Vorwort - Freiherr-vom-Stein Gymnasium, Lünen

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Freiherr – vom – Stein – Gymnasium
Lünen
Der „Kreisauer Kreis“
Eine deutsche Widerstandsgruppe gegen den Nationalsozialismus
Facharbeit von Kristina Schönbeck
im Leistungskurs Geschichte
( Frau Kraemer )
Abiturjahrgang 2002
Jahrgangsstufe 12
Inhaltsverzeichnis
Thema:
Der „Kreisauer Kreis“Eine deutsche Widerstandsgruppe gegen den
Nationalsozialismus
I.
Vorwort....................................................................1
II.
Hauptteil
1.
Was war der „Kreisauer Kreis“?.........2
2.Weshalb wurde der „Kreisauer Kreis“
gegründet?.........................................2
3.Wer gehörte zum „Kreisauer Kreis“?..4
III.
4.
Was waren die Absichten des
„Kreisauer Kreises“?...........................6
4.1.
Denkschrift Moltkes; erste Fassung vom
24.4.1941...................................6
4.2.
Grundsatzerklärung des „Kreisauer
Kreises“..............................................7
4.3.
Grundsätze für die Neuordnung
Deutschlands (Kreisauer Kreis).........8
5.
Die Geschichte des „Kreisauer
Kreises“..............................................9
6.
Eigene Stellungnahme.....................13
Verwendete Literatur.............................................15
Vorwort
Nur wenige Menschen können heute mit der Bezeichnung „Kreisauer Kreis“ etwas in
Verbindung bringen.
Kaum einer weiß, dass auf dem Gut der Familie Moltke in Kreisau Geschichte
geschrieben und von hier aus Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime
geplant wurde.
Einer meiner Beweggründe, dieses Thema für meine Facharbeit zu wählen, war, dass
ich seit acht Jahren jeden Tag mit dem Bus zur Schule fahre. Mein Schulweg hat eine
Länge von circa 7 Kilometern. Kurz vor dem Ortseingangsschild Lünens beginnt eine
lange Straße, die mit vielen Bäumen gesäumt ist.
Der Name der Straße ist Moltkestaße.
Fast die Hälfte meines bisherigen Lebens bin ich tagtäglich über diese Straße gefahren
und habe nicht gewusst, welche Bedeutung dieser Name in der Geschichte hat.
Zum ersten Mal wurde ich mit dem Namen Moltke im Geschichtsunterricht konfrontiert,
als wir über die Kaiserproklamation in Versailles am 18. Januar 1871 sprachen.
Doch der Zusammenhang des Straßennamens mit dem Namen des
Generalfeldmarschalls Helmuth Carl Bernhard von Moltke fand kaum Beachtung.
Für mich erhielt die Verbindung der Namen erst eine Bedeutung, als ich über den
„Kreisauer Kreis“ las und nun der Name „Moltke“ ein zweites Mal erwähnt wurde.
Im Jahr 1940 war der Urgroßneffe des Generalfeldmarschalls von Moltke, Helmuth
James Graf von Moltke, Mitglied einer Widerstandsbewegung gegen das Hitlerregime.
Mit seiner Familie lebte Helmuth James Graf von Moltke auf dem Gut in Kreisau, das
seit 1867 im Besitz der Familie war.
Hier trafen sich die Mitglieder des „Kreisauer Kreises“, um gegen das verbrecherische
Naziregime Widerstandsmöglichkeiten zu planen und Konzeptionen für ein neuen
demokratischen Staat zu entwickeln.
In meiner Facharbeit versuche ich, die Mitglieder, die Beweggründe und die Geschichte
des „Kreisauer Kreises“ darzustellen.
1.Was war der „Kreisauer Kreis“?
Der „Kreisauer Kreis“ war eine Widerstandsgruppe von entschlossenen, Männern, die
sich auf dem Gut der Familie von Moltke und in Berlin traf, um gegen das Hitlerregime
vorzugehen und um Pläne für die Zukunft Deutschlands und Europas nach dem Zweiten
Weltkrieg zu entwerfen.
