Heft 6/2012 e n: nd ge reu F Se n der /39 Ei 38 lfe Hi eite S e Di info Das Magazin der Medizinischen Hochschule Hannover Das Ohr zur Welt Hörforschung an der MHH Namen und Nachrichten Behandeln und Pflegen Gäste UND FEste Mit Taktgefühl: Schlagende Herzzellen im Verband Mit Zukunft: Der Stent, der sich auflöstSeite 35 Mit Übersicht: Christoph 4 feiert seinen 40.Seite 58 Seite 17 Wir geben Zeit ... ... mit fachkundiger und menschlicher Betreuung ■ Wir sind für Sie mit ambulanten und stationären Pflegemitarbeitern in der Kurzzeit- und Verhinderungspflege sowie in der Dauerpflege da. ■ Spezieller Wohnpflegebereich für demenziell veränderte Menschen – mit bewährtem DEBEKO-Konzept für mehr Lebensqualität. ■ Wöchentliche Visite durch Heimarzt; im Haus: Fachärztekonsultationen und individuelle Therapieangebote. ■ Hervorragende Ergebnisse bei Mitarbeiter- und Bewohnerzufriedenheit (BIVA, MDK, QM). NEU: Der besondere Service im Wohnstift Hannover-Kleefeld Im GDA Pflegehotel kommen Sie gut versorgt zu Kräften … … z. B. nach einem Krankenhaus-Aufenthalt, in der Übergangszeit bis zur Aufnahme in eine Reha-Klinik oder in der „Verhinderungspflege“. Die Kostenübernahme durch die Krankenkasse ist evtl. möglich. Wir beraten Sie gern! Ab Januar 2013 betreuen wir auch in Hannover-Waldhausen demenziell veränderte Menschen nach unseren DEBEKO-Prinzipien. „Gut, dass wir für meine Mutter noch einen Platz im GDA-Pflegehotel gefunden haben. So kurz nach ihrer Operation wäre sie nicht alleine zurecht gekommen. Aber in zwei Wochen geht’s dann gestärkt zurück ins eigene Zuhause.” GDA Wohnstift Hannover-Kleefeld Telefon 0511 5705-104 (stationäre Pflege) Telefon 0511 5705-143 (Pflegehotel) GDA Pflegeheim Hannover-Ricklingen Telefon 0511 162600 GDA Wohnstift Hannover-Waldhausen Telefon 0511 84010 www.gda.de 10 x in Deutschland 6/2012 Editorial Neue Themen eingeflüstert: Daniela Beyer berichtet übers Hören und das Exzellencluster Hearing4all, Stefan Zorn hört zu. ... viel um die Ohren O mas Lieblingsspruch war: Wer nicht hören will, muss fühlen! Der passte fast immer – etwa, wenn das Enkelkind mal wieder aus dem Obstbaum gefallen war. Doch was ist mit denen, die hören wollen, aber nicht können? Am Ende gehörte Oma selbst dazu, weigerte sich aber standhaft, ein Hörgerät zu nutzen. Gesprächen konnte sie kaum noch folgen, sie zog sich immer weiter zurück. Wie unser Hören funktioniert, wie sich die MHH der Hörprobleme der Menschen annimmt und wohin sich die Forschung entwickelt, erfahren Sie in unserem Titelthema „Das Ohr zur Welt“ (Seite 6 bis 13). Seit Jahrzehnten gehört die Hörforschung zu den Aktivposten der MHH und hat in diesem Jahr bei der Exzellenzinitiative von Bund und Ländern als Teil des Exzellenzclusters „Hearing4all“ den Ritterschlag erhalten. Daniela Beyer hat die Öffentlichkeitsarbeit für den Cluster an der MHH übernommen und be- richtet künftig auch für unser Hochschulmagazin über diese Themen. Und noch eine zweite Veränderung gibt es in der MHHinfoRedaktion. Maimona Id, die für den Bereich Lehre verantwortlich war, ist in die Pressestelle des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in Berlin gewechselt. Bettina Dunker wird im Januar ihre Aufgaben übernehmen; sie war bis 2005 Referentin in der Stabsstelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und freut sich schon darauf, wieder in den Beruf zurückzukehren. Wechsel sind auch Thema in der Rubrik „Namen und Nachrichten“ (Seite 14 bis 33). Wir stellen die neuen Direktoren der Augenklinik, der Pädiatrischen Kardiologie, den Bereichsleiter Chirurgie angeborener Herzfehler und Kinderherzchirurgie und den Leiter des Zentralen Tierlabors vor. Noch mehr Neuigkeiten hören? Bitte schön! Die MHH hat das Richtfest des Ambulanzgebäudes für die Dermatologie und Urologie gefeiert – mit Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (Seite 34). Und die Kardiologie setzt neuerdings sich auflösende Stents auf Milchsäurebasis ein (Seite 35). Wie gut es ist, wenn man Freunde hat, erfahren Sie auf den Seiten 38 und 39. Wer den Studierenden gute Lehre anbieten will, kann dafür etwas tun – zum Beispiel das Kursangebot „Aktiv in der Lehre“ (Seite 49) besuchen und einfach mal darauf hören, was Didaktik- und Methodikexperten raten. Expertenwissen zum Zuhören und Mitmachen vermittelt auch die Patientenuniversität (Seite 59). Sie hat nur eine von vielen Spenden (Seite 60 bis 66) erhalten, für die wir Danke sagen. Jetzt aber genug vom Hören. Lesen Sie einfach mal los! Wir freuen uns darauf, Sie auch 2013 mit Neuigkeiten aus der MHH versorgen zu dürfen. Bis dahin wünscht Ihnen alles Gute Stefan Zorn So erreichen Sie uns Stefan Zorn Redaktionsleitung [email protected] Telefon (0511) 532-6773 Bettina Bandel Schwerpunkt Forschung [email protected] Telefon (0511) 532-4046 Ursula Lappe Personalien [email protected] Telefon (0511) 532-6772 Simone Corpus Schwerpunkt Klinik [email protected] Telefon (0511) 532-6774 Camilla Krause Schwerpunkt REBIRTH [email protected] Telefon (0511) 532-6793 Claudia Barth Kongresse, Veranstaltungen [email protected] Telefon (0511) 532-3337 Tina Gerstenkorn Schwerpunkt Klinik [email protected] Telefon (0511) 532-5626 Karin Kaiser Fotografin [email protected] Telefon (0511) 532-6777 Daniela Beyer Schwerpunkt Hearing4all [email protected] Telefon (0511) 532-3016 