Das Ohr zur Welt - Medizinische Hochschule Hannover

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Heft 6/2012
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Das Magazin der Medizinischen Hochschule Hannover
Das Ohr zur Welt
Hörforschung an der MHH
Namen und Nachrichten
Behandeln und Pflegen
Gäste UND FEste
Mit Taktgefühl: Schlagende
Herzzellen im Verband Mit Zukunft: Der Stent,
der sich auflöstSeite 35
Mit Übersicht: Christoph 4
feiert seinen 40.Seite 58
Seite 17
Wir geben Zeit ...
... mit fachkundiger und menschlicher Betreuung
■
Wir sind für Sie mit ambulanten und
stationären Pflegemitarbeitern in der
Kurzzeit- und Verhinderungspflege sowie
in der Dauerpflege da.
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Spezieller Wohnpflegebereich für
demenziell veränderte Menschen – mit
bewährtem DEBEKO-Konzept für mehr
Lebensqualität.
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Wöchentliche Visite durch Heimarzt;
im Haus: Fachärztekonsultationen und
individuelle Therapieangebote.
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Hervorragende Ergebnisse bei Mitarbeiter- und Bewohnerzufriedenheit
(BIVA, MDK, QM).
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Der besondere Service im
Wohnstift Hannover-Kleefeld
Im GDA Pflegehotel kommen
Sie gut versorgt zu Kräften …
… z. B. nach einem Krankenhaus-Aufenthalt,
in der Übergangszeit bis zur Aufnahme in eine
Reha-Klinik oder in der „Verhinderungspflege“.
Die Kostenübernahme durch die Krankenkasse ist evtl. möglich.
Wir beraten Sie gern!
Ab Januar 2013 betreuen wir auch
in Hannover-Waldhausen demenziell
veränderte Menschen nach unseren
DEBEKO-Prinzipien.
„Gut, dass wir für meine Mutter noch einen
Platz im GDA-Pflegehotel gefunden haben.
So kurz nach ihrer Operation wäre sie nicht
alleine zurecht gekommen. Aber in zwei
Wochen geht’s dann gestärkt zurück ins
eigene Zuhause.”
GDA Wohnstift Hannover-Kleefeld
Telefon 0511 5705-104 (stationäre Pflege)
Telefon 0511 5705-143 (Pflegehotel)
GDA Pflegeheim Hannover-Ricklingen
Telefon 0511 162600
GDA Wohnstift Hannover-Waldhausen
Telefon 0511 84010
www.gda.de
10 x in Deutschland
6/2012
Editorial
Neue Themen eingeflüstert:
Daniela Beyer berichtet
übers Hören und das
Exzellencluster Hearing4all,
Stefan Zorn hört zu.
... viel um die Ohren
O
mas Lieblingsspruch war: Wer nicht
hören will, muss fühlen! Der passte
fast immer – etwa, wenn das Enkelkind mal wieder aus dem Obstbaum gefallen war. Doch was ist mit denen, die hören
wollen, aber nicht können? Am Ende gehörte Oma selbst dazu, weigerte sich aber
standhaft, ein Hörgerät zu nutzen. Gesprächen konnte sie kaum noch folgen, sie zog
sich immer weiter zurück.
Wie unser Hören funktioniert, wie sich
die MHH der Hörprobleme der Menschen
annimmt und wohin sich die Forschung entwickelt, erfahren Sie in unserem Titelthema
„Das Ohr zur Welt“ (Seite 6 bis 13). Seit
Jahrzehnten gehört die Hörforschung zu
den Aktivposten der MHH und hat in diesem
Jahr bei der Exzellenzinitiative von Bund und
Ländern als Teil des Exzellenzclusters „Hearing4all“ den Ritterschlag erhalten. Daniela
Beyer hat die Öffentlichkeitsarbeit für den
Cluster an der MHH übernommen und be-
richtet künftig auch für unser Hochschulmagazin über diese Themen. Und noch eine
zweite Veränderung gibt es in der MHHinfoRedaktion. Maimona Id, die für den Bereich
Lehre verantwortlich war, ist in die Pressestelle des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in Berlin gewechselt. Bettina Dunker wird im Januar ihre Aufgaben
übernehmen; sie war bis 2005 Referentin in
der Stabsstelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und freut sich schon darauf, wieder
in den Beruf zurückzukehren.
Wechsel sind auch Thema in der Rubrik
„Namen und Nachrichten“ (Seite 14 bis 33).
Wir stellen die neuen Direktoren der Augenklinik, der Pädiatrischen Kardiologie, den
Bereichsleiter Chirurgie angeborener Herzfehler und Kinderherzchirurgie und den Leiter des Zentralen Tierlabors vor. Noch mehr
Neuigkeiten hören? Bitte schön! Die MHH
hat das Richtfest des Ambulanzgebäudes
für die Dermatologie und Urologie gefeiert
– mit Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (Seite 34). Und die Kardiologie setzt neuerdings sich auflösende Stents
auf Milchsäurebasis ein (Seite 35). Wie gut
es ist, wenn man Freunde hat, erfahren Sie
auf den Seiten 38 und 39.
Wer den Studierenden gute Lehre anbieten will, kann dafür etwas tun – zum Beispiel das Kursangebot „Aktiv in der Lehre“
(Seite 49) besuchen und einfach mal darauf
hören, was Didaktik- und Methodikexperten raten.
Expertenwissen zum Zuhören und Mitmachen vermittelt auch die Patientenuniversität (Seite 59). Sie hat nur eine von
vielen Spenden (Seite 60 bis 66) erhalten,
für die wir Danke sagen. Jetzt aber genug
vom Hören. Lesen Sie einfach mal los! Wir
freuen uns darauf, Sie auch 2013 mit Neuigkeiten aus der MHH versorgen zu dürfen.
Bis dahin wünscht Ihnen alles Gute
Stefan Zorn
So erreichen Sie uns
Stefan Zorn
Redaktionsleitung
[email protected]
Telefon (0511) 532-6773
Bettina Bandel
Schwerpunkt Forschung
[email protected]
Telefon (0511) 532-4046
Ursula Lappe
Personalien
[email protected]
Telefon (0511) 532-6772
Simone Corpus
Schwerpunkt Klinik
[email protected]
Telefon (0511) 532-6774
Camilla Krause
Schwerpunkt REBIRTH
[email protected]
Telefon (0511) 532-6793
Claudia Barth
Kongresse, Veranstaltungen
[email protected]
Telefon (0511) 532-3337
Tina Gerstenkorn
Schwerpunkt Klinik
[email protected]
Telefon (0511) 532-5626
Karin Kaiser
Fotografin
[email protected]
Telefon (0511) 532-6777
Daniela Beyer
Schwerpunkt Hearing4all
[email protected]
Telefon (0511) 532-3016
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Inhalt
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heft 6/2012
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Das Magazin der Medizinischen hochschule hannover
Das Ohr zur Welt
Hörforschung an der MHH
NaMeN UND NaChriChteN
BehaNDelN UND PFleGeN
Gäste UND Feste
Mit taktgefühl: schlagende
herzzellen im Verband
Mit Zukunft: Der stent,
der sich auflöst
Mit Übersicht: Christoph 4
feiert seinen 40.
seite 17
seite 35
seite 58
Fotografin
Karin Kaiser hat
Professor Lenarz
und Patient
Wolf-Dieter G.
im Blick.
