Die Vermessung der Atto-Welt - Institut für Experimentelle Kernphysik

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Die Vermessung der Atto-Welt
Elementarteilchen und ihr Nachweis am Large Hadron Collider
Lehrerfortbildung der Fakultät für Physik des KIT
Karlsruhe, 4. Juli 2012
Ulrich Husemann
Institut für Experimentelle Kernphysik, Karlsruher Institut für Technologie
KIT – Universität des Landes Baden-Württemberg und
nationales Forschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft
www.kit.edu
Wer bin ich?
Promotion
Siegen 2005
HERA-B-Experiment am Deutschen
Elektronen-Synchrotron DESY
Postdoc
Rochester, Yale (2005–2008)
CDF-Experiment am Fermi National
Accelerator Laboratory, Chicago
Nachwuchsgruppenleiter
DESY und HU Berlin (seit 2008)
ATLAS-Experiment am CERN, Genf
Professor
Karlsruher Institut für Technologie,
Experimentelle Kernphysik (seit Juli 2011)
CMS-Experiment am CERN, Genf
2
04.07.2012
Lehrerfortbildung 2012: Die Vermessung der Atto-Welt
Ulrich Husemann
Institut für Experimentelle Kernphysik (IEKP)
Von Gauß und Humboldt zum LHC
Im echten Leben wie im Roman von
Daniel Kehlmann
C. F. Gauß: lebte nur im Königreich Hannover
A. v. Humboldt: große Südamerikareise
Beide haben unser Wissen über die Welt
signifikant vorangebracht
Physik am Large Hadron Collider (LHC)
Theoretische Physiker: komplizierte
Berechnungen → Vorhersagen der
physikalischen Prozesse am LHC
Experimentalphysiker: Aufbau und Betrieb
großer Teilchenbeschleuniger und
Experimente
Erst im Zusammenspiel: physikalische
Resultate und ihre Interpretation
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04.07.2012
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Ulrich Husemann
Institut für Experimentelle Kernphysik (IEKP)
Faszination Teilchenphysik
Feuer
Wasser Luft
Erde ?
Quarks
Leptonen?
Atome?
Physik – wie ist unsere Welt aufgebaut?
Was sind die fundamentalen Bausteine
unserer Welt?
Technologie – wie funktioniert das?
Riesige Nachweisgeräte, µm-Präzision
SuperStrings?
Verarbeitung der Datenflut
Gesellschaft
– … und wozu ist das alles gut?
Neues Weltbild, vgl. Quantenmechanik?
Internationale Zusammenarbeit
Spin-offs → direkter wirtschaftlicher Nutzen
[A. Rodin, Le Penseur]
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04.07.2012
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Ulrich Husemann
Institut für Experimentelle Kernphysik (IEKP)
Teilchenphysik:
Stand der Dinge 2012
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04.07.2012
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Ulrich Husemann
Institut für Experimentelle Kernphysik (IEKP)
Das Standardmodell der Teilchenphysik
Seit 1960er Jahren:
„Standardmodell der
Teilchenphysik”
12 Elementarteilchen in
drei Familien
Drei Kräfte
Experimentell mit großer
Genauigkeit bestätigt
[DESY]
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04.07.2012
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Kräfte im Standardmodell
Kräfte („Wechselwirkungen”):
Austausch von Überträgerteilchen
mit Spin 1 („Eichbosonen”)
Elektromagnetisch
Schwach
Starke Wechselwirkung
→ Eichbosonen: 8 Gluonen
Elektromagnetische Wechselwirkung
→ Eichboson: Photon
Schwache Wechselwirkung
→ Eichbosonen: W±-, Z-Bosonen
Vereinigung der elektromagnetischen
und schwachen Wechselwirkung:
elektroschwache Wechselwirkung
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04.07.2012
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Stark
Gravitation
vernachlässigbar
keine konsistente
Quantentheorie
[http://www.particlephysics.ac.uk/]
Ulrich Husemann
