Kurzvortrag in Bad Boll am 18.05.2010 Thema: politische Integration von Migranten Die Stadt Ludwigsburg mit ihren 85 000 Einwohnern ist durch Barockbauten und kulturelle Vielfalt geprägt. Schon damals bei der Entstehung der Stadt (Schlossbau) haben u. a. italienische Baumeister und kroatische Arbeiter eine wichtige Rolle gespielt. Später, im Jahre 1709, gab es dann den Aufruf zur Ansiedlung vom Herzog Eberhard Ludwig. Der Württembergische Herzog hieß alle Willkommen – „sie mögen Namen haben, wie sie immer wollen“, ausdrücklich auch jene, „die aus fremden Ländern kommen“. Schätzungsweise 30% der heute in Ludwigsburg lebenden Menschen haben einen Migrationshintergrund, 19% davon verfügen über einen ausländischen Pass. Deshalb wird Integration in Ludwigsburg als eine Zukunfts- und Querschnittsaufgabe gesehen, die mit allen relevanten Themen der Kommunalpolitik zu tun hat: Bildung, Arbeit, Wohnen und Soziales. Ein lebendiges und zukunftsfähiges Ludwigsburg ist ohne die aktive Beteiligung von Migrantinnen und Migranten nicht vorstellbar! Deshalb ist ein wichtiger Schwerpunkt unserer Arbeit in Ludwigsburg neben Sprachförderung und Bildung: die Partizipation und Förderung des bürgerschaftlichen Engagements der Migranten. Das bedeutet, dass wir Migrantinnen und Migranten als Experten und Betroffene ernst nehmen und sie aktiv in die Gestaltung der Stadtpolitik einbinden. Beispiel: Ludwigsburger Migrantinnen und Migranten beteiligen sich an der Entwicklung eines Stadtentwicklungskonzeptes. Aber was bedeutet politische Integration? Was meinen wir damit? Politische Integration gilt für viele Experten als relativ neues Konzept und betont, dass Integration von Migrantinnen und Migranten ein komplexer Prozess der Eingliederung und Einbindung in mehrere gesellschaftliche Bereiche ist. Neben der rechtlichen, sozialen und kulturellen gibt es auch die politische Integration. Integration von Migrantinnen und Migranten bedeutet für mich Teilhabe, Teilsein und Teilnehmen. Damit meine ich Teilhabe an gesellschaftlichen Möglichkeiten (rechtliche Integration), Teilsein als Identifikation mit der Gesellschaft und dem Wohnumfeld (kulturelle und soziale Integration), Teilnehmen im Sinne von aktiver Beteiligung am gesellschaftlichen und politischen Leben (politische Integration). Ich möchte nun ein paar Punkte erwähnen, die uns in Ludwigsburg beim Thema „politische Integration“ wichtig erscheinen: Bürgerschaftliches Engagement fördert politische Integration! Im Jahr 2004 wurde in Ludwigsburg mit starker Bürgerbeteiligung ein integriertes Stadtentwicklungskonzept entwickelt und vom Ludwigsburger Gemeinderat verabschiedet. Es wurden 11 Themenfelder dabei identifiziert (u. a. Bildung, Wirtschaft, Integration, etc.) Zur Unterstützung des Umsetzungsprozesses wurde der Fachbereich Bürgerschaftliches Engagement neu geschaffen. Dieser Fachbereich ist in seiner Konstellation in ganz Baden-Württemberg einzigartig (die meisten Kommunen haben eine Anlaufstelle für dieses Themenfeld) und besteht aus acht verschiedenen Sachgebieten, u. a. Integration, Gleichstellung zwischen Frauen und Männern und eine Anlaufstelle für bürgerschaftliches Engagement. Bürgerschaftliches Engagement und Politische Partizipation hängen eng zusammen und bedingen sich gegenseitig, daher ist die Förderung von bürgerschaftlichem Engagement von Migrantinnen und Migranten immer auch eine Förderung deren politischer Partizipation. Außerdem sollen Migrantinnen und Migranten - und das ist ja meine persönlische Meinung - nicht passive Beobachter des Geschehens in der Gesellschaft sein, sondern Deutschland aktiv mit gestalten und zwar auch im politischen Bereich! Der Ludwigsburger Integrationsbeirat als Plattform zur politischen Partizipation: Eine andere wichtige Plattform zur Förderung der politischen Integration ist der Ludwigsburger Integrationsbeirat. In diesem partizipativen Gremium können sich Migrantinnen und Migranten in Themenfeldern wie Sprachförderung, Elternbildung, Dialog der Religionen, etc. einbringen. Hierbei steht nicht die Nationalität der einzelnen Mitglieder im Vordergrund, sondern ihre Sachkompetenz! Deshalb werden in Ludwigsburg seit 2006 neben der Direktwahl von Vertreterinnen und Vertreter der Migrantenvereine auch sachkundige Bürgerinnen und Bürger in unseren Beirat berufen. Positiv