GALERIE GRITA INSAM Köllnerhofgasse 6 1010 Wien T: 43-1-512 5330 F: 512 6194 [email protected] www.members.aon.at/galerie.grita.insam Zur Werkreihe Lichtbilder Vorrangige Themen der oft interaktiven, in jedem Fall aber einen bewegten Betrachter einfordernden künstlerischen Settings von Ruth Schnell sind Transformationsprozesse von Bild-, Körper- und Raumrepräsentationen. Ruth Schnells Arbeiten, im künstlerischen Kontext der Neuen Medien eingebettet, sind Versuchsanordnungen zu Wahrnehmungsmöglichkeiten, -codes und -formationen in einer mediatisierten Umwelt, in der der Mythos einer allgemeingültigen, sich an den Achsen von Raum und Zeit orientierenden Realität seine endgültige Auflösung erfahren muss. Die Werkreihe Lichtbilder widmet sich der Gültigkeit von Blickordnungen und der Veränderung der zeitlichen Dimension von Bildwahrnehmung und -generierung. Die in dieser Reihe 2003 bis 2005 entstandenen Arbeiten nehmen die Trägheit der visuellen Wahrnehmung als Basis für eine Verknüpfung von realem Umraum und einem dynamischen, virtuellen Zeichenraum. Zu sehen sind mit mehreren transluzenten Polyesterharz-Schichten überzogene MDF-Platten – glänzende, monochrome Tafelbilder. In diese Bildträger sind aus jeweils 32 Leuchtdioden bestehende, vertikale Leuchtbalken eingelassen. Diese zuerst als kompositorische Elemente identifizierbaren roten, weißen oder blauen LED-Stäbe generieren in Lichtpunkte zerlegte Wörter. Zwei fundamental verschiedene Blickordnungen kollidieren in den Arbeiten dieser Werkreihe. Während die bewusste Bildbetrachtung zielgerichtetes Sehen voraussetzt, erfordert eine Wahrnehmung der über die Leuchtbalken flimmernden Wörter einen genau entgegengesetzten Blickmodus. Die in eine zeitliche Abfolge hochfrequenter Impulse umgewandelten, codierten Buchstaben sind dann lesbar, wenn der Betrachter selbstverständliche, am Akt des Lesens eingeübte Rezeptionsmuster aufgibt. Erforderlich ist ein frei schwebender Blick, eine Betrachtung am Objekt vorbei. Das Auge scannt bei einer horizontalen Bewegung und wird dabei selbst zum Bildträger. Ruth Schnell macht sich dabei den so genannten "Nachzieheffekt" zunutze: eine bewegte punktförmige Lichtquelle - oder eben umgekehrt eine unbewegte Lichtquelle bei schneller Bewegung des Auges – wird als Lichtstreifen abgebildet. Als Nachbilder, die auf der Netzhaut produziert und im Gehirn interpretiert werden, erscheinen die über die Leuchtbalken generierten Wörter Hologrammen gleich im Raum. Die auf den Leuchtbalken generierten Wortreihen entstammen Lexika, Statistiken und anderen Medien der Wissenserfassung. Diese werden als Instanzen einer jeweils gültigen Weltsicht verstanden, die über Zuschreibungen Bedeutung produzieren. Die Schriftbilder stellen sich bei der Bewegung des Auges bzw. des Betrachters im Raum ein. Das Erfassen der Schriftbilder setzt Absichtslosigkeit voraus. Man findet, was man nicht gesucht hat. Die Schrift blickt zurück. Nur wenige Betrachter können die Wörter auf Anhieb “lesen”. Je mehr man sich allerdings auf diese andere Blickdynamik einlässt, desto offener wird der Zugang zum Zeichenraum. Installative Arbeiten von Ruth Schnell mit LED-Stäben sind als Kunst-am-Bau-Projekte an der HTL Bregenz, A, (Sprache Sehen, Baumschlager/Eberle-Zubau), an der Landesakademie St. Pölten, A, (Virtual Terms), im Stadthallenbad Dornbirn, A, (LAUTUNDLEISE, 2005) und als temporäre Installation an der Fassade des Neubaus der Akademie der Künste, Berlin (mission of art, 2005) realisiert worden. Patricia Köstring Ruth Schnell