Medien Träger politischer Ideen: Medien 1 Die politische Öffentlichkeit 2 Die Parteipresse 3 Vom Niedergang der Parteipresse zur Pressekonzentration 4 Bewegungsparteien 5 Medien als Konkurrenten von Parteien - Medienparteien Medien Die politische Öffentlichkeit Medien Die grössten Schweizer Verlagshäuser nach Umsatz 2001 Verlag Umsatz Umsatzrendite auf Reingewinn Beschäftigte Reingewinn 1'062.9 34.8 6'063 3.3% 2 TA-Media AG 756.1 -11.8 1'982 -1.6% 3 Edipresse publications SA 714.6 15.3 3'000 2.1% n.v. n.v. n.v. n.v. 1 Ringier AG 4 Basler Mediengruppe * 513.11 0.1 2'078 0.0% 6 Espace Media Groupe 259.9 18.2 1'070 7.0% 7 AZ-Medien Grupe 210.0 8.6 647 4.3% 8 Südostschweiz Mediengruppe 139.0 3.1 837 2.2% 9 LZ Medien AG 134.9 8.9 379 6.6% 10 Vogt-Schild/Habegger Medien 92.8 0.9 444 1.0% 11 Das Beste ** 60.0 n.v. 22 n.v. 12 Zürichsee Medien 56.0 n.v. 173 n.v. 5 NZZ-Gruppe * Geschäftsjahr endet jeweils per 20.6.2001 ** Schätzung Verlag, Geschäftsjahr endet per 20.6.2001 n.v.: nicht veröffentlicht Quelle: Media Trend Journal 6/2002, «Top Medienunternehmen Schweiz» (Geschäftsberichte, Recherchen MTJ) Verband SCHWEIZER PRESSE, Juli 2002 Medien Die 15 grössten Tageszeitungen 2001 Titel Verlag Auflage Leser 1 Blick Ringier AG 309'444 734'000 2 Tages-Anzeiger Tamedia AG 250'000 531'000 3 Mittelland Zeitung Aargauer Zeitung AG 197'688 361'000 4 Neue Zürcher Zeitung Neue Zürcher Zeitung AG 170'113 297'000 5 Berner Zeitung Espace Media Groupe 162'200 303'000 6 Die Südostschweiz Südostschweiz Presse AG 139'020 228'000 7 Neue Luzerner Zeitung Neue Luzerner Zeitung AG 133'820 258'000 8 St. Galler Tagblatt St. Galler Tagblatt 110'502 207'000 9 Basler Zeitung National-Zeitung und Basler Nachrichten AG 109'095 208'000 10 24 heures Edipresse Publications SA 88'043 241'000 11 Tribune de Genève La Tribune de Genève SA 76'708 189'000 12 Der Bund Der Bund Verlag AG 68'212 141'000 13 Le Matin semaine Edipresse Publications SA 65'498 299'000 14 Le Temps Le Temps SA 53'522 117'000 15 Thurgauer Zeitung Thurgauer Medien AG 47'919 84'000 Weitere Auflagenzahlen bei der WEMF Quelle: WEMF Auflagen-Bulletin 2002 (Basis: Auflagen 2001) und MACH Basic 2002 Medien www.go4media.ch/files/Eckdaten_ZT_D_CH_d.PDF Medien Die 15 grössten Zeitschriften 2001 Titel Verlag Auflage Leser 1 K-Tipp KI Media GmbH 337'486 1'017'000 2 Beobachter Jean Frey AG 335'226 1'045'000 3 Schweizer Illustrierte Ringier AG 254'657 991'000 4 Tele Ringier AG 223'739 675'000 5 Das Beste Verlag das Beste 184'388 468'000 6 GlücksPost Ringier AG 170'128 451'000 7 TR7 Tevag AG 168'036 386'000 8 Saldo *** Consuprint AG 161'277 9 Schweizer Familie Tamedia AG 155'724 574'000 KI Media GmbH 139'409 578'000 11 Saison Küche (deutsch) Migros GenossenschaftsBund 133'734 384'000 12 Facts Tamedia AG 103'363 484'000 13 Bon à Savoir Editions Plus Sàrl 102'904 303'000 14 Annabelle Tamedia AG 100'015 328'000 15 Chuchi Verlag Meyer AG 97'357 311'000 10 Plus-Tipp *** ohne Werbung Weitere Auflagenzahlen bei der WEMF Quelle: WEMF Auflagen-Bulletin 2002 (Basis: Auflagen 2001) und MACH Basic 2002 – Medien Die politische Öffentlichkeit Funktion der Medien: • Beitrag zur Konstituierung der „politischen Öffentlichkeit“ durch politische Kommunikation • Beitrag zur Meinungsbildung (z.B. durch Selektionsleistungen, Agenda setting) Medien Die politische Öffentlichkeit Politisches Raisonnement in der Informationsgesellschaft: – mediale Kommunikationszentren, als Akteure, Gate Keeper, Agenda Setter und Kommunikatoren – ökonomisch-kommerzielle Kommunikationszentren (Public RelationsAgenturen, Marketingabteilungen, Medienstäbe) – politische Kommunikationszentren (Verbände, Parteien, Lobby-Agenturen, Behörden) Medien Bis in die 1960er Jahre • direkte Verbindung zwischen Medien und politischen Parteien (Parteipresse). • formalisierte Beziehung zwischen dem politischen System und den elektronischen Medien • politische Inhalte - politische Ideen - durch vorgegebene Ausgewogenheitskriterien beim Radio/TV und