14. September 2008: 14. September: Kreuzerhöhung (Fest) 1. Lesung vom Fest Kreuzerhöhung: Num 21,4-9 Lesung aus dem Buch Numeri: In jenen Tagen brachen die Israeliten vom Berg Hor auf und schlugen die Richtung zum Schilfmeer ein, um Edom zu umgehen. Unterwegs aber verlor das Volk den Mut, es lehnte sich gegen Gott und gegen Mose auf und sagte: Warum habt ihr uns aus Ägypten herausgeführt? Etwa damit wir in der Wüste sterben? Es gibt weder Brot noch Wasser. Dieser elenden Nahrung sind wir überdrüssig. Da schickte der Herr Giftschlangen unter das Volk. Sie bissen die Menschen und viele Israeliten starben. Die Leute kamen zu Mose und sagten: Wir haben gesündigt, denn wir haben uns gegen den Herrn und gegen dich aufgelehnt. Bete zum Herrn, dass er uns von den Schlangen befreit. Da betete Mose für das Volk. Der Herr antwortete Mose: Mach dir eine Schlange und häng sie an einer Fahnenstange auf! Jeder, der gebissen wird, wird am Leben bleiben, wenn er sie ansieht. Mose machte also eine Schlange aus Kupfer und hängte sie an einer Fahnenstange auf. Wenn nun jemand von einer Schlange gebissen wurde und zu der Kupferschlange aufblickte, blieb er am Leben. Lesungskommentar von Norbert Riebartsch (2010) Das Volk Israel lehnt sich gegen Gott auf und wird dafür mit Schlangenbissen gestraft. Die Auflehnung geschieht im Herzen und ist nicht öffentlich. Wenn nun die Schlange aus Kupfer im Lager aufgestellt wird, wird das Thema der Schuld öffentlich. Wer auf die Schlange blickt, gibt zu: Auch ich habe mich abgewendet. Das Volk kann nun sehen, wo es steht und den Weg zur Umkehr finden. Es kann sich wieder hinter Gott sammeln und neu den Weg aus der Wüste ins Gelobte Land wagen. Lesungskommentar von Norbert Riebartsch (2004) Das Volk Gottes war mit seinem Gott unterwegs in der Wüste. Nur mit ihm konnte es diesen Weg erfolgreich bestreiten. Deshalb war der richtige Weg bei einer Noterfahrung die erneute Hinwendung zu diesem Gott. Nur aus dem Wissen, dass Gott in die Freiheit führen will, kann die Schlangenplage überstanden werden. Aus der neu begonnenen Nähe zu Gott konnte das Verhalten der Vergangenheit neu gesehen werden. So wurden die Schlangen die verständliche Strafe Gottes, die ihr Ziel erreichten: Das Volk wieder um sich zu sammeln. Im Evangelium wird dieses Bild gedeutet als Hinweis auf die Bedeutung Jesu am Kreuz. Lesungskommentar von Bernhard Zahrl (1997) Den Israeliten galt die Wüste als ein Ort der Schlangen und Skorpione (vgl. Dtn 8:15; Jes 14:29 und 30:6). Es erstaunt daher nicht, dass in die Erzählungen des Wüstenzuges auch eine Schlangenplage Eingang gefunden hat. Der Text Num 21:4-9 interpretiert diese "Schlangeninvasion" als Strafe für die Auflehnung der Israeliten Gott und Mose gegenüber. Doch aufgrund des Schuldbekenntnisses der Israeliten und der Fürsprache des Mose gewährt Gott die Rettung: Eine an einer langen - und damit weithin sichtbaren - Stange montierte kupferne Schlange wird angefertigt. Dank des Anblicks der Schlange, als Zeichen des Glaubens an die Heilkraft Gottes, blieben die Israeliten trotz aller Schlangenbisse am Leben. In den Kupferminen von Timna (etwa 20km nördlich von Eilat) wurde bei Ausgrabungen eine 12 cm lange Kupferschlange mit goldenem Kopf gefunden. Wahrscheinlich diente sie als Kultgegenstand eines midianitischen Heiligtums in dieser Gegend. Jedenfalls beweist sie, dass um etwa 1200 v. Chr. in dieser Gegend solche Kupferschlangen nicht unbekannt gewesen sind. Im Vorderen Orient galten Schlangen zudem als Symbole des Lebens (vgl. die Äskulapnatter als noch heute bestehendes Symbol von Ärzten und Apothekern) und als Symbol von heilbringenden Gottheiten. Der Text