143-842140 VF 0058 – 06/2009 Gedruckt auf FSC-Papier mit 50 Prozent Recyclingfasern, Marke RePrint Umweltbericht 2008/2009 – Klimawandel und Biodiversität Unsere Klimastrategie Unser Naturschutzengagement Versicherung · Verantwortung · Verlässlichkeit Vorwort des Vorstands 3 Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser, der weltweite Klimawandel ist – neben der Finanzkrise – zweifelsohne das beherrschende Thema der vergangenen zwei Jahre. Mit Veröffentlichung des UN-Klimaberichts 2007 ist das Thema in den Blickpunkt der breiten Öffentlichkeit gerückt. Seitdem beschäftigen sich Staats-, Regierungs- und Firmenchefs intensiv mit Risiken, Gegenmaßnahmen und Anpassungsstrategien. Die RheinLand Versicherungsgruppe setzt sich bereits seit 2004 mit den aus dem Klimawandel resultierenden Risiken und Chancen auseinander und hat im Jahr 2007 eine eigene Klimastrategie eingeführt. Mehr hierzu im vorliegenden Umweltbericht, mit dem wir unseren „Umweltbericht 2005 – Versicherung und Klimawandel“ fortschreiben. Ein weiteres großes Thema: Biodiversität. Nicht zuletzt wegen der neunten UN-Naturschutzkonferenz, die im Mai 2008 in Bonn stattfand. Der Verlust der biologischen Vielfalt nimmt immer dramatischere Ausmaße an, auch hier ist der Klimawandel ein wichtiger, wenn auch nicht der einzige Faktor. Lesen Sie, welche Folgen der Verlust mit sich bringt und was die RheinLand Versicherungsgruppe zum Naturschutz beiträgt. Auch in den zurückliegenden drei Jahren haben wir dank des Engagements unserer MitarbeiterInnen wieder eine Vielzahl von Umweltschutzmaßnahmen umgesetzt. Beispielsweise durch das Angebot einer Umweltschadens-Versicherung für Schäden gemäß Umweltschadensgesetz, durch die Erweiterung des Versicherungsschutzes für Fahrräder und Solarstrom-/Solarheizungsanlagen, durch die Umstellung des Strombezugs unserer Hauptverwaltung auf 100-prozentigen Öko-Strom oder durch die Unterstützung des Streuobstwiesenschutzes im Rhein-Kreis Neuss. Zudem streben wir an, bis Ende 2010 alle unvermeidbaren CO2-Emissionen unseres Geschäftsbetriebes dauerhaft zu kompensieren. Hierfür wollen wir weltweit knapp 85 Hektar Wald pflanzen lassen. Den Startschuss haben wir bereits im Jahr 2005 gegeben, im März 2009 erfolgte die Pflanzung des 3,5 Hektar großen „RheinLand-Walds“ in Neuss. Oberste Priorität genießt selbstverständlich auch weiterhin die Vermeidung und Reduzierung von CO 2-Emissionen. Substitution (z. B. durch Umstieg auf Öko-Strom) und Kompensation (z. B. durch Aufforstungsmaßnahmen) sehen wir als sinnvolle und notwendige Ergänzung dazu an. Einen weiteren wichtigen Beitrag, den wir als Versicherungsunternehmen leisten können, sehen wir darin, unsere MitarbeiterInnen und Kunden, unsere Aktionäre und die Öffentlichkeit über die Themen Klimawandel und Biodiversität zu informieren und zu sensibilisieren – und ihnen falls möglich Lösungen anzubieten. Beispiele hierfür finden Sie in diesem Umweltbericht. Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre. Der Vorstand Christoph Buchbender Udo Klanten Jutta Stöcker 4 Vorwort des Umweltkoordinators Liebe Leserinnen und Leser, als der UN-Klimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) im Februar 2007 seinen vierten UN-Klimabericht vorlegte, wurde deutlich, dass die im 20. Jahrhundert beobachteten Änderungen beim Weltklima nur der Beginn einer noch viel dramatischeren Entwicklung sein werden, sollte der Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2050 nicht halbiert werden. Die vom IPCC aufgezeigten negativen Folgen für z. B. die wirtschaftliche Entwicklung, die menschliche Gesundheit, die Nahrungsmittelproduktion, die Wasserversorgung und die Küstenregionen der Welt übertrafen alle bisherigen Befürchtungen. Die Aufmerksamkeit für den UN-Klimabericht erhöhte sich nicht zuletzt dadurch, dass er die Ergebnisse des im Jahr zuvor veröffentlichten Stern-Reports berücksichtigte. Dieser beziffert erstmalig die wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels und kommt zu dem Schluss, dass ein Prozent des jährlichen Welt-Bruttosozialprodukts notwendig sei, um katastrophale Entwicklungen des globalen Klimawandels abzuwenden. Die durch Tatenlosigkeit entstehenden Klimaschäden kämen 5- bis 20-mal teurer. Zudem droht laut IPCC durch den Klimawandel ein dramatischer Verlust von Ökosystemen, Tier- und Pflanzenarten. Der IPCC geht davon aus, dass etwa 20 bis 30 Prozent der Tierund Pflanzenarten, die bisher untersucht wurden, vom Aussterben bedroht sind, wenn die globale Temperatur mehr als zwei bis drei Grad Celsius über das vorindustrielle Niveau ansteigt. Bei mehr als vier Grad Celsius könnte es sogar 40 Prozent der Arten treffen. Grund für diese drastischen Auswirkungen ist vor allem, dass sich das Weltklima mit einer nie da gewesenen Geschwindigkeit ändert. Die Temperatur würde so schnell steigen, dass viele Tier- und Pflanzenarten sich nicht daran anpassen könnten. Wegen der Zerschneidung von Landschaften durch menschliche Siedlungen und Infrastruktur besteht zudem in den meisten Regionen keine Ausweichmöglichkeit mehr. Überdies wären viele Weltregionen und Gesellschaften in ihrer Anpassungsfähigkeit überfordert, wobei es die ärmeren Länder überdurchschnittlich hart treffen würde. Weitere beunruhigende Nachrichten gab es infolge der neunten UN-Naturschutzkonferenz, die im Mai 2008 in Bonn stattfand. Der Verlust der Artenvielfalt und Lebensräume auf unserem Planeten schreitet, allen Anstrengungen zum Trotz, weiter voran. Die biologische Vielfalt ist durch die Urbanisierung und den Ausbau der Infrastruktur, durch die Intensivierung und den Ausbau landwirtschaftlich genutzter Flächen, durch Umweltverschmutzung, unkontrolliertes Jagen und Fischen und nicht zuletzt durch den Klimawandel bedroht. Gemäß der von der Weltnaturschutzunion IUCN (International Union for Conservation of Nature) im Jahr 2008 veröffentlichten Roten Liste bedrohter Arten sind knapp 40 Prozent der Tier- und Pflanzenarten weltweit vom Aussterben bedroht. Die Gesamtzahl der Arten hat zwischen 1970 und 2000 bereits um – so schätzt man – 40 Prozent abgenommen. Derzeitige Schätzungen gehen davon aus, dass jeden Tag 130 Arten aussterben. Unwiederbringlich. 5 Zwar haben sich die 190 Vertragspartner der 1993 in Kraft getretenen BiodiversitätsKonvention, des zentralen internationalen Abkommens zum Artenschutz, verpflichtet, den Verlust der biologischen Vielfalt bis zum Jahr 2010 signifikant zu reduzieren. Doch zeigt sich, dass die selbst gesteckten Ziele nicht erreicht werden. Einen Lösungsansatz könnte die sog. TEEB-Studie (The Economics of Ecosystems and Biodiversity) liefern. Erste Ergebnisse wurden im Mai 2008 vorgestellt. Die TEEB-Studie unternimmt den Versuch, den mannigfaltigen Leistungen von Ökosystemen einen ökonomischen Wert zuzuordnen. Erstmals werden nicht nur die direkten Wertschöpfungen wie Tourismus, Wandern und Jagd mit einbezogen, sondern auch Dienstleistungen der Natur. Die Forscher gehen davon aus, dass die Natur den Menschen allerlei Nützliches beschert: Nahrungsmittel, nachwachsende Rohstoffe, sauberes Wasser, saubere Atemluft, Pharmazie-Grundstoffe, Baustoffe, Schutz vor Fluten und Bodenerosion, Speicherung von Kohlenstoff und vieles Weitere mehr. Leider zeigt die TEEB-Studie jedoch auch, dass der derzeitige Rückgang der biologischen Vielfalt im Verbund mit dem Verlust von Ökosystemdienstleistungen weitergehen wird und sich in manchen Fällen sogar beschleunigen dürfte, wenn nicht die richtigen politischen Schritte eingeleitet werden. Im Fall eines „Weiter-So“-Szenarios ist bis 2050 mit schwer wiegenden Folgen zu rechnen, nicht nur für die Natur, auch für die Gesundheit und die Wohlfahrt der Menschen. Dieses Problem wird durch den Klimawandel verschärft. Ob die Ökonomisierung der Umwelt letztlich ein oder sogar der Lösungsweg ist, bleibt abzuwarten. Das Geheimnis des Erfolgs jedenfalls heißt Vielfalt: Je mehr Arten und genetische Vielfalt es gibt, desto höher ist die Chance, dass eine Anpassung an sich ändernde Umweltund Klimabedingungen gelingt. Auch sollten wir bei der ganzen Diskussion nicht vergessen, dass die Natur einen „Wert an sich“ hat, der nicht in Geld zu bemessen ist. In einem intakten Ökosystem spielt jedes Lebewesen eine Rolle, egal, wie groß oder klein es ist, wo es in der Nahrungskette steht und ob sein Nutzen unmittelbar erkennbar ist. Fernab jeder Ökonomie gibt es eine ethisch-moralische Pflicht, sich für den Schutz des Klimas und der biologischen Vielfalt einzusetzen. i. A. Ingmar Anderson Umweltkoordinator der RheinLand Versicherungsgruppe 6 Grußwort des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Sehr geehrte Damen und Herren, Sie stellen mit diesem Umweltbericht erneut in eindrucksvoller Weise Ihr Umweltengagement dar. Ich freue mich besonders, dass die RheinLand Versicherungsgruppe als Finanzdienstleister das Thema Klimaschutz explizit aufgegriffen hat. Die durch Naturkatastrophen verursachten volkswirtschaftlichen Schäden und die Notwendigkeit der Anpassung von Risikomodellen der Versicherungswirtschaft zeigen deutlich, dass der Klimawandel uns alle angeht. Die systematische Bestandsaufnahme von Ressourcenverbräuchen oder des Abfallaufkommens im Rahmen eines systematischen Umweltmanagements ermöglicht es erst, Umweltentlastungspotenziale zu identifizieren, die eigene Umweltleistung zu verbessern und damit den Eigenbeitrag für den Klimaschutz darzulegen. Hinsichtlich dieser Herausforderung sind Sie gut aufgestellt. Ihre umfassenden Bestandsaufnahmen und Umweltziele ermöglichen es Ihnen, Versicherungsmodelle zu entwickeln, die zielgerichtet umweltbewusstes Verhalten und umweltfreundliche Techniken von Versicherungsnehmerinnen und -nehmern honorieren. Das Thema Biodiversität findet im Rahmen des betrieblichen Umweltschutzes bislang zu wenig Berücksichtigung. Daher begrüße ich Ihr besonderes Engagement auf diesem Gebiet sehr, sei es durch Waldanpflanzungen oder die Unterstützung von Streuobstwiesenprojekten. Zielgerichteter Umweltschutz beginnt mit dem eigenen umweltbewussten Verhalten, das die Transparenz des eigenen Handelns einschließt. Dies kann Kunden und versicherten Personen weitere Anstöße geben, selbst Umweltziele zu entwickeln und umzusetzen. Die Einrichtung eines Umweltmanagementsystems ist hierbei oft eine gute Orientierungshilfe. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Verwirklichung Ihrer ambitionierten Ziele. Sigmar Gabriel Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Grußwort des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung Zunächst möchte ich der RheinLand Versicherungsgruppe zu ihrem „Umweltbericht 2008/ 2009“ gratulieren. Zum einen leistet sie einen Wissenstransfer zu Klimawandel und der Biodiversität von der Forschung in die Gesellschaft und adressiert damit zwei der entscheidenden globalen Herausforderungen dieses Jahrhunderts. Zum anderen dokumentiert sie ihr seit über zehn Jahren ständig erweitertes und vertieftes Profil eigenen Engagements in Sachen Nachhaltigkeit und lädt so zur Nachahmung ein. Durch eine detaillierte Darstellung zu erwartender Auswirkungen des Klimawandels unterstützt der Bericht nicht nur diverse neue oder zu modifizierende Geschäftsmodelle von Versicherern, indem entsprechende Sachinformationen Versicherungsnehmer erreichen. Vor allem erweist der Bericht der Gesellschaft als ganzer einen Dienst – und dies in doppelter Hinsicht: Zum einen stellt die Verbreitung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Mitte der Gesellschaft eine wichtige Voraussetzung für das Funktionieren jeder Marktwirtschaft dar. Zum anderen weist der Umweltbericht zu Recht aus, dass der jüngste Weltklimaratsbericht 2007 in Zusammenschau mit dem Bericht des ehemaligen Chefökonomen der Weltbank, Lord Sterns, an die britische Regierung im Herbst 2006, folgende Gesamtbotschaft hat: Bleiben Wirtschaftswachstum und steigende weltweit aggregierte Emissionen von Treibhausgasen weiterhin gekoppelt, wären die Folgen deutlich gravierender, als bislang angenommen. Zwar lassen sich die zu erwartenden global aggregierten volkswirtschaftlichen Schäden bislang nur schwer fassen und decken prinzipiell auch nur einen Teil der vom Menschen lebensweltlich empfundenen Auswirkungen auf die Lebensqualität ab. Doch ist es bemerkenswert festzuhalten, dass Stern allein schon diese erwarteten Schäden infolge einer fehlenden Klimapolitik um eine Größenordnung höher einschätzt als die Kosten für wirksame Emissionsreduktion, die für eine klimaschützende Umrüstung des Energiesektors und vermiedene Abholzung zu veranschlagen wären. In diesem Sinne trägt der Umweltbericht dazu bei, eine gesamtgesellschaftliche Erwartung dahingehend zu stabilisieren, dass wirksamer Klimaschutz sinnvoll und machbar ist, und ihn so Wirklichkeit werden zu lassen – etwa, indem bereits heute die Weichen für ein Energiesystem gestellt werden, das mit den EU-Minderungszielen für 2050 kompatibel ist. Ich wünsche uns allen ein fortgesetztes Engagement der RheinLand Versicherungsgruppe im Bereich Nachhaltigkeit. Sie könnte sich nun verstärkt der Frage widmen, mit welchem Technologiemix Klimaschutz am kostengünstigsten und nachhaltigsten zu erreichen sei – die Verknüpfung mit der Frage der Biodiversität war hierbei ein vielversprechender Auftakt. Dem könnten weitere „risikomoderierende“ eigene Versicherungsprodukte folgen. Dr. Hermann Held Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung 7 8 Grußwort des BUND Im Bund mit dem BUND Seit 1996 kooperieren die RheinLand Versicherungen mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) – mit über 478.000 Mitgliedern, Förderern und Spendern einer der großen Umweltverbände in Deutschland. Dabei profitieren BUND-Mitglieder von besonders günstigen Konditionen. Der BUND Der BUND engagiert sich für den Schutz der Natur und Umwelt – dauerhaft, kompetent, vor Ort und weltweit, für uns, unsere Kinder und Kindeskinder. Er setzt sich zum Beispiel ein für eine ökologische Landwirtschaft und gesunde Lebensmittel, für den Klimaschutz und den Ausbau regenerativer Energien, für den Schutz bedrohter Arten, wertvoller Biotope und einzigartiger Landschaften. Der BUND wurde am 20. Juli 1975 gegründet und finanziert sich fast ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden (sie sind die Basis für die wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit des Verbandes). Er ist föderativ organisiert, in jedem Bundesland gibt es einen BUND-Landesverband und viele aktive BUND-Gruppen. Der BUND ist Mitglied von Friends of the Earth International, dem weltweit größten Netzwerk unabhängiger Umweltgruppen. Weitere Infos www.bund.net BUND-Mitglieder erhalten Sondernachlässe von bis zu 20 Prozent in der: 앫 privaten Haftpflichtversicherung 앫 privaten Unfallversicherung 앫 privaten Wohngebäudeversicherung 앫 privaten Wohnungs-/Hausratversicherung 앫 Kraftfahrzeugversicherung 앫 Schutzbriefversicherung Mit der ÖkoPlus Kfz-Versicherung und dem BUNDum sorglos Schutzbrief können BUNDMitglieder Produkte nutzen, die die RheinLand Versicherungen exklusiv für sie entwickelt haben. Weitere Infos www.bundladen.de/marktplatz (Ökologische Versicherungen) Ansprechpartner RheinLand-BUNDservice Telefon: (0 21 31) 2 90-61 25 Fax: (0 21 31) 2 90-1 34 55 E-Mail: [email protected] Darüber hinaus unterstützt die RheinLand Versicherungsgruppe das Projekt „Nüsser Appel“ der BUND-Ortsgruppe Neuss-Kaarst (siehe Kapitel 3.3.2) sowie das BUND-Projekt Grünes Band®(siehe Kapitel 3.3.3). 9 Biodiversität ist Klimaschutz! Naturschutz ist Klimaschutz. Es ist an der Zeit, diese Tatsache als Gesamtstrategie zu betrachten und möglichst viele Verbündete zu gewinnen. Denn wir Menschen sind angesichts zunehmender Katastrophen mehr denn je darauf angewiesen. Schon seit 1996 unterstützen die RheinLand Versicherungen die Natur- und Umweltschutzziele des BUND durch vielfältige Aktionen – von direkten Spenden über Mitgliederwerbung bis hin zur besonderen Produktökologie. Entscheidend für die Kooperation mit der Natur und Umwelt GmbH des BUND waren und sind das Unternehmensleitbild und das Umweltmanagement-System der RheinLand Versicherungen. Erhalt der Biodiversität trotz Klimawandel – eine große Herausforderung im 21. Jahrhundert. Die Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten und ihren Lebensräumen ist die natürliche Versicherung für den menschlichen Wohlstand. Denn sie leisten uns unbezahlbare Dienste: liefern Rohstoffe, reinigen unser Wasser und die Luft, erhalten fruchtbaren Boden und vieles mehr. Trotzdem drängt der Mensch das wundervoll vielfältige Leben immer weiter zurück. In Deutschland steht rund die Hälfte aller Tiere und Pflanzen auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Der Klimawandel verschärft das Artensterben. Die Behauptung „Das Klima hat sich langfristig schon immer geändert, und mit ihm die Natur“ ist richtig. Was sich jedoch bedrohlich verändert hat, sind: 앫 die außerordentlich hohe Geschwindigkeit der Veränderungen 앫 das Ausmaß der aktuellen Klimaerwärmung 앫 die erschwerte Anpassung der Natur infolge der Bedrohung durch menschliche Lebensweisen wie z. B. intensive Landnutzung, Zerschneidung der Landschaft und Belastungen über die Luftverschmutzung Der „ökologische Fußabdruck“ in unseren Breiten wird immer größer und die wachsende Ungleichheit zu Entwicklungsländern steigt stetig an. Der BUND setzt sich seit seiner Gründung nach Kräften dafür ein, diesem Zustand Einhalt zu gebieten. So zum Beispiel mit dem Engagement für den Schutz intakter Lebensräume wie das Grüne Band Deutschland, dem Ausbau von gentechnikfreien Regionen und mit Klimaschutz durch Energieeinsparung und regenerative Energien. Der BUND bedankt sich für das Engagement der RheinLand Versicherungen und freut sich auf viele weitere gemeinsame Aktionen. Ulrike Mehl Stellvertretende Vorsitzende des BUND 10 Inhalt Vorworte 3 Grußworte 6 1 Die RheinLand Versicherungsgruppe 12 2 Klimawandel 16 2.1 Der UN-Klimabericht 2007 – Statistik des Wandels 16 2.1.1 Fakten – bisherige Auswirkungen 22 2.1.2 Ursachen – warum ändert sich das Klima? 24 2.1.3 Folgen – was kommt auf uns zu? 25 2.2 Die Folgen des Klimawandels 39 2.2.1 Weltregionen im Umbruch 39 2.2.2 Kipp-Punkte (Tipping Points) – der Klimawandel beschleunigt sich selbst 42 2.2.3 Folgen für Deutschland – Szenarien bis zum Jahr 2100 53 2.2.4 Herausforderungen und Optionen für Versicherer 59 2.3 Unsere Klimastrategie 68 2.3.1 Bausteine 68 2.3.2 Chronologie 71 3 Biodiversität 3.1 Bedrohungen 79 3.1.1 Biodiversität und Klimawandel 82 a) Veränderungen in der Pflanzenwelt 85 b) Veränderungen in der Tierwelt 88 3.2 Die Ökonomie der Vielfalt 94 3.2.1 Die TEEB-Studie 95 3.2.2 Unternehmerische Risiken 102 3.2.3 Weitere Naturschutzansätze 103 3.2.4 Das Umweltschadensgesetz (USchadG) 104 a) Neue Haftungsrisiken 104 b) Betrachtungen zu Untersuchungs- und Sanierungsaufwendungen 105 78 (Gastbeitrag von Ulrich Borchardt) c) Die Umweltschadens-Versicherung 109 3.3 Unser Naturschutzengagement 110 3.3.1 Aufforstungen – auf dem Weg zum CO2-neutralen Unternehmen 110 3.3.2 „Nüsser Appel“ – Streuobstwiesenschutz im Rhein-Kreis Neuss 114 3.3.3 Das Grüne Band®– grenzenlose Natur (Gastbeitrag des BUND e. V.) 117 3.3.4 Botanischer Garten Neuss – eine grüne Oase mitten in der Stadt 120 3.3.5 Haus der Natur – Biologische Station im Rhein-Kreis Neuss e. V. (Gastbeitrag des Hauses der Natur – Biologische Station im Rhein-Kreis Neuss e. V.) 122 11 4 Umweltbilanz und Umweltkennzahlen 2005-2008 124 5 Umweltprogramme – Erreichtes und Ziele 132 5.1 Umweltprogramm 2006-2008 – das haben wir erreicht 133 5.2 Umweltprogramm 2009-2011 – das nehmen wir uns vor 133 6 Anhang 6.1 Glossar 135 6.2 Abkürzungsverzeichnis 139 6.3 Berechnungsgrundlagen für die Umweltbilanz 140 6.4 Literaturverzeichnis 141 6.5 Bildnachweis 149 6.6 Impressum 152 134 12 1. Die RheinLand Versicherungsgruppe 13 Über 125 Jahre Erfahrung Moderne Dienstleistung, kundenorientierter Service und eine gehörige Portion Traditionsbewusstsein: Was auf den ersten Blick gegensätzlich klingt, das ist die eigentliche Stärke der RheinLand Versicherungsgruppe. Ihre Kunden kennen und schätzen sie als ideenreichen, vertrauensvollen und verlässlichen Partner – und das seit über 125 Jahren. Dabei kommt ihr die Sonderstellung als eines der wenigen noch privat geführten Versicherungsunternehmen durchaus zugute – garantiert sie doch ein hohes Maß an Flexibilität, schnellen Entscheidungen und eine optimale Ausrichtung des Vertriebs auf die Wünsche und Bedarfe der Kunden. Der Schutz der Umwelt ist fest im Unternehmensleitbild verankert. Heute bietet die RheinLand Versicherungsgruppe ihren Privat- und Gewerbekunden eine breite Produktpalette an Lebens- und Sachversicherungen. Weitere Versicherungsleistungen werden von guten Kooperationspartnern angeboten. Mehr als 400 Agenten, Verkaufsleiter und Kundenberater sowie unzählige Maklerunternehmen beraten die Kunden und verkaufen bundesweit vielfältige Versicherungsprodukte. Tatkräftig unterstützt wird der Vertrieb dabei von rund 600 MitarbeiterInnen in der Neusser Hauptverwaltung. Die Strategie Unter dem Dach der RheinLand Versicherungsgruppe verfügt das Unternehmen mit verschiedenen Vertriebswegen über ein Geschäftsmodell, das es ermöglicht, den Kunden über unterschiedlichste Wege und Medien zu erreichen. Repräsentiert wird das Geschäftsmodell durch vier eigenständige Marken, die in jeweils eigener Ausprägung und Wirkung ihre Märkte bedienen: die RheinLand Versicherungen (eigener Außendienst), die ONTOS Lebensversicherung (Direktvertrieb), die Rhion Versicherung (Maklervertrieb) und Credit Life International (Bankenvertrieb). Dieses vierzügige Modell wird auch in Zukunft weiter profiliert werden, wobei sich der Direktvertrieb zukünftig ausschließlich auf die RisikoLebensversicherung konzentrieren wird. Abb. 1: Das Geschäftsmodell der RheinLand Versicherungsgruppe Ausschließlichkeitsvertrieb Direktvertrieb Maklervertrieb Bankenvertrieb 14 1 Die RheinLand Versicherungsgruppe Zahlen und Fakten Alle in diesem Kapitel genannten Zahlen gelten für das Jahr 2008 bzw. geben den Stand zum 31. Dezember 2008 wieder. 2,3 Mio. Privat- und Gewerbekunden mit 2,7 Mio. Verträgen vertrauen der RheinLand Versicherungsgruppe. Die Beitragseinnahmen belaufen sich auf 691 Mio. Euro, der Kapitalanlagenbestand der RheinLand Versicherungsgruppe beträgt 1,2 Mrd. Euro. Die RheinLand Versicherungsgruppe beschäftigt 845 fest angestellte MitarbeiterInnen im Innen- und Außendienst, davon 74 Auszubildende. Weitere Infos www.rheinland-versicherungsgruppe.de Unsere Umweltpolitik Unsere Umweltpolitik wurde im Januar 1995 für die RheinLand Versicherungen verabschiedet und im Dezember 2002 auf die RheinLand Versicherungsgruppe ausgeweitet. Die RheinLand Versicherungsgruppe ist sich ihrer Verantwortung für eine nachhaltige, umweltgerechte Entwicklung bewusst und richtet ihre Geschäftstätigkeit danach aus. Das Umweltengagement der RheinLand Versicherungsgruppe wird nicht an kurzfristigen Erfolgen gemessen, sondern ist auf Dauer angelegt. Die RheinLand Versicherungsgruppe installiert ein Umweltmanagement-System, das alle MitarbeiterInnen und Führungskräfte umfasst und den Außendienst integriert. Die RheinLand Versicherungsgruppe wird ausreichende Mittel zur Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung ihres Umweltmanagements bereitstellen. Die RheinLand Versicherungsgruppe bietet Versicherungsprodukte und -dienstleistungen an, die ein umweltgerechtes Verhalten ihrer Kunden fördern, und wird bei der Entwicklung neuer Produkte Umweltgesichtspunkte einbeziehen. Die RheinLand Versicherungsgruppe erfasst und bewertet regelmäßig die Umweltauswirkungen ihrer Betriebsabläufe, um in der Folge die Umweltbelastungen gezielt zu reduzieren. Die RheinLand Versicherungsgruppe informiert aktiv über ihre Umweltbelange und strebt einen offenen Dialog mit ihren Kunden, Aktionären, MitarbeiterInnen und der Öffentlichkeit an. 15 Elemente unseres Umweltmanagement-Systems 앫 EMAS und DIN EN ISO 14001 als Richtlinien 앫 Umweltpolitik als Teil der Unternehmenspolitik 앫 Umweltverantwortung als Querschnittsaufgabe 앫 Interne Audits und Umweltbetriebsprüfung zur Identifizierung von Verbesserungspotenzialen 앫 Umweltmanagement Review zur Bewertung des Systems durch den Vorstand 앫 Umweltprogramme als Ziele-Maßnahmen-Katalog für jeweils drei Jahre 앫 Umweltbilanz und Umweltkennzahlen für unsere direkten Umweltauswirkungen 앫 Dialog intern und extern Gültigkeitsbereich unseres Umweltmanagement-Systems Der Gültigkeitsbereich unseres Umweltmanagement-Systems erstreckt sich auf die: 앫 RheinLand Versicherungs AG 앫 RheinLand Lebensversicherung AG 앫 ONTOS Lebensversicherung AG 앫 Rhion Versicherung AG Folgender Standort der RheinLand Versicherungsgruppe ist in das UmweltmanagementSystem eingebunden: Hauptverwaltung Neuss RheinLandplatz 41460 Neuss A im Nachhaltigkeits-Rating der ZKB Im Juli 2007 bescheinigte die Zürcher Kantonalbank (ZKB) der RheinLand Versicherungsgruppe eine gute Nachhaltigkeitsleistung für die zurückliegenden Jahre. Insgesamt haben wir ein A auf einer neunstufigen Skala von C bis AAA erreicht und liegen klar über dem Branchendurchschnitt. C CC CCC B BB BBB A AA AAA 16 2. Klimawandel 17 2.1 Der UN-Klimabericht 2007 – Statistik des Wandels Ein Temperaturanstieg von bis zu 6,4 Grad Celsius. Die Meere überfluten weite Teile der Küsten und viele Inseln. Es kommt zu einem massiven Verlust von Ökosystemen, Tier- und Pflanzenarten. Wasserversorgung und Nahrungsangebot werden erheblich beeinträchtigt. Extrem-Wetterereignisse nehmen weiter zu und fordern tausende Menschenleben – in seinem Weltklimabericht zeichnet der zwischenstaatliche UN-Ausschuss für Klimafragen (IPCC) düstere Zukunftsszenarien und warnt in seiner bislang schärfsten Form vor den Folgen des Klimawandels. „Wenn man in eine Malaria-Gegend fährt, ist auch nicht 100-prozentig sicher, dass man Malaria bekommt. Trotzdem nimmt man Prophylaxe, um der Infektion vorzubeugen. “ Rajendra Kumar Pachauri IPCC-Chairman IPCC – Intergovernmental Panel on Climate Change Vor dem Hintergrund eines möglichen weltweiten Klimawandels riefen 1988 das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) den Zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimafragen, den Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), ins Leben. Der IPCC ist ein Experten-Ausschuss, der alle wissenschaftlichen Daten auswertet, um das Risiko eines vom Menschen verursachten Klimawandels abzuschätzen. Dabei stützt er sich auf wissenschaftlich anerkanntes und veröffentlichtes Material. Weitere Infos www.ipcc.ch Der Stern-Report Spätestens seit Oktober 2006, als der ehemalige Weltbank-Chefökonom Nicholas H. Stern seine Aufsehen erregende Studie zu den wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels präsentierte, ist klar: Der Klimawandel kostet Geld – und birgt enorme Risiken für die Weltwirtschaft. „Der Klimawandel ist das größte Versagen des Marktes, das die Welt je gesehen hat. “ Nicholas Herbert Stern Autor des Stern-Reports Nach der im Auftrag der britischen Regierung vorgestellten Klimastudie „Stern Review on the Economics of Climate Change“ drohen der Weltgemeinschaft durch die Erwärmung der Erdatmosphäre größere wirtschaftliche Schäden, als sie von den beiden Weltkriegen zusammen verursacht wurden. Der Klimawandel könne weite Teile der Welt unbewohnbar und hunderte Millionen Menschen zu Flüchtlingen machen. Die Kosten für die Stabilisierung des Klimas sind erheblich, aber tragbar; Verzögerungen wären gefährlich und viel teurer: Der Stern-Report beziffert die möglichen Kosten des Klimawandels auf 5,48 Billionen Euro bis zum Jahr 2100, Nichthandeln gegen den Klimawandel könne eine neue Weltwirtschaftskrise auslösen. Stern kommt zu dem Schluss, dass ein Prozent des jährlichen Welt-Bruttosozialprodukts notwendig sei, um katastrophale Entwicklungen des globalen Klimawandels abzuwenden. Die durch Tatenlosigkeit entstehenden Klimaschäden kämen 5- bis 20-mal teurer (Stern, 2006). Abb. 3: Der Stern-Report „Stern Review on the Economics of Climate Change“ 18 2 Klimawandel „Wir können es uns nicht länger leisten, die globale Erwärmung als politisches Thema anzusehen. Sie ist die größte moralische Herausforderung für die Bewohner dieses Planeten. Klimawandel in aller Munde Gewarnt wird vor dem Klimawandel zwar schon lange, die Medienpräsenz, die das Thema seit dem Jahr 2007 erfährt, ist jedoch ungewöhnlich. Zunächst gab es eine Reihe von Naturphänomenen wie die „JahrhundertAl Gore hochwasser“ 2002 und 2005, die Hitzesommer 2003 und 2006 und Ehemaliger US-Vizepräsident und Hurrikan Katrina im August 2005, die man mit der globalen Erwärmung in Friedensnobelpreisträger 2007 Verbindung bringen konnte. Dann trug Al Gores oscarprämierter Film „Eine unbequeme Wahrheit“ zu einem Bewusstseinswandel bei. Der Bericht des britischen Regierungsberaters Sir Nicholas Stern schließlich öffnete Ökonomen die Augen, der UN-Klimabericht 2007 überzeugte wissenschaftlich denkende Menschen und löste eine Abb. 4: globale Diskussion aus. Dank des UN-Klimaberichts Filmplakat zu „Eine unbequeme Wahrheit“ 2007 ist der globale Klimawandel im Bewusstsein (© Paramount Pictures) der breiten Öffentlichkeit angekommen. Seitdem beschäftigen sich Staats-, Regierungs- und Firmenchefs intensiv mit Risiken, Gegenmaßnahmen und Anpassungsstrategien. Die Resonanz in den Medien fand ihre Anerkennung in der Verleihung des Friedensnobelpreises 2007 an den IPCC und an Al Gore. “ Die Rolle der Medien und Experten „Wegen der Vielzahl der Medien [...] wird es für die Journalisten zunehmend schwieriger, die Aufmerksamkeit [...] zu erlangen. Gleichzeitig wird es für den Bürger immer schwieriger, aus der Flut der angebotenen Informationen die „richtige“ Information herauszufiltern [...]. Das Resultat dieser Entwicklung ist zumindest in der Klimadebatte eine gewisse Verunsicherung der Bevölkerung. Diese Verunsicherung ist dafür mitverantwortlich, dass Maßnahmen zum Klimaschutz in der Gesellschaft nur schwer durchsetzbar sind. Es sei aber an dieser Stelle festgehalten, dass das Thema Klima ohne die Medien nicht ganz oben auf der Agenda der Weltpolitik stünde. Insofern haben die Medien etwas geschafft, was die Klimaforschung selbst nie hätte schaffen können. [...] Trotzdem gibt es Missstände in der Medienberichterstattung [...]. Um die Aufmerksamkeit der Bürger zu erlangen, greifen Journalisten oft zu dem Stilmittel der Übertreibung. Ein prominentes Beispiel hierfür ist das Titelbild des Magazins „Der Spiegel“ aus dem Sommer 1986, auf dem in einer Fotomontage der Kölner Dom zu sehen ist, der zur Hälfte unter Wasser steht. Jüngstes Beispiel ist der Emmerich-Film „The day after tomorrow“. Obwohl es in der Wissenschaft Konsens ist, dass es zu keiner neuen Eiszeit als Folge der Erderwärmung kommen kann, wird dieses schlicht falsche Szenarium in dem Film und in vielen anderen Medien beschrieben. 19 Aber auch das Mittel des Abwiegelns wird hin und wieder verwendet, um eine möglichst große Aufmerksamkeit zu erlangen. So stellen einige Journalisten das Klimaproblem insgesamt in Frage, um sich von dem „Einheitsbrei“ abzuheben und damit „Auflage“ zu machen [...]. Es ist eben doch ziemlich langweilig, immer wieder auf das Klimaproblem hinzuweisen. Es muss etwas Neues her, um die Aufmerksamkeit zu erlangen. Hier bietet sich auch der Expertenstreit an, der in der Klimaforschung praktisch nicht existiert, in den Medien aber immer wieder beschrieben wird. Natürlich wird auch in der Wissenschaft gestritten. Die Grundthese der globalen Erwärmung als Folge des anthropogenen Ausstoßes bestimmter Spurengase in die Atmosphäre ist aber weltweit akzeptiert und darf daher nicht in Frage gestellt werden. [...] Das so genannte „Waldsterben“ ist ein Beispiel für den verantwortungslosen Umgang der Medien mit einem wissenschaftlichen Thema. Obwohl Forstwissenschaftler von „Waldschäden“ sprechen, wird die Waldproblematik in den Medien nur unter dem Schlagwort „Waldsterben“ geführt. Heute müssen sich die Wissenschaftler vorwerfen lassen, dass der Wald noch lebt. Gleichwohl waren die Waldschäden noch nie so groß wie heute, was eindeutig aus den jährlichen Waldschadensberichten hervorgeht. Die Wissenschaftler hatten mit ihren Prognosen also Recht. Es wird aber in den Medien der Eindruck erweckt, als wenn sich die Wissenschaftler geirrt hätten, da der Wald ja noch lebe. [...] An diesem Beispiel ist erkennbar, wie Übertreibungen und eine apokalyptische Wortwahl seitens der Medien einen ganzen Forschungszweig diskreditieren können. [...] In den Medien spricht man gerne anstatt vom „Klimaproblem“ oder vom „Klimawandel“ von der „Klimakatastrophe“. Diese Wortwahl führt dazu, dass man heute schon hin und wieder die Vorhersagen der Klimaforscher als falsch beschreibt, da offensichtlich die Katastrophe bisher ausgeblieben ist. Kein seriöser Klimawissenschaftler würde aber jemals von einer „Klimakatastrophe“ sprechen. Vergleicht man außerdem die Modellrechungen der Wissenschaftler mit den tatsächlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte, dann ist eine recht gute Übereinstimmung mit den Beobachtungen erkennbar. Die Klimamodelle haben sich also als recht glaubwürdig erwiesen, was so aber nicht immer kommuniziert wird. [...] Die Rolle der Experten ist ebenfalls kritisch zu sehen. Dies hat verschiedene Gründe. Die meisten Wissenschaftler haben es nicht gelernt, ihre Ergebnisse so zu präsentieren, dass sie von Laien verstanden werden, zu denen die meisten Journalisten zählen. Missverständnisse sind somit programmiert. Außerdem muss man sich als Wissenschaftler darüber bewusst sein, dass die Sprache der Wissenschaft von Laien anders aufgenommen und verstanden wird als von den Wissenschaftlern selbst. Ein Konjunktiv beispielsweise wird in der Öffentlichkeit oft nicht wahrgenommen, wie auch Wahrscheinlichkeitsaussagen oft falsch oder gar nicht verstanden werden. Der Experte muss sich daher sehr genau überlegen, wie er formuliert.“ (Latif, 2006 b – Seite 5-7) 2 20 Klimawandel Der UN-Klimabericht 2007 Der wichtigste und weltweit anerkannteste Klimabericht, der UN-Klimabericht 2007 (IPCC Assessment Report 2007), belegt eindrucksvoll und in seiner bislang schärfsten Form den dramatischen Wandel. Allen drei Teilberichten des 4. UN-Klimaberichts gemein ist die Warnung, dass die im 20. Jahrhundert beobachteten Änderungen beim Weltklima und die daraus resultierenden negativen Folgen für Ökosysteme, die Nahrungsmittelproduktion, die Wasserversorgung und die wirtschaftliche Entwicklung nur der Beginn einer noch viel dramatischeren Entwicklung sein werden, sollte der Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2050 nicht halbiert werden. Ergebnisse des 4. UN-Klimaberichts Der UN-Klimabericht 2007 des Intergovernmental Panel on Climate Change, kurz IPCC, wurde von drei Arbeitsgruppen aus jeweils mehreren hundert anerkannten Forschern erstellt. Sie sichteten die Klimastudien der letzten sechs Jahre und schlussfolgerten aus den Einzelergebnissen globale Konsequenzen. 2007 hat der IPCC seinen 4. Klimabericht „IPCC Fourth Assessment Report: Climate Change 2007 – Teil I-III“ vorgelegt. Auf Basis seiner Aussagen werden Klimaverhandlungen bei den Vereinten Nationen geführt. Abb. 5 bis 8: Der „UN-Klimabericht 2007“ In Teil 1 des aktuellen Berichts („Physikalische Grundlagen“) wurden am 2. Februar 2007 in Paris die aktuellsten naturwissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel und der zukünftigen Entwicklung zusammengefasst. Er lieferte wissenschaftliche Analysen und Projektionen zum Klimasystem, bestätigte, dass es keinen wissenschaftlichen Zweifel mehr am anthropogenen Klimawandel gibt, und zeigte auf, wie sich Temperaturen und Niederschläge verändern könnten. 21 Am 6. April 2007 wurde Teil 2 („Auswirkungen, Anpassung, Verwundbarkeiten“) in Brüssel vorgestellt. Es ging um die Verwundbarkeit ökologischer Systeme und damit um die Frage, wie anfällig Regionen auf den Klimawandel reagieren. Teil 3 („Verminderung des Klimawandels“) folgte am 4. Mai 2007 in Bangkok. Darin stellten die Forscher Möglichkeiten vor, die Schäden der globalen Erwärmung abzuschwächen. Der dritte Teilbericht beschreibt konkrete Maßnahmen zur Eindämmung nachteiliger Klimafolgen und belegt, dass Klimaschutz machbar und finanzierbar ist. Schließlich wurden alle drei Teile in einem Synthesebericht zusammengefasst und am 17. November 2007 in Valencia vorgestellt. Der bestätigt noch einmal die zu erwartenden Veränderungen im Klimasystem und mahnt, dass einzigartige Ökosysteme und Tierarten auf Dauer verschwinden werden. Extrem-Wetterereignisse nehmen zu, es gibt dramatische Ungleichheiten in der Betroffenheit verschiedener Erdregionen und das Risiko großer Einbrüche (z. B. das Abrutschen großer Eismassen) steigt. Weitere Infos www.ipcc.ch (IPCC Reports – Assessment Reports) Die nachfolgend dargestellten Szenarien zur Entwicklung des Weltklimas bis zum Jahr 2100 beziehen sich größtenteils auf den „IPCC Fourth Assessment Report: Climate Change 2007 – Teil I-III“ des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) aus dem Jahr 2007 bzw. auf deutschsprachige Zusammenfassungen des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI), Bremerhaven, und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), Berlin, schließen aber neuere Erkenntnisse mit ein. 22 2 Klimawandel 2.1.1 Fakten – bisherige Auswirkungen In seinem vierten Bericht stellt der zwischenstaatliche UN-Ausschuss für Klimafragen, der IPCC, folgende Änderungen im Klimasystem fest (wenn nicht anders gekennzeichnet, gelten die Änderungen für den Zeitraum 1906 bis 2005): Der Temperaturanstieg Eine Erwärmung des Klimasystems ist ohne jeden Zweifel vorhanden: 앫 Die globale Oberflächentemperatur ist seit 1906 um 0,74 Grad Celsius gestiegen, in Europa sogar um 0,95 Grad Celsius. Abb. 9: Schwankungen der Erdoberflächentemperatur (© IPCC 2001) 앫 Zwölf der letzten 13 Jahre waren die wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen. 앫 Die Temperaturzunahme der letzten 50 Jahre ist doppelt so hoch wie die der letzten 100 Jahre. 앫 Die Arktis hat sich doppelt so stark erwärmt wie im globalen Mittel. Wärmerekorde weltweit 2007 war global das siebtwärmste, auf der Nordhalbkugel sogar das zweitwärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Auch 2008 reiht sich in die wärmsten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen ein. Zwölf der letzten 13 Jahre waren die wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen. Das weltweit wärmste Jahr war 2005, es folgen 1998, 2002, 2003, 2006, 2004, 2007, 2001, 1997, 2008, 1995, 2000 und 1999. Weitere Auswirkungen Extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen, Dürren und heftige Niederschläge sind häufiger geworden und die Intensität tropischer Stürme hat sich erhöht. Die schneebedeckte Fläche hat seit 1980 um etwa fünf Prozent abgenommen. Weltweit schrumpfen die Gletscher und tragen zum Meeresspiegelanstieg bei. Das arktische Meereis verzeichnet seit 1978 einen Rückgang im Jahresmittel um acht Prozent, im Sommer um 22 Prozent (siehe auch Seite 43). 