Deutsches Ärzteblatt 1993: A-2059

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THEMEN DER ZEIT
TAGUNGSBERICHT / KURZBERICHT
krophagen zu zerstören. Mit fortschreitender Immunschwäche nimmt
ihre Konzentration im Blut jedoch
ab. CD8 + -Lymphozyten werden in
großer Zahl auch bei gesunden Kindern beobachtet, deren Mütter HIVinfiziert sind.
Die Art der Immunantwort —
ob vorwiegend zellulär oder humoral
— wird wahrscheinlich auch durch
zwei Untergruppen der CD4-Lymphozyten beeinflußt: Während TH1CD4-Zellen Cytokine bilden, welche
die zelluläre Abwehr stimulieren (Interleukin-2 und Interferon-Gamma),
induzieren TH2-CD4-Zellen die Bildung von Antikörpern (durch Freisetzung von Interleukin-4 und Interleukin-10).
Normalerweise befinden sich
beide Zellpopulationen in einem
Gleichgewicht. Wird eine der beiden
Zelltypen überaktiv, unterdrücken
seine Cytokine die Produktion der
anderen. Im Labor konnte nachgewiesen werden, daß Lymphozyten
von HIV-infizerten Personen weniger TH1-spezifische Cytokine freisetzen — was im Organismus eine verminderte zelluläre Immunantwort
zur Folge hat.
Langzeitüberlebende zeichnen
sich dadurch aus, daß sie mit „harmloseren" HIV-Varianten infiziert
sind und eine ausgeprägte Aktivität
der TH1- und CD8 + -Lymphozyten
aufweisen. Außerdem beobachtet
man nur geringe Viruskonzentrationen im Blut sowie das Fehlen von
„enhancing antibodies". Diese Antikörper sind „fehlgeleitet", denn anstatt HIV zu neutralisieren, ermöglichen sie es dem Virus, Makrophagen
und T-Lymphozyten über besondere
Bindungsstellen zu infizieren.
Latenzphase
Lange Zeit wurde unterschätzt,
daß während der Latenzphase der
HIV-Infektion in den Lymphknoten
immunologische Veränderungen
stattfinden, die das Fortschreiten der
Erkrankung beeinflussen. Bereits seit
1986 betonen Prof. Paul Racz und
Dr. Klara Tenner-Racz vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (Hamburg), daß die Keimzentren
der Lymphknoten ein wichtiges Vi-
rusreservoir darstellen. Ihre Befunde
wurden kürzlich durch Einsatz neuer, hochsensibler Techniken (zum
Beispiel Polymerasekettenreaktion)
bestätigt und untermauert (Arbeitsgruppe Fauci; NIAID, Bethesda).
Für die HIV-Infektion der
Keimzellen sind follikuläre dendritische Zellen (FDC) verantwortlich,
deren physiologische Aufgabe es ist,
Antigen-Antikörper-Komplexe an ihrer Oberfläche zu binden und diese
immunologisch aktiven Zellen, die
ein bevorzugtes Angriffsziel von HIV
sind, darzubieten. Diese Funktion
wird von HIV ausgenutzt. Da die
wichtigsten Zielzellen des Virus, die
T-Helferzellen, auch durch die
Keimzentren wandern, ist es möglich,
daß diese Zellen durch dargebotenes
HIV in den Lymphknoten infiziert
werden.
Dies hat zur Folge, daß die Zahl
der HIV-infizierten T-Lymphozyten
in den Lymphknoten 10 mal 15 höher
ist als im peripheren Blut. Hierbei
handelt es sich allerdings um eine latente Infektion: Der Erreger nistet
sich zwar in den Lymphozyten ein,
vermehrt sich aber (noch) nicht. Latent infizierte Zellen produzieren daher kaum virale Antigene, die von
der Immunabwehr erkannt werden
können.
Die Arbeitsgruppen um Prof.
Racz und Prof. A. Haase (Universität
Minnesota, Minneapolis) konnten
nachweisen, daß in allen Stadien der
HIV-Infektion im Lymphknoten eine
außergewöhnlich hohe Zahl von latent infizierten Lymphozyten und
Makrophagen („Freßzellen") vorhanden ist.
Im Gegensatz dazu werden follikulär dendritische Zellen nicht infiziert (Dr. Jörn Schmitz, Hamburg).
Es kommt lediglich zu einer vorübergehenden Bindung von HIV an ihrer
Oberfläche.
Dr. med. Vera Zylka-Menhorn
Diabetes: GSG bringt
Verbesserungen
„Die gesundheitspolitische Bilanz ist negativ" — diese Feststellung
traf die Bundesregierung im Hinblick
auf die Lage der diabeteskranken
Menschen in der Bundesrepublik
Deutschland. Auf eine kleine Anfrage von Bundestagsabgeordneten zu
diesem Thema räumte die Regierung
ein, daß es unbestreitbar Defizite in
der Versorgung der chronisch kranken Menschen gebe. Mit dem Gesundheitsstrukturgesetz GSG seien
verbesserte Rechtsgrundlagen geschaffen worden, um chronische Erkrankungen zu verhindern, frühzeitig
zu erkennen und zu behandeln.
4) So werde der besonderen gesundheitspolitischen Bedeutung der
Gesundheitsuntersuchung in dem
neuen Gesetz dadurch Rechnung getragen, daß die ärztlichen Leistungen
einem gesonderten Teilbudget mit
überproportionalem Zuwachs zugeordnet werden.
Für den Bereich der Behandlung sei im GSG vorgesehen, ärztliche Leistungen zu Leistungskom-
plexziffern zusammenzufassen. Darüber hinaus sollen fallbezogene Bewertungen für die üblicherweise von
Hausärzten erbrachten Leistungen
eingeführt werden, um diese im Vergleich zu technischen Leistungen höher bewerten zu können.
Im Bereich der Unterstützung
von Selbsthilfegruppen sei seit dem
1. Januar 1993 durch das Gesundheitsstrukturgesetz auch die Möglichkeit geschaffen worden, Selbsthilfegruppen und Kontaktstellen mit einer gesundheitsfördernden oder rehabilitativen Zielsetzung durch Zuschüsse zu fördern. Darunter fallen
zum Beispiel die Förderung von Modellvorhaben zur Prävention beziehungsweise Früherkennung von
Spätkomplikationen sowie zur Qualitätssicherung in der allgemeinärztlichen Praxis; ferner die Fortentwicklung der Diabetikerschulung sowie
Forschungsvorhaben über die Ursachen des Diabetes mellitus und die
Möglichkeiten einer verbesserten Behandlung. EB
Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 30, 30. Juli 1993 (27)
A1-2059
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