DIFFERENZIERUNG Einige Anmerkungen Differenzierung bedeutet

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DIFFERENZIERUNG
Einige Anmerkungen
Differenzierung bedeutet in der Entwicklungsbiologie eines vielzelligen Organismus die
Umwandlung von embryonalen Zellen bzw. Bildungsgeweben mit einer noch nicht oder wenig
spezialisierten Funktion in einen z.T. multifunktionellen Komplex.
Die Zelldifferenzierung kann autonom ablaufen (Selbstdifferenzierung), oder durch äussere
Einflüsse stimuliert werden. Der besondere Mechanismus entspricht einer 'differenziellen'
Transkription* bei einem zunächst identischen genpool. Bezüglich der Genaktivität kommt es
dann zu Unterschieden in Art und Menge der transkribierten RNA.
*Als Transkription wird in der Genetik die Synthese von RNA mittels einer DNA-Vorlage bezeichnet. Die
entstandene RNA liegt hauptsächlich in 3 Gruppen vor: mRNA, tRNA, rRNA.
Das Prinzip der Embryogenese besteht im Wesentlichen in der koordinierten Synthese von
Transkriptionsfaktoren.
Im Verlauf der Zelldifferenzierung wird i.a. nicht das gesamte Genom exprimiert. Es werden nur
die Gene aktiviert, die für den bestimmten Zelltyp von Bedeutung sind.
Während der Differenzierungsprozesse vermittelt die epigenetische Homöostase* den
Austausch von Informationen.
*Erhaltung eines offenen Systems im Gleichgewichtszustand durch einen Prozess der Selbstregulation .
Unter besonderen Bedingungen kann eine Zelle ihr Differenzierungspotenzial verlieren
(Dedifferenzierung), wonach eine erneute Differenzierung möglich ist(Transdifferenzierung).
DETERMINATION
Die Determination entspricht einer primären Differenzierung unter der Festlegung noch
undifferenzierter Zellen auf eine bestimmte Entwicklungsrichtung. Bestimmende Faktoren sind
- intrazelluläre, d.h. cytoplasmatische Determinanten, wie Proteine und RNA;
- extrazelluläre chemische und physikalische Determinatoren.
Wie ihre Differenzierung (s.o.), kann eine Zelle ihre Determination ändern (Transdetermination)
Solche Prozesse sind z.B. bei der Wundheilung und der Entstehung von Krebs von Bedeutung .
Bei Pflanzen sind ausdifferenzierte Zellen häufig nicht oder nur teilweise determiniert und behalten die
Fähigkeit, sich unter bestimmten Umständen, zum Beispiel nach Verwundung, erneut zu teilen und
verschiedene Zelltypen hervorzubringen.
EMBRYONALE MUSTERBILDUNG
Zunächst undifferenzierte Zellen entwickeln sich zu spezialisierten Zellen. Die unterschiedliche
Anordnung der Zellpopulationen erfolgt aus Zellen gleicher Struktur und Funktion.
Mosaik-Entwicklung
Embryonale Zellen zeigen in sehr frühen Stadien, evtl. schon im Ei, festgelegte
Entwicklungsmuster in determinierten Plasmabezirken, wie z.B. die Seescheiden (Ascidia).
Regulations-Entwicklung
Bestimmte Regionen des Embryos sind noch nicht auf die weitere Entwicklung geprägt. Trotz
fehlender Teile (Furchungszellen) kann ein kleiner, aber im Übrigen vollständiger Embryo
entstehen.
Beim Seeigel können im 2- oder 4-Zellstadium alle Blastomeren einen vollständigen Pluteus bilden,
allerdings nur unter Beibehaltung der animal-vegetativen Achse.
Auch Mammalier bilden Regulationseier. Bei der Maus erscheinen bis zum 16-Zellstadium alle
Zellen gleich.
Besonders bei Insekten sind Übergänge zwischen Mosaik- und Regulationseiern zu
beobachten.