politische Selektionslogiken bei Parteipresse bestimmt Medien Heute: Klassische Symbiose von Politik und Medien wird durch Symbiose von Ökonomie und Medien abgelöst Medien Grundmuster der politischen Kommunikation in der Schweiz 19. /20. Jahrhundert: • Zeitungen waren Parteiblätter. • Der öffentliche Diskurs entstand aus den liberalen, radikalen, konservativen, demokratischen und sozialistischen Stimmen = Aussenpluralismus Medien Parteiorganisationen und Parteiorgane • Die Ausbildung einer starken Parteiorganisation und die Bindung an ein Parteiorgan stehen in einem wechselseitigen Verhältnis (Gruner 1964: 286). • Je geringer der organisatorische Apparat, desto grösser die enge Bindung an ein Parteiorgan. • These: Anhaltende Bedeutung der Parteipresse bis Mitte der 1960er Jahre mit stabilen Bindungen der Leser an die Parteiorgane hat die Herausbildung von Parteiorganisationen mit Mitgliederstrukturen lange Zeit behindert (Gruner 1964) Medien Viele Parteizeitungen • Mitte der 1960er Jahre 370 politische Zeitungen • nur 237 offizielle Organe von Parteien, aber von den 133, die sich als unabhängig und neutral ausgeben, sind wohl kaum mehr als 5 wirklich unabhängig (Gruner 1964). Parteipolitisches Engagement der Journalisten Medien Niedergang der Parteipresse • Erst seit 1968 begannen sich die Zeitungen von den Parteien zu emanzipieren. • Fusionen: parteigerichtete Blätter werden durch unabhängige ersetzt. Z.T. Fusion von Parteiblättern alter politischer Gegner • Binnenpluralismus Medien Beispiele aus Blum (1996: 203): • Die Südostschweiz ("Neue Bündner Zeitung" (demokratisch), "Freie Rätier" (freisinnig) und "Bündner Tagblatt„) • "National-Zeitung" (freisinnig, dann non-konform) und die "Basler-Nachrichten" (liberalkonservativ, dann liberal) zur "Basler Zeitung" • "Vaterland" (christlich-demokratisch) und das "Luzerner Tagblatt" (freisinnig) zuerst zur "Luzerner Zeitung", dann die "Luzerner Zeitung" und die eher etwas progressiven parteiunabhängigen "Luzerner Neusten Nachrichten" zur "Neuen Luzerner Zeitung„ • Le Temps aus dem Journal de Genève et Gazette de Lausanne und Nouveau Quotidien Medien Abkoppelung von politischen Akteuren und Medien • Akteure müssen sich Präsenz in Medien erkämpfen/finanzieren – z.T. Ausnahmen: NZZ, AZ, Schweizerzeit • Kommerzialisierung Medien: Redaktionsstatute versuchen die kommerziellen Interessen der Verlage zurückzubinden. • Gefahr des Konzernjournalismus (Bsp. TAMedia: TA – TV3) Medien Für Parteien bedeutet Entkoppelung von der Presse: • Sie verlieren ein wichtiges Sprachrohr • Sie verlieren ein wichtiges Medium zur Einbindung von Parteisympathisanten • Sie sind auf teure Werberäume angewiesen, oder • müssen mit Ereignissen („Pseudoereignissen“) eine Berichterstattung generieren. Medien Aufschwung der parteieigenen Organe Kantonalparteien mit eigenem Publikationsorgan 1860 - 1997 90 Erstpublikationen 70 60 Publikationen FDP, CVP, SVP, SP 50 Publikationen gesamt 40 30 20 10 1990-97 1980-89 1970-79 1960-69 1950-59 1940-49 1930-39 1920-29 1910-19 1900-09 1890-99 1880-89 1870-79 0 1860-69 Publikationen abs. 80 Medien Von der Partei zur Bewegungspartei • Veränderte Selektionskriterien im Mediensystem: Wettbewerbsvorteile von Bewegungen • Anpassung der etablierten Parteien an soziale Bewegungen im Kampf um Medienresonanz • Symbolisierung von Politik, Events Medien Bewegungspartei • Adaptionsform an den Strukturwandel der Öffentlichkeit • klassischer Weg zu den Machtpositionen im politischen System – Klassische Öffentlichkeitsarbeit: Positionspapiere, Wahlwerbung, Medienkonferenzen • Anpassung an verändertes mediales Umfeld zur Erlangung von Aufmerksamkeit – medienwirksame Aktionen in Form von Manifestationen, Events, zivilem Ungehorsam und Protestaktionen. • Organisation ist funktional differenziert, hierarchisch kontrolliert und auf zertifizierte Mitglieder beschränkt • gleichzeitig Charakter einer offene, basisdemokratische soziale Bewegung mit charismatischer Führung