Ansteckungsherde. Die deutsche Bakteriologie als

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Helena Schugt, ev. Theologie/Geschichte (FüBa 5. Semester)
Leibniz Universität Hannover
10.12.2013
Seminar: Biopolitik und Rassismus, Dozent: Dr. Sören Philipps
Weindling, Paul: Ansteckungsherde. Die deutsche Bakteriologie als
wissenschaftlicher Rassismus 1890-1920, in: Sarasin, Philipp (Hrsg.); Berger, Silvia
(Hrsg.) et. al.: Bakteriologie und Moderne. Studien zur Biopolitik des Unsichtbaren
1870-1920, Frankfurt (Main) 2007, S. 354-374.
Die deutsche Bakteriologie als wissenschaftlicher Rassismus 1890-1920
354-369
356
360ff.
363
366
368
Die Bakteriologie des Imperialismus
In der Verbindung der Bakteriologie und des Imperialismus kam die Assoziation
von Krankheiten mit bestimmten unerwünschten ethnischen Volksgruppen (z.B.
Juden, Sinti etc.) auf. Die Bakteriologen machten sich für einen Sozialplan stark,
der die hygienischen Verhältnisse der Bevölkerung verbessern sollte. Trotzdem
kam auch die Vorstellung auf, bestimmte Rassen seien anfälliger für bestimmte
Krankheiten als andere. Die Vorstellung von Bakterien und Parasiten als
Feindbilder konnte auch auf „menschliche Parasiten“ übertragen werden. In der
Bevölkerung herrschte die Angst vor der Vernichtung der europäischen
Zivilisation - auch durch einen neuen „Schwarzen Tod“ Einführung von
Grenzstationen, wo Einwanderer bzw. Auswanderer in die USA, die
Deutschland durchqueren mussten, hygienischen Maßnahmen unterworfen
wurden. Die Zustände erinnern mehr an ein Gefängnis, die Wirksamkeit dieser
Grenzkontrollen kann angezweifelt werden. In der Presse wurde die angebliche
Einschleppung von Krankheiten durch Juden breit getreten. Die Vorurteile
verstärken sich in den 90er Jahren, Juden seien ein krankheitserregender
Menschenschlag. Es gab jedoch auch Versuche in der Wissenschaft
Gegenteiliges zu beweisen. Die jüdischen Traditionen standen in keinem
Widerspruch zu den modernen Hygienemaßnahmen.
369-374
Der Erste Weltkrieg und die Schlacht gegen die Bakterien
Die medizinischen Institute und Hygienestationen griffen massiv in das
Privatleben der Juden ein, z.B. in Form von Schließung jüdischer Schulen,
Synagogen, Geschäften etc. Aber auch durch erzwungenes Haareschneiden.
Wegen des Mangels an Arbeitskräften während des Ersten Weltkriegs gab es
eine Einwanderungswelle on osteuropäischen Arbeitern nach Deutschland. Den
Ausbruch von Fleckfieber in der Zivilbevölkerung wurde diesen Arbeitern
angelastet. In Österreich wurden die beschuldigten jüdischen Flüchtlinge in
Konzentrationslagern (damals so genannt) festgehalten. Die Grenzen wurden
schließlich für diese Arbeiter geschlossen.
374
Rassistische Krankheitserreger
Im Ersten Weltkrieg wandelte sich die relative Toleranz gegenüber anderen
Rassen zu offener Feindseligkeit. Je mehr sich die militärische Lage
verschlechterte, desto deutlicher trat dies hervor. Die Grenzen im Osten
versuchte man ganz zu schließen. Aufgrund der weiteren historischen
Entwicklung konnte der Schritt getan werden von der völligen Ausrottung der
Krankheitserreger hin zur Ausrottung der mutmaßlichen Krankheitsträger.
Helena Schugt, ev. Theologie/Geschichte (FüBa 5. Semester)
Leibniz Universität Hannover
Helena Schugt, ev. Theologie/Geschichte (FüBa 5. Semester)
Seminar: Biopolitik und Rassismus, Dozent: Dr. Sören Philipps
10.12.2013
Gradmann, Christoph: Unsichtbare Feinde. Bakteriologie und politische Sprache im
deutschen Kaiserreich, in: Sarasin, Philipp (Hrsg.); Berger, Silvia (Hrsg.) et. al.:
Bakteriologie und Moderne. Studien zur Biopolitik des Unsichtbaren 1870-1920,
Frankfurt (Main) 2007, S. 327-353.