Hörforschung an der MHH
 _6
 _8
_10
_12
Endlich
richtig hören!
Mit beiden Ohren in der Welt
Der Traum ist Wirklichkeit
Für jedes Problem die
passende Lösung
Noch hört man
den Unterschied
Namen und Nachrichten
_14
Grußwort zum Jahreswechsel
_16
Dr. Andreas Tecklenburg ist „Medizin-Manager des Jahres“
_17
Herzmuskelzellen mit Taktgefühl
_18
Stabwechsel in der
Kinderherzchirurgie
_18
Zentrum für Erwachsene
mit angeborenen Herzfehlern
_19
Viele neue Ideen:
Professor Beerbaum
_20
MHH-Forscher tritt
Heisenberg-Professur an
_21
Augenklinik unter neuer Leitung
Pflegen: Katheter richtig legen
Rosemarie H. (71) aus Neuss sieht den
Grund für ihr schlechtes Hörvermögen in einer chronische Mittelohrentzündung, die sie
als Kind hatte: „Lange Zeit habe ich selbst
gar nicht gemerkt, dass ich schlecht höre. Es
gab nur bestimmte Dinge, die merkwürdig
waren, beispielsweise dass ich immer besser
Englisch sprechen als verstehen konnte“,
erinnert sie sich. Mit 45 Jahren bekam sie
rechts ein Hörgerät, etwas später auch links.
Trotzdem hörte sie langsam immer schlechter. Seit fünf Jahren hat sie am rechten Ohr
ein Hybrid-System, das heißt, eine Kombination aus einem Cochlea-Implantat (CI) und
einem herkömmlichen Hörgerät. Am linken
Ohr trägt Rosemarie H. nur ein konventionelles Hörgerät. „Bisher komme ich so prima
zurecht. Falls es irgendwann nötig sein sollte,
würde ich mich auch fürs linke Ohr für ein
CI-Hybrid-Gerät entscheiden.“
_36
_22
Der Interne Arbeitsmarkt
_23
85. Geburtstag: Professor Borst
_23
Aktionstag für
Händedesinfektion
_24Kongressvorschau
_26Personalien
_27
Ehrungen und Auszeichnungen
_28
Dienstjubiläen, Examen
_29
In Gremien gewählt, Gedenken
_30
Auszeichnung für
Gesundheitsfrühförderung
_30
Keine Forschung ohne Tierschutz
_31
Stiftung gibt 50.000 Euro
für Klinik in Ghana
_32
Nachruf auf Professor Freyberger
Forschen: Strahlenbiologie im Fokus
_33KinderUniHannover
in der MHH
Behandeln und Pflegen
_34
_34
_35
_36
Richtfest am Ambulanzgebäude
App übersetzt Gebärdensprache
Der Stent, der verschwindet
Prävention gegen Blutvergiftung
Forschen und Wissen
_37
_38
_40
Drittmittel für Forschung
Bedeutend und verlässlich:
Die Hilfe der Freunde
Neuer Nachweis für Multiple Sklerose in Aussicht
Kommen und gehen: Kinderherzchirurgie mit neuem
_47
Lernen: Patient ist eine
_41
Urinanalyse zeigt Tumor
_42
Gesucht: Impfstrategie
gegen Krebs
_43
Im Netzwerk der Proteine
_44
Deutsche und
US-Implantatforscher
_45
Professor Schneider
_45
Professor Preller
_46
Professor Limbourg
_46
Pneumologen entdecken
neue Interaktion
_47Strahlenbiologisches
Forschungslabor eröffnet
_48
Das Ziel im Blick –
und die Freiheit im Rücken
6/2012
Inhalt
impressum
Herausgeber
Das Präsidium der Medizinischen Hochschule
Hannover (MHH).
Der Inhalt namentlich gekennzeichneter
Beiträge unterliegt nicht der Verantwortung
der Herausgeber und der Redaktion. Abdruck
honorarfrei. Redaktionsschluss für die FebruarAusgabe ist der 14. Januar 2013.
Chefredaktion
Stefan Zorn (stz)
Redaktion
Bettina Bandel (bb)
Claudia Barth (cb)
Daniela Beyer (db)
Simone Corpus (sc)
Tina Gerstenkorn (tg)
Camilla Krause (ck)
Ursula Lappe (la)
Mitarbeiterin dieser Ausgabe:
Sabine Hürthe (sh)
Fotoredaktion
Karin Kaiser
Layout und Realisierung
Madsack Medienagentur GmbH & Co. KG
Stiftstraße 2
30159 Hannover
Telefon (0511) 518-3001
Fax (0511) 518-3009
www.madsack-agentur.de
Anzeigen
m Leiter und mehr Aufgaben _18
Günter Evert
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30148 Hannover
Kontakt Anzeigenverkauf:
Telefon (0511) 518-2153 oder -2114
Auflage: 13.000 Stück
Druck
Silber Druck oHG
Am Waldstrauch 1
34266 Niestetal
Telefon (0561) 52 00 70
Gedruckt auf 100-prozentigem Recycling-Papier
Online-Ausgabe
Das MHHinfo ist auch im Internet zu finden unter
www.mh-hannover.de/mhhinfo.html
Puppe
_53
Helfen: Stars für die Kinderklinik Lernen und Lehren
_49
„Aktiv in der Lehre“: Vom
Rohrstock zum E-Learning-Labor
_50
MHH ehrt 134 Doktoranden
_52IsiEmed-Programm
_53
Patient „Puppe“ erträgt einiges
_54
Abschlussfeier im
Masterstudiengang Biomedizin
_54
„Jugend denkt Zukunft“
_55
Aufbaustudium für Dozenten
_55
62 Zahnärzte auf einen Schlag
Gäste und Feste
_58Rettungshubschrauber
Christoph 4 feiert Geburtstag
_59
_59
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_61
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_63
_63
_64
_65
_66
_66
_64
Große Unterstützung
für die Patientenuni
lifenotes: Mit Spaß
bei der Sache
Ausflug in die Autostadt
Sozialbetreuung mit Herz
Roncalli-Chef sorgt für Humor
in der Psychiatrie
Freizeitfußball für einen
guten Zweck
Forensikon mit Preis geehrt
Stars auf der Schaukel
Spende für die Spieloase
Stipendium für Neurochirurgie
HAINS, das Vorzeigemodell
Fotos
Alle Fotos von Karin Kaiser außer:
Springer Science + Business Media (7, 9), Bodo
Kremmin (11), Daniela Beyer (12), Sonja Pott
(Dep. of Biology and Marine Biology, University
of North Carolina, Wilmington, 13), Service Center ÖGS. barrierefrei (34), Twincore (42), Linda
Cicero (Standford News Service, 48), Stefan Zorn
(50, 51, 65), Daniel George (55), J. Thorsting
(63), aus Abteilung oder privat (30, 31, 32, 40,
41, 54, 55, 65, 66).
