Geologischer Lehrkoffer des Bezirks Reutte Der Lehrkoffer und dieses Begleitheft wurden von Kathrin Kaufmann im Rahmen ihrer Bachelorarbeit am Institut für Geologie und Paläontologie erstellt. Betreuung und redaktionelle Überarbeitung: Christoph Spötl 2013 Einleitung Im Zuge meines erdwissenschaftlichen Studiums habe ich für meine Bachelor-Arbeit das Thema des „Geologischen Lehrkoffers für den Bezirk Reutte“ ausgewählt. Der Lehrkoffer soll in den Schulen des Bezirks Reutte verwendet werden, das Skript wird zur Erklärung der allgemeinen Geologie und der einzelnen Handstücke beigelegt. Für die Zusammenstellung des Koffers wurde durch Recherche anhand von geologischen Karten und Literatur nach den unterschiedlichen Gesteinen des Bezirks gesucht. Im Weiteren wurde eine Sammlung der häufigsten und charakteristischsten Gesteinen des Bezirkes angelegt. Die Gesteine wurden im Labor des Institutes für Geologie und Paläontologie geschnitten und von mir poliert. Am Ende des Begleitheftes sind die wirtschaftlich relevanten geologischen Gebiete des Bezirks aufgelistet. Weiters sind eine Liste mit möglichen Exkursionen für die Schülerinnen und Schüler sowie Materialien für den Unterricht angehängt. Der Lehrkoffer soll als anschauliche Übungshilfe für die Schüler und Schülerinnen des Bezirks Reutte dienen, sodass sie auf Wanderungen das ein oder andere Gestein unter ihren Füßen wiedererkennen. Weiters soll die Geologie des Heimatbezirkes kennen gelernt werden, die Freude an der Natur gestärkt und das Interesse für die Geologie und alle anderen Naturwissenschaften geweckt werden. Werkzeuge für die Gesteinsbestimmung Der Geologe nimmt für die Gesteinsbestimmung immer ein Handstück aus dem anstehenden Gestein. Ein Gestein ist anstehend, wenn es Teil des „gewachsenen“ Gesteinsverbandes ist und nicht durch Transport ortsfremd vorliegt (z.B. heruntergestürzte Felsblöcke). Der Geologenhammer dient zum Anschlagen des Gesteins und wird aufgrund seines Aussehens auch als Spitzhammer bezeichnet. Da sich die Gesteine durch die verschiedenen Umwelteinflüsse, wie beispielsweise Niederschlag, Temperatur und Frost, aber vor allem durch den Einfluss von Vegetation (z.B. Flechten) verändern, sollte das Gestein immer neu angeschlagen werden und der frische Teil des Gesteins betrachtet werden. Zur Betrachtung des Gesteins wird eine Handlupe verwendet. Mit ihr können einzelne Mineralkörner und kleine Fossilien erkannt werden. Durch die Eigenschaften der Minerale, wie beispielsweise Farbe, Glanz, Form und Bruch, können die Minerale bestimmt und somit auf das Gestein geschlossen werden. Auch die Fossilien sind charakteristisch für das jeweilige Gestein. Als weiteres Werkzeug wird 10%-ige Salzsäure verwendet. Tests mit Salzsäure sind für die Identifizierung von Karbonatgesteinen essentiell. Wird auf einen Kalkstein ein Tropfen Salzsäure gegeben, braust dieser, da Kohlendioxid freigesetzt wird. Dolomit hingegen braust nicht, da er andere Inhaltsstoffe als der Kalkstein hat. Dies ist besonders in den Kalkalpen – in denen sich der Bezirk Reutte befindet – von Bedeutung. Das Taschenmesser wird von Geologen für Ritztests verwendet. Diese sind wichtig für die Identifizierung von Gesteinen anhand ihrer Härte. So kann beispielsweise Radiolarit – ein sehr hartes Gestein – von Kalkstein unterschieden werden. Ersterer ist härter als Stahl, Kalkstein hingegen wird vom Messer angeritzt. Noch einfacher ist das Erkennen des Minerals Gips: Er kann bereits mit einem Fingernagel geritzt werden. Ein weiteres Merkmal für die Gesteinsbestimmung ist die Textur bzw. Struktur eines Gesteins. Zur Bestimmung und Identifizierung des Gesteins ist es zum Beispiel bedeutend, ob eine Schieferung vorliegt oder ob das Handstück massig ist. Für die Messung der Raumlage der Textur bzw. Struktur wird der Geologenkompass verwendet, welcher ein spezieller Kompass zur Messung der Lage einer Gesteinsschicht ist. Allgemeine geologische Informationen Ein Mineral ist ein natürlich vorkommender Feststoff mit einheitlicher chemischer Zusammensetzung, der kristallin und zumeist anorganischen Ursprungs ist. Ein Gestein ist ein durch geodynamische Prozesse gebildeter Feststoff aus meist verschiedenen Mineralkörnern. Als Beispiel dazu: Granit ist ein Gestein, welches aus den Mineralen Feldspat, Quarz und Glimmer besteht. Gesteine sind immer natürlicher Herkunft; das unterscheidet sie zum Beispiel von Beton oder Ziegel, die industriell entstanden sind. Gesteine werden nach ihrer Entstehungsart in drei Grundtypen eingeteilt, magmatische, sedimentäre und metamorphe Gesteine. Magmatische Gesteine bzw. Erstarrungsgesteine Diese werden durch das Aufschmelzen des Erdmantels und das anschließende Abkühlen bzw. Erstarren gebildet. Für das Aufschmelzen des Gesteines sind Mindesttemperaturen von ca. 700°C nötig, jedoch variiert die Temperatur je nach Gesteinszusammensetzung. Der flüssige Anteil des Erdinneren wird Magma genannt. Beim Austreten an die Erdoberfläche wird das Magma als Lava bezeichnet. Lava kann in Form von Vulkanen an die Erdoberfläche treten. Die magmatischen Gesteine werden aufgrund ihres Entstehungsortes nochmals in zwei Kategorien unterteilt. So werden die Gesteine, die erst an der Oberfläche abkühlen, als Vulkanite bezeichnet und jene, welche noch unterhalb der Erdoberfläche abkühlen und erstarren, als Plutonite. Bei der langsamen Abkühlung der heißen Magma haben die Minerale viel Zeit zu wachsen, bei der schnellen Abkühlung an der Erdoberfläche hingegen erstarren sie durch den Temperaturunterschied sofort. Deswegen sind die Mineralkörner (Kristalle) von Plutoniten meist wesentlich größer als jene der Vulkanite. Ein Beispiel