Vorwort - ernster

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Vorwort
B
ereits 1987 hat Seine Heiligkeit der Dalai Lama darum
gebeten, die gegenwärtige Praxis im tibetischen Buddhismus, keine Nonnen oder Bhikôuòîs zu ordinieren, zu
untersuchen, da diese Praxis, dem widerspricht, was der historische Buddha vor etwa 2500 Jahren selbst eingeführt hat.
Vom Amt für Kultur und Religionen (Department of Religion and Culture) der tibetischen Regierung im indischen Exil
wurde eine ausführliche Studie initiiert und während eines
Aufenthaltes in Zürich am 28. Juni 2005 sagte der Dalai
Lama:
„In Zusammenhang mit der Bhikôuòî-Ordination hat
es viele Diskussionen gegeben, jedoch ist man diesbezüglich zu keiner Entscheidung gelangt. Wir müssen
für dieses Problem eine Lösung finden. Wir Tibeter
können dies jedoch nicht alleine entscheiden; dies
muss in Zusammenarbeit mit Buddhisten weltweit
entschieden werden. Würde der Buddha im 21. Jahrhundert erscheinen und die gegenwärtige Situation in
der Welt betrachten, dann wäre es gut möglich, dass
er die Regeln ändern würde.“
Im Jahr 2007 widmete sich in Hamburg ein internationaler
Kongress der Frage nach der Rolle der Frauen im Saígha
und kam damit der Bitte Seiner Heiligkeit nach, sich mit
12 Mit Würde und Beharrlichkeit
den Voraussetzungen zur Wiederbelebung der Vollordinierung von Nonnen im tibetischen Buddhismus (Skt. bhikôuòî;
Pâli bhikkhunî) zu befassen. Der vorliegende Band fasst die
Beiträge von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie gelehrten Vertreterinnen und Vertretern verschiedener
Traditionen im Buddhismus zusammen. Der Kongress richtete sich an rund 150 Experten, Repräsentanten verschiedener buddhistischer Organisationen, einen weiten Kreis
von Akademikern sowie an die interessierte Öffentlichkeit
und schloss mit einer Erklärung Seiner Heiligkeit des Dalai
Lama, in der er die notwendigen Schritte für die Wiedereinführung der vollen Ordination von Bhikôuòîs innerhalb der
Tradition des tibetischen Buddhismus darlegte. Gleichzeitig
verfolgte der Kongress in Hamburg durch das Einbeziehen
von Buddhistinnen und Buddhisten aller Traditionen das
Ziel, einen weltweiten Konsens bezüglich der Notwendigkeit der Wiedereinführung der Bhikôuòî-Ordination in allen
buddhistischen Vinaya-Schulen, wo diese gegenwärtig nicht
(mehr) existiert, herbeizuführen.
Unter den dort versammelten Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern sowie gelehrten Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Traditionen im Buddhismus befanden
sich auch buddhistische Nonnen und Mönche, die auf dem
Gebiet der monastischen Disziplin und Geschichte hervorragend ausgewiesen sind. Die Referate präsentierten Belege, die für die aktuelle Debatte über den Status ordinierter Frauen von Bedeutung sind und die sich sowohl auf die
Untersuchung klassischer buddhistischer Texte als auch auf
zeitgenössische Traditionen in China, Korea, Taiwan, Vietnam und Südasien stützen.
Folgende Themen standen dabei im Fokus:
Vorwort 13
•  Der Status von Frauen im Buddhismus
•  Die Kontroverse zur vollen Ordination von Frauen im
Buddhismus
•  Die Anforderungen und Verfahren für die volle Ordination von Frauen und Vorschläge für deren Wiedereinführung
•  Die Auswirkungen der vollen Ordination von Frauen auf
buddhistische Gesellschaften
•  Das Potenzial für die Restrukturierung des Buddhismus
in Übereinstimmung mit der Gleichheit der Geschlechter
Obwohl die volle Ordination ausführlich in den Texten aller
vorhandenen buddhistischen Traditionen beschrieben wird
und buddhistische Frauen in China, Korea, Taiwan und
Vietnam voll ordiniert werden, gibt es für Frauen in den
Traditionen des tibetischen Buddhismus und des Theravâda,
zu denen Buddhisten in der Mongolei, in den Ländern des
Himalaja und in Süd- und Südostasien zählen, keine Möglichkeit zur vollen Ordination.
