Unterrichtsmodell

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Schulfunk
Bayern2Radio, 18./20. Februar 2002
Hintergrund
Der traut sich was, der Spartakus!
Die Geschichte des Spartakus
Über Herkunft, Leben und Ideen des antiken Sklavenführers Spartakus wissen wir wenig
bis gar nichts. Er war zunächst einer von den Millionen römischer Sklaven, deren Namen
und Lebensdaten keinen Niederschlag in der Geschichtsschreibung gefunden haben.
Heraus aus der Gesichts- und Geschichtslosigkeit trat Spartakus, als er im Jahre 73 v.
Chr. aus der Gladiatorenschule in Capua, wo er zum Menschenschlächter für die Arena
ausgebildet werden sollte, mit 70 Mitsklaven ausbrach, zum Führer einer rapide
anwachsenden Zahl von aufständischen Sklaven wurde und sich zwei Jahre lang
erbitterte Kämpfe mit dem römischen Heer lieferte, bis er 71 v. Chr. vom römischen
Feldherrn Crassus besiegt und getötet wurde. 6.000 seiner Anhänger wurden entlang der
Via Appia gekreuzigt. “Man ließ”, so der Historiker Will Durant, “ihre verwesenden
Leichname monatelang hängen, damit alle Herren sich daran erbauen und alle Sklaven
daraus eine Lehre ziehen konnten.”
Spartakus – ein unvergessener Gescheiterter
Der Aufstand der Sklaven scheiterte katastrophal – der Name seines Anführers aber
überdauerte die Jahrtausende und diente immer wieder als Namensgeber für
Bewegungen, denen er als Vorbild galt: Im 1. Weltkrieg gründeten radikale Kriegsgegner
in der SPD um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht den Spartakusbund, aus dem Ende
1918 die KPD hervorging, um die bekannteste zu nennen.
Sklaverei – die dunkle Seite der Antike
Die Antike war das Ideal und Vorbild der europäischen Renaissance, dann der Klassik
und des Philhellenismus des 18. und 19. Jahrhunderts. Man hob die künstlerischen,
technischen und politischen Leistungen der griechisch-römischen Antike hervor und
setzte sie sich als Maßstab und Ziel. Was aber so gut wie nie thematisiert wurde, wie es
auch die Antike selbst nicht thematisierte, war die wirtschaftliche Basis der griechischen
und römischen Gesellschaft: die Ausbeutung von Millionen von Menschen durch die
Institution der Sklaverei.
Wie kam es zur Sklaverei?
Der Ursprung der Sklaverei liegt wohl im Kriegswesen begründet: Statt gefangene
Feinde zu töten, versklavte man sie und nutzte sie als Arbeitskräfte. Auch konnte die
Verschuldung eines Bauern gegenüber dem Grundherren zur Versklavung führen; ferner
gab es den Verkauf in die Sklaverei für ein begangenes Verbrechen. Schließlich war man
auch als Nachkomme von Sklaveneltern von Geburt an Sklave.
Die lateinische Bezeichnung famulus (neben servus) für “Sklave” leitet sich von familia
ab und verweist auf die ursprünglich enge Beziehung des Sklaven zur Herrenfamilie. Im
3. und 2. Jh. v. Chr. kam es aufgrund der langwierigen Kriege vor allem gegen Karthago
und Makedonien zu einem sprunghaften Anstieg der Zahl der Sklaven und es setzte sich
die Form der Kaufsklaverei durch, d. h. des gewerbemäßigen Handels mit Menschen und
der damit verbundenen Menschenjagd. Die Nachfrage war da: Die nobiles erweiterten
ihren Grundbesitz zu riesigen Latifundien, die sie von Tagelöhnern und Sklaven
verwalten und bewirtschaften ließen. Die Ausbeutung der Sklaven ermöglichte es den
Großgrundbesitzern, ihre Produkte zu Preisen anzubieten, mit denen die Kleinbauern
nicht mithalten konnten. Viele von ihnen sahen sich gezwungen, sich “freiwillig” in die
Sklaverei zu begeben, um überhaupt überleben zu können, bzw. ihren Besitz zu
verkaufen und in die Städte abzuwandern, wo sie zum Anwachsen des städtischen
Proletariats beitrugen. Die Zahl der Sklaven wuchs ständig und erreichte in der Zeit der
späten Republik (1. Jh. v. Chr.) mit 250.000 bis 300.000 Sklaven ein Drittel der
Gesamtbevölkerung Roms.