Anschrift der Redaktion
Medizinische Hochschule Hannover
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Stefan Zorn
Carl-Neuberg-Straße 1
30625 Hannover
Telefon (0511) 532-6772
Fax (0511) 532-3852
[email protected]
ISSN 1619-201X
5
6
Hörforschung an der MHH
info
Mit beiden Ohren in der Welt
Wir sollen die Ohren
steif halten oder die Lauscher
aufsperren. Oft haben wir
auch viel um die Ohren
und möchten uns nach
solchen Tagen einfach nur
noch aufs Ohr hauen:
Unsere Ohren tauchen
in vielen Redewendungen
auf. Doch was, wenn das
Hören Probleme bereitet?
Dann sind die HNO-Ärzte
gefragt. In unserem
Titelthema erklären wir,
wie das Hören funktioniert,
wie die Mediziner
Hörprobleme behandeln,
selbst tauben Menschen
das Gehör zurückgeben,
und welchen Weg
die Hör-Forschung einschlägt
U
nser Ohr ist das erste Organ, das bei
unserer Entwicklung funktioniert:
Schon von der achten Lebenswoche an im Mutterleib hören wir, da sind
wir gerade mal um die 21 Millimeter groß
und werden noch Embryo genannt. Mit 18
Wochen ist die Hörfähigkeit schließlich voll
ausgebildet. Das spüren auch Schwangere:
wie ihre ungeborenen Kinder deutlich auf
Geräusche reagieren, vor allem auf Musik
oder die Stimmen der werdenden Eltern.
Dabei ist das Hören ein unglaublich
komplexer Vorgang: Geräusche entstehen
durch Schwingungen, die als Schallwellen
über den Gehörgang zum Trommelfell gelangen. Es beginnt zu schwingen und versetzt wiederum die drei kleinen Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel
im Mittelohr in Bewegung – übrigens die
kleinsten Knochen in unserem Skelett. Sie
leiten die Schwingungen weiter zum Innenohr. Dort werden sie von den 20.000
Haarzellen der Hörschnecke, der Cochlea,
in elektrische Impulse umgewandelt und
über den Hörnerv in jene Region des Gehirns geleitet, die für das Hören zuständig
ist. Erst dort findet die Entschlüsselung
und Interpretation der Impulse statt – wir
hören.
In diesem Prozess spielen zwei Faktoren eine zentrale Rolle: Frequenz, also die
Tonhöhe, und Lautstärke, der sogenannte
Schalldruck oder Schallpegel. Die Frequenz ist die Anzahl der Schwingungen
pro Sekunde und wird in Hertz (Hz), der
Schallpegel in Dezibel (dB) gemessen. Weil
der Schallpegel vom Gehörgang bis zu
den Gehörknöchelchen je nach Frequenz
unterschiedlich stark weitergeleitet wird,
hängt das Lautstärkeempfinden auch von
der Frequenz des Schalls ab. Dabei reicht
das wahrnehmbare Spektrum beim Menschen von etwa 16 Hertz bis maximal
20.000 Hertz, lässt aber vor allem für hohe
Frequenzen im Alter nach. Außerhalb unserer Hör-Reichweite liegen sowohl tiefere
Frequenzen, der sogenannte Infraschall,
wie ihn Elefanten noch hören, als auch die
höheren Frequenzen des Ultraschalls, den
Hunde, Delfine und Fledermäuse wahrnehmen.
Was ist laut, was leise?
Die Härchenzellen in der Cochlea reagieren sehr sensibel auf Überbelastung.
Ab 85 Dezibel kann es um sie schlecht
bestellt sein. Zum Vergleich: Das Atemgeräusch wird mit 10 dB gemessen und als
ruhig empfunden, in die Kategorie „leise“
fallen Flüstern mit 40 dB oder Büroumgebung mit 60 dB. „Laut“ wird es bei Rufen, einem Mofa (je 70 dB) oder in einer
Fabrikhalle (90 dB). Disko oder Sägewerk
kommen mit 100 dB in die Einteilung
„unerträglich“, ebenso Presslufthammer
(110 dB) sowie Rockkonzert und Düsentriebwerk (120 dB). Unsere Schmerzgrenze
6/2012
Hörforschung an der MHH
Gutes Hören
ist überlebenswichtig
– nicht nur
im Straßenverkehr.
Das Ohr von innen
äußerer Gehörgang:
knorpeliger (links) und
knöcherner Teil
ist dann bei 130 dB erreicht. Haarzellen
haben keine Selbstheilungskräfte, daher
sollten Menschen vor allem mit Lärm sehr
vorsichtig umgehen.
Auf dem kurzen Weg zwischen Ohrmuschel und Gehirn können sich zahlreiche
Störungen ereignen, die sich in unterschiedlich ausgeprägten Hörminderungen
zeigen: angefangen bei genetischen Veranlagungen bis hin zu Stress, Unfällen
oder Medikamenten, in deren Folge es zu
leichten Schwerhörigkeiten kommen kann,
bis hin zu vollkommener Gehörlosigkeit.
Schwerhörigkeit ist heutzutage eine Volkskrankheit: 20 Prozent aller Deutschen in
allen Altersgruppen sind davon betroffen,
also mehr als 15 Millionen Menschen.
