E. Herrmann-Otto: Sklaverei und Freilassung - H-Net

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Elisabeth Herrmann-Otto. Sklaverei und Freilassung in der griechisch-römischen Welt. Hildesheim: Olms Verlag - Weidmannsche Verlagsbuchhandlung, 2009. 263 S. ISBN 978-3-487-14251-7.
Reviewed by Sebastian Wirz
Published on H-Soz-u-Kult (June, 2011)
E. Herrmann-Otto: Sklaverei und Freilassung
Sklaverei und Freilassung in der griechisch”
römischen Welt“ versteht sich als ein Studienbuch, das
den Studierenden in die vielgestaltige und komplexe
Materie der antiken Sklaverei einführen und ihn zugleich mit den aktuellen Forschungsständen“ und For”
”
schungsdiskussionen“ vertraut machen möchte.
liche und soziale Geschichte der Stadt Bezug genommen;
und es werden besonders die Reformen des Solon sowie
der Peloponnesische Krieg behandelt. Immer wieder bemüht sich zudem die Autorin, realistische Sklavenzahlen zu ermitteln. Eine Gesamtwürdigung all dieser Faktoren lasse es – so die Folgerung – weder zu, von einer
Sklaven(halter)gesellschaft“ zu sprechen noch von einer
”
Sklavenhaltermentalität“. Auch die These, dass Demo”
kratie und Sklaverei sich gegenseitig bedingten (S. 87),
sei nicht gerechtfertigt. Obgleich im Einzelnen vieles
komplex und strittig sei.
Das Buch ist in vier Teile gegliedert: die 25-seitige
Einleitung bietet einen Überblick über die Thematik und
die Forschungsgeschichte, behandelt Fragen der Definition und der Terminologie, beschäftigt sich aber auch
mit der antiken Theorie (beispielsweise bei Platon, Philo von Alexandrien oder Augustinus) und mit ihrer neuzeitlichen Rezeption, entweder als Gegenstand der Wissenschaft, genannt seien exemplarisch Lorenzo Pignoria, Hugo Grotius, Karl Marx und Max Weber, oder als
Bestandteil des politischen Diskurses“ (S. 34). Es folgt
”
ein historischer Abriss der Sklaverei in der griechisch”
hellenistischen Welt“ (S. 51-110), beginnend mit der mykenischen Palastwirtschaft und den homerischen Epen.
Für die klassische Zeit, zugleich eine Hochblüte der so”
genannten klassischen (auf Kauf beruhenden) Sklaverei“
(S. 72), werden neben der reinen Darstellung unter anderem die wichtigen Fragen ausführlich diskutiert, ob die
athenische Gesellschaft als Sklaven(halter)gesellschaft“
”
(S. 73) oder neutraler als Gesellschaft mit Sklaven“
”
(S. 88) zu charakterisieren sei, ob den Athener Bürgern
eine Sklavenhaltermentalität“ (S. 82) attestiert werden
”
könne und wie sich das Verhältnis von (athenischer) Demokratie und Sklaverei grundsätzlich bestimmen lasse.
Um zu diesen gewichtigen Fragen gebührend Stellung
nehmen zu können, wird auf die politische, wirtschaft-
Der Abschnitt über die römische Sklaverei (S. 111202) setzt mit einer Erläuterung von Ursprung, Cha”
rakter und Verbreitung der Sklaverei in der römischen
Republik“ (S. 111-125) ein. Greifbar ist der Begriff ser’
vus‘ im heutigen Verständnis (ursprünglich = Hirte) in
den Zwölf-Tafel-Gesetzen (etwa 450 v.Chr.). Bereits in
der Frühzeit Roms konnten Sklaven hauptsächlich durch
Kauf erworben werden, oder der römische Bürger erhielt
sie als Beuteanteil nach siegreichen Kriegen zugeteilt.
Die Gesamtzahl der Sklaven in der römischen Gesellschaft vor dem 3. Jahrhundert v.Chr. ist in der Forschung
sehr umstritten. Moses I. Finley vertrat die Auffassung,
dass bereits vor dem Beginn der großen römischen Eroberungen ein bedeutender Sklavenbedarf in Rom bestanden habe. Um diese These zu untermauern, formulierte er drei notwendige wirtschaftliche“ Vorbedingun”
gen (S. 117), die er als gegeben ansah: weite agrarische
Flächen, funktionierende Märkte, Arbeitskräftemangel.
Frau Hermann-Otto setzt sich mit diesen Behauptungen
in der Folge eingehend auseinander.