3 Inhalt info e n: nd ge eu se r Fr 9 n ei e de /3 38 hilf ite se Die info heft 6/2012 4 Das Magazin der Medizinischen hochschule hannover Das Ohr zur Welt Hörforschung an der MHH NaMeN UND NaChriChteN BehaNDelN UND PFleGeN Gäste UND Feste Mit taktgefühl: schlagende herzzellen im Verband Mit Zukunft: Der stent, der sich auflöst Mit Übersicht: Christoph 4 feiert seinen 40. seite 17 seite 35 seite 58 Fotografin Karin Kaiser hat Professor Lenarz und Patient Wolf-Dieter G. im Blick. Hörforschung an der MHH _6 _8 _10 _12 Endlich richtig hören! Mit beiden Ohren in der Welt Der Traum ist Wirklichkeit Für jedes Problem die passende Lösung Noch hört man den Unterschied Namen und Nachrichten _14 Grußwort zum Jahreswechsel _16 Dr. Andreas Tecklenburg ist „Medizin-Manager des Jahres“ _17 Herzmuskelzellen mit Taktgefühl _18 Stabwechsel in der Kinderherzchirurgie _18 Zentrum für Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern _19 Viele neue Ideen: Professor Beerbaum _20 MHH-Forscher tritt Heisenberg-Professur an _21 Augenklinik unter neuer Leitung Pflegen: Katheter richtig legen Rosemarie H. (71) aus Neuss sieht den Grund für ihr schlechtes Hörvermögen in einer chronische Mittelohrentzündung, die sie als Kind hatte: „Lange Zeit habe ich selbst gar nicht gemerkt, dass ich schlecht höre. Es gab nur bestimmte Dinge, die merkwürdig waren, beispielsweise dass ich immer besser Englisch sprechen als verstehen konnte“, erinnert sie sich. Mit 45 Jahren bekam sie rechts ein Hörgerät, etwas später auch links. Trotzdem hörte sie langsam immer schlechter. Seit fünf Jahren hat sie am rechten Ohr ein Hybrid-System, das heißt, eine Kombination aus einem Cochlea-Implantat (CI) und einem herkömmlichen Hörgerät. Am linken Ohr trägt Rosemarie H. nur ein konventionelles Hörgerät. „Bisher komme ich so prima zurecht. Falls es irgendwann nötig sein sollte, würde ich mich auch fürs linke Ohr für ein CI-Hybrid-Gerät entscheiden.“ _36 _22 Der Interne Arbeitsmarkt _23 85. Geburtstag: Professor Borst _23 Aktionstag für Händedesinfektion _24Kongressvorschau _26Personalien _27 Ehrungen und Auszeichnungen _28 Dienstjubiläen, Examen _29 In Gremien gewählt, Gedenken _30 Auszeichnung für Gesundheitsfrühförderung _30 Keine Forschung ohne Tierschutz _31 Stiftung gibt 50.000 Euro für Klinik in Ghana _32 Nachruf auf Professor Freyberger Forschen: Strahlenbiologie im Fokus _33KinderUniHannover in der MHH Behandeln und Pflegen _34 _34 _35 _36 Richtfest am Ambulanzgebäude App übersetzt Gebärdensprache Der Stent, der verschwindet Prävention gegen Blutvergiftung Forschen und Wissen _37 _38 _40 Drittmittel für Forschung Bedeutend und verlässlich: Die Hilfe der Freunde Neuer Nachweis für Multiple Sklerose in Aussicht Kommen und gehen: Kinderherzchirurgie mit neuem _47 Lernen: Patient ist eine _41 Urinanalyse zeigt Tumor _42 Gesucht: Impfstrategie gegen Krebs _43 Im Netzwerk der Proteine _44 Deutsche und US-Implantatforscher _45 Professor Schneider _45 Professor Preller _46 Professor Limbourg _46 Pneumologen entdecken neue Interaktion _47Strahlenbiologisches Forschungslabor eröffnet _48 Das Ziel im Blick – und die Freiheit im Rücken 6/2012 Inhalt impressum Herausgeber Das Präsidium der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Der Inhalt namentlich gekennzeichneter Beiträge unterliegt nicht der Verantwortung der Herausgeber und der Redaktion. Abdruck honorarfrei. Redaktionsschluss für die FebruarAusgabe ist der 14. Januar 2013. Chefredaktion Stefan Zorn (stz) Redaktion Bettina Bandel (bb) Claudia Barth (cb) Daniela Beyer (db) Simone Corpus (sc) Tina Gerstenkorn (tg) Camilla Krause (ck) Ursula Lappe (la) Mitarbeiterin dieser Ausgabe: Sabine Hürthe (sh) Fotoredaktion Karin Kaiser Layout und Realisierung Madsack Medienagentur GmbH & Co. KG Stiftstraße 2 30159 Hannover Telefon (0511) 518-3001 Fax (0511) 518-3009 www.madsack-agentur.de Anzeigen m Leiter und mehr Aufgaben _18 Günter Evert Verlagsgesellschaft Madsack GmbH & Co. KG 30148 Hannover Kontakt Anzeigenverkauf: Telefon (0511) 518-2153 oder -2114 Auflage: 13.000 Stück Druck Silber Druck oHG Am Waldstrauch 1 34266 Niestetal Telefon (0561) 52 00 70 Gedruckt auf 100-prozentigem Recycling-Papier Online-Ausgabe Das MHHinfo ist auch im Internet zu finden unter www.mh-hannover.de/mhhinfo.html Puppe _53 Helfen: Stars für die Kinderklinik Lernen und Lehren _49 „Aktiv in der Lehre“: Vom Rohrstock zum E-Learning-Labor _50 MHH ehrt 134 Doktoranden _52IsiEmed-Programm _53 Patient „Puppe“ erträgt einiges _54 Abschlussfeier im Masterstudiengang Biomedizin _54 „Jugend denkt Zukunft“ _55 Aufbaustudium für Dozenten _55 62 Zahnärzte auf einen Schlag Gäste und Feste _58Rettungshubschrauber Christoph 4 feiert Geburtstag _59 _59 _60 _61 _62 _63 _63 _64 _65 _66 _66 _64 Große Unterstützung für die Patientenuni lifenotes: Mit Spaß bei der Sache Ausflug in die Autostadt Sozialbetreuung mit Herz Roncalli-Chef sorgt für Humor in der Psychiatrie Freizeitfußball für einen guten Zweck Forensikon mit Preis geehrt Stars auf der Schaukel Spende für die Spieloase Stipendium für Neurochirurgie HAINS, das Vorzeigemodell Fotos Alle Fotos von Karin Kaiser außer: Springer Science + Business Media (7, 9), Bodo Kremmin (11), Daniela Beyer (12), Sonja Pott (Dep. of Biology and Marine Biology, University of North Carolina, Wilmington, 13), Service