PLURIPOTENTE UND TOTIPOTENTE STAMMZELLEN
Alle Zellen tragen primär die gleiche genetische Information. Sie können sich dann zu einem
bestimmten, gewebe- bzw. organspezifischen Zelltyp entwickeln.
Eine determinierte Tierzelle vermag ihr Entwicklungsprogramm u.a. auch dann zu realisieren,
wenn sie an einer anderen Stelle des Organismus implantiert wird. Am Ende des Prozesses
sind irreversibel differenzierte Körperzellen mit Verlust der Teilungsfähigkeit entstanden.
Ausgangsstruktur der Blutbildung ist die pluripotente Stammzelle, aus der die Vorstufen der
differenzierten Blutzellen hervorgehen.
Infolge ihrer Kernäquivalenz können einzelne Zellen eines Gewebes zur vollständigen
Pflanze regenerieren, d.h. auch hier, dass jede Zelle über die gesamte genetische
Information verfügt.
Die Alge Acetabularia (Dasycladophyceae) eignet sich dank ihrer bedeutenden
Regenerationsfähigkeit als 'klassisches' Forschungsobjekt. Wird der entkernte Stiel von A.
mediterranea dem Kern führenden Rhizoid von A. wettsteinii aufgepfropft, entsteht ein Hut mit den
Merkmalen beider Arten. Nach Resektion des Hutes kommt es zu einer Regeneration desselben,
wobei sich sukzessive A. wettsteinii herausbildet. Für die Gestaltung des Hutes dürfte mRNA als
morphogenetische Substanz verantwortlich sein, die apikal im Protoplast kumuliert.
GENEXPRESSION
Ein mit dem Chromatin assoziierter Hormon-Rezeptor-Komplex steuert bzw. 'moduliert' die
Realisierung der genetischen Information. Gene werden für die Synthese von
Ribonukleinsäuren transkribiert (s.o.). Bei den Eukaryota werden im Zellkern synthetisierte
Ribonukleinsäuren ('primäre Transkripte') in biologisch aktive Substanzen umgewandelt.
Bei Drosophila bestimmen maternal exprimierte Gene die Polarität des Embryos.
Gene können als beständige 'konstitutive Haushaltsgene', oder temporäre 'fakultative' bzw.
'adaptive' Gene exprimiert werden.
INDUKTION
Im Verlauf der Entwicklung höher organisierter Tiere ist die Induktion ein wesentlicher Faktor für
die Differenzierung und Determination eines Keims, wobei der spezifische Entwicklungsprozess
eines bestimmten Gewebes durch ein anderes Gewebe (Organisator) ausgelöst wird. Die
entsprechenden Zellpopulationen zeichnen sich durch eine festgelegte Reaktionsnorm aus. Als
Induktionsstoffe gelten vor allem Proteine und Nukleinsäuren. Anzeichen einer Induktion sind
schon bei Hydra zu beobachten.
Beispiele:
Die wesentlichen Phasen der Augenentwicklung werden durch Induktionsprozesse gesteuert. Die
sekundäre Gliederung des Neuralrohrs in einzelne Abschnitte, wie z.B. transitorische Neuronen,
erfolgt unter induktiver Wirkung des darunter liegenden Mesoderms.
Es sind grundsätzlich zu unterscheiden:
a) Embryonale Induktion. Es besteht ein enger Kontakt zwischen signalgebendem und
reagierendem Gewebe, dessen Oberfläche Rezeptormoleküle trägt.
Beispiel: Entwicklung des ZNS der Vertebrata.
b) Hormonelle Induktion. Zellen unterschiedlicher 'Kompetenz' reagieren auf gleiche 'chemische'
Signale verschieden.
Die Ontogenese, zumindest die höher organisierter Tiere, gleicht einer Kaskade
aufeinanderfolgender und aufeinander aufbauender Induktionsprozesse.
Das induzierte Gewebe kann zum Induktor für das nächstfolgende 'Glied der Kette' werden .