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Teilchen im Standardmodell
Die Leptonen
Elektrische
Ladung
Alle Teilchen: Fermionen (Spin 1/2)
Elektrische
Ladung
Elektron
–1 e
ElektronNeutrino
0
Myon
–1 e
MyonNeutrino
0
–1 e
TauNeutrino
0
Tau
Down
–1/3 e
Leptonen: ganzzahlig
Quarks: gebrochenzahlig
Starke Kraft: „Confinement”
Die Quarks
Elektrische
Ladung
Elektrische Ladung:
Elektrische
Ladung
Up
+2/3 e
Keine freien Quarks, Bindung zu
Hadronen = Baryonen + Mesonen
Baryonen: Quark + Quark + Quark
Strange
–1/3 e
Charm
+2/3 e
Bottom
–1/3 e
Top
+2/3 e
Proton
Neutron
Pion
[http://www.scifun.ed.ac.uk/]
8
04.07.2012
Lehrerfortbildung 2012: Die Vermessung der Atto-Welt
Mesonen: Quark-Antiquark-Paar
Vorkommen in der Natur:
Alle Materie auf der Erde:
Teilchen der 1. Familie
2. und 3. Familie dennoch wichtig:
z. B. kosmische Strahlung,
Quantenkorrekturen
Ulrich Husemann
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Offene Fragen 2012: Das Higgs-Teilchen
Woher kommt die Masse?
Masse = relativistisch invariante Masse
(„Ruhemasse”) der Teilchen
Woher kommt Massenunterschied zwischen
Elementarteilchen der drei Familien?
Lösung im Standardmodell: Higgs-Teilchen
Postuliert von Peter Higgs (und unabhängig
von 2 weiteren Forschergruppen) im Jahr 1964
Funktion: Higgs-Teilchen „gibt” allen
Elementarteilchen Masse (die Masse
zusammengesetzter Teilchen ist komplizierter!)
Parallel zu dieser Veranstaltung (4. Juli
2012, 9:00): Vorstellung neuer Resultate
zum Higgs-Teilchen am CERN
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04.07.2012
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Das Standardmodell der Kosmologie
Seit 10–15 Jahren: konsistentes Modell von der Entwicklung des
Universums seit dem Urknall → „Standardmodell der Kosmologie”
Passen Teilchenphysik und Kosmologie zusammen?
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04.07.2012
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Dunkle Materie und Dunkle Energie
Kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung
beobachtet
erwartet von
sichbarer
Sternverteilung
Neue Art von
Materie – Teilchen, die[WMAP-Satellit]
nicht „leuchten”
Rotationskurven
von Galaxien
Dunkle Materie
21%
4%
„Normale”
Materie
Dunkle
Energie
Unbekannte
Energieform, die das
Universum auseinander
treibt
11
04.07.2012
75%
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Energiedichte
im Universum
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Lösungsideen?
[DESY]
Supersymmetrie („SUSY”)?
Die „letzte noch fehlende Symmetrie” in der Natur: Spiegelteilchen zu jedem
Teilchen im Standardmodell
Keine Hinweise auf SUSY, einfachste Formen bereits von LHC ausgeschlossen
Zusätzliche Raumdimensionen?
Keine Hinweise am LHC (z. B. mikroskopische schwarze Löcher)
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04.07.2012
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Der Large Hadron Collider
13
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Die Nadel im Heuhaufen
Ziel: Erzeugung und Nachweis neuer
Elementarteilchen in Kollisionen
bekannter Elementarteilchen „im Labor”
Neue Elementarteilchen vermutlich sehr
schwer (>100 Protonmassen)
Prozesse mit neuen Elementarteilchen sehr
selten, z. B. ein Higgs-Boson alle 3,5 Mrd.
Kollisionen (produziert, nicht gemessen)
Lösungen: Experimente an
Teilchenbeschleunigern
Beschleuniger: höchste mögliche Energie
und Kollisionsrate
Experimente: effizienter Filter für seltene
neue Prozesse
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04.07.2012
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Warum immer höhere Energien?
