superumbau - Kulturstiftung des Bundes

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Arbeitsbeschreibungen
Die Künstlerinnen und Künstler beschäftigen sich in ihren Arbeiten mit symbolischen
Räumen und kollektiven Utopien in der schrumpfenden Stadt Hoyerswerda.
Im Zentrum des Projektes steht ein Gebäudeensemble, welches aus einem
5-geschossigen Gebäuderiegel, dem Flachbau einer Kindertagesstätte (GS7)
und unmittelbar angrenzenden Freiflächen besteht.
Der leer stehende Plattenbau des Typs P2 bildet den Ausgangspunkt aller
Überlegungen für das Projekt. Die Künstlergruppe STADT IM REGAL plant mit ihrer
Arbeit »WK8P2ABBAU« über den Zeitraum der Ausstellung eine parallele
Beobachtung und künstlerische Kommentierung des Abrisses. Das abzubauende
Gebäude als Anlass und Zentrum von Superumbau bleibt selbst Leerstelle. STADT IM
REGAL schafft Freiraum für Reflexionen, Fragen und Positionen. In dem Maße wie
ein modernes Wohngebäude zerlegt wird, entsteht sukzessive eine Analyse des
Abbaus und der damit verbundenen Veränderungen.
Über die Dauer der Ausstellung werden zeitversetzt zwölf verschiedene Kommentare
zum Abbau zu sehen sein. Während die Vorbereitungen zu den Dreharbeiten für die
Spielfilmcollage »Besuch bei Themroc« schon begonnen haben, wird zu Beginn der
Ausstellung ein Flutlicht und ein Bauschild auf einem schon leeren, angrenzenden
Baufeld installiert. Im Funktionsbau der Kinderkombination GS7 richtet STADT IM
REGAL ein Baubüro ein, in dem sowohl Materialien zum Gebäude und dessen Abbau,
als auch künstlerische Positionen und Assoziationen gesammelt und öffentlich
gemacht werden. Thematisch setzt STADT IM REGAL die Arbeiten im Baubüro mit
der jeweiligen Abbauphase in Verbindung. Wenn der reale Abbau beginnt, wird das
Thema Wohnen in Bezug auf Aneignung von standardisierten Räumen bearbeitet,
und dann sukzessive das Thema der Verschränkung von Privatem und Öffentlichem
forciert. So entsteht ein Ideenpool als Raum für zwölf Positionen, der im Verlauf des
Projektes entwickelt wird. Bilder, Texte, Videos und Tonaufnahmen entstehen. Das
Baubüro funktioniert durch seine Offenheit bzw. assoziative Struktur als Gegenpol
zum streng definierten Abriss des Gebäudes. Während draußen das Gebäude
verschwindet, wächst im Büro das Material an.
Stadt im Regal (Berlin) realisiert seit 1996, parallel zu künstlerischen Einzelpositionen, gemeinsam als
Gruppe international Ausstellungen und Projekte zum Thema Stadtumbau, Architektur und Wohnen. Die
Themen ergeben sich aus gesellschaftlichen, aktuellen und städtischen Bezügen und stehen in einem
direkten Zusammenhang zu den jeweiligen Ausstellungsorten.
Stadt im Regal sind Tina Born, Ursula Döbereiner, Antje Dorn, Kerstin Drechsel, Friederike Feldmann,
Heike Klussmann, Valeska Peschke, Birgit Schlieps, Katharina Schmidt, Michaela Schweiger, Markus
Strieder, Daniela von Waberer.
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MARKE 3000 entwirft und realisiert das Ausstellungsdesign für die Kernausstellung
im ehemaligen Funktionsbau der Kinderkombination GS7. Im Sinne einer Verdichtung
und Kompilation von Funktion und Bedeutung entstehen skizzenhaft Präsentationsund Archivräume, Infobar und Clubcafé sowie ein temporäres Künstlerhotel. Die
Ausstattung folgt dem gedanklichen Leitsystem der Zwischennutzung: temporär,
effektiv und billig.
Marke 3000 realisiert seit 1999 Projekte zwischen Kunst und Architekturdesign, meistens under cover.
Unter dem Titel »Wie gestalten Sie Ihre Gesellschaft« zeigt die Frankfurter
Künstlergruppe FINGER die Dokumentation des von ihnen initiierten Wettbewerbs
»evolutionäre zellen – selbstbeauftragtes Gestalten gesellschaftlicher Perspektiven«.