Die deutsche Bakteriologie als wissenschaftlicher Rassismus 1890-1920
327-334
329
334-342
337
340
Die kleinsten Feinde der Menschheit
Am Ende des 19. Jahrhunderts stieg die Bakteriologie auf. Ihr Erfolg bzw. ihr
Prestige verdankt sie der Möglichkeiten ihrer praktischen Anwendung im
täglichen Leben. Bei der geschichtswissenschaftlichen Untersuchung der
Bakteriologie spielt die populäre Rezeption eine sehr große Rolle. Besonders
wichtig ist das Wechselspiel zwischen wissenschaftlicher Terminologie und
politischer Sprache.
Mit der Entdeckung der Bakterien erhielten die Infektionskrankheiten ein neues
Gesicht, sie wurden erfassbar und vergegenständlicht. Innerhalb weniger Jahre
wurden einige Forschungsinstitute eröffnet. Der Aufsatz befasst sich mit den
Austauschprozessen der Fachsprachen mit der Alltags- bzw. politischen Sprache
in Form von Begriffen, Metaphern und Bedeutungen. Als Beispiel lässt sich der
Darwinismus nennen, besonders in Form des Sozialdarwinismus’. „
Alltagsmythen statten etwas Problematisches mit dem Anschein des
Selbstverständlichen aus […]“ (Roland Barthes).
Im Krieg mit Bakterien
Die Bakteriologie ist gekennzeichnet durch einen regen Gebrauch an
militärischen Metaphern (z.B. Todfeinde des Menschen, Krieg). Außerdem
wurden nun Krankheit und Erreger gleichgesetzt. Der Krankheitsprozess wird
vollkommen außer Acht gelassen, im Vordergrund steht der Kampf der Ärzte
gegen die Bakterien. Der Patient, der Erkrankte verschwindet, er ist nur noch der
Organismus, in dem die Bakterien wüten. Gleichzeitig erfahren die Bakterien
eine Vermenschlichung (im negativen Sinne). Es lassen sich also drei Merkmale
formulieren: 1. Gleichsetzung von Krankheit und Bakterium, 2. Verschwinden
des Krankheitsprozesses und 3. Abwesenheit des Erkrankten. Ein wichtiger
Unterschied zwischen der wissenschaftlichen und der populären Vorstellung
bezüglich der Bakterien ist, dass Bakterien nicht nur als Krankheitserreger
definiert sind, sondern sie komplett mit der Krankheit identifiziert werden.
342-347
„Bazillus auri sacra fames“
Besonders auffällig ist die Konstruktion von Freund und Feind, was typisch war
für die Zeit des deutschen Kaiserreichs. Feindbilder spielten eine zentrale Rolle.
Man versuchte politische, soziale und andere Fragen mit der Wissenschaft zu
beantworten. So auch mit der Bakteriologie. Schließlich ist es möglich politische
Gegner durch die Bezeichnung als Bakterium zu diffamieren.
347-
Ein Bild des Feindes
Einem Mensch als Bakterium wird die Menschlichkeit abgesprochen, er sei von
Natur aus bösartig, Aggressionen ihm gegenüber sind gerechtfertigt. Man kann
jedoch davon ausgehen, dass der ideologische Charakter der bakteriologischen
Metaphern eher implizit war. Es handelte sich um bildliche Vergleiche. Bis in
Helena Schugt, ev. Theologie/Geschichte (FüBa 5. Semester)
Leibniz Universität Hannover
unsere heutige Zeit ist das Feindbild geprägt von einer bakteriologischen
Metaphorik. Das Feindbild des Bakteriums konnte sehr gut übertragen werden
auf Menschengruppen, die von der Gesellschaft als gleichförmig, bedrohlich und
massenhaft wahrgenommen wurden. Sogar soweit, dass sich die Metaphern
vollständig von ihrem eigentlichen Geltungsbereich ablösen lassen (Juden als
Parasiten im Nationalsozialismus). Auf die Identifizierung der Bakterien als
Feinde folgte eine Ideologie, die ihre Feinde als Bakterien identifizierte und so
ihre Vernichtung „legitimierte“.
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