2.Weshalb wurde der „Kreisauer Kreis“ gegründet?
Nachdem Adolf Hitler mit seiner Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei
(NSDAP) im Jahr 1933 in Deutschland an die Macht gekommen war, veränderte sich
der politische Aufbau Deutschlands grundlegend. Deutschland wurde eine Diktatur.
Das politische, kulturelle und soziale Leben wurde nach den Vorstellungen und
Vorgaben des Naziregimes umgeformt.
Gewaltenteilung und demokratische Wahlen wurden abgeschafft, Grund- und
Menschenrechte außer Kraft gesetzt.1
Hitlers außenpolitisches Ziel war es, Deutschland und ganz Europa „ethnisch zu
reinigen“, um der so genannten arischen Rasse die Herrschaft über Europa zu
ermöglichen.
Hitler befahl die systematische Verfolgung der deutschen jüdischen Bevölkerung.
Dieses Vorhaben publizierte er schon in seinem Buch „Mein Kampf“, das vor seiner
Machtergreifung veröffentlicht wurde.
Nur wenige deutsche Staatsbürger, die das Buch lasen, nahmen das Vorhaben Hitlers
ernst.
Nach Beginn des Krieges und der Eroberung Polens und Frankreichs und dem Überfall
auf die Sowjetunion ließ Hitler auch dort und in allen anderen besetzen europäischen
Staaten die jüdische Bevölkerung verfolgen und in die Konzentrationslager deportieren,
um die Massenvernichtung zu realisieren. Männer und Frauen, die versuchten, den
Gräueltaten Hitlers ein Ende zu bereiten, wurden verfolgt, bespitzelt, gefangen
genommen, in Konzentrationslager deportiert und getötet.
Helmuth James Graf von Moltke und Gleichgesinnte waren der Auffassung, dass der
Machtpolitik Hitlers ein Ende gesetzt werden sollte. Sie wollten den Krieg beenden und
eine tiefgreifende Erneuerung in Deutschland und ganz Europa bewirken.
So suchten diese Männer Verbindungen mit Gleichgesinnten um ihre Ideen zu
verwirklichen.
Eine Reihe von Männer, die während der Weimarer Republik oft noch politisch weit
voneinander entfernt gewesen waren, schlossen sich 1940 zu einer Vereinigung
zusammen, die später durch die Gestapo den Namen „Kreisauer Kreis“ erhielt. Trotz
ihrer zuvor unterschiedlichen politischen Auffassungen waren sie sich einig darin, den
Kampf gegen den Nationalsozialismus aufzunehmen.2
1
vgl. Winterhager, Wilhelm Ernst,
Der Kreisauer Kreis. Portrait einer Widerstandsgruppe S.3 ff.
2 vgl. Winterhager, Wilhelm Ernst, a.a.O., S.3 ff.
3.Wer gehörte zum „Kreisauer Kreis“?
Zum inneren Kreis gehörten diese zwanzig Personen:
Helmuth James Graf von Moltke
Peter Graf Yorck von Wartenburg
Adam von Trott zu Sol
Hans – Bernd von Haeften
Carl Dietrich von Trotha
Horst Einsiedel
Adolf Reichwein
Theodor Haubach
Carl Mierendorff
Julius Leber
Harald Poelchau
Eugen Gerstenmaier
Otto Heinrich von der Gablentz
Theodor Steltzer
Hans Lukaschek
Paulus van Husen
Hans Peters
Augustin Rösch SJ
Lothar König SJ
Alfred Delp SJ3
Folgende Teilnehmerliste soll veranschaulichen, wer bei den Tagungen des „Kreisauer
Kreises“ anwesend war.
Da die Mitglieder des „Kreisauer Kreises“ nicht in Kreisau, sondern in Berlin, München,
Oslo und Breslau wohnten, konnten nicht alle immer an den Treffen dort teilnehmen.
Der Kern des „Kreisauer Kreises“ lebte in Berlin, wo viele Zusammenkünfte in den
Wohnungen von Moltke und Yorck abgehalten wurden.