Grundpfeiler der Teilchenphysik:
Spezielle Relativitätstheorie
(A. Einstein)
Quantenmechanik
(E. Schrödinger, W. Heisenberg, …)
A. Einstein
W. Heisenberg
Relativitätstheorie: E = mc 2
Masse ist eine Form von Energie
Kollisionen von Elementarteilchen mit
hoher Energie → Produktion neuer
schwerer Teilchen
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04.07.2012
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Warum immer höhere Energien?
Länge
Energie
Unschärferelation (Heisenberg)
200 neV
200 eV
2 keV
20 MeV
Ort (Δx) und Impuls (Δp) nicht
gleichzeitig beliebig genau bekannt:
x·
p
~
2
Größerer Impulsübertrag
→ Auflösung kleinerer Strukturen
Materiewellen (de Broglie):
200 MeV
(1 Femtometer)
=
>200 GeV
(1 Attometer)
[DESY]
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Wellenlänge eines Teilchens mit
Impuls p:
h
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p
Größerer Impuls → kleinere
Wellenlänge → höhere Auflösung
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Prinzip des Teilchenbeschleunigers
Beschleunigung:
Elektrische Wechselfelder
in Hohlraumresonatoren
Teilchennachweis:
Detektor = komplexes System aus
mehreren Unterdetektoren,
zwiebelschalenartig um Kollisionspunkt
Ablenkung:
Dipolmagnete
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04.07.2012
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[DESY]
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Was ist CERN?
Ju
ra
-G
eb
irg
e
CERN = Europäisches Teilchenphysiklabor
Weltweit größtes Labor für Teilchenphysik, gegründet 1954
Historischer Name: „Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire”
Ge
2500 Angestellte, fast 10000 Gäste (>100 Nationalitäten)
n
Se fer
e
8,5 km
Standort Prévessin
(Frankreich)
Beschleunigerkomplex
(ca. 100 m unter der Erde)
Standort Meyrin (Schweiz)
18
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LHC-Beschleuniger:
CMS-Experiment:
LHC
–
der
Large
Hadron
Collider
Proton-Proton- und
Vielzweckexperiment
Blei-Blei-Kollisionen
LHCb-Experiment:
Symmetrie Materie/Antimaterie
ALICE-Experiment:
Schwerionenphysik
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04.07.2012
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ATLAS-Experiment:
Vielzweckexperiment
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Höchste Energien und Kollisionsraten
Hohe Energie → starke Dipolmagnete
Zwingen Protonen auf Kreisbahn (Lorentzkraft)
Magnetfelder bis zu 8,3 Tesla
Supraleitende Magnete: Kühlung mit
supraflüssigem Helium bei 1,9 Kelvin
Hohe Kollisionsraten: viele Protonen
Protonenstrahlen: 1380 Protonenpakete pro
Strahl, >100 Mrd. Protonen pro Paket
Jede Sekunde: 40 Millionen mal 25–30
Kollisionen → mehr als 1 Mrd. „Ereignisse”
Nur eines von 5 Mio. Ereignisse wird
aufgezeichnet, ca. 200 pro Sekunde
20
04.07.2012
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Teilchennachweis am LHC
21
04.07.2012
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Vorüberlegungen zum Detektordesign
Fragen:
???
Wie baue ich einen Detektor für die Suche nach noch
unbekannten Teilchen?
Welche Teilcheneigenschaften mit welcher Präzision?
