Zur Anhebungsmotivation des finiten Verbs: Syntaktische Markierung von Satzmodi Masatoshi TANAKA 1. Einleitung 1 In deutschen Nebensätzen werden finite Verben im Standardfalle am Satzende gestellt. Ein Satz wie in (1a), in dem das finite Verb sich nicht am Satzende befindet, ist besonders in geschriebenen Sprachen stark zu vermeiden. (1) a. Es muss geregnet haben, weil es ist auf der Straße nass. (weil+V2) b. *Er ist ins Wasser gefallen, weil er völlig durchnässt ist. (Klemm 2006) Der Satz (1a) kann allerdings dann akzeptiert werden, wenn eine Pausestellung dabei hilft oder eine Abtönungspartikel wie ja hinzu gestellt wird (Normalerweise kommt anschließend nach der Konjunktion dass ein Päuschen vor). Bei (1a) kann der Sprecher nur die Tatsache als Präsupposition im Kopf haben, dass es auf der Straße nass ist, und er denkt an dieser Stelle, dass es da deshalb nass sein kann, weil es neulich geregnet hätte. Er kann also die Ursache dafür, warum es auf der Straße jetzt nass ist, nur annehmen – mehr nicht (siehe auch Fußnote Nr. 2 zur (Un)Akzeptabilität von (1b)). Im Gegensatz dazu weiß er bei (2a) nicht nur, dass es auf der Straße nass ist, sondern auch die Tatsache, dass es in der Realität neulich geregnet hat. (2) a. Es ist auf der Straße (deshalb) nass, weil es geregnet hat. 1 Die vorliegende Arbeit basiert auf einem Vortrag von mir, den ich bei einem sprachwissenschaftlichen Workshop, das im September 2008 in Hiroshima stattfand, gehalten habe. Hier bedanke ich mich bei allen Teilnehmern des Workshops für ihr Interesse an meiner Arbeit und ihre hilfsreichen Kommentare. Mein Dank gilt u.a. Frau Prof. Angelika Redder (Universität Hamburg) und Herrn Prof. Mitsunobu Yoshida (Universität Hiroshima) für ihre wertvollen Ratschläge und Hinweise sowie ihre große Unterstützung. Selbstverständlich gehen verbleibende Fehler zu meinen Lasten. 1 b. Das Wasser war (deshalb) wellig, weil es windig war. (cf. Klemm 2006) Die Verständnismöglichkeiten der selben Konjunktion weil in (1a) einerseits und in (2a) andererseits sind unterschiedlich. Der weil-Satz in (2a) wird nämlich als Ursachennennung einer tatsächlichen Schlussfolgerung, also kausal, und jener in (1a) als Begründung einer Annahme des Sprechers bezeichnet, warum er etwas so annimmt. Im vorliegenden Beitrag wird zu analysieren versucht, wie weil-Sätze mit der Verbzweitstellung (V2) (vgl. (1a)) lizensiert werden können. 2 Dazu kommt eine zusätzliche Frage vor, wie in (3): (3) Warum kann im Gegensatz zu „weil+V2“ „dass/ob+V2“ nicht akzeptiert werden? Die Frage ist nun, in was für einem Nebensatz, der mit welcher Konjunktion eingeleitet wird, die Verbzweitstellung möglich ist. Wie in (4b) gezeigt wird, wird in Nebensätzen, die mit dass eingeleitet werden, die Verbzweitstellung nicht erlaubt. In der Komplementposition eines Brückenverbs kann allerdings das finite Verb an der zweiten Stelle vorkommen, es sei denn, dass der betroffene Komplementnebensatz mit der Konjunktion dass eingeleitet wird (vgl. (4b) und (4c)). 