Minergie-Standards und -Labels

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Zertifikatsarbeit CAS Grundlagen für nachhaltiges Bauen 2014
Minergie-Standards und -Labels
Reto Amiet und Lukas Huber-Schmid
Zertifikatsarbeit MINERGIE, Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik
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Autor/innen
Reto Amiet
Dipl. Umwelt-Natw. ETH
Heilbronnerstrasse 9, 4500 Solothurn
Neosys AG, Privatstrasse 10, 4563 Gerlafingen
[email protected]
Lukas Huber-Schmid
Dipl. Umwelt-Natw. ETH/SIA, Raumplaner FSU/REG A, Umweltberater SVU
Kaltbacherstrasse 8, 6242 Wauwil
Kost + Partner AG, Industriestrasse 14, 6210 Sursee
[email protected]
Besten Dank an Stefan Haas, Industrielle Werke Basel (IWB) und Stefan Wickihalder, Stalder & Felber
Planungs AG, Reiden (SF Reiden) für die Angabe zweckmässiger Parameter und die Plausibilitätsprüfung
der berechneten Anteile erneuerbarer Energien des EFH Huber.
Der vorliegende Bericht wurde von den Studierenden des CAS Grundlagen für nachhaltiges Bauen im
Rahmen einer Zertifikatsarbeit erarbeitet.
Es muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Arbeit nicht im Rahmen eines Auftragsverhältnisses erstellt wurde.
Weder die Autoren noch die Fachhochschule Nordwestschweiz können deshalb für Aktivitäten auf der Basis
dieser Studierendenarbeit planerische Haftung übernehmen.
Zertifikatsarbeit MINERGIE, Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik
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Inhaltsverzeichnis
1 Zusammenfassung ............................................................................................. 4 2 Einleitung ........................................................................................................... 5 2.1 Ausgangslage ................................................................................................. 5 2.2 Zielsetzungen .................................................................................................. 5 3 Ziele von Minergie .............................................................................................. 5 4 Trägerschaft von Minergie ................................................................................. 7 4.1 Marke Minergie ............................................................................................... 7 4.2 Organisation .................................................................................................... 7 5 Minergie-Standards im Überblick ....................................................................... 9 6 Anforderungen ................................................................................................. 12 6.1 Minergie-Basis Standard ............................................................................... 12 6.2 Minergie-P ..................................................................................................... 13 6.3 Minergie-A ..................................................................................................... 16 6.4 Minergie-Eco ................................................................................................. 20 6.5 Minergie-Module ........................................................................................... 21 7 Zeitplan und Dokumente .................................................................................. 22 7.1 Systemnachweis ........................................................................................... 22 7.2 Standardlösungen ......................................................................................... 23 7.3 Ergänzungen bei Minergie-P, -A und –ECO ................................................. 24 8 Kontrolle ........................................................................................................... 24 8.1 Nachweis des Minergie-Standards ............................................................... 24 8.2 Stichproben ................................................................................................... 24 8.3 Überprüfung Qualitätsstandard ..................................................................... 24 8.4 Ergänzungen bei Minergie-ECO ................................................................... 24 9 Kosten .............................................................................................................. 25 10 Die kontrollierte Lüftung: Segen oder Teufelszeug? ....................................... 26 10.1 Problematik ................................................................................................... 26 10.2 Dichtigkeit des Gebäudes ............................................................................. 26 10.3 Luftqualität ..................................................................................................... 27 10.4 Luftzug .......................................................................................................... 30 10.5 Lärm .............................................................................................................. 30 10.6 Energie .......................................................................................................... 30 10.7 Folgerungen .................................................................................................. 31 11 Anteil erneuerbarer Energien bei Minergie-Bauten (Fallbeispiel) .................... 32 11.1 Rechtliche Hintergründe und Vorgehen ........................................................ 32 11.2 Standort- und Gebäude-Beschreibung ......................................................... 32 11.3 Planungs- und Baugeschichte ...................................................................... 33 11.4 Heizwärmebedarf .......................................................................................... 34 11.5 Anteil erneuerbarer Energien ........................................................................ 34 12 Vor- und Nachteile von Minergie ...................................................................... 36 12.1 Vorteile .......................................................................................................... 36 12.2 Nachteile ....................................................................................................... 36 13 Literatur- und Link-Liste, Beispiele der Zertifizierung ....................................... 37 Zertifikatsarbeit MINERGIE, Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik
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1 Zusammenfassung
Hinter der geschützten Marke Minergie steckt eine komplexe Organisation mit zahlreichen Beteiligten und jahrelanger Erfahrung, die mit ihrer Erfolgsgeschichte einen
wichtigen Beitrag für das nachhaltige Bauen in der Schweiz leistet.
Die Einhaltung der Anforderungen des jeweiligen Minergie-Standards muss mit den
entsprechenden Berechnungen und Nachweisformularen aufgezeigt werden, wobei
teilweise Standardlösungen und Minergie-Module (zertifizierte Bauteile in MinergieQualität) zur Verfügung stehen. Nach erfolgreicher technischer Prüfung durch die zuständige kantonale Energiefachstelle oder Minergie-Fachstelle, wird das provisorische
Zertifikat ausgestellt, das nach Einreichen der Baubestätigung durch das definitive
Minergie-Zertifikat ersetzt wird. Dieses bleibt gültig, solange keine Umbauten mit Auswirkungen auf die Energiebilanz des Gebäudes vorgenommen werden. Die Zertifizierungsgebühren hängen von der Gebäudekategorie und der Energiebezugsfläche
(EBF) ab.
Die Minergie-Standards unterscheiden sich wie folgt:
•
•
•
•
Der Basis-Standard erfordert eine etwas bessere Gebäudehülle als die gesetzlichen Mindestvorschriften und eine kontrollierbare Lüftung. Das Ergebnis ist ein
Niedrigenergiehaus. Die anderen Standards bauen darauf auf.
Minergie-P verlangt nach einer noch besseren Gebäudehülle und führt somit zu
Niedrigstenergie-Gebäuden. Ausserdem führt die tiefere Minergie-Kennzahl
Wärme zu einem höheren Anteil erneuerbarer Energien.
Minergie-A entspricht betreffend der Anforderungen an die Gebäudehülle dem
Basis-Standard. Der Energiebedarf für Raumwärme, Wassererwärmung, Lufternerneuerung und Klimatisierung muss jedoch in der Jahresbilanz vollständig mit
lokal erneuerbaren Energien gedeckt werden, weshalb Minergie-A-Bauten mitunter
als Nullenergie- oder sogar Plusenergie-Häuser bezeichnet werden.
Minergie-Eco ergänzt die anderen Standards im Bereich Gesundheit und Bauökologie.
Aufgrund des Gesamt-Energiegrenzwerts, verfügen die Planenden trotz hohen
Anforderungen über einen grossen Gestaltungsspielraum in verschiedenen
Themenbereichen, um ein dem Standort und den Kundenbedürfnissen
entsprechendes Gebäude zu entwickeln. Neubauten und Gebäudemodernisierungen,
die gemäss einem der genannten Standards realisiert werden, erfüllen mit Sicherheit
hohe Anforderungen an Komfort und Energieeffizienz. Das Minergie-Label ist zudem
mit einer Wertsteigerung der Liegenschaft verbunden.
Trotz der offensichtlichen Vorteile stehen viele Bauherren und Planende den MinergieStandards kritisch gegenüber. Ein wichtiger Grund ist die kontrollierte Lüftung, die sowohl eine korrekte Planung und Installation wie auch einen guten Unterhalt erfordert.
Dann ist jederzeit eine gute Luftqualität gewährleistet, Aussenlärm wird aus den Wohnund Arbeitsräumen ferngehalten, und dank Wärmerückgewinnung kann im Winterhalbjahr Energie gespart werden.
Minergie wird häufig als Garant für die energetische Nachhaltigkeit im Gebäudebereich
betrachtet – das in diesem Bericht diskutierte Fallbeispiel EFH Huber zeigt jedoch,
dass der Anteil erneuerbarer Energien je nach der gewählten Gebäudetechnik stark
schwanken kann und das Gebäude nicht in jedem Fall als vorbildlich bezeichnet
werden kann.
Insgesamt zeigt Minergie Bauherren bzw. Hauseigentümern in unterschiedlichen Situationen Handlungsmöglichkeiten auf, die in Richtung nachhaltiges Bauen führen, und
entsprechende Anreize sind ebenso vorhanden. Ein nachhaltiger Lebensstil der Bewohner ist damit jedoch nicht gewährleistet, da zum Beispiel die Mobilität nicht berücksichtigt wird – genauso wenig wie der Strombezug von einer Energiegenossenschaft
oder eine fleischarme Ernährung.
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2.1
Einleitung
Ausgangslage
Der Verbrauch fossiler Energieträger und der daraus resultierende Klimawandel durch
den CO2-Ausstoss ist heutzutage das relevanteste Umweltproblem weltweit. Die
meisten Länder haben sich deshalb verpflichtet, den CO2-Ausstoss durch Wechsel auf
erneuerbare Energien und Energieeffizienz zu reduzieren.
So auch in der Schweiz. Der Bund hat dazu mit der Energiestrategie 2050 einen Massnahmenplan veröffentlicht. Da Gebäude fast die Hälfte des gesamten Energiebedarfs
ausmachen, sind hier viele Massnahmen angedacht. Das Energieeinspar-Potential bei
Komfortwärme (Heizung) Warmwasser und auch Elektrizität ist beachtlich. Labels und
Standards von Gebäuden setzen deshalb in erster Linie hier an.
Minergie ist ein als Marke geschützter, freiwilliger Baustandard, der auf den Mustervorschriften der Kantone (MuKEn) aufbaut. Er hat neben einem niedrigen Energieverbrauch auch einen höheren Komfort und Lebensqualität als Ziel. Gebäude, die nachweislich die Anforderungen des Minergie-Basis-Standards, Minergie-P oder Minergie-A
sowie allenfalls des Zusatzes –Eco erfüllen, werden mit dem entsprechenden Label
ausgezeichnet.
2.2
Zielsetzungen
Ziel dieser Arbeit ist, einen Überblick über die Standards Minergie, Minergie-P, Minergie-A und Minergie-Eco zu geben. Anforderungen, Ablauf, Kosten, etc. sollen dabei
aufgezeigt werden. Dabei ist eine vergleichende Darstellung der verschiedenen Varianten wichtig.
Ausserdem werden Pro und Contra der bei Minergie vorgeschriebenen kontrollierten
Lüftung beleuchtet und der Anteil erneuerbarer Energien am Beispiel einer MinergieModernisierung untersucht.
3
Ziele von Minergie
Mehr Lebensqualität, tiefer Energieverbrauch. Mit diesem Satz macht Minergie klar,
auf was der Standard fokussiert. Es stehen drei Themen im Vordergrund:
•
•
•
Komfort
Werterhaltung
Energieeffizienz
Ein rationeller Energieeinsatz bei gleichzeitiger Verbesserung der Lebensqualität und
Senkung der Umweltbelastung ist das Ziel von Minergie.
Ein ganzjähriger Luftwechsel wird durch eine kontrollierte Lüftung vorgeschrieben und
garantiert einen hohen Komfort. Durch die gute Wärmedämmung genügt bei Minergie
die Lüftung durch Öffnen der Fenster nicht. Im Vergleich dazu hat die Lüftung auch
den Vorteil, dass sie durch Wärmerückgewinnung (WRG) energiesparend betrieben
werden kann. Die WRG wird allerdings nicht vorgeschrieben von Minergie, fliesst aber
in die Gesamt-Energie-Bilanz ein.
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Durch die langfristigen Entscheide beim Bauen mit dem Standard Minergie wird eine
hohe Qualität gefördert. Dies wirkt sich auf den Wert einer Liegenschaft aus.
Die Energieeffizienz wird in Form eines Grenzwerts definiert. Dabei ist der Gesamtenergieverbrauch (Wärme, Warmwasser, Lüftung und Klimatisierung) begrenzt und
nicht die einzelnen Aspekte. Dies lässt Freiraum für sinnvolle Kombinationen. Die
Wärmeenergie spielt dabei durch die gute Wärmedämmung eine eher untergeordnete
Rolle.
Zur Auswahl stehen folgende Standards (vgl. Abbildung 1):
•
•
•
•
Minergie – das Niedrigenergiehaus als Basis-Standard, auf dem die anderen Standards aufbauen
Minergie-P – das Niedrigstenergiehaus
Minergie-A – das Null- oder Plusenergiehaus
Minergie-Eco als Zusatz zu den oben genannten Standards
Minergie-P („passiv“) hat zum Ziel, dass Gebäude noch weniger Energie verbrauchen
als bei Minergie. Der Fokus liegt zusätzlich auch auf dem Energieverbrauch der Haushaltsgeräte.
Minergie-A („aktiv“) geht noch weiter. Das Gebäude soll in der Jahresbilanz gar keinen Energiebedarf mehr aufweisen. Allerdings muss das nicht durch einen sehr tiefen
Verbrauch erreicht werden, die Energie kann auch durch erneuerbare Energien (z.B.
eine Fotovoltaik-Anlage) selber produziert und somit gedeckt werden. Zusätzlich liegt
der Fokus auf der grauen Energie und dem Energieverbrauch der Haushaltgeräte.
