Traditionelle Grammatik und Valenz-Dependenz

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Probeklausuren und Lösungen zum Prüfungsthema
im Fach Deutsche Sprache/DaF:
Traditionelle Grammatik versus Valenz-Dependenz Grammatik
Wichtige Literaturhinweise:
 Brons-Albert, Ruth, 1990: Valenzmodell vs. traditionelle Grammatik für den DaFUnterricht. In: Gross, Harro und K. Fischer (Hrsg.) Grammatikarbeit im DaF-Unterricht,
München: iudicium, S. 43-57.
 Gross, Harro1, ³1998: Einführung in die germanistische Linguistik. München: iudicium.
Darin das Kapitel 5: "Syntax": L13: "Einführung: Wort - Satzglied - Satz, Exkurs zur
Geschichte der Linguistik, Traditionelle Grammatik", S. 73ff. sowie L 16: "Die
Dependenzgrammatik (Valenzgrammatik) I, Valenzwörterbuch", S. 91ff. und L 17:
"Die Dependenzgrammatik II", S. 98ff.
 Altmann, Hans und Suzan Hahnemann, 2007: Syntax fürs Examen. Göttingen:
Vandenhoeck & Ruprecht.
 Dürscheid, Christa, 52010: Syntax. Grundlagen und Theorien. Göttingen: Vandenhoeck &
Ruprecht.
Einen generellen Überblick zu grammatischen Problemen des Deutschen bieten:
 Eisenberg, P., 32006. Grundriss der deutschen Grammatik. Bd. 2, Der Satz. Stuttgart,
Weimar: J.B. Metzler.
 Albert, Ruth: Vorlesungsskript “Probleme der Grammatikbeschreibung des
Deutschen”, Philipps-Universität Marburg (in der Germ. Bibliothek bei den
Seminarordnern, als Reader in WR 06 A 07 erhältlich).
Hier können Sie auch zu einzelnen Problemfällen und Aspekten der Analyse gezielt
nachlesen.
VORSICHT bei der Dependenzgrammatik: Gross benutzt eine unübliche Analyse der Adjektivdependenz, die für das
Deutsche sicher aus morphologischen Gründen abgelehnt werden muss (für das Französische, anhand dessen das
Grammatikmodell entwickelt wurde, ist sie korrekt). Im Deutschen nehmen die Adjektive ihre Endungen u.a. abhängig vom
Artikel (hat der Artikel die eindeutige (“starke”) Endung, dann nimmt das Adjektiv die “schwache” Endung). Das bedeutet,
dass sie auch vom Artikel regiert werden.
1
1
Aufgabentext:
1.
Analysieren Sie die einzelnen Konstituenten im folgenden Text (siehe Anlage) nach der
traditionellen und der Valenz-/Dependenzgrammatik. Sie können die Rollen im Satz nach der
traditionellen Grammatik jeweils unter die Konstituente schreiben, dazu dient der große
Zeilenabstand. Bitte markieren Sie dabei aber die Länge der Konstituente wie im folgenden
Muster:
Eva
hat
den Mann
mit der Pfeife
gesehen.
präp. Attribut
Subj.
fin. Verb
Akkusativobjekt
infiniter Verbteil (Part. II)
Geben Sie bei den Nebensätzen auf jeden Fall auch ihre Funktion im Hauptsatz an.
Bitte beachten Sie, dass eventuell doppeldeutige Konstruktionen vorkommen können.
Markieren Sie in diesen Fällen beide möglichen Varianten.
(35 % der Bewertung)
2.
Danach zeichnen Sie bitte für alle Sätze des Textes Baumdiagramme im Modell der Valenz/Dependenzgrammatik, und zwar jeweils einmal mit den Bezeichnungen der Kategorien und
einmal mit den einzelnen Wörtern. Falls doppeldeutige Konstruktionen dabei sind, zeichnen Sie
bitte jeweils zwei Bäume, so dass jede Variante dargestellt ist.
Damit die Übersichtlichkeit gewahrt bleibt, zeichnen Sie bei Bedarf Extra-Bäume für längere
Teilsätze und Infinitivkonstruktionen, markieren Sie aber im Matrixsatz, wo sie einzufügen sind!
Muster:
und
arbeitet
sagt
Egon
heute
in
Garten
dem
Konj.
fin. Vollverb
fin. Vollverb
ENom
dass
kalt ist
ihm
Atemp
Alok
E-Satz
N
Konj.
S
Adj. mit Kop
hinter
Haus
dem
alten
EDat
(35% der Bewertung)
Sollten bei der Analyse Schwierigkeiten auftreten, erläutern Sie bitte, was Ihnen Schwierigkeiten macht.
Bei Problemfällen begründen Sie bitte Ihre Analyse. Bei nicht verbabhängigen Elementen markieren Sie
2
bitte durch die Darstellung der Abhängigkeitsbeziehung, was Kern (Nukleus) und was Satellit ist. Sie
können in allen Aufgaben die auf der folgenden Seite angegebenen Abkürzungen verwenden.
3.
Wenn Sie mit dieser Aufgabe fertig sind, stellen Sie kurz zusammen, welche Probleme
aufgetreten sind und in welchem Grammatikmodell sie sich besser lösen ließen, bzw. welche in
keinem der beiden Modelle befriedigend gelöst werden konnten. Sie können dies zum Anlass
für Wertungen nehmen.
(30% der Bewertung)
3
Abkürzungsverzeichnis
Wenn Sie Abkürzungen verwenden wollen, benutzen Sie bitte die folgenden:
Subj.
Subjekt
Obj.
Objekt
Nom.
Nominativ
Gen.
Genitiv
Dat.
Dativ
Akk.
Akkusativ
Attr.
Attribut
Adverbial
Adverbial (nicht abkürzen, damit die Abkürzung der Wortart vorbehalten bleibt)
präp.
präpositional
Präd.n.
Prädikatsnomen
E
Ergänzung
A
Angabe
S
Satellit
N
Nukleus
V
Verb, zu unterscheiden in HV (Hilfsverb) und VV (Vollverb)
MV
Modalverb
fin.
finit
inf.
infinit
Kop.
Kopulaverb
Adj.
Adjektiv
Adv.
Adverb
trennb. Vp.
trennbare Verbpartikel
FVG
Funktionsverbgefüge
temp.
temporal
lok.
lokal
mod.
modal
kaus.
kausal
dir.
direktional
Konj.
Konjunktion
4
Es folgen konkrete Textbeispiele, die in den letzten Jahren als Klausurtexte für 4stündige Klausuren bearbeitet, analysiert und diskutiert werden mussten. Der Umfang in
der Klausur entspricht dabei jeweils einem Text.
Im anschließenden Lösungsteil verweisen Textteile, die mit unterbrochenen Linien
markiert sind, auf einen notwendigen Kommentar. Beispiele dafür finden Sie in der
Zusammenfassung im Anschluss an die Analysen der jeweiligen Texte bzw. in der
Auflistung genereller Probleme und zu diskutierender Schwierigkeiten am Ende des
Dokumentes. Die mangelnde literarische Qualität der Texte bitten wir zu entschuldigen.