eines Plutonitgesteins ist der Granit. Ein Vulkanit hingegen wird beispielsweise durch die Spreizung der ozeanischen Platten beim Austritt am Meeresboden gebildet (z.B. Basalt). Durch den Kontakt mit dem kalten Meereswasser kommt es zu einem Temperaturschock und die heiße Lava erstarrt sofort. Sedimentgesteine bzw. Ablagerungsgesteine Sedimente entstehen durch das Brechen und die Zerkleinerung von Gesteinen und werden durch Flüsse, Gletscher oder durch den Wind transportiert. Die Schotterflächen des Lechs im Lechtal sind schöne Beispiele für die gewaltige Transportenergie von Gebirgsflüssen. Sedimente können aber auch durch Lebewesen entstehen. Die marinen (im Meer lebenden) Lebewesen bilden oftmals Mineral-Schutzhüllen, welche nach deren Absterben übrig bleiben und so Sedimente bilden. Lagern sich Sedimentpartikel ab, so spricht man von Sedimentation. Durch die Übereinanderstapelung und die dadurch entstehende Auflast kommt es zu einer Verdichtung der früher deponierten Sedimente. Zwischenräume können durch neue Minerale ausgefüllt werden, die dem Sediment innere Festigkeit verleihen. So wird das Sediment allmählich zum Sedimentgestein. Metamorphe Gesteine bzw. Umwandlungsgesteine Metamorphe Gesteine werden aus magmatischen Gesteinen, Sedimentgesteinen oder auch aus anderen metamorphen Gesteinen gebildet. Metamorphose bezeichnet die Umwandlung, bei der sich ein Gestein an seine neuen Umgebungsbedingungen anpasst. So wird das Ausgangsgestein enormen Temperaturen und Drucken ausgesetzt und verwandelt sich in ein neues metamorphes Gestein. Es gibt verschiedene Arten der Metamorphose. Wenn zwei Kontinentalplatten kollidieren, entstehen hohe Drucke und Temperaturen. Dadurch kommt es zu Vulkanismus und Erdbeben und zur Gebirgsbildung. Diese Art der Metamorphose wird Regionalmetamorphose genannt. Als kontaktmetamorph wird ein Gestein bezeichnet, welches in Berührung mit aufsteigendem heißem Magma kommt und sich aufgrund der hohen Temperatur im Kontaktbereich umwandelt (z.B. Kristallisation neuer Minerale). Metamorphe Gesteine werden durch die Überlagerung von anderen Gesteinen zum Teil in große Tiefen gebracht. Sichtbare Zeichen der hohen Temperatur und des hohen Drucks in diesen Erdtiefen sind Falten und Schieferung sowie Hochdruck- bzw. Hochtemperatur-Minerale. Letztere sind typisch für einen bestimmten Druck bzw. eine bestimmte Temperatur. Durch die Anwesenheit solcher Minerale kann auf einen Mindestdruck bzw. auf die damalige Temperatur geschlossen werden. Durch Auftrieb kommt das metamorphe Gestein an die Erdoberfläche. Dieser entsteht dadurch, dass das metamorphe Gestein meist leichter ist als das umgebende Gestein der Erdkruste. Durch verschiedene Prozesse wie das Überschieben, Aufschmelzen, Erstarren, Aufsteigen, die Erosion und den Transport werden Gesteine in einem großen, langsamen Kreislauf geführt. Die Gesteine erleben in ihrer Geschichte über viele Millionen Jahre immer wieder die gleichen Prozesse. Dieser Gesteinskreislauf ist hier vereinfacht abgebildet. Abb. 1: Gesteinskreislauf (Wikipedia, 2002) Was sind Versteinerungen? Versteinerungen werden auch als Fossilien bezeichnet und entstehen dadurch, dass die Hartteile abgestorbener Lebewesen wie Schalen, Knochen oder Zähne lokal erhalten bleiben und langsam in mineralische Substanz umgewandelt werden. Selten kann auch die organische Substanz selbst bzw. deren Abdruck im Gestein erhalten bleiben so wie beispielsweise Pflanzenreste in Kohle. Fossilien finden sich nur in Sedimentgesteinen. Fossilien belegen nicht nur die Evolution, sondern sind auch ein wichtiges Mittel zur Altersdatierung von Gesteinen. Durch das Auffinden bestimmter Fossilien können geologische Zeitabschnitte abgegrenzt werden. Geologische Entstehung und Einteilung der Alpen Vor 270 Millionen Jahren bildeten Europa und Afrika mit den anderen Kontinenten den Superkontinent Pangäa. Das Klima zu dieser Zeit war trocken und heiß. Abb. 2: Superkontinent Pangäa vor 270 Millionen Jahre (Stampfli & Borel, 2000) Durch Plattentektonik drifteten die Kontinente Europa und Afrika auseinander. Es entstand eine Senke, in die das Meer eindringen konnte. Dieses Meer wird als die Tethys bezeichnet. Da in den flachen Bereichen des Schelfs kalkausscheidende Organismen lebten, kam es zu Kalkablagerungen, welche mächtige Kalkstein-Schichten entstehen ließen. Durch das Auseinanderbrechen von Europa und Afrika wurde Magma an die Erdoberfläche befördert und es bildeten sich Vulkane. Vor etwa 90 Millionen Jahren kam es zur Kollision von Europa mit Afrika. Dabei wurde Gestein verfaltet, übereinander geschoben und zum Teil metamorph. Diese Stapelung ist die Gebirgsbildung. Das Meer hat sich vor 60 Millionen Jahren beinahe vollständig aus den aufsteigenden Alpen zurückgezogen. Nur in den sogenannten Gosau-Becken war es noch vorzutreffen (vgl. GosauGesteine im Lehrkoffer). Vor etwa 28 Millionen Jahren haben die Alpen in etwa die heutige Höhe erreicht. Durch die Abtragung (Erosion) der Gesteine durch Flüsse und Gletscher sind die heutigen Täler und Becken sowie die charakteristische Hochgebirgs-Formenwelt entstanden. Noch immer wird das Gebirge gehoben, jedoch ist in den Alpen die Erosion in etwa gleich groß wie die Hebung. Somit gibt es kein Größerwerden der Alpen mehr. Die verschiedenen Gesteine des Bezirks Reutte wurden im Tethys-Meer abgelagert. Ihr Bildungsraum lag auf der Afrikanischen Platte, die Nördlichen Kalkalpen sind also – geologisch gesprochen – Teil von Afrika. Abb. 3: Die Alpen vor 80 Millionen Jahren (Westermann, 2004) Vor der Überschiebung der beiden Kontinente befand sich die Tethys dazwischen. Durch den seitlichen Druck von Süden