GENAKTIVIERUNG
Differenzierungsprozesse beruhen auf endogenen oder exogenen Faktoren. Die Aktivierung
führt zur Transkription (u.a. Enzymsynthese; s.o.). Bei den Eukaryota werden Promotoren
wirksam, d.s. nicht-translatierte DNA-Abschnitte, die in Kontakt mit Strukturgenen stehen und
an der Bindung der RNA-Polymerase an die DNA beteiligt sind.
BILDUNGSGEWEBE IN DER ÜBERSICHT
SCHEITELZELLE
Bei den Phaeophyceae (Braunalgen) Halopteris und Sphacelaria geht das Wachstum der
Sprossachse von einer Scheitelzelle (Apikalzelle) aus.
Im Protonema (Vorkeim) der Bryophyta bilden sich Zellverbände, wobei eine Zelle zur
Scheitelzelle wird. An einem Zweigende der Bryopsida bildet sich eine Knospe mit einer
dreischneidigen Scheitelzelle, aus der eine neue Pflanze entsteht.
Beim thallosen Lebermoos Marchantia bilden sekundäre Scheitelzellen eine Form von Vegetationskegel.
Z.B. bei Riella helicophylla (Sphaerocarpales) ist Bildungsgewebe zu erkennen, aus dem + differenzierte
Gewebe hervorgehen.
APIKALMERISTEME DER SPERMATOPHYTA
In Spross- und Wurzelspitzen befinden sich mehrschichtige Apikalmeristeme
(Scheitelmeristeme). Der Vegetationskegel, d.h. das Apikalmeristem des Sprossscheitels zeigt
(a) die Initialzone (Stammzellkomplex), (b1) die morphogenetische Zone, u.a. mit der Bildung
der Blattprimordien, (b2) die histogenetische Zone mit der Bildung von Dauergeweben.
Stängelquerschnitte im Knospenbereich zeigen, je nach der Entfernung vom Vegetationspunkt,
sukzedan eine Vielfalt an Zellformen. Auf die Determinationszone mit undifferenzierten,
multipotenten Zellen folgt die Differenzierungszone, die überwiegend aus der Epidermis, der
Rinde und dem Mark besteht.
Meristemkultur
Zur Vermehrung vieler Nutzpflanzen kann meristematisches Gewebe dienen. Das Gewebe wird aus dem
Vegetationskegel der Sprossspitze isoliert und auf einen Nährboden übertragen. Alles erfolgt unter
sterilen Bedingungen.
SOMITEN DER VERTEBRATA
Die Somiten stellen 'primäre Segmente' ('Ursegmente') phylotypischer Stadien der
Embryogenese der Wirbeltiere dar, gehen aus dem Mesoderm hervor und ordnen sich
craniocaudad auf beiden Seiten der Chorda dorsalis bzw. dem Neuralrohr an.
Zunächst besteht der Somit aus einem von Epithel umschlossenen mesenchymalen Hohlraum
(Somitocoel).
Differenzierungsvorgänge zeigen eine deutliche Zellproliferation im ventromedialen Bereich. Es
bildet sich eine Zone aus lockerem Bindegewebe, das einen grossen Anteil an der strukturellen
Entwicklung des Embryo hat. Primärer Anstoss der Differenzierung ist die unterschiedliche
Aktivität der Gene in der Produktion von mRNA.
Die Hauptgruppen von Somitenzellen bilden in besonderen 'Zonen' das Sklerotom und
Myodermatom, das sich in Myotom und Dermatom gliedert. Die Zellen eines Sklerotoms
umschliessen die Chorda dorsalis und bauen die Wirbelkörper auf. Aus dem Myotom geht die
quergestreifte Körpermuskulatur hervor. Die Zellen des Dermatoms wandern an die Innenfläche
des Ektoderms, wo weitere Elemente der Muskulatur sowie die Unterhaut (Dermis) gebildet
werden.
04.11.2014
© Dr. H. Fritz
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