23 Die Eisschilde auf Grönland und der Antarktis verlieren gegenwärtig Masse durch Schmelzen und Gletscherabbrüche und tragen zum Meeresspiegelanstieg bei. Die Temperaturen in den oberen Schichten des Permafrostbodens, in denen riesige Mengen des Treibhausgases Methan lagern, haben sich seit 1980 um drei Grad Celsius erhöht (siehe Seite 45). Abb. 10: Sommerliche Packeisgrenze – Vergleich 1979 mit 2003: Der Rückgang der hellen, das Sonnenlicht reflektierenden Eisflächen verstärkt die Erderwärmung. (© NASA 2003) Die Ozeane sind im globalen Mittel wärmer geworden und tragen durch thermische Ausdehnung zum Meeresspiegelanstieg bei (siehe auch Seite 51). Signale für den Klimawandel in Nord- und Ostsee Der Winter 2007/2008 war nach Angaben des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in der Ostsee der eisärmste Winter seit 1720. Nicht nur die Eisausdehnung war ungewöhnlich gering – auch die Eisdicke lag unter den üblichen Werten. Er übertraf damit alle bisherigen milden Winter im Ostseeraum. Die Oberflächentemperaturen in der Nordsee lagen ganzjährig um ca. 0,5 Grad Celsius über dem langjährigen Mittel, Gleiches gilt für die westliche Ostsee. Dort lagen die Temperaturen in den tieferen Wasserschichten (bis 40 Meter) sogar um 2,0 Grad Celsius über dem Langzeitdurchschnitt. Die veränderten Temperaturbedingungen wirken sich zunehmend auf das Artenspektrum bei Tieren und Pflanzen aus. Der Meeresspiegel stieg im 20. Jahrhundert um 17 Zentimeter. Die Anstiegsrate hat sich seit 1993 deutlich erhöht. Sie liegt derzeit global bei 3,3 mm pro Jahr (Rahmstorf, 2008). Die zunehmende CO2-Konzentration in der Atmosphäre hat zu einem gesteigerten CO2Eintrag in die Ozeane geführt, die zunehmend versauern. Diese Versauerung löst Kohlenstoffsedimente auf. Betroffen sind z. B. Korallenriffe und einige Planktonorganismen (siehe auch Seite 49 f.). Abb. 11: Temperaturanstieg der vergangenen 100 Jahre (© IPCC 2007) Umweltbericht_09:RheinLand 22.06.2009 2 24 17:14 Uhr Seite 24 Klimawandel 2.1.2 Ursachen – warum ändert sich das Klima? „ Die Erde besteht seit 4,5 Milliarden Jahren, im Vergleich dazu gibt es Menschen erst seit etwa 150.000 Jahren. Auf der geologischen Erduhr sind wir also eine Minute vor Mitternacht aufgetaucht! Was heute auf dem Spiel steht, ist nicht die Erde selbst, sondern unsere Fähigkeit, auf ihr zu überleben. “ Sebastian Copeland, 2007 – Seite 20 Der Kohlendioxid-Gehalt der Luft hat seit dem Jahr 1750 um 37 Prozent von 280 Teilen pro Million (ppm) auf 383 ppm im Jahr 2007 zugenommen: 앫 Die Zuwachsrate der letzten zehn Jahre ist die größte seit 50 Jahren. 앫 Der heutige Wert ist der größte in den letzten 800.000 Jahren. 앫 78 Prozent der Erhöhung gehen auf die Nutzung fossiler Brennstoffe zurück, 22 Prozent auf Landnutzungsänderungen (z. B. Rodungen). CO2-Konzentration auf dem höchsten Stand seit 800.000 Jahren Nach Untersuchungen der Universität Bern und der Universität Grenoble hat die CO2Konzentration in der Atmosphäre den höchsten Stand der vergangenen 800.000 Jahre erreicht. Dies hat die Analyse eines Eisbohrkerns aus der Antarktis – in dem atmosphärische Treibhausgase aus vergangenen Klimaepochen in winzigen Luftblasen eingeschlossen sind – ergeben. So liegen die heutigen Kohlendioxidkonzentrationen um 28 Prozent höher als je zuvor in den vergangenen 800.000 Jahren. Der Methangehalt ist heute sogar um 128 Prozent höher. Abb. 12: Der Treibhauseffekt Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Erwärmung der letzten 50 Jahre wesentlich durch anthropogene Treibhausgase, v. a. durch Kohlendioxid (CO2), verursacht worden ist (siehe auch Umweltbericht 2005, Seite 30 f.). Andere wichtige Treibhausgase wie Methan und Lachgas, deren Konzentrationen seit dem Jahr 1750 um 148 bzw. 18 Prozent zugenommen haben, sind zusammen etwa halb so stark an der Erwärmung beteiligt wie das Kohlendioxid. Der menschliche Einfluss ist jetzt nicht nur in der globalen Temperaturentwicklung nachweisbar, sondern auch in Temperaturmitteln der Kontinente und Ozeane sowie in Temperaturextremen und Windmustern. Änderungen der solaren Einstrahlung haben nur einen sehr geringen Einfluss. 25 2.1.3 Folgen – was kommt auf uns zu? Der IPCC-Report präsentiert sechs Klimaszenarien (Vergleich 1980 bis 1999 zu 2090 bis 2099). Das niedrigste Szenario setzt eine deutliche Umstellung der Welt auf erneuerbare Energien voraus, das höchste Szenario geht von einer noch wachsenden Abhängigkeit von fossilen Energieträgern aus. Alle Szenarien sagen jedoch eine weitere Temperaturerhöhung und einen Meeresspiegelanstieg bis zum Ende des 21. Jahrhunderts voraus. Szenarien sind keine Prognosen, sondern mögliche Zukünfte Szenarien für das zukünftige Weltklima sind aufgrund der sehr komplexen Zusammenhänge mit einigen Unsicherheiten behaftet. Während das niedrigste Szenario eine deutliche Umstellung der Welt auf erneuerbare Energien voraussetzt, geht das höchste Szenario von einer noch wachsenden Abhängigkeit von fossilen Energieträgern aus. Man erhält eine gewisse Spannbreite mit einer Unter- und einer Obergrenze. Die Spanne zwischen Unter- und Obergrenze ist teilweise recht groß, da sich die Auswirkungen der verschiedenen Einflussfaktoren wie Bevölkerungswachstum oder CO2-Ausstoß infolge Verbrennung fossiler Energieträger nicht exakt voraussagen lassen. Die Hauptschwäche aller Klimamodelle ist die Unkenntnis über das zukünftige Verhalten der Menschheit. Szenarien sind demnach keine Prognosen, sondern mögliche Zukünfte und Folgen. Selbst wenn die Menschheit die Emission von Treibhausgasen sofort auf null brächte, würde sich die globale Erwärmung noch über viele Jahrzehnte fortsetzen: 앫 In den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten wird durch die Trägheit des Klimasystems ein weiterer Temperaturanstieg um ca. 0,6 Grad Celsius erfolgen. 앫 Der Meeresspiegel wird infolge der thermischen Ausdehnung des Wassers noch mehrere Jahrhunderte lang ansteigen, da die Wärme nur langsam von der Meeresoberfläche in den tiefen Ozean vordringt. Im besten Fall (niedrigstes Szenario) sei mit einer Erwärmung von 1,8 Grad Celsius (1,1 bis 2,9 Grad) zu rechnen, im schlimmsten Fall (höchstes Szenario) mit 4,0 Grad Celsius (2,4 bis 6,4 Grad). Am wahrscheinlichsten sei ein Anstieg um 1,8 bis 4,0 Grad Celsius. Die größte Erwärmung findet dabei in hohen nördlichen Breiten statt. Abb. 13: Globaler Temperaturanstieg bis 2100 (© IPCC 2007) 26 2 Klimawandel Projizierter Temperaturanstieg höher als im 2001er-Bericht Die Spanne von 1,1 bis 6,4 Grad Celsius ist weitestgehend konsistent mit der im UNKlimabericht 2001 projizierten Spanne von 1,4 bis 5,8 Grad Celsius. Die oberen Grenzen der abgeschätzten Schwankungsbreiten sind höher als im 2001er-Bericht, insb. wegen der jetzt höher abgeschätzten Rückkopplungseffekte im Kohlenstoffkreislauf. Der Meeresspiegel werde um weitere 18 bis 59 Zentimeter ansteigen. Allerdings lassen die derzeit gemessenen, im Vergleich zum Mittelwert des 20. Jahrhunderts beschleunigten Anstiegsraten von global 3,3 mm pro Jahr auf einen deutlich höheren Anstieg schließen, als im UN-Klimabericht 2007 vorhergesagt. Es gibt eine erhebliche Unsicherheit hinsichtlich der weiteren Entwicklung des grönländischen und des antarktischen Inlandeis-Schilds (siehe auch Kapitel 2.2.2). Hier kann ein höherer Beitrag zum zukünftigen Meeresspiegelanstieg nicht ausgeschlossen werden. Modellergebnisse lassen den Schluss zu, dass eine dauerhafte Erwärmung deutlich über drei Grad Celsius über Jahrtausende zu einem vollständigen Abschmelzen des grönländischen Inlandeises führen würde. In der Folge würde der Meeresspiegel um sieben Meter ansteigen – mit katastrophalen Folgen für die Küstengebiete der Welt. Einen Meter Meeresspiegelanstieg bis 2100? Aktuelle Studien, die nicht mehr in den Klimaszenarien des IPCC berücksichtigt werden konnten bzw. deren konkrete Auswirkungen sich noch nicht ausreichend genau quantifizieren lassen, zeigen eine beschleunigte Eisdynamik in polaren Gebieten. Diese Beobachtungen und paläoklimatische Erkenntnisse lassen einen höheren Meeresspiegelanstieg erwarten als in den Klimaszenarien des IPCC angenommen. Nach Angaben des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung liege der aktuelle Anstieg bereits heute fast doppelt so hoch wie in den Modellen berechnet, da diese das in den vergangenen Jahren verstärkte Abschmelzen des Festlandeises der WestAntarktis und Grönlands sowie der Himalaja-Gletscher (siehe auch Kapitel 2.2.2) nicht korrekt wiedergäben. Bis zum Jahr 2100 sei ein Anstieg von einem Meter realistisch. Mit fatalen Folgen für z. B. Sylt, Hamburg, Rostock oder Kiel. Was heutzutage noch als Jahrhundertflut in New York gilt (mit verheerenden Schäden und überfluteten U-Bahnen), würde statistisch gesehen alle drei Jahre auftreten, falls der Meeresspiegel um nur einen Meter steigt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich der Nordatlantikstrom (der nach Europa reichende Arm des Golfstroms) um durchschnittlich 25 Prozent im 21. Jahrhundert abschwächen wird. Die Temperaturen in der atlantischen Region werden dennoch zunehmen, da der Einfluss der globalen Erwärmung überwiegt (siehe auch Umweltbericht 2005, Kapitel 4.2.4). 27 Klimafolgen der Temperaturerhöhung Der IPCC bewertete zum ersten Mal Klimafolgen im Zusammenhang mit der künftig erwar teten Temperaturerhöhung. Selbst bei einem Temperaturanstieg von nur zwei Grad Celsius würde der Klimawandel nach Einschätzung der Forscher weit reichende Folgen haben. Beispielsweise bewirkt eine weitere mittlere globale Temperaturerhöhung (gegenüber 1980–1999): Unter 1,5 Grad Celsius, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Hitzestress, Unterernährung, Durchfall-, Infektions- und andere Erkrankungen auftreten, Schäden durch Hochwasser und Stürme sich verstärken und das Phänomen der Korallenbleiche häufiger wird. Ab 1,5 bis 3,5 Grad Celsius, dass in allen Bereichen mehr und mehr gravierende Folgen ausgelöst würden, z. B. die Gefährdung von Millionen Menschen mehr pro Jahr durch Überflutungen von Küsten, ein weit gehender Verlust biologischer Vielfalt, der Beginn eines unumkehrbaren Abschmelzprozesses der Eisschilde Grönlands und in der westlichen Antarktis sowie ein entsprechender Meeresspiegelanstieg. Über 3,5 Grad Celsius, dass alle Systeme – physikalische, biologische und soziale – und insbesondere die menschlichen Gesellschaften überfordert wären, sich an die Wirkungen einer solchen Erwärmung anzupassen, zumal diese regional wesentlich höher ausfallen würde (beispielsweise würden Korallen weiträumig sowie küstennahe Feuchtgebiete zu etwa 30 Prozent absterben). Unvermeidbare Klimafolgen ab 2067 +2,0°C bis +2,1°C ab 2057 +1,8°C ab 2032 +1,3°C bis +1,4°C ab 2017 +1,0°C heute +0,6°C vor der industriellen Revolution +0°C Alarmstufe 5 Ab 2067 werden auch in Australien, Kanada, Europa und den USA die Erntemengen durchweg zurückgehen. Bis zu drei Milliarden Menschen zusätzlich leiden unter Wassermangel, die gleiche Zahl unter Überschwemmungen infolge gestiegener Meeresspiegel. Alarmstufe 4 Ab einer Erwärmung um 1,8 Grad werden ab 2057 im großen Stil Klimaflüchtlinge aus Afrika aufbrechen. Die Forscher gehen davon aus, dass der Niederschlag im Maghreb und in der Sahelzone um 40 Prozent gegenüber der Referenzperiode 1961 bis 1990 abnimmt. Alarmstufe 3 Bei einem weiteren Temperaturanstieg werden ab 2032 bis zu 2,3 Milliarden Menschen unter Wassermangel leiden, weitere 150 bis 220 Millionen unter Malaria. Die Erosion von Sandstränden trifft den Tourismus in der Karibik, im Pazifik und im Indischen Ozean. Alarmstufe 2 Ab 2017 werden nach dem IPCC-Szenario 240 bis 830 Millionen Menschen zusätzlich unter Wassermangel leiden. Die Reiserträge in Südostasien fallen um sechs bis zehn Prozent geringer aus. In den Industriestaaten nehmen die Erntemengen zum Teil noch zu. Alarmstufe 1 Die Folgen eines Temperaturanstiegs um 0,6 Grad sind bereits heute zu spüren: Häufigere Hitzewellen, zunehmende Sommertrockenheit im Inneren der Kontinente, Ernteeinbußen und häufigere Waldbrände. Die Permafrostböden in der Arktis tauen auf. Abb. 14: Klimafolgen nach Grad Celsius der Temperaturerhöhung (nach IPCC 2007) 28 2 Klimawandel Folgen für die Gletscher Gletscher liefern das ganze Jahr über Trinkwasser, Wasser für die Landwirtschaft und zur Stromerzeugung. Die Alpengletscher haben seit 1850 bereits zwei Drittel ihres Volumens verloren. Seit den 1980er-Jahren beschleunigt sich dieser Prozess. Weltweit werden die Gletscher weiter abschmelzen, wodurch langfristig die Wasserversorgung ganzer Städte (z. B. von Perus Hauptstadt Lima, hier leben 6,5 Mio. Menschen) und Regionen gefährdet wird (siehe auch Kapitel 2.2.2, Punkt 7, und Umweltbericht 2005, Seite 34 f.). Abb. 15: Weltweit schmelzen die Gletscher Folgen für die Arktis Im September 2007 meldete die Europäische Raumfahrtbehörde ESA, dass die arktische Eisfläche ihren niedrigsten Stand seit dem Beginn der Satellitenbeobachtung vor 30 Jahren erreicht hat. Im März 2008 dann enthüllten Satellitendaten der US-Raumfahrtbehörde NASA eine weitere dramatische Entwicklung: Auch die alten und widerstandsfähigen Eisschichten der Arktis schmelzen und werden durch dünnes, salziges Eis ersetzt. Dieses Eis ist viel anfälliger für die sommerliche Schmelze. Während der Anteil des mehrjährigen alten Eises Mitte der 1980er-Jahre noch bis zu 60 Prozent des Gesamteises der Arktis ausmachte, ist er 2008 auf unter 30 Prozent abgesunken. Das Eis, das mehr als sechs Jahre alt ist, macht sogar nun nur noch sechs Prozent aus – in den 1980er-Jahren betrug sein Anteil noch 20 Prozent. Im Herbst 2008 lagen die Temperaturen der Arktis nach Angabe der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) um fünf Grad Celsius über dem langjährigen Durchschnitt – und damit so hoch wie noch nie seit Beginn der Messungen. Der dritte ArktisBericht der NOAA stellt den bisher höchsten jährlichen Anstieg des Meeresspiegels in der Arktis von 0,25 Zentimeter fest (NOAA, 2008). Die Erderwärmung verstärkt sich, da die dunklere Meeresoberfläche mehr Sonnenenergie absorbiert als das Eis (siehe auch Seite 23 und Seite 43). Das National Snow and Ice Data Center (NSIDC) der US-Raumfahrtbehörde NASA geht davon aus, dass die Arktis schon 2030 im Sommer eisfrei sein wird. Klimawandel in der Arktis Die Arktis erwärmt sich doppelt so schnell wie der Rest der Erde. Die NASA geht davon aus, dass die Arktis schon 2030 im Sommer eisfrei sein wird. Der Rückgang der hellen, das Sonnenlicht reflektierenden Eisflächen verstärkt die Erderwärmung. Wenn das Meereis im Sommer schwindet, verlieren Tierarten ihren Lebensraum, die das Eis brauchen, um sich zu ernähren und fortzupflanzen, z. B. Eisbären und Robben. Für die indigenen Völker der Arktis, z. B. die Inuit, ist die Jagd wegen der brüchigen Eisdecke oft nicht mehr möglich. Andererseits würde die landwirtschaftlich nutzbare Fläche zunehmen und das Nordpolarmeer für die Schifffahrt zugänglich. Im August 2008 waren die Nordwest-Passage und die Nordost-Passage erstmals gleichzeitig eisfrei und für Schiffe befahrbar (siehe auch Umweltbericht 2005, Seite 35 f.). 29 Mit Vorsicht betrachtet werden muss, dass das Nordpolarmeer auch für Fischerei und Rohstoffabbau zugänglich würde. Neben den Bodenschätzen sind für die Anrainerstaaten auch die reichen Fisch- und Krabbenvorkommen interessant (siehe Umweltbericht 2005, Seite 35 f.). Anrainerstaaten stecken ihre Claims ab Seit in der Arktis das Eis schmilzt, hat das Rennen um knappe Ressourcen an Tempo zugelegt. Die fünf arktischen Anrainerstaaten (Dänemark, Kanada, Norwegen, Russland und die USA) stecken ihre Claims ab. Landkarten sollen z. B. beweisen, dass die unterseeischen Bergrücken am Pol mit dem Kontinentalschelf Nordamerikas verbunden sind und nicht mit dem Sibiriens. Falls dem so ist, leiten die USA und Kanada daraus das Recht ab, das Öl der Arktis zu großen Teilen selbst zu fördern. Nach dem Völkerrecht hat jeder Anrainer Anspruch auf einen 200 Meilen breiten Küstenschelf. Was darüber hinausgeht, ist offen. Washington hat die Seerechtskonvention der UNO zwar nicht ratifiziert, sich jedoch mit den anderen darauf geeinigt, Streitigkeiten nach den Regeln der Konvention zu klären. Damit kommt der Geologie des Meeresbodens große Bedeutung zu, wenn es darum geht, die Grenzen von Wirtschaftszonen zu ziehen. Dänemark etwa sammelt mit Hochdruck Daten, die seinen Ambitionen Argumente liefern sollen. Es will demonstrieren, dass der Sockel Grönlands, seines autonomen Gebiets, weit ins Polarmeer reicht. Russische Wissenschaftler versuchen zu belegen, dass die Gesteinsformationen ihres Landes in den Lomonossow-Rücken übergehen. Diese unterseeische Gebirgskette erstreckt sich quer über den Pol und endet auf der anderen Seite des Eismeeres. Als Symbol für Russlands Anspruch auf die Bodenschätze des Polarmeers hatte die Besatzung eines Mini-U-Boots im Sommer 2007 eine russische Flagge auf dem Meeresboden am Nordpol aufgestellt. Folgen für die Permafrostböden Durch das Auftauen der Permafrostböden werden sich weitere Häuser, Verkehrswege, Pipelines und Industrieanlagen absenken. Schon heute benötigt die Trasse der neuen QinghaiTibet-Eisenbahn, die über 550 Kilometer Permafrostboden führt, teure Kühlsysteme gegen das Auftauen des Bodens. Zudem versinken ganze Waldflächen, weil ihnen der aufgeweichte Boden keinen Halt mehr bietet. Vor allem aber droht die Freisetzung riesiger Mengen der Treibhausgase Methan und Kohlendioxid (siehe Seite 45). Der IPCC fordert daher, die Weltgemeinschaft dürfe sich nicht mehr nur auf klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) konzentrieren. Stattdessen müsse eine „Multi-Gas-Strategie“ auch die Zunahme von Methan, Lachgas und anderer Treibhausgase in der Atmosphäre eindämmen. Folgen für den Meeresspiegel Inzwischen gehen viele Forscher davon aus, dass die Schätzung des IPCC zum Meeresspiegelanstieg zu konservativ ist, da sie die Gletscherschmelze in Grönland, der West-Antarktis und im Himalaja nicht ausreichend berücksichtigt (siehe auch Kapitel 2.2.2). Mitunter ist die Rede von einem Pegelanstieg um bis zu eineinhalb Meter bis Ende des 21. Jahrhunderts. 30 2 Klimawandel Millionenprogramme zum Deichschutz Die Stadt Hamburg rüstet sich schon seit Jahren immer weiter gegen das steigende Wasser. Ein Drittel der Stadtfläche ist bedroht. Die Deiche und Kaimauern waren Anfang der 1960er-Jahre im Schnitt sechs Meter hoch, heute sind es schon über acht Meter. Die Kosten in den letzten 20 Jahren: 600 Mio. Euro, nur in Hamburg. Die anfälligsten Industrien, Siedlungen und Gesellschaften liegen generell in Küsten- und Flussschwemmgebieten. Als besonders anfällig gelten arme Gemeinschaften, speziell die in Hochrisikogebieten. Sie haben stark begrenzte Anpassungskapazitäten und sind abhängiger von klimasensitiven Ressourcen wie der lokalen Wasser- und Nahrungsmittelversorgung. In den 80er-Jahren des 21. Jahrhunderts werden mehrere Millionen Menschen zusätzlich aufgrund des steigenden Meeresspiegels von Überschwemmungen bedroht sein, insbesondere in dicht besiedelten und tief liegenden Gebieten, in denen die Anpassungsfähigkeit relativ gering ist und die bereits durch andere Gefahren wie Tropenstürme und örtliche Absenkung der Küste bedroht sind. Am höchsten wird die Anzahl der betroffenen Menschen in den Großdeltas Asiens und Afrikas sein, die kleinen Inseln sind in besonderem Maße verwundbar. Ein Meeresspiegelanstieg um einen Meter beträfe sechs Millionen Menschen in Ägypten, 13 Millionen in Bangladesch und 72 Millionen in China. Städte wie Hamburg, Rostock und Kiel könnten auf lange Sicht unbewohnbar werden. Millionen von Küstenbewohnern gefährdet Naturkatastrophen wie Stürme und Überflutungen werden künftig Millionen von Menschen zum Umsiedeln zwingen. Das prophezeit der Bericht „Planet Prepare“ der internationalen Hilfsorganisation World Vision. Rund ein Zehntel der Weltbevölkerung lebt in Küstennähe und weniger als zehn Meter oberhalb des Meeresspiegels. Da schon durch einen moderaten Anstieg des Meeresspiegels die so genannten „Jahrhundertfluten“ drastisch an Häufigkeit zunehmen, sind Millionen von Küstenbewohnern in höchstem Maß gefährdet. Insbesondere Menschen in rasant wachsenden Megacitys wie Jakarta, Mumbai, Dhaka und Manila müssen in den nächsten Jahren zunehmend mit Stürmen und Überschwemmungen rechnen. Massen-Evakuierungen, wie sie 2008 in New Orleans und anderen Orten der US-Küste stattfanden, wird es künftig sehr viel häufiger geben. Auf kleineren Inseln im Pazifik wurden Menschen bereits – fast unbemerkt von der Weltöffentlichkeit – durch den Anstieg des Meeresspiegels vertrieben (World Vision, 2008). Vor allem in Verbindung mit heftigen Stürmen sind viele Inselstaaten und flache Küstenregionen in ihrer Existenz bedroht (siehe auch Seite 41). Im September 2008 übergaben die Regierungschefs mehrerer kleiner Inselstaaten eine Petition an die UNO. Die Petition fordert den Sicherheitsrat auf, den Klimawandel als dringende Bedrohung für den internationalen Frieden anzusehen und dementsprechend zu handeln. 31 Malediven sparen für Ersatzheimat Die Regierung der Malediven spart Geld, um eine Ersatzheimat kaufen zu können. Sie reagiert damit auf die Prognosen des IPCC: Wird der Meeresspiegel wie vorhergesagt bis zum Jahr 2100 um bis zu 60 Zentimeter ansteigen, würden weite Teile der rund 200 bewohnten Koralleninseln überflutet. Insgesamt besteht der kleine Staat mit seinen rund 385.000 Einwohnern aus 1.190 Inseln, keine davon liegt mehr als 1,8 Meter über dem Meeresspiegel. Tourismus und Fischerei sind die Haupteinnahmequellen der Bewohner. Ein Teil der Milliardeneinnahmen aus dem blühenden Tourismusgeschäft soll in einen Staatsfonds abgezweigt werden, kündigte der Präsident des beliebten Reiseziels, Mohamed Nasheed, an. „Wir können den Klimawandel nicht selbst stoppen, also müssen wir woanders Land kaufen.“ Dies sei eine Versicherung für den Fall, dass die schlimmsten Erwartungen eintreffen. „Wir wollen die Malediven nicht verlassen, aber wir wollen auch keine Klimaflüchtlinge werden, die jahrzehntelang in Zelten leben müssen“, sagte Nasheed. Folgen für die Gesundheit Der IPCC ist der Ansicht, dass Millionen Menschen gesundheitlich von der globalen Erwärmung betroffen sein werden, insbesondere in Regionen mit geringer Anpassungsfähigkeit. Dort wird die Mangelernährung zunehmen – mit der Folge negativer Effekte für das Wachstum und die Entwicklung von Kindern. Allgemein werden mehr Todesfälle, Krankheiten und Verletzungen durch Hitzewellen, Überschwemmungen, Stürme, Brände und Dürren erwartet. Krankheiten des Herzens und der Atmungsorgane werden durch erhöhte bodennahe OzonKonzentrationen zunehmen, aber auch Mischeffekte werden erwartet, beispielsweise die Ab- oder Zunahme von Ausbreitungsgebieten und -möglichkeiten der Malaria in Afrika (siehe auch UBA, 2003). Folgen für die internationale Sicherheitspolitik Es wird zunehmend deutlich, dass der Klimawandel zu einem Sicherheitsrisiko werden wird, wenn Menschen Zuflucht suchen vor Dürreperioden, Süßwasserknappheit, Extrem-Wetterereignissen und steigendem Meeresspiegel (siehe International Alert, 2007, WBGU, 2007, und Welzer, 2008). Prognosen sprechen von bis zu 200 Millionen Menschen, die bis 2050 auf der Flucht vor Umwelteinflüssen sein werden. Laut UN-Angaben gab es allein 2007 weltweit fast 400 große Überschwemmungen, Wirbelstürme, Erdbeben und Hitzewellen. 25 Millionen Menschen verließen aus diesem Grund ihre Heimat. Und meistens trifft es die Ärmsten der Armen: So kamen in Bangladesch zwischen 1950 und 2000 insgesamt eine Million Einwohner durch Naturkatastrophen zu Tode. Folgen für Ökosysteme Der UN-Klimarat geht davon aus, dass etwa 20 bis 30 Prozent der Tier- und Pflanzenarten, die bisher untersucht wurden, vom Aussterben bedroht sind, wenn die globale Temperatur mehr als zwei bis drei Grad Celsius über das vorindustrielle Niveau ansteigt. Bei mehr als vier Grad Celsius könnte es sogar 40 Prozent der Arten treffen (siehe auch Kapitel 3.1.1). 2 32 Klimawandel Klimawandel und Biodiversität Kommt es zu dem vom IPCC befürchteten Temperaturanstieg, würde die globale Temperatur Werte erreichen, die es in dieser Höhe seit Millionen von Jahren nicht gegeben hat. Sie würde so schnell steigen, dass viele Tierund Pflanzenarten sich nicht daran anpassen können. Ein großer Teil der Tier- und Pflanzenarten – Studien gehen von 20 bis 30 Prozent aus – könnte bereits im Jahre 2050 vom Aussterben bedroht sein. Zwei-Grad-Celsius-Marke nicht überschreiten Bei einem globalen Anstieg von mehr als zwei Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter erwartet die Fachwelt großräumige Störungen der Biosphäre und des Wasserhaushalts sowie erhebliche negative Auswirkungen für Ökosysteme, die Nahrungsmittelproduktion und die wirtschaftliche Entwicklung. Wissenschaftler sprechen daher von einer „kritischen Schwelle“ der Erderwärmung, ab der abrupte Klimaänderungen wahrscheinlicher würden (siehe Kapitel 2.2.2), der Klimawandel wohl unumkehrbar und die Folgen und Risiken kaum noch beherrschbar. Berücksichtigt man, dass die Temperatur seit 1906 bereits um 0,74 Grad Celsius angestiegen ist und in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten alleine durch die Trägheit des Klimasystems um weitere ca. 0,6 Grad Celsius ansteigen wird (siehe Seite 25), heißt das, dass wir nur noch ca. 0,7 Grad Celsius Spielraum nach oben haben. Zielmarke kaum noch zu erreichen Psychologische Erklärung für jahrelange Tatenlosigkeit „Würde der Klimawandel durch das Verspeisen niedlicher, kleiner Kätzchen ausgelöst, ständen längst Millionen von Menschen protestierend auf den Straßen. Unsere Gesellschaft würde ein solches Verhalten als einen Angriff auf ihre moralische Ordnung werten. Würde sich das Klima innerhalb weniger Stunden mit hoher Geschwindigkeit ändern, wären wir schockiert. Doch durch die Trägheit der Prozesse verschlafen wir die Gefahr. “ Daniel Gilbert, Psychologie-Professor an der Harvard-Universität Dem IPCC zufolge sollte die CO2-Konzentration in der Atmosphäre auf einem Niveau von höchstens 420 ppm stabilisiert werden. Aktuell betrage dieser Wert aber schon 383 ppm, und jährlich kämen zwei ppm hinzu. Der IPCC warnt, die Zielmarke sei nur in den stringentesten Szenarien noch zu erreichen – und damit ein Stopp der globalen Erwärmung bei maximal zwei Grad Celsius (verglichen mit vorindustrieller Zeit). Weltweit aber hat der Ausstoß von Treibhausgasen seit 1970 um mehr als 50 Prozent zugenommen. Die Emissionen von CO2 sind seither sogar um rund zwei Drittel gestiegen. Knapp 60 Prozent Anteil haben daran die Industrieländer – obwohl sie nur ein Fünftel der Weltbevölkerung stellen. Welt-Ausstoß an CO2 1971-2006 (in Mrd. Tonnen) Mrd. t 28 24 20 2006 2001 1996 1991 1986 1981 12 1976 16 1971 Abb. 16: Globale anthropogene TreibhausgasEmissionen (Quelle: IEA 2008) 33 CO2-Ausstoß auf Rekordniveau Der weltweite Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid ist 2007 nach Angaben des Global Carbon Projects (GCP) weiter angestiegen. Die Kohlendioxid-Emissionen 2007 entsprechen fast zehn Mrd. Tonnen Kohlenstoff, davon 8,5 Mrd. Tonnen fossiler Brennstoffe. Auch die Rodung tropischer Wälder trug zum Anstieg des C02-Ausstoßes bei (siehe auch WWF Deutschland, 2008 b). Rund 54 Prozent der von Menschen verursachten Kohlendioxid-Emissionen der Jahre 2000 bis 2007 seien von der Natur wieder aufgenommen worden, berichtet das GCP. Das reiche jedoch bei Weitem nicht aus, um einen rasanten Anstieg der Kohlendioxidbelastung der Atmosphäre zu verhindern. Der CO2-Anteil in der Atmosphäre stieg 2007 um 2,2 Teile pro Million (ppm) auf 383 ppm. Die Zuwachsrate von jährlich zwei ppm seit der Jahrtausendwende habe sich gegenüber den zwanzig Jahren davor um ein Drittel erhöht. Der Anteil von CO2 in der Atmosphäre lag im Jahr 2007 37 Prozent über dem Bezugsjahr 1750, dem Beginn der industriellen Revolution (WMO, 2008). Trotz der Bemühungen einiger Staaten, die Klimaerwärmung zu begrenzen, steige der CO2Ausstoß seit 2000 viermal so schnell wie noch in den 1990er-Jahren. CO2-Ausstoß pro Kopf in Tonnen (2006) Australien 19,02 USA 19,00 Kanada 16,52 Russland 11,14 Deutschland 10,00 Großbritannien 8,86 Italien 7,61 Spanien 7,44 Frankreich 5,97 China 4,27 Indien 1,13 Bangladesch 0,24 0 2 Abb. 17: CO2-Ausstoß pro Kopf ausgewählter Länder (Quelle: IEA 2008) 4 6 8 10 12 14 16 18 20 t 2 34 Klimawandel Schlimmste Szenarien werden wohl übertroffen „ Der Ausstoß von CO2 ist von 2000 bis 2007 viel stärker gewachsen als prognostiziert – ein Grund ist der rasch wachsende Energieverbrauch in Schwellenländern. Seit dem Jahr 2000, so der IPCC, seien die Kohlendioxid-Emissionen durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe um durchschnittlich dreieinhalb Prozent pro Jahr gestiegen – dreimal so schnell wie zwischen 1990 und 1999. Der IPCC geht inzwischen davon aus, dass wohl die schlimmsten Szenarien des 2007er-Berichts noch übertroffen Christopher Field (IPCC), 2009 werden. „Inzwischen liegen die Prognosen des menschlichen CO2-Ausstoßes außerhalb dessen, was man bei der Erstellung des IPCC-Berichts von 2007 für möglich gehalten hat. Wir haben es in der Zukunft mit einem Klima zu tun, das weit über alles hinausgeht, was wir auf Basis von Simulationen bisher ernsthaft erwogen haben“, so Christopher Field vom IPCC auf der Jahrestagung des Forschungsverbandes AAAS in Chicago im Februar 2009. Im IPCC-Report von 2007 sei noch von einer „äußerst konser vativen Bandbreite von Klimafolgen“ die Rede gewesen. Der nächste Bericht werde „Zukunftsszenarien mit viel größerer Erwärmung enthalten“. Inzwischen liegen die Prognosen des menschlichen CO2-Ausstoßes außerhalb dessen, was man bei der Erstellung des IPCCBerichts von 2007 für möglich gehalten hat. Wir haben es in der Zukunft mit einem Klima zu tun, das weit über alles hinausgeht, was wir auf Basis von Simulationen bisher ernsthaft erwogen haben. “ Der Hauptgrund für den rasanten Anstieg der CO2-Emissionen sei die immer schneller um sich greifende Nutzung von Kohle zur Energiegewinnung, insbesondere in bevölkerungsreichen Schwellenländern wie Indien und China. Falls man den Klimagasausstoß nicht aggressiv angeht, wird die Menschheit sich auch weiterhin auf die billigste Energiequelle konzentrieren – und das ist Kohle. Hinzu kämen neue, beunruhigende Erkenntnisse über CO2-Emissionen aus der Natur selbst, ausgelöst durch die vom Menschen verursachte Erwärmung. Solche gefährlichen Rückkopplungseffekte befürchten Forscher etwa von den gewaltigen Flächen an Permafrostboden. Sollten sie auftauen, würden ungeheure Mengen an Kohlendioxid und Methan in die Atmosphäre gelangen (siehe Seite 45). Laut einem Bericht, den führende Klimawissenschaftler im Juni 2009 in Brüssel in Vorbereitung auf die Weltklimakonferenz in Kopenhagen vorstellten, liegt die Zunahme der Emissionen von Treibhausgasen und die Veränderung vieler Bestandteile des Klimasystems im oberen Bereich der Erwartungen des IPCC. Wichtige Klimaindikatoren bewegen sich bereits außerhalb der Muster natürlicher Variabilität, innerhalb derer sich die moderne Gesellschaft und Wirtschaft entwickelt haben. Das Ziel von maximal zwei Grad Celsius Erderwärmung ist demnach nicht mehr zu schaffen (Richardson et al., 2009). Nur noch 15 Jahre, um zu handeln Abwarten oder Handeln? „ Mithin ist die vermeintlich vorsichtigste Strategie – nämlich abzuwarten, bis die empirischen Daten die Richtigkeit der Modelle zweifelsfrei belegen – tatsächlich die riskanteste Strategie. Die ersten warnenden Anzeichen treten vielleicht erst auf, wenn der Kohlendioxidgehalt eine kritische Schwelle überschritten hat, sodass ein merklicher Klimawandel unvermeidlich ist. “ Elizabeth Kolbert, 2006 – Seite 21 Es muss uns bewusst sein, dass das Klimasystem erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung reagiert. Das, was wir heute falsch machen, hat Auswirkungen in 30, 40 oder 50 Jahren. Laut IPCC muss der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2050 halbiert werden. Hierzu müssen die erneuerbaren Energien erheblich ausgebaut und die Energieeffizienz massiv gesteigert werden. Die dazu erforderlichen Technologien stehen laut IPCC bereit und sind bezahlbar, müssen aber konsequenter als bislang eingesetzt werden. 35 Vermeidungstechnologien Der IPCC listet auf, welche gegenwärtigen und künftigen Technologien dabei zum Einsatz kämen: Sektor Schon verfügbar Bis 2030 verfügbar Energieversorgung Energieeffizienz, Umstieg von Kohle auf Gas, Kernkraft, erneuerbare Energien, KraftWärme-Kopplung, frühe CO2-Abscheidungslösungen CO2-Abscheidung für Gas-, Biomasse- und Kohlekraftwerke, fortgeschrittene Kernkraft, fortgeschrittene erneuerbare Energien (darunter Tide- und Wellenkraftwerke), fortgeschrittene Solarenergie Transport Sparsamere Fahrzeuge, Hybride, sauberere Diesel, Biokraftstoffe, Schienentransport und öffentlicher Personenverkehr, bessere Raumplanung, Radfahren und Laufen Biokraftstoffe der zweiten Generation, effizientere Flugzeuge, fortschrittliche Elektround Hybridfahrzeuge mit besseren Batterien Gebäude Integriertes Design von Gewerbeimmobilien Bessere Tageslichtausbeute und Beleuchtung, effizientere Elektroinstallation, bessere inklusive intelligenter Steuereinheiten, integKlimatechnik, optimierte Kochöfen und Wär- rierte Solartechnologien medämmung, Sonnenkollektoren zur Temperierung, alternative Kühlmittel, Wiederaufbereitung von Fluorgasen Industrie Effizientere Elektrogeräte, Kraft-WärmeKopplung, Wiederverwertung und alternative Materialien, Kontrolle des Ausstoßes von Nicht-CO2-Gasen Fortgeschrittene Energieeffizienz, CO2-Abscheidung bei der Zement-, Stickstoff- und Eisenproduktion, verbesserte Elektroden für die Aluminiumherstellung Landwirtschaft Besseres Landmanagement für mehr Kohlenstoff-Einlagerung, Rekultivierung, MethanReduktion bei Reis und Nutztieren, verbesser ter Stickstoffdünger, Nutzpflanzen zur Treibstoffgewinnung, bessere Energieeffizienz Verbessertes Saatgut mit höheren Ernteerträgen Forstwirtschaft Wiederaufforstung, Waldmanagement, Verminderung der Abholzung, Einsatz von Forstprodukten bei der Verminderung fossiler Energieträger Verbesserter Speziesmix bei Bäumen zur Ertragssteigerung, bessere Fernerkundungstechnologien Müll Methansammeln auf Müllkippen, Müllverbrennung zur Energiegewinnung, Kompostierung organischen Abfalls, Schmutzwasseraufbereitung, Müllvermeidung Biobeschichtungen und Biofilter zur Optimierung der Methan-Oxidation (© IPCC 2007) 36 2 Klimawandel Geo-Engineering Daneben werden verschiedene – mehr oder weniger seriöse – Möglichkeiten diskutiert, die unter dem Begriff „Geo-Engineering“ zusammengefasst werden können (siehe auch natur + kosmos, 2008 b). Hierzu zählen: 앫 Riesenspiegel/Sonnenschirme im All (die die einfallende Sonnenstrahlung verringern sollen) 앫 Eisendüngung der Meere (die das Planktonwachstum anregen soll; nach dem Absterben soll das Plankton zusammen mit dem aus der Luft aufgenommenen CO2 in die Tiefe sinken) 앫 künstliche Wolken aus Meerwasserdampf (die das Sonnenlicht reflektieren sollen) 앫 künstliche Stratosphärenverschmutzung mit Schwefelpartikeln (die Aerosole sollen das Sonnenlicht zurück ins All reflektieren) 앫 Einfangen von CO2 (Kohlendioxid-Abscheidung aus dem Rauchgas von Kraftwerken) und anschließende Lagerung in Sedimenten oder in der Tiefsee (= Carbon Capture and Storage – CCS) Die o. g. Maßnahmen sind jedoch zumeist technisch oder finanziell nicht realisierbar, ihre weitreichenden „Nebenwirkungen“ nicht einschätzbar oder unverantwortlich. Welche negativen Folgen ein übereiltes Handeln haben kann, zeigt aktuell die vielschichtige Problematik mit Biokraftstoffen der ersten Generation (siehe oekom research, 2008 b, und ÖKO-TEST, 2008). Biokraftstoffe kontraproduktiv Als zunehmend kontraproduktiv erweist sich die steigende Nutzung von Biokraftstoffen. Zwischen 2000 und 2007 hat sich die globale Produktion von Ethanol vervierfacht und die von Biodiesel verzehnfacht, so der IPCC. Möglich gewesen sei das nur, weil in den Tropen gewaltige Regenwaldflächen gerodet wurden, um Platz für Biosprit-Anbauflächen zu schaffen. Bei der Rodung und der Verbrennung der Bäume gelangt Kohlenstoff in die Atmosphäre, der lange Zeit im Regenwald gespeichert war. Selbst wenn man für die Biosprit-Herstellung ergiebige Pflanzen wie Zuckerrohr oder Ölpalmen benutze, dauere es 40 bis 120 Jahre, ehe der CO2-Ausstoß durch Einsparungen bei fossilen Brennstoffen wieder wettgemacht sei. Benutzt man weniger ergiebige Pflanzen wie Mais oder Sojabohnen, dauert es sogar 300 bis 1.500 Jahre. Einzig die Technik, Kohlenstoff zu extrahieren und sicher zu lagern (CCS), scheint in Ansätzen realisierbar. Allerdings gibt es auch hier noch viele offene Fragen (siehe BMU, 2007). Ein Pilotprojekt im brandenburgischen Ketzin soll einige dieser Fragen klären. 37 CO2-Abtrennung und Lagerung (CCS) Vor allem vor dem Hintergrund eines zu erwartenden massiven Ausbaus von Kohlekraftwerken – insbesondere in China und Indien – kann CCS (Carbon Capture and Storage) einen elementaren Beitrag zur notwendigen Senkung des CO2-Ausstoßes leisten. Kritiker befürchten jedoch, dass die Entwicklung von CCS zu Lasten anderer Lösungsstrategien geht und die bestehenden Energieerzeugungsstrukturen auf Jahrzehnte festschreiben wird. Gleichzeitig gibt es Zweifel an der Machbarkeit und Sicherheit der Technologie. Oekom research sieht CCS nicht als dauerhafte Lösung, sondern als Brückentechnologie, die den Übergang in eine kohlenstofffreie Energieerzeugung durch erneuerbare Energien bestenfalls unterstützen kann. Die Forschung an und Entwicklung von CCS muss daher immer in eine umfassende Klimastrategie eingebunden sein und darf nicht zu Lasten einer Steigerung der Energieeffizienz und eines Ausbaus der erneuerbaren Energien gehen (oekom research, 2008 c). Atomkraft ist keine Lösung Auch die Atomkraft ist keine Lösung. Bezieht man die gesamte Prozesskette mit ein (Uranabbau, -aufbereitung und -transport, Bau von Atomkraftwerken etc.), ist Atomenergie keineswegs CO2-neutral. Hinzu kommen die Gefahren beim Betrieb von Atomkraftwerken, Gefahren bei der Endlagerung der Abfälle, Gefahren durch Terrorismus (waffenfähiges Material, Bombenbau, Anschläge auf AKWs) sowie ein absehbarer mittelfristiger Mangel an Brennstoff. Zudem decken die derzeit 439 Meiler weltweit gerade mal rund 16 Prozent des weltweiten Strombedarfs ab. Gebraucht werden aber auch Öl und Gas zum Heizen sowie Benzin, Diesel und Kerosin für den Verkehr. In diesen Bereichen trägt die Kernenergie so gut wie nichts zur Energieversorgung bei. Dem gesamten Energiebedarf bringt sie demnach gerade mal rund drei Prozent. Um die gesamte Elektrizität durch Kernkraft zu erzeugen, bräuchte man alleine in Deutschland dreimal so viele Atomkraftwerke wie heute (60 statt 17). Weltweit wären zehnmal so viele Atomkraftwerke wie heute nötig (5.000 statt 439), auch in Ländern mit niedrigen Sicherheitsstandards oder instabilen politischen Regimen – von den immensen Kosten und der Zustimmung der Bevölkerung ganz zu schweigen. Darüber hinaus nähme der Bau viel zu viel Zeit in Anspruch (siehe auch natur + kosmos, 2008 a, und UBA, 2008 a). Beschlüsse auf EU- und Bundesebene Mit ihren klima- und energiepolitischen Beschlüssen im Frühjahr 2007 bekannte sich die Europäische Union zu der Zwei-Grad-Begrenzung und formulierte als eigenes Zwischenziel, ihre Emissionen bis 2020 um 30 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren (oder 20 Prozent, falls kein internationales Abkommen in Kraft tritt). Diese Emissionsverringerung soll vor allem durch eine verbesserte Energieeffizienz und die Förderung erneuerbarer Energien erreicht werden. Deutschland erklärte sich bereit, die eigenen Emissionen um 40 Prozent zu verringern, wenn die EU ihre Emissionen um 30 Prozent reduziert. Im April 2007 stellte die Bundesregierung ihre „Klimaagenda 2020“ vor, mit der das 40-Prozent-Ziel erreicht werden soll (UBA, 2007 a). 