Medien Beispiele von Bewegungsparteien • Grüne Parteien (D, CH, A) • Organisationen der Neuen Rechten (FPÖ, Legas, Front National, Forza Italia) • Teilweise haben auch SP und SVP charakteristische Merkmale von Bewegungsparteien. Medien Medien und politische Öffentlichkeit • Zentrale Rolle der Medien als AgendaSetter, Gate-Keeper, moralisches Gewissen. • Beispiele Medialer Parteinahmen: EWR-Abstimmung, Aktion der Westschweizer Medien gegen das Streichen der Swissair IntercontinentalFlüge von Cointrin Medien Möglichkeiten und Grenzen der Medien: • Beispiel Arena • 1996: Marktanteil 37 %, Agenda setting, Verhandlungspodium • 2000: Studie bestätigt Bevorzugung SVP und SPS • Neues Sendekonzept • heute unter 30 % Medien Gebrauch von Medien als Einflussmittel • Wirtschaftliche Akteure verschaffen sich Macht durch Verfügungsgewalt über Medien (eigene Medien oder „paid media“) • Beispiele: Tat, Brückenbauer, SchweriInserate, Otto Ineichen Medien Medien als Parteiersatz Medienakteure greifen in die Politik ein. Bsp.: Neue Krone Zeitung (EU-Beitritt), Beobachter (Initiativen, Petitionen), andere Zeitungen punktuell (z.B. Personenkampagnen) Medien Medienparteien à la Berlusconi • branchenfremder Unternehmer kauft Zeitungen und Zeitschriften auf und profitiert von der Deregulierung der elektronischen Medien • Erfolg der „Forza Italia“: Zugriff auf die Politik war bis in Detail geplant und es standen private Infrastrukturen zur Verfügung. Berlusconi profitierte vom Zusammenbruch des alten politischen Systems. • Berlusconi setzte im Wahlkampf und auch nachher seine Medienmacht zu seinen Gunsten ein. Es besteht keinerlei Gewaltentrennung mehr zwischen politischer Macht und Medienmacht. Medien Folgerungen • Medien haben in den politischen Auseinandersetzungen ohne Zweifel an Bedeutung gewonnen • Immer weniger explizit Träger von politischen Ideen • Aber: oft ideologisch gefärbte Erklärungsmuster und Stellungnahmen im redaktionellen Teil, nicht gekennzeichnet Medien Wandel der medialen Öffentlichkeit und politische Parteien • Die Präsenz und Darstellung in den Medien wird heute bei Wahl- und Abstimmungserfolgen deutlich stärker gewichtet. • Medien fördern Personalisierung: Arenatauglichkeit • Aktualität und Präsentation: politische Inhalte der Parteien müssen sich Medienrationalität unterwerfen (möglichst schnell und in Form von 1., 2. und 3., schwarz oder weiss und möglichst polarisierend); siehe z.B. Mailinglists Medien Am Politikmarketing kommt heute keine Partei vorbei! • Wir sind gut, aber werden nicht zur Kenntnis genommen (Durrer) • Luftballone und Guido-Mobile • Junge Parteisekretäre aus der PR-Branche • An den Parteitagen wird gesungen und getanzt • Themenführerschaft und Eventmanagement ist im Kurs Medien Amerikanisierung von Wahlkämpfe (vgl. Radunski 1980: 151) • Der Kandidat ist wichtiger als die Partei. • Die Wahlkampfführung liegt bei professionellen Spezialisten. • Den Wahlkampagnen liegen umfangreiche Studien zugrunde. • Der Wahlkampf bedient sich verstärkt elektronischer Medien. Medien Weitere Indikatoren (Schulz 1997: 186 ff., Müller 1999: 40) • Entertainisierung der Politik (‚TalkshowCampaigning‘) • Negativecampaigning als fester Bestandteil des Wahlkampfes • Inszenierung von Pseudoereignissen zur Beeinflussung der Medien Medien Institutionelle und kulturelle Hürden • • • • • Konkordanz (<- elektorale Bescheidenheit) Föderalismus Direkte Demokratie Milizsystem Handlungsspielraum der Parteien (Mitgliederentwicklung vs. Finanzen und Professionalisierung ) <= Shopping-Modell! Medien Diskussion - zwei Thesen: • Parteien leben in der Schweiz medial wie die Maden im Speck (Management by Arena and Interview). • Strategie wird in der Politik immer wichtiger. Hier kommen die organisatorischen Defizite der Parteien am deutlichsten zum Ausdruck. Medien Es gilt weiterhin: Politik wird immer stärker durch die und von den Medien gemacht! Aber: Die Medien sind nach wie vor auf Politiker und Parteien angewiesen.