Der Zusatz –ECO nimmt zusätzlich die Themen Gesundheit (Tageslicht, Schallschutz,
Strahlung und Innenraumklima) und Bauökologie (graue Energie, Materialeigenschaften, Bauprozesse und auch Rückbau) in den Fokus.
Abbildung 1: Gegenüberstellung der Beurteilungskriterien für die Minergie-Standards Minergie, Minergie-P,
Minergie-A und den Zusatz Eco, Grenzwerte gültig für Neubauten [1]
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4 Trägerschaft von Minergie
4.1
Marke Minergie
Minergie ist eine geschützte Marke, Eigentümer sind die Kantone Bern und Zürich.
Sie kann neben dem Minergie-Zertifikat auch als Minergie-Konformität oder in
gewissen Fällen zur freien Nutzung gebraucht werden.
Minergie-Zertifikat
Gebäude oder Module, welche den Minergie-Standard erfüllen, können bei der
zuständigen kantonalen Zertifizierungsstelle oder bei der Minergie Agentur Bau ein
Zertifikat beantragen. Mit einer technischen Prüfung wird die Einhaltung des Standards
kontrolliert.
Minergie-Konformität
Für Broschüren, Internet-Publikationen etc., aber auch Dienstleistungen kann die
Marke Minergie verwendet werden, wenn der Inhalt mit den Zielsetzungen von Minergie übereinstimmt.
Freie Nutzung
Wenn keine Güter oder Dienstleistungen mit der Marke Minergie in Verbindung gebracht werden, kann die Marke Minergie frei benutzt werden.
4.2
Organisation
Geschäftsstelle Minergie
Sie ist verantwortlich für Veranstaltungen, Kurse, Markenschutz und Fachpartnerschaften.
Zertifizierungsstellen
Jeder Kanton hat eine eigene Zertifizierungsstelle. Oft sind es Einrichtungen der kantonalen Behörden (Baudirektion, Energie- oder Umweltfachstelle).
Kantonale Energiefachstellen
Sie können Auskunft geben zum Ablauf der Minergie-Zertifizierung, aber auch zu
Förderbeiträgen oder Baugesuchen.
Verein Minergie (Association Minergie, AMI)
Die Mitglieder des Vereins sind aus den Bereichen Bund, Kanton, Wirtschaft, Schulen,
Vereine, Institutionen und weitere interessierte Personen. Sie sind Partner bei
Messeauftritten und Veranstaltungen. Die Mitgliedschaft kostet 2000.-/a (Firmen) resp.
200.-/a (Private).
Der AMI koordiniert alle Aktivitäten und stellt die Qualitätskontrolle sicher.
Minergie-Fachpartner
Sie sind aus der Baubranche und haben mindestens schon zwei Gebäude nach
Minergie-Standard errichtet. Es gibt exklusive Veranstaltungen für Fachpartner (ERFASeminare, Fachveranstaltungen).
Minergie France
Die französische Organisation Prioriterre hat 2006 die Lizenz für das Gebiet RhôneAlpes erworben. Energetisch optimiertes Bauen und Sanieren ist in Frankreich ein
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grosses Thema, leider bestehen aufgrund der Politik der 80er Jahre aber grosse
Hemmnisse. Man hat damals auf Innenisolation und zentrale Lüftung gesetzt.
Leading Partner
Es sind Vertreter der Wirtschaft und führende Partner im Verein. Dies im Bereich
Fenster, Dämmstoffe, Heiz- und Lüftungsgeräte, aber auch Weiterbildung, Haushaltgeräte und Bank.
Minergie-Jury
Bei besonders anspruchsvollen Bauten, welche unter Umständen mit dem normalen
Verfahren nicht zertifiziert werden können, wird die Beurteilung und Zertifizierung
durch die Jury gemacht. Sie besteht aus 7 bis 10 Fachleuten und wird vom Vorstand
des Vereins gewählt.
Verein eco-bau
Er entwickelt Planungswerkzeuge für nachhaltiges Bauen gemäss SIA112/1. Die
Werkzeuge kommen bei der Planung, Realisierung Betrieb und Rückbau eines
Gebäudes zum Tragen und fliessen vorwiegend bei Minergie-Eco ein.
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5 Minergie-Standards im Überblick
Die Kriterien für Neubauten gemäss Minergie, Minergie-P und Minergie-A sind in Abbildung 1 und 2 ersichtlich. Im Anhang finden sich detailliertere Anforderungen
– inklusive teilweise gelockerten Bedingungen für Gebäude, die vor dem Jahr 2000
gebaut worden sind (Modernisierungen).
Die per 1. Januar 2015 bzw. 1. Januar 2016 in Kraft tretenden Neuerungen werden im
vorliegenden Bericht nicht erläutert.
Abbildung 2: Minergie, Minergie-P und Minergie-A im Vergleich [2]
Anhand des Heizwärmebedarfs Qh gemäss der Norm SIA 380/1 und der MinergieKennzahl Wärme (Endenergiebedarf für Heizung und Warmwasser) lassen sich die
Anforderungen an die Standards anschaulich vergleichen (vgl. Abbildung 3).
Der Minergie-Basis-Standard erfordert eine etwas bessere Gebäudehülle als die
MuKEn und bedingt den Einbau einer Komfortlüftung (Alternativen vgl. [4]) zur Gewährleistung eines guten Raumklimas. Das Minergie-Zertifikat garantiert dem Bauherrn eine gute Bauqualität, eine angemessene Nutzung erneuerbarer Energien und
höchstens minimale Mehrkosten im Vergleich zu konventionellen Bauten. Bei Altbauten stellt der Basis-Standard meistens das wirtschaftlichste und architektonisch
verträglichste Minergie-Modernisierungskonzept dar – die höheren Investitionen für die
Erreichung des Minergie-P- oder Minergie-A-Standards könnten mit den heutigen
Rahmenbedingungen unter Umständen nicht amortisiert werden und würden das Erscheinungsbild des Gebäudes übermässig beeinträchtigen.
Abbildung 3: Anforderungsniveau der verschiedenen Minergie-Standards im Vergleich mit den gesetzlichen
Vorschriften [3]
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Minergie-P baut auf einer hochgedämmten Gebäudehülle auf, und die im Vergleich
zum Basis-Standard tiefere Minergie-Kennzahl Wärme führt zu einem höheren Anteil
erneuerbarer Energien. Vorteilhaft ist dieser Ansatz insbesondere bei grossen, kompakten Gebäuden (zum Beispiel Mehrfamilienhäusern MFH) mit mittlerer bis hoher
Sonneneinstrahlung (vgl. Abbildung 4). In tiefgelegenen, sonnenverwöhnten Gebieten
– zum Beispiel in der Region Basel oder im Südtessin – gewährleistet Minergie-P auch
an sommerlichen Hitzetagen angenehme Innentemperaturen ohne Klimatisierung.
Minergie-A fordert keinen umfassenden Wärmeschutz wie Minergie-P. Dafür muss der
Energiebedarf für Raumwärme, Wassererwärmung, Lufterneuerung und Klimatisierung
in der Jahresbilanz vollständig mit lokal erneuerbaren Energien gedeckt werden (zum
Beispiel mittels Fotovoltaik-Anlagen oder Sonnenkollektoren auf den Dach- oder
Fassadenflächen). Dementsprechend ist dieser Ansatz insbesondere an Standorten
mit hoher Sonneneinstrahlung – zum Beispiel an Walliser Südhängen – von Interesse.
Bei kleineren, weniger kompakten Gebäudetypen (zum Beispiel Einfamilienhäusern
2
EFH) ist Minergie-A unter Umständen einfacher erreichbar als Minergie-P, da pro m
Energiebezugsfläche mehr Dach- und Fassadenfläche für die Gewinnung von
Sonnenenergie zur Verfügung steht.
Ausserdem ist bei Minergie-A die graue Energie für die Erstellung, den Betrieb und
den Rückbau eines Gebäudes zu berücksichtigen. Da bei Modernisierungen nur geänderte Bauteile und Materialien relevant sind, haben bestehende Bauten gegenüber
Neubauten einen gewissen Vorteil.
Abbildung 4: Eignung der Minergie-Standards nach Gebäudegrösse und Sonneneinstrahlung [3]
Minergie-P und Minergie-A können kombiniert werden. Dabei entstehen Synergien: Aufgrund der hochgedämmten Gebäudehülle gemäss Minergie-P muss nur ein
sehr kleiner Heizwärmebedarf mit erneuerbaren Energien gedeckt werden, um die
Anforderungen von Minergie-A zu erfüllen – das kann insbesondere bei MFH‘s von
Interesse sein. Für Wassererwärmung, Lufterneuerung und Klimatisierung müssen
jedoch unverändert erneuerbare Energien eingesetzt werden, was mit entsprechenden
Kosten verbunden ist. Ob sich der Aufwand für die Erfüllung beider Standards lohnt,
muss deshalb im Einzelfall geprüft werden.
Aus energetischer Sicht erscheint die Kombination von Minergie-P und Minergie-A
insbesondere an sonnigen Höhenlagen mit vergleichsweise tiefen Durchschnittstemperaturen – zum Beispiel in den Bündner Bergen – interessant: Die Gebäudehülle sorgt
für minimale Wärmeverluste (wobei Minergie-P aufgrund der Parameter der GebirgsKlimastationen bereits mit einer verhältnismässig schlechten Dämmung erreichbar ist,
vgl. [5], S. 171), während Sonnenkollektoren und Fotovoltaik-Anlagen dank überdurchschnittlicher Anzahl Sonnenstunden und gleichzeitig tieferen Lufttemperaturen die
maximale Strommenge liefern, sofern sie im Winter schneefrei gehalten werden. Im
Südtessin oder an den Walliser Südhängen bietet sich sogar die Möglichkeit, mit ak-
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zeptablem Aufwand ein Plusenergiehaus (Übererfüllung von Minergie-A) zu realisieren.
Minergie-Eco ergänzt die Standards Minergie, Minergie-P und Minergie-A im Bereich
Gesundheit und Bauökologie.
Eine gute Raumluft ist ein Muss. Gewisse Stoffe, wie Formaldehyd oder schwermetallhaltige Stoffe sind deshalb beim ECO-Bau verboten. Das Tageslicht im Gebäude soll
optimal sein, was eine gewisse Fensterfläche in Bezug auf die Wohnfläche verlangt.
Weiter sollen die Immissionen von Lärm und Strahlungen (Radon) möglichst tief sein.
Die Rohstoffe für den Bau sollen gut verfügbar sein und einen hohen Anteil RecyclingMaterial aufweisen. Für die Herstellung der Materialien wird ein möglichst geringer
Energieaufwand angestrebt. Weiter soll bereits beim Bau auf eine gute Rückbaubarkeit
(Recycling) geachtet werden.
Die folgende Tabelle (Aufbau gemäss ähnlichen Tabellen in [6] und [7]) zeigt wichtige
Themenbereiche der Minergie-Standards und Stellschrauben für die Gebäudeoptimierung auf. Nicht überall müssen perfekte Lösungen realisiert werden: Besonders
gute Lösungen im einen Bereich erlaubt Kompromisse in anderen Bereichen. Die
Planenden verfügen somit über einen grossen Spielraum, um ein dem Standort und
den Kundenbedürfnissen entsprechendes Gebäude zu entwickeln.