38 2 Klimawandel Folgende Unterziele werden in diesem Acht-Punkte-Plan vorgeschlagen (siehe auch Germanwatch, 2008 b): 앫 eine Reduktion des Stromverbrauchs um elf Prozent 앫 effizientere Kraftwerke 앫 eine Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung auf über 27 Prozent 앫 eine Verdopplung des Einsatzes effizienter Kraft-Wärme-Kopplung 앫 eine deutliche Reduktion des Heizenergieverbrauchs 앫 die Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien für die Wärmeerzeugung 앫 die Steigerung der Effizienz und des Einsatzes von Biosprit im Verkehr 앫 weniger Ausstoß anderer Treibhausgase als CO2 (z. B. Methan) Bewegung in der US-Klimapolitik Im Gegensatz zur Vorgängerregierung akzeptiert der neue US-Präsident Barack Obama die Ergebnisse der Klimaforschung uneingeschränkt. Die USA haben zum ersten Mal eigene Vorschläge zur Emissionsminderung vorgelegt und Grenzwerte für die CO2-Emissionen von Pkw angekündigt. Im April 2009 stufte die US-Umweltbehörde (EPA) Kohlendioxid und andere Treibhausgase erstmals als gesundheitsgefährdend ein. Demnach stehe fest, dass klimaschädliche Emissionen „zur Luftverschmutzung beitragen und der öffentlichen Gesundheit schaden können“. Die Untersuchungen der EPA bestätigten, „dass die Belastung durch Treibhausgase für heutige und künftige Generationen ein ernsthaftes Problem ist“. Als Konsequenz sollen Kohlendioxid und fünf weitere klimaschädliche Gase von neuen Regulierungen erfasst werden. US-Präsident Obama hat deutlich gemacht, dass er auf dem UN-Klimagipfel in Kopenhagen Ende 2009 ein rechtsverbindliches Klimaschutzabkommen erreichen wolle. Weltklimakonferenz in Kopenhagen Im Dezember 2009 wird auf der Kopenhagener Weltklimakonferenz über ein Nachfolgeabkommen des Kyoto-Protokolls beraten, das 2012 ausläuft (siehe Umweltbericht 2005, Seite 48). UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ist angesichts der Signale des neuen USPräsidenten Barack Obama optimistisch, dass dann ein neues Abkommen erzielt wird – unter Beteiligung der Vereinigten Staaten, die das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert haben. Fazit Um die Zwei-Grad-Celsius-Marke nicht zu verfehlen, bleiben der Menschheit nur noch knapp 15 Jahre Zeit zum Handeln. Wenn der Ausstoß von Treibhausgasen nicht spätestens bis zum Jahr 2020 substanziell abnimmt, wird die Erderwärmung unumkehrbare Prozesse wie das Abschmelzen der Eisschilde in Grönland, die Übersäuerung der Ozeane oder die Freisetzung großer Methanmengen aus den tauenden Permafrostböden in Gang setzen. Diese Kipp-Punkte (sog. Tipping Points) unseres Klimasystems (siehe Kapitel 2.2.2) wurden in den Klimaszenarien des IPCC noch nicht berücksichtigt, da sich ihre konkreten Auswirkungen noch nicht genau quantifizieren lassen. 39 2.2 Die Folgen des Klimawandels Nachfolgend sind einige der gravierendsten Folgen des Klimawandels aufgeführt, die laut jüngstem Bericht des IPCC in verschiedenen Teilen der Welt bis Ende dieses Jahrhunderts drohen. 2.2.1 Weltregionen im Umbruch In vielen Weltregionen wird die Erwärmung Mensch und Umwelt hauptsächlich Nachteile bringen. Die positiven Effekte wie höhere Erträge in der Land- und Forstwirtschaft Nordeuropas verblassen angesichts der bedrohlichen Szenarien. Am stärksten werden nach Ansicht des IPCC vier Weltregionen zu leiden haben: 앫 die Arktis (wegen der stärksten relativen Erwärmung) 앫 kleine Inselstaaten im Pazifik (wegen des Meeresspiegelanstiegs) 앫 Afrika südlich der Sahel-Zone (wegen Dürren) 앫 die dicht bevölkerten Flussmündungen Asiens (wegen Überschwemmungen) Nordamerika 앫 häufigere, stärkere und längere Hitzewellen in Städten wie Chicago, die schon in der Vergangenheit unter Hitzewellen zu leiden hatten 앫 Waldbrände werden sich räumlich und zeitlich sehr stark ausdehnen 앫 Getreideanbaugebiete wie die großen Ebenen in den USA und die Prärien Kanadas werden unter zunehmender Trockenheit leiden 앫 abnehmende Schneedecke in den westlichen Gebirgszügen wie den Rocky Mountains und der Sierra Nevada; mehr Überschwemmungen im Winter sowie verringerte Schmelzwasserflüsse im Sommer, was z. B. die Trinkwasserversorgung Kaliforniens vor immense Probleme stellt 앫 mehr Hurrikane durch steigende Atlantik-Temperaturen 앫 in dicht besiedelten Küstenregionen sind infolge des Meeresspiegelanstieges und stärkerer Sturmfluten sehr hohe Schäden zu erwarten Abb. 18: Der Klimawandel bringt tiefgreifende Veränderungen für die verschiedenen Weltregionen mit sich. (© IPCC 2007) 40 2 Klimawandel Europa 앫 in ganz Europa wächst das Risiko für Hochwasser nach Starkniederschlägen sowie von Sturmfluten an der Küste 앫 in den Gebirgsregionen Rückzug der Gletscher, Rückgang der Schneedecke und des Wintertourismus sowie erheblicher Artenverlust 앫 in Südeuropa häufigere Hitzewellen und Waldbrände, Ernteausfälle, Wassermangel und dadurch Probleme für Wasserkraftwerke sowie Rückgang des Sommertourismus 앫 in Mittel- und Osteuropa Wassermangel durch abnehmenden Sommerniederschlag; mehr Hitzewellen; abnehmendes Waldwachstum und häufigere Moorbrände sowie mehr Überschwemmungen durch eine beschleunigte Schneeschmelze zum Ende des Winters 앫 in Nordeuropa zunächst wachsende Ernteerträge, verstärktes Waldwachstum, höhere Stromproduktion mittels Wasserkraft und weniger Heizwärmebedarf; schließlich überwiegen jedoch auch hier die negativen Folgen wie winterliche Hochwasser, gefährdete Ökosysteme und anwachsende Bodeninstabilität Asien 앫 vermehrte Hochwasser, Bergrutsche, überlaufende Gebirgsseen und Störungen der Wasserversorgung infolge des Abschmelzens der Himalaja-Gletscher 앫 schwere Überschwemmungen vor allem in stark bevölkerten Mündungsgebieten großer Ströme an der Küste von Pazifik und Indischem Ozean infolge steigender Meer- und Flusspegelstände 앫 abnehmende Niederschläge reduzieren gebietsweise die Ernteerträge und erhöhen das Risiko für Hungersnöte in den ärmeren Ländern des Kontinents 앫 in Verbindung mit Überschwemmungen und Dürren werden Krankheiten (z. B. Durchfallerkrankungen) und Todesfälle zunehmen Mittel- und Südamerika 앫 infolge steigender Temperaturen und abnehmender Bodenwassergehalte tritt Gras- und Strauchsavanne im östlichen Amazonas-Gebiet an die Stelle des Regenwaldes 앫 hohes Artensterben in vielen tropischen Gebieten 앫 in trockenen Regionen versalzen und veröden Ackerböden, was die Erträge wichtiger Kulturpflanzen stark mindert und das Risiko von Hungersnöten erhöht; dagegen sollen die Soja-Ernten in Anbaugebieten mit gemäßigtem Klima üppiger ausfallen 앫 mit dem Meeresspiegelanstieg wächst in tiefer gelegenen Städten wie Buenos Aires, Montevideo und Salvador das Risiko für Überschwemmungen 앫 veränderte Niederschlagsmuster und das Verschwinden der Gletscher führen zu Wasserknappheit mit negativen Folgen für den menschlichen Verbrauch, die Landwirtschaft und die Energieerzeugung 41 Afrika 앫 intensivere Dürren in den außertropischen Teilen des Kontinents vergrößern die Wasserknappheit für große Teile der Bevölkerung 앫 Fischerei und Tourismus erleben Einbrüche durch die zunehmende Zerstörung von Mangrovenwäldern und Korallenriffen 앫 in den großen Binnenseen nehmen die Fischerträge ab 앫 der Rückgang der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche schmälert das Nahrungsangebot und erhöht das Risiko für Unterernährung und Hungersnöte 앫 der projizierte Meeresspiegelanstieg stellt eine Bedrohung für tief liegende, bevölkerungsreiche Küstengebiete dar Australien und Neuseeland 앫 der Wassermangel in Süd- und Ost-Australien sowie in Teilen Neuseelands verschärft sich 앫 das Great Barrier Reef, aber auch andere einmalige Naturreservate wie Regenwälder und Feuchtgebiete im Nordosten Queenslands stehen vor hohen Artenverlusten 앫 die land- und forstwirtschaftliche Produktion in Teilen Süd- und Ost-Australiens sowie in Teilen des östlichen Neuseelands wird aufgrund von Dürren und Bränden zurückgehen 앫 Küstenzentren mit wachsender Bevölkerung wie um Brisbane und Cairns herum müssen sich auf stärkere Stürme und häufigere Überschwemmungen einstellen Polargebiete 앫 das Auftauen der Permafrostböden gefährdet Siedlungen, Erdöl-/Erdgas-Pipelines und andere Infrastruktur in der Arktis; die verkürzte Frostphase engt das Zeitfenster für Transporte immer weiter ein 앫 durch steigende Temperaturen dringen fremde Arten in die Biotope an beiden Polen ein und zerstören deren einzigartige Lebensgemeinschaften 앫 durch den Rückgang des Meereises könnte es so weit kommen, dass Säugetiere wie der auf Packeisschollen jagende Eisbär keinen geeigneten Lebensraum mehr finden; auch die traditionelle Jagdkultur der Inuit verschwindet 앫 Instabilität des Eisschilds auf Grönland und infolgedessen Meeresspiegelanstieg 앫 besserer Zugang zu arktischen Schifffahrtswegen (Nordost- und Nordwest-Passage) Kleine Inseln 앫 mit steigendem Meeresspiegel geht Land ans Meer verloren; auch Sturmfluten dringen tiefer ins Inselinnere vor und zerstören Siedlungen und Infrastruktur 앫 die Erwärmung und eindringendes Salzwasser schmälern die Trinkwasser-Reservoire zum Teil drastisch 앫 durch die Erosion von Badestränden und das Ausbleichen von Korallenriffen verlieren viele Inseln ihre Attraktivität als Urlaubsziele, zudem wird die Fischerei beeinträchtigt 앫 Invasion fremder Arten, insbesondere auf Inseln in mittleren und hohen Breiten 42 2 Klimawandel 2.2.2 Kipp-Punkte (Tipping Points) – der Klimawandel beschleunigt sich selbst Beim Klimawandel denkt man zunächst an eine allmähliche Erwärmung der Erdatmosphäre. Es ist jedoch auch möglich, dass besonders starke oder sogar abrupte Klimaänderungen einsetzen. Mit steigenden Temperaturen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit solcher abrupter, unumkehrbarer Prozesse im Klimasystem der Erde. Erreichen Ökosysteme durch die globale Erwärmung bestimmte Kipp-Punkte (Tipping Points), verstärkt sich der Treibhauseffekt drastisch. Das Klimasystem der Erde könnte in einen neuen Zustand geraten, der selbst langfristig nicht mehr umkehrbar ist (siehe auch Schellnhuber, 2006, Lenton et al., 2008, und UBA, 2008 c). Die Kipp-Punkte wurden in den Klimaszenarien des IPCC (siehe Kapitel 2.1.3) nicht berücksichtigt, da sich ihre konkreten Auswirkungen noch nicht genau quantifizieren lassen. Die verschiedenen Rückkopplungseffekte könnten jedoch zu einer mindestens doppelt so hohen globalen Erwärmung führen, als sie von den pessimistischsten Klimaszenarien vorhergesagt werden. Die Kipp-Punkte Es gibt auf der Erde Regionen und Prozesse, die besonders empfindlich auf höhere Temperaturen und veränderte Niederschlagsmuster reagieren. Klimaforscher bezeichnen sie als „Tipping Points“ unseres Klimasystems, im Deutschen kann man von Kipp-Punkten oder Kipp-Schaltern sprechen. Kipp-Punkte (Tipping Points) Es gibt verschiedene Kipp-Punkte (Tipping Points) im Klimasystem der Erde. Darunter verstehen Forscher Schwellenwerte, jenseits derer ein Prozess angestoßen wird, der nicht mehr gestoppt oder rückgängig gemacht werden kann, sobald er einmal in Gang gesetzt ist. Es ist zu erwarten, dass als direkte oder indirekte Folge der Temperaturerhöhung eine Veränderung eintritt, die nicht kontinuierlich (linear), sondern in Form eines relativ schnellen Umkippens des Systems (nichtlinear) abläuft – und dass die Veränderung dann in manchen Fällen sogar über längere Zeiträume irreversibel ist. Mit steigenden Temperaturen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass solche Kipp-Punkte erreicht werden. Durch positive Rückkopplung wird der Treibhauseffekt enorm verstärkt, d. h. er verläuft nicht etwa gleichförmig, sondern beschleunigt sich, je weiter er voranschreitet. So legt z. B. der Rückgang der hellen, das Sonnenlicht reflektierenden arktischen Eisflächen die dunklere Meeresoberfläche frei. Diese absorbiert mehr Strahlung als das Eis und verstärkt dadurch wiederum die Erwärmung. Kippen Ökosysteme, verstärkt die positive Rückkopplung die Erderwärmung. So lässt z. B. mehr Hitze am Amazonas mehr Wasser verdunsten. Der Regenwald verdorrt, die toten Bäume setzen Kohlendioxid frei, das den Globus zusätzlich aufheizt. 43 Das Gefährliche daran: Diese positive Rückkopplung kann ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr gestoppt werden. Sie beschleunigt sich selbst, je weiter sie voranschreitet. Und: die Veränderungen sind keineswegs örtlich auf den Kipp-Punkt begrenzt, sondern ziehen meist weltweite Auswirkungen nach sich. Das Klimasystem gleicht einem Ruderboot „ Man neigt es ein wenig auf die Seite, und es kehrt von selbst in seine Ausgangslage zurück. Man neigt es etwas stärker, und es dreht sich gerade noch in die Ausgangslage. Und dann neigt man es noch etwas stärker, und es kippt plötzlich in seinen anderen stabilen Zustand – mit dem Kiel nach oben. Ein anderes Beispiel: Es gibt derzeit eine erhebliche Unsicherheit hinsichtElizabeth Kolbert, 2006 – Seite 45 lich der weiteren Entwicklung des grönländischen und westantarktischen Eisschilds. Aktuelle Beobachtungen zeigen eine beschleunigte Eisdynamik (siehe Punkte 2 und 15). Das Abschmelzen der Gletscher beschleunigt sich, je weiter es voranschreitet, da Schmelzwasser durch Ritzen sickert und zwischen Gletschergrund und Landoberfläche wie ein Schmierfilm wirkt, auf dem die Eismassen immer schneller ins Meer rutschen. Hinzu kommt, dass das Eis in immer niedrigere, wärmere Luftschichten kommt, je dünner es wird. Das Abschmelzen wird zum Selbstläufer und lässt einen höheren Meeresspiegelanstieg erwarten, als in den Klimaszenarien des IPCC angenommen. “ Die Kipp-Punkte sind demnach die potenziellen Achillesfersen unseres Klimasystems. Mögliche Überraschungen gibt es nach Ansicht des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK-Potsdam) viele, wie Abbildung 19 zeigt. Abb. 19: Eine Weltkarte der Ökosysteme und Klimaphänomene, die auf einen KippPunkt zusteuern (nach PIK-Potsdam, 2007) Weitere Infos www.pik-potsdam.de 1. Arktisches Meereis – Verringerte Sonnenreflexion durch Verlust des Meereises Forscher bezeichnen die Arktis oft als Kühlhaus der Erde: Die eisbedeckte Region kühlt den Planeten, da sie die Sonnenstrahlen in den Weltraum zurückwirft. Die Eisdecke der Arktis ist jedoch so klein wie nie zuvor, seit Satelliten sie beobachten. Seit 1979 ist die arktische Meereis-Fläche um 20 Prozent geschrumpft, die Schneedecke hat um zehn Prozent abgenommen. Der Rückgang der hellen, das Sonnenlicht reflektierenden Meereis-Flächen verstärkt die Erderwärmung, da die dunklere Meeresoberfläche mehr Sonnenenergie absorbiert als das Eis. Tierarten wie Eisbären, Walrosse oder Robben, die das Eis zur Jagd oder Aufzucht ihrer Jungen brauchen, verlieren ihren Lebensraum. Bis 2050 – so schätzen Experten – wird die Zahl der Eisbären um 60 Prozent zurückgehen (siehe auch Seite 89). 44 2 Klimawandel 2. Grönland-Eis – Meeresspiegelanstieg durch Schmelzen/Kollaps des Eisschilds Grönland ist viermal so groß wie Frankreich. 80 Prozent des Landes sind von bis zu 3.000 Meter dicken Eismassen bedeckt. Nach Angaben der NASA gibt es deutliche Anzeichen für eine beschleunigte Eisdynamik. Abb. 20: Grönlands Eismassen sind bis zu drei Kilometer dick. Lange hatten Studien den gegenteiligen Trend vermutet und gezeigt, dass das Eis im Sommer dicker wurde. Jetzt weiß man, dass die Eismasse nur vom Schmelzwasser unter dem Eis nach oben gedrückt wird. Nach den Satellitenmessungen der NASA bewegen sich einige Gletscher heute auf dem Untergrundwasser dreimal so schnell wie noch vor zehn Jahren. Auch Gletscherbeben haben in den letzten Jahren merklich zugenommen: In Grönland hat sich die Anzahl gegenüber 1990 verfünffacht. Ein vollständiges Abschmelzen des Eisschilds auf Grönland hätte einen Meeresspiegelanstieg um sieben Meter zur Folge. Das in den Atlantik einströmende kalte Schmelzwasser hätte zudem erheblichen Einfluss auf den Nordatlantikstrom. Beschleunigte Eisdynamik Das Abschmelzen der Gletscher beschleunigt sich, je weiter es voranschreitet, da Schmelzwasser durch Ritzen sickert und zwischen Gletschergrund und Landoberfläche wie ein Schmierfilm wirkt, auf dem die Eismassen immer schneller ins Meer rutschen. Hinzu kommt, dass das Eis in immer niedrigere, wärmere Luftschichten kommt, je dünner es wird. Das Abschmelzen wird zum Selbstläufer. 3. Nordatlantikstrom – Abschwächung des Nordatlantikstroms vor Grönland und Labrador Der Nordatlantikstrom, der nach Europa reichende Arm des Golfstroms, transportiert warmes Wasser aus den Tropen in den Nordatlantik. Wenn die Strömung ankommt, wird ihre Wärme von Westwinden aufgenommen und übers Land geweht. Das beschert Nordwest-Europa ein ungewöhnlich mildes Klima. Der Motor dieses „Energieförderbandes“ ist das kalte, dichte Salzwasser, welches vor Grönland und Labrador in die Tiefe sinkt und knapp über dem Meeresgrund zurück Richtung Äquator fließt. Dieser Antrieb würde erlahmen, wenn ein erhöhter Süßwassereintrag durch schmelzendes grönländisches Eis die Dichte des Wassers verringert (siehe Umweltbericht 2005, Seite 43 ff.). Das Versiegen des Nordatlantikstroms hätte jedoch nicht nur Auswirkungen auf den atlantischen Wärmetransport, auch der Meeresspiegel im Nordatlantik würde – allein aufgrund der dynamischen Anpassung an die geänderten Strömungsverhältnisse – um bis zu einen Meter steigen. 45 4. Permafrostböden – Methan- und Kohlendioxid-Freisetzung aus tauenden Permafrostböden Die Temperaturen in den oberen Schichten des Permafrostbodens, in denen riesige Mengen des Treibhausgases Methan lagern, haben sich seit 1980 um drei Grad Celsius erwärmt. Wenn die Permafrostböden Sibiriens und Nordamerikas im Sommer weiter auftauen, wird die Kompostierung der organischen Substanzen in Gang gebracht, die derzeit praktisch eingefroren sind. Hierbei würden riesige Mengen an Methan und Kohlendioxid entweichen und den Treibhauseffekt deutlich verstärken (siehe auch Umweltbundesamt, 2006). Eine aktuelle Schätzung des IPCC besagt, dass in den Permafrostböden der Welt rund eine Billion Tonnen Kohlenstoff gespeichert sind. Zum Vergleich: Die Menge an Kohlendioxid, die seit Beginn der Industrialisierung vom Menschen in die Luft geblasen wurde, liegt bei 350 Milliarden Tonnen. Das entspricht knapp 100 Milliarden Tonnen reinem Kohlenstoff – also weniger als einem Zehntel dessen, was in den Permafrostböden lagert. Methan Methan (CH4) ist nach Kohlendioxid (CO2) das zweitwichtigste Treibhausgas. Seine Treibhausgas-Wirkung ist – bezogen auf einen 100-jährigen Zeitraum – 23-mal höher als die von Kohlendioxid. Die Methankonzentration in der Atmosphäre hat sich in den vergangenen 150 Jahren nahezu verdreifacht. Der Anstieg ist mit dem gestiegenen Nahrungsmittelbedarf zu erklären, Hauptquellen sind Reisanbau, Viehwirtschaft und Stickstoffdüngung in der Landwirtschaft. Methan-Freisetzung aus Hydratvorkommen am Meeresgrund Die Gefahr einer raschen Freisetzung größerer klimarelevanter Mengen von Methan aus Hydratvorkommen am Meeresgrund innerhalb dieses Jahrhunderts wird derzeit noch als gering eingeschätzt. Infolge der globalen Erwärmung steigt zwar die Meeresoberflächentemperatur, wegen der relativ stabilen thermischen Schichtung und der nur langsamen Durchmischung der Ozeane kann sich dies aber nicht kurzfristig auf die Temperaturen am Meeresgrund und damit auf die Stabilität der Methanhydrate auswirken. Eine Methanfreisetzung über viele Jahrhunderte bis Jahrtausende wegen der sehr langsamen Erwärmung der tiefen Ozean- und Sedimentschichten ist wahrscheinlicher. Wenn die globale Erwärmung über die Jahrhunderte auch die Methanhydrate am Meeresgrund erreicht, könnten diese instabil werden. Das würde über viele Jahrhunderte den Treibhauseffekt verstärken – das Klima der Erde könnte über zehntausende von Jahren beeinflusst werden (WBGU, 2006). Methanhydrat Methanhydrat, eine gefrorene Verbindung aus Methan- und Wassermolekülen, kommt aufgrund seiner physikalischen Stabilitätsbedingungen (hoher Druck und niedrige Temperatur) sowohl in Permafrostböden als auch in Meeressedimenten vor. Welche Mengen Kohlenstoff weltweit in Methanhydrat gebunden sind, ist noch unklar. 46 2 Klimawandel 5. Nordische Nadelwälder – Kohlendioxid-Freisetzung durch Rückgang der nordischen Nadelwälder Die nordischen Nadelwälder umfassen fast ein Drittel der weltweiten Waldfläche. Mit dem Klimawandel erhöht sich der Stress durch Schädlinge, Feuer und Stürme. Gleichzeitig wird die Regeneration durch Wassermangel, erhöhte Verdunstung und menschliche Nutzung beeinträchtigt. Das Absterben der Wälder würde den Lebensraum vieler Tiere und Pflanzen vernichten und eine massive Freisetzung von Kohlendioxid bedeuten, was den Treibhauseffekt erheblich verstärkt. Abb. 21: Ein Absterben der nordischen Nadelwälder würde eine massive Freisetzung von Kohlendioxid bedeuten. 6. Nördliches Ozonloch – Klimainduziertes Ozonloch über Nordeuropa Besonders Nordeuropa könnte von einem klimainduzierten Ozonloch betroffen sein. Denn eine Erwärmung der unteren Atmosphärenschichten bedingt eine Abkühlung der Hochatmosphäre (Stratosphäre). Eine Abkühlung der Stratosphäre begünstigt die Eiswolkenbildung, welche wiederum den Katalysator für den Ozonabbau liefert (PIK-Potsdam, 2007). 7. Tibet-Plateau/Himalaja-Gletscher – Verringerte Sonnenreflexion durch schmelzendes Eis Die Himalaja-Gletscher bedecken eine Fläche von etwa drei Millionen Hektar. Das entspricht dem Achtfachen der Schweizer Alpen. Nach den polaren Eiskappen sind sie der größte Eiskörper auf der Erde und werden daher oft als „dritter Pol“ bezeichnet. Sie speisen die sieben größten Ströme Asiens. Wegen ihrer zentralen Rolle als Süßwasserspeicher gelten die Himalaja-Gletscher als „Wasserturm Asiens“. Abb. 22: Die Himalaja-Gletscher sind nach den polaren Eiskappen der größte Eiskörper auf der Erde. Die Schnee- und Eisflächen des tibetischen Hochlands reflektieren das Sonnenlicht wie ein Spiegel und dämpfen so die Erderwärmung. Wenn die Schneebedeckung des Tibet-Plateaus aufgrund des Klimawandels verschwindet, wird sich die regionale Erwärmung verstärken, da die dunklere Gesteinsoberfläche mehr Sonnenenergie absorbiert als das Eis. Die Analyse von Eisbohrkernen im chinesischen Teil des Himalaja zeigt, dass die vergangenen 50 Jahre die wärmsten der letzten 1.000 Jahre waren – mit einem Temperaturanstieg von zwei Grad in nur 50 Jahren. Nirgendwo auf der Welt schmelzen die Gletscher schneller als im Himalaja. Hält der gegenwärtige Trend an, ist ein kompletter Verlust aller HimalajaGletscher noch in diesem Jahrhundert sehr wahrscheinlich. Darunter werden viele asiatische Länder mit mehreren hundert Millionen Menschen leiden, deren Frischwasser versorgung vom Schmelzwasser der Gebirgsregion abhängt. Außerdem wäre eine Beeinflussung des indischen Monsuns denkbar. Darüber hinaus werden Menschen, Siedlungen und Infrastruktur zunehmend durch Gletschersee-Ausbrüche, Eis-, Schlamm- und Gerölllawinen sowie durch Fels- und Moränenabgänge bedroht werden. 47 8. Indischer Monsun – Gefährdung der Landwirtschaft durch Destabilisierung des indischen Monsuns Bis zu 90 Prozent des indischen Regens sind dem regelmäßig auftretenden Sommermonsun zu verdanken. Zwei gegenläufige Entwicklungen beeinflussen derzeit den Monsun: Zum einen spiegeln riesige Schwefeldioxid-Wolken aus Kraftwerks- und Verkehrsabgasen die Sonnenstrahlung ins Weltall. Weil die Luftmassen über dem Subkontinent dadurch kälter werden, verringert sich der Temperaturunterschied zwischen Land und Meer. Als Folge schwächt sich die tropische Monsunzirkulation über Indien ab. Im Extremfall könnte sie völlig versiegen. Zum anderen verdunstet durch die Klimaerwärmung mehr Wasser aus den aufgeheizten Meeren, was den Monsun wiederum verstärkt. Bereits heute weiß man, dass schon eine vergleichsweise geringe Abweichung von zehn Prozent vom durchschnittlichen Monsun-Niederschlag schwerwiegende Dürren oder Überschwemmungen auslösen kann. Ein schwacher Sommermonsun z. B. kann zu Ernteeinbrüchen und Nahrungsmittelknappheit unter der ländlichen Bevölkerung führen – und die macht immerhin zwei Drittel der 1,1 Milliarden Bewohner Indiens aus. Durch das komplexe Wechselspiel von Erwärmung, regionaler Luftverschmutzung und Landnutzungsänderung könnte es zu einem unvorhersagbaren und sprunghaften Verhalten der Regen spendenden Monsunwinde kommen (sog. Achterbahn-Dynamik). Extreme Dürren und Flutkatastrophen könnten sich abwechseln. Die Nahrungsgrundlage von einer Milliarde Menschen ist in Gefahr. 9. Sahara – Versiegelung von Staubquellen und Nährstoffeintrag durch Wiederergrünen der Sahara Durch den Klimawandel könnten sich die Niederschläge in der Sahelzone erhöhen und eine Wiederergrünung der Sahara begünstigen – vorausgesetzt, die Region wird nicht überweidet. Staub aus der afrikanischen Sahelzone versorgt jedoch den tropischen Atlantik und den Amazonas-Regenwald mit Nährstoffen. Der Klimawandel könnte die über den Atlantik gewehten Staubstürme versiegen lassen. 10. Westafrikanischer Monsun – Zunahme/Dauerhaftigkeit von Dürren in der Sahel durch Verlagerung des westafrikanischen Monsuns Der westafrikanische Monsun verändert sich durch Rodung der Küstenwälder und steigende Wassertemperaturen des atlantischen Ozeans. Der Klimawandel könnte die Anzahl der Dürrejahre in der Sahel bis Ende des Jahrhunderts verdoppeln oder zu einem völligen Zusammenbruch des Monsuns führen – beides mit großen Folgen für die Bevölkerung in der Region (PIK-Potsdam, 2007). 48 2 Klimawandel 11. Amazonas-Regenwald – Kohlendioxid-Freisetzung durch Austrocknung Ein Großteil der Niederschläge im Amazonasbecken stammt aus über dem Wald verdunstetem Wasser. Drei sich wechselseitig verstärkende Faktoren könnten die Region, die bislang viel CO2 bindet, an eine kritische Grenze bringen und in eine CO2-Quelle verwandeln: a) ein Rückgang der Niederschläge durch eine überproportionale Temperaturerhöhung, b) die weiter fortschreitende Abholzung sowie c) ein erwartetes Ausbleiben der natürlichen Nährstoffversorgung durch Sandstürme aus der afrikanischen Sahelzone. Abb. 23: Das mögliche Umkippen des AmazonasRegenwaldes in eine Savannen-Vegetation ist eines der Großrisiken im Klimasystem. Das mögliche Umkippen des Amazonas-Regenwaldes in eine Savannen-Vegetation ist eines der Großrisiken im Klimasystem. Bei einem Zusammenbruch des Amazonas-Regenwaldes würden der gebundene Kohlenstoff als CO2 entweichen und der Treibhausgasgehalt der Atmosphäre drastisch steigen. Zudem würde dies einen gewaltigen Verlust von Biodiversität bedeuten. Neueste Modelle erwarten, dass es schon bis zum Jahr 2080 zu einem vollkommenen Zusammenbruch des Amazonas-Regenwalds kommen könnte. Nach diesen Szenarien ist ein Kipp-Punkt für die Region bald erreicht: Eine globale Erwärmung zwischen zwei und drei Grad Celsius, Rodungen und die intensive Ausbreitung von Straßen, Sojafeldern und Weideflächen für Rinder könnten schon bis 2050 40 Prozent des Amazonas-Regenwalds trockenlegen. Bis 2080 würde eine Region von der Größe der USA für immer zur Steppe. Mit ihr verlieren 750.000 Insekten-, 10.000 Baum- und 40.000 Wirbeltierarten ihren Lebensraum. Dann wird so viel CO2 in die Atmosphäre freigesetzt wie im gesamten 20. Jahrhundert durch das Verbrennen von Kohle, Öl und Gas. Viehwirtschaft und Treibhauseffekt Laut Food and Agriculture Organization (FAO) weist die Viehwirtschaft erhebliche Klimaauswirkungen auf sowohl durch Rodung (Wälder entfallen als CO2-Speicher, bei Brandrodung werden erhebliche Mengen CO2 emittiert) als auch durch Methan-Ausscheidung durch das Vieh selbst (FAO, 2006). So werden 80 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen im Amazonasgebiet als Rinderweiden genutzt – mit katastrophalen Folgen für das weltweite Klima und den Erhalt der Artenvielfalt. Zwischen 1996 und 2006 wurden dort zehn Millionen Hektar Urwald vernichtet. Das entspricht ungefähr der Waldfläche Deutschlands. Nach Schätzungen von Wissenschaftlern sind in den Wäldern des Amazonasgebietes 80 bis 120 Mrd. Tonnen Kohlenstoff gespeichert. Die Zerstörung des Waldes würde dem 400-fachen Jahresausstoß von Deutschland entsprechen. Schon jetzt ist Brasilien der viertgrößte Klimaverschmutzer der Welt. Rund 75 Prozent der brasilianischen Treibhausgasemissionen stammen dabei aus der Zerstörung der Wälder (Greenpeace Deutschland, 2009). 49 12. El-Niño-Phänomen – Zunahme/Dauerhaftigkeit des El-Niño-Phänomens im Pazifik Alle zwei bis sieben Jahre tritt das globale Klimaphänomen El Niño auf. Es bringt Südamerika heftigen Regen, Indonesien und Australien extreme Dürren. Durch die Erwärmung des Meerwassers tritt stellenweise ein Massensterben von Korallen ein. Die vom Klimaphänomen El Niño verursachte periodische Erwärmung in Teilen des Pazifiks könnte zum Dauerzustand werden. El Niño Globales Klimaphänomen. Hierbei schwächt sich der kalte Humboldtstrom im Pazifik durch eine Verschiebung von Windzonen ab und kommt zum Erliegen. Das normalerweise nach Westen strömende oberflächennahe warme Meerwasser strömt nach Osten zurück. Während sich der Ostpazifik erwärmt, sinkt die Wassertemperatur vor Australien und Indonesien ab – mit zum Teil weltweiten Auswirkungen auf das Wetter in Form extremer Dürren oder Unwetter (vor allem in Südamerika und dem südostasiatischen Raum mit Australien). 13. Ozeane – Beeinträchtigung des marinen Kohlenstoffkreislaufs durch Versauerung der Ozeane Die Ozeane sind der größte Speicher von Kohlenstoff. Mit 38.000 Gigatonnen (eine Gigatonne entspricht einer Milliarde Tonnen) speichern die Ozeane 50-mal so viel CO2 wie die Atmosphäre und 20-mal so viel wie alle Bäume, Büsche und Böden zusammen. Die Ozeane und ihre Lebewesen nehmen etwa die Hälfte des vom Menschen in die Atmosphäre emittierten CO2 auf. Sonst würde der Treibhauseffekt noch stärker ausfallen. Die Ozeane dienen als Senke für natürliches und anthropogenes Kohlendioxid: Planktonorganismen und Korallen wandeln CO2 in Kalkschalen um. Die steigende CO2-Konzentration in der Atmosphäre führt jedoch zu einem gesteigerten CO2-Eintrag in die Ozeane. Die Folge: Aus Wasser und Kohlendioxid bildet sich Kohlensäure – die Ozeane versauern. Versauerung der Ozeane Kohlendioxid verändert nicht nur die Strahlungsbilanz der Atmosphäre, es löst sich auch direkt im Meerwasser. Der erhöhte CO2-Eintrag in die Ozeane führt zu einer Absenkung des pH-Werts, also zu einer Versauerung der Ozeane. Von dieser Veränderung im Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht sind besonders kalkbildende Meeresorganismen (z. B. Korallen) bedroht, die eine wichtige Funktion für die Nahrungsnetze im Meer und für die globalen Stoffkreisläufe haben. 50 2 Klimawandel Die Versauerung hindert Meeresorganismen wie Plankton oder Korallen an der Bildung ihrer Kalkskelette. Die Kalkschalen lösen sich auf, die Neubildung bleibt aus. Der marine Kohlenstoffkreislauf könnte durch die Versauerung der Ozeane abgeschwächt werden. Eine ungebremste Fortsetzung des Trends wird zu einer Ozeanversauerung führen, die in den letzten Jahrmillionen ohne Beispiel ist (siehe auch Rahmstorf & Richardson, 2007). Drastische Auswirkungen auf das Leben im Meer Abb. 24 a und b: Die Versauerung der Ozeane hindert Meeresorganismen wie Plankton an der Bildung ihrer Kalkskelette. Abbildung b zeigt eine Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme der Kalkalge Calcidiscus leptoporus. (© IFM-GEOMAR ) Eine von der australischen Klimabehörde in Auftrag gegebene Untersuchung des südlichen Ozeans, an der neben australischen Forschungseinrichtungen auch das AlfredWegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven beteiligt war, zeigt, dass die Kalkschalen von Foraminiferen, weitverbreiteten Planktonorganismen, die am Anfang der marinen Nahrungskette stehen, immer dünner werden und heute 30 bis 35 Prozent leichter sind als vor der industriellen Revolution. Ein möglicher Dominoeffekt hätte bedeutende Auswirkungen auf die Nahrungskette im Meer. Weitere Folgen der Versauerung: Einige Forscher befürchten, dass sich Muschelschalen auflösen. Kohlendioxid stört zudem den Geruchssinn der Larven von Clownfischen, die dann nur schwer ein geeignetes Riff finden. Darüber hinaus werden Schallwellen im sauren Meer besser geleitet, sodass es lauter wird. Ozeanische Todeszonen breiten sich aus Nach Untersuchungen des Kieler Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFMGEOMAR) sowie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK-Potsdam) wird es durch den Klimawandel immer mehr Todeszonen in den Ozeanen geben. Durch die zunehmende Versauerung der Ozeane werden sich zukünftig die sauerstoffarmen Zonen tropischer Ozeane deutlich ausbreiten. In diesen Zonen wird kein höheres Leben mehr möglich sein. Die Untersuchungen zeigen eine Ausbreitung der Zonen mit sauerstoffarmem Wasser um bis zu 50 Prozent bis zum Ende dieses Jahrhunderts. Betroffen davon sind sehr fischreiche Regionen wie etwa vor Peru, vor der Küste Westafrikas, vor Namibia und im arabischen Meer vor der Westküste Indiens. Das CO2 wirkt wie ein Dünger an der Meeresoberfläche. Das marine Plankton wird immer kohlenstoffreicher und zehrt damit beim Abbau mehr Sauerstoff als die herkömmliche proteinreiche Biomasse. Die starke Abnahme der Sauerstoffkonzentrationen in einigen hundert Metern Tiefe ist schließlich auf den bakteriellen Abbau absinkenden organischen Materials zurückzuführen. Betroffen davon sind sowohl Muscheln als auch Schnecken, Krebse, Seesterne und andere Tiere, die nicht schnell genug flüchten. 51 13. Ozeane – Beeinträchtigung mariner Ökosysteme und Meeresspiegelanstieg durch Erwärmung der Ozeane In den Ozeanen könnte sich eine stabile Warmwasserschicht an der Oberfläche bilden, die das Aufquellen nährstoffreichen Tiefenwassers verhindert. Dadurch verringert sich die Zahl der Mikroorganismen, die CO2 aufnehmen und nach ihrem Absterben auf den Meeresgrund befördern. Mehr Treibhausgas bleibt in der Atmosphäre zurück – der Treibhauseffekt verstärkt sich auf diese Weise selbst. Zudem bleichen Korallenriffe infolge der steigenden Wassertemperaturen flächenhaft aus und werden irreversibel geschädigt. Tropische Korallenriffe gelten als das artenreichste marine Biotop, nicht so sehr wegen des Artenreichtums der riffbildenden Korallen selbst, sondern wegen der biologischen Vielfalt der Organismen, die auf und von Korallenriffen leben. Korallenriffe und alle davon abhängigen Arten sind in ihrer Existenz gefährdet – mit unabsehbaren Folgen für die gesamte Nahrungskette im Meer, durch die zwei Milliarden Menschen ihren Eiweißbedarf decken (siehe auch WWF Australia, 2009). Darüber hinaus sind Korallenriffe nicht nur Lebensraum für zahlreiche Meeresbewohner, sie bilden häufig auch eine natürliche Barriere vor Inseln (als Wellenbrecher) und schützen diese z. B. vor Springfluten (siehe auch BMU, 2008 d). Die steigenden Wassertemperaturen haben außerdem mannigfaltige Auswirkungen auf marines Plankton (Kleinstlebewesen). Plankton bildet nicht nur die Basis der marinen Nahrungskette, marines Phytoplankton (griechisch phyton = Pflanze) bindet auch in hohem Maß atmosphärisches CO2 und liefert knapp zwei Drittel unseres Luftsauerstoffs. Nicht zuletzt dehnt sich warmes Wasser aus und trägt so zum Meeresspiegelanstieg bei. 14. Antarktische Meeresströmung – Abschwächung der Meeresströmung und Nährstoffversorgung Ähnlich wie im Nordatlantik kann die Zirkulation von Wassermassen im Südpolarmeer durch den Einfluss von Süßwasser unterdrückt werden. Letzteres kann z. B. aus schmelzendem Eis der Antarktis stammen. Das Aufströmen von Nährstoffen würde unterbunden (siehe Punkt 13 – Erwärmung) und die Bestände an Krill und Phytoplankton, welche am Anfang der marinen Nahrungskette stehen, würden reduziert. Abb. 25: Steigende Wassertemperaturen und zunehmende Versauerung der Ozeane bedrohen die Korallenriffe weltweit. 52 2 Klimawandel 15. Westantarktischer Eisschild – Meeresspiegelanstieg durch Instabilität/Kollaps des Eisschilds In der Vergangenheit waren die Forscher beruhigt, weil die Temperatur der antarktischen Eismasse deutlich unter dem Gefrierpunkt liegt. Daran ändert auch die Klimaerwärmung nichts. Doch jetzt mehren sich Hinweise auf eine unerwartete Dynamik: Das Eis taut nicht von oben, sondern von unten. Zunächst brachen mehrere gigantische Stücke der antarktischen Eisdecke ab und trieben ins Meer hinaus. 1995 trennte sich das 1.600 km2 große Larsen-A-Eisschelf von der Antarktis, 1998 folgte das Wilkins-Eisschelf mit 1.100 km2 und 2002 das Larsen-B-Eisschelf mit 3.250 km2 (das Saarland ist 2.570 km2 groß). Für den Meeresspiegel schien das noch ohne Bedeutung. Beunruhigend wurde dann aber die Zunahme der dynamischen Eisflüsse: Warmes Meerwasser kann die Eisberge an der Küste so weit schmelzen lassen, dass die dahinterliegenden Kontinentaleis-Massen ins Fließen geraten. Zwischen Fels und Eisschild geratenes Meerwasser beschleunigt den Zerfall des Eises zusätzlich. Die Eisströme, die hinter dem Larsen-B-Eisschelf ins Meer ablaufen, haben sich seitdem bis zur achtfachen Geschwindigkeit beschleunigt. Die große Frage ist jetzt: Führt das wärmere Meerwasser dazu, dass auch die ganz großen Schelfe, etwa das Ross-Eisschelf, eines Tages verschwinden? Und wo liegt der Schwellenwert dafür? Lange Zeit hielt der IPCC die Eisdecke der westlichen Antarktis für stabil, vorausgesetzt, die Temperaturen steigen nicht um 10 Grad Celsius oder mehr. Einige Experten befürchten jedoch, dass dieser „schlafende Riese bereits erwacht ist“ und dass sich die Eisdecke als Folge einer Erwärmung von nur wenigen Grad innerhalb von 500 bis 700 Jahren auflösen könnte. Ein Kollaps des Eisschilds in der West-Antarktis könnte innerhalb dieses Jahrhunderts eingeleitet werden. Durch den völligen Kollaps des Eisschildes würde der globale Meeresspiegel um vier bis fünf Meter steigen. Fazit Wenn der Ausstoß von Treibhausgasen nicht spätestens bis zum Jahr 2020 substanziell abnimmt, wird die Erderwärmung unumkehrbare Prozesse wie das Abschmelzen der Eisschilde in Grönland, die Übersäuerung der Ozeane oder die Freisetzung großer Methanmengen aus den tauenden Permafrostböden in Gang setzen. Angesichts dieser Erkenntnisse unterstrich der UN-Klimarat in seinem am 17. November 2007 in Valencia vorgestellten vierten Teil des UN-Klimaberichts 2007 noch einmal ausdrücklich, dass sich die Erde im globalen Durchschnitt um nicht mehr als zwei Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter erwärmen darf. Für die Staatengemeinschaft heißt das: Bis Mitte des Jahrhunderts müssen die Treibhausgase weltweit um 50 Prozent verringert werden – die der Industrieländer sogar um 80 Prozent. Im Dezember 2009 wird auf der Kopenhagener Weltklimakonferenz über ein Nachfolgeabkommen des Kyoto-Protokolls beraten, das 2012 ausläuft (siehe auch Seite 38). 