2002 - mit 15.000 EUR ausgeschrieben von der NGBK Berlin. Ausgehend von der
These, dass sich gesellschaftliche Neuerungen in kleinen Gruppen, oder in
Mikrosystemen erproben, richtete sich dieser Wettbewerb quer durch alle Sparten und
Professionen an diejenigen, die gleich ob als Laien oder Profis, selbstbeauftragt ihr
gesellschaftliches Umfeld gestalten. Die Präsentation in Hoyerswerda zeigt den
Verlauf des Wettbewerbs von der Vorstellung der exemplarisch zusammengesetzten
10-köpfigen Jury bis hin zum Ergebnis, das aus 312 internationalen Einsendungen
besteht. Die Frage: »Wie gestalten Sie Ihre Gesellschaft?« stellt FINGER im Rahmen
von Superumbau an die »evolutionäre zellen« von Hoyerswerda. Die
gesellschaftsgestaltenden Ideen der »evolutionäre zellen« vor Ort können für den
kommenden Wettbewerb 2004 eingereicht werden. http://www.evolutionäre-zellen.org
finger ist eine Gruppe, die in der gleichnamigen Zeitschrift seit 1998, in Form von Reportagen, Geschichten
und Interviews über aktuelle Kulturphänomene und Informationen zur individuellen und gesellschaftlichen
Gestaltung des Alltags berichtet. Interessant für finger sind dabei die Phänomene, die gezielt, oder als
Nebeneffekt, Fragen nach ihrer Interpretation, Vermittlung und Umsetzung aufwerfen und Alternativen
aufzeigen. Herausgeber und Mitglieder von finger sind: Martin Brandt, Florian Haas, Claudia Hummel und
Andreas Wolf. www.fingerweb.org
Der Dokumentarfilmer DIRK LIENIG entdeckte während seiner Recherchen im Archiv
des ehemaligen Kombinats »Schwarze Pumpe« – heute Vattenfall – längst
vergessenes Filmmaterial der 50er und 60er Jahre. Durch die Restaurierung
wertvoller Filmrollen werden interessante Zeitzeugnisse über das Renommierprojekt
Hoyerswerda sichtbar gemacht.
Sein eigens für Superumbau gedrehter Dokumentarfilm »Hoyerswerda – Stadt
zwischen Schwarzer Pumpe und Schwarzer Elster« erzählt die Geschichten von
Menschen, deren Leben und Arbeit eng mit der Stadt verbunden sind.
Dirk Lienig wurde 1970 in Hoyerswerda geboren. Er lebt und arbeitet als freier Filmemacher in Berlin.
Die amerikanische Künstlerin LAURA BRUCE produziert mit »chronicle« ein
fortlaufendes Videobuch. Ihr aktuelles Video basiert auf den Tagebüchern der
Schriftstellerin Brigitte Reimann, die von 1960 bis 1968 in Hoyerswerda gelebt hat.
Während des Projektzeitraums inszeniert sie mit ausgewählten Bewohnern der Stadt
eine filmische Lesung der Tagebuchnotizen.
Laura Bruce wurde 1959 in East Orange, New Jersey, geboren. Sie lebt und arbeitet seit 1990 in Berlin. Die
Künstlerin verwendet oft ihre eigene Familie, ihre Freunde und ihre eigene Person als Protagonisten für ihre
Filme. Dabei folgt sie Strategien des Spielfilms und des Doku-Dramas. Ihre Arbeiten fungieren dabei als
Materialdepots, angelegt an einem Punkt, an dem sich die tatsächlichen Situationen, Gedanken und
Begegnungen ereignen und sich diese zu symbolischen Erinnerungen wandeln.
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JAN PAPPELBAUM entwirft das Bühnenbild für Alfred Matusches Drama »Kap der
Unruhe« (Inszenierung von ANDREA MOSES) als permanente Installation.
Pappelbaums detailgenaue Bühneninstallation erinnert an die Aufbaujahre der
Neustadt, daran wie aus Landschaft Städte wurden und das Leben dichter. Die
Barackeneinrichtung mit Ausblick auf den im Abriss begriffenen Wohnblock
Merzdorfer Straße vor den Fenstern wird zum Geschichtsdokument.
Jan Pappelbaum wurde 1966 in Dresden geboren. Er studierte Architektur in Weimar. Seit 2000 arbeitet er
als Bühnenbildner und Ausstattungsleiter an der Berliner Schaubühne am Lehniner Platz. Inszenierungen:
»Nora« 2002, »Personenkreis 3.« 1999, »Mann ist Mann« 1997, u.a.
ANDREAS SCHIMANSKI konzipiert den Ankündigungstrailer des Projektes als
eigenständige künstlerische Arbeit in drei Teilen. In jeweils 20 Sekunden werden
Wandel, Umbau, Umformatierung, Ausbau, Adaption, Privatisierung, Umformung,
Abwandlung, Permutation etc. thematisiert. Der Trailer »Superumbau« wird im
städtischen Fernsehen sowie auf den Displays von 28 Bahnhöfen deutschlandweit
gezeigt.