Nutzung von Wärmegewinnen
P A
Grosse, kompakte Gebäudeform
• Gebäudeausrichtung nach Süden
• Vermeidung von Verschattungen durch Bäume
und Gebäude
• Einplanung aktivierbarer Speichermasse
• Gutes Oberflächen-Volumen-Verhältnis
• Weniger geometrische Wärmebrücken
• Geringe Eigenverschattung
⇒ grössere Solargewinne
Konsequente Wärmedämmung
Wärmebrücken
P A
• Dreifach verglaste Fenster
• Tiefe U-Werte aller Bauteile
• Wirtschaftlicher als teure Solaranlage
Luftdichtigkeit
•
•
•
•
P A
Sommerlicher Wärmeschutz
P A
Effiziente Stromnutzung
• Kontrollierte Lufterneuerung
• Nutzung erneuerbarer Energien
Nullenergie
•
•
•
•
P A
• Externer automatischer Sonnenschutz
• Einplanung aktivierbarer Speichermasse
• Empfehlungen zum Glasanteil an Fassaden
P A
• Effiziente Haustechnik (z.B. Pumpen)
• Beste Haushaltgeräte
• Beste Beleuchtung (nur Minergie-A)
A
• Solarstrom aus eigener Fotovoltaikanlage
• Solarwärmenutzung mit Sonnenkollektoren
• Max. 50% durch Biomasse-Verbrennung
Gesundheit
P A
• Vermeidung geometrischer
Wärmebrücken
• Optimierung konstruktiver Wärmebrücken
Beachtung bereits bei der Planung
Vorteile bei Hygiene und Komfort
Sicherung der Bauschadenfreiheit
Reduktion des Energiebedarfs
Haustechnik
P A
Graue Energie (Erstellung, Abbruch)
•
•
•
•
Eco
Geringe Schadstoffe in der Raumluft
Gutes Tageslicht
Tiefe Lärmimmissionen
Wenig Strahlung (Radon)
Vermeidung energieintensiver Baustoffe
Aushub-Minimierung (Kellergeschosse)
Verzicht auf unnötige Haustechnik
Minimierung unbeheizter Flächen
Legende
Minergie-Basis-Standard
P
Minergie-P-Standard
A
Minergie-A-Standard
Eco
Minergie-Eco-Standard
Tabelle 1: Themen und Stellschrauben für die Gebäudeoptimierung
Zertifikatsarbeit MINERGIE, Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik
A Eco
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6 Anforderungen
6.1
Minergie-Basis Standard
Alle Bauten gemäss den 12 Gebäudekategorien der Norm SIA 380/1:2009 können
gemäss dem Minergie-Basis-Standard zertifiziert werden (Neubauten und Modernisierungen). Die Gebäude müssen folgenden Anforderungen entsprechen:
Generelle Vorschriften
Gemäss den generellen Vorschriften in [8] muss ein Minergie-zertifiziertes Gebäude
folgenden Vorgaben genügen:
Vorgabe:
•
Totaler Energiebedarf mindestens 25% und fossiler
Energieverbrauch mindestens
50% unter dem des
durchschnittlichen Standes der
Technik
•
Mindestens üblicher Komfort
bei der jeweiligen Nutzung
Mittel zur Ziel-Erreichung / Bemerkungen
• Reduktion des Energiebedarfs durch optimierte Gebäudehülle und Komfortlüftung
(Alternativen vgl. [4])
• Bevorzugung erneuerbarer Energien durch
Gewichtungsfaktoren g (vgl. Anhang 3)
•
•
•
Warme innere Oberflächen
⇒ keine kondensierende Feuchtigkeit
Ausgeglichene Innentemperaturen
⇒ kaum Überhitzung im Sommer bei
richtigem Nutzerverhalten
Systematische Lufterneuerung
- Optimaler Luftvolumenstrom, keine
Zugserscheinungen bei korrekter Einstellung der Lüftung
- Kontinuierliche Frischluftzufuhr
- Herausfilterung von Staub und Pollen
aus der Aussenluft
- Abführung überschüssiger Feuchte und
Gerüche
- Schutz vor Aussenlärm
•
Ausführung zu konkurrenzfähigen Preisen, d. h. maximal
10% teurer als bei vergleichbaren, konventionellen
Bauten
Quelle: [4]
• Mehrkosten bei Neubauten unter 5% [9]
• Aufgrund klarer Vorgaben und verfügbarer
Minergie-Module sind sogar Minderkosten
insbesondere in der Planung möglich
• Bei Modernisierungen keine Vergleichsangaben bekannt
•
Mindestens so problemlose
Entsorgung der verbauten
Baustoffe wie die durchschnittlichen konventionellen
Baustoffe
Alle üblichen Baustoffe möglich, wobei auf einfach trennbare Verbundstoffe und Konstruktionen
zur Wiederverwendung bzw. Verwertung
geachtet werden sollte (vgl. [10], Anhang C,
Kriterium 3.1.4)
Tabelle 2: Generelle Vorschriften für Minergie-Bauten
Kontrollierbare Aussenluftzufuhr
Neubauten und fachgerecht modernisierte Altbauten verfügen in der Regel über eine
mehr oder weniger luftdichte Gebäudehülle. Zur Gewährleistung eines guten Komforts
ist eine kontrollierbare Aussenluftzufuhr notwendig – meistens eine Komfortlüftung
(vgl. [4]). Manuelle Fensterlüftungen genügen dem Minergie-Standard nicht.
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In einigen Fällen wird eine kontrollierbare Aussenluftzufuhr allerdings nicht vorausgesetzt, sondern lediglich empfohlen (vgl. [8], S. 11):
•
•
Vor 2000 erstellte öffentliche Bauten sowie Industrie- und Lagerbauten
(Gebäudekategorien III, V, VII, IX, X und XI)
Neue Industrie- und Lagerbauten (Gebäudekategorien IX und X)
Primäranforderung an die Gebäudehülle betreffend Heizwärmebedarf
Als grundlegende Voraussetzung für den Minergie-Standard gilt folgende Anforderung
(vgl. Anhang 4):
•
•
Neubauten aller Gebäudekategorien: Heizwärmebedarf Qh ≤ 90% des Grenzwerts
Qh,li von SIA 380/1:2009
Vor 2000 erstellte Bauten (Modernisierungen): keine Primäranforderung (Ausnahme Hallenbäder: Qh ≤ Qh,li bezogen auf SIA Neubau-Grenzwert)
Minergie-Grenzwerte (Minergie-Kennzahl Wärme)
Die mit dem Nutzungsgrad η (vgl. Anhang 2) und dem Gewichtungsfaktor g (vgl.
Anhang 3) gewichtete Minergie-Kennzahl Wärme, in der neben Raumheizung und
Warmwasser auch die Elektrizität für die mechanische Lüftung sowie gegebenenfalls
der Energieaufwand für die Raumklimatisierung enthalten ist, darf den jeweiligen
Minergie-Grenzwert nicht überschreiten.
Folgende Minergie-Grenzwerte sind einzuhalten (vgl. Tabellen im Anhang 4):
Gebäudekategorie
Neubauten
Bauten vor 2000
(Modernisierungen)
I, II
Wohnbauten
38 kWh/m
2
60 kWh/m
2
III, IV,
V, VII
Verwaltung, Schulen, Verkauf
und Versammlungslokale
40 kWh/m
2
55 kWh/m
2
VI
Restaurants
45 kWh/m
2
65 kWh/m
2
VIII
Spitäler
70 kWh/m
2
85 kWh/m
2
IX
Industrie
20 kWh/m
2
40 kWh/m
2
X
Lager
20 kWh/m
2
35 kWh/m
2
XI
Sportbauten
25 kWh/m
2
40 kWh/m
2
XII
Hallenbäder
kein Grenzwert
Kein Grenzwert
Tabelle 3: Minergie-Grenzwerte in der Übersicht
Zusatzanforderungen (vgl. Anhang 4)
Je nach Gebäudekategorie gelten unterschiedliche Zusatzanforderungen, auf die im
vorliegenden Bericht jedoch nicht eingegangen wird.
6.2
Minergie-P
Die Anforderungen an Minergie-P-Bauten unterscheiden sich in einigen Bereichen
signifikant von jenen an Minergie-Gebäude. Die massgebenden Verschärfungen
werden nachfolgend aufgezeigt (identische Kriterien werden nicht aufgeführt). Abgesehen von Hallenbädern (Gebäudekategorie XII) können alle Neubauten und Modernisierungen mit luftdichter Gebäudehülle Minergie-P-zertifiziert werden.
Generelle Vorschriften
Gemäss den generellen Vorschriften in [11] muss ein Minergie-P-zertifiziertes Gebäude folgenden verschärften Vorgaben genügen:
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Vorgabe:
Mittel zur Ziel-Erreichung / Bemerkungen
•
Massive Verbesserung im Vergleich zum BasisStandard aufgrund folgender Anforderungen:
•
Totaler Energiebedarf mindestens 60% unter dem des
durchschnittlichen Standes der
Technik
Baukosten maximal 15% teurer
als bei vergleichbaren, konventionellen Bauten
•
•
•
•
Hochgedämmte Gebäudehülle
Installation mindestens einer Anlage zur
Nutzung erneuerbarer Energien
Mehrkosten bei Neubauten 11 – 15 % [12]
Bei bestehenden Bauten Ersatzneubau häufig wirtschaftlicher als Modernisierung
Tabelle 4: Generelle Vorschriften für Minergie-P-Bauten
Kontrollierbare Aussenluftzufuhr (vgl. Anhang 5)
Im Unterschied zum Basis-Standard ist eine Komfortlüftung (Alternativen vgl. [4]) bei
allen Gebäudekategorien und sowohl bei Neubauten wie auch bei Modernisierungen
Pflicht.
Luftdichtigkeit (vgl. Anhang 5)
Lüftungsanlagen erbringen in luftdichten Gebäuden die besten Ergebnisse, weshalb
die Luftdichtigkeit mit dem Blower-door-Test nachgewiesen werden muss. Folgende
Grenzwerte dürfen nicht überschritten werden:
•
•
Neubauten:
Modernisierungen:
n50,st ≤ 0.6 /h
n50,st ≤ 1.5 /h
n50,st: Luftwechselrate bei 50 Pa Druckdifferenz, standardisierten Bedingungen
Primäranforderung an die Gebäudehülle betreffend Heizwärmebedarf
Als grundlegende Voraussetzung für den Minergie-P-Standard gilt folgende Anforderung (vgl. Anhang 5):
•
•
Neubauten aller Gebäudekategorien: Heizwärmebedarf Qh ≤ 60% des Grenzwerts
2
Qh,li von SIA 380/1:2009 oder < 15 kWh/m
Vor 2000 erstellte Bauten (Modernisierungen): Heizwärmebedarf Qh ≤ 80% des
2
Grenzwerts Qh,li von SIA 380/1:2009 oder < 15 kWh/m
Minergie-P-Grenzwerte (Minergie-P-Kennzahl Wärme)
Die Berechnung der Minergie-P-Kennzahl Wärme ist gleich wie bei Minergie.
Folgende Minergie-P-Grenzwerte sind einzuhalten (vgl. Tabellen im Anhang 5):
Gebäudekategorie
Neubauten und Bauten vor
2000 (Modernisierungen)
I, II
Wohnbauten
30 kWh/m
2
III, IV, V
Verwaltung, Schulen, Verkauf
25 kWh/m
2
VI, VII
Restaurants und
Versammlungslokale
40 kWh/m
2
VIII
Spitäler
45 kWh/m
2
IX, X
Industrie und Lager
15 kWh/m
2
XI
Sportbauten
20 kWh/m
2
XII
Hallenbäder
Nicht Minergie-P-zertifizierbar
Tabelle 5: Minergie-P-Grenzwerte in der Übersicht
Spezifischer Heizwärmebedarf (vgl. Anhang 5)
Bei Gebäuden mit Heizwärmeverteilung überwiegend über die Lüftungsanlage ist zu2
sätzlich der Grenzwert von 10 W/m für den spezifischen Heizwärmebedarf zu beachten (Neubauten und Modernisierungen). Da diese Heizungsart nur selten gewählt
wird, verzichten wir in diesem Bericht auf weitere Erläuterungen.
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Elektrizitätsbedarf von Haushaltgeräten (vgl. Anhang 5)
Um ideale Voraussetzungen für einen tiefen Elektrizitätsverbrauch zu schaffen, ist der
Einbau von fest installierten Haushaltgeräten der Effizienzklasse A (Kochherde,
Waschmaschinen etc.) bzw. A+ (Kühlgeräte) vorgeschrieben.
Zusatzanforderungen (vgl. Anhang 5)
Je nach Gebäudekategorie gelten unterschiedliche Zusatzanforderungen, auf die im
vorliegenden Bericht jedoch nicht eingegangen wird.
Spezifische Überlegungen zum Minergie-P-Standard
Auf den ersten Blick erscheint der Vergleich zwischen einem normalen Minergie- und
einem Minergie-P-Gebäude einfach (vgl. Abbildung 2). Die nachfolgenden Überlegungen zeigen jedoch auf, dass die Erreichung des Minergie-P-Standards nur möglich ist, wenn ein Gebäude als Gesamtsystem in allen Teilen konsequent geplant und
gebaut wird – da liegt die Messlatte bei Minergie-P deutlich höher. Ausserdem ist die
Installation einer Anlage zur Nutzung erneuerbarer Energien kaum zu umgehen.
Sind die grundlegenden Fragen betreffend Lage der Energiebezugsflächen und der
thermischen Hülle (Dämmperimeter) geklärt, hat das Hauptaugenmerk gemäss [5], S.
49 folgenden Elementen zu gelten:
•
•
•
Transmissionswärmeverlusten durch die Bauteile der Gebäudehülle
Transmissionswärmeverlusten bei Bauteilübergängen (Wärmebrücken)
Solaren Energiegewinnen
Gemäss Ragonesi sind alle anderen Faktoren entweder kaum beeinflussbar oder von
untergeordneter Bedeutung.
Trotz der hohen Anforderungen eröffnen einige Stellschrauben den Planenden genügende Gestaltungsmöglichkeiten (vgl. Tabelle 1), um standort- und kundengerechte
Lösungen zu erarbeiten.
Wichtig ist die Berücksichtigung folgender Zusammenhänge:
•
•
•
Je besser die opaken Bauteile (Wände, Boden und Dach) gedämmt werden, umso
mehr fallen die Wärmebrücken ins Gewicht! Einfache Gebäudeformen mit möglichst wenig Einschnitten, Auskragungen, Ecken und Kanten sind deshalb aus
energetischer Sicht zu bevorzugen, um geometrische Wärmebrücken zu vermeiden (Holzbauten ausgenommen, vgl. [5], S. 126). Materialbedingte Wärmebrücken bei den Übergängen verschiedener Bauteile (zum Beispiel bei Gebäudesockeln, Balkonen, Dachrändern und Fensterleibungen) können dagegen durch
eine sorgfältige Detailplanung minimiert werden. Dabei ist festzuhalten, dass die
Wärmebrückenverluste bei Fensterleibungen von Holzbauten aufgrund des Holzrahmens im Leibungsbereich grundsätzlich grösser sind als bei Massivbauten (vgl.