Versuchen Sie zuerst selbst die Texte zu analysieren, anschließend können Sie Ihre
Lösungen mit unseren vergleichen.
5
Klausurbeispiel A
Die
Zoologin
über
Dr.
die
beiden
sehr
gefreut.
den
beiden
Bewegungen
mit
der
„Mir
sind
schwimmt
entlang,
ihr
Brille
die
der
Steinhuber
Goldfische
Ihr
Tiere
andere
nicht
glotzt
ihrem
sich
Aquarium
sehr
Doch
dem
lauter
hatte
viel
Tieren,
gefielen.
vor
in
lag
hübschen
aus
und
Emilie
an
deren
als
ruhige
sie
Hugo
Aquarium
sah,
sagte
der:
schnell
genug.
Der
eine
Langeweile
immer
die
Zeit
ganze
in
am
Rand
die
Gegend.“
6
Klausurbeispiel B
Egon
und
Erna
wartete
Hugo,
bei
diese
und
nach
Frankfurt
in
viel
Popcorn,
wieder
über
Idioten.
Hugo
nicht
Er
der
vor“
seinen
Er
auf
Erna
wartete
und
wartete.
mit
dem
Zug
der
hielt
wollten
kommen,
Marburg.
schwor
Kirche
aber
Egon
und
sich
aß
ihm
„Das
und
Entschluss
vor
Langeweile
wurde
schlecht.
kommt
tanzte
auf
mir
vor
der
nie
Freude
Straße.
7
Klausurbeispiel C
Erna
Meier
der
beiden
der
wartete
seit
Goldfische
Fischhändler
Stunden
für
auf
ihr
mit
kam
nicht.
Endlich
„Darf
ich
vorstellen?“
sagte
„Dies
ist
Egon,
„Aber
mir
fehlt
Ein
einsames
erklärte
und
So
Erna.
das
wurde
gleicht
eine
der
Männchen
„Ja,
da
Egon
Goldfisch-Ehe
aus
kam
klingelte
es.
Fischhändler.
der
ein
Weibchen
ist
mir
habe
ich
lauter
durch
puren
Doch
20-Tonner
der
König
noch
Lieferung
Aquarium.
dem
und
die
Goldfische.“
für
ihn.
zu
aber
traurig“,
nur
Boshaftigkeit
Zufall
eins,
nicht.“
verhindert.
8
Klausurbeispiel D
Caprice,
die
ihrem
Kumpel
auf
den
hatte
jüngste
Chamois
gemeinsamen
warten
gemeinsam
und
Gemüse
Chef
im
Gemüsegarten
schon
seit
langem
und
es
zu
zu
noch
in
er
sie
sie
sich
durchgearbeitet
fiel
hatte,
Ihm
war
endlich
ein,
das
Der
Chef
seinem
Gemüse
paar
war
Gemüsegarten
hergemacht.
fressen.
ein
weil
hatten
ihr
mit
A.,
Zaun
verboten
geizig
Familie
den
endlich
das
dass
sie,
Aber
dem
schlecht
der
böse,
unter
anschließend
der
Ausflug
lassen.
über
beschloss
Zwergziege
Tomaten
Grünzeug
war
und
zu
ihr
deshalb
essen.
9
Text A: Analyse nach Traditioneller Grammatik
1) Die Zoologin Prof. Dr. Emilie Steinhuber
hatte
sich
Kern
fin. HV
Akk. Obj. (Reflexivpron. zu freuen)
Attribut
Subjekt
über die beiden Goldfische
in ihrem Aquarium
sehr
Attribut (zu Goldfische)2
gefreut.
Adverbial mod.
inf. V. (Part. II)
präp. Obj.
2) Ihr
lag
sehr viel
an den beiden hübschen Tieren,
Dat. Obj.
fin. VV
Adverbial mod.
präp. Obj.
deren ruhige Bewegungen
ihr
gefielen.
Subj.
Dat. Obj.
fin. VV
Attributsatz (zu Tieren)
präp. Obj.
3) Doch
Konj.
als
sie
Hugo
Konj.
Subj.
Akk. Obj.
mit der Brille3
vor dem Aquarium sah,
Attribut (zu Hugo)
Adverbial lok.
fin. VV
temporaler Nebensatz (Adverbialsatz)
sagte der:
fin. V
"Mir
Subj.
sind
Dat. Obj.
die Tiere
fin. V. Kop.
Subj.
nicht
schnell genug.
Adverbial oder:
zum Präd.n. gehörig
adj. Präd.n.
Objektsatz
4) Der eine
schwimmt
Subj.
und
Konj.
aus lauter Langeweile
fin. VV
der andere
Subj.
Adverbial kaus.
glotzt
die ganze Zeit
fin. VV
Adverbial temp.
immer
am Rand entlang,
Adverbial temp.
Adverbial dir./lok.
in die Gegend."
Adverbial dir.
Adverbial ist hier unwahrscheinlich, denn dann würde sie sich im Aquarium aufhalten, während sie sich freut, syntaktisch
ist es aber nicht ausgeschlossen. Derartig unwahrscheinliche Lösungen müssen Sie nicht darstellen.
3 Variante: mit der Brille ist modales Adverbial, modal zu sie, also: sie hat die Brille
2
10
Text A: Analyse nach Valenz-Dependenz Grammatik
1)
(2)
hatte
lag
sich gefreut
ihr
Zoologin
über
Steinhuber
die
viel
an
sehr
Tieren
sehr
Goldfische
den
Dr.
Emilie
die
in
**
gefielen
beiden
beiden
Aquarium
ihr
Bewegungen
hübschen
ihrem
deren*
ruhige
fin HV
fin. V
inf. V (echt reflexiv)
EDat
ENom
Epräp
Amod
Amod
oder:
E mod
S
Epräp
N
N
S
S
S
S
S
S-Satz
fin. V
EDat
ENom
11
Doch
(3)
sagte
als
der
sind schnell genug
sah
sie
Tiere
Hugo
mir
vor
nicht
die
mit
Aquarium
Brille
dem
der
Konj.
fin. V
A-Satz( Atemp)
ENom
E-Satz
Konj.
fin. V (Kop. + Adjektiv + „genug“)
fin. V
ENom
ADat
EAkk
ENom
Amod
Alok
S
Variante:
sie
Hugo
als
Konj.
sah
fin. V
mit
vor
Brille
Aquarium
der
dem
ENom
EAkk
Amod
Alok
 sie kann ohne Brille nicht sehen
12
(4)
und
schwimmt
glotzt
eine
aus
immer
an
der
Langeweile
Rand
lauter
dem
entlang
andere
Zeit
in
der
die
Gegend
ganze
die
Konj.
fin. V
ENom
Akaus
Atemp
fin. V
Elok/dir.