Erwartung: neue Teilchen sehr kurzlebig (≪10–12 s)
→ Nachweis (bereits bekannter) Zerfallsprodukte
Anforderungen an Detektor:
Weise möglichst alle Teilchen nach: hermetischer Detektor
Elektro-
Teilchen müsen elektrisches Signal im Detektor hinterlassen
→ Messung beruht auf elektromagnetischer Kraft
magnetisch
Messe alle Eigenschaften: Energie, Impuls, Teilchensorte
22
04.07.2012
Lehrerfortbildung 2012: Die Vermessung der Atto-Welt
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Institut für Experimentelle Kernphysik (IEKP)
Teilchennachweis
Impulsmessung
Energiemessung
Spurdetektor
Zerfallsprodukte der Kollision
(„Tracking”)
Kalorimeter
elektromagnetisch
Myondetektor
hadronisch
Photon
Elektron/Positron
Myon
Neutrino
Neutron
Pion, Proton
„Innen”
23
Teilchenidentifikation
04.07.2012
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„Außen”
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CMS – Der Compact Muon Solenoid
Myon-Detektor
Kalorimeter
CMS-Fakten:
21 m lang, 15 m hoch
Gewicht: 14.000 Tonnen
80 Millionen Kanäle
Spurdetektoren
24
04.07.2012
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Teilchennachweis im CMS-Detektor
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04.07.2012
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Energieverlust pro
Längeneinheit dE/dx
(„stopping power”)
Niedrige Energien:
Ionisation
Höhere Energien:
Abstrahlung von
Photonen
26
04.07.2012
µ+ on Cu
100
10
µ
LindhardScharff
Semiklassisches Modell
(„Bethe-Formel”):
elektromagnetische
Wechselwirkung der
Teilchen mit Atomen
Stopping power [MeV cm2/g]
Geladene Teilchen in Materie
Bethe
H. Bethe
Radiative
AndersonZiegler
Eµc
Radiative
losses
Radiative
Minimum
effects
ionization reach 1%
Nuclear
losses
Without
1
0.001
0.01
0.1
1
10
100
1000
10 4
10 5
10 6
0.1
1
10
100
1
10
100
1
10
100
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[MeV/c]
[GeV/c]
Muon momentum
[TeV/c]
[Particle Data Group]
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Elektronen und Myonen
Energieverlust von Elektronen
Geringe Masse:
me = (1/200) mµ = (1/1800) mp
Wichtigster Mechanismus für
Energieverlust: Bremsstrahlung (~ 1/m4)
(Emission von Photonen im Coulombfeld
des Atomkerns)
Myonen durchdringen mehr Materie
als andere geladene Teilchen
→ Nachweis in äußeren Detektorlagen
Elektron
Photon
Myon-Detektor
Myonen sind Leptonen: keine starke
Wechselwirkung
Myonen sind schwer: Bremsstrahlung
vernachlässigbar
27
04.07.2012
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Impulsmessung mit
Spurdetektoren
Spurdetektor
(„Tracking”)
Kalorimeter
elektromagnetisch
Myondetektor
hadronisch
Photon
Elektron/Positron
Myon
Neutrino
Neutron
Pion, Proton
„Innen”
28
04.07.2012
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„Außen”
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Impulsmessung
µ–
N
Messprinzip: Ablenkung in Magnetfeld
S
Bewegte geladene Teilchen: Lorentzkraft
2 ~
mv
r
~
e ~v ⇥ B =
·
r
r
Homogenes Magnetfeld B: Teilchen auf Helixbahn
µ+
Impulsbestimmung:
Impuls senkrecht zu Magnetfeld B
(„Transversalimpuls” pT) bestimmt aus
Krümmungsradius r der Teilchenspur
pT [GeV/c] = 0.3 B [T] · r [m]
Ladungsvorzeichen aus Krümmungsrichtung
Benötigt: Detektoren zur genauen
Vermessung von Teilchenspuren
29
04.07.2012
Lehrerfortbildung 2012: Die Vermessung der Atto-Welt
0.5
1.0
Helixbahn
B
0.0
-0.5
-1.0
1.0
r
0.5
0.0
-1.0
-0.5
0.0
0.5
1.0
Ulrich Husemann
Institut für Experimentelle Kernphysik (IEKP)
Spur- und Vertexrekonstruktion
Vermessung der Spuren geladener
Teilchen: mehrlagiger Spurdetektor
Elektrische Signal in jeder
Detektorlage → Spurpunkte
Teilchenspur
Spurpunkt
mit Unsicherheit
Ortsdetektor
Spuranpassung:
Mustererkennung: liegen Spurpunkte
auf gemeinsamer Helixbahn?
Spurfit: Anpassung der Helixparameter
(Krümmungsradius, …)
Vertexanpassung: zeigen Spuren
auf gemeinsamen Ursprungsort
(„Vertex”)?