Teilnehmerliste der drei Treffen in Kreisau4
3
4
vgl. Winterhager, Wilhelm Ernst, S.5
vgl. Winterhager, Wilhelm Ernst, S.13
Moltke
Yorck
Einsiedel
Trott
Mierendorff
Reichwein
Gerstenmaier
Steltzer
Haeften
König
Peters
Gablentz
Husen
Trotha
Haubach
Rösch
Poelchau
Lukaschek
Leber
1
1
2
2
- 2
1
2
1
2
1
2
2
1
1
1
-
3
3
3
3
3
3
3
-
(Die Wohnung von Yorck in Berlin)
4. Was waren die Absichten des „Kreisauer Kreises“?
Die Absichten des „Kreisauer Kreises“ bestanden darin, für Deutschland und ganz
Europa eine Erneuerung auf der Grundlage der Menschenrechte, des Friedens und
Demokratie nach dem 2.Weltkrieg anzustreben.
Aufgrund dessen verfassten sie die Kreisauer Denkschriften und Grundsatzerklärungen,
die ihre Zukunftspläne offen darlegten.
4.1 Denkschrift Moltkes – erste Fassung vom 24.4.19415
Die Denkschrift ist in drei Hauptpunkte unterteilt.
Unter dem Punkt „Ausgangslage“ führt Moltke an, dass der nationalsozialistischer Staat
mit seiner Okkupation des ganzen Menschen seine Gewalt missbraucht. Dadurch wird
der Einzelne seiner Freiheit beraubt. Seine Bindungen zu den bisherigen kleinen
Gemeinschaften (kulturelle, fürsorgerische und gesellige Vereinigungen aller Art) sind
aufgelöst. Die staatliche Organisation hat die Funktion der kleinen Gemeinschaften
übernommen und macht deren Energien für seine Zwecke frei.
Der Staat lebt allein durch seine Organisation. Dem Einzelnen wird keine
Gesamtverantwortung übertragen, man lässt dies nur in kleinen Teilbereichen zu.
Der zweite Hauptpunkt befasst sich mit den Zielen der Denkschrift.
Moltke ist der Meinung, dass die angestrebten Ziele nur erreichbar seien, wenn sich
jeder Einzelne mit bestimmten Werten identifizieren könne. Aus dieser Identifikation
heraus soll als logische Folge das Verantwortungsgefühl für alle Handlungen, die die
Gemeinschaft, betreffen, entstehen. Daraus folgt ein Aufblühen der Gemeinschaft
angefangen bei der Familie über die Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten bis
zur Völkergemeinschaft. Wichtig ist ihm die Wiederherstellung der Ausdrucksformen.
Um seine Ziele zu erreichen, bedarf es seiner Meinung nach einer inneren Haltung
(Bindung in Freiheit), einer äußeren Handlung (Verantwortungsgefühl in der
Gemeinschaft) und einer bestimmten Form der Übermittlung (Wort, Symbol und
Kunstwerk). 6
Er hofft auf ein Ende der Machtpolitik, des Nationalismus, des Rassegedankens und der
Gewalt des Staates über den Einzelnen.
Er ist sicher, dass seine Ziele erreichbar sind, weil die vom Staat übernommenen
Gemeinschaften nach Kriegsende nicht mehr vorhanden sein werden. Die Menschen
werden bei ihrem angeborenen Bedürfnis nach Bindungen bereit sein, neue
Gemeinschaften zu bilden und Aufgaben zu übernehmen. Er sieht das Kriegsende als
Chance zur Neugestaltung der Welt.
Unter dem Punkt „Angenommene politische und militärische Lage bei Kriegsende“ geht
Moltke davon aus, dass Deutschland besiegt wird und der Frieden für ganz Europa
möglich sein könnte. Er hofft auf die Chance für ein vereintes, neustrukturiertes Europa,
das gemeinsam die zerstörten Wirtschaftsgebiete wiederherstellen könnte. Er sieht
Deutschland als einen Teil einer großen Wirtschaftsorganisation in Europa. Die Bürger
sollten vor willkürlichen Polizeimethoden geschützt werden, aktives und passives
Wahlrecht sollten mit der Ausübung gemeinschaftsfördernder Tätigkeiten erworben, die
5
vgl. Scheurig, Bodo
Deutscher Widerstand 1938-1944
Fortschritt und Reaktion, S.130ff.