ENom
Atemp
Edir
oder: A
13
Erforderliche – oder wenigstens nützliche – Kommentare in der Reihenfolge der
Markierung:
Die Zoologin Prof. Dr. Emilie Steinhuber: Wenn die Attribute nicht im Genitiv stehen, ist es schwierig,
Kern und Attribut zu unterscheiden (siehe ausführlicher zu Apposition S. 32).
hatte gefreut: In der traditionellen Grammatik gibt es sehr verschiedene Definitionen von Prädikat. Eine
davon fasst die finiten und infiniten Verbbestandteile zu einer Konstituente „Prädikat“
zusammen (für eine andere gehört alles außer dem Subjekt zum Prädikat). Das Ungewöhnliche
an einer solchen Konstituente ist, dass die Bestandteile nicht immer beieinander stehen
müssen.
sich gefreut: Bei unechten Reflexiva ist sich immer Ergänzung, z. B. er bereitete sich vor. In unserem Fall (sich
freuen) handelt es sich um ein echtes reflexives Verb (man kann sonst niemanden freuen). Bei
den echten Reflexiva mit den nicht austauschbaren Reflexivpronomina ist die ValenzDarstellung schwierig. Semantisch gesehen sind sie keine Ergänzung, denn sie bezeichnen ja
nichts, syntaktisch sind sie aber nötig (siehe dazu auch S. 33).
sehr viel – A oder E?: Ihr liegt an den Tieren/Mir liegt an dir. usw. ist so ungewöhnlich, dass man wohl gute
Gründe hat, ein modifizierendes Element (viel/ etwas) als notwendig (und damit als Ergänzung)
zu klassifizieren. Ein weiteres Problem ist, dass viel ein Indefinitpronomen (oder
„unbestimmtes Zahlwort“) ist, aber oft wie ein Adjektiv gebraucht wird.
Ihr:
Der Satz hat kein Subjekt, ihr steht im Dativ.
In ihrem Aquarium: Wenn man sehr spitzfindig ist, kann man eine Doppeldeutigkeit in den
ersten Satz interpretieren, der aber von der Bedeutung her sehr abstrus wäre. Danach wäre
Emilie Steinhuber in ihrem Aquarium, während sie sich freut.
deren:
als Relativpronomen hat deren die Funktion, den Relativsatz an den Hauptsatz anzuschließen.
Zu allem Übel regiert deren einerseits den Satz, denn es sorgt für die Verbendstellung,
andererseits steht es aber in der Position des Artikels zu Bewegungen. Die Genus- und die
Numerusmarkierung bekommt deren vom Bezugswort (also von Tieren) und die
Kasusmarkierung (Genitiv) als Attribut (deren ist Genitivattribut zu Bewegungen). Dies alles in
dem V/D-Modell zu zeichnen ist schwierig, nutzen Sie die Möglichkeit, Kommentare zu
machen.
beiden hübschen: ein Problem hier ist auch wieder die Darstellung der komplizierten Verhältnisse. Für
eine Gleichordnung von beiden hübschen (auf einer Ebene) würde sprechen, dass sie auch in der
umgekehrten Reihenfolge stehen können, ohne dass es einen Bedeutungsunterschied gibt (den
hübschen beiden). Dagegen spricht, dass sie nicht koordinierbar sind (*den beiden und hübschen), was
wohl damit zu erklären ist, dass sie nicht derselben Wortart angehören (Quantor und
Adjektiv). Aber dass der Quantor das Adjektiv regiert, ist nicht beweisbar, denn die schwache
Endung könnte ja schon durch den zugewiesen sein. Die Annahme, dass der Quantor regiert,
könnte man nur mit zweifelhaften Beispielen wie (?) Beide hübschen Goldfische waren verfressen
belegen.
sind genug: Es ist generell die Frage bei einer Kopula und einem Adjektiv, ob nicht die beiden zusammen
den Satz regieren. Im Falle von Ausdrücken wie zu + Adj.(schnell) bzw. Adj. (schnell) + genug
sorgt aber zu bzw. genug dafür, dass der „Dativus iudicantis“ (siehe auch S. 32) möglich ist
14
(dessen Status als Ergänzung bzw. Angabe umstritten ist, allerdings bedeutet eine Erklärung
als Ergänzung, dass 2 verschiedene Valenzen angenommen werden müssen für er ist schnell
genug und er ist mir schnell genug), d. h. offensichtlich regieren zu + Adj. bzw. Adj. + genug diesen
Dativ (vgl. Eisenberg 2006, 293). Das Modell hat keine andere Möglichkeit, als
Rektionsverhältnisse zur Beschreibung für diese Art von Abhängigkeit zu nehmen, insofern
sollte das Adjektiv + genug bei dem regierenden Kopulaverb stehen, wenn man dies darstellen
will.
entlang: Die Zweiwertigkeit von schwimmen und glotzen ist diskutierbar. Gehört eine weitere Ergänzung
(meist ein Ziel, aber auch er glotzt dumm) dazu oder nicht? Für glotzen scheint das noch
wahrscheinlicher als für schwimmen, wir nehmen sie als zweiwertig an.
am Rand entlang: Was hier besonders ist, ist die Tatsache, dass zwar eine Ähnlichkeit zu einer Ziel/Richtungsangabe besteht (er schwimmt am Ufer entlang), dass aber andererseits wegen der
Begrenztheit des Ortes man durchaus auf „schwimmen an einem Ort“ kommen könnte und
damit wäre es dann nur eine Angabe, wie „schwimmen zu einer Tageszeit“ u.ä. auch.
15
Text B: Analyse nach Traditioneller Grammatik
1) Egon
Subj.
wartete
bei der Kirche
fin. VV
Adverbial lok.
auf Erna und Hugo, diese Idioten.
Apposition
präp. Objekt
2) Er wartete
Subj.
und
wartete.
Konj.
fin. VV
fin. VV
3) Erna und Hugo
Subj.
wollten
mit dem Zug
nach Frankfurt
kommen,
fin. V (MV)
Adverbial mod.
Adverbial dir. oder:
inf. VV (Infinitiv)
Attribut (zu Zug)
aber
der
hielt
Konj.
Subj.
fin. VV Adverbial mod.
aß
vor Langeweile
4) Egon
Subj.
in Marburg.
fin. VV
Dat. Obj.
Adverbial lok.
viel Popcorn, und
fin. VV Adverbial kaus.
5) Er schwor sich
Subj.
nicht
Akk. Obj.
„Das kommt
Subj.
fin. VV
mir
Dat. Obj.
Konj.
ihm
wurde
schlecht.
Dat. Obj.
fin. V (Kop.)
adj. Präd.n.
nie wieder
vor“
Adverbial temp. trennb. Vp.
Objektsatz
und tanzte vor Freude über seinen Entschluss
auf der Straße.
Konj. fin. VV
Adverbial lok.
Attribut (zu Freude)
Adverbial kaus.
