EUROPÄISCHES PARLAMENT 2009 - 2014 Plenarsitzungsdokument 18.10.2010 B7-0574/2010 ENTSCHLIESSUNGSANTRAG eingereicht im Anschluss an eine Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung zur Ukraine Jaromír Kohlíček, Willy Meyer im Namen der GUE/NGL-Fraktion RE\835728DE.doc DE PE450.391v01-00 In Vielfalt geeint DE B7-0574/2010 Entschließung des Europäischen Parlaments zur Ukraine Das Europäische Parlament, – unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Ukraine, – unter Hinweis auf das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (PKA) zwischen der Europäischen Union und der Ukraine, das am 1. März 1998 in Kraft getreten ist, und auf die laufenden Verhandlungen über das Assoziierungsabkommen, das das PKA ablösen soll, – in Kenntnis der von der Ukraine und der EU gemeinsam vereinbarten Liste vorrangiger Maßnahmen für 2010, – in Kenntnis der Ergebnisse des im Februar 2010 abgehaltenen zweiten Wahlgangs der Präsidentschaftswahlen in der Ukraine, – in Kenntnis der am 5. Oktober 2010 angenommenen Resolution 1755 (2010) des Europarates zur Funktionsweise der demokratischen Institutionen in der Ukraine, – gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung, A. in der Erwägung, dass die Ukraine aufgrund ihrer Größe, ihrer geografischen Lage und ihrer historischen, kulturellen, wirtschaftlichen und anderen Bindungen an Mittel- und Westeuropa ein wichtiger Partner für die EU und ein maßgeblicher regionaler Akteur ist, B. in der Erwägung, dass das Land viele Jahre unter politischer Instabilität, Korruption, einer Privatisierung, die in oligarchische Wirtschaftsstrukturen mündete, Problemen bei der Energieversorgung und dem Energietransfer nach Europa, die von einer antirussischen Politik früherer Regierungen verursacht wurden, sozialen Problemen und der Unzufriedenheit der ukrainischen Bürgerinnen und Bürger mit ihren politischen Machthabern gelitten hat, C. in der Erwägung, dass die Ukraine von der weltweiten Wirtschaftskrise stark getroffen wurde, weil das Land in hohem Maße von seiner Metallindustrie abhängig ist und sein Bankensystem und sein Energiesektor große Schwächen aufweisen; in der Erwägung, dass die Ukraine in eine tiefe Abhängigkeit von dem IWF-Kredit geraten ist, um einen Staatsbankrott inmitten einer Rezession abzuwenden und die Zahlungen für die Durchleitung von russischem Erdgas nach Europa aufrechtzuerhalten; in der Erwägung, dass die Wirtschaftskrise und die vom IWF diktierten Auflagen zu einem Verfall der Reallöhne und zu steigender Arbeitslosigkeit, einem Anstieg der Erdgaspreise für inländische Verbraucher und andere schwerwiegende soziale Probleme geführt hat, D. in der Erwägung, dass die neue Regierung der Ukraine ihre beiden außenpolitischen Ziele klar formuliert hat: die Herstellung engerer Beziehung zur EU und die Verbesserung der Beziehungen zu Russland, PE450.391v01-00 DE 2/4 RE\835728DE.doc E. in der Erwägung, dass die von der neuen ukrainischen Regierung unternommenen Schritte zur Verbesserung der Beziehungen zu Russland und neue Abkommen zwischen den beiden Ländern in verschiedenen Bereichen der Zusammenarbeit wie etwa auf den Gebieten Energie, Luftfahrt, Kultur und Bildung dazu beigetragen haben, die schwierige wirtschaftliche Lage zu überwinden, F. in der Erwägung, dass in der ukrainischen Gesellschaft Konsens in Bezug auf die Notwendigkeit besteht, die Beziehungen zur EU zu vertiefen; in der Erwägung, dass die laufenden Verhandlungen zwischen der Ukraine und der EU über das Assoziierungsabkommen und die Visaliberalisierung kurzfristig keine Aussicht auf Erfolg haben und keine realen Vorteile für die Bürgerinnen und Bürger der beiden Parteien bringen, G. in der Erwägung, dass das vor kurzem angenommene Wahlgesetz, die Verfassungsänderungen und die neuen Rechtsvorschriften für Nichtregierungsorganisationen sowie die sich mehrenden Beschwerden von Journalisten über Einschränkungen der Freiheit der Meinungsäußerung durch Verlage und/oder Eigentümer von Medien Anlass zu internationaler Besorgnis über die