wurde Afrika etwa 150 – 200 km nach Norden geschoben und es kam zu einer Überschiebung der beiden Kontinentalplatten, wodurch Afrika teilweise über Europa geschoben wurde. Als Folge dieser Kollision und Auffaltung der beiden Kontinentalplatten entstanden die Alpen. Abb. 4: Die Alpen vor 10 Millionen Jahren (Westermann, 2004) Geologie der Nördlichen Kalkalpen Die Nördlichen Kalkalpen befinden sich nördlich des Inntals und erstrecken sich in einer West-OstAusrichtung über etwa 400 km von Vorarlberg bis nach Niederösterreich. Sie gehören zu den Ostalpen, welche sich östlich des Rheingrabens befinden. Die Begrenzung der Nördlichen Kalkalpen wird im Süden durch die geologisch darunter-liegende Grauwackenzone und im Norden durch die Flysch- und Molassezone geprägt. Die Nördlichen Kalkalpen sind durch Ablagerungen von kalkigen Sedimenten gebildet worden und stellen somit Sedimentgesteine dar. Weder magmatische noch metamorphe Gesteine sind in den Nördlichen Kalkalpen zu finden. Der Bezirk Reutte befindet sich vollständig in den Nördlichen Kalkalpen. Abb. 5: Geologische Übersichtskarte Tirol (Brandner, 1980) Die im Bezirk Reutte am häufigsten vorkommenden Minerale sind Kalzit (CaCO3) und Dolomit (CaMg[CO3]2), die die Gesteine Kalkstein und Dolomit aufbauen. Im Folgenden wird die ursprüngliche stratigraphische Stapelung der einzelnen Schichten besprochen (die im Zuge der Gebirgsbildung vielfach gestört wurde) und die Unterteilungen nach deren Herkunft kurz beschrieben. In einer solchen stratigraphischen Aufzeichnung befindet sich das jüngste Gestein immer oben und das älteste unten. Durch die Überstapelungen, Verfaltungen und andere tektonische Prozesse liegen die Schichten in der Natur kaum horizontal und in der stratigraphisch richtigen Reihenfolge übereinander. Abb. 6: Stratigraphische Abfolge der Gesteine im Bezirk Reutte (Nasemann, 2007) Das Kristallin, das metamorphe Grundgebirge bestehend aus den Gesteinen der Europäischen Platte, ist im Bezirk Reutte nicht aufgeschlossen. Auch der Alpine Buntsandstein kommt in Reutte nicht an die Oberfläche. Dies ist ein Sandstein, der fluviatil entstanden ist. Der Alpine Muschelkalk ist durch seine dunkle Farbe charakterisiert und wurde in einem Randmeer gebildet. Dies kann durch eingelagerte Fossilien, wie beispielsweise Ammoniten, Radiolarien oder Armfüßer (Brachiopoden), bestätigt werden. Die Partnachschichten sind durch deren hohen Ton- und Mergelanteil und durch die sehr dunkle Farbe gekennzeichnet. Die Partnachschichten sind meist fossilarm und leicht verwitterbar. Der Wettersteinkalk ist ein helles, mächtiges Karbonatgestein, welches auch mancherorts Erzvorkommen führt. Für den Transport und die Speicherung von Grundwasser ist der Wettersteinkalk von großer Bedeutung. Besonders charakteristisch für den Wettersteinkalk sind fossile Korallen und Schwämme. Die Raibler Schichten bestehen aus kalkigem Dolomit und sind meist gut geschichtet. Es wird vermutet, dass sich die Raibler Schichten bei einer großen Klimaveränderung gebildet haben, wahrscheinlich bei einer starken Zunahme des Niederschlages (Monsun). Diese Veränderung des Klimas führte zum Absterben der Riffe des darunterliegenden Wettersteinkalks. Ein darauffolgender Meeresspiegelanstieg und ein zwischenzeitlich wüstenhaftes Klima werden als Faktoren für die Ausfällung von Gips angesehen. Die Kalksteine der Raibler Schichten sind reich an Fossilien wie beispielsweise Muschelschalen. Der Hauptdolomit kann eine große Mächtigkeit erlangen und wurde in salzreichen, gezeitenbeeinflussten Lagunen gebildet. Im Gegensatz zu Kalkstein schäumt dieses Gestein bei der Zugabe von 10%-iger Salzsäure nicht. Bei Deformation reagiert der Hauptdolomit spröde und es kommt zu Rissen, welche oft mit weißem Kalzit ausgefüllt sind. Der Plattenkalk besteht aus plattigen bis dünnschichtigen Kalksteinen, welche im Gezeitenbereich entstanden sind. Die Kössener Schichten wurden in flachmarinen Bereichen abgelagert und sind bekannt für ihre Vielfalt an Fossilien, wie beispielsweise Brachiopoden und Korallen. Der Oberrhätkalk sieht dem Wettersteinkalk sehr ähnlich, ist aber noch heller und ebenfalls in einem Flachmeer entstanden. Im Oberrhätkalk sind große Korallenriffe fossil erhalten geblieben. Der Liaskalk besteht meist aus dichten, massigen und tonigen roten Kalksteinen. Im Liaskalk sind oftmals Ammoniten zu finden. Die Allgäu Schichten sind in den großen Tiefen des Tethys-Meeres entstanden. Sie werden auch Fleckenmergel genannt. Dieser Name rührt von fossilen Wühlspuren her, die dem ehemals schlammigen Gestein ein oftmals beobachtbares fleckenhaftes Aussehen verleihen. Die bunten Jurakalke wurden in den höher gelegenen Schwellenbereichen des Meeres gebildet. Dadurch, dass diese Kalke in flacherem Wasser entstanden sind als die etwa gleich alten Allgäu Schichten, sind die Jurakalke oft rötlich. Dies ist ein Hinweis auf ein oxidierendes Milieu. Der Radiolarit entstand durch die Ablagerung von Radiolarienskeletten in der Tiefsee. Radiolarien sind einzellige Organismen mit einem kieseligen Skelett, das heißt bestehend aus Opal (mineralogisch verwandt mit Quarz). Dieser Schlamm aus Radiolarienskeletten wurde unterhalb der sogenannten Karbonatkompensationstiefe abgelagert. Darunter versteht man eine Meerestiefe, unter welcher Kalzit vollständig aufgelöst wird, während kieselige Substanzen erhalten bleiben. Die Karbonatkompensationstiefe schwankt heute je nach Ozean zwischen einer Tiefe von 3500 m und 5000 m. Auch die Aptychenschichten wurden in der Tiefsee abgelagert und zwar oberhalb der Karbonatkompensationstiefe. Die Tannheimer Schichten bestehen aus mergelig-sandigen Gesteinen, welche