3 2 Laut Klemm (2006) wird der Satz (1b), in dem das Finitum an der Zweitstellung steht, obwohl er ein subjektiver weil-Satz ist, als unakzeptabel beurteilt. Aber mein Informant weist darauf hin, dass er in der gesprochenen Sprache gut akzeptabel ist und es dabei eine entscheidende Rolle spielt, ob man eine Sprecher-bezogene Partikel wie ja hinzufügen kann. Eine weil+V2-Konstruktion wird dann als eine subjektive Äußerung verstanden, wenn ja eingeführt werden kann, und dann als eine objektive Behauptung, wenn ja nicht mitkommen kann (vgl. (ii) unten). Und der Satz (1b) werde noch akzeptabler, wenn mit einem modalen Hilfsverb wie müssen ausgedrückt wird (vgl. (i)). (i) Er muss ins Wasser gefallen sein, weil er ja völlig durchnässt ist. (ii) Das Wasser war wellig, weil es (*ja) windig war. 3 Zum Verhalten der Brückenverben ist traditionell wie folgt analysiert worden. Ein Komplementierer (hier: dass) und das Finitum an der Zweitstellung besetzen die gleiche syntaktische Stelle „komplementär“, so dass keine V2-Stellung vorkommt, wenn dort schon eine Konjunktion vorhanden ist und die V2-Stellung nur dann möglich ist, wenn 2 (4) a. Wir sind der Meinung, dass wir die Mitarbeiter bei der Betriebsübergabe ordnungsgemäß informiert haben. (aus: Mannheimer Morgen, 29.12.2006) b. *Wir sind der Meinung, dass wir haben die Mitarbeiter bei der Betriebsübergabe ordnungsgemäß informiert. c. Ich bin der Meinung, wir haben bisher viel zu wenig zusammen gemacht. (aus: Mannheimer Morgen, 10.08.2006) d. *Ich bin der Meinung, wir bisher viel zu wenig zusammen gemacht haben. Die weiteren Abschnitte des vorliegenden Aufsatzes werden wie folgt organisiert: Im 2. Abschnitt sehen wir, dass eine (subordinierende) Konjunktion als „Linker“ den Nebensatz, den sie einleitet, mit (einem) externen Kontext(en), typischerweise mit dem vorangehenden Hauptsatz, verankert. Diese Verankerung kann rein strukturell sein, indem sie markiert, dass der Nebensatz vom Hauptsatz eingebettet wird (= strukturelle Verankerung). Aber sie kann auch semantisch verstanden werden, in dem Sinne, dass der Sachverhalt des Nebensatzes „modale Effekte“ zeigt, mit denen der ganze Nebensatz mit der illokutiven Einstellungen des Sprechers der Äußerung (Begründung, Ausrede, Konzession etc.) zu tun hat (= modale Verankerung). Die Verankerungssemantik wird ferner im Abschnitt 3 detailisiert. Dabei wird vorgeschlagen, dass für die Unterscheidung von der strukturellen und modalen Verankerung zwei funktionale Köpfe, die makroskopisch zu einer und der selben Domäne (SMP) gehören, aber mikroskopisch mal für die Eingebettetheit ([+E]) und mal für die Sprechermodalität ([+S]) voneinander unabhängig gelten, zur Verfügung stehen. Im 4. parametrisiert Abschnitt und die wird die Verankerungssemantik Motivierungskraft der Anhebung der des Konjunktionen Finitums wird zusammengefasst. keine Konjunktion eingeführt wird (vgl. auch (4a) und (4c) oben) (cf. Haider 1986, Heycock 1986, Vikner 1994 et al.). Aber diese traditionelle Erklärung besagt nur, dass die V2-Stellung dann möglich ist, wenn da dass abwesend ist, und daher nichts davon, warum die V2-Stellung realisiert werden muss, wenn dass fehlt (=(4d)). 