Mag die individuelle Ursache der Hörminderung auch unterschiedlich sein, die
Folgen sind für alle Betroffenen gleich:
Sie reichen von Nachteilen bei den Bildungschancen oder im Beruf bis hin zu
gesellschaftlicher Isolation. „So weit muss
es aber gar nicht erst kommen. Denn die
Fortschritte in der Medizin und vor allem an
der MHH sind so groß, dass wir allen Menschen mit den unterschiedlichsten Hörstörungen helfen können“, erklärt Professor
Dr. Thomas Lenarz, Direktor der Klinik für
Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde. „Auf
dem heutigen Stand der Versorgungsmöglichkeiten ist selbst Gehörlosigkeit keine
endgültige Diagnose mehr. Der Weg in die
Hörklinik lohnt sich immer.“
db
Amboss
Bogengänge
Steigbügel
Hörnerv
Schnecke
Ohrmuschel
Trommelfell
Hammer
Endlich
richtig hören!
Wolf-Dieter G. (76) aus Hemmingen erhielt
2002 linksseitig ein Cochlea-Implantat und
2011 rechtsseitig: „Seit Herbst 2011 trage
ich beidseitig die neuen Sprachprozessoren
Nucleus CP 810. Damit komme ich wunderbar zurecht. Ich höre und verstehe ganz fantastisch Sprache und Musik, kann Geräusche
einordnen, und auch das Telefonieren gehört
wieder zum Alltag. Mit 41 – ich war Filialleiter einer Bank – hatte ich einen beidseitigen
Hörsturz, konnte danach nur noch tiefe Töne
wahrnehmen. Mit zusätzlichen Hörhilfen
am Telefon und einem Hörverstärker – einer
Conferette – konnte ich meine beruflichen
Aufgaben noch bis 1985 ausführen. Mit 49
übernahm ich in der Zentrale der Bank neue
Aufgaben bis zu meinem Ruhestand 1994.
Erst 1996 konnte ich Hörgeräte bekommen.
Im Mai 2002 war es dann so weit: Linksseitig
fast taub, rechtseitig noch mit einem Resthörvermögen um die sechs Prozent, festigte ich
den Entschluss, das erste Implantat einsetzen
zu lassen. Und nach der fast vollständigen
Ertaubung rechtsseitig im Frühjahr 2011 war
der Weg zum zweiten Implantat frei. Und
nunmehr komme ich wunderbar mit meinem
Leben zurecht.“
7
8
Hörforschung an der MHH
info
Der Traum
ist Wirklichkeit
Was für eine Erfolgsgeschichte: Seit mehr als 28 Jahren geben MHH-Ärzte ertaubten Menschen das
Gehör wieder zurück oder eröffnen Patienten, die noch nie hören konnten, die Welt der Geräusche
D
ie häufigste Ursache für hochgradige
Hörminderung bis hin zu Gehörlosigkeit sind defekte Haarzellen in der
Cochlea, der Hörschnecke. Da sich diese
empfindlichen Sinneszellen nicht selbst reparieren oder gar nachwachsen können,
ist eine Gehörlosigkeit zunächst unheilbar.
Aber: Sie ist technisch zu überwinden –
dank des Cochlea-Implantats (CI). Denn das
System übernimmt die Funktion der ausgefallenen Hörsinneszellen und wandelt Schall
in elektrische Pulse um, die der Hörnerv
dann weiter an das Gehirn zur Entschlüsselung und Interpretation leitet. So können
Geräusche, Musik und vor allem Sprache
wieder – oder erstmals – wahrgenommen
werden.
„Mit dem CI ist erstmals der Traum vom
Ersatz eines menschlichen Sinnesorgans
Wirklichkeit geworden und hat Einzug in
die klinische Routine gehalten“, sagt Professor Dr.Thomas Lenarz, Direktor der HNOKlinik der MHH, dem weltweit größten Referenzzentrum für Cochlea-Implantationen
mit mittlerweile jährlich mehr als 500 neuen
Patienten. Seit 1984 an der MHH weltweit
die erste Cochlea-Implantation durchgeführt wurde, haben die HNO-Mediziner in
n
Übertragungsspule
Implantat
hinter dem Ohr sitzender
Sprachprozessor
Elektrode
Hören mit dem
Cochlea-Implantat
Hannover mehr als 6.000 Menschen damit
versorgt.
Bundesweit kommen mehr als eine Million Betroffene aufgrund ihrer ausgeprägten Hörminderung für ein CI infrage: Das
System eignet sich für Erwachsene, die trotz
Hörgerät kein gutes Sprachverstehen mehr
Tipps für besseres Hören
Es ist gar nicht so schwer, auf Menschen mit
Hörminderung Rücksicht zu nehmen. Auch normal Hörenden hilft die sogenannte Kommunikationshygiene. In vielen Alltagssituationen ist
die Umgebung lebhaft, alles ist in Bewegung,
Geräusche überlagern sich – wir empfinden es
als „laut“. Wenn wir uns konzentrieren, suchen
wir Ruhe – vor allem akustische Ruhe. Wenn wir
uns auf Gespräche konzentrieren, vermeiden wir
Störgeräusche oder versuchen sie auszublenden.
Für Träger von Hörsystemen ist das besonders
schwierig, da die defekten Haarzellen weniger
gut differenzieren können.
Daher hier ein paar Tipps, damit Sie besser
gehört werden: Beim Sprechen das Gesicht nicht
wegdrehen, die Hand nicht vor den Mund halten
und deutlich sprechen – aber nicht laut; anschreien hilft überhaupt nicht! Bei Gesprächen in großer
Runde sollten alle darauf achten, dass nur jeweils
einer spricht. Und falls Sie den Eindruck haben,
dass der Hörbeeinträchtigte den Faden verloren
hat, geben Sie ihm ein Stichwort und holen Sie
ihn so wieder in den Gesprächskreis zurück.
Auch normal Hörende können viel für den
langen Erhalt ihres guten Gehörs tun. Dazu gehört etwa, den MP3-Player nicht zu laut zu stellen. Statt der kleinen Kopfhörer, die wie Knöpfe
in die Ohren gesteckt werden (sogenannte InEarKopfhörer), sind Bügelkopfhörer besser, weil sie
lediglich auf den Ohren liegen. Und bei Diskoabenden oder Rockkonzerten sollten Ohrstöpsel
selbstverständlich sein.
Und noch ein Tipp: Wer den Geräuschpegel in
der direkten Umgebung messen will, kann sich
eine „Lärm-App“ des Verbands der HNO-Ärzte
über den iTunes-Store kostenlos auf sein Smartphone laden. Wie eine Lärmampel zeigt die App
an, wie laut es gerade ist, und warnt nach Grün
mit Gelb und dann Rot, wenn es kritisch oder gar
zu laut wird.
db
haben, und für Kinder mit einem Hörverlust,
der kein Sprachverstehen ermöglicht. „Bei
gehörlosen Neugeborenen ist es besonders wichtig, dass die Versorgung im ersten Lebensjahr geschieht, damit das kurze
Zeitfenster der sogenannten Hörbahnreifung genutzt werden kann“, erläutert
Professor Lenarz. „Dann haben die Kinder
die Chance, ganz normal hören und damit
auch sprechen zu lernen und in der Folge
die Regelschule zu besuchen.“ Ihnen stehen
damit nahezu alle Berufe offen.