Center ÖGS. barrierefrei (34), Twincore (42), Linda Cicero (Standford News Service, 48), Stefan Zorn (50, 51, 65), Daniel George (55), J. Thorsting (63), aus Abteilung oder privat (30, 31, 32, 40, 41, 54, 55, 65, 66). Anschrift der Redaktion Medizinische Hochschule Hannover Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Stefan Zorn Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover Telefon (0511) 532-6772 Fax (0511) 532-3852 [email protected] ISSN 1619-201X 5 6 Hörforschung an der MHH info Mit beiden Ohren in der Welt Wir sollen die Ohren steif halten oder die Lauscher aufsperren. Oft haben wir auch viel um die Ohren und möchten uns nach solchen Tagen einfach nur noch aufs Ohr hauen: Unsere Ohren tauchen in vielen Redewendungen auf. Doch was, wenn das Hören Probleme bereitet? Dann sind die HNO-Ärzte gefragt. In unserem Titelthema erklären wir, wie das Hören funktioniert, wie die Mediziner Hörprobleme behandeln, selbst tauben Menschen das Gehör zurückgeben, und welchen Weg die Hör-Forschung einschlägt U nser Ohr ist das erste Organ, das bei unserer Entwicklung funktioniert: Schon von der achten Lebenswoche an im Mutterleib hören wir, da sind wir gerade mal um die 21 Millimeter groß und werden noch Embryo genannt. Mit 18 Wochen ist die Hörfähigkeit schließlich voll ausgebildet. Das spüren auch Schwangere: wie ihre ungeborenen Kinder deutlich auf Geräusche reagieren, vor allem auf Musik oder die Stimmen der werdenden Eltern. Dabei ist das Hören ein unglaublich komplexer Vorgang: Geräusche entstehen durch Schwingungen, die als Schallwellen über den Gehörgang zum Trommelfell gelangen. Es beginnt zu schwingen und versetzt wiederum die drei kleinen Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel im Mittelohr in Bewegung – übrigens die kleinsten Knochen in unserem Skelett. Sie leiten die Schwingungen weiter zum Innenohr. Dort werden sie von den 20.000 Haarzellen der Hörschnecke, der Cochlea, in elektrische Impulse umgewandelt und über den Hörnerv in jene Region des Gehirns geleitet, die für das Hören zuständig ist. Erst dort findet die Entschlüsselung und Interpretation der Impulse statt – wir hören. In diesem Prozess spielen zwei Faktoren eine zentrale Rolle: Frequenz, also die Tonhöhe, und Lautstärke, der sogenannte Schalldruck oder Schallpegel. Die Frequenz ist die Anzahl der Schwingungen pro Sekunde und wird in Hertz (Hz), der Schallpegel in Dezibel (dB) gemessen. Weil der Schallpegel vom Gehörgang bis zu den Gehörknöchelchen je nach Frequenz unterschiedlich stark weitergeleitet wird, hängt das Lautstärkeempfinden auch von der Frequenz des Schalls ab. Dabei reicht das wahrnehmbare Spektrum beim Menschen von etwa 16 Hertz bis maximal 20.000 Hertz, lässt aber vor allem für hohe Frequenzen im Alter nach. Außerhalb unserer Hör-Reichweite liegen sowohl tiefere Frequenzen, der sogenannte Infraschall, wie ihn Elefanten noch hören, als auch die höheren Frequenzen des Ultraschalls, den Hunde, Delfine und Fledermäuse wahrnehmen. Was ist laut, was leise? Die Härchenzellen in der Cochlea reagieren sehr sensibel auf Überbelastung. Ab 85 Dezibel kann es um sie schlecht bestellt sein. Zum Vergleich: Das Atemgeräusch wird mit 10 dB gemessen und als ruhig empfunden, in die Kategorie „leise“ fallen Flüstern mit 40 dB oder Büroumgebung mit 60 dB. „Laut“ wird es bei Rufen, einem Mofa (je 70 dB) oder in einer Fabrikhalle (90 dB). Disko oder Sägewerk kommen mit 100 dB in die Einteilung „unerträglich“, ebenso Presslufthammer (110 dB) sowie Rockkonzert und Düsentriebwerk (120 dB). Unsere Schmerzgrenze 6/2012 Hörforschung an der MHH Gutes Hören ist überlebenswichtig – nicht nur im Straßenverkehr. Das Ohr von innen äußerer Gehörgang: knorpeliger (links) und knöcherner Teil ist dann bei 130 dB erreicht. Haarzellen haben keine Selbstheilungskräfte, daher sollten Menschen vor allem mit Lärm sehr vorsichtig umgehen. Auf dem kurzen Weg zwischen Ohrmuschel und Gehirn können sich zahlreiche Störungen ereignen, die sich in unterschiedlich ausgeprägten Hörminderungen zeigen: angefangen bei genetischen Veranlagungen bis hin zu Stress, Unfällen oder Medikamenten, in deren Folge es zu leichten Schwerhörigkeiten kommen kann, bis hin zu vollkommener Gehörlosigkeit. Schwerhörigkeit ist heutzutage eine Volkskrankheit: 20 Prozent aller Deutschen in allen Altersgruppen sind davon betroffen, also mehr als 15 Millionen Menschen. Mag die individuelle Ursache der Hörminderung auch unterschiedlich sein, die Folgen sind für alle Betroffenen gleich: Sie reichen von Nachteilen bei den Bildungschancen oder im Beruf bis hin zu gesellschaftlicher Isolation. „So weit muss es aber gar nicht erst kommen. Denn die Fortschritte in der Medizin und vor allem an der MHH sind so groß, dass wir allen Menschen mit den unterschiedlichsten Hörstörungen helfen können“, erklärt Professor Dr. Thomas Lenarz, Direktor der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde. „Auf dem heutigen Stand der Versorgungsmöglichkeiten ist selbst Gehörlosigkeit keine endgültige Diagnose mehr. Der Weg in die Hörklinik lohnt sich immer.