6 vgl. Scheurig, a.a.O., S123ff.
Regierungsgewalt sollte von einem Kabinett ausgeübt werden, Staat und Kirche werden
getrennt, um einige Punkte zu nennen.
4.2. Grundsatzerklärung des „Kreisauer Kreises“7
1. Kirche und Staat
Der Kreis sieht im Christentum eine wertvolle Kraft, um die sittliche und religiöse
Erneuerung des Volkes voranzutreiben. Den christlichen Religionen wird die Glaubensund Gewissensfreiheit, die Ausübung der kirchlichen Arbeiten und die Entfaltung des
religiösen Schrifttums gewährleistet. Der Deutschen Evangelischen Kirche und der
Römisch-Katholischen Kirche werden Selbstverwaltung und Autonomie gestattet.
2. Schule
Die Schule soll gemeinsam mit Familie und Kirche die Erziehungsarbeit leisten. Jedes
Kind soll eine Charaktererziehung auf religiöser Grundlage erhalten.
Die bisherigen Universitäten werden in Hochschulen und Reichsuniversitäten unterteilt.
Aus den Hochschulen sollen fachlich bewährte Studenten, aus den Reichsuniversitäten
sollen geistig hervorragende Persönlichkeiten hervorgehen, die leitende Ämter
übernehmen und Träger höchster Verantwortung im öffentlichen Dienst sein.8
3. Staatsaufbau
Die Grundlage für den Staatsaufbau ist nach Auffassung des „Kreises“ die natürliche
Gliederung des Volkes: Familie, Gemeinde, Landschaft. Die Selbstverwaltung ist
Grundsatz der einzelnen Körperschaften, der Staatsaufbau ist von unten nach oben in
vier Ebenen (Gemeinde, Kreis, Land, Reich) gegliedert9, wobei nur die beiden untersten
Stufen des Staatsgebäudes in direkter, allgemeiner Wahl bestimmt werden. Die höheren
Stufen sollten indirekt gewählt werden. Kreis >Landtag, Landtag >Reichstag. Hier griff
der „Kreisauer Kreis“ auf Vorstellungen des Freiherrn vom Stein zurück. (vgl. S.13)
4. Wirtschaft
In der richtungsweisenden Einleitung legt der „Kreis“ fest, dass die Wirtschaft der
Gemeinschaft und dem Einzelnen dienen solle. Die lebensnotwendigen Güter sind in
ausreichendem Umfang für die Bevölkerung bereitzustellen.10 Durch die staatliche
Wirtschaftsführung
soll außerdem erreicht werden: gleiche Rechte und Mindestpflichten für die tätigen
Menschen; straffe Führung des Bergbaus, der eisen- und metallschaffenden Industrie,
der Grundchemie und der Energiewirtschaft; Verteilung des wirtschaftlichen Ertrages
auch für nicht wirtschaftliche Zwecke (um einige zu nennen).
4.3. Grundsätze für die Neuordnung 11
In den Grundsätzen für die Neuordnung wird noch einmal herausgestellt, dass das
Christentum die Grundlage für die sittliche und religiöse Erneuerung des Volkes sein
müsse. Das Recht soll von freien Richtern wieder hergestellt werden. Gesetze und
Anordnungen, die gegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit verstoßen, sollen
aufgehoben werden. Jeder hat das Recht auf Arbeit und Eigentum unabhängig von
Rasse und Glauben.
7
vgl. Scheurig, a.a.O., S.148ff.
vgl. Winterhager, Wilhelm Ernst, S. 111
9 vgl. Winterhager, Wilhelm Ernst, S. 102
10 vgl. Scheurig, Bodo. a.a.o.S.155ff.
