Goldstone erfand das Sombreropotential, das die
Jeffrey Goldstone
Sombreropotential
Massenentstehung durch das sigma-Teilchens und das Higgs-Teilchens symbolisiert. Goldstone
konnte aus diesem Sombreropotential ablesen, dass es masselose Partner des sigma-Teilchens
und des Higgs-Teilchens geben müsse, die man heute Goldstone-Teilchen nennt. Für das sigmaTeilchen wurden diese Partnerteilchen schnell unter den bekannten Teilchen identifiziert, nicht
aber für das Higgs-Teilchen. Die eigentliche Leistung von Peter Higgs und der anderen Arbeitsgruppen besteht darin, diese nicht vorhandenen Partnerteilchen aus der Theorie zu eliminieren,
indem sie von anderen Teilchen, den Feldteilchen der schwachen Wechselwirkung, absorbiert
werden und diesen dabei Masse verleihen. Diesen Vorgang nennt man Higgs-Mechanismus.
Die Theorie der zweistufigen Massenentstehung kann als bestätigt angesehen werden, wenn
es gelingt, das sigma-Teilchen und das Higgs-Teilchen experimentell nachzuweisen. Für das
sigma-Teilchen gelang dies in einem 2001 veröffentlichten Experiment, das vom früheren Leiter
der Arbeitsgruppe Teilchenphysik im II. Physikalischen Institut der Universität Göttingen, Prof.
Martin Schumacher, vorgeschlagen und im Rahmen einer internationalen Kollaboration am Elektronenbeschleuniger der Universität Mainz ausgeführt wurde. Der Nachweis gelang, indem Protonen mit Photonen, also hochenergetischen Lichtteilchen, durchleuchtet wurden. Ein solches
Experiment macht das sigma-Teilchen sichtbar, während es sich auf den Quarks im Proton
aufhält. Obgleich das Experiment ohne Zweifel erfolgreich war, war weitere theoretische Arbeit
erforderlich, um die Interpretation zu vervollständigen. Dies wurde von Martin Schumacher in
einer Serie von Publikationen erreicht und im Jahr 2013 abgeschlossen. Eine der Arbeiten wurde
vom British Institute of Physics (IOP) mit dem Titel ”Highlight of the year 2011” ausgezeichnet. In dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass es insgesamt neun ”Higgs-Teilchen der starken
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Wechselwirkung” gibt, von denen aber im Atom nur eines, das sigma-Teilchen, zur Wirkung
kommt.
Das eigentliche Higgs-Teilchen der elektroschwachen Wechselwirkung wurde 2012 von den
Kollaborationen ATLAS und CMS im Forschungszentrum CERN in Genf nachgewiesen. Dieser
Nachweis ist ein Triumpf der Experimentalphysik, an dem mehre tausend Wissenschaftler beteiligt
sind und der 2013 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet wurde. Stellvertretend für alle
wurde er an die ersten Entdecker dieses Teilchens, den Belgier Francois Englert und den Briten
Peter Higgs verliehen.
Mit dem Nachweis des sigma-Teilchens und des Higgs-Teilchens wurde das Problem der
Entstehung der Masse 60 Jahre nach der ersten Arbeit von Werner Heisenberg gelöst. Die
Masse des Atoms beruht zu 2% auf Effekten des Higgs-Teilchens und zu 98% auf Effekten des
sigma-Teilchens.
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