Die Stellung der Sklaverei
Sklaverei wurde als natürlicher Bestandteil der sozialen und wirtschaftlichen Ordnung
hingenommen. Im ersten Jahrhundert n. Chr. waren es die stoischen Philosophen, welche
zwar nicht die Institution der Sklaverei in Frage stellten, aber aufgrund ihrer Lehre von
der gemeinsamen Natur aller Menschen zu einem mitmenschlichen Umgang mit den
Sklaven mahnten. So schrieb Seneca (4 v.–65 n.Chr.), Lehrer des Kaisers Nero, an seinen
Freund Lucilius: “Mit Freuden habe ich von Leuten, die von dir kommen, vernommen,
dass du mit deinen Sklaven freundschaftlich umgehst. – ‚Es sind Sklaven.‘ Aber doch
Menschen. ‚Es sind Sklaven.‘ Aber doch Hausgenossen. ‚Es sind Sklaven.‘ Aber doch
Freunde, aus bescheidenem Stande. ‚Es sind Sklaven.‘ Aber doch deine Mitsklaven –
denn du musst bedenken, dass Freie und Unfreie gleichmäßig der Macht des Schicksals
unterliegen.” (Seneca, Brief 47 an Lucilius)
Der Schutz der Sklaven
Im ersten Jahrhundert n. Chr. begannen sich auch Ansätze in der kaiserlichen
Gesetzgebung zu zeigen, den Status des einzelnen Sklaven besser zu schützen – wobei
die gesetzlichen Regelungen zeigen, welche menschenverachtenden Praktiken tatsächlich
bei der Behandlung der Sklaven üblich waren! So machte Kaiser Tiberius (14-37) die
Verwendung von Sklaven zum Kampf mit wilden Tieren von einer behördlichen
Genehmigung abhängig. Kaiser Claudius (41-54) verbot die Tötung von kranken und
gebrechlichen Sklaven. Kaiser Domitian (81-96) untersagte die Kastration von Sklaven,
um sie als Eunuchen verkaufen zu können, und Kaiser Hadrian (117-138) verbot den
Verkauf von Sklavinnen in Bordelle und die willkürliche Tötung von Sklaven durch den
Herrn. Kaiser Diocletian (284-305) untersagte die Aussetzung von Sklavenkindern.
Auch das Christentum war nicht grundsätzlich gegen die Sklaverei, forderte aber
immerhin zu einer humaneren Behandlung der Sklaven auf und propagierte auch die
Freilassung von Sklaven, die sich bewährt hatten. Letzteres galt auch als edles Verhalten
bei einem Herrn. “Liebe Freunde”, sagt Trimalchio im Roman “Satyricon” des Dichters
Petronius (gest. 66 n.Chr.), “auch die Sklaven sind schließlich Menschen und haben
ebenso wie wir Muttermilch getrunken, auch wenn sie nicht so viel Glück hatten. So
wahr ich lebe, sie sollen eines Tages die Luft der Freiheit atmen. In meinem Testament
mache ich sie jedenfalls alle frei.” Das ist schön gesagt, und wird auch von den Zuhörern
anerkennend aufgenommen. Doch ist die Freilassung eine edle Geste des Herrn,
Ausdruck seiner Machtvollkommenheit und seines guten Willens, aber keinesfalls eine
auch noch so geringe Infragestellung der Institution der Sklaverei: Diese stellt keine
Ungerechtigkeit dar, sondern ist eine Frage von Glück und Pech – und Sklaven hatten
halt “nicht so viel Glück”.
Drilled to kill: die römischen Gladiatoren
Wirft das Sklaventum einen dunklen Schatten auf die meisten der antiken Gesellschaften,
so zeichnet sich die römische Gesellschaft darüber hinaus noch durch eine besondere
Abartigkeit in den Seelen ihrer Mitglieder aus, die noch dazu staatlich gefördert wurde:
die Begeisterung für die mörderischen Gladiatorenspiele.