11 vgl. Scheurig, Bodo a.a.o.198ff
8
Den Trägern der z.T. legitimierten Ordnung steht das Recht zu, Gehorsam, Ehrfurcht,
notfalls auch den Einsatz von Leben und Eigentum zu fordern. Die Struktur des
Reichsaufbaus von unten nach oben bleibt bestehen. Die Körperschaften sollen die
Aufgabenverteilung nach dem Grundsatz der selbständigen Erledigung durchführen.
Eine wichtige Schlüsselstellung wird dem Reichsverweser, der für 12 Jahre gewählt
wird, zugewiesen. Er kann den Reichskanzler abberufen und einen neuen
Reichskanzler ernennen. Dem Reichsverweser obliegt der
Oberbefehl über die Wehrmacht und der Vorsitz im Reichstag.
Wie schon in den vorherigen Ausarbeitungen der Männer des „Kreisauer Kreises“
geschrieben steht, soll ein geordneter Leistungswettbewerb unter Aufsicht der
staatlichen Wirtschaftsführung stattfinden. Jedem Einzelnen soll das Recht auf Arbeit
gewährleistet werden. Die „Deutsche Gewerkschaft“ soll notwendiges Mittel zur
Durchführung des wirtschaftlichen Programms und des in diesem vorausgesetzten
Staatsaufbaus sein.
5. Geschichte des „Kreisauer Kreises“
Die Entwicklung des „Kreisauer Kreises“ lässt sich in sechs Phasen aufteilen und
unterscheiden.
„1. Mitte 1938 bis Mitte 1940
2. Zweite Hälfte 1940
3. Ende 1940 bis Ende1941
4. Ende 1941 bis Mitte 1943
– Vorgeschichte
– Bildung von Gruppen um Moltke
und Yorck
– Lose persönliche Kontakte
– Auslandsorientierungen
– Grundlagendiskussion
Moltke – Yorck – Einsiedel –
Gablentz– 1.Wochenendbesprechung in Kreisau
– Fühlungnahme mit Repräsentanten
der Kirche (Preysing, Rösch,
Poelchau) und der Sozialdemokraten
(Mierendorff, Haubach)
– Erweiterung der Kontakte (Heaften,
Peters, Beck, Halder)
– Programmatische Phase
– Programmbesprechungen Kirchliche
Seite – Sozialdemokraten
5. Zweite Hälfte 1943
6. Januar bis Juli 1944
– Kreisauer Tagungen
– Agrarpolitische Beratungen
– Grundsätze für die Neuordnung
– Verbindungen mit Alliierten und
und besetzten Gebieten
– Organisatorische Phase
– „Lösung Falkenhausen“
– Landesverweser,
Übergangsgremium
– Türkei – Reisen Moltkes
– Auseinanderfallen des Kreises
– Annäherung mehrerer Kreisauer
an Stauffenberg
– Kontaktversuch zu den
Kommunisten
– Verhaftungswelle nach dem 20. Juli
1944“12
Ab dem Jahr 1943 war offensichtlich, dass keine Hilfe von den militärischen
Oberbefehlshabern der Wehrmacht zu erwarten war. Jedoch erfuhren die Kreisauer im
selben Jahr, dass eine Gruppe von Offizieren ein Attentat auf Hitler plante.
Oberstleutnant Claus Graf Schenk von Stauffenberg war der Kopf dieser
Offiziersgruppe. Im Herbst 1943 kam Stauffenberg mit seinem Vetter Yorck und einigen
Mitgliedern des „Kreisauer Kreises“ in Kontakt.13
Stauffenberg nahm an den Gesprächen des Kreises teil.
Heftige Diskussionen wurden ausgelöst, als die Frage eines Attentats auf Hitler zur
Sprache kam.
Der größte Teil des „Kreisauer Kreises“ lehnte wie Moltke ein Attentat ab. Moltke wollte
nicht den Neubeginn mit einer Bluttat belastet sehen. Lediglich Leber, Trott und
Gerstenmaier sprachen sich für ein Attentat auf Hitler aus. Als sich in den Jahren
1943/1944 die politische Situation weiter zuspitzte, teilte Moltke in einem Gespräch dem
norwegischen Bischof Berggrav mit, dass er an einer Tötung Hitlers mitwirken würde,
wenn es keinen anderen Ausweg gäbe. Trotz der unterschiedlichen Auffassungen, was
das Attentat auf Hitler anging, waren sich die Kreisauer in Einem einig: Hitler und sein
Gefolge mussten von der Macht entfernt werden.