16
Text B: Analyse nach Valenz-Dependenz Grammatik
1)
2)
wartete
Egon
und
bei
auf
Kirche
und
der
Erna
wartete
wartete
er
Hugo
Idioten
diese
fin. V
ENom
Konj.
Alok
Epräp
fin. V
S
fin. V
ENom
3)
aber
wollten
hielt
kommen
der
und
Erna
nicht
mit
Hugo
in
Marburg
Zug
oder: (jedoch nicht wahrscheinlich)
wollten
dem
nach
kommen
Frankfurt
Erna
und
mit
nach
Hugo
Zug
Frankfurt
dem
Die Darstellung zeigt, dass Koordinationen Schwierigkeiten machen und ungewöhnliche Baumdiagramme erzeugen. Der
letzte Alternativbaum liegt von der Bedeutung her nicht nahe, wenn man den Textzusammenhang betrachtet.
17
Konj.
fin. MV
fin. V
inf. V
ENom
ENom
Amod
oder:
Amod
Elok
fin MV
inf. V
S
ENom
Amod
E/Adir
4)
und
aß
Egon
wurde schlecht
vor
Popcorn
Langeweile
viel
ihm
Konj.
fin. V
ENom
Akaus
fin. V (Kop) + adj. Präd.n.
EAkk
EDat
5)
und
schwor
tanzte
er
sich
kommt vor
das
mir
wieder
nie
vor
Freude
über
auf
Straße
der
Entschluss
seinen
18
Die Darstellung, dass die beiden koordinierten Verben sich das Subjekt teilen, macht es
unmöglich, die Reihenfolge der Konstituenten darzustellen.
Konj.
fin. V
fin. V
E Nom
EDat
(unecht reflexiv!)
E-Satz
fin. V
Akaus
E/Alok.
S
ENom
ADat
Atemp
Abhängig davon, wie ‚normal‘ man den Satz er tanzte findet; ungewöhnlich ist es schon ohne
irgendetwas dabei; aber was dort stehen kann, ist verschieden:
-
Akkusative des Inhalts: er tanzte einen Walzer
-
Angaben von Begleitern: er tanzte mit Erna
-
Ortsangaben/Richtungsangaben und ganz klare Angaben: die ganze Nacht; aus Frust; usw.
19
Text C: Analyse nach Traditioneller Grammatik
1) Erna Meier
Subj.
wartete
seit Stunden
fin. VV
Adverbial temp.
auf die Lieferung
Präp. Obj.
der beiden Goldfische
für ihr Aquarium.
Gen. Attr. (zu Lieferung)
2) Doch
Attr. (zu Goldfische) oder evtl Attr. zu Lieferung
der Fischhändler
Konj.
mit dem 20-Tonner
Subj.
3) Endlich
Attribut (zu Fischhändler) oder evt.:
Adverbial (bei dieser Wortstellung
nicht anzunehmen)
klingelte
Adverbial temp.
ich
fin. V (MV)
fin. VV Konj.
nicht.
fin. VV Adverbial mod.
Subj.
vorstellen?” sagte
Subj.
und kam
es.
fin. VV
4) “Darf
kam
inf. VV
der Fischhändler.
fin. VV
Subj.
Objektsatz
5) „Dies
ist
Präd.n. oder:
Subj.
Egon,
fin. V (Kop.)
der König
Subj. oder:
Präd.n.
der Goldfische.”
Attribut (zu König)
Attribut (zu Egon)
Objektsatz
(Gegenteil zu „schon“)
6) “Aber
Konj
mir
fehlt
Dat. Obj.
fin. VV
noch
ein Weibchen
Adverbial temp.
für ihn.
Subj.
Attribut (zu Weibchen)
Objektsatz
(das übliche Problem mit dem iudicantis)
7) Ein einsames Männchen ist
Subj.
mir
fin.V (Kop.) Dat. Obj.
zu traurig”,
erklärte
Erna.
adj. Präd.n.
fin. VV
Subj.
Objektsatz
(Gradpartikel zu eins)
8) “Ja,
da
Satz
habe
Adverbial fin. VV
lok.
ich
Subj.
aber
nur eins,
Konj.
Akk. Obj.
und
das
gleicht
Egon
aus lauter Boshaftigkeit
nicht.”
Konj.
Subj.
fin. VV
Dat. Obj.
Adverbial kaus. (ist semantisch
kaum möglich!)
Adverbial mod.
9) So
wurde
Adverbial mod.
fin V (HV)
eine Goldfischehe
Subj.
durch puren Zufall
Adverbial kaus.
verhindert.
inf. VV (Part. II)
20
Text C: Analyse nach Valenz-Dependenz Grammatik
1)
wartete
Meier
seit
auf
Erna
Stunden
oder besser:
Lieferung
Lieferung
die Goldfische
die
für
der
beiden
Aquarium
der
ihr
beiden
Goldfische
für
Aquarium
ihr
(sind die Goldfische oder die Lieferung für das Aquarium? Die Goldfische sind wahrscheinlicher!)
fin. V
ENom
Atemp
Epräp
oder:
N (Lieferung)
N/S
N (Lieferung)
S
N/S (Goldfische)
S
2)
S
Doch
3)
und
kam
kam
Fischhändler
nicht
der
S
endlich
klingelte
es
mit
20-Tonner
dem
Dieses Baumdiagramm zeigt die üblichen Schwierigkeiten mit der Darstellung von Koordination. Wie regieren eigentlich die
Verben die üblichen Konstituenten?
21
Konj.
Konj.
fin. V
fin. V
fin. V
Atemp
ENom
ENom
Amod
S
4)
5)
sagte
ist
darf
Fischhändler
vorstellen
der
dies
Egon
König
ich
der
Goldfische
der
fin. V
E-Satz
fin. V (Kop.)
ENom
ENom
fin. V (MV)
ENom
N/S
inf. V
S
ENom
6)
aber
7)
fehlt
mir
noch
Weibchen
ein
für
ihn
erklärte
ist zu traurig
Männchen
Erna
mir
ein
einsames
22
Konj.
fin. V
fin. V
EDat
E-Satz
Atemp
ENom
ENom
fin. V (Kop.) + adj. Präd.n.
S
ENom
ADat
8)
Ja
und
aber
habe
da
ich
gleicht
eins
das
Egon
nur
aus
nicht
Boshaftigkeit
lauter
Satz
Konj.
Konj.
fin. V
Alok
ENom
fin. V
EAkk
ENom
EDat
Akaus
Amod
9)
so
wurde
fin. V (HV)
verhindert
inf. V (Part. II)
Goldfischehe
durch
eine
Zufall
Amod
ENom
Akaus
puren
23
Text D: Analyse nach Traditioneller Grammatik
Caprice,
die
jüngste
Zwergziege
Subj.
der
Familie
A.,
Attribut zu Zwergziege
Apposition zu Subj.
ihrem
Kumpel
Chamois
Kern
böse,
Attribut
fin. V (Kop.)
weil
adj. Präd.n.
war
er
Konj.
sie
Subj.
