II/B4 Leben im alten Rom 5 Sklaverei 1 von 42 Thinking tools? Sklaverei im Römischen Reich (ab 9. Klasse) Dr. Sven Günther, M. A., Yokohama © akg-images/Erich Lessing T H C I S N A R O V Wie kam es, dass Sklaven in der Antike mal als Menschen, mal als Sachen angesehen wurden? Waren Sklaven eine homogene Gruppe? Und warum spielte eine bestimmte Kopfbedeckung eine so große Rolle im Leben eines Sklaven? In dieser Unterrichtseinheit erarbeiten die Schülerinnen und Schüler zunächst die rechtlichen Grundlagen der Sklaverei. Sie prüfen, ob das Bild vom „Freiheitskämpfer“ Spartacus haltbar ist, und erkennen schließlich, dass in der Antike kaum jemand die Institution der Sklaverei grundsätzlich infrage stellte. Klassenstufe: ab 9. Klasse Dauer: 10 Stunden Bereich: Leben in Staat und Gesellschaft: rechtlicher Status der Sklaven; Lebens- und Arbeitsbedingungen; Spartacus; Haltung von Stoa und Christentum zur Sklavenfrage 27 RAAbits Latein November 2012 II/B4 Leben im alten Rom 5 Sklaverei 9 von 42 Materialübersicht 1./2. Stunde: Mensch oder Sache? – Die rechtliche Stellung von Sklaven im alten Rom M 1 (Bi/Tx) Wenn Bilder lügen – ein Grabstein voller Widersprüche M 2 (Tx) Sklaven sind auch Menschen! Aber keine freien! (Gai. Inst. 1, 8–11) M 3 (Ab) Nomen est omen – was Namen über den Personenstatus verraten M 4 (Tx) Sklaverei als extreme Form der Unfreiheit M 5 (Bi/Tx) Der Sklave als Sache – das Schadensersatzrecht der lex Aquilia 3. Stunde: Sklave ist nicht gleich Sklave – Lebens- und Arbeitsbedingungen M 6 (Gd) Ungleichheit mit System – die römische Gesellschaft M 7 (Tx) Sklave ist nicht gleich Sklave M 8 (Ab) Mehr Herr oder Sklave? – Sklaven als Sklavenbesitzer 4./5. Stunde: Freiheit?! – Freigelassene in der römischen Gesellschaft M 9 (Bi/Tx) Freiheit durch den Stab – der Rechtsakt der manumissio vindicta M 10 (Ab) Freilassungsregeln und -beschränkungen in der römischen Kaiserzeit M 11 (Bi/Tx) Ein bedeutungsvoller Hut 6.–8. Stunde: Spartacus – Revolutionär und Freiheitsheld? M 12 (Bi) Spartacus als Freiheitskämpfer – modernes Bild oder antike Realität? M 13 (Tx) Der historische Spartacus – Konstruktion eines aufständischen Sklaven in antiken Quellen M 14 (Ab) Spartacus als Kommunist M 15 (Fo) Ein politisches Plakat T H C I S N A R O V M 16 (Tx/Bi) Spartacus im Film – ein Bild der Gesellschaft des 20. Jahrhunderts 9./10. Stunde: Die Haltung der stoischen Philosophie und des Christentums zur Sklaverei M 17 (Fo) Für die Entrechteten eintreten? – Christliche Gerechtigkeitsvorstellungen M 18 (Tx) Christliche Herren und christliche Sklaven M 19 (Tx) Menschlicher Umgang mit Sklaven – keine Erindung des Christentums Lernerfolgskontrolle: Kein willkürlicher Umgang mit Sklaven Die Vokabelhilfen zu allen Texten dieses Beitrags können Sie als Abonnent/in in unserem Webshop kostenlos als veränderbare Word-Datei herunterladen und an die individuellen Bedürfnisse Ihrer Lerngruppe anpassen: http://latein.schule.raabe.de (Word-Download RAAbits Latein „Vokabelhilfen EL 27“). 27 RAAbits Latein November 2012 10 von 42 Sklaverei Leben im alten Rom 5 II/B4 M1 Wenn Bilder lügen – ein Grabstein voller Widersprüche Quelle: Michael Eckert: Capuanische Grabsteine. Oxford 1988: Archaeopress. S. 212. Zwischen Text und Bild dieses Grabsteins besteht ein Widerspruch. Findest du heraus, warum? T H C I S N A R O Grabstein aus Capua in Italien (CIL X 3875) Barnaeus1 soc(iorum)2 | vices(imae) liber(tatis3 servus) sibi et | fratrib(us) suis v(ivus) fec(it) || Salama4 socior(um) | vicens(imae) libertatis | ser(vus) vix(it) ann(os) XXV || Sabbioni5 soc(iorum) || vicens(imae) liberta(tis) | servo V 1 Barnaeus, ī m.: Eigenname – 2 sociī, ōrum m. Pl.: hier: Gesellschaft der Steuerpächter (in Rom wurde die Aufgabe des Steuereintreibens an Privatpersonen verpachtet); die in der Inschrift verwendeten Abkürzungen sind in runden Klammern aufgelöst – 3 vīcēsima lībertātis, vīcēsimae lībertātis f.: Freilassungssteuer (in Höhe von 5 %, die bei der Freilassung von Sklaven fällig wurde und von privaten Steuerpächtern eingezogen wurde) – 4 Salama, ae m.: Eigenname – 5 Sabbiō, ōnis m.: Eigenname Aufgaben 1. Beschreibe die abgebildeten Personen. 