30
04.07.2012
Lehrerfortbildung 2012: Die Vermessung der Atto-Welt
Vertex
Kollision
⊗ Magnetfeld
Spuranpassung: minimiere
X (xi x)2
2
=
2
i
i
xi
Messung
σi
Unsicherheit
Ulrich Husemann
Institut für Experimentelle Kernphysik (IEKP)
Spurdetektoren am LHC
Frühere Experimente: gasgefüllte
Detektoren (z. B. Driftkammern)
ATLAS-Siliziumpixeldetektor
Spurdetektoren aller LHCExperimente: Halbleiterdetektoren
CMS-Siliziumstreifendetektor
Figure 4.24: A perspective cut-away view of the pixel detector. The view shows individua
rel and end-cap modules, supported with their associated services on staves and disks wit
octagonal support frame.
Messprinzip:
Teilchendurchgang: Bildung von
„Elektron-Loch-Paaren” in
dotiertem Halbleiter
integration of the ID in ATLAS comprises four steps which are also described in this sectio
integration of the barrel SCT and barrel TRT, the integration of the end-cap SCT and end-ca
(two end-caps), the integration of the barrel and end-cap pixel detectors with the beam-pip
finally the insertion of the pixel package.
Feinandsegmentierte
4.7.1 Pixel structure
integration
Auslese
→thehohe
Auflösung
dertheSpurpunkte
The pixel detector and
pixel support
tube (PST) within
ID are shown schematically
31
04.07.2012
Lehrerfortbildung 2012: Die Vermessung der Atto-Welt
ure 4.1. The detector with its associated services and the vacuum inner detector beryllium
pipe (see section 4.8.1) are precisely located inside the PST. The pixel services (cooling, pow
monitoring) are routed to the ends of the PST [92].
Ulrich
The active region of the pixel detector is shown in figure 4.24.
TheHusemann
parameters of the
Institut
für
Experimentelle
Kernphysik
detector, with its three barrel layers and two end-caps, are listed in table 4.3(IEKP)
of section 4.3
2
Siliziumdetektoren im CMS-Experiment
Einzelnes Modul des
CMS-Pixeldetektors
(ca. 64000 Pixel)
CMS-Experiment: gesamter
Spurdetektor aus Silizium
Modulgröße: 66.6 × 26.0 mm2
32
04.07.2012
Lehrerfortbildung 2012: Die Vermessung der Atto-Welt
Mehr als 200 m2 Detektorfläche,
mehr als 60 Milionen Auslesekanäle
Innere Lagen: Pixeldetektoren
→ hohe Auflösung
Äußere Lagen: Streifendetektoren
→ große Abdeckung
KIT: signifikante Beteiligung an
Forschung und Entwicklung sowie
Bau des CMS-Spurdetektors
Ulrich Husemann
Institut für Experimentelle Kernphysik (IEKP)
Leitungsband gelangt. Es gilt:
Dotierte Halbleiter
n D = n 0D + n +
D,
als die es umgebenden vierwerti
ihre Valenzelektronen, müssen die
Akzeptoren etwas oberhalb des V
(Abb. 14.14). Bei einer Akzeptord
zu (14.29), der Bruchteil
Physikalische Grundlagen von
Halbleiterdetektoren
und Isolatoren
Für (E F − E D ) = (E g tern,
− E DHalbleitern
)/2 = 20 meV;
nD =
14.1 Reine Elementhalbleiter
1016 cm−3 ist bei Zimmertemperatur (T = 300 K)
der Bruchteil der ionisierten Donatoratome (n D −
Allen Elementhalbleitern ist gemeinsam,
sie,d.wie
n 0D )/n Ddass
= 0,2,
h. 20% aller Donatoratome sind io14.2.2
Leitungsband
Halbleiter:
Bandlücke
zwischen
Valenzfür Stoffe aus
der Akz
14.1.
Bandlücke
E g bei T = 300 K
ETabelle
Leitungsband
nisiert.