Akk.obj.
Dat. Obj.
auf
den
gemeinsamen
Ausflug
in
präp. Objekt
den
präp.
Gemüsegarten
Attribut
zu
Ausflug
Adverbialsatz/Kausalsatz
hatte
warten
fin. HV
inf. VV.
(Infinitiv)
lassen.
Aber
Infinitiv
gemeinsam
endlich
Konj.
unter
Adverbial
temporal
dem
hatten
sie
fin. HV
Subj.
Zaun
sich
Refl.pron.
Akk.obj.
durchgearbeitet
Adverbial modal
inf. VV (Part.II)
präp. Obj. oder: Adverbial lokal
und
über
das
Gemüse
hergemacht.
Konj.
inf. VV (Part.II)
Ihm
war
Dat.obj.
fin. V (Kop.)
präp. Obj.
anschließend
schlecht
und
ihr
Adverbial temporal
adj. Präd.n.
Konj.
Dat.obj.
dass
der
Konj.
Chef
Subj.
fiel
endlich
fin. VV
Adverbial temporal
es
verboten
Akk.obj.
inf.VV (Part.II)
hatte,
ein,
trennb. Vp.
das
fin. HV
Grünzeug
Akk. obj.
Subjektsatz
im
Gemüsegarten
Attribut
4
zu
fressen.
Der
Inf. VV (Inf.)
Chef
Subj.
war
ihr
fin.V (Kop.)
Dat.obj.
Objektsatz
Subjektsatz
schon
seit
langem
Adverbial temporal
beschloss
sie,
fin.VV
Subj.
zu
geizig
adj. Präd.n.
noch
ein
mit
seinem
Gemüse
Präp.obj.
paar
und
Konj.
Tomaten
Akk.obj.
zu
deshalb
Adverbial (mod)
(Demonstrativadverb)
essen.
Inf. VV (Inf.)
Objektsatz
4
Eine nicht bedeutungsgleiche und weniger wahrscheinliche Variante wäre lokales Adverbial.
24
Text D: Analyse nach Valenz-Dependenz Grammatik
(1)
war *
Caprice
Kumpel
Zwergziege
die
ihrem
böse
weil
Camois
hatte
Familie
jüngste
der
lassen
A.
er
warten
sie
* oder besser:
Ausflug
war böse
Caprice
auf
Kumpel
den
weil
gemeinsamen
in
Gemüsegarten
…
…
…
den
In diesem Satz liegt die Schwierigkeit darin, wie man das Kopulaverb und das
adjektivische Prädikatsnomen im Valenzbaum zeichnen soll. Sein erfordert zwei
Ergänzungen im Nominativ (oder eine und ein adj. Präd.n.), aber das Dativobjekt wird
als solches erst durch die Verbindung von Kopulaverb und Adjektiv ermöglicht. Daher
ist die zweite Variante besser, in der das Dativobjekt von Kopula und Adjektiv regiert
wird.
In den Gemüsegarten kann aufgrund seines Kasus nicht vom Verb regiert werden, dann
müsste es im Dativ (lokal) statt Akk. (direktiv) stehen (und hätte natürlich eine andere
Bedeutung bei im Gemüsegarten warten).
fin. V. *
ENOM
EDAT
Emod
N/S
A-Satz
Konj. (kausal)
S
fin. V. (HV)
ENOM
EAKK
inf. V.
inf. V.
Epräp
S
25
* oder besser:
fin. V. (Kop. + adj. Präd.n.)
ENOM
EDAT
A-Satz
aber
(2)
und
hatten
[hatten]
sich durchgearbeitet
unter
[sich] hergemacht
sie
über
Zaun
dem
Gemüse
endlich
gemeinsam
das
Bei diesem Satz liegt die erste Schwierigkeit in der elliptischen Konstruktion: Sowohl das
Hilfsverb als auch das Reflexivpronomen und das Subjekt werden im zweiten Satz
ausgelassen. Semantisch stellt das kein Problem dar, weil die zwei Sätze durch eine
koordinierende Konjunktion verbunden sind. Aber die Koordination lässt sich in der
VD-Grammatik schwer zeichnen, da diese drei Elemente faktisch nicht im Satz stehen,
syntaktisch aber notwendig sind.
Konj.
Konj.
fin. V. (HV)
[fin. V. (HV)]
inf. V. (Part. II, echt reflexiv)
inf. V. (Part. II, [echt reflexiv])
Epräp/Elok
ENOM
Atemp
Epräp
Amod
26
(3)
und
war *
ihm
fiel ein
anschließend
schlecht
ihr
endlich
dass
hatte
* oder besser:
war schlecht
ihm
anschließend
verboten
Chef
es
der
zu fressen
Grünzeug
das
in
Gemüsegarten
dem
Hier liegt die Schwierigkeit wieder bei der Zeichnung der Kopulaverb-PrädikatsnomenKonstruktion. Wie bereits angeführt, ist die zweite Variante die wahrscheinlich bessere.
Der angesprochene Aspekt des von dem Kopulaverb und dem adjektivischen
Präd.nomen zugewiesenen Dativ wird hier noch deutlicher, vor allem, wenn man „ihm
war schlecht“ mit „er war schlecht“ kontrastiert. Um also den Zustand von der
Eigenschaft abzuheben, sollten Kop. und Präd.n. zusammen stehen.
Verbieten ist ein dreiwertiges Verb, es fordert also ein ENOM (jemand, der etwas verbietet),
ein EAKK (das, was verboten wird) und ein EDAT (wem es verboten wird). Letzteres kann
in der Verallgemeinerung wegfallen (es wird keiner spezifischen Person verboten,
sondern das Verbot gilt für alle). Dadurch wird der EDAT zur fakultativen Ergänzung. Die
anderen beiden Ergänzungen müssen aber stehen, sonst wird der Satz
ungrammatikalisch.
Eine weitere Schwierigkeit besteht in dem semantisch leeren es, das in diesem Fall
syntaktisch sogar redundant ist. Es regiert als solches nicht die Infinitivkonstruktion,
aber steht als ‚Platzhalter‘ für den Objektsatz. Dies im Baum darzustellen ist schwierig.
Vor allem ist strittig, ob man es als Angabe oder Ergänzung bezeichnen soll, da es auch
eigentlich weggelassen werden kann, ohne dass der Satz ungrammatikalisch werden
würde, jedoch eine obligatorische Ergänzung ‚vorwegnimmt‘.
27
Konj.
fin. V. (Kop.) *
EDAT
Atemp
fin. V. + trennb. Vp.
Emod
EDAT
Atemp
* oder besser:
Konj.
fin. V. (Kop. + adj. Präd.n.)
EDAT
E-Satz
fin. V. (HV)
Atemp
inf. V. (Part. II)
ENOM
EAKK oder: A?