Der Ursprung der Gladiatorenkämpfe liegt im religiösen Bereich und führt uns zu den
Etruskern zurück. Diese glaubten, dass man die Seele eines Gefallenen versöhnen könne,
indem man ihr das Blut von Feinden opfere – Kriegsgefangene mussten mit dem
Schwert, dem gladius, gegeneinander bis zum Tode kämpfen. Dieser religiöse Kontext
stand auch am Anfang der römischen Gladiatorenkämpfe: Der erste dieser Kämpfe ist
uns aus dem Jahre 264 v. Chr. überliefert, als die Söhne des D. Iunius Brutus Pera beim
Begräbnis ihres Vaters auf dem Rindermarkt in Rom drei Gladiatorenpaare
gegeneinander fechten ließen. “So tröstete man sich über den Tod durch Morde”, wie
Tertullian (160-225) es rückblickend formulierte. Diese Kämpfe bei Beerdigungen
erfreuten sich wachsender Beliebtheit und bürgerten sich schnell ein.
Vom Ritual zur Unterhaltung
Mit der Zeit erfolgte eine Säkularisierung der Einrichtung: Die ersten Gladiatorenkämpfe
ohne den Kontext einer Beerdigung wurden im Jahre 105 v. Chr. von den zu der Zeit
amtierenden Consuln ausgerichtet. Allerdings wurden auch die religiös motivierten
Kämpfe weiterhin gepflogen – Cäsar etwa ließ 65 v. Chr. für seinen toten Vater und 45 v.
Chr. für seine verstorbene Tochter Iulia Gladiatorenkämpfe ausrichten. Aber diese
Kämpfe dienten jetzt vor allem dazu, ihren Veranstaltern und Finanziers – Consuln,
Praetoren, Aedilen, Quaestoren - die Gunst der Bevölkerung zu verschaffen und daraus
politisches Kapital zu schlagen. Umgekehrt entwickelte sich bei der Bevölkerung eine
Anspruchshaltung gegenüber den Regierenden, mit Nahrung und Unterhaltung versorgt
zu werden – “Panem et circenses!” hieß die berühmte Formulierung, der sich im
Interesse des eigenen Machterhalts keiner der Herrschenden verweigern konnte.
Seit Beginn des Prinzipats waren es vor allem die Kaiser, welche die Kämpfe ausrichten
ließen. Als Veranstaltungsstätten wichen die hölzernen Anlagen immer mehr
Amphitheatern aus Stein, auf welche keine größere Stadt mehr verzichten wollte, lockte
es doch zahlende Besucher in die Stadt. Sie hießen so, weil die Zuschauer, anders als in
den normalen griechischen und römischen Theatern, um die ganze Arena herum = gr.
amphi saßen. Auch Kaiser ließen Amphitheater errichten – am bekanntesten ist das
Kolosseum genannte Flavische Amphitheater in Rom, von Kaiser Vespasian (69-79)
erbaut und von Kaiser Titus (79-81) im Jahre 80 n. Chr. eingeweiht; es fasste rund
50.000 Zuschauer.
Wer wurde Gladiator?
Woher kamen die Gladiatoren, die gezwungen wurden, sich in den Arenen massenweise
vor dem grölenden Publikum gegenseitig umzubringen? Es waren ursprünglich, wie wir
gesehen haben, Kriegsgefangene, deren Blut den Totengeist eines Gefallenen besänftigen
sollte. Später zwang man auch wegen Mord oder schwerem Raub verurteilte Verbrecher
und religiöse Minderheiten wie die Christen zum Gladiatorenkampf. Im Zusammenhang
mit den erfolgreichen Kriegen Roms im 2. und 1. Jahrhundert v. Chr. kamen auch sehr
viele Sklaven (Kriegsgefangene und verschleppte Bevölkerung) in die Arenen – darunter
auch der junge Thraker Spartakus. Sie alle wurden in speziellen Gladiatorenschulen in
hartem Drill zum Töten ausgebildet, das Publikum wollte ja “spannende” Kämpfe sehen.
Berühmte Schulen in Italien gab es in Rom, Ravenna, Pompeii und Capua, in letzterer
wurden Spartakus und seine Leidensgenossen gefangengehalten. Die Ausbildung war
äußerst hart, für kleine Vergehen gab es drakonische Strafen, und die Perspektive war ein
früherer oder späterer Tod in der Arena.