Andreas Schimanski lebt und arbeitet als freier Künstler in Berlin.
Der Autor HUGO VELARDE verfasste ein Hörfeature als Begleit-Material für
Stadtrundgänge. Auf der Basis von Erinnerungen und Dokumenten des
Stadtchronisten und Architekten KLAUS RICHTER und anderen Zeitzeugen entstand
eine kommentierte Erzählung über die Geschichte der Neustadt von Hoyerswerda.
Anhand einer umfassenden Chronologie der Stadt wird die funktionelle Komplexität
der einzelnen Wohneinheiten, ihre historische Verklammerung, ihre baupolitische
Geburt und ihr Sinnzusammenhang nachvollziehbar.
Hugo Velarde wurde 1958 in Bolivien geboren, studierte Philosophie in Leipzig. Er lebt als freier Autor in
Berlin, schreibt für Freitag, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Theater der Zeit und Basis Druck Verlag Berlin.
ANGELIKA MIDDENDORF entwirft unter dem Titel »Moment« ein Großbild für eine
Plattenbaufassade im Zentrum der Neustadt. Der in Hoyerswerda-Neustadt
begonnene Prozess des Rückbaus – und dem daraus resultierenden Verschwinden
architektonischer Symbole und Zeitdokumente einer sozialistischen Utopie – ist
Anlass für die Realisierung der Arbeit »Moment«, die das Verschwinden der
soziologischen Einschreibungen thematisiert. »architektur ist mehr … als alle anderen
künste ... die angelegenheit der massen … diese bezahlen nämlich die rechnung«.*
»Moment« zeigt fragmentarisch einen Ort, der bereits realisierten Entwohnung sowie
das Verschwinden einer gelebten Zeiteinheit, eines konkreten Identitätsmoments.
Diesen Vorgang kommentiert das Zitat nur scheinbar, weil es dem Architekten Daniel
Tieck in dem Mund gelegt wurde, als er vor 40 Jahren den Masterplan der
DDR-Architektur kritisierte. In einer Momentaufnahme werden historische und
gegenwärtige, reale und fiktive Elemente verdichtet. Der Rückbau der Platte, die
resultierende soziographische Verortung wird über das Zitat um einen Aspekt
erweitert: der Frage der Verantwortung.
* Das (fiktive) Zitat des Architekten Daniel Tieck ist dem Roman »Die Architekten« von Stefan Heym
entliehen, der bereits Mitte der 1960er geschrieben aber erst 2002 als Taschenbuch veröffentlichtet wurde.
Angelika Middendorf lebt und arbeitet als freie Künstlerin in Berlin.
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ANGELA LUBIC setzt den Titel des Projekts in überlebensgroßen (h:2,50m)
Buchstaben auf eine freigerissene Fläche in der Merzdorfer Straße des WK 8. Der
Schriftzug Superumbau markiert den Projekteingang als einen demonstrativen
Verweis auf die retroperspektivische Stadtentwicklung.
Angela Lubic, geb. 1958 in Dresden, arbeitet als freie Künstlerin und Gestalterin in Berlin.
Der Luxemburger Künstler LUC WOLFF arbeitet an den Randzonen von Architektur
und Stadträumen. Seine Installationen sind minimalistische Diskurse in
sozial-räumlichen Kontexten.
Seit Anfang der 90er Jahre markiert er autonome Orte durch einfache
Arbeitshandlungen, die sich einem rezipierbaren Kunstzusammenhang zunächst
entziehen. Dabei geht es ihm um die Frage nach der kulturellen und darüber hinaus
für den Menschen existentiellen Bedeutung des freien, unvereinnahmten Raumes. In
Hoyerswerda realisiert LUC WOLFF eine Textarbeit an der Fassade der Lausitzhalle
im Zentrum der Neustadt, die durch die Künstlergruppe FLECKX als Graffiti an der
Kinderkombination wiederaufgenommen wird.
Luc Wolff arbeitet als freier Künstler in Luxemburg und Berlin.
ANDREAS WEGNER und PETER WÄCHTLER geben Konzerte in Einkaufspassagen
und anderen öffentlichen Räumen. Indem an diesen Orten nicht genehmigte
Veranstaltungen stattfinden, wird das Versprechen der Einkaufszentren, auch
öffentlicher Raum zu sein, durch sie eingelöst. Für Hoyerswerda planen sie einen
unangekündigten Auftritt im Zentrum der Neustadt.
Andreas Wegner und Peter Wächtler leben und arbeiten als freie Künstler und Gesellschaftsanimateure in Berlin.