Das CI besteht aus vier Teilen: dem Implantat, einer Elektrode in der Gehörschnecke sowie einem Sprachprozessor, der hinter
dem Ohr getragen wird, und einer Spule, die
mithilfe eines Magneten am Kopf befestigt
wird. Sie überträgt die Informationen zum
Implantat. In einer zwei- bis dreistündigen
Operation setzen die HNO-Spezialisten die
Elektrode in die Hörschnecke ein. „Anschließend überprüfen wir noch im OP die Funktion. Die Lage der Elektrode in der Schnecke
wird mittels digitaler Volumentomografie
festgestellt“, sagt Professor Lenarz.
An der MHH ist diese Implantation trotz
aller Komplexität mittlerweile ein Standardverfahren und wird mit so viel Kenntnis ausgeführt, dass die Strukturen der Hörschnecke geschützt werden und somit sogar das
6/2012
Hörforschung an der MHH
Renommierter Kliniker und Forscher: Professor Dr. Thomas Lenarz mit einem Cochlea-Implantat.
Restgehör erhalten bleibt. „Voraussetzung
ist, dass der HNO-Chirurg große Erfahrung
bei der Implantation und ein qualifiziertes
Team aus Ingenieuren und Pädagogen um
sich aufgebaut hat“, erklärt Professorin Dr.
Anke Lesinski-Schiedat von der HNO-Klinik
die notwendigen Rahmenbedingungen für
erfolgreiche Implantationen.
Fünf Wochen nach der Operation wird
der Sprachprozessor erstmals angelegt und
mit dem Hör-Sprach-Training begonnen. Der
Patient trainiert täglich im Deutschen HörZentrum Hannover (DHZ) mit Pädagogen
das Hören. Ingenieure passen die Technik
an, sie kontrollieren täglich die Einstellung
des Sprachprozessors, um das bestmögliche Hör- und Klangbild zu erreichen. Der
Patient muss sich an das neue Hören erst
gewöhnen und traineren, bis es für ihn fast
so wie das „normale Hören“ klingt. Im gesunden Ohr leiten Tausende von Haarzellen
die Schallinformation an das Gehirn weiter,
bei einem CI übernehmen nur zwölf bis 22
Elektrodenkontakte diese Aufgabe. Diese
große Kompression macht sich klanglich
bemerkbar, doch das Gehirn kann aus dieser künstlichen, elektronischen Information
ein akzeptables Klangbild zusammensetzen
und schließlich Sprache sogar beim Telefonieren erkennen.
Doch auch dieses Ergebnis reicht den
mehr als 150 Ärzten und Wissenschaftlern der Hörforschung nicht. Unermüdlich
arbeiten sie in den Hörlaboren gemeinsam
mit den Herstellern daran, das Hören mit CI
dem natürlichen Hören immer mehr anzugleichen. „Gerade in jüngster Vergangenheit hat es enorme Fortschritte gegeben, die
das Sprachverstehen der Patienten besser
und besser werden lassen“, berichtet PD Dr.
Andreas Büchner, der sich als wissenschaftlicher Leiter des DHZ der HNO-Klinik der
Verbesserung der Sprachverarbeitung verschrieben hat. „Ziel unserer Forschungen ist
es weiterhin, wie sich durch Entfernen überflüssiger Signalanteile die zur Verfügung stehende Bandbreite des Cochlea-Implantates
zunehmend besser ausnutzen lässt.“ db
Hören
mit Hilfen
Wenn sich Julius (10) mit seinen Freunden
trifft, gehen sie ins Kino, spielen Fußball, hören Musik und albern herum. Für Julius ist das
ganz normal – für seine Eltern nicht, denn
der Zehnjährige kam gehörlos zur Welt. Seine
engagierten Eltern haben sich dafür eingesetzt, Julius noch im Säuglingsalter mit einem
Cochlea-Implantat (CI) versorgen zu lassen.
So hat Julius mit dieser Hörprothese von Anfang an Geräusche, Stimmen und Sprache
wahrgenommen und ganz normal sprechen
gelernt. Julius besucht nach dem integrativen
Kindergarten seit der ersten Klasse eine Regelschule und vom kommenden Schuljahr an
eine weiterführende Schule im Stadtteil. In der
Schule und im Hort ist er der Einzige mit einer
Hörschädigung, durch die Selbsthilfegruppe
Hörknirpse hat er aber auch hörgeschädigte
Freunde, was ihm sehr wichtig ist. So kann er
eine Identität mit einer Mischung aus beiden
Welten entwickeln. Wie Julius sagt: „Mit meinen CIs kann ich gut hören, aber wenn ich sie
abmache, bin ich gehörlos.“
9
10 Hörforschung an der MHH
info
Für jedes Problem die passende
Ob Hörgerät oder
Cochlea-Implantat – das
Angebot ist riesig. Doch
welche Lösung ist für den
Patienten die richtige? Die
HNO-Klinik kennt die Antwort
S
eit nahezu zehn Jahren erhalten Menschen mit Hörstörungen jeglicher Art
im Deutschen HörZentrum Hannover
(DHZ) der HNO-Klinik an der MHH eine umfassende Beratung und Betreuung – und
das ein Leben lang. Unter einem Dach bietet
das DHZ neueste diagnostische Methoden
und Therapien, umfassende technische Beratung und Betreuung, pädagogisches und
logopädisches Hörtraining sowie die Versorgung mit Hörsystemen auf international
höchstem Niveau. Eng verzahnt arbeitet ein
interdisziplinäres Team aus HNO-Ärzten,
Medizin-Ingenieuren, Pädagogen und Logopäden, Hörgeräteakustikern, Produzenten
von Hörsystemen sowie Wissenschaftlern
bis zur Entwicklung von Medizinprodukten
in direktem Austausch mit den Patienten.
Hören in Zahlen
D
ie Gehörknöchelchen sind die kleinsten Knochen im menschlichen Körper: Der Hammer wiegt etwa 23 Milligramm, der Amboss 27 Milligramm
und der Steigbügel sogar nur 2,5 Milligramm.
Bundesweit sind 15 Millionen Menschen schwerhörig. Davon kommt 1 Million aufgrund ihrer hochgradigen Hörminderung für ein Cochlea-Implantat
infrage. Versorgt sind aber erst 30.000
Betroffene. In der HNO-Klinik der MHH
werden seit 1984 Betroffene mit einem
CI versorgt. Bis heute sind es mehr als
6.000, und jedes Jahr kommen mehr als
500 weitere hinzu. Damit ist die HNO
der MHH das weltweit größte Referenzzentrum für Hörstörungen.