in Vils sehr dunkel sind und dort für die Zementherstellung verwendet werden. Im Allgemeinen sind die Tannheimer Schichten jedoch sehr bunt, was auf wechselnde Oxidationsverhältnisse schließen lässt. Bei den Losensteiner Schichten handelt es sich meist um konglomeratische Gesteine, welche sich nur durch den zunehmenden Anteil an sandigen Komponenten von den Tannheimer Schichten unterscheiden lassen. Diese sandigen Komponenten sind die ersten Merkmale für die Schließung des Tethys-Ozeans. Die Branderfleck Schichten entstanden im Flachwasser. Die Gosauschichten wurden in flach- bis tiefmarinem Milieu gebildet und bestehen aus Konglomeraten, Sandsteinen und Mergeln mit eingeschlossenen Fossilien. Quartäre Sedimente sind die jüngsten Ablagerungen. Sie entstanden durch Gletscher bzw. in Flüssen und Seen. So hatte sich zum Beispiel im Lechtal (von Reutte bis Vils) durch das Schmelzwasser der eiszeitlichen Gletscher ein länglicher See aufgestaut. Der Seespiegel erreichte etwa 870 m Höhe und am Grund des Sees lagerte sich feiner Seeton ab. Die 16 Hauptgesteine im Bezirk Reutte Gosau-Kalk Der feinkörnige Gosau-Kalk entstand in der Oberkreide. Hierbei handelt es sich um einen Mergelkalk, das heißt ein Kalkstein, der einen erhöhten Tongehalt aufweist. Eine Besonderheit dieses Stückes ist die fossile Koralle, die beweist, dass diese Gesteine im Ozean entstanden sind, denn Korallen kommen nur im marinen Bereich vor. Interessant ist die Beobachtung, dass die vorliegende fossile Koralle eine sogenannte Einzelkoralle ist, das heißt sie war nicht stockbildend, im Gegensatz zu den viel häufiger vorkommenden Riffkorallen. Eine Einzelkoralle lässt darauf schließen, dass sich diese Sedimente nicht an einem für Korallen typischen Riffhang gebildet haben, da ansonsten ganze Korallenstöcke vorliegen würden. Die Bildungsbedingungen der Einzelkorallen sind im tiefen Wasser, wo das Tageslicht nur mehr schwach oder gar nicht eindringt. Die Gosau-Schichten selbst entstanden, als die Alpenfaltung bereits im Gange war. Große Bereiche der späteren Alpen ragten wie ein Archipel aus dem Meer, weshalb die Gosau-Schichten nicht in den gesamten Nördlichen Kalkalpen, sondern nur vereinzelt vorkommen und zudem ihre Mächtigkeit stark variiert. Gosau-Brekzie Die Gosau-Brekzie, welche aus dem Muttekopfgebiet stammt, wurde als Geschiebefracht durch den Streimbach und in weiterer Folge durch den Lech transportiert. Als Brekzie wird ein Gestein bezeichnet, das aus vielen eckigen Komponenten eingebettet in einer verfestigten Matrix besteht. Im Gegensatz dazu setzt sich das Konglomerat aus gerundeten Komponenten zusammen. Die Muttekopf-Gosau ist das höchst gelegene GosauVorkommen der Ostalpen und befindet sich auf einer der größten Überschiebungsdecken der Nördlichen Kalkalpen. Sie ist gekennzeichnet durch ihre Mächtigkeit von 670 m und besteht aus Brekzien, Tonsteinen, Sandsteinen und Konglomeraten. Durch den fluviatilen Transport von Verwitterungsschutt in die noch verbliebenen Meeresbecken der Gosau wurde dieser abgelagert und durch feinkörnige Matrix zu einem Gestein verkittet. Tannheimer Schichten Charakteristische Merkmale der Tannheimer Schichten sind die schwarzen, sandigen Tonsteine und die Mergel, die einen stengeligen Bruch aufweisen. Oftmals sind die Tannheimer Schichten stark geschiefert. Für die Herstellung von Zement wird der Tonmergel als Aluminium-Träger herangezogen. Im Steinbruch in Vils werden die Tonmergel abgebaut, von wo auch diese Probe stammt. Radiolarit Der Radiolarit gehört zur Ruhpolding-Formation. Er wurde zu Beginn des oberen Jura gebildet und zeichnet sich durch seinen hohen Gehalt an Quarz aus. Die Merkmale des Radiolarits sind seine sehr hohe Härte, wodurch er früher oftmals als Feuerstein verwendet wurde, sowie sein splittriger bis muscheliger Bruch und seine Feinkörnigkeit. Der Radiolarit hat aufgrund einer schwachen Eisenanreicherung eine entweder rote oder grüne bis schwarze Farbe. Die Farbe lässt auf das Verhältnis von Fe3+/Fe2+ schließen: Rot wird durch dreiwertiges Eisen erzeugt, grün durch zweiwertiges. Die schwarze Farbe weist auf erhöhte Mangan-Gehalte hin. Der Radiolarit besteht aus den Skeletten von Radiolarien, einzelligen Mikrofossilien. Der Bildungsraum des Radiolarits war die Tiefsee, wo karbonatische Schalenreste oberhalb der Karbonatkompensationstiefe aufgelöst wurden und nur noch kieselige Sedimente am Meeresboden übrig blieben. Analoge Sedimentationsvorgänge laufen im heutigen Pazifik ab. Mit einer starken Lupe sind kleine schwarze Punkte in der Gesteinsprobe zu sehen. Dies sind einzelne Gehäuse von Radiolarien. Vilser Kalk, Varietät hochreiner Kalkstein Der Vilserkalk ist ein heller, gelblich bis weißer Kalkstein, der schlecht gebankt und großspätig in Erscheinung tritt. Seine Mächtigkeit liegt zwischen 0 und 50 m. Der Vilser Kalk wird, wenn er nicht durch Fossilien gekennzeichnet ist, als hochreiner Kalkstein abgebaut. Er kommt als massig, rein weißer und mittelkörnig entwickelter Kalkstein vor. Auch in den fossilarmen Schichten, welche wirtschaftlich genutzt werden, können einzelne Fossilienreste gefunden werden. Der Vilserkalk wird von der Firma Schretter & Cie GmbH abgebaut und zur Herstellung von Zement verarbeitet. Vilserkalk mit fossilen Brachiopoden Neben dem fossilarmen, hochreinen Vilserkalk gibt es noch eine fossilreiche Varietät, die auch als Brachiopodenkalk bezeichnet wird. Durch die Anwesenheit zahlreicher Fossilien kann das Alter des Vilserkalks sehr gut in den mittleren Jura eingegliedert werden. Sehr typisch für den Vilserkalk ist die Brachiopode mit dem Namen „Rhynchonella vilsensis“. Diese Muschel wurde nach dem