[5], S. 137 und Abbildung 3.76 auf S. 136) – das ist insofern von Bedeutung, als
die Fensterleibungen in der Regel längenmässig den grössten Anteil aller Wärmebrücken ausmachen und somit massgeblich zum Transmissionswärmeverlust (QT)
und zum Heizwärmebedarf (Qh) des Gebäudes beitragen.
Gemäss [5], S. 53 kann bei Massivbauten die erforderliche Luftdichtigkeit bereits
mit relativ geringem Aufwand erreicht werden. Dagegen muss bei Holzbauten auf
eine weitgehend lückenlose Verlegung der luftdichten Schicht geachtet werden –
Durchdringungen sind zu vermeiden. Häufig sind separate Dampfbremsen und
Luftdichtigkeitsschichten notwendig. In jedem Fall ist eine Luftdichtigkeitsprüfung
mit dem Blower-door-Test vorgeschrieben.
Auch die besten Fenster haben einen gegenüber gut gedämmten Fassaden mehrfach höheren QT, weshalb für Minergie-P nur dreifach-verglaste Fenster mit Glasabstandshaltern aus Edelstahl oder Kunststoff in Frage kommen (vgl. [6], S. 4).
Ziel ist ein möglichst tiefer U-Wert des Glases zur Minimierung des QT (als Konsequenz wird allerdings der Solargewinn QS verringert).
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•
•
•
•
•
6.3
Weitere wichtige Aspekte:
- Kleiner Rahmenanteil bzw. grosser Glasanteil zur Minimierung des QT und
Maximierung des QS
- Idealerweise Fenstereinbau mittig in der Fassadenkonstruktion zur Minimierung der Wärmebrückenverluste (vgl. [5], S. 137 und Abbildung 3.76 auf S.
136).
Im Winter erlauben grosse, unverschattete Fensterflächen auf der Südseite Solargewinne, die im Gebäudeinnern so gut wie möglich gespeichert werden müssen,
um das Gebäude nachts bzw. bei der Betrachtung über mehrere Tage an
Schlechtwettertagen warm zu halten – während im Tag-Nacht-Zyklus auch Holzmöbel und andere Einrichtungselemente als Speichermasse funktionieren, ist die
Materialwahl bei den opaken Bauteile für den längerfristigen Temperaturausgleich
entscheidend: Schwere Bauteile (Beton, Backstein etc.) sind diesbezüglich vorteilhaft.
Beim sommerlichen Wärmeschutz bestehen teilweise gegenläufige Prioritäten, da
die solaren Wärmeeinträge minimiert werden müssen. Bei Südfassaden mit sehr
hohem Fensteranteil wirken sich Balkone als fixe Verschattung positiv aus (aufgrund der damit verbundenen winterlichen Nachteile wird jedoch in [5], S. 54 davon abgeraten; dafür werden Loggien innerhalb der thermischen Hülle empfohlen).
Ansonsten ist ein aussen installierter, windfester und steuerbarer Sonnenschutz
von elementarer Bedeutung. Genauso wichtig wie im Winter ist im Sommer eine
geschickt geplante Speichermasse, welche Hitzespitzen dämpfen kann. Nachts
wird das Gebäude über die Fenster wieder ausgekühlt – wo Lärm oder Schadstoffimmissionen gegen das Öffnen der Fenster sprechen, ist häufig eine aktive
Kühlung (zum Beispiel mit der Erdsonde) notwendig.
Bei der Haustechnik setzen die meisten Planer und Bauherren heute auf Wärmepumpen für Raumheizung und Wassererwärmung: Während Erdsonden häufig
100% der Wärmeversorgung sicherstellen, werden Luft/Wasser-Wärmepumpen
typischerweise mit Sonnenkollektoren kombiniert, da sonst der erforderliche Anteil
erneuerbarer Energien kaum erreichbar ist (vgl. Kapitel 11). Bei der Berechnung
der Minergie-Kennzahl Wärme ist zu beachten, dass der eingesetzte Strom
doppelt angerechnet wird. Holzheizungen haben dagegen den Vorteil, dass deren
Wärmeproduktion per Definition als 100% erneuerbare Energie angerechnet wird –
die Schadstoffemissionen können sich jedoch insbesondere in dicht besiedelten
Gebieten negativ auswirken.
Die jeweils besten Haushaltgeräte und Leuchten der Effizienzklasse A bzw. A+
werden laufend unter www.topten.ch aufgelistet.
Minergie-A
Die Anforderungen an Minergie-A-Bauten unterscheiden sich teilweise signifikant von
jenen an Minergie- und Minergie-P-Gebäude. Insbesondere konnten gemäss [13] bis
Ende 2013 nur Wohnbauten (Gebäudekategorien I und II) Minergie-A-zertifiziert
werden (Neubauten und Modernisierungen). Seit 2014 können gemäss [14] auch Verwaltungs- und Schulbauten (Gebäudekategorien III und IV) Minergie-A-zertifiziert
werden. Insgesamt ist festzuhalten, dass sich Minergie-A immer noch in der Einführungsphase befindet. Insbesondere bestehen betreffend der Berechnung der
grauen Energie und der Anforderungen an Modernisierungen noch wenig Erfahrungen
– neue Erkenntnisse können deshalb in den nächsten Jahren zu erheblichen Modifikationen der Anforderungen an Minergie-A-Bauten führen.
Wichtige Kriterien werden nachfolgend aufgezeigt.
Generelle Vorschriften
Gemäss den generellen Vorschriften [13] muss ein Minergie-A-zertifiziertes Gebäude
folgenden Vorgaben genügen:
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Vorgabe:
•
Totaler Energiebedarf mindestens 90% unter dem des durchschnittlichen Standes der
Technik
•
Mindestens üblicher Komfort
bei der Nutzung
Mittel zur Ziel-Erreichung / Bemerkungen
• Deckung des gesamten Energiebedarfs für
Heizung, Warmwasser, Lüftung und evt.
Klimatisierung durch erneuerbare Energien
• Berücksichtigung der grauen Energie von
Gebäude, Haustechnik und Aushub bei Erstellung, Betrieb und Rückbau
• Minimierung des Elektrizitätsbedarfs für fest
installierte Haushaltgeräte und Beleuchtung
• Vorgabe und Mittel zur Ziel-Erreichung identisch mit dem Basis-Standard
Tabelle 6: Generelle Vorschriften für Minergie-A-Bauten
Anders als beim Basis-Standard und bei Minergie-P bestehen bei Minergie-A betreffend Mehrkosten im Vergleich zu konventionellen Bauten keine Vorgaben.
Kontrollierbare Aussenluftzufuhr
Im Unterschied zum Basis-Standard ist eine Komfortlüftung (Alternativen vgl. [4]) sowohl bei Neubauten wie auch bei Modernisierungen Pflicht.
Luftdichtigkeit
Es gelten dieselben Grenzwerte wie bei Minergie-P.
Primäranforderung an die Gebäudehülle betreffend Heizwärmebedarf
Als grundlegende Voraussetzung gilt folgende Anforderung (vgl. Anhang 6):
•
•
Neubauten: Heizwärmebedarf Qh ≤ 90% des Grenzwerts Qh,li von SIA
380/1:2009; in ungenügend definierten Fällen entscheidet die Zertifizierungsstelle
Minergie-A ([vgl. 13], Anhang C, S. 13)
Vor 2000 erstellte Bauten (Modernisierungen): keine Primärenergie-anforderung
Minergie-A-Grenzwert (Minergie-A-Kennzahl Wärme)
Die Berechnung der Minergie-A-Kennzahl Wärme ist gleich wie bei Minergie.
2
Der Minergie-A-Grenzwert beträgt 0 kWh/m .
Dementsprechend muss der Energiebedarf für Heizung, Warmwasser, Lüftung und
evt. Klimatisierung vollständig durch erneuerbare Energien gedeckt werden.
Bei Installation einer thermischen Solaranlage wird der Minergie-A-Grenzwert gemäss
2
[13], Anhang C, S. 13 unter gewissen Bedingungen auf 15 kWh/m gewichtete Endenergie in Form von lagerbarer Biomasse erhöht – zum Beispiel Holz (vgl. [7]).
Gemäss [13], Anhang C, S. 14 kann Solarstrom unter folgenden Bedingungen bei der
Berechnung der Minergie-A-Kennzahl Wärme berücksichtigt werden:
•
•
Fest auf oder am Gebäude und/oder zugehörigen Nebenbauwerken installierte
Fotovoltaik-Anlage (ob eine ebenerdig installierte Anlage zum Beispiel im Garten
oder an einer Böschung angerechnet werden könnte, müsste bei der zuständigen
Minergie-A-Zertifizierungsstelle abgeklärt werden). Bei einer Solarstrombörse eingekaufte Elektrizität ist nicht anrechenbar.
Der ökologische Mehrwert der produzierten Elektrizität muss dem Gebäude zu
Gute kommen. Folglich kann die Fotovoltaik-Anlage nicht für die kostendeckende
Einspeisevergütung (KEV) angemeldet werden, und der Ertrag darf nicht an Solarstrombörsen verkauft werden.
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Graue Energie
In der Berechnung gemäss dem Merkblatt SIA 2032 „Graue Energie“ darf der Bedarf
an grauer Energie (Gebäude mit allen Bauteilen bei Erstellung, Betrieb und Rückbau)
folgenden Grenzwert nicht überschreiten:
•
Neubauten und Modernisierungen:
E-MA ≤ 50 kWh/m
2
2
2
Wird der Minergie-A-Grenzwert von 0 kWh/m bzw. 15 kWh/m unterschritten, so kann
die Differenz vom Bedarf an grauer Energie abgezogen werden.
Fotovoltaik-Anlagen, deren Ertrag nicht dem Gebäude zu Gute kommt (bei Anmeldung
bei der KEV oder bei Verkauf des ökologischen Mehrwerts an einer Solarstrombörse),
werden in der Berechnung der grauen Energie nicht berücksichtigt.
Bei Modernisierungen werden nur geänderte Bauteile und Materialien berücksichtigt.
Der Nachweis muss „nur erbracht werden, wenn aufgrund des Umfangs der ersetzten
oder zugefügten Materialmengen Zweifel bestehen, dass der Grenzwert für Neubauten
noch eingehalten wird (z.B. im Falle von Auskernung, energie-intensiver Fassadenverkleidung)“ (vgl. [13], Anhang C, S. 17).
Elektrizitätsbedarf von Haushaltgeräten und Beleuchtung
Um ideale Voraussetzungen für einen tiefen Elektrizitätsverbrauch zu schaffen, ist der
Einbau von fest installierten Leuchten und Haushaltgeräten der jeweils besten Effizienzklasse vorgeschrieben.
Bei Modernisierungen entscheidet die Minergie-A-Zertifizierungsstelle, ob bestehende
Geräte sofort durch Bestgeräte ersetzt werden müssen, oder ob dies zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen kann.
Betreffend Standby-Verbrauch wird die Reduktion auf das unvermeidbare Minimum
empfohlen.
Zusatzanforderungen (vgl. Anhang 6)
Zusatzanforderungen bestehen nur betreffend den sommerlichen Wärmeschutz, auf
den im vorliegenden Bericht jedoch nicht eingegangen wird.
Spezifische Überlegungen zum Minergie-A-Standard
Wie bei Minergie-P muss auch bei Minergie-A das Haus als Gesamtsystem betrachtet
und für den jeweiligen Standort optimiert werden. Dabei gilt es, mit einer massvollen
Dämmung und einer zweckmässigen Haustechnik einerseits die graue Energie auf
einem tiefen Niveau zu halten und andererseits den Energiebedarf für den Betrieb so
zu minimieren, dass er problemlos und wirtschaftlich mit erneuerbaren, lokal produzierten Energien gedeckt werden kann – meistens liegt die Lösung in einer massgeschneiderten Kombination mehrerer Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien. Die
Anforderungen an Minergie-A und Minergie-P unterscheiden sich in einigen Punkten
erheblich (vgl. Abbildung 2), der Planungs- und Bauprozess ist jedoch bei beiden
Standards gleichermassen anspruchsvoll.
Folgende Aspekte sind speziell zu beachten:
•
•
Haushaltgeräte mit tiefem Energieverbrauch findet man unter www.topten.ch und
die besten Leuchten unter www.toplicht.ch.
In hochgedämmten Gebäudehüllen steckt viel graue Energie. Die Berücksichtigung der grauen Energie begrenzt deshalb die Möglichkeiten zur bestmöglichen
Dämmung. Andererseits ist eine gut gedämmte Gebäudehülle eine wichtige Voraussetzung der geforderten Null bei der Minergie-A-Kennzahl Wärme und ermöglicht allenfalls sogar eine positive Energiebilanz – und senkt damit indirekt den
rechnerischen Bedarf an grauer Energie (vgl. oben). Dementsprechend besteht
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•
•
eine wichtige Aufgabe der Planungsbeteiligten in der optimalen Austarierung von
Dämmstärken, grauer Energie und Heizbedarf.