Die Hörsinneszellen im Innenohr, die
sogenannten Haarzellen, sind extrem
empfindliche Messinstrumente. An der
Hörschwelle beträgt die minimal erforderliche Ablenkung der Sinneshärchen
10 -8 Meter. Das ist der Durchmesser
eines Wasserstoffatoms. Diese Bewegung liegt knapp über dem Rauschen
der Atome. Diese hohe Empfindlichkeit
erklärt unser gutes Hören auch unter
schweren Bedingungen. Unser Ohr kann
sehr gut Tonhöhen unterscheiden. Der
Unterschied beträgt nur 3 Hz, und der
minimal wahrnehmbare Unterschied ist
3 Hz. Auf der anderen Seite können sehr
gut auch hohe Lautstärken verkraftet
werden. Der sogenannte Dynamikbereich beträgt 120 dB, das bedeutet, dass
der Schalldruck an der oberen Grenze
ungefähr einmillionenfach höher ist als
an der Hörschwelle.
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Hörforschung an der MHH 11
n
Hörscreening für Neugeborene
Es tut nicht weh, geht schnell, kann aber für das
gesamte Leben entscheidend sein: das Neugeborenen-Hörscreening. Damit werden gleich in
den ersten Lebenstagen mögliche Hörstörungen entdeckt, sodass eine Versorgung mit dem
passenden Hörsystem beginnen kann. Bundesweit gibt es das Neugeborenen-Hörscreening
seit 2009 – dank der klinischen Forschung der
HNO-Klinik der MHH aus den Jahren 2000 und
2001.
Das Zeitfenster für eine rechtzeitige Versorgung mit Hörsystemen ist klein. Die Nervenverbindung zwischen Innenohr und Gehirn – die
sogenannte Hörbahn – entwickelt sich bis zum
18. Lebensmonat explosionsartig (endgültig bis
etwa zum sechsten Lebensjahr) und benötigt
dazu akustische Signale. Hört das Kind nichts,
bleibt die Nervenreifung unaufholbar aus. Zudem werden die für das Hören reservierten Are-
Diagnose ist das A und O:
Professorin Lesinski-Schiedat
untersucht eine Patientin.
Lösung
Vom konventionellen Hörgerät über implantierbare Hörgeräte (Mittelohrimplantate) oder Innenohrimplantate wie das CI
bis zu Hirnimplantaten bietet das DHZ Hilfe
bei allen Hörstörungen. „Schwerhörigkeit
ist eine Volkskrankheit, für die es hervorragende Therapiemöglichkeiten gibt. In
den vergangenen zehn Jahren sind diese
therapeutischen Optionen exponentiell
gestiegen. Während vor 15 Jahren die Auswahl nur zwischen einem konventionellen
Hörgerät und einem Cochlea-Implantat bestand, deckt die Hörsystemversorgung mit
teil- und vollimplantierbaren Hörgeräten,
Hybrid-Geräten oder auch Hirnhörimplantaten mittlerweile die vollständige Bandbreite
an Hörstörungen ab“, beschreibt Professor
Thomas Lenarz die Möglichkeiten, die sein
Team von HNO-Klinik und Deutschem HörZentrum bieten.
Ein weiterer Service für die Patienten
macht es für sie sogar nicht mal mehr notwendig, für die Nachsorge nach Hannover
zu kommen: die Einführung der Fernanpassung „Remote Care“. Die Patienten
werden an ihrem Heimatort bei einem vom
DHZ ausgewählten Partner – etwa einem
geschulten Hörgeräteakustiker – mit dem
ale im Gehirn von anderen Sinnen belegt. Und
ohne hören zu können, gibt es keine normale
Sprachentwicklung.
Allerdings ist ein Hörscreening direkt nach
der Geburt nur eine Momentaufnahme. Die Hörfähigkeit sollte bei Eintritt in den Kindergarten,
bei der Einschulung, während der Schulzeit und
beim Einstieg ins Berufsleben überprüft werden.
Denn vielfach geht die Hörfähigkeit schleichend
verloren. Die Auswirkungen sind erheblich: Ein
Sprachverstehen ist vor allem in geräuschvoller
Umgebung schlecht, Gespräche können nicht
gut verfolgt werden. Kinder haben erhebliche
Nachteile in der Schule, verringern ohne Hörtherapie ihre Chancen auf einen guten Schulabschluss. Erwachsene erschweren sich ihre beruflichen Chancen. Zudem ziehen sich Menschen
mit Hörproblemen oft aus ihrem sozialen Umfeld
zurück. Viele Gründe also für einen Hörtest. db
Endlich
wieder hören!
Jürgen H. (52) aus Vöhl-Basdorf am Edersee
hat immer gut hören können – bis vor eineinhalb Jahren: „Links hörte ich plötzlich wie
durch einen Pfropfen. Infusionen nützten nichts,
und eine Hirnstamm-Untersuchung blieb ohne
Befund. Hörgeräte halfen zunächst, mussten
jedoch alle paar Wochen nachreguliert werden.
Erst per Magnetresonanztomografie klärte sich,
dass ich einen Tumor am Hörnerv hatte. Den
entfernte das Team um Professor Lenarz im Juni
dieses Jahres – ohne den Hörnerv zu verletzen.
Alles verlief positiv, und schon nach einer
Woche konnte ich nach Hause und wieder als
Lehrer arbeiten. Da bereits vor der OP klar war,
dass ich anschließend links taub bin, entschied
ich mich für ein Bonebridge-Implantat, das ich
DHZ verbunden. Mithilfe neuester telemedizinischer Technik kontrollieren die MHHExperten die Geräte und stellen sie optimal
ein. Dieses Service-Netz wird kontinuierlich
ausgebaut.