Die
Elektronendichte
im
Leitungsband
ist
dann
elektrische Isolatoren, bei der Temperatur T = 0 ein
vierten wäre
Hauptgruppe
Bringt man
cm−3 . Ohne Donatoren
die intrinsischeEF
2 · 1015
und Leitungsband
voll besetztes Valenzband und ein leeres
Leitungsband
!
tall aus vie
Elektronendichte bei einemStoff
Bandabstand von 1 eV
und
AkzeptorDonatorE
eV
aufweisen und deshalb Nichtleiter sind.
Die22Bandlücke
g
E
−3 E
g
kovalenten
daraus
N = 10 cm−3 nur n e = 106 cm
niveaus
ED . gMan sieht zustände
Dotierung:
Veränderung
der
Eigenschaften
zwischen Valenz- und Leitungsband
ist
jedoch
kleiund seinen
den großen Einfluss selbstDiamant
einer geringen Dotierung
5,60
E
EF
A
ner als bei Isolatoren (Abb. 14.2 undauf
Tabelle
14.1). Bei
tron
(vom
N
0 Si
die
elektrische
Leitfähigkeit.
Durch
Wahl
der
Do1,11
n-Dotierung: Atome mit 5 Valenzelektronen
Valenzband anderen Bi
Halbleitern aus Elementen der vierten
Spalte
Valenzband in weiten
tierung
n D hat
lässtjedes
sich daherGe
die Leitfähigkeit
0,66
→ Atom
zusätzliche
Elektronen:
„Donatoren”
den. Desha
Grenzen
bei kovalenter
Bindung vier
nächste variieren.
Nachbarn Abb. 14.13. Termschema der Donatorniveaus
Abb. 14.14. Akzeptorniveaus
im Band
in den
Ele
(Diamantstruktur)
und
liefert
je
ein
Valenzelektronenp-Dotierung: Atome mit 3 Valenzelektronen
dreiwertige
paar pro Bindung (Abb. 14.3), lokalisiert zwischen den
Wegen des geringen Energieabstandes E g − E D (Elektronen
→ Nachbaratomen.
zusätzliche Löcher: “Akzeptoren”
[Demtröder,istExperimentalphysik
zum Leitfähigkeitsband
ein Teil der Donatoratome3] ter werden
Atom eine k
ionisiert,
h.− das 4+
Elektron
2e−für diese
4+ d.2e
4+ Atome ist ins
als die es
04.07.2012
Lehrerfortbildung 2012: Die Vermessung der Atto-Welt
Ulrich Husemann
Leitungsband gelangt. Es gilt:
Institut für Experimentelle Kernphysik (IEKP)
ihre Valenz
+
0
−
Akzeptoren
Bändermodell der Energiezustände
33
Elektronenenergie
wenn n 0D die neutrale und n +
D die ionisierte Donatordichte ist. Bei einer Dichte n D der Donatoratome ist
n A − n 0A
1
die Dichte neutraler (d. h. nicht ionisierter) Donator=
atome gleich der Dichte der Überschusselektronen bei
nA
2 · e(EA −EF )/kB T + 1
Halbleiter sind Materialien, deren elektrische
der Energie ELeitfäFermi-Verteilung
D und damit gemäß der
Metall
Halbleiter
ionisiert, Isolator
d. h. hat ein Elektron a
higkeit bei tiefen Temperaturen sehr gering ist, aber
E
nD
L
aufgenommen.
Die Zahl n A − n 0A
0
,
(14.28)
n D = Es
mit zunehmender Temperatur stark ansteigt.
gibt
so
1 (E
EL
D −E F )/kB T + 1
der Löcherdichte
p im Valenzband
e
2
Fermi-Energie
genannte Elementhalbleiter, die aus chemischen EleAnalog zur Herleitung von (14
Eg
E
EF
woraus
die Dichte ionisierterF DonatoratomeEV
Eg =(siehe
EL − EAufg.
des zeigen
14.7):
menten aus4 der
Mitte des Periodensystems
bestehen
V
Kristallgitter:
Valenzelektronen
profürAtom
nD
(Abb. 14.1), oder Verbindungshalbleiter
wie
GaAs,
0
n+
(14.29)
=
n
−
n
=
D
D
D
Negative
freieAnwendungen
Elektronen
InSb, Ladungsträger:
AlP, CdS. Für technische
spie-2 e(EF −EDE)/kLB T + 1
EV Fermi-Energie bei T = 0
Die
len dotierte Halbleiter eine besonders
große
bei geben deshalb ne (T ) = n D −
folgt.