E-Satz
Infinitiv mit “zu”
EAKK/N
S
Die Konstruktion ist im Übrigen syntaktisch eventuell doppeldeutig, man könnte
annehmen, es gehe nicht um das Grünzeug im Gemüsegarten (also Attribut/Satellit),
sondern es sei generell verboten, im Gemüsegarten zu fressen, also auch Grünzeug,
somit wäre im Gemüsegarten nicht Satellit zu Grünzeug, sondern Angabe. Dies ist
semantisch aber nicht naheliegend, wieso sollte dasselbe Grünzeug woanders gefressen
werden dürfen?
(4)
und
war zu geizig
Chef
der
ihr
seit
mit
langem Gemüse
schon seinem
beschloss
deshalb
sie zu essen
Tomaten
noch
ein
paar
Bei der Kopulaverb-Prädikatsnomen-Konstruktion handelt es sich hier um einen
besonderen Fall, den dativus iudicantis. Es handelt sich dabei um den Dativ des
28
Beurteilers, der eine Norm setzt, die das Subjekt (oder der Beschriebene) überschreitet
(zu). Der Dativ wird hier also eigentlich erst durch die gesamte Konstruktion war zu geizig
ausgelöst und sollte daher auch als von ihr regiert dargestellt werden, was für die VDGrammatik etwas ungewöhnlich ist, denn es gäbe ein sehr umfangreiches regierendes
Element.
Konj.
fin. V. (Kop. + „zu“ +adj. Präd.n)
ENOM
EDAT
Atemp
EDAT
fin. V.
Konj. ENOM E-Satz
Infinitiv mit zu
EAKK
(mit Gradpartikel noch)
3.
Ein Hauptproblem in dem Text bestand aus dem subjektlosen Satz (Nr. 3). Dies ist ein
Problem für das traditionelle Modell, da dieses den Satz aus Subjekt und Prädikat aufbaut
und somit erklären müsste, wie dieser Satz ohne Subjekt trotzdem grammatikalisch
korrekt sein kann. In der V/D-Grammatik ist dies einfacher, weil es zur Beschreibung
der Valenz der Verben gehört, ob eine Ergänzung im Nominativ nötig ist. Der
Subjektbegriff fällt dort also weg. Da aber das Subjekt Einfluss auf die Personalendung
des Verbs hat, müsste im V/D-Modell erklärt werden, dass, wenn keine NP im
Nominativ vorhanden ist, das Verb den ‚default-Fall‘ 3. Pers. Singular nimmt.
Im traditionellen Modell fällt wieder auf, dass Komponenten fehlen, die syntaktisch
notwendig sind (hier: Subj. und finite Verbform). Im V/D-Modell ist die Darstellung
auch schwierig, aber v.a. weil die Beziehungen genauer dargestellt werden. Hier ist es also
schwer die Koordination der Elemente darzustellen, die sich auf beide Sätze
gleichermaßen beziehen. Außerdem müssen die ausgelassenen Elemente irgendwie
dargestellt werden, weil sie ja syntaktisch notwendig sind, aber wie dies geschehen soll,
damit Elemente nicht doppelt gezeichnet werden, die so im Text gar nicht vorkommen,
ist nicht einfach.
Das bereits in Aufg. 2 angesprochene Problem des Dativobjektes in Satz 1 und 3 spiegelt
sich auch im traditionellen Modell wider. Dort dürften diese eigentlich nicht als Dativobj.
bezeichnet werden, um sie von ‚echten‘ Dativobjekten zu unterscheiden.
Es gibt für die traditionelle Grammatik gelegentlich ein Problem bei der Unterscheidung
von Adverbialen und präpositionalen Objekten. Im Folgenden werden die wichtigsten
Unterscheidungskriterien aufgelistet.
29
Generelle Probleme und zu diskutierende Schwierigkeiten zum Thema (nicht
mehr nach Aufgaben sortiert):
Traditionelle Grammatik und Valenz-Dependenz-Grammatik
Subjektlose Sätze als Problem für die trad. Grammatik
 Bei der V-D erlaubt das Modell eine Darstellung, nach der die Verbrektion die Wahl einer
Nominalphrase fordern, freistellen oder ausschließen kann. So kann die V-D-Grammatik auch
Fälle von obligatorisch subjektlosen Aktivsätzen beschreiben, wie z. B.: „Mir liegt an deiner
Meinung.“ (vgl. dazu auch Textbsp. A, Satz (2)). Das ‚Subjekt‘ wird in der V-D-Grammatik als
‚Ergänzung im Nominativ‘ genauso behandelt wie andere Verbergänzungen.
 Der Verzicht auf das obligatorische Subjekt (der trad. Grammatik) in der V-D-Grammatik löst
auch die Schwierigkeit der Beschreibung subjektloser Sätze im Deutschen, die z. B. dadurch
entstehen, dass einwertige Verben im Deutschen subjektlose Passive haben können, z. B.: Hier wird
getanzt.
 Im Deutschen gibt es Fälle, in denen das Verb ein lexikalisches Subjekt nicht zulässt, nullwertige
Witterungsverben (es regnet, es schneit etc.) verlangen im Deutschen ein Subjekt ohne lexikalische
Bedeutung (es). In der traditionellen Grammatik behandeln wir diese ‚Subjekte‘ wie alle anderen
auch. In der V-D-Grammatik gibt es unterschiedliche Ansätze, wenn semantisch vorgegangen wird,
gelten diese nicht als Ergänzungen. Sie können aber syntaktisch vorgehen, dann sind es auch
Ergänzungen, sie sind ja obligatorisch.
 Bei Kopulaverben ist keineswegs eindeutig, welche Nominalphrase im Nominativ Subjekt ist,
wenn beide denselben Numerus haben; dies ist syntaktisch nicht entscheidbar, sondern – wenn
überhaupt – nur nach Topic-Comment-Verhältnissen. Auch hier ist die V-D-Grammatik
konsequenter: eine solche Entscheidung wird nicht verlangt.
 es war Hans: es muss stehen, weil sein 2 Nominativ-Ergänzungen fordert, das bedeutet dann für die
trad. Grammatik: ein Subjekt + ein substantivisches oder ein adjektivisches Prädikatsnomen. Daher
ergibt sich das Problem, ob nun es oder Hans Prädikatsnomen oder Subjekt ist (siehe auch Textbeisp.
C, Satz (5)). Würde man nun es als Subjekt bezeichnen, dann hätte der Satz im Plural: es waren Hans
und Inge keine Subjekt-Prädikats-Kongruenz mehr, daher scheint es angebrachter, es als
substantivisches Prädikatsnomen aufzufassen und Hans als Subjekt.