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Argumentativ wird dabei vor allem auf die Stadtgeschichte des Livius Rückgriff genommen, die Samnitenkriege werden hinsichtlich von möglichen Gefangenen
ausgewertet, und die römisch-karthagischen Verträge geben Indizien über den Stand der Wirtschaftsentwicklung.
Allgemein stellt sich ferner die Frage nach den Anbauformen und den dazu erforderlichen Arbeitskräften. Im Ergebnis wird der These Finleys zugestimmt, obschon vor
konkreten Statistiken“ über Sklavenzahlen (S. 122) zu
”
warnen sei. Ein Schwerpunkt des Kapitels liegt auf den
Sklavenaufständen in der späten Republik und hier besonders auf dem des Spartacus (73-71 v.Chr.). Eingehend
behandelt wird aber auch die Verwendung von Sklaven in
der Landwirtschaft (S. 144-160) und in städtischen Privathaushalten (S. 160-177). Die Darlegung endet mit einer
Darstellung über Sklaven und Freigelassene in öffentli”
chen“ Verwendungen während der Kaiserzeit (S. 177-190)
und mit einer Betrachtung des römischen Modells der
”
Freilassung“ (S. 190-202). Die Aussagen hierzu sind allgemeiner und grundsätzlicher Natur, juristische Aspekte
dominieren.
schaftlichen und sozialen Umbrüche, die Barbareneinfälle, all dies zeitigt auch Veränderungen innerhalb der
Erscheinung Sklaverei. Der Wandel ist nicht nur auf
wirtschaftlichem und sozialem Gebiet erfassbar, sondern
auch in rechtlicher Hinsicht. Die Gesetzgebungen der
Kaiser Konstantin und Justinian werden eingehend besprochen. Das Gesetzeswerk des letzteren sei in bedeutenden Teilen seiner Sklavengesetzgebung“ vom favor
”
”
libertatis“ ( im Zweifel für die Freiheit‘) geprägt.
’
Auf die fünfseitige Zusammenfassung (S. 226-230)
folgt schließlich ein sehr ausführliches Literaturverzeichnis (S. 231-249), unterteilt in Quellensammlungen
und Kommentare, Bibliographien und Forschungsberichte sowie Forschungsliteratur. Ein ausführliches Orts-,
Personen- und Sachregister schließt den Band ab.
Frau Hermann-Otto gelingt es in sehr anschaulicher,
verständlicher und strukturierter Weise, den Leser durch
die umfangreiche Geschichte der antiken Sklaverei zu
führen und die wichtigen Entwicklungen darzustellen.
Wirtschaftliche, soziale, politische und rechtliche AspekWege in die Freiheit“ ist der letzte Teil des Buches te werden in ihrer Bedeutsamkeit und in ihrer ”Ver”
(S. 203-225) überschrieben. Schon in den vorangegange- schränkung“ aufgezeigt und analysiert, die Arbeit beruht
nen Kapiteln behandelte Frau Hermann-Otto die Mög- daher auf vielen Säulen und wird somit der antiken Wirklichkeiten und Formen der Freilassung bzw. des gesell- lichkeit in ihrer Gänze vollkommen gerecht. Die souveräne Disposition, die Quellenbeherrschung und die Forschaftlichen Aufstiegs von Sklaven innerhalb der theschungsdiskussionen, die stets die wesentlichen Argumatisierten Zeit. Nun wird die Spätantike traktiert. Untersucht werden vor allem das Verhältnis von jüdischer mente benennen, lassen auf Schritt und Tritt erkennen,
und besonders christlicher Religion zur Sklaverei und dass die Autorin sich seit 30 Jahren mit dieser Thematik
die Möglichkeit und die Formen von Freilassung. Wel- eingehend beschäftigt. Ihr selbstgesetztes Ziel, ”ein ausche Vorstellung hat beispielsweise das frühe Christen- differenziertes Bild des vielgestaltigen Phänomens der
Sklaverei zu präsentieren“ (S. 7), wird vollkommen ertum von Sklaverei entwickelt und inwiefern hat diese
reicht. Als Studienbuch“ kann es jedem an der antiken
Sichtweise auf die gesellschaftliche Verfasstheit einge”
wirkt? In groben Zügen wird zugleich eine Geschich- Gesellschaft Interessierten, also nicht nur dem angehente der Sklaverei in der Spätantike skizziert. Die wirt- den Historiker, uneingeschränkt empfohlen werden.
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Citation: Sebastian Wirz. Review of Herrmann-Otto, Elisabeth, Sklaverei und Freilassung in der griechisch-römischen
Welt. H-Soz-u-Kult, H-Net Reviews. June, 2011.
URL: http://www.h-net.org/reviews/showrev.php?id=33630
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