“ db Amboss Bogengänge Steigbügel Hörnerv Schnecke Ohrmuschel Trommelfell Hammer Endlich richtig hören! Wolf-Dieter G. (76) aus Hemmingen erhielt 2002 linksseitig ein Cochlea-Implantat und 2011 rechtsseitig: „Seit Herbst 2011 trage ich beidseitig die neuen Sprachprozessoren Nucleus CP 810. Damit komme ich wunderbar zurecht. Ich höre und verstehe ganz fantastisch Sprache und Musik, kann Geräusche einordnen, und auch das Telefonieren gehört wieder zum Alltag. Mit 41 – ich war Filialleiter einer Bank – hatte ich einen beidseitigen Hörsturz, konnte danach nur noch tiefe Töne wahrnehmen. Mit zusätzlichen Hörhilfen am Telefon und einem Hörverstärker – einer Conferette – konnte ich meine beruflichen Aufgaben noch bis 1985 ausführen. Mit 49 übernahm ich in der Zentrale der Bank neue Aufgaben bis zu meinem Ruhestand 1994. Erst 1996 konnte ich Hörgeräte bekommen. Im Mai 2002 war es dann so weit: Linksseitig fast taub, rechtseitig noch mit einem Resthörvermögen um die sechs Prozent, festigte ich den Entschluss, das erste Implantat einsetzen zu lassen. Und nach der fast vollständigen Ertaubung rechtsseitig im Frühjahr 2011 war der Weg zum zweiten Implantat frei. Und nunmehr komme ich wunderbar mit meinem Leben zurecht.“ 7 8 Hörforschung an der MHH info Der Traum ist Wirklichkeit Was für eine Erfolgsgeschichte: Seit mehr als 28 Jahren geben MHH-Ärzte ertaubten Menschen das Gehör wieder zurück oder eröffnen Patienten, die noch nie hören konnten, die Welt der Geräusche D ie häufigste Ursache für hochgradige Hörminderung bis hin zu Gehörlosigkeit sind defekte Haarzellen in der Cochlea, der Hörschnecke. Da sich diese empfindlichen Sinneszellen nicht selbst reparieren oder gar nachwachsen können, ist eine Gehörlosigkeit zunächst unheilbar. Aber: Sie ist technisch zu überwinden – dank des Cochlea-Implantats (CI). Denn das System übernimmt die Funktion der ausgefallenen Hörsinneszellen und wandelt Schall in elektrische Pulse um, die der Hörnerv dann weiter an das Gehirn zur Entschlüsselung und Interpretation leitet. So können Geräusche, Musik und vor allem Sprache wieder – oder erstmals – wahrgenommen werden. „Mit dem CI ist erstmals der Traum vom Ersatz eines menschlichen Sinnesorgans Wirklichkeit geworden und hat Einzug in die klinische Routine gehalten“, sagt Professor Dr.Thomas Lenarz, Direktor der HNOKlinik der MHH, dem weltweit größten Referenzzentrum für Cochlea-Implantationen mit mittlerweile jährlich mehr als 500 neuen Patienten. Seit 1984 an der MHH weltweit die erste Cochlea-Implantation durchgeführt wurde, haben die HNO-Mediziner in n Übertragungsspule Implantat hinter dem Ohr sitzender Sprachprozessor Elektrode Hören mit dem Cochlea-Implantat Hannover mehr als 6.000 Menschen damit versorgt. Bundesweit kommen mehr als eine Million Betroffene aufgrund ihrer ausgeprägten Hörminderung für ein CI infrage: Das System eignet sich für Erwachsene, die trotz Hörgerät kein gutes Sprachverstehen mehr Tipps für besseres Hören Es ist gar nicht so schwer, auf Menschen mit Hörminderung Rücksicht zu nehmen. Auch normal Hörenden hilft die sogenannte Kommunikationshygiene. In vielen Alltagssituationen ist die Umgebung lebhaft, alles ist in Bewegung, Geräusche überlagern sich – wir empfinden es als „laut“. Wenn wir uns konzentrieren, suchen wir Ruhe – vor allem akustische Ruhe. Wenn wir uns auf Gespräche konzentrieren, vermeiden wir Störgeräusche oder versuchen sie auszublenden. Für Träger von Hörsystemen ist das besonders schwierig, da die defekten Haarzellen weniger gut differenzieren können. Daher hier ein paar Tipps, damit Sie besser gehört werden: Beim Sprechen das Gesicht nicht wegdrehen, die Hand nicht vor den Mund halten und deutlich sprechen – aber nicht laut; anschreien hilft überhaupt nicht! Bei Gesprächen in großer Runde sollten alle darauf achten, dass nur jeweils einer spricht. Und falls Sie den Eindruck haben, dass der Hörbeeinträchtigte den Faden verloren hat, geben Sie ihm ein Stichwort und holen Sie ihn so wieder in den Gesprächskreis zurück. Auch normal Hörende können viel für den langen Erhalt ihres guten Gehörs tun. Dazu gehört etwa, den MP3-Player nicht zu laut zu stellen. Statt der kleinen Kopfhörer, die wie Knöpfe in die Ohren gesteckt werden (sogenannte InEarKopfhörer), sind Bügelkopfhörer besser, weil sie lediglich auf den Ohren liegen. Und bei Diskoabenden oder Rockkonzerten sollten Ohrstöpsel selbstverständlich sein. Und noch ein Tipp: Wer den Geräuschpegel in der direkten Umgebung messen will, kann sich eine „Lärm-App“ des Verbands der HNO-Ärzte über den iTunes-Store kostenlos auf sein Smartphone laden. Wie eine Lärmampel zeigt die App an, wie laut es gerade ist, und warnt nach Grün mit Gelb und dann Rot, wenn es kritisch oder gar zu laut wird. db haben, und für Kinder mit einem Hörverlust, der kein Sprachverstehen ermöglicht. „Bei gehörlosen Neugeborenen ist es besonders wichtig, dass die Versorgung im ersten Lebensjahr geschieht, damit das kurze Zeitfenster der sogenannten Hörbahnreifung genutzt werden kann“, erläutert Professor Lenarz. „Dann haben die Kinder die Chance, ganz normal hören und damit auch sprechen zu lernen und in der Folge die Regelschule zu besuchen.