Besonders im Jahr 1944 verstärkte der „Kreis“ sein Wirken, indem intensiv der Kontakt
mit den Kriegsgegnern in West und Ost gesucht wurde.
Auch Stauffenberg schloss sich der Meinung des „Kreises“ an, mit den Alliierten Fühlung
aufzunehmen, um einen Waffenstillstand auszuhandeln.
Eine Unterbrechung der Arbeit des „Kreises“ fand statt, als Moltke am 18. Januar 1944
festgenommen wurde. Moltke hatte einen Bekannten, der ebenfalls im Widerstand
(Solfkreis) tätig war, vor der Gestapo gewarnt. Da er schon seit längerem unter
Beobachtung stand, wurde er wegen dieser Staatsfeindlichkeit verhaftet.
Zu diesem Zeitpunkt erkannte die Gestapo den Zusammenhang zwischen Moltke und
dem „Kreisauer Kreis“ noch nicht.
12
13
Winterhager, Wilhelm Ernst a.a.O. S.5
vgl. Finker, Kurt: Graf Moltke und der Kreisauer Kreis, S. 272ff.
Moltke wurde in „Schutzhaft“ genommen, wurde jedoch zunächst nicht verurteilt. In
dieser Zeit blieben die meisten Mitglieder des Kreises passiv. Während dessen
schlossen sich Yorck, Trott, Leber und Reichwein der Gruppe um Stauffenberg an.
Im Verlauf des Jahres 1944 nahm die Verschwörung deutlichere Formen an.
Stauffenberg vertrat immer mehr revolutionär – demokratische Auffassungen, die
von den jüngeren Mitglieder des „Kreisauer Kreises“ geteilt wurden.
Andere vertraten die Auffassung, dass aus dem Westen nichts Konstruktives
hervorgehen könne. Einige Mitglieder vertraten eher sozialistische Vorstellungen.14
Ein Teil des „Kreises“ um Stauffenberg näherte sich den Kommunisten an. Gemeinsam
wurde die zukünftige Entwicklung Deutschlands behandelt. Die vom „Kreisauer Kreis“
entwickelten Festlegungen schienen für die Gruppe um Stauffenberg nicht mehr
auszureichen.
Im Frühjahr/Sommer 1944 überschlugen sich die Ereignisse. Die Amerikaner landeten in
der Normandie. Am 23. Juni begann die Sowjetunion eine gewaltige Offensive, von der
sich das deutsche Heer nie mehr erholte.
Anfang Juli wurden Reichwein und Leber verhaftet. Nun befanden sich drei Mitglieder
des „Kreises“ in Haft. Aufgrund dieser bedrohlichen Situation war den Mitgliedern des
Kreises klar, dass jetzt eine Wende herbeigeführt werden musste. Am 16. Juli 1944 fand
die letzte Besprechung der Gruppe statt.
Am 20. Juli explodierte die Bombe im Führerhauptquartier, die von Stauffenberg
gezündet worden war. Hitler überlebte das Attentat. Noch in derselben Nacht wurden
Stauffenberg, Mertz, Olbricht und von Haeften erschossen.
Yorck und Gerstenmaier wurden verhaftet und die Gestapo begann mit den Verhören.
Am 7. und 8. August stand Yorck als erster Kreisauer vor Gericht. Hier bekannte er sich
zu dem Attentat und lehnte erneut das NS-Regime ab.
York wurde noch am selben Tag mit seinen sieben Mitangeklagten gehängt.
Die Ehefrauen von Yorck, von von Haeften und von Trott wurden verhaftet.
Nach und nach deckte die Gestapo die Verbindungen unter den einzelnen Personen auf
und enttarnte so die Widerstandsbewegung um Moltke. Die Gestapo gab dieser den
Namen „Kreisauer Kreis“.