Da bei Modernisierungen die graue Energie nur für geänderte Bauteile und Materialien angerechnet werden muss, haben bestehende Bauten bei Minergie-A einen
Vorteil gegenüber Neubauten. Sofern das Label Minergie-A auf dem Immobilienmarkt längerfristig tatsächlich erfolgreich ist und zum Werterhalt der zertifizierten
Gebäude beiträgt, könnte dies ein Anreiz zum Bauen im Bestand sein – ein Multiplikator-Effekt für das nachhaltige Bauen und gegen die Zersiedlungsproblematik.
Die Randbedingungen für die Nutzung erneuerbarer Energien sind an jedem
Standort anders: „Je nach Ausrichtung, Grundstücksgrösse, Höhenlage, solarer
Einstrahlung, Nebelhäufigkeit oder verfügbarer Dachfläche entstehen völlig unterschiedliche Gebäude in Minergie-A-Qualität. Hochgedämmte Häuser sind ebenso
möglich wie Bauten mit moderater Wärmedämmung mit grösseren Kollektor- oder
Photovoltaikanlagen. Die Grösse der Solaranlage hängt vom Standort und von der
Gebäudehülle ab.“ ([7], S. 4)
Abbildung 5: Wege zu Minergie-A [7]
Abbildung 5 zeigt verschiedene Möglichkeiten auf:
Betrieb einer Wärmepumpe, deren Strombedarf durch eine Fotovoltaik-Anlage
auf dem Hausdach und / oder an der Fassade gedeckt wird. In der Regel wird
im Sommer überschüssiger Strom in das Netz eingespiesen, während im
Winterhalbjahr zusätzlicher Strom aus dem öffentlichen Netz bezogen werden
muss – die öffentliche Energieversorgung spielt also „Bank“. Das ist zulässig,
da die Energiebilanz nur über das ganze Jahr gerechnet stimmen muss.
- Die Fotovoltaik-Anlage kann mit Sonnenkollektoren ergänzt werden, die den
Warmwasserbedarf im Sommer sicherstellen und das Ausschalten der
Wärmepumpe erlauben. Mit dieser Kombination kann die verfügbare Sonnenenergie optimal genutzt werden – allerdings sind auch die Investitionskosten
maximal.
- Installation von Sonnenkollektoren für Heizung und Warmwasser. Da Wärme
gemäss dem heutigen Stand der Technik nur begrenzt gespeichert werden
kann, muss im Winter ergänzend Energie aus Biomasse gewonnen werden,
zum Beispiel mit einer Holzheizung. Die spezifischen Randbedingungen
können [13], S. 13 entnommen werden.
- Die Kombination von Fotovoltaik, Sonnenkollektoren und Holzheizung ist
ebenfalls möglich.
- Nirgends beschrieben, aber grundsätzlich wohl auch zulässig ist an geeigneten Standorten – zum Beispiel bei einem Landwirtschaftsbetrieb im Berggebiet – die Installation einer kleinen Windkraftanlage anstelle oder ergänzend
zur Fotovoltaik-Anlage. Da im Winterhalbjahr Windenergie in vielen Regionen
besser verfügbar ist als Sonnenenergie, erlaubt ein solches Konzept im besten
Fall sogar eine saisonal ausgeglichene oder positive Energiebilanz.
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Auch die Berücksichtigung eines Kleinwasserkraftwerks auf dem Grundstück
des Minergie-A-Gebäudes wäre in speziellen Fällen wünschenswert, müsste
jedoch bei der entsprechenden Minergie-A-Zertifizierungsstelle abgeklärt
werden.
•
6.4
Auch wenn bei Minergie-A betreffend Mehrkosten im Vergleich zu konventionellen
Bauten kein Grenzwert definiert ist, bilden sie bei der Entscheidung für oder gegen
den Standard sowie im gesamten Planungs- und Bauprozess ein wichtiges Kriterium: Wird der Aufwand zu gross, hat der Standard auf dem Markt keinen Erfolg.
Die bisherigen Erfahrungen lassen allerdings auf eine Erfolgsgeschichte hoffen: In
der Einführungsphase sind einige Minergie-P-Bauten dank gesteigerter Solarenergie-Produktion zusätzlich Minergie-A-zertifiziert worden (vgl. [7]). In der
Minergie-Gebäudeliste werden per 24. August 2014 insgesamt 248 provisorisch
und definitiv zertifizierte EFH’s, MFH’s, Verwaltungen und Schulen aufgeführt –
grösstenteils Neubauten, aber auch einige Modernisierungen.
Minergie-Eco
ECO baut auf den Minergie, Minergie-A oder Minergie-P auf, ist also nicht ein eigenständiges Label.
Bei den Baumaterialien gibt es Ausschlusskriterien. Gewisse Materialien dürfen beim
Bau nicht eingesetzt werden. Biozide, Holzschutzmittel im Gebäudeinnern, Lösemittelhaltige Produkte, Formaldehyd, schwermetallhaltige Baustoffe, Schäume sowie SF6 als
Füllgas bei Fenster. Es ist das stärkste bekannte Treibhausgas.
Der verwendete Beton soll zu mindestens 50% Recyclingbeton bestehen. Das Holz
muss aus Europa und von zertifizierten Stellen stammen. Chemischer Holzschutz in
Innenräumen ist nicht erlaubt.
Die Erfüllung der Tageslichtanforderungen wird mit einem Tool nachgewiesen. Dieses
setzt die Fensterfläche in Bezug zur Wohnfläche. Die Ausrichtung spielt eine untergeordnete Rolle, da von diffusem Licht (Bewölkung) ausgegangen wird.
Die Berechnung der grauen Energie wird gemäss SIA 2032 gemacht.
Insgesamt sind 83 Anforderungen in den Bereichen Ausschlusskriterien, Schallschutz,
Innenraumklima, Gebäudekonzept, Materialien und Bauprozesse aufgeführt [18]. Der
Nachweis erfolgt mittels Fragekatalog, welcher zu zwei verschiedenen Phasen
ausgefüllt wird (als Punkte markiert in der folgenden Grafik).
Abbildung 6: Themen Fragekatalog bei Minergie-ECO [19].
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Dabei müssen folgende Anforderungen erfüllt sein:
•
•
Sämtliche Ausschlusskriterien sind eingehalten
Bei den 6 Themen werden die Mindesterfüllungsgrade (MEG) eingehalten
Der Mindesterfüllungsgrad liegt bei 50%, wobei die Bereiche und 2 Phasen
unterschiedlich gewichtet werden. Mit Zusatzfragen können Bonuspunkte geholt
werden.
Weiter ist eine Raumluftmessung spätestens 3 Monate nach Fertigstellung des
Gebäudes notwendig. Dabei soll TVOC (Total flüchtige organische Kohlenstoffe) und
Formaldehyd gemessen werden.
6.5
Minergie-Module
Module sind zertifizierte Bauteile in Minergie-Qualität. Damit wird eine schrittweise
Sanierung eines Gebäudes oder auch bei Neubauten die Qualitätssicherung ermöglicht, mit dem Ziel des Labels für das Gebäude.
Nur Fach- oder Branchenverbände kriegen die Lizenz zur Zertifizierung der Module. Es
gibt sie für Fenster, Türen, Wand- und Dachkonstruktion, Komfortlüftung, Leuchten,
Sonnenschutz, Holzfeuerstätten, Raumkomfort (Raumautomation) und thermische
Solaranlagen. Die aktuelle Liste der Anbieter von zertifizierten Bauteilen findet sich auf
der Homepage von Minergie.
Im Bereich Minergie-P gibt es auch noch spezifische Module für Fenster und Hebe-/
Schiebetüren. Fenster müssen bei Minergie-P einen tieferen U-Wert ausweisen als
beim Minergie-Standard.
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7 Zeitplan und Dokumente
7.1
Systemnachweis
Der Ablauf wird von Minergie [16] wie folgt beschrieben...
Zeitplan
Dokumente Minergie*
zus. Dok. Minergie-P
zus. Dok. Minergie-A
zus. Dok. -ECO
Minergie-ANachweisformular, SIA
2032 Graue Energie
Fragekatalog für den
Nachweis (Teil 1),
Minergie-Eco-Nachweis,
SIA2032 Graue Energie,
Berechnungs-Tool graue
Energie, TageslichtNachweis (div.)
Start
1
Minergie LabelAntrag
Antragsdossier mit
MinergieNachweisformular,
SIA382/1 Nachweis
sommerlicher
Wärmeschutz,
Systemnachweis nach
SIA380/1
SIA380/4 Beleuchtung
Checkliste für Label-Prüfer,
Anwendungshilfe,
Prüfprotokoll
2
Technische
Prüfung
3
Zusicherung
Provisorisches Zertifikat
4
Baubestätigung
Baubestätigung
5
Zertifikat, Plakette
Zertifikat, Plakette
6
Meldung
7
Stichproben
SIA380/4
Lüftung/Klima,
Minergie-PNachweisformular
Fragekatalog für den
Nachweis (Teil 2)
Checkliste für Stichproben
Ende
Tabelle 7: Zeitplan und Dokumente Minergie
* Die aktuellen Versionen der Dokumente, sowie Vorlagen (z.B. Musterantrag) findet man auf der MinergieHomepage.
1. Minergie Label-Antrag
Das vollständige Antragsdossier wird zur Zertifizierungsstelle gesendet. Die
Berechnungen müssen dabei nachvollziehbar sein.
Das Antragsdossier beinhaltet auch das Nachweisformular. Dieses muss nach der
Vorgabe von Minergie (Excel-Formular „Minergie-Nachweisformular“) ausgefüllt
werden. Alle wichtigen Daten müssen dabei eingegeben werden:
• Dimension von Gebäude und Räumen
• Nachweis sommerlicher Wärmeschutz
• Lüftungsgerät mit Druckverlust
• Wärmeproduktion
Zum Antrag gehört auch ein Systemnachweis nach SIA 380/1.
Der Nachweis muss mit dem Standard-Excel-file erbracht werden. Folgende Punkte
müssen dabei erfüllt werden:
1. Der Heizwärmebedarf Qh darf bei Neubauten höchstens 90% des SIA380/1Grenzwerts Qh,li für Neubauten sein (Basis-Standard und Minergie-A) bzw.
60% des Qh,li (Minergie-P). Für Modernisierungen gemäss dem BasisStandard oder Minergie-A bestehen keine Vorgaben, Minergie-PModernisierungen dürfen höchstens 80% des Qh,li für Neubauten erreichen.
2. Das Gebäude muss eine hohe Dichtigkeit aufweisen. Eine kontrollierbare
Aussenluftzufuhr ist für den Komfort wichtig, eine Wärmerückgewinnung wird
aber nicht vorausgesetzt.
3. Der Minergie-Grenzwert darf nicht überschritten werden. Hier fliessen die
Energieverbräuche für Heizung, Warmwasser und Elektrizität (Lüftung,
Klimatisierung) ein.
Alle Anforderungen sind tabellarisch und übersichtlich in 2.3.1 [8] aufgelistet.
Neben der standardmässigen Energieberechnung sind Energiebezugs- und
Gebäudehüllfläche, Verschattungsfaktor und Wärmebrücken wichtig. Ausserdem muss
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eine Berechnung mit Standardluftvolumenstrom UND thermisch wirksamen
Aussenluftvolumenstrom durchgeführt werden. Er bezeichnet den Luftaustausch des
Gebäudes mit der Umgebung.
2. Technische Prüfung
Es wird geprüft, ob das geplante Objekt die Anforderungen erfüllt. Hauptsächlich die
energetischen Anforderungen werden dabei geprüft. Eine Checkliste kann als
Hilfsmittel verwendet werden, und mit dem Prüfprotokoll kann die Prüfung
nachvollzogen werden.
Die Anwendungshilfe behandelt Fälle, die im Reglement nicht oder ungenügend
abgedeckt sind. Es wird damit eine einheitliche Behandlung bei den
Zertifizierungsstellen angestrebt.
Bei komplexen Fällen wird die Minergie Jury beigezogen.
3. Zusicherung
Bei positiver Prüfung wird ein provisorisches Zertifikat zusammen mit dem Formular
Baubestätigung und der Rechnung ausgestellt. Dieses Zertifikat ist für 3 Jahre gültig.
4. Baubestätigung
Nach Vollendung des Baus wird die Baubestätigung eingereicht.
5. Zertifikat
Nach Abschluss des Baus kann das definitive Zertifikat für Gebäude oder Module
davon angefragt werden. Gebäude, welche die Minergie-Anforderungen erfüllen,
erhalten dann ein Zertifikat mit Registrierungsnummer (Gültigkeit 5 Jahre) und eine
Aluminiumplakette. Bei Änderungen am Gebäude, welche auch die Energiebilanz des
Gebäudes ändern, erlischt die Gültigkeit.