3 2. Funktionale Köpfe als Linker (5) a. Maria glaubt, [−Q dass] Krokodile niedlich sind. b. Maria glaubt, *[+Q ob] Krokodile niedlich sind. Das Hauptverb glauben von (5a-b) selegiert ein faktives Argument, so dass der sententielle Komplementsatz nicht [+Q] ([+Int]), sondern [−Q] ([+Dekl]) sein muss. Dies besagt, dass das finite Verb des Hauptsatzes das Satztypmerkmal seines Komplements checkt. Mit anderen Worten: Komplementierer (Konjunktionen), die eingebettete Nebensätze einführen, haben in Hauptsätzen einen Selektor. Die Konjunktion dass hat beispielsweise einen deklarativen Selektor im Hauptsatz, während der Komplementierer ob einen interrogativen Selektor haben muss. Es ist normal, dass adverbiale Konjunktionen wie weil oder wenn auch in Hauptsätzen entsprechende Korrelate besitzen, 4 wie man in (6a) und (6b) sieht. (6) a. Es ist auf der Straße deshalb nass, weil es geregnet hat. (=(2a)) b. Ich will lieber dann aussteigen, wenn ich noch gut spiele, [...] (aus: Hamburger Morgenpost, 09.11.2006) Im Gegensatz zu Nebensätzen wird in Hauptsätzen der Satztyp nicht durch die Selektion zwischen dem Verb und seinem sententiellen Komplement, sondern aus der Perspektive des Sprechers determiniert: Der Sprecher erstellt dann einen interrogativen Satz, wenn er jemandem eine Frage stellen möchte. In diesem Sinne kann es angenommen werden, dass an der satzinitialen Stelle die Intension oder mentale, pragmatische Einstellung des Sprechers vorhanden ist. Hierbei wird das folgende funktionale Prinzip vorgelegt: 4 Unter Komplementierern sind nur dass und ob nominal und besitzen nominale Merkmale [±Q]. Dass und ob bilden ein minimales Päarchen ([+Q] vs. [−Q]). Im Gegensatz dazu sind die anderen Konjunktoren weil, wenn, als u.a. adverbial und haben keine entsprechenden mininalen Entsprechungen. 4 (7) An der linken Periphärie des Satzes muss ein Linker (eine Brücke) vorhanden sein, der/die das Innen mit dem Außen des Satzes verbindet. Rizzi (1997) hat eine feine, komplexe Hierarchie der linken Periphärie des Satzes vorgeschlagen (=(8)) und die vorliegende Analyse geht auch in Rizzis Richtung: (8) Rizzi (1997): Fine Structure of the Left Periphery SMP ― TopP ― FocP ― TopP― FinP S-Mood [±Q] topic finiteness focus topic ― ← ― ― ― ― ― Diskursdomäne ―――――― IP ・ ・ ・ VP inflection Präpositionaldomäne ― ― → Die SMP (Sentence Mood Phrase), die in (8) an der links weitesten Stelle des Satzes steht, fungiert als Linker (Übergangspunkt) zu externen Domänen. Über diesen Linker (diese Brücke) wird die Interpretation des Hauptsatzes mit dem vorangegangenen Diskurs verbunden und der Nebensatz wird wiederum mit dem Hauptsatz, der jenen einbettet, verbunden (vgl. Tanaka 2007, Zwart 2005). 5 An dieser Stelle nehmen wir die folgenden beiden Operationen an, mit denen der Kopf SM 0 das funktionale Prinzip (7) erfüllen kann. Es gibt hierbei zwei Linker-Realisierungsoperationen: (9) a. I-to-Fin-Movement: LF-Aktivierung des Kopfes SM 0 . (ökonomischer als (9b)) = Hauptsatz (vgl. auch (11b)) b. Lexikalisierung des Kopfes: Lexikalische Aktivierung des Kopfes SM 0 . = Nebensatz (vgl. auch (11a)) Die SMP, die in (8) dargestellt wird, entspricht die ForceP, die von Rizzi (1997) vorgeschlagen wird. Er verwendet Force(P) im Sinne von „Sentential Force (Phrase)“, aber es ist auch gewöhnlich, dass man „Force“ als „Illocutionary Force“ versteht. Um dieses Missverständnis zu meiden, verwende ich SMP (Sentence Mood Phrase) statt ForceP. Aber hierbei geht es nur um die Etikettierungsunterscheidung; die SMP und die ForceP sind funktionell identisch. 