“ Ihnen stehen damit nahezu alle Berufe offen. Das CI besteht aus vier Teilen: dem Implantat, einer Elektrode in der Gehörschnecke sowie einem Sprachprozessor, der hinter dem Ohr getragen wird, und einer Spule, die mithilfe eines Magneten am Kopf befestigt wird. Sie überträgt die Informationen zum Implantat. In einer zwei- bis dreistündigen Operation setzen die HNO-Spezialisten die Elektrode in die Hörschnecke ein. „Anschließend überprüfen wir noch im OP die Funktion. Die Lage der Elektrode in der Schnecke wird mittels digitaler Volumentomografie festgestellt“, sagt Professor Lenarz. An der MHH ist diese Implantation trotz aller Komplexität mittlerweile ein Standardverfahren und wird mit so viel Kenntnis ausgeführt, dass die Strukturen der Hörschnecke geschützt werden und somit sogar das 6/2012 Hörforschung an der MHH Renommierter Kliniker und Forscher: Professor Dr. Thomas Lenarz mit einem Cochlea-Implantat. Restgehör erhalten bleibt. „Voraussetzung ist, dass der HNO-Chirurg große Erfahrung bei der Implantation und ein qualifiziertes Team aus Ingenieuren und Pädagogen um sich aufgebaut hat“, erklärt Professorin Dr. Anke Lesinski-Schiedat von der HNO-Klinik die notwendigen Rahmenbedingungen für erfolgreiche Implantationen. Fünf Wochen nach der Operation wird der Sprachprozessor erstmals angelegt und mit dem Hör-Sprach-Training begonnen. Der Patient trainiert täglich im Deutschen HörZentrum Hannover (DHZ) mit Pädagogen das Hören. Ingenieure passen die Technik an, sie kontrollieren täglich die Einstellung des Sprachprozessors, um das bestmögliche Hör- und Klangbild zu erreichen. Der Patient muss sich an das neue Hören erst gewöhnen und traineren, bis es für ihn fast so wie das „normale Hören“ klingt. Im gesunden Ohr leiten Tausende von Haarzellen die Schallinformation an das Gehirn weiter, bei einem CI übernehmen nur zwölf bis 22 Elektrodenkontakte diese Aufgabe. Diese große Kompression macht sich klanglich bemerkbar, doch das Gehirn kann aus dieser künstlichen, elektronischen Information ein akzeptables Klangbild zusammensetzen und schließlich Sprache sogar beim Telefonieren erkennen. Doch auch dieses Ergebnis reicht den mehr als 150 Ärzten und Wissenschaftlern der Hörforschung nicht. Unermüdlich arbeiten sie in den Hörlaboren gemeinsam mit den Herstellern daran, das Hören mit CI dem natürlichen Hören immer mehr anzugleichen. „Gerade in jüngster Vergangenheit hat es enorme Fortschritte gegeben, die das Sprachverstehen der Patienten besser und besser werden lassen“, berichtet PD Dr. Andreas Büchner, der sich als wissenschaftlicher Leiter des DHZ der HNO-Klinik der Verbesserung der Sprachverarbeitung verschrieben hat. „Ziel unserer Forschungen ist es weiterhin, wie sich durch Entfernen überflüssiger Signalanteile die zur Verfügung stehende Bandbreite des Cochlea-Implantates zunehmend besser ausnutzen lässt.“ db Hören mit Hilfen Wenn sich Julius (10) mit seinen Freunden trifft, gehen sie ins Kino, spielen Fußball, hören Musik und albern herum. Für Julius ist das ganz normal – für seine Eltern nicht, denn der Zehnjährige kam gehörlos zur Welt. Seine engagierten Eltern haben sich dafür eingesetzt, Julius noch im Säuglingsalter mit einem Cochlea-Implantat (CI) versorgen zu lassen. So hat Julius mit dieser Hörprothese von Anfang an Geräusche, Stimmen und Sprache wahrgenommen und ganz normal sprechen gelernt. Julius besucht nach dem integrativen Kindergarten seit der ersten Klasse eine Regelschule und vom kommenden Schuljahr an eine weiterführende Schule im Stadtteil. In der Schule und im Hort ist er der Einzige mit einer Hörschädigung, durch die Selbsthilfegruppe Hörknirpse hat er aber auch hörgeschädigte Freunde, was ihm sehr wichtig ist. So kann er eine Identität mit einer Mischung aus beiden Welten entwickeln. Wie Julius sagt: „Mit meinen CIs kann ich gut hören, aber wenn ich sie abmache, bin ich gehörlos.“ 9 10 Hörforschung an der MHH info Für jedes Problem die passende Ob Hörgerät oder Cochlea-Implantat – das Angebot ist riesig. Doch welche Lösung ist für den Patienten die richtige? Die HNO-Klinik kennt die Antwort S eit nahezu zehn Jahren erhalten Menschen mit Hörstörungen jeglicher Art im Deutschen HörZentrum Hannover (DHZ) der HNO-Klinik an der MHH eine umfassende Beratung und Betreuung – und das ein Leben lang. Unter einem Dach bietet das DHZ neueste diagnostische Methoden und Therapien, umfassende technische Beratung und Betreuung, pädagogisches und logopädisches Hörtraining sowie die Versorgung mit Hörsystemen auf international höchstem Niveau. Eng verzahnt arbeitet ein interdisziplinäres Team aus HNO-Ärzten, Medizin-Ingenieuren, Pädagogen und Logopäden, Hörgeräteakustikern, Produzenten von Hörsystemen sowie Wissenschaftlern bis zur Entwicklung von Medizinprodukten in direktem Austausch mit den Patienten. Hören in Zahlen D ie Gehörknöchelchen sind die kleinsten Knochen im menschlichen Körper: Der Hammer wiegt etwa 23 Milligramm, der Amboss 27 Milligramm und der Steigbügel sogar nur 2,5 Milligramm. Bundesweit sind 15 Millionen Menschen schwerhörig. Davon kommt 1 Million aufgrund ihrer hochgradigen Hörminderung für ein Cochlea-Implantat infrage. Versorgt sind aber erst 30.000 Betroffene. In der HNO-Klinik der MHH werden seit 1984 Betroffene mit einem CI versorgt. Bis heute sind es mehr als 6.000, und jedes Jahr kommen mehr als 500 weitere hinzu. Damit ist die HNO der MHH das weltweit größte Referenzzentrum für Hörstörungen. Die Hörsinneszellen im Innenohr, die sogenannten Haarzellen, sind extrem empfindliche Messinstrumente. An der Hörschwelle beträgt die minimal erforderliche Ablenkung der Sinneshärchen 10 -8 Meter. Das ist der Durchmesser eines Wasserstoffatoms. Diese Bewegung liegt knapp über dem Rauschen der Atome. Diese hohe Empfindlichkeit erklärt unser gutes Hören auch unter schweren Bedingungen. Unser Ohr kann sehr gut Tonhöhen unterscheiden. Der Unterschied beträgt nur 3 Hz, und der minimal wahrnehmbare Unterschied ist 3 Hz. Auf der anderen Seite können sehr gut auch hohe Lautstärken verkraftet werden. Der sogenannte Dynamikbereich beträgt 120 dB, das bedeutet, dass der Schalldruck an der oberen Grenze ungefähr einmillionenfach höher ist als an der Hörschwelle. 