Weitere Mitglieder des „Kreises“ wurden inhaftiert.
Die Gestapo entdeckte drei „Ableger“ des Kreises; die schlesische Gruppe, die
bayrische Gruppe und die Berliner Gruppe.
Die Position Moltkes als Kernfigur wurde immer deutlicher. Die Verhaftungen,
Verhandlungen und Hinrichtungen gingen weiter.
Peters und Poelchau konnte von der Gestapo nichts nachgewiesen werden. Sie
überlebten.
Seit 1944 war Moltke in Schutzhaft im KZ Ravensbrück. Erstmals wurde Moltke in der
Nacht vom 15. August in Verbindung mit dem Attentat gebracht. Später wurde Moltke
angeklagt und zum Tode verurteilt. Er wurde am 23. Januar in Plötzensee hingerichtet.
Delp wurde am 2. Februar hingerichtet, Gerstenmaier überraschend nur zu sieben
Jahren Zuchthaus verurteilt. Haubach und Steltzer wurden am 15. Januar 1945
hingerichtet.
14
vgl., a.a.O. S.275
Einsiedel und Trotha wurden von der Verhaftung verschont. Lukaschek konnte bis zur
Befreiung durch die Alliierten in der Haft überleben und am 22.April 1945 das Gefängnis
verlassen.
Die Ehefrau des hingerichteten Helmuth James Graf von Moltke, Freya Gräfin von
Moltke, versteckte die Briefe und Dokumente ihres Ehemannes in ihren Bienenstöcken
auf dem Gut in Kreisau.
Sie hielt das Vermächtnis der Kreisauer am Leben, indem sie die Dokumente und
Schriften veröffentlichen ließ.
Das Gut der Familie Moltke spielt heute noch eine sehr wichtige Rolle. Im Schloß ist
eine Dauerausstellung zum Thema „Kreisauer Kreis“ zu besichtigen. Hier werden
Seminare abgehalten, die die Grundideen des „Kreisauer Kreises“ vermitteln sollen, und
der europäischen Verständigung dienen sollen.
Schloss und Gut Kreisau wurden nach 1990 zu einem internationalen
Jugendbegegnugszentrum ausgebaut.
6.Eigene Stellungnahme
Bei meiner Recherche zu dieser Facharbeit stellte ich fest, dass der „Kreisauer Kreis“
eine bedeutende Widerstandsgruppe in dieser Zeit war, deren Ziel es war, ein
ausgefeiltes Programm zur Neuordnung Deutschlands nach dem Ende des Krieges zu
entwickeln und nicht vorrangig der Sturz des Regimes durch militärische oder
gewalttätige Aktionen.
Das Hauptbestreben des Kreises war die geistige Erneuerung des Volkes und damit die
Umsetzung ihrer politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Grundsätze.
U.a. diente dem Kreis der preußische Reformer Freiherr vom Stein.
Mein Gymnasium trägt den Namen des Freiherrn vom Stein.
„Ein Impuls besonderer Art ging für die Kreisauer von der Rückbesinnung auf die Zeit
der preußischen Reformer zu Beginn des 19. Jahrhunderts aus – einer Epoche, die im
historischen Bewusstsein der Deutschen (nicht nur bei preußischen Adligen wie Moltke
und Yorck) damals viel stärker nach als heute lebendig war.
Unter den preußischen Reformen war es dabei vor allem der Freiherr vom Stein, der
den Kreisauern als konservativer Erneuerer zu Vorbild wurde. Stein hatte aus Anlaß der
Feier seines 100. Todestages im Jahre 1931 durch eine Neuausgabe seiner werke,
eine Biographie und zahlreiche andere Beiträge neue Beachtung gefunden.
Insbesondere die Steinschen Ideen der genossenschaftlichen Selbstverwaltung, der
Einübung demokratischer Formen in kleinen, überschaubaren Einheiten und des von
unten nach oben gegliederten Staatsaufbaus wurden als noch immer fruchtbare
Reformansätze wiederentdeckt und sind von daher auch in die Kreisauer Planungen
eingeflossen.