5 5 (9a) ist ökonomischer als (9b), weil bei (9a) der SM 0 -Kopf erst in der LF-Ebene aktiviert wird, was keine oberflächliche Wortstellung beeinflusst. Der Satz (11b), die als eine Antwort auf die Frage (10b) verwendet wird, stellt an sich eine deklarative Assertion dar und wird in der Form eines deklarativen Hauptsatzes realisiert. Das [±Q]-Merkmal des Matrix-SM 0 -Kopfes wird nicht durch eine Selektion von Außen zugewiesen, sondern direkt nach der illokutiven Einstellung des Sprechers determiniert; der Hauptsatz geht auf den Diskurs direkt zu. Ein assertiver Satz wird sowohl als eine selbstständige Assertion des Sprechers als auch als eine Antwortungserklärung des Sprechers auf eine Fragestellung seines Gesprächpartners verstanden. Deshalb muss dabei an der linken Periphärie des Satzes zumindest das [−Q]-Merkmal ([+Dekl]) vorhanden sein und die Interpretation (Checkung) des Merkmals darf „covert“ (in der logischen Form (LF)) geübt werden. Damit das Merkmal in der LF-Ebene interpretiert sowie aktiviert werden kann, bewegt sich das finite Verb zuerst bis an die Fin 0 -Kopf-Stelle. Dieser Fin 0 -Kopf ist der nächste funktionale Kopf unmittelbar unter dem Kopf SM 0 . Das Finitum prüft somit an dieser Stelle das [−Q]-Merkmal später in der LF-Ebene (vgl. (11b)). Das ist Hauptsatzsache. (10) a. Was hat er dir erzählt? b. Was ist gestern passiert? (11) a. [ SMP [−Q dass] 1 [ FinP [ Fin t 1 ] [ IP es in Chiba ... geregnet hat]]]. b. [ SMP [−Q] [ FinP es 2 [ Fin hat 1 ] [ IP t 2 in Chiba ... geregnet t 1 ]]]. Die Tatsachen, dass die SM 0 -Stelle nicht lexikalisch besetzt wird und dass dort nur ein formales Merkmal vorhanden ist, besagen nämlich, dass die Stelle als eine funktionale Verankerungsstelle ('linking slot') an den Diskurs fungiert (=(12)): 6 (12) In Hauptsätzen muss an der links weitesten Stelle ein lexikalisch leerer funktionaler Kopf, der nur mit einem semantischen Merkmal besetzt werden darf, vorhanden sein. Auf der anderen Seite wird der Satz (11a) im Zusammenhang mit dem vorangehenden interrogativen Satz (10a) von dem Matrix-Verb erzählen als dessen sententielles Komplement selegiert (wie in Er hat mir erzählt, dass es in Chiba seit zwei Monaten nicht mehr geregnet hat.). Der SM 0 -Kopf steht nicht für die Verankerung an den externen Diskurs zur Verfügung, sondern für die Ermöglichung, dass der Satztyp dieses Nebensatzes (hier: [−Q]) mit dem formalen Typ des Matrix-Verbs (hier: [+faktiv]; [+dekl]; [−Q]) übereinstimmt. Das Matrix-Verb fungiert als der Selegierende und der SM 0 -Kopf des eingebetteten Satzes als das Selegierte. In diesem Sinne muss die eingebettete SM 0 -Stelle lexikalisch besetzt werden, und zwar mit einer lexikalischen Konjunktion (hier: dass). (13) In Nebensätzen muss an der links weitesten Stelle mit einem Linker lexikalisch besetzt werden, damit es ermöglicht werden kann, dass der Satztyp des Nebensatzes im Zusammenhang mit dem im Hauptsatz stehenden Selektor determiniert wird. Das heißt, syntaktisch gesehen, existiert sowohl in Haupt- als in Nebensätzen an der linken Satzperiphärie der funktionale Kopf SM 0 . Zum einem wird diese SM 0 -Stelle bei der overten SM 0 -Aktivierung (Visibelmachung) mit einem Komplementierer besetzt. Das Merkmal des Komplementierers stimmt mit dem Satztypmerkmal des SM 0 -Kopfes überein. Dabei füllt zuerst der Komplementierer die Fin 0 -Kopf-Position und hebt sich dann an die SM 0 -Stelle an. Die Satztypmerkmale müssen hier allerdings im weiteren Sinne verstanden werden: Bei der nominalen Konjunktionen wie dass und ob geht es um [±Q]-Merkmale, während es sich bei der adverbialen Konjunktionen wie weil und wenn um keine nominalen Merkmale handelt. Zum 7 anderen wird der SM 0 -Kopf bei der coverten Aktivierung erst in der logischen Form (LF) mit dem finiten Verb geprüft. Das finite Verb bewegt sich in der overten Strukturebene von I 0 bis an Fin 0 . 