Einer der Gründe, warum die Frage nach der vollen Ordination von Frauen in der gegenwärtigen internationalen
buddhistischen Diaspora zu einem wichtigen Thema geworden ist, ist darin zu finden, dass die Geschlechterdiskriminierung in direktem Widerspruch zu der Ethik der sozialen und
spirituellen Gleichheit in der buddhistischen Theorie steht.
Mit anderen Worten ist der buddhistischen Weltanschauung
nichts inhärent was auf die Unterwerfung von Frauen rekurriert. Vielmehr steht die in einigen buddhistischen Gesellschaften existierende Ungleichheit zwischen den Geschlechtern in deutlichem Widerspruch zu dem, wie der Buddha
sowohl die letztliche Wirklichkeit verstand als auch von seiner höchsten Einsicht, dass alle Wesen das Potenzial zur Er-
14 Mit Würde und Beharrlichkeit
leuchtung haben. Demzufolge würde die Wiedereinführung
der vollen Ordination für Frauen die buddhistische Tradition näher an die Kerngedanken des Buddhismus bringen.
Auf dem Hamburger Kongress wurde das Thema sowohl
von den Quellentexten her als auch aus philosophischer,
soziologischer und feministischer Perspektive betrachtet.
Eines der Ziele war es, zu eruieren, welche Chancen der
Buddhismus den Frauen theoretisch für ihre spirituelle und
soziale Weiterentwicklung bietet. Die theoretischen Optionen wurden dann daraufhin überprüft, inwieweit die Frauen in asiatischen, vom Buddhismus geprägten Gesellschaften
tatsächlich Gelegenheit haben, diese in Bezug auf Bildung,
Ausbildung sowie religiöse und soziale Weiterentwicklung
einzulösen. Ein weiteres Ziel war es, einzuschätzen, wie die
gegenwärtigen Aussichten für eine Wiedereinführung der
vollen Ordination von Frauen in jenen buddhistischen Traditionen sind, in denen sie momentan nicht durchgeführt
werden.
Der Kongress konzentrierte sich auf die Analyse des
rechtlichen Status ordinierter buddhistischer Frauen und auf
die Formeln und Rituale, die bei der Ordination der Frauen
verwendet werden. Neben dem historischen Hintergrund
wurden dabei auch Fragen betrachet, die bei der Wiedereinführung der Ordinationslinie eine Rolle spielen, ebenso
die Einwände, die von Gegnern der Bhikôuòî-Ordination
angeführt werden, die analysiert und widerlegt wurden.
Im Rahmen der Diskussionen wurde auch hervorgehoben,
welche Rolle ein lebendiger Bhikôuòî-Saígha beim Bewahren buddhistisch-kultureller Institutionen spielen kann. Das
Hauptziel bestand jedoch darin, von S. H. dem Dalai Lama
zu hören, wie innerhalb der tibetischen Tradition die Bhikôuòî-Linie wiedereingeführt werden kann.
Vorwort 15
Die Vorbereitungen für den Kongress begannen im Dezember 2005, als die Studienstiftung für Buddhismus in
Hamburg sich bereit erklärte, die Organisation des Kongresses zu unterstützen. Wir sind Gabriele Küstermann und
den anderen Vorstandsmitgliedern – Christiane MeyerRogge-Turner, Professor em. Lambert Schmithausen und Dr.
Wolfgang Trescher – für ihre unermüdliche und engagierte
Unterstützung zutiefst dankbar. Ohne ihren Rat und ihre
Empfehlungen – und vor allem ihr Vertrauen in die Bedeutung eines solchen Kongresses – wäre der Kongress nicht
möglich gewesen. Wir danken auch allen Sponsoren, insbesondere der Tara-Stiftung, für ihre großzügigen Spenden.