Die Gladiatorengattungen
Die Gefangenen wurden für verschiedene Gladiatorengattungen ausgebildet: Es gab die
Samniten (mit großen viereckigen Schilden und Kurzschwertern), die Thraker (mit
kleinen Rundschilden und gebogenen Schwertern), die Gallier (mit großem Schild und
Schwert), die Netzfechter (mit Dreizack, Netz und Dolch) und andere Gattungen mehr.
Der letzte Tag eines Galadiators
Am Tage vor den Kämpfen bekamen die Gladiatoren ihre Henkersmahlzeit; dabei
konnten sie vom Publikum bereits betrachtet und begutachtet werden (schließlich schloss
man ja auch Wetten auf die Kämpfer ab). Am Kampftag zogen die Gladiatoren feierlich
in die Arena ein vor die Loge des Kaisers, dem sie ihr berühmtes “Ave Caesar, morituri
te salutant!” zuriefen. Dann begannen die Kämpfe: Die Gladiatoren kämpften zu Paaren
oder in verschiedenen Gruppenformationen gegeneinander bzw. gegen wilde Tiere. Die
Kämpfer wurden dabei mit Peitschen, glühenden Eisen etc. angestachelt und zum Angriff
vorwärtsgetrieben. “Dem Hieb mit dem ganzen Körper ausgesetzt, schlagen die
Gladiatoren niemals vergeblich zu. Kein Helm, kein Schild kann das Schwert abweisen.
Mit Feuer und Schwert wird der Kampf geführt. Er dauerte so lange, bis die Arena leer
ist” (Seneca, Briefe 1, 7, 4). War ein Gladiator so schwer verletzt, dass er nicht mehr
kämpfen konnte, gab er ein Zeichen mit einem Finger der linken Hand. Nun war es am
Veranstalter und am Publikum zu entscheiden, ob er getötet werden sollte oder nicht.
Deuteten sie mit dem Daumen nach oben, durfte der Verwundete weiterleben – bis zum
nächsten Kampf; senkten sie den Daumen, so erhielt der am Boden liegende den
Todesstoß.
Vom Zweikampf zur Seeschlacht
Die Exzesse steigerten sich. Beliebt wurde die Nachstellung mythologischer Szenen mit
lebendigen Menschen – die Verbrennung des Herkules, der Sturz des Ikarus, die
Kreuzigung des Laureolus. Zum Tode Verurteilte wurden von den Veranstaltern gekauft
und in der Arena hingerichtet. Immer größer wurde der Einsatz an Tieren und Menschen:
Bereits Cäsar und Augustus ließen sog. Naumachien veranstalten, künstliche
Seeschlachten in der gefluteten Arena. Die größte dieser Schlachten ließ im Jahre 52
Kaiser Claudius auf dem Fucinersee, dem einst größten See Italiens südlich von Rom,
inszenieren, bei der auf jeder Seite 19.000 Sklaven kämpften.
Ähnlich wie bei der Sklaverei gab es – mit der Ausnahme Senecas – auch hier
niemanden, der die Einrichtung der Gladiatorenspiele eindeutig verurteilt hätte. Man
lobte den Mut einzelner Gladiatoren und betrachtete die Spiele als Schule der
Selbsterziehung, Tapferkeit und körperlichen Ertüchtigung. Es wurde auch erkannt, dass
die Spiele sehr wohl zur Abreaktion der Affekte des Pöbels aller Stände und zu dessen
politischer Neutralisierung beitrug. Der Pantomime Pylades sagte es klar zu Kaiser
Augustus: “Es ist dein Vorteil, Caesar, dass das Volk sich mit uns beschäftigt.” – Erst das
Christentum setzte sich für eine Abschaffung der Gladiatorenkämpfe ein. Im Jahre 404
wurden sie unter Kaiser Arcadius im ganzen Reich verboten.
Vor dem Hintergrund der menschenverachtenden Institutionen der Sklaverei und der
Gladiatorenspiele wird verständlich, wieso Spartakus und seine Mitgefangenen im Jahre
73 v. Chr. die gefährliche Flucht wagten, warum sie so zahlreichen Zulauf von anderen
Sklaven und verarmten Freien erhielten und warum sie so verbissen den römischen
Heeren drei Jahre lang erbitterten Widerstand leisteten.
© Bayerischer Rundfunk 2002
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