6/2012 Hörforschung an der MHH 11 n Hörscreening für Neugeborene Es tut nicht weh, geht schnell, kann aber für das gesamte Leben entscheidend sein: das Neugeborenen-Hörscreening. Damit werden gleich in den ersten Lebenstagen mögliche Hörstörungen entdeckt, sodass eine Versorgung mit dem passenden Hörsystem beginnen kann. Bundesweit gibt es das Neugeborenen-Hörscreening seit 2009 – dank der klinischen Forschung der HNO-Klinik der MHH aus den Jahren 2000 und 2001. Das Zeitfenster für eine rechtzeitige Versorgung mit Hörsystemen ist klein. Die Nervenverbindung zwischen Innenohr und Gehirn – die sogenannte Hörbahn – entwickelt sich bis zum 18. Lebensmonat explosionsartig (endgültig bis etwa zum sechsten Lebensjahr) und benötigt dazu akustische Signale. Hört das Kind nichts, bleibt die Nervenreifung unaufholbar aus. Zudem werden die für das Hören reservierten Are- Diagnose ist das A und O: Professorin Lesinski-Schiedat untersucht eine Patientin. Lösung Vom konventionellen Hörgerät über implantierbare Hörgeräte (Mittelohrimplantate) oder Innenohrimplantate wie das CI bis zu Hirnimplantaten bietet das DHZ Hilfe bei allen Hörstörungen. „Schwerhörigkeit ist eine Volkskrankheit, für die es hervorragende Therapiemöglichkeiten gibt. In den vergangenen zehn Jahren sind diese therapeutischen Optionen exponentiell gestiegen. Während vor 15 Jahren die Auswahl nur zwischen einem konventionellen Hörgerät und einem Cochlea-Implantat bestand, deckt die Hörsystemversorgung mit teil- und vollimplantierbaren Hörgeräten, Hybrid-Geräten oder auch Hirnhörimplantaten mittlerweile die vollständige Bandbreite an Hörstörungen ab“, beschreibt Professor Thomas Lenarz die Möglichkeiten, die sein Team von HNO-Klinik und Deutschem HörZentrum bieten. Ein weiterer Service für die Patienten macht es für sie sogar nicht mal mehr notwendig, für die Nachsorge nach Hannover zu kommen: die Einführung der Fernanpassung „Remote Care“. Die Patienten werden an ihrem Heimatort bei einem vom DHZ ausgewählten Partner – etwa einem geschulten Hörgeräteakustiker – mit dem ale im Gehirn von anderen Sinnen belegt. Und ohne hören zu können, gibt es keine normale Sprachentwicklung. Allerdings ist ein Hörscreening direkt nach der Geburt nur eine Momentaufnahme. Die Hörfähigkeit sollte bei Eintritt in den Kindergarten, bei der Einschulung, während der Schulzeit und beim Einstieg ins Berufsleben überprüft werden. Denn vielfach geht die Hörfähigkeit schleichend verloren. Die Auswirkungen sind erheblich: Ein Sprachverstehen ist vor allem in geräuschvoller Umgebung schlecht, Gespräche können nicht gut verfolgt werden. Kinder haben erhebliche Nachteile in der Schule, verringern ohne Hörtherapie ihre Chancen auf einen guten Schulabschluss. Erwachsene erschweren sich ihre beruflichen Chancen. Zudem ziehen sich Menschen mit Hörproblemen oft aus ihrem sozialen Umfeld zurück. Viele Gründe also für einen Hörtest. db Endlich wieder hören! Jürgen H. (52) aus Vöhl-Basdorf am Edersee hat immer gut hören können – bis vor eineinhalb Jahren: „Links hörte ich plötzlich wie durch einen Pfropfen. Infusionen nützten nichts, und eine Hirnstamm-Untersuchung blieb ohne Befund. Hörgeräte halfen zunächst, mussten jedoch alle paar Wochen nachreguliert werden. Erst per Magnetresonanztomografie klärte sich, dass ich einen Tumor am Hörnerv hatte. Den entfernte das Team um Professor Lenarz im Juni dieses Jahres – ohne den Hörnerv zu verletzen. Alles verlief positiv, und schon nach einer Woche konnte ich nach Hause und wieder als Lehrer arbeiten. Da bereits vor der OP klar war, dass ich anschließend links taub bin, entschied ich mich für ein Bonebridge-Implantat, das ich DHZ verbunden. Mithilfe neuester telemedizinischer Technik kontrollieren die MHHExperten die Geräte und stellen sie optimal ein. Dieses Service-Netz wird kontinuierlich ausgebaut. Überhaupt: Der Servicegedanke wird im Deutschen HörZentrum Hannover groß geschrieben. In den Räumen an der MHH sind alle Partner, deren Know-how in der Hörsystemindustrie führend ist, mit Beratungs- und Service-Lounges vertreten: KIND Hörgeräte und auric Hörsysteme als Experten auf dem Gebiet konventioneller Hörgeräte sowie Advanced Bionics, Cochlear, MED-EL und Neurelec als Produzenten von Hörimplantaten. Für den Patienten bedeutet es besonders kurze Wege. „Die enge Zusammenarbeit unter einem Dach von Forschung, Medizin und Industriepartnern im Oktober implantieren ließ. Gestern erhielt ich die externe Komponente, den Audioprozessor. Und schon heute kann ich links besser hören. Nun muss mein Gehirn noch lernen, Geräusche, die von links kommen, auch links zuzuordnen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es das mit der Zeit und immer feineren Geräteeinstellungen gut schaffen wird.