Durch die großzügige Unterstützung der Universität
Hamburg konnten wir eine Atmosphäre der gelassenen Wissenschaftlichkeit schaffen. Alle Mitglieder des Committee of
Western Bhikôuòîs, das 2010 zum Committee for Bhikôuòî
Ordination (CBO) in the Tibetan Tradition umbenannt wurde, halfen uns in großzügiger Weise bei der Kontaktaufnahme
zu angesehenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern
sowie gelehrten Vertreterinnen und Vertretern verschiedener
Traditionen im Buddhismus in der ganzen Welt. Dazu gehörte auch die Ehrw. Prof. Karma LeksheTsomo, die über
Jahrzehnte für die Organisation der Sakyadhita-Konferenzen
buddhistischer Frauen in traditionell buddhistischen Ländern verantwortlich war. Wir sind allen Referenten zu tiefem
Dank verpflichtet, die mit ihren Präsentationen maßgeblich
zum Erfolg des Kongresses beigetragen haben. Auch wenn
bedauerlicherweise nicht alle Beiträge in diesem Band aufgenommen werden konnten, gilt allen Vortragenden unsere
tiefe Wertschätzung. Die Beiträge, die nicht in diesem Buch
enthalten sind, sind über das World Wide Web zugänglich.
Unter www.congress-on-buddhist-women.org stehen unter
16 Mit Würde und Beharrlichkeit
„Publications“ die meisten Vortragsmanuskripte auf Englisch
oder ist zumindest ein Hinweis darauf, wo die nicht im Buch
enthaltenen Texte publiziert wurden. Unser Dank gilt auch
Wisdom Publications, die bereits vor Beginn des eigentlichen
Kongresses ihr Interesse an einer Veröffentlichung eines
Kongressbandes bezeugt haben. Dank gilt auch der Mitarbeit
MacDuff Stewarts und ihrer hocheffizienten Arbeit. Unser
besonderer Dank geht an David Kittelstrom, der als erster
angeboten hatte, die Ergebnisse der Veranstaltung über Wisdom Publications zu publizieren und, nach einigen Umwegen, half, das Projekt zu einem erfolgreichen Abschluss zu
bringen. Schließlich wollen wir auch dem Department of Religion and Culture (DRC) der tibetischen Regierung im Exil
und der Vorsitzenden des Tibetan Nuns Project, Kazur Rinchen Khandro, danken. Insbesondere danken wir dem Ehrw.
Prof. Sam-dhong Rinpoche, damaliger Premierminister der
tibetischen Regierung im Exil und Vorsitzender des DRC
Bhik­ôuòî Ordination Committee, der uns sowohl während
der Vorbereitungsphase als auch während der Konferenz
immer wieder inspirierte. Vor allem aber war der Wunsch
S. H. des Dalai Lama nach einem echtem Fortschritt bei der
Wiederbelebung der vollen Ordination von Frauen, die im
tibetischen Buddhismus praktizieren, für alle Beteiligten eine
konstante Quelle der Inspiration. Ohne diesen Wunsch wäre
der bemerkenswerte Beitrag, den der Kongress in Hamburg
in Hinblick auf dieses Ziel leistete, nicht zustande gekommen, und dafür verspüren wir eine tiefe Dankbarkeit.
Dass diese Beiträge auch in deutscher Sprache erscheinen können, verdanken wir dem verlegerischen Mut Ursula
Richards von der edition steinrich und dem großen Engagement der Lektorin dieses Buches Traudel Reiß. Beiden sei
ganz herzlich gedankt!
Vorwort 17
Es ist unser aufrichtiger Wunsch, dass diese historische
Dokumentation dazu beitragen wird, die vollständige Praxis des Buddhadharma in der Moderne zu bewahren und
zu verbessern. Wir hoffen fest darauf, dass diese Arbeit buddhistischen Frauen auf der ganzen Welt Unterstützung und
Inspiration für die Verwirklichung ihrer spirituellen Ziele,
Glück und Befreiung vom Leiden, gewähren wird.
Thea Mohr
Bhikôuòî Jampa Tsedroen (Carola Roloff)
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