zu bemerken ist, dass bei den letzten Ludwigsburger Gemeinderatswahlen im Jahr 2009 drei Mitglieder mit Migrationshintergrund unseres Beirats als Kandidaten in verschiedenen Parteien angetreten sind. Leider haben es alle drei nicht in den Gemeinderat geschafft … Modellprojekt zur Stärkung der Migrantenselbstorganisationen GE(H)FIT (Gemeinsam fit für Integration) ist ein Modellprojekt zur verstärkten Partizipation von MSO in Ludwigsburg und wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gefördert. Zwei Jahre lang erhalten 12 Vereine (davon 6 deutsche Vereine und 6 Migrantenselbstorganisationen) durch GE(H)FIT die notwendige Unterstützung, ihre Vereinsarbeit zu professionalisieren und sie für alle Bevölkerungsgruppen zu öffnen. Mit diesem Projekt will die Stadt Ludwigsburg nicht nur eine bessere und effizientere Zusammenarbeit zwischen Stadt und Migrantenselbstorganisationen fördern, sondern generell auch das bürgerschaftliche Engagement und somit die politische Partizipation bei den Migrantinnen und Migranten. Interkulturelle Öffnung der Verwaltung und politischen Parteien Jeder fünfte Ludwigsburger verfügt über einen Migrationshintergrund, der Migrantenanteil in Grundschulen beträgt teilweise 60%. Aus wirtschaftlicher Sicht und unter Rücksichtnahme des demographischen Wandels bleibt unserer Stadt kaum eine andere Wahl, Migrantinnen und Migranten besser zu integrieren und sich interkulturell zu öffnen. Die Nutzung und die Vermittlung von interkulturellen Kompetenzen ist ein wichtiges Themenfeld unserer Stadtentwicklungspolitik geworden. Dies sollte aber meiner Meinung nach nicht nur für die Stadtverwaltungen, sondern auch für die politischen Parteien gelten. Denn Migrantinnen und Migranten werden sich verstärkt mit Verwaltungen und Parteien identifizieren, wenn sie sich dort wiederfinden, d. h. auch eine gewisse Internationalität gezeigt wird. Dies wiederum erhöht das Interesse für Kommunalpolitik und fördert politische Teilhabe. Parteipolitisches Engagement Mein persönlisches Motto lautet: da wo ich lebe, wo mein Lebensmittelpunkt ist, da möchte ich mit gestalten und Verantwortung übernehmen. Z. B.: Im Mai letzten Jahres, als ich als Parteiloser zur Wahl des Bundespräsidenten nominiert wurde, war ich sehr erstaunt über die positive Resonanz. Aus der ganzen Bundesrepublik bekam ich Briefe und E-Mails von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, die sich sehr darüber gefreut haben, dass sich Migrantinnen und Migranten politisch einmischen. Die Parteien sind gut beraten, sich angesichts des demographischen Wandels dem Wählerpotential (Migrantinnen und Migranten) zu öffnen und die politische Beteiligung von Migrantinnen und Migranten zu fördern. Auf der anderen Seite sind auch die Migranten gefordert, die Chance, die sich für sie durch das parteipolitische Engagement öffnet, zu nutzen. Beide Seiten sollten aufeinander zugehen. Aspekte, die zur geringeren politischen Partizipation beitragen: - Sicherheit des Aufenthaltes fehlende Offenheit der Gesellschaft und der Institutionen schlechte Einbürgerungspolitik Diskriminierung fehlende Informationen kein Wahlrecht, z. B. bei kommunalen Wahlen fehlendes politisches Bewusstsein bei Migrantinnen und Migranten etc. Fazit: U. a. durch den Integrationsbeirat und die Anlaufstelle „Bürgerschaftliches Engagement“ gibt es tatsächlich ein politisches Engagement seitens der Migrantinnen und Migranten in Ludwigsburg (sprich Engagement in Migrantenorganisationen und Ausländerbeiräten), jedoch kann man nicht von einer politischen Integration (Partizipation) im eigentlichen Sinne sprechen. Denn der Gemeinderat muss für mich das partizipative Gremium für Migrantinnen und Migranten sein! Ich wünsche mir, dass Migrantinnen und Migranten direkt im Gemeinderat politisch aktiv werden! Zudem müssen wir als Kommune, um politische Integration zu verbessern: - bürgerschaftliches Engagement fördern, denn dies fördert wiederum politische Integration Migrantenselbstorganisationen stärken interkulturelle Öffnung fördern ein demokratisches Bewusstsein bei den Migrantinnen und Migranten fördern eine bessere Einbürgerungspolitik machen ein Stimmrecht der Migrantinnen und Migranten bei kommunalen Wahlen geben interkulturelle Öffnung der Parteien fördern Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!