6. Meldung
Das zertifizierte Gebäude wird der Agentur Bau (AMI) mit wichtigen Daten gemeldet.
7. Stichproben
Zur Sicherung der Qualität werden bei mindestens 10% der zertifizierten Gebäude
Stichproben durchgeführt. Die Checkliste dient dabei als Hilfsmittel. Die Stichproben
werden zusammengefasst und gelangen in einen Regelkreis zur ständigen
Verbesserung.
7.2
Standardlösungen
Für gewisse Gebäudearten gibt es das vereinfachte Verfahren. Der Nachweis muss
mittels Formular „Nachweisformular für Standardlösungen“ erbracht werden.
Dabei gelten folgende Punkte:
1. Die Gebäudeteile müssen bestimmt U-Werte einhalten
2. Die Verhältnis Fensterfläche / EBF darf nicht grösser als 30% sein
3. Wärmebrücken müssen die Grenzwerte nach SIA380/1 einhalten
4. Im Gebäude muss eine Komfortlüftung mit WRG (Wirkungsgrad >80%)
eingebaut sein.
5. Für die Wärmeerzeugung gibt es 5 Standard-Lösungen. Dabei kommen nur
erneuerbare Energien in Frage.
6. Das Gebäude darf nur mit Erdsonden gekühlt werden.
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7.3
Ergänzungen bei Minergie-P, -A und –ECO
Minergie-P und -A
Es muss eine Messung der Luftdichtigkeit durchgeführt werden.
Minergie-ECO
Stichprobenweise werden VOC-, Formaldehyd- und Radon-Messungen durchgeführt.
8 Kontrolle
Grundsätzlich sind die kantonalen Energiefachstellen oder Minergie-Fachstellen
zuständig.
Die Kontrolle bei Minergie besteht aus folgenden Bestandteilen:
•
•
8.1
Nachweis des Minergie-Standards mittels technischer Prüfung
Stichproben
Nachweis des Minergie-Standards
Die Einhaltung des Minergie-Standards wird mit einer technischen Prüfung kontrolliert.
Dazu stehen der Fachstelle Checklisten zur Verfügung.
8.2
Stichproben
Das AMI kann während der Gültigkeit der Bewilligung Stichproben durchführen. Es
bestimmt den Zeitpunkt und Umfang von Stichproben. Die Besitzer des MinergieZertifikats verpflichten sich die notwendigen Informationen zu liefern. Auch können
Ausführungskontrollen am Objekt durchgeführt werden.
8.3
Überprüfung Qualitätsstandard
Minergie überprüft sich selber. Eine unabhängige Instanz überprüft alle Punkte des
Qualitätsstandards alle 3 Jahre.
8.4
Ergänzungen bei Minergie-ECO
Die Prüfungen und Stichproben im Bereich –ECO werden von der Zertifizierungsstelle
Minergie-ECO durchgeführt. Hier gehören VOC- (flüchtige organische Verbindungen)
und Formaldehyd-Messung, sowie Radonmessungen in Innenräumen dazu.
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9 Kosten
Das Nutzungsreglement von Minergie besagt, dass Bauten nach Minergie maximal
10% teurer zu stehen kommen dürfen als vergleichbare konventionelle Bauten. [8]
Weiter fallen Gebühren an, welche im Nutzungsreglement Anhang A [8] aufgeführt
sind. Sie unterscheiden sich grundsätzlich nach EBF und Gebäudekategorien
(Wohnen, Verwaltung, Schule, Restaurant, etc.). Weiter wird zwischen einzelnen Gebäuden und Mehrfachanwendung (ein Gebäude das gleich mehrfach gebaut wird)
unterschieden.
Es gibt einige Ausnahmen bei welchen jeweils auf die Anwendungshilfe verwiesen wird
[17].
Bei Rückzug des Antrags während der Bearbeitung, Projektänderungen oder auch
Rückweisung aufgrund schwerwiegender Mängel entstehen zusätzlich Gebühren,
resp. wird nur ein Teil reduziert oder zurückerstattet.
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick und Vergleich der Gebühren [8]:
Tabelle 8: Zusammenstellung Kosten Minergie-Label
* exkl. Raumluftmessung
Weiter gibt es Konventionalstrafen, welche – neben anderen Sanktionen – vom AMI
pro Übertretungsfall ausgesprochen werden können. Sie sind mit CHF 10'000 bis
50'000.- angegeben und abhängig von der EBF oder Einzel-/Mehrfachanwendung.
Ergänzungen Minergie-P und -A
Es wird darauf hingewiesen, dass bei Bauten mit > 5000 m2 EBF vorgängig mit der
Zertifizierungsstelle Kontakt aufgenommen werden muss. Bei erwartetem Mehraufwand behält sich Minergie vor, höhere Gebühren zu verlangen.
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10 Die kontrollierte Lüftung:
Segen oder Teufelszeug?
10.1 Problematik
Man kennt die Argumente nur zu gut, wenn über neue energetisch optimierte und damit auch sehr dichte Gebäude gesprochen wird. Schnell kommt das Thema Lüftung
zur Sprache, oft mit einer grossen Skepsis.
Einerseits sind dabei Gefühle mit im Spiel, die sachlich nicht begründet werden
können. Man will nicht „in einem Bunker“ wohnen. Das dichte Gebäude löst Unbehagen aus, man erstickt im Gebäude.
Oft wird das Thema schlechte Luft erwähnt. Das Öffnen der Fenster wird mit frischer
Luft gleichgesetzt, hingegen eine Lüftung mit schlechter Luft.
Spürbarer Luftzug und Lärm durch die Gebläse sind weitere Bedenken, die erwähnt
werden.
Andererseits wird die Lüftung oft als Massnahme zur Energieeinsparung verkauft, was
vom Benutzer falsch verstanden werden kann.
Bei Minergie ist die kontrollierte Lüftung vorgeschrieben und spielt eine zentrale Rolle.
Es stellt sich die Frage, ob die Skepsis viele Leute begründet ist?
Oder welche Gegenargument resp. besser Beweise gibt es, die diese Behauptungen
widerlegen?
Im Folgenden sollen die wichtigsten Aspekte und auch Problempunkte der kontrollierten Lüftung angeschaut werden.
10.2 Dichtigkeit des Gebäudes
Werden Gebäude nach Minergie gebaut sind sie sehr luftdicht. Dies ist eine wichtige
Bedingung damit im Winter wenig Heizenergie benötigt wird.
Die Dichtigkeit von Gebäuden muss bei Minergie nachgewiesen werden. Bei MinergieP und -A darf der Luftwechsel bei Neubauten und bei 50 Pa Druckdifferenz (ausseninnen) nicht mehr als 0.6 betragen (Verhältnis Gesamtvolumen zu Volumen Luftwechsel in einer Stunde).
Die Effizienz der Lüftung hängt stark von der Dichtigkeit ab. Die Situation verschlechtert sich gar, wenn Personen die vermeintlich schlechte Luft in der Wohnung mit Öffnen von Fenstern verbessern wollen. Es ist aber durchaus möglich auch bei MinergieHäusern die Fenster zu öffnen. In diesem Fall hat die Lüftung aber praktisch keine
Wirkung mehr und sollte ausgeschaltet werden.
Das Öffnen der Fenster hat bei kalten Aussentemperaturen aber einen grossen Energieverlust zur Folge. Die kalte einströmende Luft muss durch die Heizung wieder erwärmt werden. In warmen Jahreszeiten wenn die Heizung nicht in Betrieb ist, kann die
Lüftung des Gebäudes bedenkenlos über das Fensteröffnen gemacht und die Lüftung
ausgeschaltet werden.
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10.3 Luftqualität
Die Abluft sollte woanders abgezogen als die Zuluft ins Gebäude gebracht wird. So
wird eine optimale Lufterneuerung im ganzen Gebäude garantiert. Die Abluft wird dort
abgezogen, wo auch die Luftqualität beeinträchtigt wird: In der Küche mit Gerüchen
durch das Kochen oder im Bad. Eine so angelegte Lüftung leistet damit einen zusätzlichen Beitrag an die Luftqualität im Gebäude.
Da die Luft von aussen kommt, kann sie bei einer Lüftung im Prinzip nicht schlechter
sein, als bei einer Lüftung mit dem Fenster. Dies wäre nur möglich, wenn die Position
des Aussenluftbezugs sehr schlecht gewählt wurde oder die Luft durch Ablagerungen
in den Luftkanälen verschmutzt wird. Die Erfahrungen zur Verschmutzung der
Lüftungskanäle sind aber noch nicht vorhanden. Zurzeit ist die Reinigung der Kanäle
auch sehr teuer und erfordert, dass diese erreichbar sind. Es ist folglich bereits beim
Bau auf die Zugänglichkeit durch Öffnungen und grosse Radien zu achten. Auch die
regelmässige Auswechslung der Filter bringt hier einen Beitrag. Es ist nicht Aufgabe
der Lüftung die Luftqualität zu verbessern. Durch die standardmässige Ausrüstung mit
den Filtern ist aber ein gewisser Effekt sicher gegeben. Weiter können bei starker
Aussenluftbelastung (Gerüche, Staub, etc.) entsprechende Filter, wie Aktivkohlefilter,
eingebaut werden. Diese verlangen aber einen regelmässigen aufwändigen Wechsel,
wohingegen der Wechsel bei Standard-Filtern sehr einfach ist.
Die wichtigsten Kenngrössen der Luftqualität werden im Folgenden aufgeführt.
CO2
Hauptindikator der Luftqualität ist der CO2-Gehalt. Durch das Atmen werden pro
Person ca. 30 – 40 g/h CO2 produziert, wodurch sich im dichten Gebäude eine Aufkonzentrierung ergeben würde ohne Lüftung. Für Wohnungen wird ein oberer Grenzwert von 800 bis 1000 ppm angenommen, der MAK-Wert (maximale Arbeitsplatzkonzentration) liegt aber bei 5000 ppm. Der Zuluftstrom wird anhand der Anzahl Personen und Zimmer ausgelegt, grundsätzlich wird von einem Zuluftstrom von ca. 30
3
m /(h und Person) ausgegangen.
Eine Person gibt ca. 30 bis 40 g CO2/h (0.68 mol bis 0.9 mol) ab [20], was bei einem
3
Volumen von 30 m (30 * 41.6 mol = 1248 mol) ca. 500 bis 700 ppm Zunahme entspricht. Addiert mit der Konzentration in der Luft von etwas über 400 ppm, ergibt dies
etwa die Konzentration, welche bei Minergie als Grenzwert angenommen wird.
Raumluftfeuchte
Sie sollte in Innerräumen 30 bis 60% betragen [20]. Bei sehr kalten Aussenlufttemperaturen kann durch die Komfortlüftung sehr trockene Luft entstehen, wenn diese
nicht über eine Feuchterückgewinnung verfügt. Bei korrekter Anwendung bleiben die
Anzahl Tage pro Jahr mit tiefer Luftfeuchtigkeit aber im Rahmen. Es ist dabei aber
darauf zu achten, dass die Lüftung der Belegung (Personen) angepasst ist. Ist sie im
Winter vom Nutzer zu stark eingestellt, ergeben sich tiefere, aber nicht nötige CO2Werte, dafür aber eine übermässig tiefe Luftfeuchtigkeit.
Luft welche von 0°C (0 bis max. 5 g/m3 Feucht) auf 20° (max. ca. 18 g/m3 Feuchte)
erwärmt wurde, hat ohne Feuchterückgewinnung noch eine relative Feuchte von 0 bis
27%. Um 30 m3 dieser eingebrachten Luft mit 50% rel. Feuchte (9 g/m3) zu erhalten
bräuchte es 120 bis max. 270 g Wasser. Eine Person gibt ca. 50 bis 80 g/h Wasser ab,
was einer Zunahme der rel. Luftfeuchte von ca. 10 bis 15% im Bezug auf die 30 m3/(h
und Person) entspricht.
Diese Rechnung zeigt, dass die optimale Luftfeuchtigkeit nur knapp oder nicht erreicht
werden kann. Allerdings ist sie mit angepasster Einstellung der Lüftung auch selten
sehr tief.
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Es gibt weitere Möglichkeiten, die Luftfeuchtigkeit im Winter zu erhöhen. Beim Kochen
werden oft grosse Mengen Wasser verdampft. Es entstehen dabei aber auch andere
belastende Stoffe (siehe weiter unten). Pflanzen können ebenfalls helfen, die Raumfeuchte zu erhöhen, ihre Wirkung wird aber oft überschätzt. Es gibt aber Anbieter, die
spezielle Pflanzen züchten, die überdurchschnittliche Wasserabgaben aufweisen. Im
Winter kann es z.B. auch helfen, wenn die Badezimmertüre nach dem Duschen offen
gelassen wird.
Aber auch eine zu hohe Raumluftfeuchte von über 70% ist hygienisch kritisch. Es besteht das Risiko von Schimmelpilz und durch Wachstum von Mikroorganismen können
Gerüche entstehen. Diese Risiken werden durch die konstante Lüftung aber vernachlässigbar.