6 3. Strukturanalyse der weil+V2-Konfiguration Zurück zur Asymmetrie von der kausalen (=(1a)) und der Sprecher-orientierten Begründungsverwendung (=(2b)) der Konjunktion weil, so kann sie unter dem obigen Mechanismus erklärt werden. Zunächst wird die syntaktische Struktur des Hauptsatzes (Matrix-V2) in (14) dargestellt, wobei eine gepunktete Linie ( reale Linie ( ) für eine coverte Bewegung, und eine ) für eine overte Bewegung zu verstehen sind. (14) Es ist auf der Straße nass. SMP SM' SM 0 [ − Q] FinP Fin' es 2 Fin 0 ist 1 IP t2 I' ... nass t1 6 Was die Bedingung angeht, dass die Fin 0 -Kopf-Position von irgendeinem Element besetzt werden muss, erklärt Roberts (2004) mit dem Parameter [±Fin*]: (iii) Roberts (2004): [Fin*] = Parameter der Notwendigkeit der PF-Realisierung des funktionalen Kopfes Fin 0 . Wenn Fin 0 [+F] ([+finite]) ist, muss der Kopf Fin 0 innerhalb der Derivation lexikalisch (phonetisch) realisiert werden. Sowohl in (11a) als in (11b) ist das Verb [+finite] (= hat), so dass dieser PF-Realisierungsparameter von Fin 0 eingeschaltet ist. Fin 0 wird in (11a) mit dass und in (11b) mit hat, was von I 0 angehoben wurde, erfüllt. Der PF-Parameter kann im vorliegenden Ansatz außerdem als die Vorstufe für die demfolgende SM 0 -Lizenzierung verstanden werden. 8 Noch wird die syntaktische Realisierung der kausalen Verwendung von weil in (15) illustriert. (15) Das Wasser war (deshalb) wellig, weil es windig war. (=(2b)) + Selektion [−Q] deshalb SMP SM' SM 0 weil 1 FinP es 2 Fin' Fin 0 IP t1 I' t2 ... windig war Die SMP in (15) wird vom Selektor (hier: deshalb), der im Hauptsatz steht, selegiert, so dass das Prinzip (13) erfordert, dass der Kopf SM 0 lexikalisch (overt) sichtbargemacht wird. Daher hebt sich der Subjunktor weil ([+F], [–Q]) bis an die SM 0 -Stelle an. Schließlich wird die Baumstruktur der Konstruktion der Sprecher-orientierten „weil+V2-Stellung“ in (16) illustriert. Der weil-Satz in (16) wird nicht vom Hauptsatz selegiert. Diese Tatsache wird damit argumentiert, dass man nirgendwo im Hauptsatz von (16) den Korrelat deshalb stellen kann 7 . 7 Während es wohl bekannt ist, dass der koordinierende Konjunktor denn nicht negativiert werden kann (siehe Iwasaki/Onodera 1969: 164), kann die Sprecher-orientierte Konjunktion weil auch negativiert werden (=(iv-b)). Im Gegensatz dazu ist bei der kausalen Konjunktion weil die Negativierung möglich (=(iv-a)): (iv) a. Otto Baric fehlt nicht, weil er die Sperre fürs Match übt, sondern weil er zur selben Zeit in der Wiener Lugner-City Autogramme malt. (aus: Neue Kronen-Zeitung, 25.04.1995) b. *Es muss nicht geregnet haben, weil es auf der Straße nass ist, sondern weil ich einen Regenbogen sehe. 9 (16) Es muss (*deshalb) geregnet haben, weil es ist ja auf der Straße nass. (=(1a)) SMP 2 SM 2 ' SM 2 0 [ − Q] SMP 1 SM 1 ' SM 1 0 weil FinP es 2 Fin' Fin 0 ist 1 IP t2 I' ... nass t1 Die Domäne von SM 1 markiert die „Eingebettetheit“ in dem Sinne, dass am SM 1 0 -Kopf die subordinierdende Konjunktion weil realisiert wird, aber gleichzeitig markiert sie die Existenz der modalen