Entwicklung der Demokratie in der Ukraine gegeben haben, 1. nimmt das auf Europa gerichtete Streben des ukrainischen Volkes zur Kenntnis, und bekräftigt seine Bereitschaft, eine langfristige Partnerschaft einschließlich einer europäischen Perspektive für die Ukraine zu schaffen; 2. betont, dass zwischen den europäischen Bestrebungen und der Fortführung der für beide Seiten vorteilhaften Beziehungen zu Russland kein Widerspruch besteht; betont, dass stabile Beziehungen zwischen der Ukraine und Russland der Stabilität und Zusammenarbeit auf dem gesamten Kontinent zugute kämen; 3. fordert die EU und alle Nachbarländer auf, die demokratische Entscheidung des ukrainischen Volkes uneingeschränkt zu respektieren und keinerlei wirtschaftlichen oder anderen Druck auszuüben, um die demokratisch getroffene Entscheidung über die weitere politische, soziale und wirtschaftliche Entwicklung des Landes zu ändern; 4. vertritt die Auffassung, dass die Einstellung des Wettbewerbs zwischen der EU und Russland um die gemeinsamen Nachbarstaaten und die Einrichtung einer dauerhaften und umfassenden Partnerschaft mit der EU zur Lösung zahlreicher Probleme und Konflikte in der Region beitragen und der Zusammenarbeit mit den Ländern der Östlichen Partnerschaft die erforderliche Dynamik verleihen würden; 5. ist der Ansicht, dass politische Stabilität eine wesentliche Voraussetzung für die Konsolidierung der Demokratie in der Ukraine ist; begrüßt die bislang erzielten Fortschritte, betont allerdings, dass dauerhafte politische Stabilität nur durch Änderungen der Verfassung, die eine klare Gewaltenteilung sowie ein geeignetes System der gegenseitigen Kontrollen zwischen und innerhalb der Exekutive, der Legislative und der Judikative herstellen, gewährleistet werden kann; 6. bedauert, dass die Verhandlungen zwischen der EU und der Ukraine bislang nicht zu realen Vorteilen für die Bürgerinnen und Bürger der beiden Parteien geführt haben; ist der RE\835728DE.doc 3/4 PE450.391v01-00 DE Auffassung, dass Themen wie eine weitere Visaliberalisierung, insbesondere die Aufhebung der Visagebühren, kurzfristige Infrastrukturprojekte, das Gesundheitswesen, Energieeffizienz, Bildung und Umwelt der Partnerschaft die erforderlichen Anstöße geben könnten; betont, wie wichtig die Verbesserung der Verkehrsverbindungen zwischen der EU und der Ukraine sowie die Sicherheitsstandards in diesem Bereich sind; empfiehlt die weitere Harmonisierung technischer Normen; 7. betont, wie bedeutsam die Zivilgesellschaft für die demokratische Entwicklung der Ukraine ist, und ersucht die Staatsorgane daher, die Annahme eines neuen Gesetzes über zivilgesellschaftliche Organisationen zu beschleunigen, um die im derzeitigen Rechtsrahmen für Nichtregierungsorganisationen festgestellten Schwachstellen zu beheben; 8. fordert die ukrainische Regierung auf sicherzustellen, dass die bevorstehenden Kommunalwahlen unter voller Einhaltung internationaler Standards durchgeführt werden, und weist darauf hin, dass der Wahlkampf allen politischen Kräften die gleichen Chancen bieten muss; 9. begrüßt, dass der neue Staatspräsident der Bekämpfung der Korruption Priorität einräumt; bedauert den Beschluss der Werchowna Rada, das Inkrafttreten des Gesetzespakets zur Korruptionsbekämpfung, welches mit der Unterstützung des Europarates entwickelt wurde, bis 2011 zu verschieben, sowie das von dem ehemaligen Staatspräsidenten gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Geldwäsche eingelegte Veto; ersucht den Staatspräsidenten und das Parlament zu gewährleisten, dass das Gesetzespaket zur Korruptionsbekämpfung nunmehr ohne Verzögerung verabschiedet wird und dass alle Empfehlungen des gemeinsamen ersten und zweiten Evaluierungsberichts der Gruppe der Staaten gegen Korruption (GRECO) jetzt umgehend umgesetzt werden; 10. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Parlament und der Regierung der Ukraine und den Parlamentarischen Versammlungen der OSZE und des Europarats zu übermitteln. 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