53 2.2.3 Folgen für Deutschland – Szenarien bis zum Jahr 2100 Wärmerekorde in Deutschland 2007 war in Deutschland mit durchschnittlich 9,9 Grad Celsius das zweitwärmste Jahr seit 1901. Auch das Jahr 2008 war mit einer Durchschnittstemperatur von 9,5 Grad Celsius in Deutschland deutlich wärmer als der Durchschnitt der letzten 120 Jahre von 8,3 Grad. Die Jahresmitteltemperatur in Deutschland ist seit 1901 um 1,0 Grad Celsius angestiegen. Das deutschlandweit wärmste Jahr seit 1901 war 2000, es folgen 2007, 1994, 1934, 2002, 2006, 1990, 1999, 2008 und 1989. Durch die Erwärmung wird die Verdunstung und damit auch der Wasserkreislauf beschleunigt. Von 1901 bis 2007 hat die Jahressumme der Niederschläge in Deutschland um ca. acht Prozent zugenommen. Nach Berechnungen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) werden die Temperaturen in Deutschland bis 2100 um zwei bis vier Grad Celsius ansteigen. In einigen Regionen wird es dann bis zu 30 zusätzliche heiße Tage (= Temperaturen über 30 Grad Celsius) geben. Nach Analysen des Deutschen Wetterdienstes (DWD), die auf regelmäßigen Aufzeichnungen seit 1901 beruhen, ist die Jahresmitteltemperatur in Deutschland bereits um 1,0 Grad Celsius gestiegen. Dieser Erwärmungstrend beschleunigte sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte deutlich und ist nun mit 0,15 Grad Celsius je Dekade auf fast das Doppelte gestiegen. Das Jahrzehnt von 1990 bis 1999 war das wärmste im gesamten 20. Jahrhundert. Fünf der insgesamt zehn wärmsten Jahre des 20. Jahrhunderts gehören in diese Zeitspanne. Elf der letzten 15 Winter waren überdurchschnittlich warm. Das wärmste Jahr war das Jahr 2000 mit einem Mittelwert von 9,9 Grad. Von 1901 bis 2007 hat die Jahressumme der Niederschläge in Deutschland um ca. acht Prozent zugenommen. Auch veränderte sich die Form der Niederschläge: Es wurden mehr so genannte Starkniederschläge mit mehr als 30 Litern pro Quadratmeter beobachtet, typisch sommerliche Landregen gab es weniger. Im Winter fällt zunehmend mehr Regen als Schnee. Als Ursache für die beobachteten Änderungen nennt der DWD im Wesentlichen die anhaltende Emission von Treibhausgasen. Szenarien bis zum Jahr 2100 Im September 2008 präsentierte das Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M) eine im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) erstellte Studie, in der das Klima in Deutschland bis zum Jahr 2100 simuliert wird. Mithilfe des regionalen Klimamodells REMO wurde simuliert, welchen Einfluss steigende Treibhausgaskonzentrationen auf das Wetter haben. Für ihre Berechnungen haben die Wissenschaftler drei unterschiedliche Szenarien (niedriger, mittlerer und hoher Anstieg) angenommen. 54 2 Klimawandel Die Ergebnisse dieser Klimasimulationen lassen sich auf folgende Aussagen verdichten (UBA, 2008 d): „Je nach angenommenem Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen könnten bis zum Ende des Jahrhunderts die Temperaturen in Deutschland – vor allem im Süden und Südosten – um mehr als vier Grad Celsius im Vergleich zu den letzten 50 Jahren steigen. Im Sommer kann es in weiten Teilen Deutschlands weniger Niederschläge geben. Im Winter könnten im Süden und Südosten mehr Niederschläge fallen, wobei allerdings wegen der gestiegenen Temperaturen weniger Schnee fallen kann. Die REMO-Ergebnisse im Detail Abb. 26: Naturräume in Deutschland, die besondere Merkmale aufweisen oder für die starke Änderungen atmosphärischer Parameter projiziert werden (© UBA 2007 b) Steigende atmosphärische Treibhausgaskonzentrationen führen in Deutschland zu einer mittleren Erwärmung, die im Jahr 2100 – abhängig von der Höhe zukünftiger Treibhausgasemissionen – zwischen 2,5 und 3,5 Grad Celsius liegt. Diese Erwärmung wird sich saisonal und regional unterschiedlich stark ausprägen. Am stärksten dürften sich der Süden und Südosten Deutschlands im Winter erwärmen. Bis zum Jahr 2100 könnten die Winter hier um mehr als vier Grad Celsius wärmer werden als im Zeitraum 1961 bis 1990. 55 Gleichzeitig könnten in Zukunft – im Vergleich zum Zeitraum 1961 bis 1990 – die sommerlichen Niederschläge großflächig abnehmen. Besonders stark gehen in den Simulationen die Sommerniederschläge in Süd- und Südwest-Deutschland sowie in Nordost-Deutschland zurück. Hier könnte es bis zum Ende dieses Jahrhunderts im Vergleich zu heute ein Minus von bis zu 30 Prozent bei den Sommerniederschlägen geben. Im Gegensatz hierzu könnte im Winter ganz Deutschland feuchter werden. Vor allem in den Mittelgebirgen Süd- und Südwest-Deutschlands ist über ein Drittel mehr Niederschlag zu erwarten als heute. Wegen gleichzeitig steigender Wintertemperaturen in den Alpen – bis zum Ende des Jahrhunderts könnten es mehr als vier Grad Celsius sein – wird der Niederschlag häufiger als Regen denn als Schnee fallen. Fiel in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dort im Jahr etwa ein Drittel des Gesamtniederschlags als Schnee, könnte es bis Ende des 21. Jahrhunderts nur noch ein Sechstel sein. Diese Veränderungen haben zur Folge, dass sich die Zahl der Tage mit mehr als drei Zentimeter Schneehöhe pro Jahr reduziert, und zwar stärker in niedrigen Regionen der Alpen wie um Garmisch-Partenkirchen und Mittenwald, für die eine Abnahme der Schneetage um deutlich mehr als die Hälfte möglich ist. […]. Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts könnten die schneebedeckten Flächen im Alpenraum sehr stark schrumpfen, wenn die Erwärmung stark zunimmt (> vier Grad Celsius). Doch schon bei einer Temperaturzunahme von drei Grad Celsius verschwinden sehr große schneebedeckte Flächen, die heute noch als schneesicher gelten […]. Blickt man zum deutschen Küstenraum, so fällt auf, dass bis zum Jahr 2100 die Erwärmung der Ostseeküste mit 2,8 Grad Celsius etwas stärker sein könnte als die der Nordseeküste (2,5 Grad Celsius). Obwohl sich an beiden Küsten die jährliche Niederschlagsmenge nicht ändert, könnte die Tourismusbranche davon profitieren, da es im Sommer bis zu 25 Prozent weniger regnen könnte. Im Winter gibt es jedoch bis zu 30 Prozent mehr Niederschlag.“ Weitere Infos www.umweltbundesamt.de/klimaschutz Fazit Die Deutschen müssen sich auf heiße, trockene Sommer und regnerische, milde Winter einstellen. Deutschland erwärmt sich im Durchschnitt um drei Grad Celsius. Besonders in Süd-Deutschland wird es in Zukunft öfter zu extremen Hitzewellen wie im August 2003 kommen. Damals starben in Deutschland rund 7.000 und europaweit bis zu 70.000 Menschen an den Folgen der extremen Hitze. Im Winter hingegen könnte es in ganz Deutschland feuchter werden. Aufgrund der gleichzeitig steigenden Wintertemperaturen gibt es weniger Schnee und mehr Regen. Vor allem niedrig liegende Regionen leiden darunter. In den Mittelgebirgen wird es ab 2031 nur noch selten eine geschlossene Schneedecke geben. 56 2 Klimawandel Die Klimaerwärmung wird Deutschland verändern, z. B. durch: 앫 sinkende Grundwasserspiegel im Sommer, insbesondere in Südwest-Deutschland 앫 eine erhöhte Waldbrandgefahr, besonders in Südwest-Deutschland und NordostDeutschland 앫 eine Zunahme hitzebedingter Krankheiten vor allem in Süd-Deutschland, auch die Hautkrebs-Rate wird steigen 앫 eine Gefährdung der Kühlung von Kraftwerken im Sommer, insbesondere in SüdDeutschland 앫 eine größere Hochwassergefahr im regenreichen Herbst, vor allem an der Elbe 앫 einen steigenden Meeresspiegel und vermehrte Sturmfluten an den Küsten 앫 mangelnde Schneesicherheit in Wintersportgebieten 앫 eine Zunahme von sommerlichen Starkregenereignissen 앫 beeinträchtigte Landwirtschaft und Binnenschifffahrt infolge von Wassermangel Nach Angabe des Deutschen Wetterdienstes ist bei einer sich weiter aufheizenden Erdatmosphäre im Sommer mit häufigeren Extrem-Wetterereignissen wie schweren Gewittern und Hagel zu rechnen. Zudem sind nach Einschätzung von meteomedia bei einer Zunahme schwerer Sommergewitter auch mehr starke bis sehr starke Tornados möglich (Sävert, 2008). Allerdings bringt der Klimawandel in Deutschland auch Chancen mit sich, z. B.: 앫 höhere Ernten in der Landwirtschaft vor allem in Nord-Deutschland 앫 eine ertragreichere Weinlese in Süd-Deutschland 앫 weniger kältebedingte Krankheiten 앫 weniger Glatteisunfälle 앫 einen Boom des Tourismus in Deutschland, insbesondere an der Küste Wie sicher sind die Daten? Regionale Studien zu möglichen Folgen der Klimaänderungen in unterschiedlichen Regionen haben hohen Wert für die Bewertung von Risiken und ggf. auch Chancen, wie in der Agrar- und Forstwirtschaft, dem Tourismus, der Infrastruktur und dem Wassermanagement (z. B. beim Hochwassermanagement und der Anpassung an mögliche Niedrigwasserphasen). Allerdings ist es notwendig, die berechneten regionalen Muster der Klimasignale auf ihre Robustheit zu analysieren. Schon in den vorliegenden Auswertungen wird deutlich, wie variabel die Klimasignale in den verschiedenen Regionen sind und wie unterschiedlich sie in den drei Emissionsszenarien berechnet werden (UBA, 2008 d; siehe auch Seite 25). 57 Auswahl möglicher Wirkungen des Klimawandels in ausgewählten Bereichen Handlungsfeld/Sektor Beispiele für mögliche Wirkungen des Klimawandels Gesundheit Durch Hitzewellen, Stürme, Überschwemmungen, Lawinen oder Erdrutsche verursachte Erkrankungen und Verletzungen sowie veränderte Verbreitungsgebiete von Krankheiten; in den Städten besonders starke Hitzebelastung, die zu mehr Herz-Kreislauf-Problemen bis hin zu Todesfällen führen können. Landwirtschaft Beeinträchtigung der Erträge, besonders in zukünftig trockeneren Gebieten, sowie abnehmende Ertragssicherheit wegen erhöhter Klimavariabilität; Erhöhung der Bodenerosion (Sommer: Winderosion, Winter: Erosion durch Wasser); steigende Gefahr von Staunässe, Überflutung oder Trockenstress; veränderte Austragsverhältnisse von Nähr- und Schadstoffen in das Grund- und Oberflächenwasser. Forstwirtschaft Erhöhte Anfälligkeit nicht standortgerechter Wälder sowie erhöhte Waldbrandgefahr und zunehmender Druck durch Schädlinge und Wetterextreme. Wasserwirtschaft Vermehrte Starkniederschläge, steigende Hochwassergefahr im Winter und Frühjahr sowie häufigeres Niedrigwasser im Sommer und veränderte Grundwasserspiegel mit möglichen Folgen für die Trinkwasser versorgung; in Städten zu gering bemessene Regenwasserableitung. Naturschutz und Biodiversität Gefährdung der Artenvielfalt, besonders in Feuchtgebieten und Gebirgsregionen, mit Konsequenzen für die Naturschutzziele. Verkehr Beeinträchtigung der Binnenschifffahrt durch häufigere Hoch- und Niedrigwasser; Zerstörung der Infrastruktur durch Extrem-Ereignisse. Tourismus Abnahme der Schneesicherheit in den Gebirgsregionen sowie verbesserte wirtschaftliche Erfolgsaussichten für die Touristenziele an den Küsten; möglicherweise negative Folgen für Touristen wegen des vermehrten Auftretens von Quallen und toxischen Algen an den Küsten. Hochwasser- und Küstenschutz Häufigere und intensivere Hochwasserereignisse fordern die Hochwasser- und Küstenschutzanlagen; versagen die Schutzanlagen, drohen Schäden. Raum- und Siedlungsentwicklung Gefährdung der Baugebiete und baulichen Anlagen wegen zunehmender Hochwasserereignisse; Verstärkung des Wärmeinseleffekts in den Innenstädten; Verschärfung der Konflikte zwischen dem Schutz wertvoller Flächen und unterschiedlicher menschlicher Nutzungsansprüche. (© UBA 2008 b) 58 2 Klimawandel Klimawandel in NRW – Anfälligkeit ausgewählter Sektoren Eine im Auftrag des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums (MUNLV NRW) erstellte Studie des PIK-Potsdam befasst sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf verschiedene Regionen und Sektoren in NRW. Die Studie (siehe Kropp et al., 2009) untersucht die Verwundbarkeit n. g. Sektoren und zeigt auf, welche Möglichkeiten zur Anpassung bestehen: 앫 Boden und Landwirtschaft 앫 Wald und Forstwirtschaft 앫 Naturschutz 앫 Wasser 앫 Tourismus 앫 Gesundheit 앫 Stadtplanung Im Winter ist aufgrund stärkerer Niederschläge mit erhöhter Hochwassergefahr zu rechnen. Im Sommer kehrt sich dieser Effekt um: Das Risiko für Niedrigwasser in den Flüssen nimmt zu, was unter anderem den Energiesektor betreffen würde, der auf ausreichend Flusswasser für Kühlzwecke angewiesen ist. Hierdurch erhöht sich auch das Risiko von Produktionseinschränkungen. Zudem kann aufgrund der Erwärmung und der damit verbundenen erhöhten Verdunstung in einigen Regionen die Grundwasserneubildung abnehmen. Die Erwärmung begünstigt auch die Verbreitung von Krankheitserregern, die durch Mücken oder Zecken übertragen werden, sowie die Verbreitung von Allergie auslösenden Pflanzen. Zudem könnten im Sommer häufiger Hitzewellen auftreten, was ein Risiko für ältere Menschen darstellt. Besonders deutlich wirkt sich dies in den Ballungszentren des Ruhrgebiets aus. Maßnahmen wie Grünflächen anzulegen, die Temperatur in öffentlichen Gebäuden zu regeln und Verhaltensänderungen der Betroffenen könnten dieses Risiko jedoch minimieren (siehe auch MUNLV NRW, 2009). Während der Sommertourismus durch die Zunahme von Sommertagen mit Temperaturen über 25 Grad Celsius profitieren könnte, wird Skitourismus in NRW trotz künstlicher Beschneiung nur noch eingeschränkt möglich sein. In der Natur wirkt sich der Klimawandel bereits deutlich aus. Die Wachstumsphasen einiger Pflanzenarten im Jahresverlauf beginnen heute bereits um einige Tage früher als noch vor wenigen Jahrzehnten. Auch die Artenzusammensetzung könnte durch Klimawandel und Landnutzungsänderungen deutlich verändert werden. Die landwirtschaftlichen Ertragsaussichten für NRW sind insgesamt günstig. Trotz zunehmender Verdunstung wird in den meisten Regionen wahrscheinlich ausreichend Wasser vorhanden sein. Häufigere und stärkere Stürme könnten speziell die besonders anfälligen Forstmonokulturen in den Höhenlagen der Mittelgebirge gefährden. Da auch die Waldbrandsaison künftig länger wird, steigt insgesamt das Waldbrandrisiko. Die Klimaänderungen haben aber zunächst keinen starken Einfluss auf das Wachstum der Wälder in NRW (Kropp et al., 2009). 59 2.2.4 Herausforderungen und Optionen für Versicherer Längst ist klar, dass sich der Klimawandel auch auf Unternehmen und Finanzmärkte auswirkt (siehe z. B. Der Spiegel, 2006, Capital, 2007, und Wuppertal Institut, 2008). Risiken für Unternehmen und Branchen Branchen, deren Aktivität von klimatischen Bedingungen abhängig ist, tragen ein hohes Risiko, ebenso jene, deren Betrieb bei extremen Wetterverhältnissen unterbrochen werden muss. Dazu zählen die Landwirtschaft, Fischerei, Forstwirtschaft, Wasserversorgung und wasserintensive Betriebe, daneben aber auch der Tourismus, das Gesundheitswesen, die Versicherungen sowie sturmgefährdete Tätigkeiten wie die Erdölförderung auf hoher See. Der künftige Klimawandel birgt unter anderem folgende einzeln oder kombiniert auftretende Risiken für Unternehmen und Branchen: stärkere Regulierung (z. B. weitere Einschränkung der Emissionsrechte, Ausweitung des Emissionshandels auf weitere Branchen, zusätzliche CO2-Steuern etc.), höhere Wertminderungen von Liegenschaften und Sachanlagen, Ertragsausfälle, Rufschädigung (UBS, 2007). Beispiel Versorger Energieversorger müssen berücksichtigen, dass es infolge des Klimawandels zu einer zunehmenden Anzahl und Intensität von Extrem-Wetterereignissen wie Stürmen, Hitzeperioden oder Starkregenfällen kommt, die Schäden an der Infrastruktur verursachen. Kraftwerke werden zunehmend unter Wassermangel oder zu warmem Wasser zur Kühlung leiden, Wasserkraftwerke werden tlw. ganz stillstehen. Stromausfälle bergen für die Wirtschaft erhebliche Liefer- und Produktionsrisiken. Auch Wasserversorger werden bei längeren sommerlichen Trockenperioden, wie sie für das zukünftige Europa vorausgesagt werden, Probleme bekommen. Zudem müssen steigende Energie- und Wasserpreise sowie Emissions-Abgaben einkalkuliert werden. Profitieren werden Anbieter regenerativer Energien. Abb. 27 Beispiel Land- und Forstwirtschaft Infolge von Extrem-Wetterereignissen wie beispielsweise längeren Trockenperioden, Stürmen oder Hagelschlägen werden die Schäden deutlich zunehmen. Zudem besteht ein höheres Risiko für die Ausbreitung von Schädlingen und Bränden. Die Kosten für die Bereitstellung von Wasser werden steigen. Durch die Verschiebung von Jahreszeiten (viele Pflanzen blühen und reifen zwei bis drei Wochen früher) erhöht sich das Risiko von Frostschäden. In der Massentierhaltung steigt der Stress durch sommerliche Hitze. Chancen ergeben sich durch eine Ausdehnung von Anbaugebieten nach Norden, durch mögliche Zweitkulturen und den Anbau Wärme liebender Arten (siehe Seite 87 f.). Abb. 28 2 60 Klimawandel Beispiel Transportwesen Extrem-Wetterereignisse werden Schäden an der Infrastruktur verursachen, die die Transporte mit Bahn und Pkw erheblich beeinflussen. Die Binnenschifffahrt wird von häufigeren Niedrigwassern (eingeschränkte Ladekapazität) und Hochwassern (Stillstand) beeinträchtigt. Dies ist wegen einer Unterbrechung der Zuliefererkette auch für andere Branchen relevant. Infolge steigender Energiepreise sowie möglicher Emissions-Abgaben (z. B. für die Schifffahrt) werden sich die Transporte verteuern. Positive Aspekte ergeben sich beim Landtransport aus weniger Eis und Schnee im Winter sowie bei der Binnenschifffahrt aus selteneren Eishochwassern. Abb. 29 Beispiel Bauwirtschaft Abb. 30 Die Bauwirtschaft wird mit häufigeren Unterbrechungen und Beschädigungen von Baustellen durch Sturm und Überschwemmung ebenso konfrontiert werden wie mit einer Erhöhung des Schadenpotenzials unwetterexponierter Regionen und alternder Infrastruktur. Andererseits profitiert sie von energetischen Gebäudesanierungen, kürzeren, milderen Wintern und mehr Aufträgen infolge von Unwetterschäden sowie weiterem Anpassungsbedarf z. B. an Küstenund Hochwasserschutz. Beispiel Automobilindustrie Abb. 31 Die europäische Automobilindustrie ist ihrer freiwilligen Selbstverpflichtung aus dem Jahr 1998, den CO2-Ausstoß bis Ende 2008 auf 140 Gramm/km (= 6 l/100 km) zu reduzieren, nicht nachgekommen. Aktuell liegt der Ausstoß bei 160 Gramm CO2/km. Die von der EU beschlossenen verbindlichen Grenzen von 120 Gramm CO2/km bis zum Jahr 2015 bzw. 95 Gramm ab dem Jahr 2020 (der Wert soll im Durchschnitt aller Fahrzeuge aller Hersteller erreicht werden) sowie die neue, am CO2-Ausstoß orientierte Kfz-Steuer stellen die Automobilindustrie vor erhebliche Herausforderungen, werden aber technische Innovationen fördern. Beispiel Flugzeugindustrie Abb. 32 Ab 2011 bezieht die EU den Flugverkehr in den Emissionshandel ein, was zu einem Kostenanstieg insbesondere bei veralteten Flotten führen wird. Einkalkuliert werden muss, ob der Emissionshandel auf Europa beschränkt bleibt oder weltweit Anwendung finden wird. Auch, ob es bei der Nicht-Besteuerung von Kerosin und bei der Nicht-Erhebung von Mehrwertsteuern auf Tickets für grenzüberschreitende Flüge bleibt. Beispiel Tourismus Abb. 33 Ende des Jahrhunderts fällt in den Alpen unterhalb von 1.500 Metern wohl kaum noch Schnee. Bei einer Zunahme von nur einem Grad Celsius wären zwei Drittel der deutschen Skigebiete nicht mehr schneesicher. Durch das Abschmelzen der Gletscher werden weltweit viele Gegenden der Erde um einen reizvollen landschaftlichen Aspekt und touristischen Anziehungspunkt ärmer werden. Der Mittelmeerraum wird zunehmend unter Wassermangel und Waldbränden leiden. Nordeuropa könnte aufgrund steigender Temperaturen von höheren Tourismuszahlen profitieren. Insgesamt könnten Reisekosten durch Emissions-Abgaben steigen. 61 Steigende Schadenszahlen 2007 wurden global 960 Naturkatastrophen gezählt – die höchste Zahl seit Beginn der systematischen Erfassung. Naturkatastrophen verursachten global volkswirtschaftliche Schäden in Höhe von 82 Mrd. US-Dollar, davon waren 30 Mrd. US-Dollar versichert (Münchener Rück, 2008 b). 2008 ging die Anzahl der schadenrelevanten Ereignisse im Vergleich zum Vorjahr zwar zurück (von 960 auf 750), einzelne Katastrophen trieben die Opferzahlen und die Schäden jedoch deutlich nach oben. Die volkswirtschaftlichen Schäden betrugen rund 200 Mrd. USDollar, blieben aber unter denen des Rekordjahres 2005 (siehe Umweltbericht 2005, Seite 17 ff.). Die versicherten Schäden stiegen 2008 im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent auf 45 Mrd. US-Dollar. Getrieben durch hohe Schäden aus Wetterkatastrophen war 2008 gemessen an inflationsbereinigten Werten das Jahr mit den dritthöchsten Schäden, nur noch übertroffen vom Hurrikanjahr 2005 und 1995, als sich das Erdbeben von Kobe (Japan) ereignete (Münchener Rück, 2009). Ein Dekadenvergleich der Münchener Rück zeigt, dass die Anzahl der volkswirtschaftlichen Schäden in den letzten zehn Jahren (im Vergleich zu den 1960er-Jahren) weltweit das 7-Fache beträgt, die versicherten Schäden sogar das 28-fache Ausmaß erreichen (alle Werte inflationsbereinigt). Große Naturkatastrophen 1950- 2008 Gesamtschäden und versicherte Schäden mit Trend Mrd. US$ 250 200 Abb. 34: Große Naturkatastrophen 1950-2008 weltweit – volkswirtschaftliche und versicherte Schäden (© 2009 NatCatSERVICE, GeoRisikoForschung, Münchener Rück) 150 100 50 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 Gesamtschäden ((in Werten von 2008)) 1985 1990 1995 2000 2005 Versicherte Schäden ((in Werten von 2008)) © 2009 Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft, GeoRisikoForschung, NatCatSERVICE Weitere Infos www.munichre.com (Business & Solutions – Georisiken) Stand: Januar 2009 62 2 Klimawandel Änderungsrisiko Klimawandel Die zunehmende Zahl von Naturkatastrophen – überwiegend verursacht durch ExtremWetterereignisse – konfrontiert vor allem die Versicherungswirtschaft mit steigenden Schadenszahlen. Es ist davon auszugehen, dass sich die Situation in Zukunft noch verschärfen wird. Der IPCC rechnet mit einer weiteren Häufung und Intensivierung von außergewöhnlichen Wetterereignissen als Folge des anthropogenen Klimawandels. Der Klimawandel ist somit eines der größten Änderungsrisiken für die Versicherungswirtschaft (siehe Umweltbericht 2005, Seite 52 ff., Ernst & Young, 2008, und UNEP FI, 2006), bietet jedoch auch Chancen (siehe z. B. Swiss Re 2002, 2004, Deutsche Bank, 2007, F & C Investments, 2007, und UBS, 2007). Klimawandel größtes strategisches Risiko für Versicherer Eine Studie von Ernst & Young benennt zehn Hauptrisiken für Versicherer und sieht den Klimawandel als das größte strategische Risiko, vor dem Immobilien- und Haftpflichtversicherer international stehen. Dicht dahinter folgen demografische Veränderungen, die bei Lebensversicherern ganz vorne stehen, und Katastrophen. Das ergab eine Befragung von mehr als 70 Fachanalysten aus aller Welt durch Ernst & Young und Oxford Analytica im Rahmen der globalen „Strategic Business Risk-Studie 2008“. Dabei wurden Trends und Unsicherheiten für die globale Versicherungsbranche in den kommenden fünf Jahren untersucht (Ernst & Young, 2008). Die deutsche Versicherungswirtschaft muss sich einstellen auf: 앫 mildere, regnerische Winter 앫 mehr Überschwemmungen im Winter und im Frühjahr 앫 intensivere und häufigere Winterstürme 앫 mehr Dürreperioden im Sommer 앫 mehr Starkregen im Sommer 앫 mehr Gewitter und Hagelschläge im Sommer 앫 mehr Tornados im Sommer Abb. 35: Die Zahl großer Überschwemmungen wird zunehmen. 63 Überschwemmungen Nach einem Bericht der Europäischen Umweltagentur (EEA, 2008) ist die Zahl der Überflutungen in Europa stark gestiegen. Seit 1990 zählt der Report 259 große Überschwemmungen von Flüssen, davon allein 165 seit dem Jahr 2000. In den nächsten Jahrzehnten werde sich dieser Trend fortsetzen (siehe auch GDV, 2008 b, und Münchener Rück, 2007 b). Winterstürme Anzahl und Intensität von Winterstürmen werden zunehmen. Grund ist v. a., dass im Winter die stabilen Kälte-Hochs und die Schneedecke fehlen, die die warmen, vom Atlantik nach Europa ziehenden Tiefdruckgebiete abschwächen. Zusätzlich beziehen die warmen Tiefdruckgebiete Energie aus den im Vergleich zu den 1960er-Jahren höheren Meerestemperaturen (siehe auch GDV, 2008 c, Münchener Rück, 2007 b, und Swiss Re, 2000, 2006). Sie erklären jede Überschwemmung mit der Klimaveränderung? „Man darf natürlich nicht den Fehler machen, eine einzelne Überschwemmung herauszugreifen. Nur die allgemeine Zunahme von Hochwasser ist auf die Klimaerwärmung zurückzuführen. Ich vergleiche das immer mit einem gezinkten Würfel. Wenn man dessen Sechs zinkt, kommt die Sechs häufiger. Aber man kann nicht jede Sechs auf das Zinken zurückführen, sondern nur die Zunahme der Sechsen. Und so können wir auch die Zunahme der verschiedenen Wetterextreme dem menschlichen Einfluss zuschreiben. ” Mojib Latif, 2006 a – Seite 12 Nordatlantische Oszillation Für den Verlauf der Sturmbahnen über dem Atlantik ist vor allem die „Nordatlantische Oszillation (NAO)“ von Bedeutung, die mit einem Index beschrieben wird. Hohe positive NAO-Indexwerte sind tendenziell an relativ milde, windintensive Winter gekoppelt, negative NAO-Indexwerte an relativ kalte, eher windärmere. Bis in die 1960er-Jahre dominierte ein negativer NAO-Index, seither werden die Werte zunehmend positiv. Gleichzeitig war eine deutliche Erwärmung der Meerestemperaturen zu beobachten (Swiss Re, 2000). Ein Bericht des WWF International prognostiziert – einen unveränderten Anstieg der CO2Emissionen vorausgesetzt – mehr und heftigere Stürme für Europa bis Ende des 21. Jahrhunderts. Betroffen wären vor allem Großbritannien, die Niederlande und Nord-Frankreich, aber auch die deutsche Nordseeküste. Eine weitere Folge des Klimawandels wäre ein deutlicher Anstieg der Sturmfluten, sowohl in Bezug auf deren Höhe als auch in Bezug auf die Anzahl schwerer Sturmfluten. An der deutschen Nordseeküste würde die Wahrscheinlichkeit schwerer Sturmfluten um 50 bis 100 Prozent steigen (WWF International, 2006). Nach einer Studie der Swiss Re werden bis zum Jahr 2085 die Schäden, die Winterstürme auf dem Kontinent hinterlassen, um fast zwei Drittel höher liegen als noch 1975. Deutschland wird es überdurchschnittlich hart treffen: Hier sollen sich die Sturmschäden mehr als verdoppeln. Was heute als 100-Jahres-Ereignis gilt, kann aufgrund der Klimaänderung in den nächsten Jahrzehnten zu einem 60- oder 70-Jahres-Ereignis mutieren (Swiss Re, 2006). Wintersturm Emma Nur ein knappes Jahr nach Wintersturm Kyrill (siehe Seite 76) zog Orkantief Emma Anfang März 2008 über weite Teile Mitteleuropas hinweg. Windgeschwindigkeiten von über 150 km/h, Gewitter und Hagel verursachten in Deutschland, Dänemark, Polen, der Tschechischen Republik, der Slowakei, der Schweiz und Österreich einen volkswirtschaftlichen Schaden von zwei Mrd. US-Dollar, davon 1,5 Mrd. US-Dollar versicherte Schäden (Münchener Rück, 2009). Abb. 36 64 2 Klimawandel Dürreperioden Dürreperioden, wie wir sie im „Rekordsommer 2003“ in vielen Ländern Europas erlebt haben, werden häufiger. Die Folge sind mehr Brände, durch die weitere Treibhausgase wie Kohlendioxid freigesetzt werden, beeinträchtigte Landwirtschaft, beeinträchtigte Binnenschifffahrt (mit negativen Folgen für die Wirtschaft und den Tourismus), mehr Hitzetote (siehe auch Swiss Re, 2004) und vieles mehr. Auch wird es Einschränkungen in der Stromproduktion geben, da Kraftwerke nicht mehr hinreichend mit Kühlwasser versorgt werden können oder Wasserkraftwerke stillstehen, wenn Flüsse versiegen. Gewitter und Hagelschläge Nach Angabe des Deutschen Wetterdienstes ist bei einer sich weiter aufheizenden Erdatmosphäre im Sommer mit häufigeren schweren Gewittern und Hagel zu rechnen. Hervorzuheben ist die große Bedeutung von Hagel in der Kraftfahrzeugversicherung. Hier können bereits Hagelkörner ab einem Durchmesser von zwei Zentimetern Schäden verursachen, Gebäude werden hingegen erst ab etwa vier Zentimetern beschädigt (Münchener Rück, 2007 b). Zudem sind bei einer Zunahme schwerer Sommergewitter mehr starke bis sehr starke Tornados möglich (Sävert, 2008). Abb. 37: Unwetterserie Hilal verursachte massive Hagelschäden an Fahrzeugen. Unwetterserie Hilal Von Ende Mai bis Anfang Juni 2008 zog die nach dem Tiefdruckgebiet Hilal benannte Unwetterserie über Südwest-Deutschland und richtete durch starke Böen, Gewitter, Hagelschlag und sturzflutartige Regenfälle große Zerstörungen an. Allein in der Region Krefeld beschädigten am Morgen des 30. Mai 2008 Hagelkörner so groß wie Golfbälle in nicht einmal einer halben Stunde rund 85.000 Autos und viele Häuser. Landwirtschaft und Obstbauern erlitten schwere Verluste, so wurde nahezu die gesamte Erdbeerernte in der Region vernichtet. Das Tropenhaus des Krefelder Zoos wurde stark beschädigt, neun Flamingos kamen ums Leben. Hagel-Unwetter Hilal war nach dem Münchener Hagelsturm im Jahr 1984 das zweitgrößte derartige Ereignis in Deutschland. 65 Risikomodelle anpassen Die Versicherungswirtschaft ist sich darüber einig, dass die kurzfristigen Auswirkungen des globalen Klimawandels handhabbar bleiben, mittel- bis langfristig jedoch Handlungsbedarf besteht und geprüft werden muss, ob die vorhandenen Risikomodelle ausreichen (siehe auch Rauch, 2006). 앫 Schon jetzt sind Gebäude, Infrastruktur und Mensch nicht auf Extreme vorbereitet. 앫 Die Versicherungsprämien beruhen auf der Schadenerfahrung der Vergangenheit und beziehen Trends noch nicht mit ein (siehe auch Umweltbericht 2005, Seite 54 f.). 앫 Es fehlt in der überwiegenden Zahl der Fälle an Möglichkeiten, einem Ort oder einer Adresse vorab ein bestimmtes Risiko in Bezug auf Extrem-Wetterereignisse zuordnen zu können. Das Programm ZÜRS (Zonierungssystem der deutschen Versicherungswirtschaft für Überschwemmungen, Rückstau und Starkregen) ermöglicht zwar eine adressgenaue Zuordnung von Überschwemmungsrisiken aus Hochwasser, nicht jedoch für Rückstau und Starkregen (siehe Versicherungskammer Bayern, 2006). 앫 Auch ist es derzeit nicht möglich, ortsbezogene Aussagen zur Wiederkehrperiode und zur Intensität von Extrem-Wettereignissen treffen zu können. 앫 Die Schadenhöhe steigt bzw. wird so groß, dass Erst- und Rückversicherer an ihre Grenzen stoßen könnten. Beispielsweise kann ein Wintersturm, der heute als 100-JahresEreignis gilt, aufgrund der Klimaänderung in den nächsten Jahrzehnten zu einem 60oder 70-Jahres-Ereignis mutieren (Swiss Re, 2006). 앫 Nicht zuletzt können durch Umwelt- und Klimaänderungen Ausfallrisiken bei Investitionen entstehen. Klimawandel führt zu Versicherungswüsten „Die Situation ist in Österreich ärger als in den benachbarten Staaten: Bei uns entfallen vier Prozent der Combined Ratio auf Naturkatastrophen, im europäischen Durchschnitt sind es dagegen nur zwei Prozent. […] Versicherungen werden empfindlich teurer werden Auch die jüngsten Unwetter in Österreich werden sich auf die Schadensquote auswirken. Zudem werden Versicherungskunden und damit auch Versicherungsvermittler die Folgen der Entwicklung in absehbarer Zeit zu spüren bekommen: Für viele Risiken wird es in Zukunft keine oder nur sehr teure Versicherungen geben. […] Hauptprobleme Stürme und Winterhochwasser Wie akut die Gefahr ist, geht aus dem im Frühjahr 2008 abgeschlossenen EU-Projekt ClimChAlp („Climate Change in the Alpine Space“) hervor: Durch den Klimawandel werden Winterstürme immer häufiger und immer intensiver auftreten. Mehr als jede andere Region in Europa ist der österreichische Alpenraum betroffen (The ClimChAlp Partnership, 2008). Das Landwirtschaftsministerium in Wien rechnet in Zukunft auch mit katastrophalen Winterhochwassern, da nach den Prognosen der Experten der Anstieg der Schneefallgrenze mehr Regen in Hochlagen bewirken wird.“ (Allianz Group Österreich, 2008) 66 2 Klimawandel Versicherer stoßen an ihre Grenzen „In einem konstanten Klima wäre die Summe aller wetterbedingten Verluste und Schäden über längere Zeiträume kalkulierbar. Je variabler aber das Klima, desto variabler das Schadenausmaß pro Zeiteinheit und desto schwieriger wird es, die Wetterrisiken zuverlässig abzuschätzen. Konsequenz für den Versicherer: Sein eigenes Risiko, durch eine plötzliche, unerwartet hohe Schadenlast ruiniert zu werden, nimmt zu. Darauf kann die Versicherungswirtschaft nicht anders reagieren, als den einzelnen Versicherten stärker zu belasten; sei es durch Begrenzung der Leistungen im Schadenfall, höhere Prämien oder indem verstärkte Anstrengungen gefordert werden, Ausmaß und Wahrscheinlichkeit der zu versichernden Schäden oder Verluste zu reduzieren. Völlig falsch ist deshalb die Annahme, die Versicherungswirtschaft könne zur Bewältigung von Klimarisiken beitragen, indem sie eine höhere Schadenlast schultere. Richtig ist: Extrem hohe Schäden durch Naturkatastrophen können einzelne Versicherungsunternehmen überfordern. Mittelfristig aber muss die Assekuranz zu hohe Belastungen an die Versichertengemeinschaft zurückgeben. Die Idee von Versicherung ist nicht, Schäden zu tragen, sondern sie innerhalb einer Solidargemeinschaft zu verteilen. Das wird jedoch nur gelingen, solange alle Mitglieder – wenigstens im Rahmen ihrer Möglichkeiten – Schaden zu vermeiden versuchen und der Schaden- oder Verlustfall deshalb die Ausnahme und nicht die Regel ist.“ (Swiss Re, 2002 – Seite 23) Wie weit wird die Haftung zukünftig gehen? Wie weit kann bzw. wird die Haftung zukünftig gehen? Haftung setzt in der Regel Verursachung voraus, entweder durch Tun oder durch Unterlassen. Doch wer ist der Verursacher des Klimawandels und seiner negativen Folgen? Die Industrie mit ihren CO2-Emissionen und Produkten, die Luftverkehrsgesellschaften, Frachtschiffe oder Autohersteller? Oder gar die Viehwirtschaft? Was zunächst ein wenig seltsam anmutet, führt in den USA bereits zu gerichtlichen Klagen. Nach den bisherigen Erfahrungen drohen Klagen z. B. gegen Autohersteller, Architekten, Planungsbehörden, Kommunen, Energieunternehmen und viele andere direkt oder indirekt in die Auswirkungen des Klimawandels involvierten Parteien. Es geht beispielsweise um die Frage, ob Planungsbehörden Bau- oder Gewerbegebiete ausweisen dürfen, die ein paar Jahrzehnte später infolge des Meeresspiegelanstiegs unter Wasser stehen oder einer erhöhten Überschwemmungsgefahr ausgesetzt sind. Oder sind z. B. Architekten mitverantwortlich, wenn sie die Auswirkungen des Klimawandels bei der Planung von Häusern oder Industrieanlagen nicht berücksichtigen? (Münchener Rück, 2008 a, und Swiss Re, 2008 a, b, c) 67 Optionen für Versicherer Versicherer haben verschiedene Optionen (siehe auch Umweltbericht 2005, Kapitel 4.3.3): 앫 Schadenvorsorge und Schadenmanagement 앫 Gezielte Beratung und Sensibilisierung der Kunden (siehe auch GDV, 2008 b, c) 앫 Rabatte und Selbstbehalte 앫 Trendzuschläge 앫 begrenzte Laufzeiten für Verträge 앫 Beitragsanpassungsklauseln 앫 Mitversicherungs-Lösungen 앫 Policen mit Ereignis- oder Jahreslimits für Risiken und/oder Regionen 앫 Ausschluss von Risiken und besonders exponierten Regionen 앫 Nutzen von Tools wie ZÜRS, ZÜRS Geo, WIND und CRESTA/PML-Auswertungen 앫 Kooperation mit wissenschaftlichen Instituten zwecks Klimamodellen/-szenarien 앫 eigenes, aktives Umweltmanagement 앫 Reduzierung der CO2 -Emissionen aus dem eigenen Geschäftsbetrieb 앫 Förderung umweltbewussten Verhaltens und umweltfreundlicher Techniken durch entsprechende Deckungskonzepte und durch die Versicherung der spezifischen Risiken 앫 Erneuerbare-Energien-Technik mit Risikobewertungen und Deckungskonzepten begleiten Dennoch: Um die Folgen des Klimawandels zu managen, ist nach Ansicht des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) die Notwendigkeit einer Pflichtversicherung oder eines staatlichen Katastrophenfonds mehr denn je gegeben (GDV, 2007). Kampagne „Vorausdenken – elementar versichern“ Im Februar 2009 starteten das Bundesland Bayern und seine Versicherer eine gemeinsame Kampagne, um den Absatz von Elementarschaden-Deckungen anzukurbeln. Es sei ein „bisher einmaliger Vorgang, dass der Staat und die private Assekuranz ein Versicherungsprodukt gemeinsam bewerben“, so Bayerns Umweltminister Markus Söder beim offiziellen Startschuss der Kampagne „Vorausdenken – elementar versichern“. Der wachsende Druck durch den Klimawandel schafft das offensichtlich. Während die Versicherer u. a. massive Werbeanstrengungen ankündigten, will die bayerische Staatsregierung Gemeinden und Städte mobilisieren, um einen von ihr herausgegebenen Flyer zur besseren Aufklärung über das Elementarschadenrisiko künftig allen Grundsteuerbescheiden beizulegen. Außerdem setze man auf Multiplikatoren wie beispielsweise Hausbesitzervereine oder die bayerischen Bankenverbände. Gesetzliche Versicherungspflicht vorerst vom Tisch Nicht weiterverfolgt werden dagegen Überlegungen zur Einführung einer Versicherungspflicht für Hausbesitzer. Diesem von der bayerischen Staatsregierung wie der Bundesregierung mehrfach geprüften Lösungsansatz zur stärkeren Verbreitung der ElementarschadenVersicherung stehen vor allem verfassungsrechtliche Bedenken entgegen. Zudem besteht die Notwendigkeit einer jährlichen Staatsgarantie in Höhe von vielen Milliarden Euro. 2 68 Klimawandel 2.3 Unsere Klimastrategie „Unser umfangreiches Maßnahmenpaket in der Wohngebäudeversicherung hat dazu beigetragen, dass die durch Kyrill verursachte Schadenbelastung sich für die RheinLand Versicherungsgruppe halbierte. Auch wenn Kyrill nicht voraussagbar war, zeigt dies dennoch, dass es absolut richtig und notwendig war, dass wir uns frühzeitig und intensiv mit dem Änderungsrisiko Klimawandel auseinandergesetzt haben. ” Christoph Buchbender, Vorstand Umweltbeauftragter der RheinLand Versicherungsgruppe Als Versicherer bieten sich uns verschiedene direkte und indirekte Möglichkeiten, zur CO2-Vermeidung und somit zum Klimaschutz beizutragen (siehe auch Umweltbericht 2005, Kapitel 3): Die direkten, aus dem eigenen Geschäftsbetrieb resultierenden CO2-Emissionen können durch Energieeffizienz, Reduktions- und Vermeidungsstrategien, Substitution (z. B. ÖkoStrom) und Kompensation (z. B. Finanzierung von Aufforstungen und Klimazertifikate) vermindert werden. Die indirekten, nicht am Unternehmensstandort entstehenden CO2-Emissionen können durch ein gezieltes Angebot an die Kunden, eigene Beiträge zum Klimaschutz zu leisten, vermindert werden. Hierfür bietet sich eine entsprechende Produktgestaltung sowie eine gezielte Kundeninformation und -sensibilisierung an. Darüber hinaus können wir durch versicherungstechnische Maßnahmen die aus dem Klimawandel resultierenden Risiken minimieren und Chancen nutzen (siehe auch Umweltbericht 2005, Kapitel 4.3.3). 2.3.1 Bausteine Für unsere im Jahr 2007 eingeführte Klimastrategie haben wir die nachfolgend genannten sieben Bausteine identifiziert: Baustein 1: Betriebsökologie (Vermeidung – Reduktion – Substitution) Beispiele für umgesetzte Maßnahmen: 앫 Abfalltrennung 앫 Energiemanagement 앫 Verwendung von Energiesparlampen 앫 Austausch aller Röhren- gegen TFT-Monitore Abb. 38: Bausteine unserer Klimastrategie 앫 Austausch aller Drucker und Kopierer gegen Multifunktionsgeräte mit der Option „Doppelseitig drucken/kopieren“ 앫 Konsequente Verwendung von Recyclingpapieren 앫 Wasserenthärtungsanlage zur Lebenszeitverlängerung elektrischer Geräte 앫 Installation eines Sonnenschutzes an der Fassade 앫 Umstellung auf 100-prozentigen Öko-Strom in unserer Hauptverwaltung 69 Baustein 2: CO2-Kompensation Beispiele für umgesetzte Maßnahmen: 앫 CO2-Neutralität unserer Dienstwagenflotte seit 2006 durch Aufforstung von mehr als 15 Hektar Wald 앫 Auflagenstarke und hochvolumige Druckaufträge werden klimaneutral gedruckt 앫 Aufforstung weiterer 24,9 Hektar Wald – angestrebt wird die dauerhafte CO2-Neutralität unseres Geschäftsbetriebes (Hauptverwaltung) Baustein 3: Produktökologie Beispiele für umgesetzte Maßnahmen: Kfz-Versicherung 앫 Nachlass für Jahreskarteninhaber des ÖPNV 앫 Nachlass für serienmäßige Erdgas-/Autogasfahrzeuge 앫 Nachlass für Wenigfahrer 앫 Nachlass für BUND-Mitglieder 앫 Angebot zur CO2-Kompensation in Kooperation mit PRIMAKLIMA-weltweit e. V. 