Ort Vils benannt, da sie sehr typisch für die Lokalität bzw. den Vilserkalk ist. Abb. 7: Rhynchonella vilsensis (Leuprecht & Moshammer, 2010) Rotensteinkalk Der Rotensteinkalk ist ein kaminroter Kalk aus dem Jura. Er besteht aus einer feinkörnigen Matrix, in welche Komponenten und Gerölle eingebettet sind. Der Rotensteinkalk ist hornsteinarm bis hornsteinfrei, jedoch fossilhältig. Die gewöhnlich vorliegende Mächtigkeit beträgt einige Zentimeter bis einige Dezimeter. Entstanden ist der Rotensteinkalk aus Ablagerungen von Komponenten in einem tieferen Meer. Das Stück Rotensteinkalk dieses Lehrkoffers wurde als Geschiebefracht im Lech gefunden. Allgäu Schichten Diese wegen ihrer dunkleren Flecken auch Fleckenmergel genannten Gesteine wurden im unteren Jura gebildet. Sie sind gut geschichtet und oft eng verfaltet. Die Flecken sind auf grabende Lebewesen zurückzuführen. Dies sind Grabgänge, in welchen organische Substanz zurückgeblieben ist und die sich nachträglich ausgefüllt haben. Der Farbunterschied ist darauf zurückzuführen, dass organisches Material etwas dunkler als Kalkstein ist. Durch eine Gesteinsdeformation wurden die Grabgänge oftmals leicht verzogen und entsprechen nicht mehr ganz der ursprünglichen Form. Auf den mergeligen und tonigen Kalksteinen der Allgäu Schichten bilden sich fruchtbare Böden. Kössener Schichten Die Kössener Schichten sind als tonige, mergelige und sehr fossilienreiche Ablagerungen bekannt. Ein Typ davon sind die Korallenkalke, die durch helle fossile Korallenäste in dunkler Matrix leicht zu erkennen sind. Die Kössener Schichten wurden in tieferen Becken gebildet. Bruchstücke des nahe gelegenen Riffs wurden bei Sturmfluten weggerissen und in diesen tieferen Becken in die dort vorkommenden Mergel und Tone eingebettet. Dadurch, dass die Korallenbruchstücke von den Mergeln und Tonen geschützt wurden, können diese Riffe heute als schöne fossile Erhaltungen des ehemaligen Meeresuntergrundes wahrgenommen werden. Der Kössener Korallenkalk kann mit dem Oberrhätkalk verwechselt werden. Dieser ist auch durch Korallenbruchstücke gekennzeichnet, jedoch ist deren Matrix um einiges heller als die des Korallenkalkes. Das Handstück der Kössener Schichten dieses Lehrkoffers wurde als Geschiebefracht im Lech gefunden. Hauptdolomit Der Hauptdolomit ist ein meist hellgraues oder bräunlich-graues Karbonatgestein, welches häufig stark zerklüftet ist. Die Klüfte wurden nachträglich mit weißem Kalzit ausgefüllt. Im Gegensatz zu Kalkstein, welcher aus Kalziumkarbonat (CaCO3) besteht, reagiert Dolomit mit 10%-iger Salzsäure nicht bis nur sehr schwach. Dies liegt am Magnesium, welches im Dolomit (CaMg[CO3]2) eingebaut ist. Der Hauptdolomit tritt in den Nördlichen Kalkalpen sehr häufig als Gebirgsbildner in Erscheinung. Er bildet oftmals steile Flanken und lässt sich bereits aufs der Ferne anhand seiner dunkleren Graufärbung vom Wettersteinkalk auseinander halten. Durch seine starke Zerklüftung bilden sich am Fuße von Hauptdolomit-Wänden häufig große Schuttfächer. Der Dolomit ist als Bodenbildner nicht gut geeignet. Entstanden ist der Hauptdolomit in sehr seichten Lagunen- und Flachwasserregionen. In dazwischenliegenden Becken sind die eingelagerten Ölschiefer der Seefelder Schichten entstanden. Leicht zu erkennen ist der Hauptdolomit an seinem Geruch nach Bitumen; dieses stammt von Meeresorganismen, die in den Meeresbecken – ähnlich wie im heutigen Schwarzen Meer – aufgrund von schlechter Durchlüftung und Sauerstoffmangel nicht verwesen konnten. Hauptdolomitgesteine sind für die Trinkwasserversorgung von Bedeutung. Da der Dolomit sehr kluftreich ist, kann er viel Grundwasser speichern. Des Weiteren wird Hauptdolomit als Baumaterial verwendet, beispielsweise als Streusplitt. Seefelder Ölschiefer Dieses interessante Gestein kommt nur sehr untergeordnet im Bezirk Reutte vor. Er war früher wirtschaftlich interessant und wurde in Seefeld abgebaut. Er tritt als dunkle, bituminöse Lagen in den oberen Abschnitten des Hauptdolomits auf. Der Ölschiefer ist dunkelgrau bis schwarz und hat oft einen leicht öligen Glanz. Er ist gut geschichtet, wird aber trotzdem als Schiefer bezeichnet. Die Probe im Lehrkoffer zeigt eine glänzende Außenseite. Dabei handelt es sich um eine sogenannte Harnischfläche, die durch die Gebirgsdeformation im Zuge der Verfaltung entstanden ist. Ölschiefer entsteht durch die Umwandlung toter organischer Substanz in einem sauerstofffreien Milieu. Dabei entstehen flüssige und gasförmige Kohlenwasserstoffe, die sich in porösen Gesteinsschichten zur Erdöl- bzw. Erdgaslagerstätten sammeln können, in nichtporösen Gesteinen aber fixiert bleiben und Öl- oder Asphaltschiefer bilden. Wirtschaftlich relevant war der Ölschiefer im Bezirk Reutte nur kurze Zeit. So wurde um 1925 westlich des Plansees beim Frauenbrünnele Ölschiefer abgebaut, um daraus sogenanntes Steinöl zu gewinnen (ähnlich wie heute noch im Bächental westlich des Achensees). Zum Teil war die Gewinnung des Schiefers auch unter Tage. Die Stollen des Abbaus reichen jedoch nicht weit in das Gebirge hinein. Raibler Schichten Die Raibler Schichten bestehen aus dunklen Tonsteinen mit helleren (Mergel-) Kalken als Zwischenlagen. Diese Formation ist charakteristisch für ihre Fossilienvielfalt. Oftmals werden Muschel- und Brachiopoden-Schalen gefunden. Diese finden sich meist als Schill angehäuft und sind auf Sturmfluten zurückzuführen. Weiters können auch kugelige Mineralkörner in diesem Gestein vorkommen. Diese Körner werden Ooide genannt und sind durch ein ständiges Hin- und Herbewegen in seichtem Wasser entstanden. Zusätzlich muss eine Übersättigung an Kalziumkarbonat vorhanden gewesen