Oft kann die Lüftung vom Nutzer über einen 4-stufigen Schalter (0 bis 3) eingestellt
werden, wobei die Stufe 2 der Normalauslegung entspricht. Um ein Fehlverhalten zu
verhindern, kann die Steuerung auch automatisch mit Sensoren gemacht werden. CO2
und Feuchte sind dabei die wichtigen Parameter. Die korrekte Platzierung der Sensoren ist dabei sehr wichtig.
Abbildung 7: Rotor-Wärmetauscher mit Feuchterückgewinnung.
Radon
Es gilt als wichtigste natürliche Quelle für Lungenkrebs und tritt als Gas aus unversiegelten Böden in die Keller von Gebäuden. Betonierte Kellerböden und –decken
gelten aber als unkritisch, wenn sie nicht durch Leitungen durchdringt wurden. Das
Risiko ist stark von der Region abhängig. Unter http://www.rch-radon.ch können diese
eingesehen werden.
Bei der Lüftung von Gebäuden in Risikogebieten ist vor allem darauf zu achten, dass
kein Unterdruck im Gebäude entsteht.
Gerüche
Sie entstehen in der Wohnung (z.B. beim Kochen, Rauchen, im Bad, etc.) aber auch
im Aussenraum und werden über die Lüftung ins Gebäude gebracht.
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Bei Gerüchen im Innenraum kann eine Lüftung einen grossen Beitrag leisten. Im
Gegenzug ist es aber nicht die Aufgabe der Lüftung, die Aussenluft zu reinigen. Es gibt
aber Filterzusätze, welche in solchen Fällen eingebaut werden können.
Gute Abluftstellen sind in Toiletten oder unter dem Spültrog beim Kehricht. Gerüche
werden so effizient abgezogen.
Spezialfall Küche
Eine weitere kritische Situation ergibt sich in der Küche durch das Kochen. Es entstehen Gerüche, Dampf und auch Feinstaub. Die erforderliche Abluft übersteigt diejenige der Komfortlüftung bei weitem. Sie ist aber auch stark abhängig von der Effizienz der Dunstabzugshaube, die in den meisten Fällen unbekannt ist und als relativ
schlecht angenommen werden muss.
Wird die Abluft beim Kochen nach aussen geführt, entsteht im Gebäude ein starker
Unterdruck, was die Komfortlüftung oder auch raumluftabhängige Feuerungen beeinträchtigen kann.
Es gibt folgende Möglichkeiten der Lösung in einem Minergie-Gebäude:
1.
Dunstabzug mit Fortluft nach aussen
Die abgeführte Luft muss ersetzt werden. Dies geschieht durch Öffnen eines Fensters
in der Küche. Dieses muss möglichst nahe an der Kocheinheit sein, aus Gründen der
Effizienz, aber nicht zu nahe, da die Zuluft sonst zu Strömungen führt und den Dampfabzug beeinträchtigen kann. Bestehen Risiken, wie bei raumluftabhängigen Feuerungen oder hoher Radonbelastung müssen für die Zuluft geeignete Massnahmen
getroffen werden. Ein Aussenluftdurchlass z.B. öffnet automatisch beim Einschalten
des Dunstabzugs.
Vorteil dieser Lösung ist eine vollständige Abführung der Kochluft. Nachteil ist das
Einströmen von kalter (im Winter) und ungefilterter Aussenluft.
2.
Umluft-Dunstabzugshaube mit Aktivkohlefilter
Eine Umluftreinigung über dem Kochfeld und die darin eingebaute Aktivkohle filtert
Gerüche der Kochabluft effektiv und gibt die Luft zurück in die Küche. Das System ist
unabhängig von der Komfortlüftung, es entsteht kein Unterdruck und Heizenergie geht
nicht verloren. Nachteil ist, dass nur Fette und Feinstaub, nicht aber Dampf und CO
gefiltert werden kann. Auch werden Gerüche weniger effizient behandelt als bei Fortluft.
3.
Anschluss der Dunsthaube an die Komfortlüftung
Diese Lösung erfordert eine hohe Erfassungseffizienz der Haube, da das Volumen
eingeschränkt ist. Während des Kochens wird über Klappen die Abluft hauptsächlich
über den Dunstabzug geführt. Die Installation erfordert brandschutztechnische Einrichtungen, wie automatische Klappen bei überhöhter Temperatur und nichtbrennbare
Leitungen im Schacht. Weiterer Nachteil ist der eingeschränkte Abluftvolumenstrom in
anderen Räumen während des Kochens und eine mögliche Verschmutzung der
Wärmerückgewinnung (WRG). Das eingeschränkte Volumen und damit verbundene
schlechte Effizienz, sowie allfällige Zugserscheinungen in der Wohnung können,
müssen aber nicht, weitere Nachteile sein.
Vorteile sind die vollständige Abführung der Kochabluft, es entstehen keine Unterdrücke und Heizenergie geht aufgrund der WRG nicht verloren.
Abluftabzüge der Raumlüftung sind meistens zusätzlich in der Küche angebracht, aber
aus brandschutztechnischen Gründen nicht direkt über dem Kochfeld. Dieser Abzug
zeigt einen zusätzlichen Effekt, indem er von der Dunstabzugshaube nicht erfasste
Gerüche zusätzlich abführt. Das klassische Lüften der Küche per Fenster nach dem
Kochen ist also nicht nötig.
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10.4 Luftzug
Die Luftmenge regelt sich nach der Personenbelegung und der Anzahl Zimmer des
3
Gebäudes und ist sehr klein. Es wird generell mit einer Luftmenge von 30m /(h und
Person) gerechnet. Ein im Anschlag geöffnetes Fenster mit ca. 5 – 10 cm Öffnung am
oberen Ende hat im Winter durch die Strömung von kalter und warmer Luft etwa denselben Luftmengenaustausch [20]. Hier aber ohne Wärmerückgewinnung, also mit
einem grossen Energieverlust.
Die Regelung der Lüftung geschieht über einen 3-stufigen Schalter, wobei die Stufe 2
dem Normalbetrieb (100%) resp. der Auslegung entspricht. Sind mehr oder weniger
Personen anwesend, kann auf Stufe 3 (130 bis 150%) resp. 1 (50%) geschaltet
werden.
Die Zuluft wird da eingebracht, wo sich die Personen am meisten aufhalten und somit
eine gute Qualität wünschenswert ist: Im Wohn- oder Schlafzimmer. Abgeführt wird sie
im Bad oder Küche. Berechtigt ist somit der Verdacht, dass im Gebäude Luftströmungen entstehen, ist diese Art der Lüftung ja gar mit „Querströmung“ benannt.
In bewohnten Räumen entstehen durch Wärme induzierte Luftströmungen, welche um
ein Vielfaches grösser sind als die der Lüftung. Die SIA 382/1 setzt einen Grenzwert
der Raumluftgeschwindigkeit von 0.12 m/s. Bei Öffnungen von Lüftungen ist deshalb
Vorsicht geboten. Sie sollen nicht unmittelbar in Aufenthaltsbereiche zeigen, da sie bis
über 1 m/s Ausblasgeschwindigkeit aufweisen können.
10.5 Lärm
Die Ventilatoren der Lüftung sind mit vor- und nachgelagerten Schalldämpfern ausgerüstet, welche die Geräusche der Motoren dämpfen. Nach SIA 2023 darf der Schallpegel der Lüftung in Zimmern 25 dB(A) nicht überschreiten. Dieser Pegel ist sehr tief
angesetzt, ist aber berechtigt, da in der Nacht bereits kleine Geräusche störend wirken
können.
Die Lüftung kann aber auch Aussenlärm dämmen. Heutzutage sind sehr viele Gebäude durch Aussenlärm (Strasse, Bahn, Industrie, etc.) belastet. Dieser Lärm würde
beim Öffnen eines Fensters ungehindert eindringen.
Die Lüftung sollte aber auch keinen Lärm nach aussen abgeben. Dadurch könnten
allenfalls Nachbarn gestört werden. Das regelmässige Auswechseln der Filter hilft hier.
Übermässiger Lärm kann aber auch von defekten Ventilatoren verursacht werden.
10.6 Energie
Die Aussage, die Lüftung spart Energie ein, wird oft falsch verstanden. Die Nutzer
denken, dass die Lüftung in Betrieb sein muss, damit Energie gespart werden kann.
Fakt ist, die Lüftung braucht Energie, wenn sie in Betrieb ist. Dies für Ventilatoren,
weiteren Motoren, Klappen, etc. Allerdings kann sie im Winter durch die Wärmerückgewinnung viel Heizenergie zurückgewinnen. Die Zuluft ist bereits stark erwärmt und
es braucht nur noch wenig Heizenergie um die 20°C zu erreichen. Sie kann also im
Vergleich zur normalen Fensteröffnung viel Heizenergie einsparen.
Ein ähnlicher Fall kann eintreten, wenn das Gebäude im Sommer aktiv gekühlt ist. Ist
die Wärmerückgewinnung der Lüftung im Sommer in der Lage, die Zuluft vorzukühlen,
kann ebenfalls –gegenüber der Fensterlüftung – Energie eingespart werden.
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Wird ein Gebäude weder beheizt noch gekühlt, wird der Gesamtenergieverbrauch
durch die Lüftung grösser. In diesem Fall macht es Sinn die Lüftung auszuschalten
und mit Fensteröffnen zu Lüften. Es kann aber sein, dass dies durch andere Gegebenheiten (z.B. Aussenlärm) nicht möglich ist.
10.7 Folgerungen
Die verschiedenen Aspekte der kontrollierten Lüftung zeigen wo die Problemschwerpunkte liegen:
•
•
•
•
Die kontrollierte Lüftung ist eine komplexe Einrichtung. Sie erfordert eine korrekte
Berechnung und Installation.
Wichtige Aspekte und Funktionsweisen der Lüftung werden den Nutzern nicht
erklärt. Viele Reklamationen gehen deshalb auf Fehlverhalten von diesen selber
zurück.
Ein regelmässiges Wechseln der Filter und Reinigung der Leitungen muss organisiert sein. Dies ist Aufgabe des Gebäudebesitzers oder –verwalters, aber nicht von
den Mietern.
Eine Lüftung kann Heiz- oder Kühlenergie einsparen, der Betrieb braucht aber
immer Energie. Die Lüftung spart am meisten Energie, wenn sie nicht in Betrieb
ist.
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11 Anteil erneuerbarer Energien bei
Minergie-Bauten (Fallbeispiel)
11.1 Rechtliche Hintergründe und Vorgehen
Zahlreiche Gestaltungspläne in Luzerner Gemeinden verlangen, dass Neubauten entweder Minergie-zertifiziert werden, oder dass mindestens 75% des Energiebedarfs für
Heizung und Warmwasser mit erneuerbaren Energien gedeckt wird. Den Ursprung hat
diese Forderung in § 10 Abs. 2 der bis Ende 2013 gültigen Planungs- und Bauverordnung (PBV), der einen Energiebonus in Form zusätzlicher Ausnützung verspricht,
1
sofern eine der oben genannten Bedingungen erfüllt wird.
Gemäss den generellen Minergie-Vorschriften (vgl. Kap. 6.1 dieses Berichts) muss der
fossile Energieverbrauch eines Minergie-zertifizierten Gebäudes mindestens 50%
unter dem des durchschnittlichen Standes der Technik liegen. Diese Vorgabe sagt
jedoch noch nichts aus über den effektiven Anteil erneuerbarer Energien – diese Frage
wurde deshalb am Beispiel des Wohnhauses von Lukas Huber (nachfolgend EFH
Huber genannt) anhand verschiedener Varianten zur Energiebedarfsdeckung geprüft.
11.2 Standort- und Gebäude-Beschreibung
Wauwil ist eine im Vergleich zu anderen Luzerner Gemeinden sonnenverwöhnte Gemeinde am Südhang des Santenbergs (vgl. Abbildung 8). Trotz der Lage am Rand des
Wauwiler Mooses sind eher wenige Nebeltage zu verzeichnen.
EFH Huber
Abbildung 8: Lage des EFH Huber [Plan nicht massstäblich]
Das am Hangfuss gelegene, Mitte der 1920er-Jahre erbaute und Mitte der 1940erJahre um einen Anbau erweiterte Haus in der Dreigeschossigen Wohnzone (W3) ist
fast perfekt nach Süden ausgerichtet (vgl. Abbildung 9), wird allerdings durch die benachbarten MFH mässig verschattet.
Das Fundament besteht aus Stampfbeton (Anbau Stahlbeton). Während das Erdgeschoss mit Modulbacksteinen erstellt und mit einem Abrieb versehen worden ist (abgesehen von einer Riegelkonstruktion aus Holz und Backstein im südöstlichen Teil),
handelt es sich bei Ober- und Dachgeschoss um eine Holzständerkonstruktion, die
beim Kauf durch die heutigen Eigentümer (2006) mit Holz- bzw. Eternit-Schindeln be1
Die revidierte, Anfang 2014 in Kraft getretene PBV sieht ebenfalls einen Energiebonus vor, dessen
Bedingungen allerdings verschärft worden sind.