in Num 21 weist aber nicht der Schlange als solcher Heilkraft zu, vielmehr verweist hier die Schlange auf den eigentlichen Retter. Wahrscheinlich hat Israel so einen bereits bekannten Brauch aus der Umwelt in die eigene Glaubenswelt übernommen, ihn aber theologisch neu geformt, bzw. uminterpretiert. Diese These wird durch Weish 16:7 gestützt, wo es heißt: "Wer sich dorthin wandte, wurde nicht durch das gerettet, was er anschaute, sondern durch dich, den Retter aller." Die christliche Tradition interpretierte den Text von Num 21 im Anschluß an Joh 3:14 als eine mögliche Urform der rettenden Kraft, die vom Kreuze Jesu ausgeht: Jeder durch die Sünde Verwundete soll voll Vertrauen an den erhöhten Erlöser glauben. 2. Lesung vom Fest der Kreuzerhöhung: Phil 2,6-11 Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Philipper: Christus Jesus war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt: "Jesus Christus ist der Herr" - zur Ehre Gottes, des Vaters. Lesungskommentar von Norbert Riebartsch (2010) Der Hymnus aus dem Philipperbrief ist älter als der Brief selbst. Paulus zitiert ihn. Aus dem Abstieg Jesu ("Er entäußerte sich, wurde wie ein Sklave") wird nun der Aufstieg Jesu ("Jesus Christus ist der Herr"). Das eine geschah durch Christus aus Liebe zu den Menschen, das andere geschieht durch die Glaubenden aus Liebe zu Christus. Die Kreuzerhöhung ist die Ermutigung, diesen Schritt der Liebe zu gehen. Lesungskommentar von Gabi Ceric (1999) Der Philipperhymnuns, wie dieser Teil des Philipperbriefes in der Liturgie genannt wird, stellt rein formell ein Fremdkörper im Brief dar. Auf einmal wird ein Lied dazwischengeschoben – etwas für Paulus Neues bricht an. Dieser Christushymnus ist Zeugnis der Kenosis Christi. In knapper Sprache und sorgfältiger Wortwahl wird das Christusgeheimnis versucht zu entfalten: Er war ganz Gott und ganz Mensch. Als dieser Mensch ist er Knecht/Sklave. Der Abstieg von Gott zum Knecht ist ein gewaltiger Schritt nach unten, der sein Ende am Kreuz findet. Jenes Kreuz ist gleichsam der Wendepunkt in diesem Hymnus (Vers 8). Mit dem Kreuz wird Jesus Christus zugleich wieder erhöht (Verse 9-11). Mit dem Namen, den Gott ihm verleiht, ist das Wesentliche dieses Menschen ausgedrückt, die Wichtigkeit der Person deutlich gemacht. Der Verfasser des Philipperhymnus bedient sich dabei eines Zitates aus dem Buch des Propheten Jesaja, wenn der Name jenes erhöhten Christus von jedem Munde gepriesen wird. Kyrios – Herr – ist Jesus Christus und mit ihm wird auch zugleich der Vater verherrlicht. Aufgrund des großartigen Aufbaues des Philipperhymnus geht man davon aus, dass Paulus diesen Hymnus aus der Liturgie der jungen Christengemeinde übernommen hat oder dieser später eingefügt worden ist. Der Philipperhymnus ist ein glänzendes Beispiel für das feiernde Nachdenken der Urgemeinde über die Erlösungstat Gottes. Lesungskommentar von Manfred Wussow (2004) Paulus zitiert einen Hymnus, der in der frühen Kirche unbefangen das Geheimnis Christi mit dem –alten und in der Mythologie verbreiteten – Schema Abstieg / Aufstieg besingt. Der Entäußerung, die bis in den Tod reicht, wird der "verliehene Name" gegenübergestellt, der im Christus-Bekenntnis "Herr ist Jesus" mündet. Wir begegnen hier dem ursprünglichen Glaubensbekenntnis, das noch ohne streitbehaftete (und auslegungsbedürftige) Sätze zusammenfasst, was christliches Leben ausmacht: dass er das letzte Wort hat, über alles – und für alle. Paulus, ein Meister, der das Evangelium in Briefen zu den Menschen bringt, entwindet den Hymnus mythologischen Denkmustern und verbindet das Leben Jesu mit dem seiner Jüngerinnen und Jünger: Seid untereinander