Die Fotoarbeiten von HOLGER HERSCHEL basieren bereits seit Jahren auf einer
Melancholie des Verschwindens. Seine Motive konzentrieren sich auf verlassene Orte
und vom Alltag gezeichnete Porträts, seine Bildperspektive auf gedehnte und
periphere Räume. Der Fotoessay für Hoyerswerda soll keinen Abriss von
DDR-Wohnungsbaugeschichte liefern, obwohl diese sich wohl nirgendwo auf so
engem Raum wie in Hoyerswerda vollzieht. Symbolische Orte und Gebäude der Stadt
erscheinen wie beiläufig im Bild, rücken die Architekturgeschichte der Neustadt in die
Praxis der Gegenwart.
Holger Herschel, geb. 1959 in Berlin, arbeitet und lebt als freier Fotograf in Ortwig und Berlin.
BIBIANA BEGLAU entwickelt gemeinsam mit ANTJE HANEBECK und MARTIN
ROTTENKOLBER eine audiovisuelle Installation. In der legendären Einkaufspassage
Kühnichter Heide, wo die Ergebnisse des ersten Bildhauersymposiums von
Hoyerswerda heute dahindämmern, wird ein Schaufenster zwischen »schlecker« und
»plus« zum Ausstellungsdisplay für Gedankenspiele. Im Spannungsfeld von
genormtem Wohnraum und dessen praktischen Gebrauch fragen sie nach den
Möglichkeiten von individuellem Freiraum.
Bibiana Beglau, geb. 1971, Film- und Theaterschauspielerin, Antje Hanebeck, geb. 1968, Fotografin, und
Martin Rottenkolber, Fotograf und Videokünstle, arbeiten zum ersten Mal zusammen. Ihr Thema sind
allgemeine Handlungsorientierungen und temporäre Bewusstseinsstörungen.
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Die Dresdner Regisseurin ANDREA MOSES castete in der Lausitzhalle Einwohner
von Hoyerswerda, um mit ihnen das Theaterstück »Kap der Unruhe« des Dramatikers
Alfred Matusche zu lesen, neu zu entdecken und schließlich zu inszenieren. Während
der Arbeit an der Inszenierung entsteht ein Videofilm über deren Entstehung.
Andrea Moses, geb. 1972, lebt und arbeitet als Theaterregisseurin in Berlin.
Der Dramatiker und Theaterregisseur ARMIN PETRAS plant eine szenische Urlesung
des Textes »Das Denkmal« aus dem Nachlass von Einar Schleef. Die Personage:
tradierte Figuren aus dem Werk des skandalumwitterten, viel zu früh verstorbenen
Universalgenies Schleef, die Schwester Elly und die Mutter Gertrud auf dem
Kyffhäuser. Der Kyffhäuser ist der Neubaublock, die Zuschauer die Touristen. Ein
Stück bizarre DDR-Geschichte in Sonntagsklamotten.
Armin Petras, geb. 1966, lebt und arbeitet als Theaterautor und Regisseur in Frankfurt a.M., Hamburg und
Berlin.
CHRISTOPH SCHLINGENSIEF präsentiert seinen Film »Chance 2000« und diskutiert
anschließend mit dem Publikum über Scheitern als Chance in Hoyerswerda oder
Möglichkeiten, doch noch was daraus zu machen.
Christoph Schlingensief lebt und arbeitet überall, demnächst in Wien.
FM EINHEIT plant für den 27. September gemeinsam mit CASPAR BRÖTZMANN die
Uraufführung »Hoyerswerda 2.0«. Es bewahrheitet sich der Gedanke seines Albums
»Strategies against Architecture« aus den 80ern ganz praktisch. Punk is real.
FM Einheit gehörte zu den Protagonisten der Band EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN. Er lebt in
Süddeutschland.
Zum Projekt erscheint ein Bild-Textband zur Kulturgeschichte der Neustadt Hoyerswerda.
In der Ausstellung sind ein Faltplan, CD, Poster sowie verschiedene Künstlereditionen
erhältlich.
Projektinformationen und Buchungen für das Künstlerhotel: unter 03571-606905
Impressum
Projektleitung: Dorit Baumeister für Spirit of Zuse e.V.
Kuratoren: Ute Tischler und Harald Müller
Produktionsleitung und PR: Anja Nioduschewski
Produktionsassistenz: Annett Brettschneider
Musik: Uwe Proksch
Beirat: Brigitte Klotz (FH Lausitz), Matthias Bernt (Umweltforschungszentrum Leipzig), Dorit Baumeister
(Architektin), Anette Freytag (Kunsthistorikerin), Simone Hain (Bauhistorikerin), Annegret Hahn
(Thalia-Theater Halle), Heide Hampel (Litraturhaus »Brigitte Reiman« Neubrandenburg), Bernd Nitzsche
(Kulturfabrik Hoyerswerda), Christoph Tannert (Künstlerhaus Bethanien), Andreas Trauzettel (Architekt)
Projektträger: Spirit of Zuse e.V.
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