 Kopulaverben sind: sein (allgemein; kann Bezug auf Zustand, Eigenschaft etc. haben), werden (in
Zustand gelangen), bleiben (in Zustand verharren); des Weiteren nehmen auch: aussehen, schmecken,
sich dünken, klingen adjektivische Prädikatsnomen. Substantivische Prädikatsnomen gibt es auch noch
bei: heißen und sich dünken. Diese letzten Verben werden aber nicht von jedem Grammatikschreiber
als Kopulaverben bezeichnet.
 ihm wurde schlecht (und ihm ist schlecht): Schwierigkeit ist, dass sein bzw. werden als Kopula hier nicht –
wie üblich – zwei Nominativ-Ergänzungen fordert. Durch das adjektivische Prädikatsnomen (hier:
schlecht) wird der Ergänzung an erster Stelle erst der Kasus zugewiesen, nämlich der Dativ. Bei der
Darstellung ergibt sich nun das Problem, ob man nun fin. Kopula + adj. Prädikatsnomen (E mod.)
als Satzzentrum schreibt. Um solche Sätze abzugrenzen von Sätzen wie: Egon ist schlecht (hier: schlecht
im Sinne einer Charaktereigenschaft!), sollte hier das Verb+Adjektiv als Regens eingetragen werden,
nicht nur das Verb. Also:
30
ist
EgonNom.
schlecht
wäre der Fall mit der Charaktereigenschaft.
ist schlecht
wäre der Fall mit der Übelkeit.
EgonDat.
Allerdings ist dadurch nicht dargestellt, dass auch im ersten Fall das Prädikatsnomen festlegt, welche
Ausdrücke überhaupt als Subjekt in Frage kommen, somit regiert auch im ersten Fall das
Prädikatsnomen in gewisser Weise.
Schwierigkeit der Abgrenzung Adverbiale/ Objekte
 (trad. Grammatik), z. B. präp. Objekte mit nicht ganz festen Präpositionen – es gibt keine
eindeutigen Kriterien zur Unterscheidung, jeder Grammatikschreiber gewichtet verschiedene Kriterien
in anderer Weise.
 Präp. Objekte (nicht alle Kriterien sind besonders gut anwendbar, vor allem gibt es kaum
syntaktische Argumente):
 Präposition hat keine fest umrissene Bedeutung (nicht bedeutungslos, aber Bedeutung ist eher
vergleichbar mit funktionalen und nicht mit lexikalischen Einheiten);
 Nicht-Austauschbarkeit der Präposition.
Warten auf, nicht warten an; die Wortgruppe ist austauschbar mit nominalen Objekten (also der
durch PrGr bezeichnete Aktant kann auch als nominales Objekt auftreten, z. B. an jemanden
schreiben - jemandem schreiben);
 Obligatorik (Satz wird ohne PrGr ungrammatisch ...).
Die zuletzt genannten Argumente sind allerdings Bedingungen, die z. T. auch Adverbiale erfüllen
können. In ‚Problemfällen‘ sind einige, aber nicht alle der Bedingungen erfüllt.
 Adverbiale sollen laut den Beschreibungen der traditionellen Grammatik die folgenden Kriterien
erfüllen:
 die Präposition hat noch ihre ursprüngliche Bedeutung,
 sie sind nicht fest an bestimmte Verben gebunden,
 sie können zum Satz hinzutreten, aber genausogut wegfallen,
 es gibt keine feste Verbindung zwischen Verb und einer bestimmten Präposition, sondern es
können ganz verschiedene Präpositionen auftreten.
In Egon wartet vor der Kirche auf Erna hätten wir zwei klare Fälle, in Das Fahrrad lehnt am Gartentor einen
Fall, in dem nicht alle Kriterien zu derselben Klassifizierung führen.
 präp. Objekte: bei Verben wie bestehen aus, bestehen auf, hängen an, vorkommen, warten auf etc.; z. B. ist
bestehen aus eine feste Verbindung, in der aus seine ursprüngliche Verbindung nicht mehr hat, daher:
präp. Objekt
 „ethischer Dativ“: Ich lobe mir das Landleben, Du ziehst mir nicht das Grüne an, Du bist mir ein Schwätzer:
Das mir kann im Hauptsatz nur nach dem finiten Verb stehen, alle anderen Positionen sind
ausgeschlossen. Es ist nicht an bestimmte Verben gebunden, der Dativ ist in diesem Fall frei, ist also
Angabe und stets einem Satz untergeordnet! (Mit dem Ethicus bringt der Sprecher sich selbst oder
den Adressaten auf einer kommunikativ-pragmatischen Ebene ins Spiel, ähnlich wie bei
Abtönungspartikeln). In der traditionellen Grammatik sollten die ethischen Dative nicht als Objekte
31
bezeichnet werden, um sie von ‚echten‘ Objekten zu unterscheiden (etwa wenn die fromme Helene
die Absicht gehabt hätte, dem Sprecher (ihrem Vater) das grüne Kleid anzuziehen), andererseits
müssten sie dann als Adverbiale bezeichnet werden, was auch ungünstig ist, weil sie nicht in der
ersten Position im Satz stehen können.
 „dativus iudicantis“: das Dativnominal wird in diesen Fällen von zu + Adjektiv bzw. Adjektiv +
genug regiert. „Dativus iudicantis“ kann dort stehen, wo ein unflektiertes Adjektiv durch zu oder
genug modifiziert wird, also beim adjektivischen Prädikatsnomen: Er ist mir zu freundlich oder beim
adjektivischen Adverbial: Er lacht mir zu laut. (vgl. Eisenberg 2006: 293). Übersetzt heißt das: Dativ
des Beurteilers. Dieser Dativ kann (prinzipiell) dieselbe Position einnehmen wie ein dativisches
Objekt, ist aber keine Ergänzung, denn es ist nicht im Stellenplan von Verb oder Adjektiv verankert.
Das Dativnominal bezeichnet eine Person, die für eine skalierbare Größe (Adjektiv) einen Normwert
setzt, das vom Subjekt Bezeichnete entspricht diesem Normwert nicht, sondern überschreitet ihn
(bei zu) oder entspricht ihm, erreicht also die Norm (bei genug). Beispiel: Er schwimmt mir zu schnell. –
die Darstellung ist ein Problem für die beiden Grammatikmodelle: Für die traditionelle Grammatik,
weil nicht gut zu entscheiden ist, ob es ein Objekt ist, und für die V-D-Grammatik, weil das Verb +
das Adjektiv + zu/genug erst diesen Dativ ermöglichen, sodass er von allen regiert werden müsste.
Sonstiges
 Probleme der Darstellung von Koordination, z.B.: ein Subjekt bzw. eine Nominativergänzung, aber
zwei Verben. Da es sich ja normalerweise um eine Konstituente handelt, sollte das dargestellt
werden, z.B. mit der Konjunktion als regierendes Element.