Die Rolle,
Donatoratome
liegt genau in der Mitte be
0
Positive
Ladungsträger:
Elektronen
denen gezielt Fremdatome in das Kristallgitter
eines
n D Elektronen pro
Volumeneinheit ins Leitungsband
ab
schen der Oberkante E = 0
Valenzbänder
E
und erhöhen
V
und der Energie E A der
Halbleiters
eingebaut
werden.
wandern
zwischen
freien
Positionen
imdadurch die Leitfähigkeit.
Für n-Halbleiter gilt entsprec
Kristallgitter („Löcher”)
BEISPIEL
D )/2.
Abb. 14.2. Vergleich zwischen den EBandschemata
von Lei-
pn-Übergang
14.2. Dotierte Halbleiter
Aus den Gleichungen (14.32, 33) folgt für die FermiEnergie
(p )
EL
n(p)
nA Akzeptoren
−
− − −
(p )
+
−
EV
p(p)
a)
ln n,p, n D , nA
Akzeptorniveaus
(E V + E A ) ,
04.07.2012
+
+
nD Donatoren
Löcher
p-Teil
n-Teil
p(n)
Ladungsträgerdichte
nD
ni
p
b)
x
nA
Raumladung
ρ(x)
(14.35)
2
Ionisation durch Teilchendurchgang
während sie bei höheren Temperaturen ansteigt.
messbar → Verwendung als Detektor
34
+
n
Umgekehrte
Biasspannung an
Bei p-dotierten Halbleitern liegt die Fermigrenze bei
T = 0 genau in der Mitte zwischen Valenzband und
pn-Übergang
E F (T = 0) =
+
−
E F (T ) = E L − kB T · ln(n 0 /n D ) .
Vergrößerung der1 Verarmungszone
+
n(n)
Bei n-dotierten Halbleitern sinkt die Fermigrenze E F mit steigender Temperatur T , bei
p-Halbleitern2012:
steigt
Lehrerfortbildung
Die sie.
Vermessung der Atto-Welt
p-Halbleiter
c)
+
−
n-Halbleiter
x
Abb. 14.16a–c. p-n-Übergang. (a) Bandschema bei miteinanUlrich Husemann
der verbundenen p- und n-Halbleitern;
(b) Dichteverlauf
der
Institut für Experimentelle Kernphysik (IEKP)
freien Elektronendichte n e (x) und der Löcherdichte n p (x),
[Demtröder, Experimentalphysik 3]
Für T = 0 liegt die Fermi-Energie genau in der
Diffusion
Ladungsträgern
Mitte von
zwischen
den Donatorniveaus E D und der Unterkante E L des Leitungsbandes.
→ Rekombination
Elektronen Mit
undzunehmender
Temperatur nimmt die Fermi-Energie bei schwacher
Löcher
→ Verarmungszone ohne freie
Donatorkonzentration (n D < 2n 0 (T )) ab.
Ladungsträger
Wird die Temperatur so hoch, dass Sättigung der
Ionisation der Donatoren eintritt, muss die FermiBändermodell:
Ferminiveau
auf
beiden
Energie unter die
Donatorenenergie
sinken,
damit fast
Donatoren
ionisiert
werden.
Bei vollständiger IoSeitenallegleich
→
Bänder
„verbogen”
+
nisierung (n ≈ n D ) erhält man analog zu (14.34) die
→ Diffusionsspannung
UD
Fermi-Energie
Bandschema
e ⋅ UD
1
1
(E
kB T · ln(n D /2n 0 ) .