Nachweislich haben Moltke, Yorck, Trott, Gablentz, Steltzer, Peters und Delp (auch im
übrigen Carl Goerdeler und Fritz – Dietlof von der Schulenburg) sich mehr oder
weniger intensiv mit dem Werk Steins auseinandergesetzt; Trott hatte sogar ein Bild des
Freiherrn vom Stein in seinem Arbeitszimmer hängen.
Doch auch die Sozialdemokraten im Kreisauer Kreis haben sich den Vermächtnis der
preußischen Reformer verpflichtet gesehen. So hat Julius Leber in einer Reichtagsrede
1931 Stein, Scharnhorst und Gneisenau ausdrücklich unter die „Besten der Nation“
eingereiht, die die „Ideale des deutschen Volkes“ verkörperten und an deren Beispiel es
anzuknüpfen gelte.
So wie die preußischen Reformer es in schwerster Zeit verstanden hätten, im
Zusammenwirken mit dem jungen Dritten Stand, dem Bürgertum, „einen
zusammengebrochenen Staat neu zu organisieren“ und ihm „neue Grundlagen zu
schaffen“, sei es „angesichts ähnlicher Zustände wie damals in unserem heutigen
Staatsgefüge“ von neuem an der Zeit, ein solches Reformwerk, diesmal gemeinsam mit
dem Vierten Stand, der Arbeiterschaft, in die Wege zu leiten.
Diese historische „Parallele“ zwischen der „Wiedergeburt Preußens“ durch seine
Reformen und der notwendigen Erneuerung Deutschlands im 20. Jahrhundert ist nicht
nur von Leber 1931, sondern ganz allgemein später auch von den Kreisauern so
gesehen und als Ansporn und Auftrag für die eigene Arbeit im Widerstand begriffen
worden.“15
Die bei den Kreisauern nur unvollständig anvisierte Trennung von Staat und Kirche
beurteile ich kritisch, da ich der Meinung bin das Kirche und und Staat in einer
Demokratie vollständig getrennt sein sollten.
15
Winterhager a.a.O, S.88f
Die ökonomische Struktur wäre allein schon aufgrund ihrer Inflexibilität und Ineffektivität
als Planwirtschaft zum Scheitern verurteilt gewesen.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Elitarisierung der Staatsführung, die aufgrund einer
gezielten Umstrukturierung des Schulwesens erfolgen sollte. Das Wahlsystem hätte den
Bürgern kein wirkliches Mitspracherecht eingeräumt, da direkte Wahlen nur in
Gemeinden und Kreisen stattfinden sollten. Es drängt sich bei mir die Vermutung auf,
dass bei Umsetzung der Neuordnung ein konservativer geprägter Staat entstanden
wäre.
Durch die primär allgemein formulierten Aussagen ist es schwer, konkrete Richtlinien
daraus festzulegen.
Außerdem wundert mich die Naivität des Kreises, nach einer militärischen Niederlage
Deutschlands auf eine Kooperation mit den Siegermächten zu hoffen, um das von ihnen
entworfene Staatsprogramm verwirklichen zu können.
Positiv sehe ich in der Konzeption, dass der „Kreisauer Kreis“ schon damals ein
vereintes Europa, was heute im Begriff ist Wirklichkeit zu werden, für möglich hielt.
Trotz meiner Kritikpunkte achte und bewundere ich den Einsatz und Mut der Männer
des „Kreisauer Kreises“, die wissentlich ihr Leben riskierten, um für die Zeit nach dem
Krieg eine realisierbare Vision Deutschlands zu schaffen.
III. Verzeichnis der verwendeten Literatur
Quellen
Finker, Kurt: Graf Moltke und der Kreisauer Kreis. Berlin 1993,
Dietz Verlag.
Scheurig, Bodo (Hrsg.): Deutscher Widerstand 1938-1944. Fortschritt oder
Reaktion?.München 1969, Deutscher Taschenbuch Verlag.
Winterhager, Wilhelm Ernst: Der Kreisauer Kreis. Porträt einer Widerstandsgruppe.
Berlin 1985, v Hase & Koehler Verlag.
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