 Partikeln (noch, gerade etc.): Wenn Partikeln alleine stehen und nicht deutlich irgendwo zugehören,
sind sie trotzdem keine echten Satzglieder. Sie können nicht in Verbzweitstellung vor dem finiten
Verb stehen. Manchmal ist es schwierig zu bestimmen, ob Partikeln näher zum Subjekt oder einer
Nominalphrase gehörig sind oder ob sie zum Satz gehören, also als unmittelbar verbabhängig
dargestellt werden müssen. In beiden Grammatikmodellen macht die Analyse Schwierigkeiten. In der
traditionellen Grammatik sind keine Elemente vorgesehen, die weder zum Subjekt noch zum
Prädikat gehören und auch keine, die keinen Satzgliedstatus haben, aber auch nicht Teil eines
Satzgliedes sind. In der V-D-Grammatik ist zwar der Status als ‚Angabe‘ offensichtlich, aber es sind
keine Elemente vorgesehen, die nicht verbabhängig sind.
 Appositionen sind Attribute (im selben Kasus), es gibt allerdings viele Beispiele, in denen nicht so
eindeutig ist, was Kern und was Attribut bzw. Satellit ist. Besonders Titel sind nicht einfach
unterzubringen, beim Namen ist der Nachname Kern, der Vorname kann wegfallen, wenn ein Titel
oder Herr/Frau steht. Schwierigkeiten ergeben sich bei der Darstellung der
Abhängigkeitsverhältnisse: Man kommt semantisch gesehen zu einem anderen Ergebnis als
syntaktisch. Semantisch wäre (Emilie) Steinhuber Kern, syntaktisch müsste aber die Zoologin Kern
werden, denn das ist der Teil der Nominalphrase, der flektiert werden kann bzw. wird wegen des
Artikels: es hieße ja: das Haus der Zoologin Dr. Emilie Steinhuber, ich gebe das Buch der Zoologin Dr. E. S.
sowie ich kenne die Zoologin Dr. E. S.
 steht ein Teil der Nominalphrase im Genitiv, ist dieser Teil auf jeden Fall Attribut
 Eigennamen und Titel: Onkel Karl, Präsident Maier, Fräulein Dorothea; der Titel behält hier die Form des
Nominativs bei, auch wenn der Kern flektiert wird, z. B.: Präsident Maiers Wiederwahl, also muss hier
der Name und nicht der Titel Kern sein. Aber bei Nominalphrasen wie: der Schlosser Hans-Dietrich, die
Linguistin Senta, das Land Hessen, der Monat Dezember passiert Folgendes: der Antrag des Landes Hessen,
das Projekt der Linguistin Senta, hier bleibt also der Eigenname im Nominativ, das heißt der Eigenname
wird vom Kern hinsichtlich des Kasus regiert, ist hier also Attribut (der Linguist Hugo – des Linguisten
Hugo)
32
 es gibt Nominalphrasen wie Nathan der Weise, Was Hänschen der Assistent nicht lernt, lernt Hans der
Professor nimmermehr – beide Ausdrücke sind hier semantisch gleichwertig, es handelt sich quasi um
eine ‚Prädikation‘ oder einen ‚reduzierten Kopulasatz‘. Man kann einen der Ausdrücke weglassen,
ohne dass sich funktional etwas ändert (oder der Satz gar ungrammatisch würde). Also: Was der
Assistent nicht lernt ... / Was Hänschen nicht lernt ... Auch hier ist also kaum eine Entscheidung möglich,
was Kern ist, zumal beides flektiert wird: Die Entscheidung Nathans des Weisen …
 Reflexiva: Bei unechten Reflexiva ist „sich“ immer Ergänzung, z. B. „er schwor sich”. „Sich” kann in
der trad. Grammatik (da wird zwischen bedeutungstragenden und bedeutungslosen
Reflexivpronomina nicht unterschieden) Dat. Objekt sein. – Reflexiva gibt es generell im Dativ und
im Akk.: Ich wasche mich (Akk.); Ich putze mir die Zähne (Dat.). Es gibt Verben, die nicht durch andere
NPs austauschbare Reflexivpronomina fordern: sich verlieben, sich erholen, sich freuen - andere Verben
können Reflexivpronomina nehmen, aber auch andere Ergänzungen (sich waschen – jemanden waschen).
Bei den echten Reflexiva mit den nicht austauschbaren Reflexivpronomina ist die ValenzDarstellung schwierig. Semantisch gesehen sind sie keine Ergänzung, denn sie bezeichnen ja nichts,
syntaktisch sind sie aber nötig. (Man kann sie auf dieselbe Ebene schreiben wie das Verb.)
 Negation: nicht kann immer nur Angabe sein (es kann nie Ergänzung sein!)
 Doppeldeutigkeit von Satzelementen wie: sie kommen mit dem Zug nach Frankfurt. Sowohl in der trad.
Grammatik als auch in der V-D ist es kein Problem, die beiden Varianten syntaktisch doppeldeutiger
Ausdrücke darzustellen. Handelt es sich hier also um zwei Adverbiale: mit dem Zug und nach Frankfurt
– in dem Sinne, sie kommen nach Frankfurt und nehmen dazu den Zug – oder handelt es sich um
ein Adverbial (mit dem Zug nach Frankfurt), wobei hier nach Frankfurt Attribut zu Zug wäre, also sie
kommen irgendwohin und nehmen dazu den Zug nach Frankfurt? In der V-D müsste man
zusätzlich diskutieren, ob es sich nach der ersten Variante um zwei Ergänzungen oder eine
Ergänzung und eine Angabe handelt. Die Verbsemantik von kommen legt zwei Ergänzungen nahe:
wer kommt? und wohin kommt er/ sie?, so dass also nach Frankfurt ohne Zweifel Ergänzung sein
dürfte, auch wenn in elliptischen Sätzen schon einmal weggelassen werden kann, wohin jemand
kommt, weil sich das aus dem Kontext eindeutig ergibt.
 Ergänzungen: sind ‚vom Verb angelegt‘. Sie gehören dazu, auch wenn der Satz nicht
ungrammatisch wird, wenn sie fehlen. Von der Bedeutung des Verbs her ist ihr Vorkommen aber
erwartbar.
 (freie) Angaben: Sie stehen zusätzlich im Satz, können wegfallen, ohne dass der Satz
ungrammatisch wird oder als Ellipse aufgefasst wird. Es sind Satzbestandteile, die nicht in der
Verbsemantik oder Verbsyntax angelegt sind, sie zählen also nicht zur Valenz des Verbs. Das Verb
macht sie nicht erwartbar. Trotzdem sind freie Angaben nicht gänzlich ohne jede Rücksicht auf die
Verbsemantik jedem Satz zufügbar: *Norwegen grenzt aus Langeweile an Schweden. oder *Fritz ähnelt aus
purer Boshaftigkeit seinem Bruder. Insofern ist ‚freie Hinzufügbarkeit‘ kein ganz deutliches Zeichen zur
Abgrenzung der Angaben von den Ergänzungen.

Koordination: Das Problem der Darstellung zeigt sich bei den V-D-Analysen deutlicher, aber das
liegt daran, dass sie genauer sind. Die Beziehung der koordinierten Teile zu den anderen Elementen
im Satz ist oft nicht eindeutig.
33
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