2. Überlege auf Grundlage der Inschrift, welchen Rechtsstatus die abgebildeten Personen gehabt haben. 3. Erläutere, was am Äußeren der abgebildeten Personen im Hinblick auf ihren Rechtsstatus problematisch ist. Lies dazu auch den Informationstext in dem grauen Kasten. 4. Formuliere eine Problemfrage bezüglich des Rechtsstatus der abgebildeten Personen. 27 RAAbits Latein November 2012 Infokasten: Die Toga Die Toga war ursprünglich das Gewand, das nur erwachsene Männer tragen durften, die auch das römische Bürgerrecht besaßen. Lange Zeit hatten nur die Bewohner Roms und Italiens das Bürgerrecht, nicht aber die Einwohner der Provinzen. Erst im 3. Jahrhundert n. Chr. wurde es allen freien Bewohnern des Römischen Reiches verliehen. 24 von 42 Sklaverei Leben im alten Rom 5 II/B4 M 10 Freilassungsregeln und -beschränkungen in der römischen Kaiserzeit Rechtliche Regelung der Freilassung Um als Freigelassener den Status eines römischen Bürgers zu erlangen, waren bestimmte Formalien zu erfüllen. So musste man dem Eigentum eines römischen Bürgers entstammen und auf eine von drei oiziellen, d. h. von Staats wegen nachprüfbare Arten freigelassen worden sein: entweder durch eine Freilassung vor dem Prätor mit dem Stab (manumissio vindicta), durch Eintragung als römischer Bürger in die Zensusliste (manumissio censu) oder durch testamentarische Freilassung (manumissio ex testamento). Die Expansion Roms im 3.–1. Jahrhundert v. Chr. bedingte auch einen großen Zustrom an Sklaven und damit auch eine zunehmend höhere Zahl an Freigelassenen. Dies wurde von antiken Autoren als Überfremdung der römisch-italischen Gesellschaft wahrgenommen. Kaiser Augustus (27 v. Chr.–14 n. Chr.) reagierte nach der Stabilisierung der inneren Verhältnisse darauf mit zwei Gesetzesinitiativen: Während die lex Fuia Caninia im Jahre 2 v. Chr. eine Quotenregelung bei testamentarischen Freilassungen anordnete, legte die 4 n. Chr. verfügte lex Aelia Sentia Mindestalter für Freilasser (20 Jahre) wie Freigelassene fest. Der römische Jurist Gaius (2. Jahrhundert n. Chr.), den du bereits kennengelernt hast, schildert die Freilassungsregeln nach der lex Aelia Sentia genauer (Gai. Inst. 1, 18 f.): I S N 5 T H C 18. Quod autem de aetate servi requiritur , lege Aelia Sentia introductum est . Nam ea lex minores XXX annorum servos non aliter voluit manumissos3 cives Romanos ieri, quam si vindicta4 apud consilium5 iusta causa manumissionis adprobata6 liberati fuerint. 19. Iusta autem causa manumissionis est, veluti7 si quis ilium iliamve aut fratrem sororemve naturalem aut alumnum8 aut paedagogum9 aut servum procuratoris habendi gratia10 aut ancillam matrimonii11 causa apud consilium manumittat. 1 2 A R O 1 requīrere, ō, quīsīvī, quīsītum: verlangen, (er)fordern – 2 intrōdūcere, ō, dūxī, ductum: einführen, erklären – 3 manūmittere, ō, mīsī, missum: freilassen (von Sklaven) – 4 vindicta, ae f.: Freiheitsstab (mit dem der Prätor den freizulassenden Sklaven berührte) – 5 cōnsilium, ī n.: hier: Beratungsgremium – 6 adprobāre: billigen, genehmigen – 7 velutī (Adv.): zum Beispiel – 8 alumnus, a, um: zur Plege angenommen – 9 paedagōgus, ī m.: Erzieher, Lehrer – 10 prōcūratōris habendī gratiā: um jmd. als Geschäftsführer zu haben – 11 mātrimōnium, ī n.: Ehe V Inschrift aus Venafrum in Kampanien (CIL X 4917) Narcissus vil(icus)1 | T(iti) Tituci Floriani | et Teiae L(uci) f(iliae) Gallae | vixit an(nos) XXV | debita libertas iuveni mihi lege | negata | morte immatura2 reddita perpetua est. 1 vīlicus, ī m.: Verwalter – 2 immātūrus, a, um: vorzeitig, zu früh Aufgaben 1. Erschließt in Partnerarbeit den juristischen Text vor, indem ihr die genannten Personen(gruppen) zusammenstellt. 