Überhaupt: Der Servicegedanke wird
im Deutschen HörZentrum Hannover groß
geschrieben. In den Räumen an der MHH
sind alle Partner, deren Know-how in der
Hörsystemindustrie führend ist, mit Beratungs- und Service-Lounges vertreten: KIND
Hörgeräte und auric Hörsysteme als Experten auf dem Gebiet konventioneller Hörgeräte sowie Advanced Bionics, Cochlear,
MED-EL und Neurelec als Produzenten von
Hörimplantaten. Für den Patienten bedeutet es besonders kurze Wege. „Die enge
Zusammenarbeit unter einem Dach von
Forschung, Medizin und Industriepartnern
im Oktober implantieren ließ. Gestern erhielt
ich die externe Komponente, den Audioprozessor. Und schon heute kann ich links besser
hören. Nun muss mein Gehirn noch lernen,
Geräusche, die von links kommen, auch links
zuzuordnen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es
das mit der Zeit und immer feineren Geräteeinstellungen gut schaffen wird.“
zum Wohle der Patienten stellt ein weltweit führendes und einzigartiges Konzept
in der Therapie von Hörstörungen dar“, erklärt Professorin Dr. Anke Lesinski-Schiedat,
ärztliche Leiterin des DHZ. „In engem Austausch mit den Patienten arbeiten alle an
der Optimierung der Hörsysteme sowie an
der Entwicklung neuester Produkte.“
Zudem kooperiert das Deutsche HörZentrum eng mit dem Cochlear Implant
Centrum (CIC) „Wilhelm Hirte“ in Hannover. Das pädagogische Team und die
Ingenieure, die die Anpassung der Geräte
durchführen, sind an beiden Standorten
vertreten. Denn ein Schwerpunkt des hannoverschen CI-Konzepts ist die frühe Implantation hochgradig schwerhöriger und
gehörloser Kinder, die bereits im ersten Lebensjahr versorgt werden.
db
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info
Noch hört man
den Unterschied
Seit Jahrzehnten ist die Hörforschung der MHH führend.
Ob VIANNA, LEO oder Hearing4all – alle arbeiten an einem Ziel:
das natürliche Hören so gut wie möglich nachzuahmen
A
usgezeichnete Ergebnisse sind in
der hannoverschen Hörforschung
immer auch eines: Ansporn, noch
besser zu werden. Mit der jetzigen Generation der Cochlea-Implantate können die
MHH-Ärzte Ertaubten zwar das Gehör wiedergeben. „Wir ersetzen derzeit aber die
knapp 20.000 Haarzellen im Innenohr durch
22 Elektrodenkontakte“, erklärt Deutschlands führender Hörforscher, Professor Dr.
Thomas Lenarz. Damit sei nur ein Teil des
Spektrums der mit dem natürlichen Gehör
wahrnehmbaren Frequenzen abbildbar.
„Und das ist uns nicht genug.“ Die MHHForscher wollen die Implantatsysteme noch
weiter verbessern und dem natürlichen Hören möglichst nah kommen.
Maßgeschneiderte Therapie
„Derzeit praktizieren wir Mediziner die
symptomatische Therapie. Unser Ziel ist aber
ganz klar: die ursächliche Therapie, also
die für jeden Patienten auf eine präzise Diagnose basierende und maßgeschneiderte
Behandlung“, erklärt Professor Lenarz. Die
Ursachen für schwindendes oder ein ganz
ausgefallenes Hörvermögen sind vielfältig
und längst noch nicht erforscht. Um das zu
ändern, ist die HNO-Klinik nicht nur an vielen Forschungsprojekten beteiligt, wie dem
neuen Exzellenzcluster Hearing4all, sondern
hat auch zwei eigene Forschungsabteilungen gegründet, das Labor für Experimentelle
Otologie (LEO) und das Verbundinstitut für
AudioNeurotechnologie und Nanobiomaterialien (VIANNA). „Damit bilden wir die gesamte Innovationskette von der Grundlagenforschung über die Translationsforschung bis
zur klinischen Forschung und Produktentwicklung in Kooperation mit der Industrie
ab“, sagt Professor Lenarz. „Fragen aus der
Klinik geben wir an die Forschung weiter, die
Ergebnisse werden dann mit den Firmen in
Produkte umgesetzt und im Deutschen HörZentrum getestet, wobei die Ergebnisse dann
wieder Fragen an die Forschung stellen.“
Im VIANNA betreiben die Wissenschaftler nicht nur Grundlagenforschung zu Ge-
hörlosigkeit und künstlicher Stimulation von
Nervengewebe. Es geht ihnen auch um Entwicklung, Design und erste Tests von Hörund Neuroimplantaten, von Nanobiomaterialien und Laserverfahren, die für Diagnose
und Therapie eingesetzt werden können,
also um die ganz konkrete klinische Anwendung. Das geschieht in Zusammenarbeit
mit Industriepartnern, die direkt im Institut
angesiedelt sind. „Wir untersuchen, wie
man die elektrischen Felder an den Hörnerv
besser fokussieren kann, wie man mit Laser
das Innenohr stimulieren kann, aber auch
wie sich das Gehirn bei Gehörlosigkeit entwickelt, welche Veränderungen es aufweist
und wie es sich an die chronische Stimulation mit Hörprothesen anpasst, wie plastisch
es ist“, erklärt Professor Dr. Dr. med. Andrej
Kral, der mit Professor Lenarz das Institut
leitet. Am Ende soll ein klares Ergebnis der
Forschungsarbeiten stehen: neue, verbesserte Diagnostik- und Therapieverfahren
für Patienten mit Sinnesbehinderungen und
neurologischen Erkrankungen.
Um dieses Ziel zu erreichen, setzen die
Wissenschaftler auf fächerübergreifendes
Arbeiten: Im VIANNA forschen Natur- und
Ingenieurwissenschaftler sowie Ärzte aus
der HNO-Heilkunde, der Neurophysiologie, der Neurochirurgie und der Neurologie
zusammen. Das Spektrum der Forschungsmethoden reicht von Quantenoptik über
Biomechanik, Elektrotechnik, Elektrophysiologie, Neurophysiologie und Neurobionik,
Bildgebung und -verarbeitung, Histologie,
Molekularbiologie, In-vitro- und In-vivo-Verfahren bis hin zur Signalverarbeitung.
„Wenn ein menschlicher Sinn ausfällt,
gleicht unser Gehirn diesen Funktionsverlust aus, indem supranormale Fähigkeiten
in anderen intakten sensorischen Systemen
ausgeprägt werden“, erklärt Professor Kral.
„Wir haben in Untersuchungen zeigen können, dass bei Ertaubung, die von Geburt an
besteht, eine Umgestaltung in der Hörrinde
stattfindet und sich dort möglicherweise erweiterte Funktionen ansiedeln können, die
für das Sehen zuständig sind.“ Dies zeigt,
dass die Entwicklung der Hirnrinde auch
von den Reizen abhängt, die zentral weitergeleitet werden. Fehlen bestimmte Reize
– etwa auditorische – seit der Geburt, wird
die Entwicklung und Verschaltung des funktionierenden sensorischen Systems beeinflusst. Das beeinträchtigt den Lautsprach­
erwerb über eine Hörprothese. Wird aber
so früh wie möglich ein ertaubtes Kind mit
einem CI versorgt, kann solchen Defiziten
entgegengewirkt werden.