“ zum Wohle der Patienten stellt ein weltweit führendes und einzigartiges Konzept in der Therapie von Hörstörungen dar“, erklärt Professorin Dr. Anke Lesinski-Schiedat, ärztliche Leiterin des DHZ. „In engem Austausch mit den Patienten arbeiten alle an der Optimierung der Hörsysteme sowie an der Entwicklung neuester Produkte.“ Zudem kooperiert das Deutsche HörZentrum eng mit dem Cochlear Implant Centrum (CIC) „Wilhelm Hirte“ in Hannover. Das pädagogische Team und die Ingenieure, die die Anpassung der Geräte durchführen, sind an beiden Standorten vertreten. Denn ein Schwerpunkt des hannoverschen CI-Konzepts ist die frühe Implantation hochgradig schwerhöriger und gehörloser Kinder, die bereits im ersten Lebensjahr versorgt werden. db 12 Hörforschung an der MHH info Noch hört man den Unterschied Seit Jahrzehnten ist die Hörforschung der MHH führend. Ob VIANNA, LEO oder Hearing4all – alle arbeiten an einem Ziel: das natürliche Hören so gut wie möglich nachzuahmen A usgezeichnete Ergebnisse sind in der hannoverschen Hörforschung immer auch eines: Ansporn, noch besser zu werden. Mit der jetzigen Generation der Cochlea-Implantate können die MHH-Ärzte Ertaubten zwar das Gehör wiedergeben. „Wir ersetzen derzeit aber die knapp 20.000 Haarzellen im Innenohr durch 22 Elektrodenkontakte“, erklärt Deutschlands führender Hörforscher, Professor Dr. Thomas Lenarz. Damit sei nur ein Teil des Spektrums der mit dem natürlichen Gehör wahrnehmbaren Frequenzen abbildbar. „Und das ist uns nicht genug.“ Die MHHForscher wollen die Implantatsysteme noch weiter verbessern und dem natürlichen Hören möglichst nah kommen. Maßgeschneiderte Therapie „Derzeit praktizieren wir Mediziner die symptomatische Therapie. Unser Ziel ist aber ganz klar: die ursächliche Therapie, also die für jeden Patienten auf eine präzise Diagnose basierende und maßgeschneiderte Behandlung“, erklärt Professor Lenarz. Die Ursachen für schwindendes oder ein ganz ausgefallenes Hörvermögen sind vielfältig und längst noch nicht erforscht. Um das zu ändern, ist die HNO-Klinik nicht nur an vielen Forschungsprojekten beteiligt, wie dem neuen Exzellenzcluster Hearing4all, sondern hat auch zwei eigene Forschungsabteilungen gegründet, das Labor für Experimentelle Otologie (LEO) und das Verbundinstitut für AudioNeurotechnologie und Nanobiomaterialien (VIANNA). „Damit bilden wir die gesamte Innovationskette von der Grundlagenforschung über die Translationsforschung bis zur klinischen Forschung und Produktentwicklung in Kooperation mit der Industrie ab“, sagt Professor Lenarz. „Fragen aus der Klinik geben wir an die Forschung weiter, die Ergebnisse werden dann mit den Firmen in Produkte umgesetzt und im Deutschen HörZentrum getestet, wobei die Ergebnisse dann wieder Fragen an die Forschung stellen.“ Im VIANNA betreiben die Wissenschaftler nicht nur Grundlagenforschung zu Ge- hörlosigkeit und künstlicher Stimulation von Nervengewebe. Es geht ihnen auch um Entwicklung, Design und erste Tests von Hörund Neuroimplantaten, von Nanobiomaterialien und Laserverfahren, die für Diagnose und Therapie eingesetzt werden können, also um die ganz konkrete klinische Anwendung. Das geschieht in Zusammenarbeit mit Industriepartnern, die direkt im Institut angesiedelt sind. „Wir untersuchen, wie man die elektrischen Felder an den Hörnerv besser fokussieren kann, wie man mit Laser das Innenohr stimulieren kann, aber auch wie sich das Gehirn bei Gehörlosigkeit entwickelt, welche Veränderungen es aufweist und wie es sich an die chronische Stimulation mit Hörprothesen anpasst, wie plastisch es ist“, erklärt Professor Dr. Dr. med. Andrej Kral, der mit Professor Lenarz das Institut leitet. Am Ende soll ein klares Ergebnis der Forschungsarbeiten stehen: neue, verbesserte Diagnostik- und Therapieverfahren für Patienten mit Sinnesbehinderungen und neurologischen Erkrankungen. Um dieses Ziel zu erreichen, setzen die Wissenschaftler auf fächerübergreifendes Arbeiten: Im VIANNA forschen Natur- und Ingenieurwissenschaftler sowie Ärzte aus der HNO-Heilkunde, der Neurophysiologie, der Neurochirurgie und der Neurologie zusammen. Das Spektrum der Forschungsmethoden reicht von Quantenoptik über Biomechanik, Elektrotechnik, Elektrophysiologie, Neurophysiologie und Neurobionik, Bildgebung und -verarbeitung, Histologie, Molekularbiologie, In-vitro- und In-vivo-Verfahren bis hin zur Signalverarbeitung. „Wenn ein menschlicher Sinn ausfällt, gleicht unser Gehirn diesen Funktionsverlust aus, indem supranormale Fähigkeiten in anderen intakten sensorischen Systemen ausgeprägt werden“, erklärt Professor Kral. „Wir haben in Untersuchungen zeigen können, dass bei Ertaubung, die von Geburt an besteht, eine Umgestaltung in der Hörrinde stattfindet und sich dort möglicherweise erweiterte Funktionen ansiedeln können, die für das Sehen zuständig sind.