sein, was für Lagunen typisch ist. Raibler Schichten – Gips Gips kommt untergeordnet in den Raibler Schichten vor. Das Gipsvorkommen am Gaichtpass in Weißenbach ist das größte Vorkommen in Tirol. Der Gips hat eine weiße Farbe und bildet selten auch mit freiem Auge erkennbare, glasklare Kristalle aus. Ein weiteres Merkmal von Gips ist sein extrem niedriger Härtegrad: Er ist mit dem Fingernagel leicht zu ritzen. Gips (CaSO4 * 2H2O) bildete sich in sehr flachem, kalziumsulfathaltigem Meerwasser, wenn dieses auf etwa ein Drittel seines Volumens eingedampft ist, das heißt unter wüstenhaft-trockenem Klima. Gips schäumt beim Zugeben von 10%-iger Salzsäure nicht. Wirtschaftlich gesehen ist Gips von großer Bedeutung. In Weißenbach wird Gips, welcher den Anhydrit überlagert, gemeinsam mit dem Hauptdolomit als Nebengestein abgebaut, geschreddert, gemahlen und zur Herstellung von Stuck- und Baugips verarbeitet. Gips zeichnet sich durch hohe Feuerbeständigkeit, sehr gute Feuchtigkeitsregulierung und hohe Wärmedämmung aus. Neben dem Gips kommt in den Raibler Schichten untergeordnet auch noch Anhydrit vor. Er hat eine graue bis weiße Farbe und ist minimal härter als Gips. Er lässt sich noch knapp mit dem Fingernagel ritzen. Im Gegensatz zum Gips, welcher Wasser im Kristallgitter enthält, ist Anhydrit wasserfrei (CaSO4). Anhydrit entsteht wie Gips durch die Verdunstung von konzentriertem Meerwasser. Doch Anhydrit benötigt für seine Bildung Mindesttemperaturen von 35°C. Sind die Temperaturen niedriger, bildet sich Gips. Anhydrit entsteht daher aus Gips im Zuge der Überlagerung durch andere Sedimentgesteine, sobald die Temperatur von 35°C überschritten wird. Umgekehrt bildet sich später aus Anhydrit wieder Gips, wenn ersterer im Zuge der Erosion von Gebirgen in Kontakt mit Grundwasser kommt. Anhydrit wird für die Herstellung von Zement verwendet. Weißenhaus-Marmor Der Weißenhaus-Marmor ist kein Marmor im petrographischen Sinn. Als Marmor wird ein metamorphes Karbonatgestein bezeichnet, das durch hohe Temperaturen und Drucke aus Kalkstein entstand. In der Sprache der Steinmetze wird hingegen jedes Karbonatgestein, das sich gut polieren lässt, als „Marmor“ bezeichnet. Der Marmor von Weißenhaus ist also kein petrographischer Marmor, sondern ein ästhetisches Kalkgestein, das früher wirtschaftlich genutzt wurde. Die hellen Bruchstücke des Marmors sind auf den Wettersteinkalk zurückzuführen. Die schwarzen Bestandteile können als Dolomit gedeutet werden und die rote Matrix als umgelagerte rote Jurakalke. Der Weißenhausmarmor, welcher knapp vor dem Grenzübergang Füssen beim Weißenhaus abgebaut wurde, ist als Baumaterial für die Kirche St. Mang, das Schloss St. Mang in Füssen und sogar für die Säulen des Parlaments in Wien verwendet worden. Wettersteinkalk Der Wettersteinkalk ist eines der Hauptgesteine in den Nördlichen Kalkalpen, so auch im Bezirk Reutte. Der Übergang von Wettersteinkalk zu Wettersteindolomit ist auf den ersten Blick nicht genau zu erkennen. Jedoch mit Hilfe eines SalzsäureTests ist der Kalkstein gut vom Dolomit zu unterscheiden. Die Sedimente des Wettersteinkalkes wurden im Flachwasser gebildet und anhand der darin eingeschlossenen Fossilien kann man ehemalige Lagunen von Riffen unterscheiden. Der Wettersteinkalk ist hellgrau bis weißlich und hat Klüfte, welche mit Kalzit ausgefüllt sind. Der Wettersteinkalk ist meist gebankt, teilweise liegt er aber auch massig, beispielsweise an ehemaligen Riffen, vor. Er bildet steile Felswände. Daher ist der Wettersteinkalk besonders bei Kletterern beliebt. Außerdem treten lokal im Wettersteinkalk Erzminerale wie Bleiglanz und Zinkblende auf, die früher mancherorts außerhalb des Bezirks, zum Beispiel im Raum Nassereith, abgebaut wurden. In den Nördlichen Kalkalpen ist der Wettersteinkalk eines der wichtigsten gipfelbildenden Gesteine. So bestehen beispielsweise der Säuling, die Zugspitze und die Heiterwand aus Wettersteinkalk. Im Steinbruch in Höfen wird der Wettersteinkalk abgebaut. Aufgrund seiner hohen Reinheit wird er für die Edelputzindustrie und als Füllstoff in der Papierindustrie verwendet. Alpiner Muschelkalk Der Muschelkalk ist das älteste aufgeschlossene Gestein des Bezirks Reutte. Die charakteristische Farbe des Muschelkalks reicht von hellgrau über beige bis dunkelgrau. Alpiner Muschelkalk ist ein Sammelname für verschiedene KalksteinSchichten, die unterhalb des Wettersteinkalkes liegen, also älter sind. Entstanden ist der Alpine Muschelkalk im Flachwasser. Er enthält nicht nur Muscheln als Fossilien, sondern auch Armfüßer (Brachiopoden). Häufig zeigt der Muschelkalk auch Wühlspuren, ähnlich wie die viel jüngeren Allgäu-Schichten. Durch die Lage der Fossilien im Handstück des Lehrkoffers kann erkannt werden, wo die obere Seite bzw. die untere Seite der Ablagerung war. Bei der Ablagerung des Fossils werden die Hohlräume mit Schlamm ausgefüllt. Dieser Schlamm lagert sich aufgrund der Schwerkraft im unteren Teil des Fossils ab und härtet dann aus. Somit kann auch nach dem Transport oder der Verfaltung festgestellt werden, welches die obere Ablagerungsseite und welches die untere war. Die Art der Feststellung dieser Ablagerung wird Geopetalgefüge genannt. Wirtschaftliche Nutzung der Gesteine im Bezirk Reutte Noch heute spielen Gesteine im Bezirk Reutte eine wirtschaftlich große Rolle. So wird in Vils von der Firma Schretter & Cie GmbH seit mehr als 100 Jahren Zement, Kalk und Gips erzeugt. Die Ausgangsmaterialien für Zement sind Kalkstein und Mergel, welche im Vilser Steinbruch gewonnen werden. Durch Innovation, Tradition und viel Erfahrung ist die Firma Schretter & Cie GmbH für Spezialbindemittel weltweit