auch so gesinnt… In einem Leben, das dem "Leben in Christus Jesus entspricht", erweist sich das Bekenntnis zu ihm als tragfähig und wirklich. Bedenken, zumal die vielen Bedenken, die von Gottesdienst zu Gottesdienst heute variiert werden, werden von Paulus nicht geteilt. Er hat das Zutrauen, das ein Leben gelingt, in dem Jesus als der "Kyrios" bekannt und angerufen wird. Dass der Ort Philippi keine Insel der Seligen ist, weiß Paulus, hindert ihn aber nicht, den Lebenslauf Christi als Verheißung und Vorbild hinzustellen. Als Paulus den Hymnus aufgreift und ihn zitiert, gibt es die schriftlich ausformulierten Evangelien noch nicht. Heute gelesen, mutet er wie eine Kurzfassung des Evangeliums an, das vierfach überliefert wird und auch die Briefe im NT prägt. Nicht zuletzt geht es darum, Jesu Namen zu tragen (Taufe), sich mit ihm zu schmücken und zu segnen. Im übrigen: der Christus-Hymnus, aus alter Zeit von Paulus gerettet, steht auch dafür, dass, wie der Theologe Edmund Schlink sagte, das Dogma Lobpreis und Lebenshilfe ist (und nicht das Gerüst, um Wahrheiten festzulegen). Evangelium vom Fest Kreuzerhöhung: Joh 3,13-17 Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes: In jener Zeit sprach Jesus zu Nikodemus: Niemand ist in den Himmel hinaufgestiegen außer dem, der vom Himmel herabgestiegen ist: der Menschensohn. Und wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muß der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der (an ihn) glaubt, in ihm das ewige Leben hat. Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird. Lesungskommentar von Norbert Riebartsch (2008) Das Nikodemusgespräch findet in der Nacht mit einem erfahrenen und weisen Pharisäer statt. Gerade in der Begegnung mit einem, der Heilsgeschichte Gottes mit dem Volk kennt, keimt die Frage auf: "Und wer bist du, Jesus?" Jesus gibt ihm die Antwort aus der Heilsgeschichte heraus. Wenn es schon früher die Erfahrung mit einem Gott des Erbarmens und der Liebe gab, dann gilt sie auch jetzt. So ist die Geschichte des Buches Numeri ein Spiegel für die neue und größere Geschichte Gottes in Jesus. Lesungskommentar von Norbert Riebartsch (2004) Im Evangelium wird das Bild der Lesung aus dem Buch Numeri aufgegriffen. Die erhöhte Schlange ist das Symbol für den erhöhten Christus am Kreuz. Entsprechend ist die Kreuzigungsszene bei Johannes nicht durchzogen von Leid, sondern von einer ergebenen Haltung. Diese Deutung erfordert eine Antwort auf die Frage: Wie ist Gottes Weg dann? Die Antwort liegt im Vers Joh 3,16: Gott hat geliebt, Gott hat den Sohn gesandt, Gott hat ihn als Anfang des ewigen Lebens gegeben. Lesungskommentar von Bernhard Zahrl (1997) Der Text sagt zunächst aus, dass keiner in den Himmel aufgestiegen ist außer dem vom Himmel Herabgestiegenen. Das Ziel der eschatologischen Belehrung ist die Vermittlung des Heils, das im Zugang zur Welt Gottes, dem himmlischen Reich des Lebens besteht. Der Gedankengang vom Aufstieg des einzigen wirklich aus dem Himmel Stammenden steht im Vordergrund und so soll die Heilsabsicht Gottes bei der Sendung des Sohnes über jeden Zweifel erhoben werden. Wenn es dennoch zu einem Gericht kommt, so resultiert dies aus dem Unglauben, da sich der, der an den Gottessohn nicht glaubt, damit selbst sein Urteil spricht. Zuvor stehen die grundlegenden Sätze über den Aufstieg des Menschensohnes in die himmlische Welt, die über die Erhöhung am Kreuz geführt hat, um allen an ihn Glaubenden in ihm das Leben zu schenken. Der Menschensohn hat seinen Weg des Abstiegs in die Welt und des Aufstiegs in den Himmel nicht für sich selbst unternommen, sondern um Gottes universale Heilsabsicht zu verwirklichen.