“ Dies zeigt, dass die Entwicklung der Hirnrinde auch von den Reizen abhängt, die zentral weitergeleitet werden. Fehlen bestimmte Reize – etwa auditorische – seit der Geburt, wird die Entwicklung und Verschaltung des funktionierenden sensorischen Systems beeinflusst. Das beeinträchtigt den Lautsprach­ erwerb über eine Hörprothese. Wird aber so früh wie möglich ein ertaubtes Kind mit einem CI versorgt, kann solchen Defiziten entgegengewirkt werden. Weg mit dem Dämpfer! Reine Grundlagenforschung betreibt das LEO der HNO-Klinik mit dem Ziel, wie sich das Hören mit Cochlea-Implantat stetig verbessern lässt. Dazu arbeiten die Arbeitsgruppen um Professor Dr. Günter Reuter an mehreren Teilbereichen. Mit einem speziellen Verfahren, der Atomkraftmikroskopie, wird die Wechselwirkung zwischen Zellen und Oberfläche untersucht. Dabei soll ein eigentlich nützlicher Mechanismus unseres Körpers ausgeschaltet werden: Der Körper sieht in der CI-Elektrode in der Hörschnecke einen Fremdkörper und bildet rundherum Narbengewebe. Das stört aber die Übertragung, wirkt wie ein Dämpfer. „Wenn wir es ausschalten können, indem wir eine Elektroden-Oberfläche entwickeln, auf der sich die Zellen der Hörnerven wohlfühlen, aber kein Narbengewebe, dann sind wir nah dran am natürlichen Hören.“ Gleichzeitig geht die Klinik das Problem der Narbenbildung mit neuen OP-Verfahren an: „Die computer- und roboterassistierte Chirurgie wird es zukünftig erlauben, Reizelektroden und mechanische Aktuatoren in 6/2012 Hörforschung an der MHH 13 So bunt wie die speziell fotografierten Haarzellen aus dem Innenohr (oben) präsentieren sich nicht alle Bausteine des Lebens. Dr. Kerstin Wissel untersucht Zellen und Zellverbände unter dem Mikroskop. Innenohr wie zentralen Hörsystem so sacht und präzise vorzunehmen, dass die Strukturen geschont werden“, erläutert der zuständige Oberarzt und Projektleiter, PD Dr. Omid Majdani. Ein weiteres Ziel ist die Protektion und Regeneration des Innenohres. „Die Nervenzellen sind die Zielzellen des Cochlea-Implantates. Daher ist der Schutz vor Absterben und der Ersatz untergegangener Nervenzellen eines unserer Hauptanliegen“, sagt Professor Lenarz. In Petrischalen erforscht die Medizinerin Dr. Athanasia Warnecke das Verhalten von Nervenzellen auf Faktoren, die später als Medikamente Anwendung finden können. „Zudem verfolgen wir das Ziel, mit patienteneigenen Stammzellen die untergegangenen Nerven- und Haarzellen des Innenohres ersetzen zu können.“ Mithilfe der Laser-Mikrodissektion wollen die LEO-Wissenschaftler herausfinden, was auf molekularer Ebene bei der Ertaubung geschieht. „Wir isolieren einzelne Zellen wie auch Zellverbände und untersuchen diese ganz gezielt, sodass in Zukunft jeder Art der Schwerhörigkeit und Ertaubung eine molekulare Diagnose zugewiesen werden kann.“ Die Vision: Eine molekulare (Gen)therapie, mit der gezielt Sig­ nalwege innerhalb der Zelle aktiviert oder ausgeschaltet werden. Ein weiteres Highlight in der „Hörforschung made in Hannover“ ist im Sommer dazugekommen: das Exzellencluster Hearing4all, an dem neben der MHH zahlreiche Einrichtungen aus Hannover und Oldenburg beteiligt sind. Im Juni hat die Exzellenzinititative der DFG „Hearing 4all“ ausgezeichnet und mit einem Forschungsbudget von 28 Millionen Euro ausgestattet. Damit wollen die Forscher in den nächsten fünf Jahren mehrere Ziele erreichen: neue Diagnostikmethoden entwickeln, um die individuelle Hörsystemversorgung genau auf die jeweiligen Ursachen der vorliegenden Hörstörung abzustimmen; die Qualität der Hörsysteme entscheidend verbessern, damit das normale Hören weitgehend wiederhergestellt werden kann; die Audio-Technologie möglichst optimal auf die jeweiligen Hörsysteme und die Vielzahl an Hörsituationen im Alltag abzustimmen. Am Exzellenzcluster sind aus der Region Hannover die MHH und die Leibniz Universität Hannover beteiligt sowie das Deutsche HörZentrum Hannover, das Verbundinstitut für Audio- und Neurotechnologie VIANNA Hannover und das Laser Zentrum Hannover e.V. Vorgesehen ist zudem die Intensivierung der engen Kooperation mit allen weltweit führenden Hörimplantat- und HörgeräteHerstellern. „Bereits jetzt sind in der Mehrzahl aller Cochlea-Implantate und Hörgeräte unsere technologischen Entwicklungen aus Hannover oder Oldenburg enthalten“, sagt Professor Lenarz. Weitere Forschungen werden in nationalen und internationalen Verbünden mit Universitäten und Industriepartnern durchgeführt. Beispiele dafür sind der Sonderforschungsbereich 599 „Zukunftsfähige bioresorbierbare und permanente Implantate aus metallischen und keramischen Werkstoffen“, der Sonderforschungsbereich Transregio 37 „Mikro- und Nanosysteme in der Medizin – Rekonstruktion biologischer Funktionen“, die Audiologie Initiative Niedersachsen (AIN), das BMBF-Projekt REMEDIS „Höhere Lebensqualität durch neuartige Mikroimplantate“, die EU-Projekte NeuEar und ProHearing sowie zahlreiche Transferprojekte mit Firmen. Der Ausblick von Professor Lenarz: „Die Zukunft der Hörforschung ist dynamisch – wir treiben sie an.“ db Endlich richtig hören! Rita Z. (58) aus Hannover konnte schon als Kind schlecht hören. Als sie Ende 20 war, stellte man fest, dass die Gehörknöchelchen des rechten Ohres verklebt waren: „Mit einem normalen Hörgerät, was mir links gut half, hörte sich rechts alles so an, als wäre ich im Weltall. Vor eineinhalb Jahren entschied ich mich, für mein rechtes Ohr DACS auszuprobieren – ein Cochlear-Implantat, das noch in der Probephase ist. Es war eine Chance für mich, ich hatte nichts zu verlieren. Nach der Operation, die überhaupt nicht schlimm war, habe ich zunächst zwar noch nicht hören können. Doch das besserte sich mit der Zeit. Nun kann ich einzelne Worte gut verstehen – und zusammen mit linkem Ohr räumlich hören. Das Hören ist insgesamt viel besser und verständlicher geworden. Eine solche Chance würde ich jederzeit wieder nutzen.“