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Abbildung 9: EFH Huber, umgeben von mehreren MFH’s [nicht massstäblich]
deckt war. Der Giebel verläuft in Ost-West-Richtung; sowohl auf der Nord- wie auch
auf der Südseite besteht eine Lukarne. Südseitig ist dem mit Ziegeln belegten Steildach ein flachgeneigtes, verzinktes Blechdach vorgelagert. Obwohl die OriginalSubstanz und die prägenden Details weitgehend erhalten sind, mussten bei der Gebäude-Modernisierung (2010) keine denkmalpflegerischen Aspekte beachtet werden –
den Eigentümern war es jedoch ein Anliegen, das Erscheinungsbild trotz Modernisierung so gut wie möglich zu erhalten.
11.3 Planungs- und Baugeschichte
Im Juli 2007 fand eine durch den Kanton Luzern geförderte Energieberatung statt,
deren Erkenntnisse im März 2009 durch Thermographie-Aufnahmen konsolidiert
wurden. Demnach bestand insbesondere bei den Aussenwänden Handlungsbedarf.
Beim Dach waren hingegen keine Schwachstellen zu erkennen, da das Dachgeschoss
erst nach der Modernisierung ausgebaut wurde.
Nach einer intensiven Planungszeit konnte Anfang Juli 2009 der Minergie-Antrag gestellt werden. Das Projekt hatte folgende Merkmale:
•
•
•
Sehr gute Dämmung der Gebäudehülle
Luft/Wasser-Wärmepumpe für Heizung
Sonnenkollektoren für Warmwasser und Heizungsunterstützung
Das Projekt wurde anschliessend nochmals überarbeitet. Wichtigste Änderung war der
Entscheid für eine Erdsonde anstelle von Luft/Wasser-Wärmepumpe und Sonnenkollektoren.
Während der Bauphase im Jahr 2010 wurden weitere Optimierungen vorgenommen
(zum Beispiel Reduktion der Dachfenster und Aufhebung des hausinternen Kellerabgangs). Zudem beschloss die Bauherrschaft, doch noch Sonnenkollektoren für das
Warmwasser zu installieren, damit die Erdsonde im Sommer abgeschaltet werden
kann.
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2012 wurde das Dachgeschoss ausgebaut, und im Erdgeschoss wurde eine 2.5Zimmer-Einliegerwohnung eingebaut – dieses Vorhaben war bei der Gebäudemodernisierung 2010 bereits berücksichtigt worden.
Ende 2013 wurde zusätzlich eine kleine Fotovoltaik-Anlage installiert, für die bereits
während der Gebäudemodernisierung Leerrohre verlegt worden waren.
11.4 Heizwärmebedarf
•
•
•
Der Standort eignet sich aufgrund der südorientierten Lage und Besonnung ausgezeichnet für alle Minergie-Standards. Folgende Parameter sind für den Standort
massgebend:
- Klimastation:
Luzern
- Meereshöhe:
456 m ü.M.
Dem Minergie-Antrag lagen u. a. folgende Gebäude-Parameter zugrunde:
- Gebäudekategorie:
Wohnen EFH (II)
2
- Energiebezugsfläche AE:
301 m
- Gebäudehüllzahl Ath/AE:
1.70
2
- Grenzwert Heizwärmebedarf Qh,li (SIA 380/1)
198 MJ/m
2
- Qh,li (Minergie-(A)-Neubau, zum Vergleich)
179 MJ/m
2
- Qh,li (Minergie-P-Modernisierung, zum Vergleich)
158 MJ/m
2
- Qh,li (Minergie-P-Neubau, zum Vergleich)
119 MJ/m
Die Gebäudekonstruktion war nicht ideal für eine Modernisierung und erforderte
einige Kompromisse. Insbesondere die Weiternutzung der bestehenden Heizungsradiatoren wirkt sich negativ auf den Heizwärmebedarf aus – mit einer Flächenheizung (Fussbodenheizung) könnte die Vorlauftemperatur auf 30° C gesenkt
werden, was zu einer höheren Jahresarbeitszahl (JAZ) der Wärmepumpe und
dementsprechend einem höheren Anteil erneuerbarer Energien führen würde. Das
Ergebnis darf sich trotzdem sehen lassen:
2
- Projektwert Heizwärmebedarf Qh vor Sanierung
637 MJ/m
2
- Qh nach Sanierung, ohne Wärmerückgewinnung
148 MJ/m
2
- Qh,eff inkl. Wärmerückgewinnung durch Komfortlüftung
125 MJ/m
Der Heizwärmebedarf konnte somit um rund 80% gesenkt werden und erfüllt sowohl den Minergie-(A)-Neubau- wie auch den Minergie-P-Modernisierungs-Grenzwert; der Minergie-P-Neubauwert liegt noch etwas tiefer. Betreffend Luftdichtigkeit
kann das Gebäude jedoch den Minergie-P/A-Grenzwert aufgrund einiger bewusst
in Kauf genommener Schwachstellen nicht erfüllen (zum Beispiel Rollläden mit
Gurten im Ess- und im Wohnzimmer, die aus Sicht der Eigentümer für die Identität
des Gebäudes wichtig sind).
11.5 Anteil erneuerbarer Energien
Am konkreten Beispiel des EFH Huber wurde der Anteil erneuerbarer Energien für verschiedene Gebäudetechnik-Varianten berechnet, die – abgesehen von der Variante 6
– bei der Planung der Gebäudemodernisierung tatsächlich zur Diskussion standen.
Allerdings waren zu diesem Zeitpunkte die Marken und Modelle noch nicht alle bekannt, weshalb in diesen Fällen passende Geräte eingesetzt wurden, die auf
www.topten.ch aufgeführt sind. Die Gebäudehülle und die Lüftungsanlage (ComfoAir
550 Luxe) wurden gemäss der realisierten Gebäude-Modernisierung als gegeben eingesetzt, der effektive Heizwärmebedarf Qh,eff beträgt somit bei allen Varianten 125
2
MJ/m .
Da in den Minergie-Anträgen der Anteil erneuerbarer bzw. nichterneuerbarer Energien
nicht direkt ausgewiesen wird, wurde die Auswertung im Formular EN-1c vorgenommen, das für die Energienachweise gemäss MuKEn zur Verfügung steht. Für in
den Datenblättern der Hersteller nicht angegebene Parameter wurden zweckmässige
Annahmen getroffen.
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Gemäss diesen Berechnungen kann Minergie mit einem sehr unterschiedlichen Anteil
erneuerbaren Energien verbunden sein:
Variante
Anteil
erneuerbarer
Energien
1. Luft/Wasser-Wärmepumpe ohne Sonnenkollektoren
33%
2. Luft/Wasser-Wärmepumpe und
Sonnenkollektoren mit Heizungsunterstützung
54%
3. Sole-Wasser-Wärmepumpe (Erdsonde)
ohne Sonnenkollektoren
53%
4. Sole-Wasser-Wärmepumpe (Erdsonde) und Sonnenkollektoren
für Warmwasser
65%
5. Sole-Wasser-Wärmepumpe (Erdsonde), Sonnenkollektoren für
Warmwasser und Fotovoltaik für Haushalt-Grundbedarf
79%
6. Sole-Wasser-Wärmepumpe (Erdsonde), Sonnenkollektoren für
Warmwasser und Fotovoltaik für Gebäude-Strombedarf
100%
Tabelle 9: Anteil erneuerbarer Energien beim EFH Huber für unterschiedliche Varianten
Die bei den Berechnungen eingesetzten Geräte und deren wichtigste Merkmale sowie
die für alle Varianten vollständig ausgefüllten Formulare EN-1c sind im Anhang 7 zusammengestellt.
Die Ergebnisse können wie folgt interpretiert werden:
•
•
•
•
•
•
Die alleinige Installation einer Luft/Wasser-Wärmepumpe vermag die Erwartungen
betreffend erneuerbaren Energien an Minergie-Bauten nicht zu erfüllen – eine
Minergie-Zertifizierung dürfte kaum zu erreichen sein.
Luft/Wasser-Wärmepumpen kombiniert mit Sonnenkollektoren mit Heizungsunterstützung ermöglichen einen Anteil erneuerbarer Energien von rund 50%.
Sole-Wasser-Wärmepumpen erreichen eine deutlich höhere JAZ als Luft/WasserWärmepumpen, weshalb auch ohne Kombination mit Sonnenkollektoren ein Anteil
von rund 50% erneuerbaren Energien erreichbar ist.
Wird die Sole-Wasser-Wärmepumpe mit Sonnenkollektoren zur Erzeugung des
benötigten Warmwassers kombiniert, steigt der Anteil erneuerbarer Energien auf
65%.
75% erneuerbare Energien und mehr dürften in der Regel erst mit der Installation
einer Fotovoltaik-Anlage erreichbar sein. Wird der Strombedarf für die Komfortlüftung und die Wärmepumpe durch eine entsprechend grosse Fotovoltaik-Anlage
2
2
(im vorliegenden Fall ca. 25 m , zusammen mit den Sonnenkollektoren ca. 30 m )
gedeckt, beträgt der Anteil erneuerbarer Energien 100%. Beim EFH Huber
müssten dafür jedoch Fotovoltaik-Module nicht nur auf zusätzlichen Dachflächen,
sondern auch an Balkongeländern oder Fassadenflächen montiert werden, was
das Erscheinungsbild des Hauses beeinträchtigen würde.
Die Anteilscheine der Santenberg Energie Genossenschaft, welche die Bauherrschaft gezeichnet hat, und der von der Fotovoltaik-Anlage der Genossenschaft bezogene Strom im Umfang von 4‘000 kWh pro Jahr können gemäss den MinergieVorgaben nicht dem Gebäude angerechnet werden – sonst würde das Haus sogar
zu einem Plus-Energie-Haus.
Die gleichen Berechnungen bei anderen Minergie-Modernisierungen dürften zu ähnlichen Resultaten führen. Da der Heizwärmebedarf des untersuchten Hauses auch den
Minergie-Neubau-Grenzwert deutlich unterschreitet, können die Erkenntnisse auch auf
Neubauten übertragen werden.
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Fazit:
•
•
Die Bedingungen für den Energie-Bonus gemäss der alten Luzerner PBV – Minergie-Zertifizierung oder 75 % erneuerbare Energien – sind kaum vergleichbar:
Wenn die Bauherrschaft nur gerade die Grenzwerte erreichen will, resultiert ein
Anteil von ca. 50% erneuerbaren Energien, während bei Erstellung einer Fotovoltaik-Anlage ein Anteil von 75% und mehr realistisch ist.
Der Minergie-Standard berücksichtigt nur die direkt am Haus gewonnene Energie.
Investitionen in andere Anlagen zur Produktion erneuerbarer Energien zählen
nicht, obwohl eine grosse Anlage wie die der Santenberg Energie Genossenschaft
pro eingesetzten Franken eine viel grössere Wirkung erreicht als die Kleinanlage
auf dem Dach des EFH Huber.
12 Vor- und Nachteile von Minergie
12.1 Vorteile
+
+
+
+
+
+
+
+
Minergie hat als Grenzwert den Gesamtenergieverbrauch. Dies gibt Handlungsmöglichkeit für jeden Bauherr bzw. Hauseigentümer in unterschiedlichen
Situationen (Standort, Neubau / Modernisierung, Gebäudekategorie, persönliche Vorlieben, Budget etc.)
Gut aufgestellte Organisation mit verschiedenen Zuständigkeiten. Auch nichtalltägliche Fälle können von einer Fachstelle behandelt werden.
Jahrelange Erfahrungen.
Klare Anforderungen in der Bauphase, keine Diskussionen mit Unternehmern
Weniger Bauschäden und hohe Bauqualität
Tiefere Kosten für Heizung und Warmwasser
Höherer Komfort und Gesundheit
Besseres Image des Gebäude-Eigentümers und Wertsteigerung des Gebäudes als spezielle Anreize
12.2 Nachteile
-
-
-
Relativ hohe Kosten des Labels als auch für Mitgliedschaften.
Teilweise Inflexibilität durch festgeschriebene Vorschriften (z.B. bei der
Lüftung)
Kann falsche Erwartungen betr. Nachhaltigkeit wecken (z.B. besonders hoher
Anteil erneuerbarer Energien, Verkleinerung des ökologischen Fussabdrucks
etc.)
Nicht alle Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt (insb. Mobilität)
Ausserhalb des Betrachtungsperimeters „Gebäude XY“ geleistete Beiträge
werden nicht anerkannt (Deckung des Energiebedarfs mit Solarstrom von
einer Energiegenossenschaft, Zurücklegung des Arbeitswegs mit dem Fahrrad, fleischarme Ernährung etc.)
Gesamtenergiebilanz bezieht sich auf das ganze Jahr. Allfällige Speicherprobleme fallen nicht ins Gewicht (z.B. Viel Produktion von Fotovoltaik-Strom
im Sommer, grosser Energieverbrauch im Winter)
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13 Literatur- und Link-Liste
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Minergie, Bern, März 2009, CH.
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Minergie (AMI) Association Minergie, Bern, Januar 2013, CH.
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Minergie (AMI) Association Minergie, Bern, Januar 2013, CH.
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Minergie: http://www.minergie.ch/minergie-aa-eco.html, Verein Minergie (AMI) Association
Minergie, Bern, August 2014, CH.
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