2. Übersetzt dann den Text und anschließend die Inschrift. 3. Erklärt, warum der Sklave Narcissus seine Freiheit, die er durch den Tod gewonnen hat, hervorhebt. Zieht dazu auch die Regelungen der lex Aelia Sentia heran. 27 RAAbits Latein November 2012 II/B4 Sklaverei Leben im alten Rom 5 25 von 42 M 11 Ein bedeutungsvoller Hut D(is) M(anibus) | Ael(ius) Verecundinus | (centurio) leg(ionis) IIII | Scy(thicae) […] vixit ann(os) XXXVI Ael(ius) Ruinus lib(ertus) ex bon|is eius fecit. © Museo Archeologico Venezia Den Totengöttern. Aelius Verecundinus, Zenturio der vierten skythischen Legion [es folgen seine weiteren Funktionsstellen innerhalb der römischen Armee], | lebte 36 Jahre. Aelius Ruinus, sein Freigelassener, hat [dieses Grabmal] aus dessen Vermögen errichtet. Aufgaben 1. Beschreibe das Grabmonument. 2. Erkläre auch mithilfe der Inschrift, welche Symbolkraft der spitze Hut ( pilleus ) besitzen könnte. Ziehe dazu vor allem auch die Bedeutung der letzten beiden Zeilen der Inschrift heran, die ebenfalls mit diesem pilleus markiert sind. T H C Abb. 1: Grabstein aus Apamea in Syrien Infokasten: Die Freigelassenenkappe (pilleus libertatis) als politisches Symbol I S N © www.cointkalec.ch Bereits zum Ende der römischen Republik erhielt der pilleus libertatis eine politische Konnotation, indem er Freiheitsbestrebungen symbolisch untermauerte. Auch in der Kaiserzeit nutzten Kaiser bzw. Usurpatoren diese Symbolik, um ihre politische Ausrichtung zu vermarkten. A R O V Denar (Silber) des M. Iunius Brutus aus dem Jahre 42 v. Chr. Avers-Legende: L. PLAET(ius) CEST(ius) /BRVT(us) IMP(erator) Kopf des Brutus Revers-Legende: EID(ibus) MAR(tiis) pilleus libertatis zwischen zwei Dolchen Quelle: http://davy.potdevin.free.fr/Site/galba.html Abb. 2: Iden des März 44 v. Chr. Abb. 3: Ende der julisch-claudischen Dynastie 68 n. Chr. Denar (Silber) des Ser. Sulpicius Galba aus dem Jahre 68 n. Chr. (Spanien) Avers-Legende: IMP(erator) GALBA Kopf des Galba mit Lorbeer nach rechts; Globus am untersten Teil des Halses Revers-Legende: LIBERTAS PVBLICA Personiizierte Libertas nach links stehend mit Szepter in der linken und pilleus libertatis in der ausgestreckten rechten Hand Aufgaben 3. Recherchiert in Gruppen zu den Hintergründen der jeweiligen Münzprägung. a) Geht dabei zunächst von der Münzbeschreibung, den genannten Personen sowie der Datierung aus und stellt Vermutungen über das historische Ereignis an. b) Recherchiert dann zu den einzelnen Ereignissen. c) Präsentiert euer Ergebnis aussagekräftig auf einer Folie. 27 RAAbits Latein November 2012 32 von 42 Sklaverei Leben im alten Rom 5 II/B4 M 15 Ein politisches Plakat Aufgaben 1. Beschreibt das Plakat. M 17 T H C I S N A R O Plakat des Spartakusbundes, um 1919 © INTERFOTO/Sammlung Rauch 2. Erklärt, wie sich in diesem Plakat die kommunistische Ideologie widerspiegelt. Erläuterung Junker: seit Mitte des 19. Jahrhunderts Kampfbegriff für Großgrundbesitzer Für die Entrechteten eintreten? – Christliche Gerechtigkeitsvorstellungen V Aufgaben 1. Beschreibt die Abbildung. 2. Erläutert mit eurem Vorwissen, auf welchen Stand der Personen die Kreuzigung hinweist. 3. Stellt Vermutungen darüber an, welche Haltung das frühe Christentum zur Sklaverei hatte. 4. Vergleicht eure Hypothesen mit folgendem Lehrsatz des Apostels Paulus: 1. Korinther 7, 20: „Ein jeder bleibe in seinem Stand, in den er berufen ist!“ © The National Gallery London/akg-images 5. Formuliert eine Problemfrage, die das soeben entwickelte Spannungsverhältnis zum Ausdruck bringt. „Die Kreuzigung“ (ca. 1471), Francesco Botticini zugeschrieben 27 RAAbits Latein November 2012