(T
)
=
+
E
)
+
E
F
D
L
Übergang zwischen
p-dotiertem
2
2
(14.34)
und n-dotiertem Halbleiter
493
Siliziumdetektor: Funktionsweise
Detektor: Halbleiterdiode mit pn-Übergang in Sperrrichtung
Ionisierung des Detektormaterials: Elektron-/Loch-Paare
Auslesechip
(Verstärkung, …)
elektrisches
Signal
PbSn- oder Indium-Kügelchen
(„bump bond”)
250–300 µm
–
+ –
+ –
+ –
+
Implantate: n+-dotierte
Pixel (CMS: 150×100 µm2)
Bulk (n-dotiert)
Rückseite (p+-dotiert)
geladenes
Teilchen
35
04.07.2012
Lehrerfortbildung 2012: Die Vermessung der Atto-Welt
Umgekehrte Biasspannung
ca. 150 V
Ulrich Husemann
Institut für Experimentelle Kernphysik (IEKP)
… und wie sieht sie aus,
diese Atto-Welt?
[C. Grupen]
36
04.07.2012
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Ulrich Husemann
Institut für Experimentelle Kernphysik (IEKP)
Produktionsrate σtotal [pb]
Wie gut passt das Standardmodell am LHC?
105
ATLAS Preliminary
35 pb-1
∫
35 pb-1
104
-1
-1
L dt = 0.035 - 4.7 fb
s = 7 TeV
Theory
Data 2010
Data 2011
103
102
1.0 fb-1
0.7 fb-1
4.7 fb-1
1.0 fb-1
10
4.7 fb-1
W
Z
tt
t
WW
WZ
ZZ
Standardmodell-Teilchen
viel zu gut …
37
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Institut für Experimentelle Kernphysik (IEKP)
Quarks: zusammengesetzte Teilchen?
Einer der einfachsten Prozesse am LHC:
Produktion eines Quark-Antiquark-Paares
Keine freien Quarks wegen Confinement:
Bündel von Teilchen („Jets”)
Falls Quarks nicht elementar: sichtbare
„Buckel” im Spektrum der relativistisch
invarianten Masse der Jetpaare
Jetpaar-Massen bis ca. 4 TeV: keine
Abweichungen beobachtet
→ Quarks „kleiner als” < 0.1 Attometer
38
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Proton
CMS Collaboration / Physics Letters B
[PLB 704 (2011) 123]
Standardmodell: Quarks elementar und
punktförmig
Proton
Fig. 2. Dijet mass spectrum from wide jets (points) compared to a smooth fit (solid)
Ulrich Husemann
and to predictions [20] including detector simulation of QCD (short-dashed), exInstitut
für
Experimentelle
Kernphysik
(IEKP)
cited quark signals (dot-dashed), and string resonance signals (long-dashed).
The
QCD prediction has been normalized to the data (see text). The error bars are sta-
Fig. 4
a nar
gluon
anti-
Zusammenfassung
Teilchenphysik am LHC
Beschleunigung von Protonen zu höchsten im Labor erreichbaren Energien
Teilchennachweis in hochpräzisen Detektoren, z. B. Siliziumdetektoren
LHC-Datennahme seit 2010: sehr erfolgreich
Resultate der LHC-Experimente
Keine starken Hinweise für „neue Physik” jenseits des Standardmodells
Jetzt: Neues zum Higgs-Teilchen
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Institut für Experimentelle Kernphysik (IEKP)
Kandidat für Higgszerfall in zwei Photonen
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Ulrich Husemann
Institut für Experimentelle Kernphysik (IEKP)
Kandidat für Higgszerfall in zwei Z-Bosonen
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04.07.2012
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Ulrich Husemann
Institut für Experimentelle Kernphysik (IEKP)
Was ist ein p-Wert?
p-Wert: Maß für „SignifikanzWahrscheinlichkeit, dass beobachtetes Signal
(oder noch größeres Signal) aus statistischer Fluktuation des
Untergrundes stammt
p-Wert ist nicht: (1 –Wahrscheinlichkeit) für Entdeckung, …
Kriterium für „Entdeckung”: 5σ der Gaußkurve → p = 2,9·10–7
[de.wikipedia.org]
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Institut für Experimentelle Kernphysik (IEKP)
Resultate: ATLAS und CMS
ATLAS und CMS haben mit einer Signifikanz von jeweils 5σ
ein neues Boson mit einer Masse 125–126 GeV entdeckt
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