앫 Nachlass für werksseitig mit Elektro-, Wasserstoff-, Brennstoffzellen-, Hybrid- oder Solarantrieb ausgestattete Pkws (ab 10/2009) Sachversicherung 앫 Solarstrom- und Solarheizungsanlagen, Wärmeschutzverglasung und Wärmedämmung sind mitversichert 앫 Angebot und Durchführung von Schadenpräventions-Maßnahmen im Wohngebäudesegment (Sturm/Regen/Leitungswasser) 앫 Nachlässe für BUND-Mitglieder 앫 Angebot zur CO2-Kompensation in Kooperation mit PRIMAKLIMA-weltweit e. V. Baustein 4: Gezielte Kundeninformation Beispiele für umgesetzte Maßnahmen: 앫 Regelmäßige Veröffentlichung von Umweltberichten 앫 Umwelt-Internetseiten 앫 Kooperation mit dem BUND 앫 Flyer „Ökologisch versichern“ zur BUND-Kooperation 앫 Kooperation mit PRIMAKLIMA-weltweit e. V. 앫 Broschüre „Versicherung – Klimaschutz – CO2-OPERATION“ zur PRIMAKLIMA-Kooperation 앫 Kooperation mit der co2online gemeinnützige GmbH 앫 Produktspezifische Umweltflyer 70 2 Klimawandel Baustein 5: Versicherungstechnische Maßnahmen Beispiele für umgesetzte Maßnahmen: 앫 Ursachen, Auswirkungen und Optionen des Klimawandels aufbereitet 앫 Umfassende Risikoüberprüfung Elementarschadenversicherung 앫 Anpassung der Tarife im Wohngebäude-Geschäft 앫 Sanierung schlecht laufender Verträge im VG-Geschäft 앫 Begrenzung der Einzeichnung des Elementargeschäfts 앫 Mitversicherungs-Lösung im VG-Geschäft 앫 Rückversicherungsschutz für den Kompositbereich auf ein 200-jähriges Sturmereignis ausgerichtet 앫 Integration von ZÜRS in die Angebotssysteme Baustein 6: Kapitalanlagepolitik Beispiele für umgesetzte Maßnahmen: 앫 Nachhaltigkeitsprüfung für die bestehenden Aktien im Direktbestand und für die Spezialfonds 앫 Identifizierung klimabedingter Risiken und Chancen in der Kapitalanlage Baustein 7: Einbindung unserer Mitarbeiter Beispiele für umgesetzte Maßnahmen: 앫 Bewusstes Mitarbeiterverhalten am Arbeitsplatz 앫 Regelmäßige Umweltteam-Sitzungen 앫 Tischkarten mit Umwelt-Tipps im Kasino 앫 Umwelt-Intranetseiten 앫 Umweltbeiträge in der Mitarbeiterzeitschrift 앫 Umweltmanagement als Thema in den Einführungsveranstaltungen für neue Mitarbeiter 앫 Umwelt-Prospektständer 앫 Regelmäßige Veröffentlichung von Umweltberichten 앫 TRANSFAIR-Kaffee in der Kasinoverpflegung und Bewirtung 앫 Ausschank und Verkauf von „Nüsser Appel“-Saft 71 2.3.2 Chronologie 1995 앫 Bereits seit 1995 engagiert sich die RheinLand Versicherungsgruppe in allen vier Handlungsfeldern, die sich einem Versicherer im Umwelt- und Klimaschutz bieten. 앫 Der Schutz der Umwelt wird fest in unserem Unternehmensleitbild verankert. Weitere Infos www.rheinland-versicherungsgruppe.de (Umwelt – Umweltpolitik) 앫 Ein Umweltmanagement-System wird eingeführt. Weitere Infos www.rheinland-versicherungsgruppe.de (Umwelt – Umweltmanagement) 앫 Bei Unterzeichnung der „UNEP-Erklärung der Versicherungswirtschaft zum Einsatz für die Umwelt“ gehören die RheinLand Versicherungen zur Gruppe der weltweit 18 Erstunterzeichner. Abb. 39: Handlungsfelder im Umwelt- und Klimaschutz 1996 앫 Beginn der Kooperation mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND): BUND-Mitglieder erhalten Vorzugstarife mit Sondernachlässen von bis zu 20 Prozent in der privaten Haftpflicht-, Unfall-, Wohngebäude-, Wohnungs-/Hausrat-, Kraftfahrzeug- und Schutzbriefversicherung. Weitere Infos www.rheinland-versicherungsgruppe.de (Umwelt – Kooperationen) 앫 Fahr&Spar-Nachlass: RheinLand-Kunden, die eine Jahreskarte für Busse oder ÖPNV besitzen, erhalten für ihr privates Kraftfahrzeug einen Nachlass in der Haftpflicht- und Kaskoversicherung. Abb. 40: Flyer zur BUNDKooperation 72 2 Klimawandel 1997 앫 Mitversicherung von Solarstrom- und Solarheizungsanlagen sowie von Regenwasser-Sammelbehältern gegen Feuer- und Sturmschäden. 앫 Erste Sitzung des RheinLand Umweltteams. 앫 Veröffentlichung des ersten „Umweltberichts 1996“. Abb. 41: Unser „Umweltbericht 1996“ Weitere Infos www.rheinland-versicherungsgruppe.de (Umwelt – Download) 앫 Einrichtung einer Vollzeitstelle Umweltkoordinator. 앫 Umstellung der Kopierer und Drucker auf Recyclingpapier aus 100 Prozent Altpapier. RECYCLINGPAPIER MIT BLAUEM ENGEL IST ÖKOLOGISCH EINDEUTIG VORTEILHAFTER ALS FRISCHFASERPAPIER. DAS HERSTELLEN VON RECYCLINGPAPIER MIT BLAUEM ENGEL VERMEIDET CO2-EMISSIONEN UND VERBRAUCHT WEITAUS WENIGER RESSOURCEN ALS FRISCHFASERPAPIER: 500 BLATT RECYCLINGPAPIER 10,5 kWh 2,2 kg 7 2,8 kg 7 Abb. 42: Die ökologischen Vorteile von Recyclingpapier (© Initiative Pro Recyclingpapier) 500 BLATT FRISCHFASERPAPIER ALTPAPIER HOLZ ENERGIE CO2-EMISSIONEN 51,1 l WASSER 7,5 kg 26,8 kWh Einspareffekte mit Recyclingpapier 앫 Mit 3 Blatt können Sie eine Kanne Kaffee kochen 앫 250 Blatt lassen Ihre 11-Watt-Energiesparlampe mehr als 50 Stunden leuchten 앫 500 Blatt waschen Ihre Wäsche 앫 1.000 kg Recyclingpapier vermeiden so viel CO2, wie ein durchschnittlicher Pkw auf der Fahrt von Berlin nach Paris ausstößt 2,6 kg 130,2 l DENKEN SIE BEIM EINKAUF DARAN: RECYCLINGPAPIER IST KLIMASCHUTZPAPIER Weitere Infos www.initiative-papier.de 1998 앫 Markteinführung einer Kfz-Versicherung mit Spendenoption auf CO2-Ausgleich. 73 1999 앫 Trägerflüssigkeiten in Solarheizungsanlagen werden dem Leitungswasser gleichgestellt. 앫 Seit Inbetriebnahme unseres neuen Hauptverwaltungsstandortes reduzieren wir die CO2 -Emissionen unseres Geschäftsbetriebes, z. B. durch kontinuierliche Senkung unseres Heizwärmebedarfs. Weitere Infos www.rheinland-versicherungsgruppe.de (Umwelt – Im Büro) Heizwärmebedarf 1999-2008 (Kilowattstunden je m2 und Jahr) kWh 150 Abb. 43: Heizwärmebedarf unserer Hauptverwaltung 1999 bis 2008 100 50 132 118 114 104 95 93 85 88 86 92 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 0 앫 Einführung von TRANSFAIR-Kaffee in der Kasinoverpflegung und Bewirtung. Weitere Infos www.transfair.org 2000 앫 Einführung einer Abfalltrennung in den Etagenküchen. 앫 Einrichtung von Umweltseiten im Internet der RheinLand Versicherungen. Weitere Infos www.rheinland-versicherungen.de/umwelt 2001 앫 Integration des Themas Umweltschutz in die Stellenbeschreibungen. 앫 Beginn der Unterstützung des Botanischen Gartens Neuss (siehe Kapitel 3.3.4). Weitere Infos www.rheinland-versicherungsgruppe.de (Umwelt – Kooperationen) 2002 앫 Einrichtung von Umweltseiten im Intranet (RheinLand.Net). 74 2 Klimawandel 2003 앫 Beginn der Unterstützung des BUND-Projekts Das Grüne Band®(siehe Kapitel 3.3.3). 앫 Veröffentlichung des „Umweltberichts 2002“. Weitere Infos www.rheinland-versicherungsgruppe.de (Umwelt – Download) Abb. 44: Unser „Umweltbericht 2002“ 2004 앫 CO2-Neutralität als spezielles Angebot für unsere Kunden: Beginn der Kooperation mit PRIMAKLIMA-weltweit e. V. (siehe Kapitel 3.3.1). Weitere Infos www.rheinland-versicherungsgruppe.de (Umwelt – Kooperationen) 앫 Veröffentlichung der Broschüre „Versicherung – Klimaschutz – CO2-OPERATION“ (siehe Kapitel 3.3.1). 앫 Aufbereitung der Ursachen, Auswirkungen und Optionen des globalen Klimawandels und Identifizierung von Chancen und Risiken für die Zeichnungspolitik, die Versicherungstechnik, die Produktentwicklung, den Rückversicherungsschutz, das Asset-Management und die Unternehmenskommunikation. 2005 앫 Pflanzung von 0,75 Hektar Wald im Rhein-Kreis Neuss: Ziel ist dauerhafte CO2-Neutralität unserer Dienstwagenflotte ab Ende 2006 (siehe Kapitel 3.3.1). 앫 Umfassende Risikoprüfung für unsere Elementarschadenversicherung. 앫 Markteinführung eines Nachlasses für serienmäßig mit Erdgas (CNG) oder Autogas (LPG) betriebene Pkws. Umwelt Kf z -Versicherung Die optimale Lösung für Erdgas- und Autogas - Fahrzeuge 앫 Beginn der Kooperation mit der co2online gemeinnützige GmbH („Klima sucht SchutzKampagne“ des Bundesumweltministeriums) als erstes Versicherungsunternehmen überhaupt. Weitere Infos www.rheinland-versicherungsgruppe.de (Umwelt – Kooperationen) 앫 Einrichtung von Umweltseiten im Internet der RheinLand Versicherungsgruppe. Weitere Infos www.rheinland-versicherungsgruppe.de Abb. 45: Flyer zum Erdgas-/ Autogas-Nachlass 앫 Auszeichnung unseres Auszubildenden-Projekts „Umweltschutz am Arbeitsplatz“ beim MIMONA-Wettbewerb 2005 (siehe Umweltbericht 2005, Seite 107). 75 2006 앫 Dauerhafte CO2-Neutralität unserer Dienstwagenflotte: Pflanzung weiterer 14,8 Hektar Wald in Sachsen (siehe Kapitel 3.3.1). 앫 Veröffentlichung des „Umweltberichts 2005 – Versicherung und Klimawandel“. Weitere Infos www.rheinland-versicherungsgruppe.de (Umwelt – Download) 앫 Umfangreiches Maßnahmenpaket für die Wohngebäudeversicherung/Elementarschadenversicherung: Für die RheinLand Versicherungsgruppe stellt, aufgrund ihres im Markt überdurchschnittlich hohen Anteils von Gebäudeversicherungen am Gesamtbestand, das Sturmrisiko ein sehr exponiertes Risiko dar. Um hier einen ausgeglichenen Bestandsmix zu erreichen, haben wir im Wege der Mitversicherung andere Risikoträger in die Wohngebäudeversicherung hereingenommen. Zum 1. Januar 2007 werden zwei namhafte deutsche Versicherer am Wohngebäude-Geschäft der RheinLand Versicherungsgruppe prozentual beteiligt. Die Kooperationspartner tragen 56 Prozent des Schadenvolumens. Mit dieser so genannten „Offenen Beteiligung“ gelingt es uns, die aufgrund des Klimawandels zu erwartende steigende Schadenbelastung, z. B. aus Stürmen, zu reduzieren und dennoch den Marktzugang unverändert aufrechtzuerhalten. Mit dieser Veränderung einher gehen eine Anpassung der Tarife und die Sanierung schlecht verlaufender Verträge im Wohngebäudegeschäft sowie eine Begrenzung der Einzeichnung des Elementargeschäfts. 앫 Aufstockung des Rückversicherungsschutzes: Die RheinLand Versicherungsgruppe untersucht ihren Vertragsbestand im Hinblick auf künftige Anforderungen der risikobasierten Eigenmittelhinterlegung bei Versicherungsunternehmen (Solvency II) und richtet ihren Rückversicherungsschutz für den Kompositbereich auf ein 200-jähriges Sturmereignis aus. 2007 앫 Einführung einer expliziten Klimastrategie für die RheinLand Versicherungsgruppe. 앫 Beginn der Unterstützung des Streuobstwiesen-Projekts „Nüsser Appel“ der BUNDOrtsgruppe Neuss-Kaarst (siehe Kapitel 3.3.2). Weitere Infos www.rheinland-versicherungsgruppe.de (Umwelt – Kooperationen) Abb. 46: Unser „Umweltbericht 2005 – Versicherung und Klimawandel“ 76 2 Klimawandel 2008 앫 Erhöhung der Mitversicherung auf 80 Prozent: Im Januar 2007 verwüstet Orkan Kyrill mit Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 200 km/h weite Teile Europas. In Europa verursacht Kyrill einen gesamtwirtschaftlichen Schaden von 7,8 Mrd. Euro (davon 4,5 Mrd. Euro versicherte Schäden) und beschert alleine der deutschen Versicherungswirtschaft über 1,5 Millionen Einzelschäden. Die frühzeitig beschlossenen Maßnahmen tragen dazu bei, dass die durch Kyrill verursachte Schadenbelastung sich für die RheinLand Versicherungsgruppe halbiert. Dies veranlasst uns dazu, die Hereinnahme anderer Risikoträger in die Wohngebäudeversicherung im Wege der Mitversicherung zum 1. Juli 2008 auf 80 Prozent weiter zu erhöhen. Orkan Kyrill Wann und wo: Orkan Kyrill fegte am 18. und 19. Januar 2007 über weite Teile Europas. Windgeschwindigkeiten: Flächendeckend wurden deutlich über 100 km/h verzeichnet, mit Spitzenwindgeschwindigkeiten im Flachland von mehr als 140 km/h; an exponierten Bergstationen, z. B. am Wendelstein in Bayern, wurden 202 km/h gemessen. Der Sturm erreichte stellenweise auch im Flachland Orkanstärke (Beaufort-Skala 12 = >118 km/h). Schäden (Auswahl): 54 Mio. m³ zerstörter Wald in Europa (davon etwa 35 Mio. m³ in Deutschland); schwere Landverluste auf Sylt; die Deutsche Bahn musste ihren Betrieb komplett einstellen; vor Südengland havarierte der Container-Frachter MSC Napoli; hunderttausende Haushalte waren von Stromausfällen betroffen; im Bereich der Kaltfront entwickelten sich teils heftige Gewitter mit Hagelschlag; im Osten Deutschlands kam es zu Schäden durch Tornados; es gab 49 Todesopfer (13 in Deutschland). Schadenmeldungen: 1,5 Mio. Einzelschäden für die deutsche Versicherungswirtschaft (auf die RheinLand Versicherungsgruppe entfielen mehr als 13.500 SHU- und KfzSchäden). Schadenhöhe: Kyrill war für Deutschland der teuerste, für Europa der zweitteuerste Wintersturm. Der Gesamtschaden in Europa lag bei 7,8 Mrd. Euro (davon 4,2 Mrd. Euro in Deutschland). Die versicherten Schäden beliefen sich auf 4,5 Mrd. Euro in Europa, davon 2,4 Mrd. Euro in Deutschland. Abb. 47: Orkan Kyrill zerstörte europaweit riesige Waldflächen. 앫 Mitarbeit im GDV-Projekt „Klimawandel“: Die RheinLand Versicherungsgruppe engagiert sich in der Arbeitsgruppe „CO2-Neutralität“. Ziel ist die Erstellung eines Leitfadens zur CO2-Reduzierung in der Branche. 앫 Pflanzung weiterer 21,4 Hektar Wald: Angestrebt wird die dauerhafte CO2-Neutralität unseres Geschäftsbetriebes (Hauptverwaltung) ab Ende 2010 (siehe Kapitel 3.3.1). 77 2009 앫 Umstellung auf Öko-Strom: Der Strombezug der Hauptverwaltung wird zum 1. Januar 2009 auf 100-prozentigen Öko-Strom mit dem „Grüner-Strom-Label-GOLD“ umgestellt. Hierdurch reduzieren wir unsere CO2-Emissionen um etwa 70 Prozent. Das „Grüner-Strom-Label-GOLD“ Das „Grüner-Strom-Label-GOLD“ wird vom Verein „Grüner Strom Label e. V.“ vergeben. Der Verein wird von führenden Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden sowie Friedensorganisationen getragen. Träger sind der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), EUROSOLAR, der Naturschutzbund Deutschland (NABU), der Deutsche Naturschutzring (DNR) und die Verbraucher Initiative sowie Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung e. V. (IPPNW) und die Naturwissenschaftler für den Frieden (NaturwissenschaftlerInnen Initiative). Das Grüner-Strom-Label garantiert den nachweisbaren Ausbau der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien in Deutschland. Die Kunden, die sich für ein mit dem Grüner-Strom-Label zertifiziertes Stromangebot entscheiden, zahlen je kWh einen Aufpreis von mindestens einem Cent, der für den Neubau von Anlagen zur Produktion von Erneuerbare-Energien-Strom verwendet wird. GOLD garantiert 100 Prozent regenerativ erzeugten Strom. Weitere Infos www.gruenerstromlabel.org 앫 „RheinLand-Wald“ in Neuss: Pflanzung weiterer 3,5 Hektar Wald in Neuss (siehe Kapitel 3.3.1). 앫 Klimaneutraler Druck: Auflagenstarke und hochvolumige Druckaufträge, z. B. Geschäfts- und Umweltberichte, werden klimaneutral gedruckt (siehe Seite 153 f.). 앫 Integration von ZÜRS in die Angebotssysteme. 앫 Beginn der Unterstützung des Hauses der Natur – Biologische Station im Rhein-Kreis Neuss e. V. (siehe Kapitel 3.3.5). 앫 Veröffentlichung des „Umweltberichts 2008/2009 – Klimawandel und Biodiversität“. 앫 Markteinführung eines Nachlasses für werksseitig mit Elektro-, Wasserstoff-, Brennstoffzellen-, Hybrid- oder Solarantrieb ausgestattete Pkws (ab 10/2009). Ausblick auf 2010 앫 Dauerhafte CO2-Neutralität unseres Geschäftsbetriebes durch Pflanzung weiterer 45 Hektar Wald: Bis Ende 2010 werden wir voraussichtlich 85 Hektar Wald (etwa 920 x 920 Meter) gepflanzt haben. Durch die Pflanzungen will die RheinLand Versicherungsgruppe alle unvermeidbaren Kohlendioxid-Emissionen ihres Geschäftsbetriebes (Hauptverwaltung) neutralisieren, die sich – einen gleich bleibenden CO2-Ausstoß vorausgesetzt – Jahr für Jahr innerhalb der nächsten 50 Jahre ergeben (siehe Kapitel 3.3.1). Abb. 48: Das „Grüner-Strom-Label“ 78 3. Biodiversität 79 Biodiversität (bios = Leben, divers = verschieden) bezeichnet die Vielfalt der Ökosysteme, in denen Lebewesen voneinander abhängen, die Vielfalt der Arten, die die Evolution im Verlauf der Erdgeschichte hervorgebracht hat, und die Vielfalt der Erbanlagen von Gruppen und Individuen einer Art (genetische Vielfalt). Derzeit sind weltweit knapp zwei Millionen Arten bekannt, die mögliche Gesamtzahl aller Arten auf der Erde beträgt wahrscheinlich weit mehr als zehn Millionen (Streit, 2007). Abb. 50: Die mögliche Gesamtzahl aller Arten auf der Erde beträgt wahrscheinlich weit mehr als zehn Millionen. 3.1 Bedrohungen Gemäß der von der Weltnaturschutzunion IUCN (International Union for Conservation of Nature) im Jahr 2008 veröffentlichten Roten Liste bedrohter Arten sind 16.928 Tier- und Pflanzenarten weltweit vom Aussterben bedroht, darunter fast ein Drittel aller Amphibien, jede achte Vogelart und jede vierte Säugetierart. Für ihre Berechnung hat die IUCN 44.838 Arten evaluiert, demnach liegt der Anteil der gefährdeten Arten bei knapp 40 Prozent. Dieser Artenrückgang betrifft nicht nur Wildtiere und -pflanzen, sondern auch domestizierte, landwirtschaftlich genutzte Tiere und Pflanzen. So bilden heute nur noch rund 15 Pflanzenarten und acht Nutztierrassen die Basis der Ernährung der gesamten Weltbevölkerung (oekom research, 2008 a). Weitere Infos www.iucn.org 80 3 Biodiversität Einfalt statt Vielfalt Mitte des 19. Jahrhunderts verhungerten schätzungsweise 500.000 bis eine Million Iren, weil ihre Kartoffelernte durch einen Pilz vernichtet wurde. Auch heute noch machen Kartoffeln weltweit 50 Prozent der pflanzlichen Nahrung der Menschen aus. Der Mensch hat sich nicht gerade üppig aus dem Sortiment der Natur bedient. Obwohl ein Viertel der 240.000 Pflanzenarten essbar ist, landeten im Lauf der Geschichte nur rund 3.000 Arten auf den Tellern. Nur 20 Arten liefern heute 90 Prozent der Pflanzen, die wir essen. Davon sind Weizen, Mais, Reis und Kartoffeln die wichtigsten. Doch Bauern und Züchter haben tausende Sorten aus den einzelnen Arten gezüchtet. Wenn eine Sorte Probleme machte, griff man auf die Nachbarsorte zurück. Die moderne Landwirtschaft beschränkt sich jedoch auf wenige Hochleistungssorten. Welche Gefahren dies birgt, zeigt die große Reis-Krise in den 1970er-Jahren. Ein aggressives Virus vernichtete die Ernten von Indien bis Indonesien. 6.273 Reissorten wurden getestet – nur eine widerstand dem Virus. Sehr leicht hätte sie zu den bereits untergegangenen Arten gehören können. Die höchste Artenvielfalt ist in den Tropen und Subtropen zu finden. Geschätzte 70 Prozent der Arten leben hier. Das Wissen um die Lebenszusammenhänge in diesen Regionen ist jedoch gering und kann im Wettlauf mit der rasant fortschreitenden Zerstörung nicht mithalten. Von 1950 bis 2000 hat sich die Fläche der tropischen Regenwälder halbiert (BUND, 2008 b). Bei Säugetieren und Vögeln wird die natürliche Aussterberate heute um das 100- bis 1.000-Fache übertroffen. Die Gesamtzahl der Arten hat zwischen 1970 und 2000 bereits um – so schätzt man – 40 Prozent abgenommen. Derzeitige Schätzungen gehen davon aus, dass jeden Tag 130 Arten aussterben! Abb. 51: Schätzungen gehen davon aus, dass jeden Tag 130 Arten aussterben. Die im Jahr 2005 veröffentlichte Weltökosystem-Studie „Millennium Ecosystem Assessment“ des World Resources Institute (WRI) listet 24 Dienstleistungen auf, die von diversen Ökosystemen erbracht werden. Sie sind für den Menschen unverzichtbar oder nur mit großem technischem und finanziellem Aufwand zu ersetzen. Dazu zählt die Speicherung und Filterung von Trinkwasser, die Reinigung der Luft von Schadstoffen, die Bestäubung von Nutzpflanzen durch Insekten und Fledermäuse, das Lockern der Böden, Schutz vor Bodenerosion, Steigerung der Bodenfruchtbarkeit und das Entfernen des Treibhausgases CO2 aus der Atmosphäre. Von den dafür wichtigen Ökosystemen weisen 15 einen negativen Trend aus, sie sind im Niedergang begriffen oder werden nicht nachhaltig genutzt (WRI, 2005). Heimische Vielfalt In Deutschland gibt es ca. 45.000 Tier- und 28.000 Pflanzenarten. Als bedroht gelten inzwischen 40 Prozent der Tierarten, über 30 Prozent der Pflanzenarten und etwa 70 Prozent der Biotope. Schuld daran ist vor allem die Vernichtung von Lebensräumen (BUND, 2008 b). Trotz einiger positiver Entwicklungen – so konnten z. B. Seeadler, Schwarzstorch, Wanderfalke und Uhu von der Roten Liste genommen werden – ist der Bestand von Tier- und Pflanzenarten in Deutschland und weltweit insgesamt weiterhin alarmierend (BMU, 2009). 81 Nach Angabe des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) sind mehr als 60 Prozent aller Ökosysteme weltweit geschädigt. Es sind in erster Linie die 6,7 Milliarden Menschen, welche die Natur in nie da gewesenem Tempo zerstören. Durch Urbanisierung und den Ausbau der Infrastruktur, durch die Intensivierung und den Ausbau landwirtschaftlich genutzter Flächen (in zunehmendem Maße auch für die Biosprit-Produktion), durch Verschmutzung von Wasser, Boden und Luft, durch das Einschleppen fremder, teils invasiver Arten (siehe auch Kowarik, 2003), durch unkontrolliertes Jagen und Fischen und nicht zuletzt durch den Klimawandel. „Der Homo sapiens [Mensch] ist eine unglaublich junge Spezies. Wir sehen das zwar nicht so, aber wir sind es. Wir tauchten erst sehr spät in der Zeitrechnung der Erde auf. Wenn die Erde am 1. Januar entstanden wäre und wir jetzt den 31. Dezember hätten, dann gäbe es uns seit 15 Minuten vor Mitternacht des 31. Dezember und die ganze uns bekannte Geschichte hätte sich in den letzten 60 Sekunden abgespielt. “ Janine Benyus (Autorin) im Film „The 11th hour – 5 vor 12“ Global Footprint – der „ökologische Fußabdruck“ wird größer Am 23. September 2008 hatte die Menschheit alle natürlichen und regenerierbaren Ressourcen verbraucht, die die Erde in diesem Jahr zur Verfügung stellte. Ab diesem Tag konnte jeglicher Müll, der erzeugt wurde sowie alle Treibhausgase, die in die Atmosphäre gelangten, nicht mehr von der Natur verarbeitet werden. Nach Berechnungen des Global Footprint Network bräuchte die Menschheit 1,4 Erden, um den Planeten nicht zu überlasten. Der „Tag der ökologischen Überschuldung“ kam 2008 bereits zwölf Tage früher als noch 2007. Jedes Jahr berechnet das Global Footprint Network den „ökologischen Fußabdruck“ der Menschheit, das heißt den Bedarf an Acker- und Weideland, Wäldern und Fisch sowie den Platzbedarf für Infrastruktur. Dieser Bedarf wird der weltweiten biologischen Kapazität gegenübergestellt, also dem Vermögen der Ökosysteme, Ressourcen aufzubauen und Müll aufzunehmen. Über den „ökologischen Fußabdruck“ kann der genaue Tag festgelegt werden, an dem die weltweite Gemeinschaft mehr verbraucht, als der Planet jedes Jahr produziert: der Tag der ökologischen Überschuldung. Abb. 52: Filmplakat zu „The 11th hour – 5 vor 12“ (© Warner Bros. Entertainment) 1986 war das erste Jahr, in dem die Menschheit weltweit über ihre Verhältnisse lebte. Der Tag der ökologischen Überschuldung war damals der 31. Dezember. Nur zehn Jahre später verbrauchte die Menschheit 15 Prozent mehr Ressourcen, der Tag der ökologischen Überschuldung wanderte in den November. 2007 lag er noch auf dem 6. Oktober, 2008 fiel er auf den 23. September. Weltweit verbrauchen wir also rund 40 Prozent mehr, als es die natürliche Kapazität der Erde zulässt (Greenpeace, 2008). Living Planet Report 2008 Der Raubbau an der Erde nimmt immer dramatischere Formen an und ist so groß wie nie zuvor. Zu diesem Ergebnis kommt der „Living Planet Report 2008“ des WWF International. Wenn der Verbrauch an natürlichen Ressourcen weitergeht wie bisher, würden bis zum Jahr 2035 zwei Planeten benötigt, um den Bedarf an Nahrung, Energie und Fläche zu decken. Hauptverantwortlich dafür sind vor allem steigender Ressourcenverbrauch, Entwaldung, der vom Menschen verursachte Klimawandel, Umweltverschmutzung und Überfischung. Als Folge werden Ökosysteme zerstört, Arten ausgerottet und Wasserreserven verknappt (WWF International, 2008 b). 82 3 Biodiversität 3.1.1 Biodiversität und Klimawandel Der Klimawandel wirkt sich nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen eindeutig negativ auf die biologische Vielfalt aus und dürfte nach Aussage der Weltökosystem-Studie „Millennium Ecosystem Assessment“ des World Resources Institute (WRI) die wichtigste direkte Ursache des Verlusts biologischer Vielfalt werden (WRI, 2005, und BMU, 2008 c). Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Natur sind mannigfaltig. Bereits jetzt nimmt der Klimawandel einen weit verbreiteten und zusammenhängenden Einfluss auf systematische Trends eines ökologischen Wandels in allen Lebensräumen auf allen Kontinenten. Das schließt alle Formen von Pflanzen und Tieren von Säugetieren bis zu Wirbellosen ein. Die Widerstandsfähigkeit vieler Ökosysteme wird im 21. Jahrhundert mit hoher Wahrscheinlichkeit stark überschritten, weil sie durch eine bisher einmalige Kombination von Klimaänderung und damit verbundenen Störungen (z. B. Überschwemmungen, Dürren, Flächenbränden, Insekten und Ozeanversauerung) sowie anderen Stressfaktoren des globalen Wandels – wie Landnutzungsänderungen, Umweltverschmutzung, Übernutzung von Ressourcen – belastet werden. Bei einer Zunahme der globalen Durchschnittstemperatur um mehr als zwei bis drei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Temperaturniveau wird die Leistungsfähigkeit einiger Ökosysteme so eingeschränkt werden, dass negative Konsequenzen für von Ökosystemen gelieferte Produkte und Dienstleistungen – wie Wasser und Nahrungsmittel – erwartet werden. Etwa 20 bis 30 Prozent der Tier- und Pflanzenarten, die bisher untersucht wurden, sind vom Aussterben bedroht, wenn die globale Temperatur mehr als zwei bis drei Grad Celsius über das vorindustrielle Niveau ansteigt. Bei mehr als vier Grad Celsius könnte es sogar 40 Prozent der Arten treffen (IPCC, 2007). Der Klimawandel … 앫 wirkt sich nach wissenschaftlichen Erkenntnissen eindeutig negativ auf die biologische Vielfalt aus und dürfte nach Aussage der Weltökosystemstudie „Millennium Ecosystem Assessment“ die wichtigste direkte Ursache des Verlusts biologischer Vielfalt werden. 앫 zwingt die biologische Vielfalt bereits heute, sich durch die Verlagerung von Lebensräumen, die Veränderung von Lebenszyklen oder die Entwicklung neuer physischer Merkmale anzupassen. 앫 wird andererseits in seinen Auswirkungen maßgeblich von einer intakten biologischen Vielfalt abgefedert, da sie die Anpassung an veränderte Klimabedingungen erleichtert (z. B. dürreresistente Kulturpflanzen) und Katastrophenschutz bietet (z. B. Mangroven gegen Überschwemmungen). 앫 kann durch die Erhaltung von Lebensräumen bekämpft werden, da natürliche Kohlenstoffsenken wie Wälder und Feuchtgebiete den Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre reduzieren; derzeit ist die Entwaldung aber noch für 20 Prozent der vom Menschen verursachten Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich (BMU, 2008 c). 83 Veränderungen in NRW Die Jahresmitteltemperatur in NRW ist seit 1901 um 1,1 Grad Celsius angestiegen. Schon heute beginnt in NRW die Apfelblüte neun Tage früher als in der vorindustriellen Zeit. Die Verlängerung der Vegetationszeiten beträgt ebenfalls etwa neun Tage und auch das Eindringen neuer Tier- und Pflanzenarten wurde beobachtet: Wespenspinne, Dornfingerspinne, Robinie und Schmetterlingsstrauch fühlen sich zunehmend wohl in NRW. Im 20. Jahrhundert wurden vielfältige Veränderungen beobachtet, deren Trend sich verstärken wird. Mit den veränderten Ökosystemen ändern sich die Lebensbedingungen für viele Tiere und Pflanzen. Beispiele dafür sind: 앫 früheres Einsetzen von Blattaustrieb und Blütenbildung 앫 Verschiebung der Lebensräume vieler Organismen in größere Höhen oder polwärts 앫 Dezimierung zahlreicher Tier- und Pflanzenpopulationen 앫 verändertes Brut- und Wanderungsverhalten bei Vögeln 앫 Einwandern nicht heimischer (invasiver) Tier- und Pflanzenarten Invasive, nicht heimische Arten Europa ist Einwanderungskontinent für mehr als 11.000 fremde Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen. Den Schaden durch diese Lebewesen taxieren Forscher des Projekts „Delivering Alien Invasive Species Inventories for Europe“ (DAISIE) auf mindestens 10 Milliarden Euro. Die Wissenschaftler betonen allerdings, dass diese Zahl sehr wahrscheinlich viel zu niedrig sei, weil die wirtschaftlichen Auswirkungen von 90 Prozent der Aliens überhaupt nicht bekannt seien. Viele der Arten beeinträchtigen zudem die biologische Vielfalt – sie betreffen die Umwelt, einzelne Lebensräume, einheimische Pflanzen, Tiere oder Mikroorganismen. Im Vergleich zu einer Schätzung vor zehn Jahren leben heute etwa fünfmal mehr fremde Vögel, dreimal mehr fremde Säugetiere und etwa doppelt so viele fremde Pflanzen in Europa. Die Liste der 100 übelsten Einwanderer in Europa umfasst beispielsweise die Tigermücke, die sich vor allem in Italien ausbreitet. Der unliebsame Stecher überträgt u. a. Krankheitserreger wie das West-Nil-Virus und die Auslöser des Dengue-Fiebers. Unter den Landpflanzen zählen die DAISIE-Wissenschaftler u. a. die auch in Deutschland weit verbreitete Beifußblättrige Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia) zu den größten Übeltätern. Empfindliche Menschen leiden etwa ab Juli unter den Unmengen besonders stark Allergien auslösender Pollen, die das Kraut abgibt (siehe BfN, 2008, und Nentwig, 2009). Weitere Infos www.europe-aliens.org 84 3 Biodiversität Für südlich verbreitete, Wärme liebende Arten und anpassungsfähige Arten (Generalisten) mit großer Toleranz gegenüber Umweltveränderungen wurden in Europa Ausdehnungen ihres Lebensraums in kühlere Klimate beobachtet. Gleichzeitig wird für weniger wärmebedürftige Arten der kühleren Klimate und für an bestimmte Umweltbedingungen angepasste, spezialisierte Arten (z. B. Insel-, Küsten- oder Gebirgsarten) eine Verschiebung bzw. Verkleinerung ihrer Vorkommensgebiete festgestellt. Allgemein gilt: Anpassungsfähige Arten (Generalisten) werden vom Klimawandel auf Kosten hoch spezialisierter Arten (Spezialisten) profitieren (WWF Deutschland, 2007 a). Globale Untersuchungen konnten nachweisen, dass sich die Verbreitungsgebiete zahlreicher Pflanzen- und Tierarten durchschnittlich um etwa sechs Kilometer pro Jahrzehnt in Richtung Pole bzw. in Gebirgen rund sechs Meter aufwärts verschieben (WWF Deutschland, 2007 c, und BUND, 2009). Viele Ökosysteme sind für Klimaänderungen besonders anfällig. Einige von ihnen werden dauerhaft geschädigt, wie beispielsweise Gletscher, Korallenriffe, Mangrovenwälder, boreale und tropische Wälder, Prärie- und Feuchtgebiete, Graslandschaften sowie arktische und alpine Ökosysteme. Auch Regionen mit derzeit besonders hoher biologischer Vielfalt („Biodiversity hot spots“) werden sich aufgrund der Klimaänderung stark verändern und viele Arten werden verschwinden (WWF Deutschland, 2007 a). Klimawandel bedroht Artenvielfalt an deutscher Nordseeküste Der Klimawandel bedroht die Artenvielfalt an der deutschen Nordseeküste. Schon bis Mitte des Jahrhunderts steigt der Meeresspiegel nach jüngsten Prognosen um mehr als einen halben Meter, die Stürme werden stärker, die Sturmfluten höher. Nach einer vom WWF veröffentlichten Studie werden in den Flussmündungen von Elbe, Weser, Ems und Eider wertvolle Lebensräume wie Salzwiesen, Auwälder und Flachwasserzonen verloren gehen (WWF Deutschland, 2008 a). Laut IPCC genügen manchmal schon kleine Klimaveränderungen, um gefährdete Arten aussterben zu lassen. Zu diesen sehr gefährdeten Arten zählen die Berggorillas in Afrika, der Pracht-Quetzal in Zentralamerika, andere Waldvögel in Tansania, der Brillenbär in den Anden, der Bengalische Tiger sowie viele Arten der Sundarban-Mangrovensümpfe in Bangladesch (dem größten Mangrovenwald der Erde) und die einzigartigen Pflanzenarten am südafrikanischen Kap. Tausende afrikanischer Pflanzenarten in den besonders artenreichen Bergregionen könnten ebenso verschwinden wie die Eisbären in der Arktis. Aktuell verdeutlicht die wachsende Nachfrage nach Sojaprodukten und Palmöl aus den Tropen die Verbindung von Biodiversität und Klimawandel (siehe Seite 36; siehe auch BUND, 2008 a). Im Folgenden wird anhand einiger ausgewählter Beispiele verdeutlicht, wie tief greifend die Veränderungen in der Natur sind bzw. sein werden. Abb. 53: Der Berggorilla zählt zu den bedrohtesten Arten weltweit. 85 a) Veränderungen in der Pflanzenwelt Der Klimawandel bringt ein breites Spektrum an Veränderungen für die Pflanzenwelt mit sich: So werden sich Pflanzen an höhere Temperaturen, größere Trockenheit, eine veränderte Verteilung der Niederschläge und einen erhöhten Kohlendioxid-Gehalt anpassen müssen. Bereits jetzt sind einige Veränderungen zu beobachten, so z. B.: 앫 eine längere Vegetationszeit (sehr früher Laubaustrieb und eine vorverlegte Blütezeit bergen die Gefahr, dass Pflanzen durch Spätfröste im Frühjahr in ihrer Entwicklung beeinträchtigt werden) 앫 andere Verbreitungsgebiete (Arten, die in Gebirgen oder höheren, kühleren Breiten leben, können bei fortschreitender Erwärmung nicht beliebig weit in höhere Lagen bzw. in Richtung der Pole wandern) 앫 veränderte Pflanzengesellschaften (mit steigenden Temperaturen kommt es zu einer Verringerung des pflanzenverfügbaren Bodenwassers, dadurch haben wärmebedürftige Pflanzenarten trockener Standorte einen Vorteil) 앫 das lokale Aussterben von Arten und Pflanzengesellschaften (die den veränderten Umweltbedingungen nicht standhalten) 앫 das Einwandern nicht heimischer Arten (die einheimische Arten verdrängen und wirtschaftliche sowie gesundheitliche Schäden verursachen können) Klimawandel bedroht jede fünfte Pflanzenart in Deutschland Jede fünfte Pflanzenart in Deutschland könnte bis zum Jahr 2080 Teile ihres heutigen Verbreitungsgebietes verlieren. Als Folge des Klimawandels werden die Vorkommen der Arten neu verteilt. Dies könnte die Vegetation vor allem im Südwesten und im Osten Deutschlands stark verändern. Selbst bei moderatem Klimawandel und geringen Veränderungen der Landnutzung ist damit zu rechnen, dass die Flora geschädigt wird. Dies zeigt, wie wichtig es ist, die Erwärmung auf zwei Grad Celsius über das vorindustrielle Niveau zu begrenzen, um eine große Biodiversität der pflanzlichen Artengemeinschaft erhalten zu können. Die Auswirkungen des klimatischen Wandels führen zu lokalen Verlusten in der Flora. Ein genereller Trend ist die Verkleinerung der Verbreitungsgebiete der Pflanzen. Es wandern aber auch Arten aus Mittel- und Südeuropa zu, die bislang nicht in Deutschland vorkamen. Die Effekte sind lokal unterschiedlich, negative Auswirkungen auf die aktuelle Artenvielfalt sind vor allem in Nordost- und Südwestdeutschland absehbar. Besonders viele Arten könnten das Saarland, Rheinland-Pfalz und Hessen sowie die Tieflandebenen Brandenburgs, Sachsen-Anhalts und Sachsens verlieren. Dagegen könnten die Artenzahlen in den Mittelgebirgen Baden-Württembergs, Bayerns, Thüringens und Sachsens durch einwandernde Pflanzen leicht zunehmen (PIK-Potsdam, 2008). 86 3 Biodiversität Beispiel Wald und Forstwirtschaft Während die Buche (Fagus sylvatica) nach Meinung von Forstexperten weiterhin zahlreich vertreten sein wird, wird die häufigste angebaute Baumart Deutschlands, die flach wurzelnde Fichte (Picea abies), unter höheren Temperaturen und damit einhergehender Trockenheit leiden. Der Brotbaum der deutschen Forstwirtschaft bevorzugt kühle und feuchte Standorte. In längeren Trockenperioden erhält die Fichte nicht mehr genügend Wasser und wird anfälliger für Schädlinge und heftige Stürme (siehe auch Stiftung Wald in Not, 2008, und TU Dresden & Stiftung Wald in Not, 2008). Nach einer Studie der TU München könnte sich wegen der Klimaerwärmung die Borkenkäferplage bis zum Jahr 2015 verdreifachen. Ebenfalls auf dem Vormarsch sind Maikäfer (siehe Seite 92). Hinzu kommt, dass die Eier und Larven vieler Insekten bei den milden Temperaturen den Winter überleben. Im Verlauf des Jahres könnten so zusätzliche Generationen heranwachsen. Durch Trockenheit, höhere Temperaturen und Luftschadstoffe geschwächt, macht die Zunahme der Schädlinge vielen Bäumen zu schaffen. Abb. 54: Fichtenforste sind besonders anfällig für die Folgen des Klimawandels. Experten empfehlen daher, Mischwälder zu pflanzen, um die Widerstandskraft der Forste gegen den Klimawandel zu erhöhen. Wegen solcher Unwägbarkeiten wollen nun immer mehr Waldbesitzer die von Orkan und Käfer geplagten Fichten durch Baumarten fremdländischer Herkunft ersetzen. Die kanadische Douglasie beispielsweise ist nach nur 50 Jahren erntereif, für Ökologen jedoch ein rotes Tuch. Der Fremdling kann von der heimischen Fauna kaum genutzt werden: Seine Samen dienen nur etwa sieben europäischen Vogelarten als Futter, die von Tanne und Fichte ernähren bis zu 39 Arten. Der Anbau nicht heimischer, hitze- und trockenheitsresistenterer Arten aus Kanada, Spanien, Portugal und Italien könnte demnach nicht nur das Bild vom deutschen Wald massiv verändern. Auch Insekten, Vögel und andere Tiere müssten sich auf die Zuwanderer einstellen. Abb. 55: Die Borkenkäferplage könnte sich bis 2015 verdreifachen. Wälder und Moore schützen Moore und Wälder sind natürliche Kohlendioxidspeicher. 20 Prozent der klimaschädlichen Emissionen gehen auf das Konto von Waldrodungen vor allem in den Tropen und Subtropen (siehe auch WWF Deutschland, 2008 b). Der Schutz der biologischen Vielfalt leistet einen Beitrag zum Klimaschutz, beispielsweise, indem Moore und Wälder erhalten oder wiederhergestellt werden. 87 Beispiel Weinbau Gehören die deutschen Winzer zu den Gewinnern des Klimawandels? Schließlich steigt mit den Temperaturen und der erhöhten Sonneneinstrahlung der Öchslegehalt des Weins. Aber was ist im Jahr 2050? Dann droht den heutigen Rebsorten Gefahr durch Hitze, Trockenheit und Schädlinge aus dem Süden. Muss dann bereits im September statt im Oktober geerntet werden, damit der Wein nicht zu schwer wird? Dann aber haben die Trauben nicht den Wechsel von warmen Tagen und kalten Nächten des Herbstes, sie erhalten nicht genügend Säure, der Wein wird zu flach. Erfolgt die Ernte im Oktober (des Jahres 2050), enthält der Wein sehr viel mehr Zucker als heute, was den Alkoholgehalt steigen lässt. Da Verdünnen mit Wasser nicht infrage kommt, bleibt nur der Umstieg auf andere Sorten. Abb. 56: Der deutsche Weinbau könnte vom Klimawandel profitieren. Mögliche Lösung: Anbau neuer Rebsorten und Umstrukturierung der Weinberge. Begehrte Sorten aus Südeuropa werden Einzug halten, Deutschland wird zum Rotweinland. Wurden vor 25 Jahren hierzulande zwölf Prozent wärmebedürftiger Rotwein angebaut, sind es heute fast 30 Prozent. Ob in Zukunft aber noch Riesling an der Mosel wachsen wird, erscheint fraglich. Denn diese Traubensorte muss langsam reifen und verträgt keine Hitze. Zum Problem könnten auch vermehrte Niederschläge im Herbst werden. Sie gefährden die Weinlese, weil Fäulnis droht. Bleibt die Frage einer gesicherten Wasserversorgung im Sommer: Das Austrocknen von Flüssen wird nicht selten die Bewässerung der Weinberge erschweren. Beispiel Landwirtschaft Auch Landwirte werden reagieren und in dem neuen Klima entsprechende Sorten anbauen müssen. Es herrscht Handlungsbedarf, da in den vergangenen Jahren sommerliche Hitze einen Teil der Weizenernte in Deutschland zerstört hat. Während aber z. B. in Brandenburg künftig Dürren drohen, erhoffen sich Ackerbauern andernorts Vorteile von der Klimaerwärmung und den damit einhergehenden längeren Vegetationszeiten. In Teilen Bayerns hat der Klimawandel die Roggenernte um drei bis vier Wochen nach vorne geschoben. Einige Bauern experimentieren dort inzwischen mit Getreidesorten, die bislang in Deutschland nicht kultiviert wurden, weil sie mehr Sonne brauchen. So steigen die Chancen für den Anbau von Hartweizen, eine Weizensorte, die wegen ihrer klimatischen Bedürfnisse hauptsächlich in den Mittelmeerländern kultiviert wird. Abb. 57: Sommerliche Hitze gefährdet die Weizenernte in Teilen Deutschlands. 