Einstellungen des Sprechers (hier: Der Sprecher spricht mit diesem weil-Satz seine Argumentierung aus, warum er denkt, dass es gerade geregnet hätte). Daher wird eine neue Domäne eines erweiterten funktionalen Kopfes (SM 2 0 ) bereitet, damit in der neuen Domäne die Einstellungen des Sprechers aktiviert und interpretiert werden können (Eine wiederholte Erstellung der SMP wird erfordert). Davor muss das Finitum bis an den Fin 0 -Kopf bewegt werden, um später (in der LF) das Merkmal des SM 2 -Kopfes im kürzesten Weg prüfen zu können. Der Satz (16) wird mit der „Eingebettetheit“ charakterisiert und verhält sich gleichzeitig in dem Sinne, dass dort die illokutive Einstellung des Sprechers (also: Assertion, Begründung für sein eigenes Glauben) markiert wird, auch „hauptsatzmäßig“. Der Grund dafür, warum die Konstellation „dass+V2“ nicht akzeptiert werden kann, liegt darin in diesem Modell, dass die Konjunktion dass keine modale Kraft der 10 illokutiven Einstellungen des Sprechers besitzt. Dass richtet sich immer nur die objektive Darstellung einer Tatsache (ganz unabhängig davon, wie der Sprecher denkt, glaubt und annimmt; Tatsachen können nicht geändert werden). Wenn der Kopf die Existenz der „Sprecher-Orientiertheit“ nicht markiert, so wird auch die Verbzweitstellung nicht motiviert. 4. Schlussbetrachtung Wie wir gesehen haben, ist in der Struktur von (16) eine doppel-wiederholte Erstellung von SMP erforderlich: Zum einen wird der Kopf der SMP, der sich auf die „Eingebettetheit“, die mit Hilfe von subordinierenden Konjunktionen wie weil, nachdem und bevor (vgl. auch Mori&Taka 2008) markiert wird, bezieht (=SM 1 0 ), und der Kopf wird zum anderen für die Markierung der „Sprecher-Orientiertheit“ erstellt (=SM 2 0 ). Die anderen Komplementierer wie ob, dass, wenn u.a. werden nur mit der „Eingebettetheit“ ([+E]) markiert und akzeptieren die eingebettete Verbzweitstellung nicht. Sie haben nicht mit den „Sprecher-Einstellungen“ zu tun ([–S]). Nicht nur die Konjunktion weil, sondern auch andere modale Komplementierer, die etwa Sprecher-orientierte Kausalität und Konzessivität markieren (wie während, nachdem oder bevor 8 ), können theoretischer- und logischerweise auch [+S] sein. Und die Verbzweitstellung in Hauptsätzen bezieht sich dann lediglich auf die „modalen Einstellungen des Sprechers“ ([+S]), und nicht auf die „Eingebettetheit“, weil es dabei selbstverständlich nicht um Nebensätze geht ([–E]). Diese [±E]- und [±S]-Einstellungen können wie in (17) auf die vier Klassifizierungen parametrisiert werden. 8 Mori&Taka (2008) berichten, dass die Konjunktionen nachdem und bevor, die normalerweise als „rein temporale“ Subjunktoren verstanden werden, je nach dem Kontext auch „modal“ verwendet werden können, wie im Text Sie hat geweint, nachdem sie das Spiel verloren hatte. Dieser Satz kann man im Sinne von Sie hat geweint, weil sie das Spiel verloren hat verstehen. Somit kann die Konjunktion nachdem hier modalisierte Kausalität interpretiert werden. 