Weg mit dem Dämpfer!
Reine Grundlagenforschung betreibt
das LEO der HNO-Klinik mit dem Ziel, wie
sich das Hören mit Cochlea-Implantat stetig
verbessern lässt. Dazu arbeiten die Arbeitsgruppen um Professor Dr. Günter Reuter an
mehreren Teilbereichen. Mit einem speziellen Verfahren, der Atomkraftmikroskopie,
wird die Wechselwirkung zwischen Zellen
und Oberfläche untersucht. Dabei soll ein
eigentlich nützlicher Mechanismus unseres
Körpers ausgeschaltet werden: Der Körper
sieht in der CI-Elektrode in der Hörschnecke
einen Fremdkörper und bildet rundherum
Narbengewebe. Das stört aber die Übertragung, wirkt wie ein Dämpfer. „Wenn wir es
ausschalten können, indem wir eine Elektroden-Oberfläche entwickeln, auf der sich die
Zellen der Hörnerven wohlfühlen, aber kein
Narbengewebe, dann sind wir nah dran am
natürlichen Hören.“
Gleichzeitig geht die Klinik das Problem
der Narbenbildung mit neuen OP-Verfahren
an: „Die computer- und roboterassistierte
Chirurgie wird es zukünftig erlauben, Reizelektroden und mechanische Aktuatoren in
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So bunt wie die speziell fotografierten
Haarzellen aus dem Innenohr (oben)
präsentieren sich nicht alle Bausteine des Lebens. Dr. Kerstin Wissel untersucht Zellen
und Zellverbände unter dem Mikroskop.
Innenohr wie zentralen Hörsystem so sacht
und präzise vorzunehmen, dass die Strukturen geschont werden“, erläutert der zuständige Oberarzt und Projektleiter, PD Dr.
Omid Majdani.
Ein weiteres Ziel ist die Protektion und Regeneration des Innenohres. „Die Nervenzellen sind die Zielzellen des Cochlea-Implantates. Daher ist der Schutz vor Absterben und
der Ersatz untergegangener Nervenzellen eines unserer Hauptanliegen“, sagt Professor
Lenarz. In Petrischalen erforscht die Medizinerin Dr. Athanasia Warnecke das Verhalten
von Nervenzellen auf Faktoren, die später als
Medikamente Anwendung finden können.
„Zudem verfolgen wir das Ziel, mit patienteneigenen Stammzellen die untergegangenen Nerven- und Haarzellen des Innenohres
ersetzen zu können.“ Mithilfe der Laser-Mikrodissektion wollen die LEO-Wissenschaftler
herausfinden, was auf molekularer Ebene
bei der Ertaubung geschieht. „Wir isolieren
einzelne Zellen wie auch Zellverbände und
untersuchen diese ganz gezielt, sodass in
Zukunft jeder Art der Schwerhörigkeit und
Ertaubung eine molekulare Diagnose zugewiesen werden kann.“ Die Vision: Eine molekulare (Gen)therapie, mit der gezielt Sig­
nalwege innerhalb der Zelle aktiviert oder
ausgeschaltet werden.
Ein weiteres Highlight in der „Hörforschung made in Hannover“ ist im Sommer
dazugekommen: das Exzellencluster Hearing4all, an dem neben der MHH zahlreiche
Einrichtungen aus Hannover und Oldenburg
beteiligt sind. Im Juni hat die Exzellenzinititative der DFG „Hearing 4all“ ausgezeichnet und mit einem Forschungsbudget von
28 Millionen Euro ausgestattet. Damit wollen die Forscher in den nächsten fünf Jahren
mehrere Ziele erreichen:
neue Diagnostikmethoden entwickeln,
um die individuelle Hörsystemversorgung
genau auf die jeweiligen Ursachen der vorliegenden Hörstörung abzustimmen;
die Qualität der Hörsysteme entscheidend
verbessern, damit das normale Hören weitgehend wiederhergestellt werden kann;
die Audio-Technologie möglichst optimal
auf die jeweiligen Hörsysteme und die Vielzahl an Hörsituationen im Alltag abzustimmen.
Am Exzellenzcluster sind aus der Region
Hannover die MHH und die Leibniz Universität Hannover beteiligt sowie das Deutsche
HörZentrum Hannover, das Verbundinstitut
für Audio- und Neurotechnologie VIANNA
Hannover und das Laser Zentrum Hannover
e.V. Vorgesehen ist zudem die Intensivierung
der engen Kooperation mit allen weltweit
führenden Hörimplantat- und HörgeräteHerstellern. „Bereits jetzt sind in der Mehrzahl aller Cochlea-Implantate und Hörgeräte
unsere technologischen Entwicklungen aus
Hannover oder Oldenburg enthalten“, sagt
Professor Lenarz.
Weitere Forschungen werden in nationalen und internationalen Verbünden mit
Universitäten und Industriepartnern durchgeführt. Beispiele dafür sind der Sonderforschungsbereich 599 „Zukunftsfähige bioresorbierbare und permanente Implantate aus
metallischen und keramischen Werkstoffen“,
der Sonderforschungsbereich Transregio 37
„Mikro- und Nanosysteme in der Medizin –
Rekonstruktion biologischer Funktionen“,
die Audiologie Initiative Niedersachsen (AIN),
das BMBF-Projekt REMEDIS „Höhere Lebensqualität durch neuartige Mikroimplantate“,
die EU-Projekte NeuEar und ProHearing sowie zahlreiche Transferprojekte mit Firmen.
Der Ausblick von Professor Lenarz: „Die Zukunft der Hörforschung ist dynamisch – wir
treiben sie an.“
db
Endlich
richtig hören!
Rita Z. (58) aus Hannover konnte schon als
Kind schlecht hören. Als sie Ende 20 war,
stellte man fest, dass die Gehörknöchelchen
des rechten Ohres verklebt waren:
„Mit einem normalen Hörgerät, was mir links
gut half, hörte sich rechts alles so an, als wäre
ich im Weltall. Vor eineinhalb Jahren entschied
ich mich, für mein rechtes Ohr DACS auszuprobieren – ein Cochlear-Implantat, das noch
in der Probephase ist. Es war eine Chance für
mich, ich hatte nichts zu verlieren. Nach der
Operation, die überhaupt nicht schlimm war,
habe ich zunächst zwar noch nicht hören können. Doch das besserte sich mit der Zeit. Nun
kann ich einzelne Worte gut verstehen – und
zusammen mit linkem Ohr räumlich hören. Das
Hören ist insgesamt viel besser und verständlicher geworden. Eine solche Chance würde ich
jederzeit wieder nutzen.“
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