88 3 Biodiversität Bauern in der Pfalz brachten im vergangenen Jahr die ersten vorgekeimten Kartoffeln bereits Mitte März in den Boden; Mitte Mai begannen sie mit der Ernte. Können die Bauern früh ernten, steigen ihre Chancen gegenüber der Konkurrenz aus südlichen Ländern. Zugleich eröffnen vorgezogene Ernten den Bauern ganz neue Perspektiven, denn die Äcker stehen für eine Zweitnutzung zur Verfügung. Andere Landwirte setzen auf den Anbau von Energiepflanzen als Zweitkultur und sehen den Klimawandel als Chance (NABU, 2009). b) Veränderungen in der Tierwelt Auch die Tierwelt wird durch die globale Erwärmung beeinflusst. Einige absehbare Entwicklungen sind: 앫 polwärtige Verschiebung der Verbreitungsgebiete 앫 Ausbreitung heimischer und nicht heimischer Wärme liebender Arten in Deutschland 앫 Rückgang von weniger wärmebedürftigen Arten 앫 Veränderung der zeitlichen Abfolge von Lebensstadien (Paarungszeit, Eiablage etc.) zahlreicher Tierarten Sehr mobile Arten, wie viele Vogel- und Insektenarten, werden auf die Veränderungen ihrer Lebensräume schneller reagieren als weniger mobile Arten wie die meisten Amphibien und Reptilien. Allgemein gilt auch für Tierarten: Anpassungsfähige Arten (Generalisten) werden vom Klimawandel auf Kosten hoch spezialisierter Arten (Spezialisten) profitieren (WWF Deutschland, 2007 c). Fremde Arten in Nord- und Ostsee Durch den globalen Klimawandel sind Nord- und Ostsee im vergangenen Jahrzehnt deutlich wärmer geworden. Seit 1993 stiegen die durchschnittlichen Temperaturen im Jahr um insgesamt 1,7 Grad Celsius an. Schon jetzt ist die Veränderung im Wattenmeer deutlich sichtbar: So fanden Forscher 1991 beispielsweise die erste wilde Pazifische Auster im Sylter Watt. In den heißen Sommern 2003/2004 vermehrte sich die Exotin, die eigentlich in Japan und Korea heimisch ist, rasant und bevölkert heute flächendeckend Muschelbänke und Molen mit bis zu tausend Tieren pro Quadratmeter. Experten fürchten, dass sie die heimischen Miesmuscheln zunehmend verdrängen könnte. In der Ostsee haben Kieler Meeresforscher zahlreiche amerikanische Rippenquallen entdeckt. In Proben aus der Kieler Förde befanden sich rund 80 Quallen pro Kubikmeter. Werden es noch mehr, fürchten Experten, ist der Fischbestand der Ostsee gefährdet. 89 Säugetiere Schon heute erreichen kanadische Karibus die Gebiete, in denen sie kalben, erst, wenn die besten Weiden bereits vertrocknen. Eisbären verhungern an Land, weil das Eis ausbleibt, das ihnen die Rückkehr in ihre Jagdgebiete auf dem Meer ermöglicht. Beispiel Eisbär Der Eisbär (Ursus maritimus) ist das Symboltier des Klimawandels geworden. Wie kaum ein anderes Tier steht er für einen vom Klimawandel in höchstem Maße bedrohten Lebensraum, die Arktis. Der Eisbar steht an der Spitze der Nahrungskette des arktischen Meeres. Obwohl Eisbären eigentlich Landtiere sind, sind sie von ihrer marinen Umgebung völlig abhängig. Die langen Winter verbringen sie auf dem Packeis, um dort v. a. nach Robben, ihrer Hauptnahrung, zu jagen. Wenn das Eis ausbleibt, das ihnen die Rückkehr in ihre Jagdgebiete auf dem Meer ermöglicht, verkürzt sich die Periode, in der sie sich von Robben ernähren können. Nach den derzeitigen Beobachtungen ist es wahrscheinlich, dass der Nordpol bereits Mitte dieses Jahrhunderts in den Sommermonaten eisfrei sein wird, was dramatische Folgen für die Eisbären hätte – sie verlieren ihre Nahrungsgrundlage. Es ist wahrscheinlich, dass die Eisbären zumindest im südlichen Teil ihrer Verbreitungsgebiete lokal aussterben. Eisbären bekommen nur alle drei Jahre ein bis maximal drei Junge. Dies macht eine Anpassung der Tiere an die sich sehr schnell verändernden Umweltbedingungen unwahrscheinlich (WWF Deutschland, 2007 a). Abb. 58: Mit dem Schwinden des arktischen Meereises verliert der Eisbär seinen Lebensraum. Beispiel Blauwal Die Hauptnahrungsquelle für den Antarktischen Blauwal (Balaenoptera musculus), der Krill (Euphausia spec.), geht in seinem Bestand stark zurück. Die Kleinkrebse ernähren sich von Algen, die sich unter dem Polareis entwickeln. Der Krill in der Antarktis leidet unter dem Verschwinden der schwimmenden Eismassen, unter denen er sich ernährt und seinen Lebensraum findet, denn mit dem Eis gehen auch die Algen zurück. Weniger Algen heißt auch weniger Krill und weniger Krill bedeutet letztlich weniger Nahrung für die Blauwale (WWF Deutschland, 2007 a). Abb. 59: Der Blauwal ist mit einer Länge von bis zu 33,5 Metern das größte auf der Erde lebende Tier. 3 90 Biodiversität Auch auf unsere heimischen Säugetiere wirkt sich der Klimawandel bereits aus. Diese Auswirkungen sind meist indirekt und erfolgen über die Veränderung von Lebensräumen und des Nahrungsangebots sowie über daraus resultierende neue Konkurrenzverhältnisse. Profitieren werden auch hier die Generalisten und Wärme liebenden Arten gegenüber spezialisierten, weniger wärmebedürftigen Tieren (WWF Deutschland, 2007 c). Beispiel Siebenschläfer Abb. 60: Siebenschläfer Beobachtungen zeigen ein deutlich verfrühtes Aufwachen des Siebenschläfers (Glis glis) aus dem Winterschlaf. Das Erwachen des Kleinsäugers erfolgt um durchschnittlich vier Wochen früher im Jahr. Dieses Verhalten kann die Konkurrenz zwischen höhlenbrütenden Singvögeln und Siebenschläfern um Nisthöhlen erhöhen. Bezogen die Siebenschläfer um 1970 die Bruthöhlen erst im Juni, so fällt dies heute immer häufiger mit der Bebrütung oder Eiablage bestimmter Vogelarten im Mai zusammen. Trifft der Siebenschläfer auf die Vogelbrut, so frisst er diese. Auswirkungen dieser Entwicklung können Populationsrückgänge der betroffenen Singvogelarten sein (WWF Deutschland, 2007 c). Vögel Der Jahresrhythmus vieler Vogelarten verändert sich. In milden Wintern verkürzen viele Zugvögel ihre Reise. Kraniche, die normalerweise den Winter in Spanien und Portugal verbringen, bleiben zu tausenden in Deutschland, ebenso Stare, Feldlerchen, Goldregenpfeifer, Kiebitze und Hausrotschwänze. Das kann diesen Vögeln zwar Vorteile in der kommenden Brutsaison bescheren, erfolgt jedoch noch ein heftiger Wintereinbruch, werden viele nicht überleben. Nach Untersuchungen des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) verlagern sich in Deutschland die Rastbestände überwinternder Wasservögel immer mehr in Richtung Nordosten. Ein Beispiel ist die Löffelente. Die Rastbestände kälteunempfindlicherer Arten, wie etwa der Stockente, nehmen hingegen in Deutschland kontinuierlich ab. Auch die Zahl der im Wattenmeer überwinternden Ringelgänse hat abgenommen, ebenso die der muschelfressenden Knutts und Austernfischer. Ihr Rückgang wird auf ein vermindertes Nahrungsangebot zurückgeführt: In den letzten Jahren gab es, bedingt durch die milden Winter, nur wenig Muschelnachwuchs (Sudfeldt et al., 2008). Die Klimaveränderung kann außerdem dazu führen, dass sich die Jahreszeiten verschieben, also z. B. der Frühling früher als üblich einsetzt. Auch das hat drastische Auswirkungen für die ziehenden Vögel: Ihre Hauptnahrung ist dann bei ihrer Ankunft am Zielort zum Teil nicht mehr verfügbar (wenn sich z. B. die benötigten Insekten klimabedingt schon früher entwickelt haben) – ausbleibender Bruterfolg ist eine der Folgen (siehe auch Schäffer, 2008). 91 Beispiel Trauerschnäpper Der Trauerschnäpper (Ficedula hypoleuca) kommt in Deutschland häufig vor. Die Art überwintert im zentralen Afrika und ihre Rückkehr nach Europa fällt in der Regel mit dem Frühlings-Höhepunkt der Insektendichte zusammen. Für die Aufzucht des Nachwuchses ist damit normalerweise ausreichend Nahrung gewährleistet. Aufgrund des früher beginnenden Frühlings kommen manche Trauerschnäpper zu spät in Europa an und verpassen den Zeitpunkt der höchsten Insektendichte. Die Folge: Einige Populationen, z. B. in den Niederlanden, sind bereits um bis zu 90 Prozent zurückgegangen (WWF Deutschland, 2007 a). Abb. 61: Trauerschnäpper Mit dem Durcheinander des Klimas steigen die Risiken für eine Tierwelt, die im Laufe ihrer Geschichte vielfältige Anpassungen entwickelt hat. Arten mit nur geringen Anpassungsfähigkeiten werden zu den Verlierern zählen. Dazu gehören besonders die Trans-SaharaZieher unter den Zugvögeln, wie Kuckuck, Pirol oder Gartenrotschwanz. Abb. 62 und 63: Pirol und Gartenrotschwanz könnten zu den Verlierern des Klimawandels gehören. Besonders gefährdet sind vor allem Gebirgs-, Küsten-, Insel- und arktische Vogelarten. Diese Vögel haben sich an die besonderen Bedingungen in ihrem Lebensraum angepasst und können auf die Veränderungen nicht schnell genug reagieren. Dagegen werden Wärme liebende Arten wie der Bienenfresser tendenziell begünstigt. So findet der buntschillernde Exot aus dem Mittelmeerraum nun auch in Deutschland zunehmend eine Heimat. 2006 brüteten nach Angaben des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) hier schon mehr als 500 Paare. Während seit Endes des Zweiten Weltkrieges die Intensivierung der Landwirtschaft der wichtigste Faktor bei der Veränderung der Vogelbestände war, wird dieser Einflussfaktor jetzt erstmals durch den Klimafaktor übertroffen. Problematisch ist, dass Arten im nördlichen Skandinavien oder in Hochlagen von Gebirgen schon jetzt kaum noch Ausweichmöglichkeiten haben. Abb. 64: Der Bienenfresser wird zunehmend auch in Deutschland heimisch. 3 92 Biodiversität Amphibien und Reptilien Amphibien- und Reptilienarten sind zumeist nicht so mobil wie andere Tiergruppen und sind daher besonders den Auswirkungen des Klimawandels ausgesetzt. Eines der größten Probleme für die Amphibienpopulationen durch den globalen Klimawandel ist der Verlust an Lebensraum. Dürren und zu geringer Niederschlag können die Feuchtlebensräume oder Gewässer der Amphibien austrocknen, was Populationseinbrüche nach sich zieht (WWF Deutschland, 2007 c). Abb. 65: Amphibienarten wie der Feuersalamander sind den Auswirkungen des Klimawandels in besonderem Maße ausgesetzt. Seit den 1970er-Jahren wird ein dramatischer Rückgang der Amphibienarten beobachtet. Vermutlich hat das Sterben verschiedene Ursachen, aber auch hier dürfte der Klimawandel eine Rolle spielen. Veränderungen der Temperatur- oder Niederschlagsverhältnisse wirken sich nicht nur auf die Verhaltensweisen und Fortpflanzungsstrategien, sondern auch auf die Krankheitserreger der Amphibienarten aus (WWF Deutschland, 2007 a). Insekten Untersuchungen an verschiedenen Insektenarten auf der Nordhalbkugel zeigen, dass sich diese Arten meist durch eine Verlagerung ihres Verbreitungsgebietes anpassen. Für einige Insektenarten begünstigt die Klimaerwärmung die Besiedlung nördlicherer Breitengrade und größerer Höhen. An der jeweiligen südlichen Verbreitungsgrenze kommt es hingegen teilweise zum Aussterben. Der Lebensraumverlagerung auf der Nordhalbkugel nach Norden sind durch natürliche Barrieren wie Ozeane oder Gebirge jedoch Grenzen gesetzt; ebenso endet die Höhenverlagerung am Gipfel der Gebirge. Das Verschwinden von Insekten als heimische Blütenbestäuber und als Nahrungsgrundlage zahlreicher anderer Arten zieht weitere Folgen nach sich. Auch kann das Auftauchen nicht heimischer (invasiver) Insektenarten zu starken Veränderungen im Ökosystem führen. Milde Winter in unseren Breiten könnten zudem dazu führen, dass es bei Schädlingen wie dem Borkenkäfer (siehe auch Seite 86) zum Massenauftreten und zu großen wirtschaftlichen Schäden kommt. Auch die Ausbreitung von Zecken und der von ihnen übertragenen Krankheiten wird mit der Klimaerwärmung in Verbindung gebracht. Beispiel Käfer Kartoffelkäfer (siehe Foto) sind im ökologisch orientierten Bioanbau ein großes Problem. Sie stammen genau wie die Kartoffel aus dem warmen Südamerika und spielen deshalb im Süden Deutschlands eine größere Rolle als im Norden. Mit einem Fortschreiten des Klimawandels könnte ihre Bedeutung generell zunehmen. Abb. 66: Kartoffelkäfer Ein vermehrtes Auftreten des Rapsglanzkäfers könnte den Anbau von Raps, der nicht nur für die Lebensmittelindustrie, sondern auch für die Biosprit-Produktion von Bedeutung ist, beeinträchtigen. Ein weiterer durch den Klimawandel begünstigter Schädling ist der Asiatische Laubholzkäfer. Nicht neu, aber auf dem Vormarsch sind Borkenkäfer und Maikäfer. Der Waldmaikäfer braucht aufgrund der Witterung nicht mehr vier, sondern nur noch drei Jahre, bis er sich vom Ei zum Käfer entwickelt hat. Die Folge: Die Käfer vermehren sich schneller und öfter. 93 Beispiel Schmetterlinge Der „Klimaatlas der Tagfalter Europas“ zeigt deutlich einen Trend nach Norden im zukünftigen Verbreitungsgebiet vieler europäischer Arten (Settele et al., 2008). Experten beobachten, dass Wärme liebende Arten in den letzten Jahren verstärkt nach Norden gezogen sind, während Kälte liebende Arten zunehmend bedroht sind. Einige Arten haben die Alpen in Richtung Süd-Deutschland überwunden. Manche Arten überwintern bereits in Deutschland, der Admiral (siehe Foto) inzwischen sowohl als Raupe wie auch als Falter. Dies war vor zehn bis 15 Jahren noch nicht so, als der Admiral als typischer Wanderfalter aus dem Mittelmeerraum im Sommer nach Deutschland kam. Selbst tropische Falter sind in Europa heimisch geworden. Dass dies auch Auswirkungen auf die Landwirtschaft haben kann, zeigt die aus den Tropen stammende Baumwoll-Kapseleule: Durch Raupen dieser Falterart ist es zu Schäden bei Tomaten, Mais, Paprika und verschiedenen Blumen gekommen. Zu den Verlierern des Klimawandels gehören insbesondere die Arten, die als Gebirgsoder Moorbewohner eher kühles Klima bevorzugen. So ist in Deutschland mit Ausnahme der Alpen mit dem Verschwinden einiger ohnehin schon seltener Arten zu rechnen, darunter Hochmoorgelbling, Randring-Perlmutterfalter, Hochmoorbläuling und NatterwurzPerlmutterfalter. Nicht nur die Verbreitungsgebiete der Schmetterlinge sind in Bewegung, es ändert sich auch der Zeitpunkt, zu dem sie im Jahr erscheinen. Beim weit verbreiteten Tagpfauenauge führt das veränderte Klima dazu, dass inzwischen in vielen Regionen im Jahresverlauf eine zweite Generation auftritt, was bislang nur in wärmsten Lagen Südwest-Deutschlands der Fall war (NABU). Korallenriffe Korallenriffe gehören zu den produktivsten und artenreichsten Ökosystemen der Erde. Zwar bedecken die Korallenriffe nur ein Prozent der Weltmeere, aber sie beheimaten mehr als ein Drittel der bekannten Arten im Meer. Korallenriffe bewahren Küstenlinien vor Erosion und Sturmfluten. Ihre Produktivität, Vielfalt und Schönheit kommt der Fischerei und dem Tourismus weltweit zugute (WWF Deutschland, 2007 a). Vor allem die Erwärmung des Wassers an der Oberfläche und das damit verbundene Ausbleichen, bei dem die Nesseltiere ihre Algen ausstoßen, setzt den Kolonien bildenden Tieren zu, genauso wie Küstenfischerei, Sediment- und Schadstoffeinträge an den Küsten, Rohstoffgewinnung und exzessiver Tauchtourismus. Dadurch werden sie auch anfälliger für Krankheiten. Hinzu kommt die Beeinträchtigung der Korallenriffe im Zuge der Versauerung der Ozeane (siehe Seite 49 f.). Klimawandel und Raubbau gefährden Weltmeere Das Leben in den Ozeanen wird durch die Versauerung und die Erwärmung infolge des Klimawandels massiv bedroht (siehe Seite 49 ff.). Darüber hinaus leiden die Ozeane unter Überfischung, Verschmutzung, Überdüngung, Verbreitung nicht nachhaltiger Aquakulturen und der Ausbeutung mariner Bodenschätze (siehe auch UBA, 2009). Abb. 67: Admiral 94 3 Biodiversität 3.2 Die Ökonomie der Vielfalt In der 1993 in Kraft getretenen Biodiversitäts-Konvention (Convention on Biological Diversity – CBD), dem zentralen internationalen Abkommen zum Artenschutz, haben sich die 190 Vertragspartner (189 Staaten und die EU) verpflichtet, den Verlust der biologischen Vielfalt bis zum Jahr 2010 signifikant zu reduzieren. Die EU hat sich sogar vorgenommen, den Rückgang bis dahin ganz zu stoppen. Biodiversitäts-Konvention Konventionen sind völkerrechtlich anerkannte internationale Übereinkünfte, zu deren Umsetzung sich alle Unterzeichnerstaaten verpflichten. Die Biodiversitäts-Konvention ist das erste internationale Abkommen, das den Schutz der Biodiversität global umfassend behandelt. Ziele sind die Erhaltung der Vielfalt der Arten, ihrer Populationen und deren genetischer Vielfalt (dies betrifft sowohl wild lebende als auch domestizierte Arten). Ferner die Erhaltung der Vielfalt der Ökosysteme sowie die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen. Zudem die gerechte Aufteilung der Vorteile aus der Nutzung genetischer Ressourcen. Zwar gibt es eine Reihe von messbaren direkten und indirekten Indikatoren für Biodiversität und deren Entwicklung (z. B. die Dichte und Verteilung von Arten, die Waldfläche und die Fläche geschützter Areale wie Naturschutzgebiete). Doch um die biologische Vielfalt auf unserem Planeten zu schützen, erschien es notwendig, dem Verlust einen messbaren Preis zu geben. Was der „Stern-Report“ für den Klimawandel ist (siehe Seite 17), soll die Studie „Die Ökonomie von Ökosystemen und der Biodiversität“ (TEEB-Studie) für den Schutz der biologischen Vielfalt werden. Sie wird geleitet von Pavan Sukhdev, Leiter der Abteilung Globale Märkte der Deutschen Bank in London. Auf der neunten UN-Naturschutzkonferenz, die vom 19. bis 30. Mai 2008 in Bonn stattfand, wurden die ersten Ergebnisse dieser Studie über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Schädigung von Ökosystemen vorgestellt (Zwischenbericht siehe Europäische Kommission, 2008). Die vorläufigen Ergebnisse sind Teil eines im Auftrag der deutschen Bundesregierung und der EU-Kommission durchgeführten Projekts, dessen Abschlussbericht 2010 vorliegen soll. Weitere Infos http://ec.europa.eu/environment/nature/biodiversity/economics/index_en.htm 95 3.2.1 Die TEEB-Studie Die Ursprünge der Studie „The Economics of Ecosystems and Biodiversity“ (TEEB-Studie) liegen beim Treffen der G8+5-Umweltminister im März 2007 in Potsdam, wo sich die Minister mit dem wirtschaftlichen Wert der Artenvielfalt und ökosystemarer Dienstleistungen sowie den langfristigen Folgen des fortschreitenden Verlusts der Biodiversität beschäftigten. Viele Ökosystem-Leistungen haben, im Gegensatz zu Waren und Dienstleistungen, keinen Marktpreis und werden daher nicht in Kosten-Nutzen-Rechnungen berücksichtigt. Die TEEB-Studie unternimmt den Versuch, den mannigfaltigen Leistungen von Ökosystemen einen ökonomischen Wert zuzuordnen. Erstmals werden nicht nur die direkten Wertschöpfungen wie Tourismus, Wandern und Jagd mit einbezogen, sondern auch Dienstleistungen der Natur. In den ökonomischen Modellen der TEEB-Studie gehen die Forscher davon aus, dass die Natur den Menschen allerlei Nützliches beschert: Nahrung, nachwachsende Rohstoffe wie Holz, sauberes Wasser, Schutz vor Fluten und Bodenerosion, Speicherung von Kohlenstoff und vieles mehr. Je mehr der Mensch die Natur zerstört, desto mehr sinkt ihr ökonomischer Nutzen. Mehr als Automobil-, Stahl- und IT-Dienstleistungssektor Rund 100.000 Schutzgebiete verschiedener Kategorien bedecken rund elf Prozent der Landfläche der Erde. Sie versorgen die Menschen mit Leistungen der Ökosysteme und der Biodiversität im Wert von 4,4 bis 5,2 Billionen US-Dollar pro Jahr. Das übertrifft die Summe der Umsätze des weltweiten Automobilsektors, Stahlsektors und IT-Dienstleistungssektors. Die geschätzten jährlichen Kosten für die ordnungsgemäße Erhaltung der Schutzgebiete belaufen sich auf etwa 40 bis 45 Mrd. US-Dollar, also nur etwa ein Prozent des Wertes der Erträge (BMU, 2008 b). Ökosystem-Leistungen Rohstoff-Lieferant z. B. Nahrungsmittel, Trinkwasser, Biomasse, Chemikalien, Pharmazie-Grundstoffe, Baustoffe Ökologische Leistungen z. B. Klimaregulierung, Erosionsschutz, Wasserhaushalt, Luftqualität, Hochwasserschutz, Bestäubung von Nutzpflanzen, Lebensraum für Tiere und Pflanzen Kulturelle Aspekte z. B. Erholungsraum, touristischer Wert (nach oekom research, 2008 a) Abb. 68: Die TEEB-Studie „The Economics of Ecosystems and Biodiversity“ 96 3 Biodiversität Intakte Ökosysteme sind mehr wert Dabei zeigt sich, dass gesunde, intakte Ökosysteme meist mehr wert sind als der Profit, der durch ihre nicht nachhaltige Nutzung oder Zerstörung zu erzielen ist. Werden z. B. Mangrovenwälder für Krabbenzuchtteiche in tropischen Ländern, insbesondere in Asien, gerodet, reduziert sich der Wert der betroffenen Areale auf ein Fünftel des natürlichen Ökosystems, wobei die Schutzwirkung der Mangroven vor Sturmfluten, aber auch ihre Rolle als Kinderstube für Fische und andere Meerestiere, in die Berechnung eingeht. Globaler Waldverlust teurer als Bankenkrise Die Zerstörung der Wälder stellt einen größeren finanziellen Verlust für die Weltwirtschaft dar als die globale Bankenkrise. Die TEEB-Studie beziffert die durch Waldverlust verursachten jährlichen Kosten auf zwei bis fünf Billionen US-Dollar, was in etwa sieben Prozent der globalen Wirtschaftsleistung entspricht. Diese Summe ergibt sich aus den zahlreichen ökosystemaren Leistungen des Waldes, wie beispielsweise der Filterung von Wasser und der Speicherung von Kohlendioxid. Im Vergleich dazu belaufen sich die errechneten Verluste im Finanzsektor auf eine bis anderthalb Billionen US-Dollar. „Die Kosten sind nicht nur höher, sondern sie sind auch fortlaufend, denn die Umweltzerstörung geschieht – und das ist viel schlimmer – permanent", so Pavan Sukhdev, Leiter der TEEB-Studie. So schätzt die TEEB-Studie den Wert von Bienen auf acht Milliarden US-Dollar pro Jahr, weil sie weltweit wichtige Agrarpflanzen bestäuben. Abb. 69: Bienen bestäuben weltweit wichtige Agrarpflanzen. Deutsche und französische Forscher errechneten 2008 einen weltweiten Ernteverlust von 150 Milliarden Euro, sollten keine Insekten mehr da sein, die die Pflanzen bestäuben. Das ist rund ein Zehntel der Weltnahrungsmittelproduktion. Und damit nicht genug: Für eine ausreichende Ernte müssten die Menschen in diesem Fall ihre Felder und Plantagen selbst bestäuben. Dadurch entstünden sogar Kosten von 190 bis 310 Milliarden Euro. 97 Mangrovenwälder schützen die Küsten vor Fluten und sind Kinderstube für viele Fischarten. Ihr geschätzter Wert pro Hektar, z. B. in Pakistan: 2.200 US-Dollar pro Jahr. Der Wert von Mangroven und Feuchtgebieten für den Küstenschutz wird für die USA mit 1.000 US-Dollar pro Hektar angegeben, für Malaysia mit 845 US-Dollar pro Hektar. Abb. 70: Mangrovenwälder schützen die Küsten vor Fluten und sind Kinderstube für viele Fischarten. Der Müritz-Nationalpark erwirtschaftet 13 Millionen Euro jährlich durch Tourismus. Abb. 71: Der Müritz-Nationalpark ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Region. Rund 1,5 Millionen Touristen zahlen jährlich fast anderthalb Milliarden US-Dollar, um die Naturwunder der Regen- und Bergwälder Costa Ricas zu besuchen. Der Tourismus gilt als der wichtigste Wirtschaftsfaktor Costa Ricas. Rund 27 Prozent der Fläche Costa Ricas stehen unter Naturschutz. Mehr als 20 Nationalparks sind über das Land verstreut, mit ganz unterschiedlichen charakteristischen Merkmalen. Der Natur- und Waldschutz wird in Costa Rica inzwischen als wichtiger Bestandteil der staatlichen Umweltpolitik angesehen, sodass sich große Flächen des einst stark dezimierten Regenwaldes erholen konnten. Heute ist wieder mehr als 50 Prozent des Landes von Wald bewachsen. Zum Schutz des Waldes setzt Costa Rica erfolgreich auf den Ökotourismus. Abb. 72: Die Regenwälder Costa Ricas beherbergen eine Vielzahl von Arten. 98 3 Biodiversität Abb. 73: Am Whale-Watching verdient die Reisebranche jährlich mehr als eine Mrd. US-Dollar. Abb. 74: Der Nationalpark Wattenmeer sorgt für 5.900 Arbeitsplätze. Sein Wert für die Region: 85 Mio. Euro pro Jahr. Abb. 75: Touristen schätzen Korallenriffe wie das Great Barrier Reef in Australien als Reiseziel. Tropische Korallenriffe gelten als das artenreichste marine Biotop, nicht so sehr wegen des Artenreichtums der riffbildenden Korallen selbst, sondern wegen der biologischen Vielfalt der Organismen, die auf und von Korallenriffen leben (BMU, 2008 d). Millionen Menschen hängen in ihrer Proteinversorgung von der Fischerei auf Korallenriffen ab (WBGU, 2006, und WWF Australia, 2009). Touristen schätzen die „Regenwälder der Meere“ als Reiseziel. Der jährliche Wert weltweit: 30 Milliarden US-Dollar. 99 Bereits heute setzen Unternehmen 65 Milliarden US-Dollar jährlich mit pflanzlichen Naturheilmitteln um. Der weltweite Handel mit Medikamenten auf pflanzlicher Basis beläuft sich auf jährlich schätzungsweise 500 Milliarden US-Dollar. Beinahe die Hälfte aller in Deutschland gebräuchlichen Medikamente basiert auf Pflanzen. Die Wirkstoffe von 10 der 25 weltweit erfolgreichsten Medikamente stammen ursprünglich aus wild lebenden Pilzen, Bakterien, Pflanzen und Tieren (Der Spiegel, 2008). Aspirin (Acetylsalicylsäure) beispielsweise wurde ursprünglich aus Weidenrinde (Salix spec.) gewonnen, Penicillin stammt ursprünglich von einem Schimmelpilz (Penicillium notatum). Abb. 76: Beinahe die Hälfte aller in Deutschland gebräuchlichen Medikamente basiert auf Pflanzen (die Abbildung zeigt Arnikablüten). Bionik – Vorbild Natur Die Biologie als Vorbild für die Technik: Vorbild für den 1951 zum Patent angemeldeten Klettverschluss waren die ineinandergreifenden kleinen Widerhaken, wie sie die Große Klette (Arctium lappa) zum Festheften ihrer Früchte im Fell von Säugetieren nutzt. In den 1990er-Jahren wurden marktfähige Produkte, z. B. Fassadenfarben, patentiert, die den von der Lotusblume (Nelumbo spec.) abgeschauten Lotuseffekt zur Wasserabweisung und Selbstreinigung von Oberflächen aufweisen. Riblet-Folien aus einem der Haihaut nachempfundenen Material verringern den Luftwiderstand von Flugzeugen und sparen Treibstoff (siehe auch Blüchel & Malik, 2006). Jahr für Jahr übersteigt der weltweite Umsatz mit Holzprodukten 200 Milliarden US-Dollar. Wären die Wälder der Erde ein Unternehmen, es gehörte zu den Top 5 der größten Konzerne. Fisch ist nach Angaben der Food and Agriculture Organization (FAO) für mehr als 2,9 Milliarden Menschen die Grundlage für mindestens 15 Prozent ihrer Proteinversorgung (FAO, 2008). Geschätzter Wert: 91 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Überfischung Die weltweite Ausweisung von Meeresschutzgebieten im Umfang von 20 Prozent der Gesamtfläche würde für die kommerzielle Fischerei jährliche Einbußen von 270 Mio. USDollar bedeuten. Zugleich könnten damit, weil Überfischung vermieden würde, Fischereieinnahmen im Umfang von 70 bis 80 Mrd. US-Dollar pro Jahr langfristig gesichert werden. Durch Nichthandeln droht der TEEB-Studie zufolge wegen des Zusammenbruchs der Fischbestände ein Verlust von bis zu 100 Mrd. US-Dollar und von 27 Mio. Arbeitsplätzen. Abb. 77: Der weltweite Umsatz mit Holzprodukten übersteigt jährlich 200 Mrd. US-Dollar. Abb. 78: Fisch ist eine der wichtigsten Quellen der Proteinversorgung. 100 3 Biodiversität Die Leistung von Ökosystemen „Weltweit existieren etwa 100.000 staatliche Schutzgebiete. Jährlich werden dafür etwa zehn bis zwölf Mrd. Dollar ausgegeben. Wir gehen davon aus, dass wir etwa 40 Mrd. Dollar jährlich investieren müssten, um in diesen Schutzgebieten effektiven Naturschutz betreiben zu können. Das ist nicht sehr viel und das Geld ist gut investiert, denn als Resultat erbringen diese Ökosysteme Leistungen im Wert von insgesamt fünf Billionen Dollar jährlich. Das ist mehr, als Automobil-, Stahl- und ITIndustrie weltweit erwirtschaften. Naturschutz ist Big Business. “ Schnelles Gegensteuern lohnt sich Ein globales Netz aus Schutzgebieten könnte jährlich rund fünf Billionen US-Dollar erwirtschaften, die Autoindustrie bringt es auf gerade mal 1,9 Billionen, die Informations- und Software-Industrie auf 942 Milliarden und das Stahlgewerbe auf 530 Milliarden. Der wirtschaftliche Nutzen der Schutzgebiete z. B. für Tourismus, Klimaschutz, Nährstoffkreisläufe und Wasserhaushalt floss in die Kalkulation mit ein. So wird der Wert des Masoala-Nationalparks in Madagaskar für die Erzeugung von Medizin, Erosionsschutz, Tourismus und Forstwirtschaft mit elf Millionen US-Dollar angegeben. Dazu kommen 105 Millionen US-Dollar für die Bedeutung des Parks beim Absorbieren von Kohlendioxid. Pavan Sukhdev Leiter der TEEB-Studie Doch das Kapital der Natur schrumpft sukzessive – besonders dramatisch in Boomländern wie Indien, China, in vielen Einzelstaaten Süd- und Nordamerikas und in Zentralafrika. Hauptindikator ist dabei der „mittlere Artenreichtum“. Den größten biologischen Ressourcenschwund ortet die TEEB-Studie erwartungsgemäß in den artenreichen Tropen. Demnach dürfte bei ungebremster Entwaldung das Bruttoinlandsprodukt (BIP) bis zum Jahr 2050 weltweit um sechs Prozent niedriger ausfallen als bei einem Erhalt der Wälder – das entspräche zwei Billionen Euro, wobei der Effekt für Arme überdurchschnittlich hoch wäre. Klimawandel in den Tropen Untersuchungen in den Regenwäldern Costa Ricas ergaben, dass etwa die Hälfte der Tier- und Pflanzenarten der Tropen ein erhöhtes Risiko hat auszusterben, wenn die Temperatur um 3,2 Grad Celsius steigt. Ein solcher Temperaturanstieg wurde vom IPCC für die Regionen nahe dem Äquator bis zum Jahr 2100 prognostiziert. Betroffene Arten hätten nur die Chance, in höhergelegene und damit kühlere Gebiete abzuwandern – mit fundamentalen Konsequenzen für das Ökosystem. Die Geschwindigkeit des Klimawandels ist jedoch so hoch, dass sich die Organismen wahrscheinlich nicht anpassen können. Anders als etwa in Europa können sie kaum nach Norden oder Süden ausweichen, da in den Tropen über hunderte Kilometer hinweg annähernd gleiche Temperaturbedingungen herrschen. Daher bleibt ihnen einzig die Möglichkeit, in die Berge auszuweichen. Sollten sie dies nicht schaffen, sind sie vom Aussterben bedroht. Die Arten müssen innerhalb von 100 Jahren rund 600 Höhenmeter überwinden. Problematisch sind jedoch die Umweltzerstörungen der vergangenen Jahre. Viele Berge, die den Tieren und Pflanzen künftig als Zuflucht dienen könnten, hat man stark abgeholzt (Colwell et al., 2008). Eine Kernaussage der TEEB-Studie weist Parallelen zum Stern-Report (siehe Seite 17) auf: Schnelles Gegensteuern lohnt sich bzw. ist erforderlich. Bis zum Jahr 2050 droht durch den Verlust an Biodiversität ein Wertverlust, der einem weltweiten Konsumrückgang um sieben Prozent (verglichen mit dem Jahr 2000) entspricht. Diese Verluste beruhen auf dem Schwund kostenloser Dienstleistungen der Natur wie etwa der Bereitstellung von Trinkwasser und sauberer Atemluft oder der Aufnahme von Treibhausgasen. Diese Dienste muss die Gesellschaft entweder ersetzen oder entbehren – beides ist teuer. 101 Die TEEB-Studie zeigt, dass der derzeitige Rückgang der biologischen Vielfalt im Verbund mit dem Verlust von Ökosystemdienstleistungen weitergehen wird und sich in manchen Fällen sogar beschleunigen dürfte, wenn nicht die richtigen politischen Schritte eingeleitet werden. Manche Ökosysteme sind wahrscheinlich irreparabel geschädigt. Im Fall eines „Weiter-So“-Szenarios ist bis 2050 mit schwerwiegenden Folgen zu rechnen: 앫 Elf Prozent der im Jahr 2000 verbliebenen Naturräume könnten verloren gehen, in erster Linie als Folge der Flächenumwandlung für landwirtschaftliche Zwecke, des Ausbaus der Infrastruktur und des Klimawandels. 앫 Fast 40 Prozent der derzeit in umweltschonender Weise bewirtschafteten Nutzflächen könnten auf eine intensive Bewirtschaftungsform umgestellt werden, die weitere Biodiversitätsverluste nach sich zieht. 앫 60 Prozent der Korallenriffe könnten – sogar bereits bis 2030 – aufgrund von Fischerei, Verschmutzung, Krankheiten, invasiven gebietsfremden Arten und einer durch den Klimawandel bedingten Korallenausbleichung verloren gehen. 앫 Werden die derzeitigen Fangquoten beibehalten, droht bis Mitte des Jahrhunderts der Kollaps der weltweit wichtigsten Fischbestände (siehe auch FAO, 2008, und Greenpeace Deutschland, 2008). Die derzeitigen Entwicklungen zu Lande und in den Meeren sind ein Beleg für die großen Gefahren, die der Verlust der biologischen Vielfalt für die Gesundheit und die Wohlfahrt der Menschen mit sich bringt. Dieses Problem wird durch den Klimawandel verschärft. Biodiversität – Lebensversicherung der Natur Kaum ein Winkel der Erde ist unbelebt. Das ewige Eis von Gletschern ist Heimat ganzer Lebensgemeinschaften von Algen und Wirbellosen. Selbst an den teerverkrusteten Trichtern von Tiefseevulkanen hat die Forschung Mikroorganismen entdeckt. Das Geheimnis dieses Erfolgs heißt Vielfalt: Je mehr Arten und genetische Vielfalt es gibt, desto höher die Chance, dass die Anpassung gelingt. Das gilt auch für extreme Veränderungen wie den Klimawandel. Die Vielfalt der Arten, Gene und Ökosysteme – sie ist die Lebensversicherung der Natur (BMU, 2008 a). Ein Wert an sich Ob die Ökonomisierung der Umwelt letztlich ein oder sogar der Lösungsweg ist, bleibt abzuwarten. Doch sollte man bei der ganzen Diskussion nicht vergessen, dass die Natur bzw. die biologische Vielfalt einen „Wert an sich“ hat, der nicht in Geld zu bemessen ist. In einem intakten Ökosystem spielt jedes Lebewesen eine Rolle, egal, wie groß oder klein es ist, wo es in der Nahrungskette steht und ob sein Nutzen unmittelbar erkennbar ist. Es besteht die Gefahr, dass nur das geschützt werden wird, was von ökonomischem Nutzen erscheint. Fernab jeder Ökonomie gibt es jedoch eine ethisch-moralische Pflicht, sich für den Schutz der Biodiversität einzusetzen (siehe auch Wilson, 1994, 1995). Die zehnte UN-Naturschutzkonferenz findet 2010 im japanischen Nagoya statt. Doch bereits jetzt zeigt sich, dass die Vertragspartner der Biodiversitäts-Konvention ihr selbst gestecktes Ziel, den Verlust der biologischen Vielfalt bis zum Jahr 2010 signifikant zu reduzieren, nicht erreichen werden. Derzeit sind wir noch weit von der Erreichung des Zieles entfernt (BfN, 2007; siehe auch BUND, 2009). 102 3 Biodiversität 3.2.2 Unternehmerische Risiken Leitlinien für Unternehmen Wie Unternehmen künftig auf den Wandel von Ökosystemen reagieren können, zeigen Leitlinien, die der World Business Council for Sustainable Development gemeinsam mit dem World Resources Institute (WRI) und dem Meridian Institute entwickelt hat. Die Publikation soll Unternehmen ermöglichen, die für ihren Geschäftsbereich kritischen Entwicklungen von Ökosystemen zu identifizieren und handhabbar machen zu können (WRI, 2008). Die Zukunft ganzer Branchen ist abhängig vom Erhalt der Artenvielfalt. Vor allem Land- und Forstwirtschaft, Papierindustrie und Tourismus sind angewiesen auf den Erhalt der Artenvielfalt, intakte Böden und Landschaften. Neben Bau- und Bergbauunternehmen sind es jedoch diese Branchen, die auch besonders stark in das System eingreifen (Eurosif & oekom research, 2009). Aus dem Artensterben und einer eingeschränkten Funktionsfähigkeit von Ökosystemen ergibt sich nach Einschätzung von oekom research eine Reihe unternehmerischer Risiken: Unternehmerische Risiken Physische Risiken 앫 Verfügbarkeit von pflanzlichen und tierischen Rohstoffen 앫 Verfügbarkeit von Betriebsmitteln wie sauberem Wasser 앫 Einbußen beim ästhetischen Wert der Natur Regulatorische Risiken 앫 Auflagen für die Gewinnung tierischer Rohstoffe, z. B. Fangquoten 앫 Auflagen für die Nutzung von Umweltmedien, z. B. Verschärfung der Emissionsgrenzwerte Marktpreisrisiken 앫 Erhöhung der Preise für pflanzliche und tierische Rohstoffe Marktrisiken 앫 Veränderung des Einkaufsverhaltens durch eine stärkere Berücksichtigung von Artenschutzkriterien durch den Verbraucher Rechtsrisiken 앫 Klagen im Hinblick auf die Beteiligung von Branchen bzw. Unternehmen am Artensterben 앫 Umweltschadenshaftung Reputationsrisiken 앫 Stigmatisierung von Branchen bzw. einzelnen Unternehmen aufgrund negativer Auswirkungen auf die Artenvielfalt (Direkte und indirekte unternehmerische Risiken durch das Artensterben und eine eingeschränkte Funktionsfähigkeit der Ökosysteme, © oekom research, 2008 a) 103 3.2.3 Weitere Naturschutzansätze Im Rahmen der UN-Naturschutzkonferenzen werden weitere Aspekte diskutiert. Hierzu zählen: 앫 die Gewährleistung des Zugangs zu genetischen Ressourcen bei gleichzeitiger Sicherstellung einer gerechten Beteiligung der Herkunftsländer an den Gewinnen 앫 die Einrichtung eines weltweiten Netzes terrestrischer und mariner Schutzgebiete (dabei hat der Schutz von Wäldern und Ozeanen eine besondere Bedeutung) 앫 die Auswirkungen des verstärkten Anbaus von Pflanzen zur Gewinnung von Biokraftstoffen 앫 die Sicherstellung der ausreichenden Finanzierung von Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländern über einen globalen Umweltfonds Relevante Vereinbarungen Neben der Biodiversitäts-Konvention gibt es weitere relevante Vereinbarungen zum Naturschutz, z. B.: 앫 die Welterbekonvention (World Heritage Convention – WHC) aus dem Jahr 1972 앫 das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora – CITES) aus dem Jahr 1973 앫 die EU Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) aus dem Jahr 1992 앫 das Cartagena-Protokoll über die biologische Sicherheit aus dem Jahr 2003 앫 die EU-Richtlinie 2004/35/EG über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden aus dem Jahr 2004 (Umsetzung in deutsches Recht durch das Gesetz über die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden – Umweltschadensgesetz [U-SchadG] aus dem Jahr 2007) Darüber hinaus sind auf Anregung bzw. unter Beteiligung der Wirtschaft verschiedene Initiativen entstanden, die den Schutz der Biodiversität bzw. eine nachhaltige Nutzung von Ressourcen zum Gegenstand haben. Hierzu gehören beispielsweise: 앫 Forst Stewardship Council (FSC) 앫 Marine Stewardship Council (MSC) 앫 Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO) 앫 „Business and Biodiversity Initiative“ Von den o. g. Vereinbarungen hat das Umweltschadensgesetz (USchadG) eine besondere Relevanz für die Versicherungsbranche und wird daher im nachfolgenden Kapitel etwas ausführlicher betrachtet. 