1 Manuskript Titel „Der Name Beethoven ist heilig in der Kunst“ – über den Mythos eines Komponisten Autor Auf dem Porträt von Carl Friedrich August von Kloeber ist sein Blick starr in die Ferne gerichtet. Unbeugsam sieht er aus. Heldenhaft. Mit seiner hohen Stirn, dem leicht verkniffenen Mund, den gerunzelten Augenbrauen und der unordentlichen Frisur. Wie ein siegreicher Feldherr. Doch im wirklichen Leben war er depressiv, launisch und vor allem taub. Die heroisierende Darstellung Ludwig van Beethovens ist typisch dafür, wie der Komponist zu Lebzeiten und vor allem nach seinem Tod wahrgenommen wurde. Ein gewaltiger Mythos entstand um ihn, er wurde als Genie oder Heros bezeichnet. Und tatsächlich hat Beethoven die abendländische Musik seiner Zeit revolutioniert. Musik Freunde nicht diese Töne: 7:10-7:56 [0:46] Autorin Die Stilisierung zum Ausnahmetalent, zum Genie beginnt recht früh. Geboren wird Beethoven im Dezember 1770, im März 1778 gibt er sein erstes öffentliches Konzert. Siebenjährig – sollte man annehmen. Doch die Ankündigung des Konzerts lautet folgendermaßen: Sprecher „Heute dato den 26en März 1778, wird auf dem musikalischen Akademiesaal in der Sterngasse der Kurköllnische Hoftenorist Beethoven die Ehre haben zwei seiner Schüler zu produzieren; nämlich Mademoiselle Averdonc Hofaltistin, und sein Söhnchen von 6 Jahren.“ Autorin Da hat der Vater doch glatt ein Jahr unterschlagen. Wunderkinder verkaufen sich eben besser. Und hatte nicht schließlich auch Mozart seinen ersten öffentlichen Auftritt im Alter von sechs Jahren? Musik Waldstein 1. Satz: 0:21 Autorin Beethoven bekommt in Bonn eine Stelle in der Hofkapelle, aber ansonsten kann ihm die rheinische Beamtenstadt wenig bieten. Das erkennt auch sein Arbeitgeber Kurfürst Maximilian Franz; 1792 schickt er den jungen Musiker mit einem Stipendium nach Wien. Beethoven soll Kompositionsunterricht beim großen Joseph Haydn nehmen. (0:24) 2 Schon bald nach seiner Ankunft in Wien hat Beethoven guten Kontakt zum ortsansässigen Adel, der ihn schätzt und finanziell unterstützt. Aber schon bald sucht und findet Beethoven den Weg in die finanzielle und somit künstlerische Unabhängigkeit. 1795 gibt er sein erstes öffentliches Konzert als Pianist im Burgtheater und veröffentlicht sein Opus 1: drei Klaviertrios, die er seinem Lehrer Joseph Haydn gewidmet hat. Diese Unabhängigkeit ist für Beethoven auch ideell besonders wichtig, denn er ist in einer politisch sehr bewegten Zeit aufgewachsen. Es war die Zeit der französischen Revolution und des aufstrebenden Bürgertums. Des Gedankens der Gleichheit und Brüderlichkeit.. Und der ohnehin eigenwillige und nach Unabhängigkeit strebende Beethoven übernimmt die neue Freiheitsphilosophie. Nicht nur im alltäglichen Leben, auch in der Musik, etwa seiner einzigen Oper „Fidelio“. Musik Leonore: Chor der Gefangenen 3:37-3:56 [0:19] Autorin Zu den adligen Mäzenen gehört auch der mit Beethoven befreundete Fürst Lichnowsky. Eines Tages soll sich der launische Beethoven wieder einmal durch LIchnowsky beleidigt gefühlt und daraufhin gesagt haben: Sprecher „Fürst, Was sie sind, sind sie durch Zufall und Geburt. Was ich bin, bin ich durch mich. Fürsten gibt es Tausende, Beethoven nur einen.