bekannt. Da der Kalkstein der beiden Kalkbrüche Vils und Höfen hochqualitativ ist, ist er stark nachgefragt und kann universell eingesetzt werden. So wird er beispielsweise aufgrund seines hohen Weißgrades für die Edelputzindustrie oder auch als Füllstoff in der Papierindustrie eingesetzt. In Weißenbach wird von der Tochtergesellschaft Schretter & Cie GmbH Gips verarbeitet. Am Gaichtpass befindet sich das einzige Gipsvorkommen Tirols, bei dem der Gips durch mehrere Verarbeitungsschritte zu Stuck- und Baugips verarbeitet wird. Gips ist sehr brandbeständig, hat eine gute Feuchtigkeitsregulierung und zeichnet sich durch eine große Gestaltungsvielfalt aus. Schon vor 1000 Jahren war die Wirtschaftlichkeit des Bezirkes Reutte durch Eisenerzvorkommen gekennzeichnet. Aufgrund der Abbautechnik und den aufgefundenen Schlackenfundplätzen wird auf einen nichtorganisierten Bergbau geschlossen, den die Bauern vermutlich als Nebenerwerb durchführten. Gelegentlich finden sich kleine Eisenerznester im Wettersteinkalk. Die zahlreichen kleinen Stollen und Gruben, welche meist in Karstlöchern bzw. Karsthöhlen geschlagen wurden, deuten auf einen Jahrhunderte langen Abbau des Erzes hin. Diese Verkarstungen mit den Eisenerzausfällungen befinden sich beispielsweise am Frauensee, am Erzberg bei Pflach, am Älpeleskopf, am Säuling oder auch in Rieden oder Pinswang. Heute sind diese Abbaustellen jedoch ohne genaue Standortbeschreibung nicht mehr zu finden, da sie entweder verschlossen oder zugewachsen sind. Durch Dokumente und eine Altersbestimmung (Radiokarbon-Datierung) kann auf einen Bergbau zurück bis ins 6. Jahrhundert geschlossen werden. In Reutte wurde in der Gemeinde Breitenwang beim Frauenbrünnele für kurze Zeit auch Ölschiefer (Asphaltschiefer) abgebaut. Um 1925 konnten hier etwa 0,6 m3 Ölschiefer pro Stollenmeter gewonnen werden. Aus diesem Schiefer konnte rund 4% Rohöl gewonnen werden. Der Ölschiefer wurde erhitzt, dadurch wurde das Öl flüssig und tropfte als sogenanntes Steinöl heraus. Das „Tiroler Steinöl“ wurde als Schmiermittel und als Heilsalbe verwendet. Diese Stollen wurden von der Firma St. Grauß gefördert und verarbeitet. Charakteristisch ist der Geruch dieses Gesteins, wenn es zerschlagen wird. Daher wurde er früher auch als Stinkstein bezeichnet. Ölschiefer kommt neben der Fundstelle beim Frauenbrünnele auch noch in Pflach und beim Loreakopf vor. Die Firma Kies Weißenbach gewinnt Kies und Schotter aus dem Lech. Der Lech ist bekannt für seine hohe Geschiebefracht. Durch das ständige Aufschottern und Durchschlängeln des Lechs entstehen Schotterbänke und ein verzweigtes Flusssystem. Die Verursacher für Schotterbänke sind die jährlichen Hochwässer, die das komplette Flussbett überschwemmen. Die Kiesbänke werden abgetragen und an einem anderen Ort flussabwärts wieder abgelagert. Durch die Hochwässer werden die Entwicklungen der Vegetation immer wieder unterbrochen; so wirkt der Lebensraum (scheinbar) karg und öde. Da die Wärme der Sonne vom Kies sehr gut gespeichert wird und das Wasser schnell abrinnt, herrscht auf den Bänken ein warmes Mikroklima, welches von Trockenheit und Hitze geprägt ist. Die Firma Kies Weißenbach vertreibt Schotter und Sand für die Betonherstellung und verschiedene Arten von Splitt. Der Weißenhaus-Marmor wurde kurz vor dem Grenzübergang Füssen abgebaut. Durch seine rötliche Farbe und eine schöne Musterung wurde er als Baumaterial eingesetzt. So wurden Kirchen und Schlösser in der Umgebung aus diesem Gestein gebaut. Im 16. Jahrhundert gab es in Pflach bei Reutte eine Messinghütte, bei welcher Galmei aus der Region verarbeitet wurde. Galmei ist ein Überbegriff für karbonatische und silikatische Zinkminerale, welche lange Zeit zu den bedeutendsten Erzen gehörten. Des Weiteren gibt es laut der metallogenetischen Karte von Österreich zahlreiche kleine Erzvorkommen im Bezirk Reutte, die aber wirtschaftlich unbedeutend sind. So wurde im Kuhbachgraben beim Frauensee Steinkohle gewonnen. Gips wurde vor einiger Zeit neben dem Abbau in Weißenbach auch am Stegerberg abgebaut. An mehreren Stellen wurden kleine Vorkommen von Pyrit und Limonit gefunden. Diese Fundstellen waren beispielsweise auf der südlichen Seite des Gschwendkopfes, am Zunderkopf, bei der DaurachAlpe und im obersten Reintal. Weiterführende Literatur Allgemeine geologische Nachschlagewerke: J. Grotzinger, T.H. Jordan, F. Press, R. Siever (2008): Allgemeine Geologie; 5. Auflage, Spektrum Verlag. Dieses Buch vermittelt sehr verständlich und einfach die Geologie im Allgemeinen. Der Aufbau der Erde, die Plattentektonik, Minerale und Gesteine, Störungen, Falten und Gesteinsdeformationen, Vulkanismus und Erdbeben sowie zahlreiche weitere Themen werden erklärt und zusammengeführt. Geologische Nachschlagewerke zu Tirol: P. Nasemann (2007): Der Lech im Gebirge – Lechkiesel erzählen eine geologische Heimatgeschichte; Edition Koch. Das Buch von Peter Nasemann vermittelt auf eine leichte und leserfreundliche Art die geologischen Vorgänge, welche sich im Flussverlauf vom Lech zugetragen haben. Es sind zahlreiche Fotos, Ausflugsziele und Geschichten über die Vergangenheit der Gesteine eingearbeitet worden. R. Brandner (1994): 900 Jahre Breitenwang – Gesteine und Geologische Strukturen; Athesia-Tyrolia Druck, Innsbruck. Das Heimatbuch von Breitenwang hat ein eigenes Kapitel zur Geologie der Gemeinde. Die Entstehung der Alpen und die Erklärung der Gesteine werden sehr anschaulich aufgezeigt. Geologische Karten: R. Brandner (1980): Geologische Übersichtskarte von Tirol 1:300.000 (Universitätsverlag Wagner). I. Bayer, E.G. Dörflinger, W. Stöckl (2007): Geologische Karte von Vorarlberg 1:100.000 (Geologische Bundesanstalt Wien). W. Zacher, U. Haas (2009): Provisorische geologische Karte nach einem Manuskript 1:50.000 (Geofast – Geologische Bundesanstalt Wien). http://www.geologie.ac.at/png/geofast/085.png Exkursionsmöglichkeiten Der Naturpark Tiroler Lech bietet geführte Ausflüge, Exkursionen und Erkundungstouren zur Geologie des Gebietes an. Diese Touren können für Schulklassen gebucht werden. Informationen: http://www.naturpark-tiroler-lech.at. Im Außerfern wurde einen GEOpfad errichtet, welcher in drei Bereiche gegliedert ist: - Der Pfrontener Pfad führt von der Breitenbergbahn über den Aggenstein zur Bad Kissinger Hütte. - Der Vilser Pfad führt von Vils bis zur Vilser Alm. Hier kann auch in den Berg hinein und somit in die Schichtabfolge des Vilser Steinbruchs gesehen werden. - Der Hochgebirgspfad führt von der Bad Kissinger Hütte zur Vilser Alm. Der GEOpfad ist mit Informationstafeln ausgestattet und kann entweder alleine oder mit einem Führer begangen werden. Der Vilser Pfad ist besonders gut für Schulklassen geeignet. Für genauere Informationen können die Kultur- und Naturführer Außerfern-Allgäu kontaktiert werden: [email protected]. Der Geo-Raum in Vils befindet sich im Museum von Vils und hat neben historischen Räumen auch einen Raum für die Geologie des Lechtals. Hier befinden sich Steine und Fossilien aus dem nahegelegenen Steinbruch. Besonders empfohlen wird im Zusammenhang mit dem Geo-Raum eine Wanderung entlang des GEOpfads von Vils zu machen. Der Geo-Raum hat von Mai bis Oktober jeden 1. Donnerstag im Monat von 17 bis 19 Uhr geöffnet. Für Gruppen kann auch ein sonstiger Besichtigungstermin beim Tourismusbüro in Vils vereinbart werden. Informationen: Museum der Stadt Vils Tel: +43 (0)5677-8367. In der Bayrischen Staatssammlung für Geologie und Paläontologie wird ein geologisches Schulprogramm angeboten. Dabei können Schulklassen bei Workshops zur allgemeinen Geologie teilnehmen. Die Betreuung erfolgt durch zwei ausgebildete Geologen. Für nähere Informationen kann Kontakt mit der bayrischen Staatssammlung aufgenommen werden: [email protected]. Beim Ölschieferbergbau am Frauenbrünnele beim Plansee kann ein originaler Stollen begangen werden. Dieser Stollen, in dem vor rund 90 Jahren Ölschiefer abgebaut wurde, ist ohne jegliche Ausrüstung zu erkunden. Im Museum im Grünen Haus in Reutte sind eine Gesteinssammlung und ein Skizzenblatt vom erfolgreichen Fossiliensammler Anton Falger ausgestellt. Des Weiteren wird gezeigt, wie der Salzhandel des Salzbergwerks in Hall in Tirol Einfluss auf die Gesellschaft in Reutte genommen hat. Bei der Lechschlucht in Füssen gibt es einen Felsvorsprung, auf dem laut Überlieferungen ein Fußabdruck des heiligen Magnus ist. Bei dem heutigen Wahlfahrtsort ist der Abdruck, welcher mit Regenwasser gefüllt ist, noch immer gut zu sehen. Mit dem Fahrrad durch die Erdgeschichte – eine Radtour von Steeg nach Lechbruck. Im Buch „Der Lech im Gebirge“ von Peter Nasemann wird eine Radtour mit 22 Halten durch die Geologie angeboten. Bei dieser Radtour werden die verschiedensten geologischen Erscheinungen und Entstehungsverhältnisse gezeigt und erläutert. Am Steinernen Meer im Lechquellengebirge sind Karsterscheinungen im Kalkstein, welche durch das Lösen von kohlensäurehaltigem Wasser entstehen, sehr gut zu beobachten. So können hier bis zu einigen Metern tiefe oberflächennahe Karstlöcher gesichtet werden. Weitere Informationen zur Geologie-Wanderung gibt der Lech-Zürs Tourismus. http://www.lech-zuers.at/. Zitierte Literatur [1] R.V. Klebelberg (1935): Geologie von Tirol; Verlag von Gebrüder Borntraeger; Berlin [2] A. Tollmann (1977-1986): Geologie von Österreich – in 3 Bänden; Deutike Verlag; Wien [3] P. Nasemann (2007): Der Lech im Gebirge – Lechkiesel erzählen eine geologische Heimatgeschichte; Edition Koch. [4] M. Leuprecht, B. Moshammer (2010): Vilserkalk – Fakten und Überlegungen zu einer Neudefinition (Nördliche Kalkalpen, Österreich); Geologische Bundesanstalt Wien. [5] J. Grotzinger, T.H. Jordan, F. Press, R. Siever (2008): Allgemeine Geologie; 5. Auflage, Spektrum Verlag. [6] O. M. Reis (1931): Cenomaner Brockenmarmor vom „Weißen Haus“ in Tirol, Seiten 84-88, Verhandlung der Geologische Bundesanstalt Wien, München. [7] http://www.naturpark-tiroler-lech.at/index.php?mainPid=2&c=pageList&s_pid=77, am 18.02.2013 Bildquellen-Verzeichnis Abb. 1: Gesteinskreislauf; http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Kreislauf_der_gesteine.png&filetimestamp= 20080207051716 am 31.01.13. Abb. 2: Pangäa vor 270 Millionen Jahren; G.M. Stampfli, G.D. Borel (2000): A plate tectonic model for the Paleozoic and Mesozoic constrained by dynamic plate boundaries and restored synthetic oceanic isochrones; Institute of Geology and Paleontology, University of Lausanne. Abb. 3: Entstehung eines Faltengebirges (vor 80 Millionen Jahren); Westermann (2004): Heimat und Welt – Weltatlas; Brandenburg/Berlin; Seite 37. Abb. 4: Entstehung eines Faltengebirges (vor 10 Millionen Jahren); Westermann (2004): Heimat und Welt – Weltatlas; Brandenburg/Berlin; Seite 37. Abb. 5: Geologische Übersichtskarte Tirol; Tirolatlas – Geologische Übersichtskarte 1:300.000 (R. Brandner, 1980). Abb. 6: Stratigraphische Abfolge der Gesteine im Bezirk Reutte; P. Nasemann (2007): Der Lech im Gebirge – Lechkiesel erzählen eine geologische Heimatgeschichte. Abb. 7: „Rhynchonella Vilsensis“; M. Leuprecht, B. Moshammer (2010): Vilserkalk – Fakten und Überlegungen zu einer Neudefinition (Nördliche Kalkalpen, Österreich); Geologische Bundesanstalt Wien. Übungsmöglichkeiten für die Schüler und Schülerinnen Kreuzworträtsel: – – Memory: dem Koffer beigelegt