104 3 Biodiversität 3.2.4 Das Umweltschadensgesetz (USchadG) a) Neue Haftungsrisiken Luft, Wasser, Tier- und Pflanzenarten sind ökonomisch gesehen freie Güter, sie gehören der Allgemeinheit – und ein freies Gut hat keinen Geldwert an sich. Die Verschmutzung der Flüsse und des Grundwassers oder die Beeinträchtigung der Vielfalt der Arten stellen daher keinen zivilrechtlichen Umweltschaden dar, solange keine Rechte am Gewässer oder Eigentumsrechte verletzt sind. Demnach sind tote Fledermäuse oder Feldhamster zivilrechtlich zwar kein Schaden, da sie niemandem gehören, jedoch sind sie ein Schaden an der biologischen Vielfalt. Die EU-Umwelthaftungsrichtlinie und das deutsche Umweltschadensgesetz zielen darauf ab, das Verursacherprinzip auch für die öffentlichen Güter umzusetzen. Öffentlich-rechtliche Haftung Am 14. November 2007 trat das Umweltschadensgesetz (USchadG) in Kraft und gilt rückwirkend zum 30. April 2007. Wurden Unternehmen bislang vor allem für Umweltschäden verantwortlich gemacht, die bei Dritten zu Personen-, Sach- oder Vermögensschäden führen, haften Gewerbetreibende nun grundsätzlich für Schäden an geschützter Flora und Fauna sowie an natürlichen Lebensräumen, auch wenn sich diese nicht im Besitz von Dritten befinden. Das heißt, es wurde eine öffentlich-rechtliche Haftung für Schäden an der Vielfalt der Arten (Biodiversität), des Gewässers und des Bodens eingeführt. Anders als bei der zivilrechtlichen Haftung übernimmt die Behörde stellvertretend für die Öffentlichkeit die Durchsetzung der Ansprüche für die Schäden an der Biodiversität. Risikobewertung Gemäß USchadG müssen Schädigungen des Bodens, von Gewässern sowie von geschützten Arten und natürlichen Lebensräumen saniert werden. Das Schwierige daran ist die Beurteilung, wann ein Umweltschaden so erheblich ist, dass eine Sanierung erfolgen muss. Zudem muss beispielsweise der Wert einer bei einem Dachstuhlbrand getöteten Fledermauspopulation beziffert werden, oder der Wert von Flusskrebsen und Fischen, die durch Reinigungsmittel verendet sind (siehe auch E + S Rückversicherung, 2008). Auf mehr als 14 Prozent der Fläche der Bundesrepublik Deutschland erstrecken sich etwa 5.000 Schutzgebiete. Eine große Rolle bei der Risikobewertung spielt daher der Standort einer Betriebsstätte, etwa seine Nähe zu Flüssen und Seen oder zu einem Schutzgebiet. Nahezu alle deutschen Industriebetriebe (97,6 Prozent) liegen weniger als zehn Kilometer von einem FFH-Schutzgebiet (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU) entfernt. Mehr als vier Prozent aller deutschen Industriestandorte liegen sogar unmittelbar in einem FFH-Gebiet. Das Risiko eines Umweltschadens kann aber nicht nur von der Betriebsstätte selbst, sondern auch von einem Produkt oder einer Dienstleistung ausgehen (Versicherungswirtschaft 10/2008). Hilfe bietet das Online-Tool ZÜRS Geo. Es bietet die Möglichkeit, das Umgebungsrisiko im Hinblick auf Gebiete geschützter Arten und weiterer Schutzgebiete zu analysieren. 105 b) Betrachtungen zu Untersuchungs- und Sanierungsaufwendungen Gastbeitrag von Ulrich Borchardt Das Umweltschadensgesetz (USchadG) trat am 14. November 2007 in Kraft und gilt rückwirkend zum 30. April 2007. Es führt in § 3 Abs. 1.2 – Anwendungsbereich aus: Das Gesetz gilt für „Schädigungen von Arten und natürlichen Lebensräumen im Sinne des § 21 a Abs. 2 und 3 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) und unmittelbare Gefahren solcher Schäden, die durch andere berufliche Tätigkeiten als die in Anlage I des Gesetzes aufgeführten verursacht werden.“ Gemäß § 21 a Abs. 1 des BNatSchG muss eine erhebliche Schädigung vorliegen. Wann ist ein erheblicher Schaden an der Biodiversität im Sinne des § 21 a Naturschutzgesetz gegeben? Die Fragestellung einer erheblichen Schädigung der Biodiversität ist abhängig von Ergebnissen, die vor Ort festgestellt werden müssen. Zu beachten ist, dass das Umweltschadensgesetz eine Umsetzung der Richtlinie 2004/35/EG darstellt. In dieser Richtlinie 2004/35/EG werden spezielle Ausführungen zur Art und Weise der Sanierung abgegeben. Hier erscheinen die Begriffe „primäre Sanierung“, „ergänzende Sanierung“ und „Ausgleichssanierung“. Es sind somit mehrere Vorgaben und zu berücksichtigende gesetzliche Regelungen zu verfolgen, um im Sinne des Umweltschadensgesetzes einen Schaden zu beurteilen, Beweise zu sichern, dementsprechend zu untersuchen und darauf aufbauend Sanierungslösungen zu finden. Die Erheblichkeit des Schadens Die Bestimmung der Erheblichkeit des Schadens wird eine der wesentlichen Fragen sein, die es gilt zu beantworten. So wird in Anlage 3 zum § 3 Abs. 3 Nr. 5 des Umweltschadensgesetzes im Artikel 3 „Änderungen des Bundesnaturschutzgesetzes“ die Erheblichkeit etwas näher definiert. Unter anderem liegt eine Erheblichkeit im Hinblick auf Schäden an der Biodiversität nicht vor, wenn nachteilige Abweichungen geringer sind als die natürliche Fluktuation, die für eine betreffende Art oder einen betreffenden Lebensraum als normal gelten. In der Richtlinie 2004/35/EG Anhang 1 wird die Beeinflussung der menschlichen Gesundheit als erhebliche Schädigung gesehen. Unter Berücksichtigung anderer Gesetzgebungen wie Wasserhaushaltsgesetz und Bundes-Bodenschutzgesetz ist die Frage nicht einfach zu beantworten, wann eine Schädigung der Gesundheit des Menschen überhaupt eintritt. Dementsprechend sind die Bewertungen hinsichtlich der Erheblichkeit der Schädigung der natürlichen Lebensräume bzw. des gesamten Umfeldes der geschützten Arten nicht einfach digital, d. h. mit Ja oder Nein, zu beantworten. 106 3 Biodiversität Beweissicherung durch Untersuchung Es ist unabdingbar, eine ausreichende Beweissicherung nicht allein zum Hergang des Schadens und der Ausbreitung von Stoffen zu verfolgen, sondern es sind gegenüber der aus den Zeiten vor dem 14.11.2007 praktizierten Vorgehensweise auch parallel die Frage zu beantworten und die entsprechende Beweissicherung durchzuführen, durch welche Lebensräume die Schadstoffe sich bewegten und welche Schädigungen mit dem Eintritt der Schadstoffe in diese natürlichen Lebensräume als Konsequenzen verbunden sind. Vor dem 30.04.2007 oder zumindest bis zum 14.11.2007 war die Vorgehensweise eigentlich derart, dass die Bereiche, die mit wassergefährdenden Stoffen verunreinigt worden sind, weitestgehend im Sinne des Schutzes der Gesundheit des Menschen saniert worden sind. Schädigungen geschützter Arten oder natürlicher Lebensräume im Gewässer konnten teils pressewirksam mit einem neuen Fischbesatz kompensiert werden. Mit der Beweissicherung ist natürlicherweise die Untersuchung der Gesamtsituation verbunden. Während sich vor dem 14.11.2007 die Untersuchung auf die Schädigung von Gewässern, Grundwasser und Boden bezogen, ist heute die Untersuchung hinsichtlich existierender Lebewesen im Gewässer, im und auf dem Boden sowie in der Luft und der Zustand der Flora mit zu realisieren. Die Sanierung Geschädigte Feuchtgebiete oder Randbereiche von Flussläufen wie z. B. Schilfanwachsungen wurden vor dem 14.11.2007 durch die Sanierung abgemäht oder entfernt, aber ein Ersatz fand in der Regel nicht statt. Hierzu ist nunmehr die Richtlinie 2004/35/EG Anhang II vom 21.04.2004 zu beachten, in der unterschiedliche Vorgehensweisen der Sanierung ausgewiesen werden. Lässt sich durch eine primäre Sanierung der alte Zustand vor Eintritt des Schadens auch langfristig nicht erreichen, so schreibt die vorgenannte Richtlinie eine ergänzende Sanierung vor. Dies kann z. B. bedeuten, dass an anderer Stelle ein eutrophierter (mit Nährstoffen übersättigter) Teichabschnitt durch Belüftung wieder in einen natürlichen Zustand zu bringen ist. Es werden somit Gelder benötigt, die bei früheren primären Sanierungen nicht zu berücksichtigen waren. Sind – bei langjähriger Wiederherstellung des Ursprungszustandes – „zwischenzeitliche Verluste“ an natürlichen Ressourcen zu erwarten, so ist eine Ausgleichssanierung zu betrachten. Dies kann beinhalten, dass geschützte Tierarten ausgesiedelt werden und nach Erreichen eines vertretbaren „Ursprungszustandes“ eine Rücksiedelung der Tierarten stattfindet. Es ist somit im Rahmen der Sanierung eine Abwägung zu treffen, ob eine Primärsanierung ausreichend sein wird oder aber eine ergänzende Sanierung an anderer Stelle erforderlich wird. Über die Schritte „Beweissicherung“ und „Untersuchung“ sind die Vorgaben einer Sanierung zu bestimmen und des Weiteren der sanierte Bereich auch zukünftig weiter zu beobachten, um eine Entscheidung zu treffen, ob z. B. die angestrebte Ausgleichssanierung weiterhin verfolgt werden muss. 107 Resultat bei Erstmaßnahmen Nach einem Tankkraftwagen-Unfall auf einer Autobahn fließt 220 Grad Celsius heißes Bitumen über den Autobahnrand in ein geneigtes Waldstück und hinterlässt eine Schneise der Verbrennung der Flora und somit eine Schädigung der Biodiversität. Die Einsatzkräfte, bedingt durch den beeinträchtigenden Umgang mit 220 Grad Celsius heißem Bitumen, forcieren bewusst diesen Fließweg, um das Bitumen in ausgehobenen Gruben aufzufangen und dort erkalten zu lassen. Des Weiteren dringt das heiße Bitumen in die Regenwasserkanalisation ein und verunreinigt einen Bachlauf, der durch ein Regulierungsbauwerk je nach Wasseranfall aufgestaut wird. In diesem Aufstauungsbereich hat sich ein Feuchtbiotop ausgebildet. Üblicherweise wird das Regulierungsbauwerk verschlossen, der Bachlauf aufgestaut und somit das ausgetretene Bitumen am weiteren Verdriften über den Bachlauf gehindert. Konsequenz hierbei ist die Verunreinigung und Schädigung des Feuchtgebietes mit gegebenen Schäden an der Biodiversität, speziell, wenn die Beweissicherung und Untersuchung feststellt, dass Schäden im Sinne des Umweltschadensgesetzes vorliegen. Durch die Schädigung des Waldbereiches ist zu klären, welche Pflanzen und damit auch Bäume nachhaltig nicht mehr zu retten sind und somit gefällt werden müssen. Sind an dieser Unglücksstelle 100-jährige Eichen zu fällen, so ist unter Umständen der Heldbock (ein Käfer) nicht mehr zu retten und dementsprechend liegt eine Schädigung einer geschützten Art vor. Über die primäre Sanierung ist der Ausgangszustand nicht mehr zu erreichen und eine ergänzende Sanierung notwendig. Froschkraut, das in Wasseransammlungen teichähnlicher Art im Bereich des Feuchtgebietes existiert, ist durch das Einleiten von Bitumen ebenfalls geschädigt. An dieser Stelle ist gegebenenfalls anstatt der ergänzenden Sanierung eine Ausgleichssanierung möglich, da nach entsprechender, an dieser Stelle nicht näher zu beziffernder Zeit eine Ansiedlung von Froschkraut im Teichbereich wieder möglich ist. In der Summation des oben Genannten stellt sich somit dar, dass speziell die Einsatzkräfte bzw. die mit der Schadensbegrenzung befassten Personen – und somit auch die von Versicherungsseite eingesetzten Sachverständigen – auch ohne direkte örtliche Kenntnis, allerdings anhand der Betrachtungen zu der momentanen Situation, Entscheidungen treffen müssen, die mit der althergebrachten Methodik der reinen Sanierung nicht mehr vergleichbar sind, und somit auch im ersten Anschein nicht verständliche Entscheidungen getroffen werden. Dies kann z. B. im vorliegenden Fall bedeuten, dass das Regulierungsbauwerk nicht genutzt werden darf, sondern die Stoffe gegebenenfalls über einige Kilometer mit dem Bachlauf weitertransportiert werden und an geeigneter Stelle durch Schaffung von Rückhalteeinrichtungen eine Sanierung durchgeführt wird. Abb. 79: Entstandene Waldschneise durch Heißbitumen im Hangbereich. Abb. 80: Regulierungsbauwerk mit Feuchtgebiet; rechts der Kanalzutritt mit Heißbitumen. 108 3 Biodiversität Nicht immer müssen es Unfälle mit wassergefährdenden Stoffen sein, um das Umweltschadensgesetz zu tangieren. Auch einfache Abläufe zur Errichtung von Bauwerken, wie z. B. Straßen, können zu einer Schädigung führen. Hierbei kann durchaus wiederum das Froschkraut genannt werden. Durch bauliche Maßnahmen, wie z. B. die Errichtung einer Baustraße, finden bei starken Niederschlägen Erosionen statt, die aufgrund der sehr starken Sedimentierung in einer Teichanlage zu einer Verlandung des Teiches führen, wodurch der Lebensraum des Froschkrautes eingeschränkt oder vernichtet wird. Neben der dazugehörigen Beweissicherung umfasst die Untersuchung natürlich die Fragestellung, wie der Zustand des Teichuntergrundes vor Eintritt der Sedimentation war. Komplexität des USchadG Vereinfacht gesagt ist festzuhalten: Die Bearbeitung von Unfällen mit wassergefährdenden Stoffen oder auch von Altlasten bis hin zu allgemeinen Bodenbewegungen oder Gewässerbeeinflussungen wird durch das Umweltschadensgesetz komplizierter, da nunmehr auch die Schädigung der Biodiversität beachtet werden muss. Ohne eine ausreichende Dokumentation und vor allem möglichst frühe Beweissicherung kann eine Schadenvergrößerung die Folge sein, wobei zurzeit noch nicht beantwortet werden kann, ob die Kosten der Untersuchung sowie Ausgleichs- und Ergänzungssanierung als Folge der primären Sanierung nicht in vielen Fällen höher ausfallen. Denn nicht allein der Austritt wassergefährdender Stoffe führt die Schädigung der Biodiversität herbei, sondern auch durch Einleitung von unqualifizierten Sanierungsmaßnahmen werden geschützte Arten und natürliche Lebensräume geschädigt werden, wenn die Vorgaben des Umweltschadensgesetzes nicht umgesetzt werden. Qualifizierte Fachkräfte sind daher wesentliche Kostenminderungsfaktoren. Zum Autor Dipl.-Ing. Ulrich Borchardt Sachverständiger seit 1979 mit elfjähriger Erfahrung bei einem großen Industrieversicherer; seit 1990 selbstständig mit Büro in Hennef mit den Schwerpunkten: 앫 Unfälle mit wassergefährdenden Stoffen, Altlasten, Tankanlagen 앫 Flächenrecycling, biologische In-situ-Sanierung, Umweltschadensgesetz sowie Schadstoffe in und an Gebäuden 앫 zugelassener Sachverständiger nach VAwS, öbv-Sachverständiger gemäß § 18 Bundes-Bodenschutzgesetz und für Unfälle mit wassergefährdenden Stoffen 앫 Buchautor: „Ernstfall Umwelt“ und Mitarbeit am „Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht“ Weitere Infos www.gutachterbuero-borchardt.de 109 c) Die Umweltschadens-Versicherung Da in der Umwelthaftpflichtversicherung, wie oben beschrieben, bislang nur die zivilrechtliche Haftung abgedeckt war und behördlich angeordnete Sanierungen gemäß USchadG auch in einer reinen Betriebshaftpflichtversicherung nicht abgedeckt sind, hat die Versicherungsbranche ein komplett neues Produkt entwickelt: die Umweltschadens-Versicherung. Die Umweltschadens-Versicherung der RheinLand Versicherungsgruppe ergänzt unsere Betriebshaftpflichtversicherung und bietet Gewerbetreibenden Versicherungsschutz für folgende Risiken: 앫 Basisdeckung: Schäden an geschützten Arten, natürlichen Lebensräumen sowie an Böden und Gewässern außerhalb des Betriebsgrundstücks (beitragsfrei, bis 1 Mio. Euro Versicherungssumme) 앫 Anlagenrisiko: umweltrelevante Anlagen und Tätigkeiten, die nicht über die Basisdeckung mitversichert sind, z. B. Tanks, Container und Anlagen, mit denen umweltgefährdende Stoffe hergestellt, gelagert, befördert oder weggeleitet werden 앫 Umwelteigenschadendeckung: Schäden auf dem eigenen Betriebsgrundstück (eigener Boden, eigene Gewässer) sowie Grundwasserschäden Folgende Leistungen sind in unserem Versicherungsschutz enthalten: 앫 Prüfung der Verantwortlichkeit 앫 Abwehr unberechtigter Schadenersatzansprüche 앫 Kostenübernahme von berechtigten Sanierungs- und Kostentragungsverpflichtungen (z. B. Gutachter-, Sachverständigen-, Anwalts- und Gerichtskosten) 앫 Aufwendungen für Abwendungs- oder Minderungsmaßnahmen eines sonst unvermeidbar eintretenden Umweltschadens Abb. 81: Flyer zur Umweltschadens-Versicherung 3 110 Biodiversität 3.3 Unser Naturschutzengagement Durch das Angebot der Umweltschadens-Versicherung (siehe Kapitel 3.2.4) leisten wir über unsere Produkte einen Beitrag zum Schutz der Biodiversität. Darüber hinaus engagieren wir uns für den Naturschutz, indem wir Aufforstungen, den Streuobstwiesenschutz im RheinKreis Neuss, das Grüne Band®, den Botanischen Garten Neuss und die Biologische Station im Rhein-Kreis Neuss e. V. unterstützen. 3.3.1 Aufforstungen – auf dem Weg zum CO2 -neutralen Unternehmen Abb. 82 Seit 2005 hat die RheinLand Versicherungsgruppe – in Kooperation mit PRIMAKLIMA-weltweit e. V. – mehr als 40 Hektar Wald pflanzen lassen, zuletzt 3,5 Hektar in Neuss. Die Pflanzungen sind Teil einer groß angelegten, von der RheinLand Versicherungsgruppe finanzierten Aufforstung. Ziel ist es, alle unvermeidbaren CO2-Emissionen unseres Geschäftsbetriebes dauerhaft zu neutralisieren. Hierbei setzen wir auf das Prinzip „Vermeiden – Reduzieren – Substituieren – Kompensieren“ (siehe Kapitel 2.3). So haben wir unseren Heizwärmebedarf in den letzten Jahren kontinuierlich gesenkt (siehe Seite 73). Unsere Dienstwagenflotte ist bereits seit 2006 CO2-neutral unterwegs (Ausführungen siehe unten). Seit 2009 bezieht unsere Hauptverwaltung 100-prozentigen Öko-Strom mit dem „Grüner-Strom-Label-GOLD“. Hierdurch reduzieren wir unsere CO2-Emissionen um etwa 70 Prozent (siehe Seite 77). Zudem lassen wir auflagenstarke und hochvolumige Druckaufträge wie diesen Umweltbericht klimaneutral drucken (siehe Seite 153 f.). CO2-Kompensation durch Aufforstungen Abb. 83: Broschüre zur PRIMAKLIMA-Kooperation Noch gelingt es trotz aller Anstrengungen nicht, CO2-Emissionen gänzlich zu vermeiden. Für die vorläufig bis mittelfristig unvermeidbaren CO2-Emissionen bietet unser Partner PRIMAKLIMA-weltweit e. V. eine Lösung: Seit 2004 bieten wir unseren Kunden die Möglichkeit, das von ihnen emittierte Kohlendioxid (CO2) – den nach heutigem Kenntnisstand wesentlichsten Faktor für den Treibhauseffekt – aus Kraftfahrzeug-Verkehr und Privathaushalt bzw. Geschäftsgebäude durch eine Spende, die Aufforstungs- und Waldschutzprojekte in Deutschland oder im Ausland veranlasst, zu neutralisieren. Der PRIMAKLIMA-Kriterienkatalog basiert auf den Grundsätzen für nachhaltige Waldbewirtschaftung des Forest Stewardship Council (FSC). PRIMAKLIMA garantiert der RheinLand Versicherungsgruppe Aufforstungen mit heimischen Baumarten der potenziell natürlichen Vegetation sowie eine Dauernutzung der aufgeforsteten Grundstücke als Wald. 111 Bäume als Kohlenstoffspeicher UNEP – Bäume fürs Klima Das UN-Umweltprogramm (UNEP) will bis Ende 2009 weltweit sieben Milliarden Bäume pflanzen. Die Idee dazu stammte von der kenianischen Umweltaktivistin und Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai. Laut UNEP absorbiert ein durchschnittlicher Baum pro Jahr zwölf Kilogramm Kohlendioxid. Ein Baum produziert zugleich genug Sauerstoff, um den Jahresbedarf von vier Menschen zu decken. Damit schluckt ein ein Hektar großer Wald jährlich sechs Tonnen Kohlendioxid. Wälder nehmen rund 30 Prozent der Landflächen der Erde ein, in ihrer Biomasse sind nach Expertenmeinung 283 Gigatonnen Kohlenstoff gespeichert. In der Zeit von 1990 bis 2005 gingen die KohlenstoffReserven der Wälder pro Jahr um etwa 1,1 Gigatonnen zurück. Nach Einschätzung der UNEP trägt der weltweite Verlust an natürlichen Wäldern stärker zu den globalen Emissionen bei als der Transportsektor. Bäume sind wichtige Kohlenstoffspeicher: Sie nehmen bei ihrem Wachstum das Kohlendioxid aus der Luft auf, binden den Kohlenstoff in die Biomasse ein und geben den Sauerstoff teilweise wieder ab. Bäume senken somit den CO2-Gehalt der Luft und tragen unmittelbar zum Gleichgewicht des CO2-Haushalts der Atmosphäre bei. Faustregel: Auf einer Fläche von 1 Hektar (= 10.000 m2) neuem Wald werden im Durchschnitt der Wachstumszeit pro Jahr 10 Tonnen bzw. pro Jahrzehnt 100 Tonnen CO2 absorbiert. Durch eine Spende von zurzeit 1.000 Euro wird PRIMAKLIMA in die Lage versetzt, in Deutschland oder anderswo auf der Welt die Aufforstung von 1 Hektar zu veranlassen. Wälder bieten darüber hinaus Erholungsraum für den Menschen, regulieren den Wasserhaushalt, beugen Erosion vor und sind Lebensraum für zahlreiche Pflanzen und Tiere. So sind viele gefährdete Säugetiere und Vogelarten Waldbewohner, Gleiches gilt für Insekten. In drei Schritten zum Ziel Energie sparen, regenerative Energiequellen nutzen und Bäume pflanzen – das ist die Idee von PRIMAKLIMA-weltweit e. V., Düsseldorf. Dazu hilft PRIMAKLIMA, für den Privathaushalt, das Unternehmen oder die Kommune eine individuelle CO2-Bilanz aufzustellen. Anhand der ermittelten Ergebnisse werden zunächst Möglichkeiten für eine Energieeinsparung und umweltfreundlichere Energienutzung aufgezeigt. Dabei setzt PRIMAKLIMA auf das Prinzip „Vermeiden und Verringern“. Anschließend wird berechnet, mit wie vielen Baumpflanzungen die CO2-Neutralität erreicht werden kann. 112 3 Biodiversität Dienstwagenflotte seit 2006 CO2-neutral Die RheinLand Versicherungsgruppe findet diese Idee von PRIMAKLIMA nicht nur für ihre Kunden gut – sie ist mit eigenen Mitteln aktiv geworden. In den Jahren 2005 und 2006 wurden in Kooperation mit PRIMAKLIMA-weltweit e. V. zunächst mehr als 15 Hektar Wald (etwa 400 x 400 Meter) gepflanzt – im Rhein-Kreis Neuss, NRW, und im Landkreis Freiberg, Sachsen. Durch die Pflanzung von insgesamt 38.900 Bäumen hat die RheinLand Versicherungsgruppe die Kohlendioxid-Emissionen ihrer gesamten Dienstwagen neutralisiert, die sich – einen gleich bleibenden CO2-Ausstoß vorausgesetzt – Jahr für Jahr innerhalb der nächsten 50 Jahre ergeben. Der „RheinLand-Wald“ in Neuss Abb. 84: Artikel der NeussGrevenbroicher Zeitung anlässlich der Pflanzung des „RheinLand-Walds“ Seit 2008 wurden noch einmal knapp 25 Hektar Wald aufgeforstet. So beispielsweise im März 2009, als im Beisein von Vorstand Christoph Buchbender 3,5 Hektar Laub-Mischwald in Neuss gepflanzt wurden. 13.095 rund ein Meter hohe Setzlinge wurden gepflanzt: 6.250 Stieleichen, 1.000 Traubeneichen, 1.125 Rotbuchen, 1.250 Hainbuchen, 700 Winterlinden, 390 Vogelkirschen, 40 Feldahorne, 40 Wildbirnen, 300 Schlehen und weitere 2.000 Sträucher für den Waldrand. Die Stadt Neuss garantiert der RheinLand Versicherungsgruppe eine Dauernutzung des aufgeforsteten Grundstücks als Wald. In Neuss entsteht somit in den kommenden Jahren ein repräsentativer „RheinLand-Wald“ von 350 x 100 Metern Größe. Der „RheinLand-Wald“ sorgt für ein gutes Klima – genau dort, wo es für die Menschen, die in der Region leben und arbeiten, eine direkte positive Auswirkung hat. CO2-Neutralität des Geschäftsbetriebes Als Nächstes streben wir die dauerhafte CO2-Neutralität des Geschäftsbetriebes (Hauptverwaltung) an. Neutralisiert werden sollen alle unvermeidbaren, aus dem Energieverbrauch und dem sonstigen Dienstreiseaufkommen resultierenden Kohlendioxid-Emissionen. Bis voraussichtlich Ende 2010 will die RheinLand Versicherungsgruppe weitere 45 Hektar Wald pflanzen lassen, um alle unvermeidbaren Kohlendioxid-Emissionen ihres Geschäftsbetriebes zu neutralisieren, die sich – einen gleich bleibenden CO2-Ausstoß vorausgesetzt – Jahr für Jahr innerhalb der nächsten 50 Jahre ergeben. Letztendlich wollen wir knapp 85 Hektar Wald (etwa 920 x 920 Meter) pflanzen lassen. Die Pflanzungen sollen in einem weltweiten Mix erfolgen (ein Teil davon in Deutschland), um Risiken lokaler Naturereignisse wie Windwurf, Waldbrand oder Käferbefall zu minimieren. 113 So können Verbraucher helfen Durch Pflanzung von Wald können CO2-Emissionen ausgeglichen werden. PRIMAKLIMA kalkuliert im internationalen Mix mit einem notwendigen Spendenaufkommen von zurzeit 1.000 Euro für jeden neuen Hektar Wald, der gemäß Faustregel im Durchschnitt seiner Wachstumszeit pro Jahr 10 Tonnen bzw. pro Jahrzehnt 100 Tonnen CO2 absorbieren wird. Ein durchschnittlicher deutscher Privathaushalt, der trotz intensiven Bemühens um Emissionsvermeidung noch immer für z. B. 10 bis 15 Tonnen CO2-Emissionen in einem Jahr verantwortlich ist, kann eine solche Jahresmenge so neutralisieren: Er beauftragt PRIMAKLIMA mit der Aufforstung von 1.000 bis 1.500 m2 und zahlt dafür für ein Jahr 100 bis 150 Euro als (steuerlich absetzbare) Spende. Innerhalb eines Jahrzehnts werden (linearisiert betrachtet) die neuen Bäume der Luft die 10 bis 15 Tonnen CO2 wieder entziehen. In jedem folgenden Wachstumsjahrzehnt wird weiteres CO2 eingebunden; nach 50 Jahren Baumwachstum wird die fünffache Jahresemission neutralisiert sein. Ein anderes Beispiel: Sie können über PRIMAKLIMA die CO2-Emissionen einer PkwFahrleistung von 10.000 km (Benzinverbrauch: 8 Liter/100 km) mit einer Spende von 19 Euro fünffach kompensieren. Wer nicht nur für ein Jahr CO2-neutral leben will, wiederholt den Aufforstungsimpuls bzw. die Spendenleistung jedes Jahr aufs Neue. Dieser Weg zu klimaneutralem Leben und Handeln gilt natürlich nicht nur für Privathaushalte. PRIMAKLIMA steht allen offen: Vereinen, Unternehmen und Gebietskörperschaften. Alle sind dazu eingeladen mitzumachen, unabhängig davon, ob sie ihre CO2-Emissionen vollständig oder teilweise neutralisieren oder PRIMAKLIMA mit einer Pauschalspende unterstützen möchten. Handeln Sie jetzt, unter www.prima-klima-weltweit.de gelangen Sie zum elektronischen CO2-Rechner von PRIMAKLIMA. Ansprechpartner PRIMAKLIMA-weltweit e. V. Dr. Karl Peter Hasenkamp Ikenstraße 1 b 40625 Düsseldorf Telefon: (02 11) 29 54 19 Fax: (02 11) 2 91 36 82 E-Mail: [email protected] Weitere Infos www.prima-klima-weltweit.de 114 3 Biodiversität 3.3.2 „Nüsser Appel“ – Streuobstwiesenschutz im Rhein-Kreis Neuss Das Projekt „Nüsser Appel“ Abb. 85 und 86 Ziel des Projekts „Nüsser Appel“ der BUND-Ortsgruppe NeussKaarst sind der Erhalt und die Förderung ökologisch wertvoller Streuobstwiesen mit ihren alten Obstsorten in der Stadt und im Rhein-Kreis Neuss. Streuobstwiesen – ein bedrohter Lebensraum Die Streuobstwiese ist die traditionelle Form des Obstanbaus mit hochstämmigen Obstbäumen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Arten und Sorten. Da von den über 3.000 Apfelsorten Mitteleuropas nur 60 im deutschen Handel sind, tragen Streuobstwiesen zur Erhaltung alter Obstsorten bei. Streuobstwiesen sind charakterisiert durch eine naturverträgliche Nutzung ohne Einsatz synthetischer Behandlungsmittel. Sie dienen sowohl der Obsterzeugung als auch der Heugewinnung oder als Viehweide. Die Imkerei spielt für die Bestäubung eine wichtige Rolle. Die intensive Form des Obstanbaues ist dagegen die Obstplantage aus niederstämmigen Obstsorten in Monokultur. Abb. 87: Typisches Erscheinungsbild einer Streuobstwiese (© BUND-Lemgo) Mit ihren unterschiedlichen Wuchsformen, Blühzeiten und Herbstfärbungen erfreuen uns Streuobstwiesen mit ihrer Blütenpracht, der Farbenpracht ihrer Früchte und ihrem bunt gefärbten Laub. Früher umgaben sie fast jeden kleineren Ort und dienten als Elemente zur Hangsicherung und zum Wasserrückhalt. Inklusive der sie umgebenden Hecken waren sie ein wertvoller Schutz gegen Wind und Kälte. Obst war zudem eine wichtige Nahrungsquelle und wurde vielfältig verwertet (Dörrobst, Kuchen, Most, Mus, Saft, Tafelobst). Zudem wurden Obstsorten angebaut, die sich durch eine lange Lagerfähigkeit auszeichneten. Nicht geerntete Früchte dienten dem Wild als Futterquelle. Die Flora von Streuobstwiesen ist im Vergleich zu Obstplantagen wesentlich artenreicher. Streuobstwiesen bieten Nahrung und Behausung für viele Tierarten und sind ein wichtiger Lebensraum für Vögel, Insekten und Spinnen. Schon im Frühling während der Obstblüte werden zahlreiche Insekten angelockt: Bienen, Hummeln und Schmetterlinge, die für die Bestäubung sorgen, Wespen, Schlupfwespen und Holz bewohnende Käfer. Dieser Insektenreichtum wiederum zieht viele andere Tiere wie Igel, Vögel und Fledermäuse an. 115 Viele Vogelarten bauen ihre Nester erst ab einer gewissen Baumhöhe und benötigen einen Verbund an extensiv genutzten Biotopen. Auch für die europaweit seltenen Schläferarten sind sie ein wichtiges Wohnhabitat. Die morschen und hohlen Äste der alten Bäume bieten einer Vielzahl von Tieren Unterschlupf und sind ein wichtiges Wohn- und Bruthabitat für verschiedene Specht- und Eulenarten sowie für mehr als fünfzig, teilweise gefährdete Singvogelarten. Abb. 88 bis 90: Typische Bewohner von Streuobstwiesen (v. l.): Steinkauz, Schwalbenschwanz und Siebenschläfer Der Streuobstanbau hatte eine große kulturelle, soziale, landschaftsprägende und ökologische Bedeutung. Heute gehören Streuobstwiesen zu den am stärksten gefährdeten Biotopen Mitteleuropas. Größere, landschaftsprägende Streuobstwiesen finden sich nur noch in Österreich (Mostviertel), in Süddeutschland und in der Schweiz (Quellen: BUND-Lemgo, Wikipedia). Gesund, lecker, ökologisch Während so genannter „Apfeltreffs“ (z. B. auf dem Neusser Kinderbauernhof) werden ungespritzte Früchte von Streuobstwiesen oder aus privaten Gärten im Rhein-Kreis Neuss gesammelt, zu Saft verarbeitet und verkauft. 2008 wurden 14.900 Kilogramm Äpfel zu 8.445 Liter Apfelsaft verarbeitet. Die Besonderheit des naturtrüben „Nüsser Appel“-Saftes ist neben dem Geschmack und der Frische die Tatsache, dass er aus Früchten der Region gekeltert wird und ökologisch einwandfrei ist, weil ungespritzt und ohne Zusatzstoffe. Zudem handelt es sich oft um alte Obstsorten, deren Inhaltsstoffe in wissenschaftlichen Untersuchungen als besonders wertvoll eingestuft werden und für viele Allergiker unbedenklich sind. Abb. 91 116 3 Biodiversität Finanzierung einer mobilen Saftpresse Abb. 92: Artikel im Lokalanzeiger Neuss-Kaarst anlässlich der Übergabe des „Neusser Saftmobils“ an den BUND Neuss-Kaarst Bis 2006 wurden die Äpfel kostenträchtig und nicht besonders umweltfreundlich in privaten Pkws zu einer 38 Kilometer entfernten Lohnmosterei gefahren und gepresst. Der in Fünf- oder Zehn-LiterBoxen abgefüllte Saft wurde wieder mit Pkws abgeholt und zum Verkauf nach Neuss transportiert. Um das Projekt erfolgreich fortführen zu können, bedurfte es der Anschaffung einer mobilen Saftpresse durch die BUND-Ortsgruppe Neuss-Kaarst. Die Kosten für das „Neusser Saftmobil“ übernahm die RheinLand Versicherungsgruppe. Abb. 93: Das „Neusser Saftmobil“ Jährliche Aktionswoche im Kasino Abb. 94: Der Infostand Abb. 95: Flyer zum „Neusser Saftmobil“ Seit Oktober 2007 wird der „Nüsser Appel“-Saft im Rahmen einer jährlichen Aktionswoche im Kasino an unsere MitarbeiterInnen verkauft. Ein Infostand informiert über den Lebensraum Streuobstwiese und das Projekt „Nüsser Appel“. Hierbei gibt es auch die Möglichkeit, den Saft zu probieren. Ein dauerhafter Ausschank ist mangels der zur Verfügung stehenden Mengen nicht möglich. Der Verkauf erfolgt in FünfLiter-Boxen, der Verkaufserlös geht an die BUND-Ortsgruppe NeussKaarst. 2007 wurden so 575 Liter, 2008 sogar 880 Liter „Nüsser Appel“-Saft an unsere MitarbeiterInnen verkauft. Mit der Unterstützung des Projekts „Nüsser Appel“ unterstreicht die RheinLand Versicherungsgruppe einmal mehr ihr Umweltengagement und ihre Verwurzelung mit der Stadt und dem Rhein-Kreis Neuss. Weitere Infos www.neusser-saftmobil.de www.nüsser-appel.de 117 3.3.3 Das Grüne Band® – grenzenlose Natur Gastbeitrag des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) Seit 2003 unterstützt die RheinLand Versicherungsgruppe das BUND-Projekt Das Grüne Band®. Es gibt noch Naturwunder in Deutschland: Mitten durch unser Land zieht sich von der Ostsee bei Travemünde bis ins Vogtland bei Hof ein 1.393 Kilometer langes grünes Band. Aus der einstigen Grenze zwischen Ost und West wurde Deutschlands größter zusammenhängender Biotopverbund. Ob Seeadler, heimische Orchideen, Fischotter oder Wildkatze – mehr als 600 bedrohte Tier- und Pflanzenarten haben im Grünen Band Zuflucht gefunden. 150 Naturschutzgebiete liegen im bzw. grenzen an das Grüne Band. Abb. 96 Abb. 97: Der Verlauf des Grünen Bands entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze Leuchtturm der Artenvielfalt Die große naturschutzfachliche Bedeutung des Grünen Bandes beruht auf dem vielseitigen Wechsel zwischen den 109 Biotoptypen, die das Grüne Band vereint. Rund 50 Prozent dieser Biotoptypen stehen auf der Roten Liste. Das Grüne Band verbindet über neun Bundesländer hinweg Lebensräume, die sonst in unserer Kulturlandschaft nicht mehr miteinander verbunden sind: zum Beispiel Altgrasbrachen mit Feuchtgebieten, Trockenrasen mit Altholzbeständen und Sumpfgebiete mit Heideflächen. Abb. 98: Das Grüne Band entlang der Ulster 118 Abb. 99: Die Wildkatze hat im Grünen Band Zuflucht gefunden. 3 Biodiversität Dieses Mosaik unterschiedlicher Lebensräume war und ist das Fundament für den großen Artenreichtum des Grünen Bandes. Selbst Arten, die bereits als ausgestorben galten, wurden hier wiederentdeckt – zum Beispiel die Schwalbenwurz in Mecklenburg-Vorpommern. Damit ist das Grüne Band ein Paradebeispiel für biologische Vielfalt (Biodiversität). Der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) und die Bundesregierung weisen dem Grünen Band daher eine wichtige Rolle beim Schutz der Biodiversität zu. Im Koalitionsver trag der rot-schwarzen Regierung von 2005 wurde das Grüne Band als Nationales Naturerbe anerkannt. In der nationalen Strategie zum Schutz der Biodiversität wird das Grüne Band als Leuchtturmprojekt behandelt. Schnitte ins Grüne Band Abb. 100: Das Breitblättrige Knabenkraut Das Grüne Band droht zu zerreißen: Insgesamt kreuzen es etwa 450 Straßen, oft unüberwindbar für die meisten Tiere. Und Baupläne neuer Straßen liegen zur Verwirklichung schon in Schubläden bereit! Auch die intensive Landwirtschaft setzt der Natur sehr zu: Seit Jahrzehnten brachliegende Flächen werden umgeackert oder zu intensiv genutztem Grünland entwertet – das Ende der Artenvielfalt. Bereits rund 15 Prozent des Grünen Bandes wurden so zerstört. Der BUND für das Grüne Band Seit 1989 setzt sich der BUND für den Schutz und den Erhalt des Grünen Bandes ein und macht Politik und Öffentlichkeit auf die Bedrohungen des Grünen Bandes aufmerksam. Abb. 101: Das Braunkehlchen auf dem Grenzpfeiler ist Symbol für das Grüne Band. Von hier aus verschaffte sich der selten gewordene Vogel einen Überblick und ging auf Nahrungssuche. Für den größten Teil des Grünen Bandes trägt die Bundesregierung die Verantwortung. Sie ist dazu verpflichtet, diese Flächen zu erhalten und zu schützen. Dazu müssen die Flächen an die Bundesländer übertragen werden, denn Naturschutz ist in Deutschland Ländersache. Seit Mitte der 1990er Jahre forderte der BUND diese Übertragung. Ende 2008 trug das jahrelange Engagement des BUND erste Früchte: Kurz vor dem Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober wurde die Übertragung der Bundesflächen entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze an Thüringen beschlossen. Nun müssen die anderen Bundesländer nachziehen. 119 Flächenkäufe und Pflegemaßnahmen des BUND Rund 20 Prozent des Grünen Bandes befinden sich in Privatbesitz. Mithilfe von Spenden kauft der BUND diese Flächen. Als Eigentümer kann der BUND die Flächen pflegen und dafür sorgen, dass das Grüne Band erhalten bleibt. Knapp 400 Hektar konnten bisher erworben werden. Zu den Pflegemaßnahmen gehören z. B. die Mahd und Beweidung von Trockenlebensräumen und Wieder vernässungsmaßnahmen. So wurde beispielsweise im Stadtforst Salzwedel ein etwa 150 Hektar großes entwässertes Moorgebiet wiedervernässt. Es entstand einer der wertvollsten Erlenbruchwälder in ganz Norddeutschland. Abb. 102: Der Stadtforst Salzwedel – ein wertvoller Erlenbruchwald Biodiversität kennt keine Grenzen Ein vereintes Europa hat auch ein vereintes Naturerbe. Durch 23 Staaten und auf einer Länge von über 8.500 Kilometern schlängeln sich entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs ebenfalls wertvolle Lebensräume. So wurde das Grüne Band Deutschland Pate für die faszinierende Vision des größten grenzüberschreitenden Biotopverbundes Europas, des Grünen Bandes Europa. Auch der Fischotter wird von der in die Wege geleiteten grenzübergreifenden Zusammenarbeit von Naturschützern aus Europa profitieren. In Tschechien und im Bayerischen Wald ist der gute Schwimmer noch zu entdecken. Für ein Überleben des Fischotters ist es dringend notwendig, dass die Otterpopulation im Osten Europas mit der im Westen verbunden wird. Dies soll ein grenzübergreifendes System ermöglichen, das im Rahmen des Fischotterschutzprojektes und in Zusammenarbeit mit tschechischen Partnern und den Wasserwirtschaftsämtern entwickelt und umgesetzt werden soll. Das Grüne Band fungiert hier als perfekter Grenzübergang für die Fischotter aus Tschechien und Deutschland. Weitere Infos www.dasgrueneband.info Abb. 103: Der Fischotter zählt zu den bedrohtesten Tieren am Grünen Band. 3 120 Biodiversität 3.3.4 Botanischer Garten Neuss – eine grüne Oase mitten in der Stadt Die RheinLand Versicherungsgruppe unterstützt den Verein „Freunde und Förderer des Botanischen Gartens Neuss e. V.“ beim Erhalt, dem Ausbau und der Pflege des Botanischen Gartens Neuss. Abb. 104 und 105 Der Botanische Garten der Stadt Neuss ist eine grüne Oase mitten in der Stadt. 1914 eröffnet, hat diese Grünanlage im Laufe der Zeit ihr Äußeres ständig verändert und erweitert. Heute präsentiert sich hier die Pflanzenwelt in ihrer ganzen Vielfalt und Schönheit. Neben Sommerblumen, Stauden und blühenden Sträuchern ist auch so manch seltenes Gehölz zu entdecken. Idyllisch gelegene Sitzplätze unter Pergolen und an Wasserbecken laden zum Verweilen ein. Bei Brautpaaren ist der Botanische Garten eine beliebte Kulisse für das Hochzeitsfoto, insbesondere zur Azaleen- und Rhododendronblüte. Seit 1999 ist der Botanische Garten um eine Attraktion reicher. Neben der bereits bestehenden kleinen Voliere entstand gleich nebenan ein größeres, mit kleinen Wasserbecken ausgestattetes Vogelschauhaus. In einem Pflanzenschauhaus sind zwei Abteilungen nach pflanzengeografischen Gesichtspunkten eingerichtet worden. In der einen Abteilung können aus den Wüsten über 100 Gattungen und Arten von Kakteen und Sukkulenten, in der anderen aus den Tropen und Subtropen herrlich blühende Orchideen, Bromelien und Begleitpflanzen bewundert werden. Zu jeder Jahreszeit findet der Besucher ein anderes Bild. Abb. 106 Der Verein fördert Maßnahmen, durch die der Botanische Garten zu einem nachhaltigen Natur- und Umweltschutz beiträgt. Dazu bietet er auch eigene Veranstaltungen an, die der Natur- und Umweltbildung dienen, und fördert die Begegnung von Kunst und Natur. Im Jahr 2003 wurde ein Gras-Amphitheater für Schulunterricht im Freien und andere, dem Sinn des Botanischen Gartens nahestehende Anlässe geschaffen. 121 Durch den Einsatz von Vereinsmitgliedern, LehrerInnen, ErzieherInnen und Eltern mit ihren Kindern konnte ein zentraler Schulgarten auf dem Gelände des Botanischen Gartens geschaffen werden, der im Oktober 2004 in einem Festakt eingeweiht wurde. Die hierzu erforderlichen Mittel wurden durch die Förderung der NRW-Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege sowie durch weitere Spenden und Mitgliedsbeiträge aufgebracht. Dem Ziel, die Begegnung von Kunst und Natur zu fördern, wird durch Veranstaltungen Rechnung getragen, an der sich KünstlerInnen aus dem Neusser Raum und – falls es sich um Exponate handelt, die dem Grundthema „Kunst und Natur“ in besonderem Maße entsprechen – auch aus anderen Regionen beteiligen. Jährlich findet ein „Tag des Botanischen Gartens Neuss“ statt. Im Jahr 2008 konnte ein neu gestaltetes Biotop, eine Lärchenwald-Gesellschaft, die dank der Unterstützung der Sparkassenstiftung Neuss gepflanzt werden konnte, in einer kleinen Einweihungsfeier ihrer Bestimmung (Umweltbildung, Erhalt geschützter Pflanzen, Förderung der Biodiversität) übergeben werden. Zur Unterstützung seiner Zielvorstellungen hat der Verein einen „Arbeitskreis Biologieunterricht im Botanischen Garten“ gebildet, dem Lehrkräfte aller Schulformen und -stufen sowie interessierte BürgerInnen angehören. Mitglieder dieses Arbeitskreises bieten die „Aktion Ferienspaß“ an, die dazu dient, den teilnehmenden Kindern Pflanzenkenntnisse zu vermitteln und einen engeren Kontakt zur Natur herzustellen. Botanischer Garten Neuss Bergheimer Straße 67 41464 Neuss Öffnungszeiten: Täglich von 8:00 Uhr bis zum Einbruch der Dunkelheit, längstens jedoch bis 20:00 Uhr Unterstützung Wer den als gemeinnützig anerkannten Verein unterstützen möchte, kann dies in Form einer Mitgliedschaft oder Spende tun. Sponsoren können so genannte Sponsorentäfelchen erwerben, die an den Übersichtstafeln an den Eingängen angebracht werden. Auch der Erwerb einer Baumpatenschaft im Botanischen Garten trägt zur Unterstützung der Vereinsvorhaben bei. Ansprechpartner Freunde und Förderer des Botanischen Gartens Neuss e. V. Herbert Rothstein Im Jagdfeld 44 41464 Neuss Telefon: (0 21 31) 8 14 63 3 122 Biodiversität 3.3.5 Haus der Natur – Biologische Station im Rhein-Kreis Neuss e. V. Gastbeitrag des Hauses der Natur – Biologische Station im Rhein-Kreis Neuss e. V. Seit 2009 unterstützt die RheinLand Versicherungsgruppe das Haus der Natur – Biologische Station im Rhein-Kreis Neuss e. V. Abb. 107 Herausforderung Kulturlandschaft: Die Neusser Region ist dicht besiedelt; zahlreiche bedeutende Industrie- und Dienstleistungsunternehmen haben hier ihren Sitz. Neben der raumfordernden industriellen Gewinnung von Bodenschätzen, beispielsweise Braunkohle und Kies, prägt intensive landwirtschaftliche Nutzung das Kreisgebiet. Trotz dieser ökonomisch orientierten Landnutzung findet man auch abwechslungsreiche Naturschutzgebiete, die eine Vielzahl seltener Pflanzen und Tiere beherbergen. Abb. 108: Der Uedesheimer Rheinbogen ist ein Teil des Europäischen Naturerbes „Natura 2000“. Eine landesweite und sogar europaweite Bedeutung haben beispielsweise die Vorkommen der Stromtal-Halbtrockenrasen oder der blütenreichen Glatthaferwiesen entlang des Rheines sowie der Knoblauchkröte, des Schlammpeitzgers, des Feldhamsters und des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings. Abb. 109: Die sehr artenreichen Stromtal-Halbtrockenrasen sind im RheinKreis Neuss beispielhaft ausgebildet. Eine typische Pflanze ist der Wiesen-Salbei. Inmitten dieser vielgestaltigen Landschaft betreibt der gemeinnützige Verein „Haus der Natur – Biologische Station im Rhein-Kreis Neuss” pragmatischen Naturschutz. Das Haus der Natur ist darüber hinaus die regionale Schnittstelle zwischen amtlichem und ehrenamtlichem Naturschutz. Eine zentrale Kernaufgabe ist die kontinuierliche Betreuung und Entwicklung naturschutzwürdiger Gebiete. Diese Aufgabe kann nur durch eine ver trauensvolle Zusammenarbeit aller Landnutzer erfolgreich bewältigt werden. Dies geschieht mit Offenheit, Objektivität, Sachverstand und Präsenz im Gelände. 