“ Autorin Eine ganz schöne Dreistigkeit zu der damaligen Zeit, die Beethoven ohne Weiteres die so geschätzte Freiheit hätte kosten können. Doch diese Geschichte ist bezeichnend für Beethovens Selbstverständnis und Lebenseinstellung. Musik Eroica, 4. Satz Autorin Beethoven hat viele Revolutionsmusiken geschrieben –Eine seiner besten ist die dritte Symphonie – die „Eroica“. Diese sollte ursprünglich Napoleon Bonaparte gewidmet werden, den Beethoven für den Befreier der Menschheit hielt. Doch es kommt anders: Als Beethoven erfährt, dass Napoleon sich zum Kaiser krönen lässt, ist er enttäuscht und sieht alle seine Ideale verkauft und verraten. Er soll aufgesprungen sein, voller Wut das Titelblatt mit der Widmung zerrissen und dabei gerufen haben: Musik Eroica 3:42-4:33, 4. Satz, nach Sprecher und Autorin hochziehen, stehen lassen, bis Revolutionsthema fertig ist. 3 Sprecher „Ist der auch nichts anders, wie ein gewöhnlicher Mensch! Nun wird er auch alle Menschenrechte mit Füßen treten, nur seinem Ehrgeize frönen!“ Autorin Seitdem ist die „Eroica“ nur noch „dem Andenken eines großen Mannes gewidmet“. Zu diesem Zeitpunkt hört Beethovens schon nicht mehr gut. Die ersten Schwierigkeiten treten ca. 1798 auf, da ist er noch keine 30 Jahre alt. Musik 7. Symphonie, zweiter Satz Drunter 0:06- der Teil mit der Schwerhörigkeit zu Ende ist. Bei Autorin legen runterblenden (nicht ganz) und entsprechend wieder hoch, wenn Beethoven Texte dran sind. Autorin Beethoven ist- wen wundert’s – zutiefst unglücklich. Schon 1802 schreibt er resigniert: Sprecher „das sausen und brausen ist etwas schwächer als sonst, besonders am Linken Ohre, mit welchem eigentlich meine Gehörkrankheit angefangen hat, aber mein Gehör ist gewiss um nichts noch gebessert.“ Autorin Doch Beethoven gibt nicht auf. Weder sich noch seinen Beruf. Denn der Brief, der so deprimiert beginnt, endet mit den Worten: Sprecher „Ich will dem Schicksal in den Rachen greifen, ganz niederbeugen soll es mich gewiß nicht.“ Autorin Dennoch: Beethoven fühlt sich aufgrund seiner Taubheit ausgeschlossen. Er kann am gesellschaftlichen Leben nicht mehr teilnehmen und zieht wohl auch einen Selbstmord in Erwägung. Das Einzige, was ihn davon abhält, ist die Kunst, das Gefühl, noch nicht alles geschafft zu haben, was ihm vorherbestimmt ist. Der Verlust des Gehörs bedeutet bis zu einem gewissen Grad immer Isolation. Wie katastrophal es aber für den Komponisten Beethoven ist, verdeutlicht die Passage aus einem anderen Brief: Sprecher „Seit 2 Jahren fast meide ich alle Gesellschaften, weil’s mir nun nicht möglich ist, den Leuten zu sagen, ich bin Taub, hätte ich irgend ein anderes Fach, so gings noch eher, aber in meinem Fach ist das ein schrecklicher Zustand“ Musik Pathetique, 2. Satz, 4 Liegen lassen Und doch ist es Beethoven, der ein wichtiges Kapitel Musikgeschichte schreibt. In seinen Werken überwindet er sein schweres Handikap. Durch seine allmählich fortschreitende Taubheit ist es ihm unmöglich, als Pianist aufzutreten. So widmet er sein Leben vor allem dem Komponieren. Und hier schafft Beethoven in seinen späteren Lebensjahren neue Voraussetzungen für die nachfolgenden Komponistengenerationen. Schon zu Lebzeiten hat er sich Ruhm erworben. Aber in seiner letzten Schaffensphase wurde er von seinem Publikum endgültig zum Meister erhoben. Autorin Beethoven vollendet den seit Bach sich anbahnenden Wechsel von Form zur Struktur. Das heißt, dass er Sonate, Symphonie und Streichquartett von ihren festen Vorgaben befreit, ohne die Grundrisse zu zerstören. Er erweitert die Möglichkeiten dieser Gattungen, wie zum Beispiel in der neunten Symphonie, die mit dem berühmten Schlusschor „Ode an die Freude“ endet. Seine Musik ist tönende Philosophie. Oder um es mit Beethoven zu sagen: Sprecher „Freiheit, Weitergehen, ist in der Kunstwelt, wie in der ganzen großen Schöpfung, Zweck.“