11 (17) a. [+S, –E] Matrix-Verb b. [+S, +E] adverbiale modale Konjunktionen wie weil c. [–S, +E] nominale sowie adverbiale, aber nicht modale Konjunktionen d. [–S, –E] --- Angenommen, dass nur der lexikalisch-verbale Kopf (V 0 ) zur Lizensierung des [+S]-Merkmals beitragen kann und nicht-verbale Köpfe wie N 0 oder andere adverbiale Elemente, die nicht modal sind, keine Markierungsfunktion der Existenz der Sprechermodalität besitzen, so braucht man für (17b) eine komplexe Verwendung von SMP (also: SM + S und SM + E ). Ferner wird in den Nebensätzen, die hauptsatzmäßig verwendet werden, wie in (18a) und (18b), zwar die Existenz der modalen Einstellungen des Sprechers (Wunsch, Optativ, Irrealis usw.) präsupponiert, aber die Konjunktionen wenn und ob können dabei keine Verbzweitstellung motivieren. Die Konjunktion wenn an sich ist z.B. lexikalisch subordinierend, d.h. sie ist ein adverbialer Komplementierer, und der wenn- eingeleitete (Neben)Satz muss somit von seiner Natur her von einem Hauptsatz eingebettet werden. Ohne eingebettet zu sein, soll die Aktivierung von SM 2 blockiert werden und wenn wiederum der SM 2 -Kopf nicht aktiviert werden darf, darf das finite Verb auch nicht nach vorne bewegt werden. Das wäre unökonomisch, dass das finite Verb bewegt würde, ohne dass es keine Effekte in der linken Periphärie des Satzes übt („vacuous movement“). Dies ist genau so wie bei der kausalen Verwendung von weil (vgl. die Struktur von (15)). (18) a. Wenn er nur jetzt hier wäre! b. Ob er lebend in München angekommen ist! In (18a) und (b) wird die Existenz der modalen Einstellung des Sprechers mit Verbmodi (Konjunktiv II in (18a)) oder exklamative Intonation (in (18b)) unterstützt, stattdessen der hauptsatzmäßige Nebensatz sich an einen modalen Teil des 12 Hauptsatzes verankert wird. Zusammengefasst: (19) Das V2-Phänomen wird als eine semantisch-pragmatisch-syntakische Interaktion verstanden. Wenn das finite Verb vorangestellt (angehoben) wird, wird die linke Periphärie des Satzes aktiviert und der betroffene Satz kann von Innen auf den externen Diskurs zugehen. Abhängig von dem vorangehenden Diskurs lässt sich die illokutive Einstellung des Sprechers (Assertion, Interrogation usw.) determinieren. Wenn die Erforderung abwesend ist, dass die Existenz der Einstellungen des Sprechers sichtbar gemacht werden muss, braucht das finite Verb nicht, angehoben zu werden. (20) Die Verbvoranstellung (Verbanhebung) kann nur dann realisiert werden, wenn der SM + S -Kopf aktiviert ist. Die Aktivierung des SM + S -Kopfes kann wiederum nur von finiten Verben und den modalen Konjunktionen geübt werden. Die beiden sind fähig, ein „Behälter“ der Sprechermodalität zu sein. Als eine verbleibende Aufgabe gilt eine noch weitere Klassifizierung von subordinierenden Konjunktionen: Zu analysieren sind es, welche davon die Anhebung des finiten Verbs (für die Markierung der modalen Einstellung des Sprechers) versursachen können und welche nicht sowie warum. Literaturverzeichnis Chomsky, N. (1995): The Minimalist Program. MIT Press: Cambridge, assachusetts. ___ (2001): "Derivation by phase". In M. Kenstowicz (ed.) Ken Hale. A Life in Language. MIT Press: Cambridge, Massachusetts, 1-52. deHaan, G. & F. Weermann (1986): "Finiteness and Verb Fronting in Frisian". In: H. Haider & M. Prinzhorn (eds.) Verb Second Phenomena in Germanic Languages, Forris: Dordrecht, 77-110. Frey, W. (2000): "Über die syntaktische Position der Satztopiks im Deutschen". In: K. Schwabe et al. (eds.) Issues on Topics. ZAS Papers in Linguistics 20, 137-172. 13 Haider, H. (1986): "V-Second in German". In: H. Haider & M. Prinzhorn (eds.) 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