123 Gezieltes Handeln erfordert eine gesicherte Wissensgrundlage. Die Erhebung landschaftsbezogener Daten und die wissenschaftliche Feststellung der Veränderungen in der Landschaft sind notwendige Grundlagen für die Arbeit der Station. Langfristige Konzepte werden durch Erfolgskontrollen in Form regelmäßiger Erfassung ausgewählter Tier- und Pflanzenarten begleitet. Dieses Vorgehen hilft, frühzeitig unerwünschte Veränderungen zu erkennen, passgenaue Lösungen zu erarbeiten und diese in die Praxis umzusetzen. Ein wichtiges Instrument zur Erhaltung der Biodiversität in der Kulturlandschaft ist der Vertragsnaturschutz. Gemeinsam mit dem Rhein-Kreis Neuss werden beispielsweise Verträge zum Erhalt des artenreichen Grünlandes, blütenreicher Ackerrandstreifen, von Hochstamm-Obstwiesen und des Feldhamsters vermittelt und begleitet. Auf der Basis der Freiwilligkeit entsteht so eine enge Kooperation mit der Landwirtschaft. Die dauerhafte Erhaltung des „grünen Kulturgutes“ Obstwiese einschließlich der großen Zahl alter Obstsorten ist das Ziel der Obstwiesen-Initiative, in der die Biologische Station zusammen mit Landwirten, Kommunen und Naturschutzgruppen wie dem BUND Neuss-Kaarst mit seinem „Neusser Saftmobil“ kooperiert (siehe Seite 114 ff.). Abb. 110: Für den Erhalt der Glatthaferwiesen im RheinKreis Neuss besteht eine besondere Verantwortung, da diese hier besonders typisch ausgebildet sind. Abb. 111: Vertragsnaturschutz zu Ackerrandstreifen zielt auf Ackerwildkräuter wie den Klatsch-Mohn, die Echte Kamille und die Kornblume ab. Um möglichst vielen Menschen das Verständnis für die Natur vor der Haustür näher zu bringen, suchen wir den Kontakt zur Öffentlichkeit durch Vor träge, Internet, Exkursionen, Presseinformationen und Fachveröffentlichungen. Hierbei sind Schulen und Jugendgruppen eine besonders wichtige Zielgruppe. Die Kommunikation unserer Arbeitsergebnisse soll bei allen Bürgerinnen und Bürgern im Rhein-Kreis Neuss ein zunehmendes Verständnis für Umwelt und Natur schaffen. Wer die Landschaft bewusst erlebt, erkennt deren Eigenwert und Nutzen besser und ist deshalb eher bereit, so hoffen wir, die Belange des Landschafts- und Naturschutzes zu unterstützen. Ansprechpartner Haus der Natur – Biologische Station im Rhein-Kreis Neuss e. V. Kloster Knechtsteden (Handwerkergebäude) 41540 Dormagen Telefon: (0 21 33) 50 23-0 Fax: (0 21 33) 50 23-16 E-Mail: [email protected] Weitere Infos www.biostation-neuss.de Abb. 112: Der ehemals häufige Dunkle WiesenknopfAmeisenbläuling kann aktuell am Niederrhein nur an sehr wenigen Stellen nachgewiesen werden; zwei davon liegen im Rhein-Kreis Neuss. 124 4. Umweltbilanz und Umweltkennzahlen 2005-2008 125 Systemgrenze Unsere Umweltbilanz 2005-2008 gilt für den Hauptverwaltungsstandort in Neuss. Die Mitarbeiterzahlen beinhalten alle am Standort RheinLandplatz beschäftigten MitarbeiterInnen der RheinLand Versicherungsgruppe, einschließlich unserer Auszubildenden, die mit einer Kapazität von zwei Dritteln in die Berechnung einfließen. Der Umweltkennzahl für den Heizwärmebedarf liegen Angaben zur selbstgenutzten klimatisierten (beheizten oder gekühlten) Bruttogeschossfläche zu Grunde (nach DIN 277). Pro Jahr werden 250 Arbeitstage angesetzt. Abb. 113: Die Hauptverwaltung der RheinLand Versicherungsgruppe Bilanzierungsrichtlinien Bei der Ermittlung unserer betriebsökologischen Daten und der daraus berechneten Umweltkennzahlen für die Jahre 2005-2008 orientieren wir uns am Leitfaden „VfU Kennzahlen 2005 – Kennzahlen zur betrieblichen Umweltleistung für Finanzdienstleister“ des Vereins für Umweltmanagement in Banken, Sparkassen und Versicherungen e. V. (VfU, 2005). Bei den Stromemissionen verwenden wir die Angaben unseres Versorgers KEVAG (Stromkennzeichnung gemäß § 42 Energiewirtschaftsgesetz, EnWG), Bezugsjahr 2007. Bei den Verkehrsemissionen verwenden wir die vom Umweltbundesamt (UBA) im Leitfaden „Verkehr im Umweltmanagement“ publizierten Faktoren (UBA, 1999) bzw. die Aktualisierungen für das Jahr 2007. Laut dem Bericht „Aviation and the Global Atmosphere“ des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) tragen die Emissionen aus Flugreisen deutlich stärker zum Treibhauseffekt bei als die Emissionen anderer Verkehrsträger (IPCC, 1999). Um die Klimawirkung des Flugverkehrs und seine Auswirkung auf den Treibhauseffekt adäquat wiederzugeben, multiplizieren wir unsere CO2-Emissionen aus Flugreisen mit dem so genannten Radiative Forcing Index (RFI) von 2,7. 126 4 Umweltbilanz und Umweltkennzahlen 2005-2008 Absolute Zahlen 2005-2008 für den Standort RheinLandplatz auf einen Blick Mitarbeiter Fläche Arbeitstage Abfallaufkommen CO2-Emissionen* Heizwärmebedarf (Erdgas) Gesamtpapierverbrauch – Recycling Gesamtpapierverbrauch – TCF/ECF Summe Gesamtpapierverbrauch Kopier- und Druckerpapierverbrauch – Recycling Kopier- und Druckerpapierverbrauch – TCF/ECF Summe Kopier- und Druckerpapierverbrauch Stromverbrauch Dienstreiseaufkommen mit Bahn und ÖPNV Dienstreiseaufkommen mit Pkw Dienstreiseaufkommen mit Flugzeug Summe Dienstreiseaufkommen Wasserverbrauch 2005 2006 2007 2008 684 15.524 m² 250 134.376 kg 2.041.115 kg 1.312.310 kWh 92.365 kg 29.395 kg 121.760 kg 28.000 kg 3.694 kg 31.694 kg 1.858.448 kWh 43.804 km 1.326.129 km 136.374 km 1.506.307 km 6.520.000 l 661 15.524 m² 250 142.934 kg 2.202.943 kg 1.358.940 kWh 80.390 kg 27.671 kg 108.061 kg 35.500 kg 2.238 kg 37.738 kg 2.001.644 kWh 49.793 km 1.334.488 km 224.496 km 1.608.777 km 5.068.000 l 654 15.524 m² 250 140.692 kg 2.173.665 kg 1.333.950 kWh 93.546 kg 38.128 kg 131.674 kg 36.500 kg 5.831 kg 42.331 kg 2.009.494 kWh 56.707 km 1.247.811 km 173.906 km 1.478.424 km 5.928.000 l 679 15.524 m² 250 112.072 kg 2.238.457 kg 1.432.120 kWh 68.735 kg 34.044 kg 102.779 kg 31.000 kg 3.500 kg 34.500 kg 2.083.803 kWh 42.836 km 1.203.571 km 168.058 km 1.414.465 km 5.831.000 l * unter Berücksichtigung des RFI-Faktors von 2,7 des IPCC Umweltkennzahlen 2005-2008 für den Standort RheinLandplatz auf einen Blick 2005 2006 2007 2008 Ziel Ergebnis 2005-2008 2005-2008 halten - 12 % reduzieren + 10 % halten +8 % Abfallaufkommen je Mitarbeiter und Tag 0,8 kg 0,9 kg 0,9 kg 0,7 kg CO2-Emissionen je Mitarbeiter und Jahr* 2.984 kg 3.333 kg 3.324 kg 3.297 kg Heizwärmebedarf je m2 und Jahr 85 kWh 88 kWh 86 kWh 92 kWh Gesamtpapierverbrauch – Recycling je Mitarbeiter und Jahr 135 kg 122 kg 143 kg 101 kg Gesamtpapierverbrauch – TCF/ECF je Mitarbeiter und Jahr 43 kg 42 kg 58 kg 50 kg Summe Gesamtpapierverbrauch je Mitarbeiter und Jahr 178 kg 164 kg 201 kg 151 kg halten Recycling-Anteil beim Gesamtpapier 76 % 74 % 71 % 67 % halten Kopier- und Druckerpapierverbrauch – 41 kg 54 kg 56 kg 46 kg Recycling je Mitarbeiter und Jahr Kopier- und Druckerpapierverbrauch – 5 kg 3 kg 9 kg 5 kg TCF/ECF je Mitarbeiter und Jahr Summe Kopier- und Druckerpapierverbrauch 46 kg 57 kg 65 kg 51 kg halten je Mitarbeiter und Jahr Recycling-Anteil beim Kopier- und Druckerpapier 89 % 95 % 86 % 90 % halten Stromverbrauch je Mitarbeiter und Jahr 2.717 kWh 3.028 kWh 3.073 kWh 3.069 kWh - 5% Dienstreiseaufkommen je Mitarbeiter und Jahr 2.202 km 2.434 km 2.261 km 2.083 km reduzieren Bahn- und ÖPNV-Anteil bei Dienstreisen 2,9 % 3,0 % 3,8 % 3,0 % erhöhen Pkw-Anteil bei Dienstreisen 88,0 % 83,0 % 84,4 % 85,1 % reduzieren Flugzeug-Anteil bei Dienstreisen 9,1 % 14,0 % 11,8 % 11,9 % reduzieren Wasserverbrauch je Mitarbeiter und Tag 38 l 31 l 36 l 34 l halten * unter Berücksichtigung des RFI-Faktors von 2,7 des IPCC - 15 % -9 % + 11 % +1 % + 13 % -5 % + 0,1 % - 2,9 % + 2,8 % - 11 % 127 Abfallaufkommen Abfallaufkommen 2005-2008 (Kilogramm je Mitarbeiter und Tag) kg 1,2 0,8 0,4 0,8 0,9 0,9 0,7 2005 2006 2007 2008 0 Ziel 2005-2008: Ergebnis 2005-2008: konstant halten minus 12 Prozent Im Jahr 2008 konnten wir unser spezifisches Abfallaufkommen um zwölf Prozent gegenüber dem Jahr 2005 reduzieren. Grund hierfür ist u. a. die Pressung einiger Abfallarten. Die getrennte Sammlung und Entsorgung von Grüner-Punkt-Abfall/Wertstoffen, Glas und Papier/ Pappe (nicht datengeschützt) ermöglichte uns Einsparungen von insgesamt 45.063 Euro. Kohlendioxid-Emissionen Kohlendioxid-Emissionen 2005-2008* (Kilogramm je Mitarbeiter und Jahr) kg 3.600 2.400 1.200 2.984 3.333 3.324 3.297 2005 2006 2007 2008 0 * unter Berücksichtigung des RFI-Faktors von 2,7 des IPCC Ziel 2005-2008: Ergebnis 2005-2008: reduzieren plus 10 Prozent 128 4 Umweltbilanz und Umweltkennzahlen 2005-2008 Bei der Darstellung unserer Unternehmens-Emissionen beschränken wir uns auf Kohlendioxid (CO2), den nach heutigem Kenntnisstand wesentlichsten Faktor für den Treibhauseffekt. Unsere Kohlendioxid-Emissionen resultieren zu durchschnittlich 84 Prozent aus unserem Heizwärmebedarf (Gas) und Stromverbrauch und zu durchschnittlich 16 Prozent aus unserem Dienstreiseaufkommen. Wegen der besonderen Treibhauswirkung von Flugverkehrs-Emissionen multiplizieren wir unsere CO2-Emissionen aus Flugreisen mit dem so genannten Radiative Forcing Index (RFI) von 2,7 des IPCC (siehe Seite 123 und Seite 137). Im Jahr 2008 stiegen unsere spezifischen Kohlendioxid-Emissionen um 10 Prozent gegenüber dem Jahr 2005. Aufgrund der aktualisierten Emissions-Faktoren sind die Werte nur bedingt mit denen im Umweltbericht 2005 vergleichbar. Mit Beginn des Jahres 2009 entfallen etwa 70 Prozent unserer CO2-Emissionen durch Umstellung auf 100-prozentigen Öko-Strom (siehe Seite 77). Die verbleibenden CO2-Emissionen wollen wir durch Aufforstungsmaßnahmen kompensieren (siehe Kapitel 3.3.1). Heizwärmebedarf Heizwärmebedarf 2005-2008 (Kilowattstunden je m² und Jahr) kWh 120 80 40 85 88 86 92 2005 2006 2007 2008 0 Ziel 2005-2008: Ergebnis 2005-2008: konstant halten plus 8 Prozent Unser spezifischer Heizwärmebedarf stieg im Jahr 2008 um acht Prozent gegenüber dem Jahr 2005. 129 Gesamtpapierverbrauch Gesamtpapierverbrauch 2005-2008 (Kilogramm je Mitarbeiter und Jahr) kg 240 160 58 43 42 50 80 135 122 143 101 2005 2006 2007 2008 Recycling-Papier TCF/ECF-Papier 0 Ziel 2005-2008: Ergebnis 2005-2008: konstant halten minus 15 Prozent Im Jahr 2008 konnten wir unseren spezifischen Gesamtpapierverbrauch um 15 Prozent gegenüber dem Jahr 2005 senken. Der starke Anstieg im Jahr 2007 ist mit den Auswirkungen der VVG-Reform und den damit verbundenen Änderungen von Formularen sowie umfangreichen Dokumentations- und Beratungspflichten zu erklären. Der Recyclinganteil lag bei durchschnittlich 72 Prozent. Kopier- und Druckerpapierverbrauch kg 75 Kopier- und Druckerpapierverbrauch 2005-2008 (Kilogramm je Mitarbeiter und Jahr) 9 3 5 50 5 25 41 54 56 46 Recycling-Papier TCF/ECF-Papier 0 2005 Ziel 2005-2008: Ergebnis 2005-2008: 2006 2007 2008 konstant halten plus 11 Prozent Unser spezifischer Kopier- und Druckerpapierverbrauch ist im Jahr 2008 um elf Prozent gegenüber dem Jahr 2005 gestiegen. Auch hier ist der starke Anstieg im Jahr 2007 mit den Auswirkungen der VVG-Reform zu erklären. Die Verwendung von Recycling- statt TCF/ECF-Papier bei Kopierern und Druckern ermöglichte uns Einsparungen von insgesamt 6.254 Euro. Der Recyclinganteil lag relativ konstant bei ca. 90 Prozent. 130 4 Umweltbilanz und Umweltkennzahlen 2005-2008 Stromverbrauch Stromverbrauch 2005-2008 (Kilowattstunden je Mitarbeiter und Jahr) kWh 3.600 2.400 1.200 2.717 3.028 3.073 3.069 2005 2006 2007 2008 0 Ziel 2005-2008: Ergebnis 2005-2008: minus 5 Prozent plus 13 Prozent Unser spezifischer Stromverbrauch stieg im Jahr 2008 um 13 Prozent gegenüber dem Jahr 2005. Zum 1. Januar 2009 haben wir den Stromverbrauch unserer Hauptverwaltung auf 100-prozentigen Öko-Strom mit dem „Grüner-Strom-Label-GOLD“ umgestellt (siehe Seite 77). Verkehrsaufkommen Dienstreiseaufkommen 2005-2008 (Kilometer je Mitarbeiter und Jahr) km 2.700 1.800 900 2.202 2.434 2.261 2.083 2005 2006 2007 2008 0 Ziel 2005-2008: Ergebnis 2005-2008: reduzieren minus fünf Prozent Im Jahr 2008 konnten wir unser spezifisches Dienstreiseaufkommen um fünf Prozent gegenüber dem Jahr 2005 senken. Das Verkehrsaufkommen aus Berufs-, Kunden- und Lieferantenverkehr haben wir nicht ermittelt. Der durchschnittliche Pkw-Anteil betrug 85,1 Prozent, der durchschnittliche Flugzeug-Anteil 11,7 Prozent und der durchschnittliche Bahn-/ÖPNV-Anteil 3,2 Prozent. 131 Wasserverbrauch Wasserverbrauch 2005-2008 (Liter je Mitarbeiter und Tag) l 45 30 15 38 31 36 34 2005 2006 2007 2008 0 Ziel 2005-2008: Ergebnis 2005-2008: konstant halten minus 11 Prozent Im Jahr 2008 konnten wir unseren spezifischen Wasserverbrauch um elf Prozent gegenüber dem Jahr 2005 senken. Die Ermittlung der Differenz Frischwasser – Abwasser ermöglichte uns in den Jahren 2005 bis 2008 Einsparungen von 5.835 Euro. Umweltschutz und Kostensenkung Die Umweltbilanz für die Jahre 2005 bis 2008 zeigt, dass sich unser Engagement sowohl aus betriebswirtschaftlicher als auch aus Sicht des Umweltschutzes lohnt. Für die Jahre 2005 bis 2008 können 88.876 Euro Einsparung durch Umweltschutzmaßnahmen quantifiziert werden. Darüber hinaus haben wir eine Vielzahl weiterer Maßnahmen umgesetzt, deren Einsparung nicht oder nur in Stückzahlen bezifferbar ist. 132 5. Umweltprogramme – Erreichtes und Ziele 133 5.1 Umweltprogramm 2006-2008 – das haben wir erreicht Auswahl von Maßnahmen: 앫 Aktives Schadenmanagement für Leitungswasserschäden 앫 Aktives Schadenmanagement für Blitz- und Überspannungsschäden 앫 Erweiterung des Versicherungsschutzes für Fahrräder in der privaten Wohnungs-/Hausratversicherung 앫 Erweiterung des Versicherungsschutzes für Solarstromanlagen, Solarheizungsanlagen und deren Trägerflüssigkeiten in der gewerblichen Geschäftsgebäudeversicherung 앫 Dauerhafte CO2-Neutralität unserer Dienstwagenflotte durch Pflanzung von mehr als 15 Hektar Wald 앫 Installation eines Sonnenschutzes an der Fassade 앫 Veröffentlichung des „Umweltberichts 2005 – Versicherung und Klimawandel“ 앫 Einführung einer Klimastrategie 앫 Unterstützung des Projekts „Nüsser Appel“ der BUND-Ortsgruppe Neuss-Kaarst 앫 Angebot der Umweltschadens-Versicherung 앫 Pflanzung weiterer 21,4 Hektar Wald zwecks angestrebter dauerhafter CO2-Neutralität unseres Geschäftsbetriebes Das vollständige Umweltprogramm für die Jahre 2006 bis 2008 finden Sie im Internet. Weitere Infos www.rheinland-versicherungsgruppe.de (Umwelt – Erreichtes und Ziele – Erreichtes) 5.2 Umweltprogramm 2009-2011 – das nehmen wir uns vor Auswahl von Maßnahmen: 앫 Umstellung des Strombezugs der Hauptverwaltung auf 100-prozentigen Öko-Strom mit dem „Grüner-Strom-Label-GOLD“ 앫 Regional differenzierter Einschluss der Elementarversicherung in bereits bestehende Verträge (Pilotprojekt) 앫 Integration von ZÜRS in die Angebotssysteme 앫 Entwicklung einheitlicher Annahmerichtlinien für Elementarrisiken im Gewerbe- und Privatsegment 앫 Auflagenstarke und hochvolumige Druckaufträge werden klimaneutral gedruckt 앫 Pflanzung weiterer 48,5 Hektar Wald zwecks angestrebter dauerhafter CO2-Neutralität unseres Geschäftsbetriebes Das vollständige Umweltprogramm für die Jahre 2009 bis 2011 finden Sie im Internet. Weitere Infos www.rheinland-versicherungsgruppe.de (Umwelt – Erreichtes und Ziele – Ziele) 134 6. Anhang 135 Unseren nächsten Umweltbericht werden wir zur Hauptversammlung im Jahr 2012 veröffentlichen. Ansprechpartner RheinLand Versicherungsgruppe Ingmar Anderson Umweltkoordinator Telefon: (0 21 31) 2 90-35 31 Fax: (0 21 31) 2 90-1 34 99 E-Mail: [email protected] Internet: www.rheinland-versicherungsgruppe.de (Umwelt) 6.1 Glossar Antarktis Region innerhalb des südlichen Polarkreises. Die um den Südpol gelegenen Land- und Meeresgebiete. Arktis Region innerhalb des nördlichen Polarkreises. Die um den Nordpol gelegenen Land- und Meeresgebiete inklusive des zu großen Teilen von Eis bedeckten Arktischen Ozeans (Nordpolarmeer). Atmosphäre In verschiedene Stockwerke aufgeteilte Lufthülle der Erde. Betriebsökologie Bezeichnung für die direkten, durch den Geschäftsbetrieb eines Unternehmens entstehenden Umweltauswirkungen. Biodiversität siehe Seite 79 DIN 277 Norm zur Bestimmung der Innenraumflächen von Gebäuden. ECF-Papier Elementarchlorfrei gebleichtes Papier. Das Papier besteht zu 100 Prozent aus Zellstoff, d. h. aus Holzfasern. Die bei der Herstellung nach mehreren Waschvorgängen stattfindende Bleiche erfolgt mittels Chlorverbindungen, allerdings ohne reines, elementares Chlor. El Niño siehe Seite 49 Emissionen Ausstoß. Hier: Ausstoß von Schadstoffen in die Außenluft. Erstversicherung Direktes oder selbst abgeschlossenes Geschäft. Das Geschäft, das aus eigenen Abschlüssen mit dem Versicherungskunden stammt (einschließlich Beteiligungsgeschäft). Abb. 114 136 Anhang Fauna Der Bestand an Tierarten einer bestimmten Region. Flora Der Bestand an Pflanzenarten einer bestimmten Region. Forest Stewardship Council (FSC) System zur Zertifizierung einer nachhaltigen Waldwirtschaft. Die Bewirtschaftungs-Grundsätze sollen zu einer sozialverträglichen, umweltfreundlichen und ökonomisch tragfähigen Waldwirtschaft führen. siehe auch Seite 153 Golfstrom Der Golfstrom ist Teil eines weltweit verbundenen Meeresströmungs-Systems. Sein nach Europa reichender Arm, der Nordatlantikstrom, ist eine Art Warmwasserheizung für Europa. Der Golfstrom beginnt im Golf von Mexiko und transportiert warmes Wasser aus den Tropen in den Nordatlantik. Wenn die Strömung ankommt, wird ihre Wärme von Westwinden aufgenommen und übers Land geweht. Das beschert Nordwest-Europa im Vergleich zu anderen Gebieten gleicher geografischer Breite ein ungewöhnlich mildes Klima. Auf dem Weg in den Nordatlantik verdunsten Teile des Oberflächenwassers, Salzgehalt und Dichte steigen. Vor der Küste Grönlands sinkt das Wasser 3.000 bis 4.000 m in die Tiefe und fließt knapp über dem Meeresgrund zurück Richtung Äquator – es zirkuliert. Hektar Flächenmaß – ein Hektar sind 100 mal 100 Meter = 10.000 m2. Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) siehe Seite 17 Kilowattstunde (kWh) Maßeinheit für den Energieverbrauch. Klima Beschreibt die gesamten charakteristischen Witterungserscheinungen einer Region oder Klimazone über mehrere Jahre oder Jahrzehnte. Die Beobachtungszeit zur Ermittlung von Klimaphänomenen sollte nach WMO-Richtlinien nicht unter 30 Jahren liegen. Kohlendioxid (CO2) Kohlendioxid (CO2) entsteht bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas, bei der Zersetzung von Biomasse sowie bei der Atmung von Menschen und Tieren. siehe auch Treibhauseffekt Kompositversicherer Versicherungsunternehmen, das im Gegensatz zum Einbranchenversicherer mehrere Versicherungszweige der Schadenversicherung (einschließlich Unfallversicherung) betreibt. Methan (CH4) siehe Seite 45 Nachhaltigkeit Ein Grundsatz der Forstwirtschaft aus dem Jahr 1713, der beschreibt, dass die Menge Holz, die einem Wald während eines bestimmten Zeitraums entnommen wird, nicht die Menge an Holz überschreiten darf, die in der gleichen Zeit nachwächst. Weltweit bekannt wurde das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung im Jahr 1987, als die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, die so genannte Brundtland-Kommission, ihren Bericht „Unsere gemeinsame Zukunft“ vorlegte. Auf der Rio-Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 verpflichteten sich die teilnehmenden Staaten zur Förderung einer zukunftsfähigen Wirtschaftsentwicklung, die neben Wirtschaftsbelangen auch Umwelt- und Sozialaspekte gleichrangig berücksichtigt. 137 Nordatlantikstrom siehe Golfstrom Nordatlantische Oszillation Das Winterklima in Mitteleuropa – v. a. das Temperaturregime und die Windaktivität – steht in engem Zusammenhang mit den Luftdruckverhältnissen über dem Nordatlantik, der so genannten „Nordatlantischen Oszillation (NAO)“. Die Nordatlantische Oszillation wird mit dem so genannten „NAO-Index“ beschrieben. Mit dem NAO-Index wird die Luftdruckdifferenz zwischen dem Azorenhoch (Subtropen) und dem Islandtief (Subpolarregion) beschrieben. Ist das Islandtief stark entwickelt, was einem positiven NAO-Index entspricht, werden westliche Luftströmungen vom Atlantik weit nach Europa hineingetragen. Das führt zu milden, windreichen Wintern. Bei schwachem Islandtief und einem in der Folge negativen NAO-Index dominiert polare Festlandluft das Wetter. Westwinde werden blockiert oder abgelenkt, und die Winter sind deutlich kälter und windärmer. Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) Sammelbegriff für Bus- und Bahnverkehr Permafrostboden Permafrostboden, auch Dauerfrostboden, ist ab einer gewissen Tiefe das ganze Jahr hindurch gefroren. Ausgedehnte Permafrostgebiete finden sich in großen Teilen Nordkanadas, Alaskas, Grönlands und Ostsibiriens. Produktökologie Bezeichnung für die indirekten, durch das Produkt hervorgerufenen und somit nicht am Unternehmensstandort entstehenden Umweltauswirkungen. Recyclingpapier Papier, das zu 100 Prozent aus Altpapierfasern hergestellt wird. Radiative Forcing Index (RFI) Radiative Forcing steht für Strahlungsantrieb. Bei der Verbrennung von Flugzeug-Treibstoff (Kerosin) entstehen als treibhauswirksame Stoffe neben Kohlendioxid und Stickoxiden zusätzlich Kondensstreifen (und bei deren Auflösung Zirruswolken), wenn der auftretende Wasserdampf kondensiert. Alle diese Stoffe sind treibhauswirksam, was bedeutet, dass sie einen positiven Strahlungsantrieb besitzen: Sie führen zu einer zusätzlichen Erwärmung der Erdatmosphäre. Um die Erwärmungswirkung der einzelnen Stoffe zusammenzufassen, hat der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) den Radiative Forcing Index (RFI) eingeführt. Dieser gibt an, um welchen Faktor die Erwärmungswirkung der CO2-Emissionen der Flugzeuge multipliziert werden muss, um die durch alle Bestandteile der Flugzeugemissionen ausgehende Erwärmung zu quantifizieren. Laut IPCC liegt der RFI im Bereich zwischen zwei und vier, mit 2,7 als bester Schätzung. Rückversicherung Rückversicherung ist der Versicherungsschutz für Versicherungsunternehmen (Erst- oder Rückversicherer). Das Versicherungsunternehmen entlastet sich bei dem Rückversicherer für einen Teil seiner Wagnisse. Solarstrom Technologie zur direkten Umwandlung von Lichtenergie in elektrische Energie mithilfe von Solarzellen (Fotovoltaik). Solarwärme Technologie zur Umwandlung von Lichtenergie in Wärme mithilfe von Trägerflüssigkeiten (Fotothermie). 138 Anhang TCF-Papier Totalchlorfrei gebleichtes Papier. Das Papier besteht zu 100 Prozent aus Zellstoff, d. h. aus Holzfasern. Die bei der Herstellung nach mehreren Waschvorgängen stattfindende Bleiche erfolgt mittels Sauerstoff, also ohne Chlorverbindungen. Tipping Points siehe Seite 42 TRANSFAIR Fair gehandelte Produkte sind seit Anfang 2003 durch ein international einheitliches Logo gekennzeichnet. Die Vergabe des Logos ist an anspruchsvolle soziale und ökologische Kriterien geknüpft. Wichtigste Punkte: Verzicht auf Kinderarbeit, faire Preise für den Erzeuger und umweltgerechter Anbau. Für die Einhaltung dieser Kriterien bürgt der Verein TRANSFAIR aus Köln. Treibhauseffekt/Treibhausgase Treibhausgase wirken wie die Scheiben eines Gewächshauses: Sie lassen die kurzwellige Sonnenstrahlung nahezu ungehindert durch die Atmosphäre zur Erdoberfläche passieren, reflektieren hingegen die langwelligere Wärmestrahlung der Erdoberfläche und heizen so die Atmosphäre auf. Kohlendioxid (CO2) ist der nach heutigem Kenntnisstand wesentlichste Faktor für den Treibhauseffekt. Umweltbilanz/Umweltkennzahlen Verbrauchszahlen, bezogen auf einen Mitarbeiter oder Quadratmeter pro Tag bzw. Jahr. Umweltmanagement-System Koordiniert die umweltrelevanten Verfahren und Abläufe im Unternehmen. Die einzelnen Elemente eines Umweltmanagement-Systems helfen, die Umweltschutzleistung eines Unternehmens systematisch zu verbessern. Umweltpolitik Die umweltbezogenen Gesamtziele und Handlungsgrundsätze eines Unternehmens (Teil der Unternehmenspolitik). Umweltprogramm Ziele-Maßnahmen-Katalog. Eine Beschreibung der zur Erreichung der Umweltzielsetzungen getroffenen oder geplanten Maßnahmen und festgelegten Fristen. United Nations Environment Programme (UNEP) Umweltinstitution der Vereinten Nationen, Hauptsitz Genf. Vegetation Der Bestand der Pflanzengesellschaften einer bestimmten Region. Wetter Beschreibt den Zustand der unteren Atmosphäre (Troposphäre) an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt. 139 6.2 Abkürzungsverzeichnis AAAS BfN BMU BNatSchG BUND CO2 DWD EPA FAO FSC Fzgkm g GDV IEA IFM-GEOMAR IPCC IUCN Kfz kg km kWh l m2 MUNLV NABU NGO ÖPNV PIK-Potsdam Pkm ppm SHU TEEB-Studie UBA UNEP USchadG VVG WMO WRI ZÜRS American Association for the Advancement of Science Bundesamt für Naturschutz Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Bundesnaturschutzgesetz Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. Kohlendioxid Deutscher Wetterdienst Environmental Protection Agency (US-Umweltbehörde) Food and Agriculture Organization of the United Nations (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) Forest Stewardship Council Fahrzeugkilometer Gramm Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. Internationale Energie-Agentur Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, Kiel Intergovernmental Panel on Climate Change (Zwischenstaatlicher UN-Ausschuss für Klimafragen) International Union for Conservation of Nature (Weltnaturschutzunion) Kraftfahrzeug Kilogramm Kilometer Kilowattstunde Liter Quadratmeter Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen Naturschutzbund Deutschland e. V. Non-Governmental Organization (Nichtregierungsorganisation) Öffentlicher Personennahverkehr Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung Personenkilometer parts per million Sach-, Haftpflicht- und Unfallversicherung The Economics of Ecosystems and Biodiversity (Die Ökonomie von Ökosystemen und der Biodiversität) Umweltbundesamt United Nations Environment Programme (Umweltinstitution der Vereinten Nationen) Umweltschadensgesetz Versicherungsvertragsgesetz World Meteorological Organization (Weltorganisation für Meteorologie) World Resources Institute Zonierungssystem der deutschen Versicherungswirtschaft für Überschwemmungen, Rückstau und Starkregen 140 Anhang 6.3 Berechnungsgrundlagen für die Umweltbilanz Systemgrenze Hauptverwaltung Neuss RheinLandplatz 41460 Neuss Mitarbeiterzahlen Alle am Standort RheinLandplatz beschäftigten MitarbeiterInnen der RheinLand Versicherungsgruppe. Auszubildende fließen mit einer Kapazität von 2/3 in die Berechnung ein. Fläche Selbstgenutzte klimatisierte (beheizte oder gekühlte) Bruttogeschossfläche nach DIN 277. Arbeitstage 250 Emissions-Faktoren Emissions-Faktoren (Quelle: siehe Seite 125) CO2 -Emission Bahn 67,6 g/Pkm ÖPNV 73,5 g/Pkm Pkw 202,4 g/Fzgkm Flugzeug – Kurzstrecke (Einzelstrecke ≤ 500 km) 526,6 g/Pkm* Flugzeug – Langstrecke (Einzelstrecke > 500 km) 353,1 g/Pkm* Strom 755,0 g/kWh Erdgas 232,0 g/kWh * beim Flugverkehr berücksichtigen wir den RFI-Faktor von 2,7 des IPCC 141 6.4 Literaturverzeichnis (siehe auch Umweltbericht 2005, Seite 62 ff.) Allianz Group Österreich (2008): Klimawandel bringt Versicherungswüsten. – VersicherungsJournal vom 04.07.2008; Ahrensburg. Allianz Group & WWF (2006): Climate Change and Insurance: An Agenda for Action in the United States. – 47 S.; München. Allianz Umweltstiftung (2007): Wissen – Informationen zum Thema „Klima“: Grundlagen, Geschichte und Projektionen. – 52 S.; München. Blüchel, K. G. & F. Malik (2006): Faszination Bionik – Die Intelligenz der Schöpfung. – 428 S.; München. Blüchel, K. G. & W. Nachtigall (2005): Das große Buch der Bionik – Neue Technologien nach dem Vorbild der Natur. – 400 S.; München. Böhler, S., Bongardt, D. & S. Frech (2009) (Hrsg.): Jahrhundertproblem Klimawandel – Forschungsstand, Perspektiven, Lösungswege. – 237 S.; Schwalbach/Taunus. Bundesamt für Naturschutz (BfN) (2007) (Hrsg.): Die Lage der biologischen Vielfalt – 2. Globaler Ausblick. – Naturschutz und Biologische Vielfalt 44: 95 S.; Bonn. Bundesamt für Naturschutz (BfN) (2008) (Hrsg.): Verbreitung der Beifußblättrigen Ambrosie in Deutschland – Problematik und Handlungsoptionen aus Naturschutzsicht. – BfN-Skripten 235: 60 S.; Bonn. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) (2007) (Hrsg.): RECCS – Strukturell-ökonomisch-ökologischer Vergleich regenerativer Energietechnologien (RE) mit Carbon Capture and Storage (CCS). – 248 S.; Berlin. 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(BUND) (2008 a) (Hrsg.): Für Fleisch nicht die Bohne! Futter und Agrokraftstoff – Flächenkonkurrenz im Doppelpack. – 38 S.; Berlin. Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) (2008 b) (Hrsg.): Rettet die biologische Vielfalt. – BUNDmagazin 2/2008: 48 S.; Berlin. Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) (2009) (Hrsg.): Naturschutz in Zeiten des Klimawandels. – BUND-Positionen Nr. 50: 28 S.; Berlin. Capital (2007): Wind of change. – Heft 3/2007: S. 18-32; Hamburg. 142 Anhang Climate Mainstreaming (2007) (Hrsg.): Ist der Finanzmarkt auf den Klimawandel vorbereitet? Ergebnisse einer Befragung von Finanzmarktexperten. – 69 S.; Bonn. The ClimChAlp Partnership (2008) (Hrsg.): ClimChAlp: Climate Change, Impacts and Adaptation Strategies in the Alpine Space – Strategic Interreg III B Alpine Space Project. – Common Strategic Paper: 32 S.; München. Colwell, R. K., Brehm, G., Cardelús, C. L., Gilman, A. C. & J. T. 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V. Abb. 41: RheinLand Versicherungsgruppe Abb. 42: Initiative Recyclingpapier Abb. 43: RheinLand Versicherungsgruppe Abb. 44: RheinLand Versicherungsgruppe Abb. 45: RheinLand Versicherungsgruppe Abb. 46: RheinLand Versicherungsgruppe Abb. 47: DDP Abb. 48: Grüner Strom Label e. V. Abb. 49: Radius Images (Titelmotiv Kapitel 3) Abb. 50: Spektrum der Wissenschaft Abb. 51: UNEP Abb. 52: Warner Bros. Entertainment Abb. 53: Imagebroker Abb. 54: Photodisc Abb. 55: Imagebroker Abb. 56: Corel Stock Photo Library Abb. 57: sodapix Abb. 58: Corel Stock Photo Library Abb. 59: NAS/Richard Ellis/OKAPIA Abb. 60: Imagebroker Abb. 61: Imagebroker Abb. 62: Imagebroker Abb. 63: Imagebroker Abb. 64: Imagebroker Abb. 65: Imagebroker Abb. 66: Imagebroker Abb. 67: Panther Media Basic Abb. 68: Europäische Kommission Abb. 69: RF company Abb. 70: Gary Faber Abb. 71: Johanna Dahlmann Abb. 72: Radius Images Abb. 73: Corbis Abb. 74: Imagebroker Abb. 75: Corbis Abb. 76: foodcollection Abb. 77: Digital Vision Abb. 78: Corel Stock Photo Library Abb. 79: Ulrich Borchardt 151 Abb. 80: Ulrich Borchardt Abb. 81: RheinLand Versicherungsgruppe Abb. 82: PRIMAKLIMA-weltweit e. V. Abb. 83: RheinLand Versicherungsgruppe/PRIMAKLIMA-weltweit e. V. Abb. 84: Neuss-Grevenbroicher Zeitung, Ausgabe vom 07.03.2009 Abb. 85: BUND-Ortsgruppe Neuss-Kaarst Abb. 86: BUND-Ortsgruppe Neuss-Kaarst Abb. 87: BUND-Lemgo Abb. 88: Corel Stock Photo Library Abb. 89: Corel Stock Photo Library Abb. 90: Imagebroker Abb. 91: RheinLand Versicherungsgruppe Abb. 92: Lokalanzeiger Neuss-Kaarst, Ausgabe vom 13.09.2007 Abb. 93: Neuss-Grevenbroicher Zeitung, Ausgabe vom 11.09.2007/Hans Jazyk Abb. 94: RheinLand Versicherungsgruppe Abb. 95: BUND Neuss-Kaarst Abb. 96: BUND e. V. Abb. 97: BUND e. V. Abb. 98: BUND e. V. Abb. 99: BUND e. V. Abb. 100: Dieter Leupold Abb. 101: Stephan Beyer Abb. 102: Dieter Leupold Abb. 103: RF company Abb. 104: Freunde und Förderer des Botanischen Gartens Neuss e. V. Abb. 105: Stadtverwaltung Neuss, Grünflächenamt Abb. 106: Stadtverwaltung Neuss, Grünflächenamt Abb. 107: Haus der Natur – Biologische Station im Rhein-Kreis Neuss e. V. Abb. 108: Michael Stevens/Haus der Natur – Biologische Station im Rhein-Kreis Neuss e. V. Abb. 109: Michael Stevens/Haus der Natur – Biologische Station im Rhein-Kreis Neuss e. V. Abb. 110: Thomas Braun/Haus der Natur – Biologische Station im Rhein-Kreis Neuss e. V. Abb. 111: Thomas Braun/Haus der Natur – Biologische Station im Rhein-Kreis Neuss e. V. Abb. 112: Michael Stevens/Haus der Natur – Biologische Station im Rhein-Kreis Neuss e. V. Abb. 113: RheinLand Versicherungsgruppe Abb. 114: RheinLand Versicherungsgruppe Abb. 115: RheinLand Versicherungsgruppe Abb. 116: Forest Stewardship Council Abb. 117: natureOffice Abb. 118: Forest Stewardship Council Abb. 119: Meinke GmbH/natureOffice Abb. 120: Forest Stewardship Council Abb. 121: natureOffice 152 Anhang 6.6 Impressum „Umweltbericht 2008/2009 – Klimawandel und Biodiversität“ der RheinLand Versicherungsgruppe, im Juni 2009 Herausgeber RheinLand Versicherungsgruppe RheinLandplatz 41460 Neuss Autor Ingmar Anderson - Grußwort von Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit - Grußwort von Dr. Hermann Held, PIK-Potsdam - Grußwort von Ulrike Mehl, BUND e. V. - Gastbeitrag von Ulrich Borchardt (Kapitel 3.2.4 b) - Gastbeitrag des BUND e. V. (Kapitel 3.3.3) - Gastbeitrag des Hauses der Natur – Biologische Station im Rhein-Kreis Neuss e. V. (Kapitel 3.3.5) Ansprechpartner Ingmar Anderson Umweltkoordinator RheinLandplatz 41460 Neuss Telefon: (0 21 31) 2 90-35 31 Fax: (0 21 31) 2 90-1 34 99 E-Mail: [email protected] Internet: www.rheinland-versicherungsgruppe.de (Umwelt) Druck Meinke GmbH Hansemannstraße 65 41468 Neuss Papier Gedruckt auf FSC-Papier mit 50 Prozent Recyclingfasern, Marke RePrint © 2009 RheinLand Versicherungsgruppe VF 0058 – 06/2009 153 Klimaneutraler Druck Das Prinzip: CO2-Emissionen, die im Zuge der Print-Produktion anfallen (Papier, Druck, Logistik, Energie etc.), werden an anderer Stelle durch den Invest in Klimaschutzprojekte „ausgeglichen“. Analyse-Prozess: Zunächst durchläuft jede Druckerei einen intensiven Analyse-Prozess. Bei der CO2-Bilanzierung wird eine Vielzahl an Informationen und Werten erfasst und verarbeitet, beispielsweise Papier (Rohstoff, Produktion, Herstellung, Logistik), Energie, Druckvorbereitung und Vorstufe, Druckplatten, Farbe, Feucht- und Reinigungsmittel, Maschinenlaufzeiten, Weiterverarbeitung und Endlogistik. CO2-Kompensation: Der Ausgleich erfolgt auf Basis der Mechanismen des Kyoto-Protokolls. Durch den freiwilligen Kauf und die verbindliche Stilllegung von Emissionszertifikaten werden Emissionsrechte vom Markt genommen und das Ziel der Reduzierung von Treibhausgasen unterstützt. Hierbei setzt natureOffice ausschließlich auf den Gold-Standard bzw. auf den Gold-Status bei Wiederaufforstungen. Der Gold-Standard ist ein Qualitätsstandard für CO2-Kompensationsprojekte. Er wurde – unter Federführung des WWF – in Zusammenarbeit zwischen NGOs und Wissenschaftlern entwickelt. Der Gold-Standard garantiert eine tatsächliche Emissionsreduktion, achtet auf ökologische und soziale Aspekte vor Ort und stellt sicher, dass das Projekt zusätzlich zu ohnehin umgesetzten Maßnahmen stattfindet. Transparenz: Der für die Kompensation notwendige Betrag fließt direkt zu den Klimaschutz-Projektpartnern. natureOffice arbeitet auf diesem Gebiet mit der gemeinnützigen Stiftung myclimate aus der Schweiz zusammen. Jedes Druckerzeugnis erhält eine eindeutige ID-Nummer, mit der sich die Plausibilität der CO2-Kompensation über das Internet nachprüfen lässt. Weitere Infos www.natureOffice.com Abb. 117 143-842140 FSC-Papier Was ist FSC? Der Forest Stewardship Council (FSC) wurde 1993, ein Jahr nach der Konferenz „Umwelt und Entwicklung“ in Rio de Janeiro, gegründet. Ziel ist die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung von Wäldern durch die gleichwertige Berücksichtigung von sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Aspekten bei deren Nutzung. Der FSC ist eine internationale gemeinnützige Organisation mit Sitz in Bonn und nationalen Arbeitsgruppen in 43 Ländern. Er wird von Umweltorganisationen, Sozialverbänden und zahlreichen Unternehmen unterstützt. Was macht der FSC? Der FSC zielt darauf ab, Wälder zu erhalten – nicht nur durch Unterschutzstellung, sondern v. a. durch die Förderung einer verantwortungsvollen Waldwirtschaft. Strenge Kriterien, an denen die Bewirtschaftung der Wälder ausgerichtet werden soll, dienen dazu, unkontrollierte Abholzung, Verletzung der Menschenrechte und Belastung der Umwelt zu vermeiden. Wie schützt der FSC Wälder? Der FSC hat zehn verbindliche Prinzipien und 56 Kriterien für eine gute Forstwirtschaft festgelegt. Durch eine Bewirtschaftung von Wald unter diesen Rahmenbedingungen wird erreicht, dass die Waldfunktionen erhalten bleiben. In Ländern mit nationalen FSC-Arbeitsgruppen werden diese Regelungen an nationale Gegebenheiten wie z. B. klimatische und geologische Rahmenbedingungen oder nationale Gesetze angepasst. Wie wird kontrolliert? Zur Kontrolle, ob die FSC-Prinzipien eingehalten werden, bevollmächtigt der FSC unabhängige Zertifizierungsorganisationen, die die einzelnen Forstbetriebe prüfen. Wird die Waldbewirtschaftung regelkonform betrieben, erhalten die Waldbesitzer dafür ein Zertifikat. Holz aus FSC-zertifizierten Wäldern kann danach mit dem FSC-Siegel ausgezeichnet und vermarktet werden (Quelle: FSC Arbeitsgruppe Deutschland e. V.). Weitere Infos www.fsc-deutschland.de Abb. 118 154 Anhang Dieser Umweltbericht wurde klimaneutral gedruckt Alle im Produktionsprozess dieses Umweltberichts entstehenden CO2-Emissionen werden durch entsprechende Klimaschutzprojekte kompensiert bzw. neutralisiert. Die Klimaneutralität wird durch ein Zertifikat bescheinigt. Unter www.natureOffice.com kann anhand der ID-Nummer das Portfolio der nach dem Gold-Standard zertifizierten Klimaschutzprojekte eingesehen werden. RheinLand Versicherungsgruppe Abb. 119: Der vorliegende Umweltbericht wurde klimaneutral gedruckt. Umweltbericht 2008/2009 – Klimawandel und Biodiversität „Mit der Vernichtung der Arten löschen wir in immer schnellerem Tempo die Festplatte der Natur.“ Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (2007)