Ich geh` jetzt mal duschen

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Strategy
Dr. Mike Radmacher, Stefan Kistler
„Ich geh’ jetzt
mal duschen …“
Kooperationsmöglichkeiten
für Mobilbetreiber mit
Social Communities
Ein Teil des Lebens spielt
sich ­
mittlerweile in S
­ocial
Communities ab. Der resultierende Anstieg in der mobilen Datenkommunikation
bietet Carriern neue Umsatzpotenziale.
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Detecon Management Report • 4 / 2010
„Ich geh’ jetzt mal duschen …“
ie Anzahl der Nutzer von Social Communities steigt tägD
lich. Dabei lassen die Nutzer andere Nutzer weltweit direkt an
ihrem ganz persönlichen Alltag teilnehmen.
Direkt nach dem Aufstehen schreibt Kerstin ihren Bekannten über
den erlebten Traum der letzten Nacht und lädt diese Nachricht zusammen mit einem Bild ihres zerknautschten Kopfkissens auf Facebook hoch. Während des Zähneputzens meldet sich bereits ihre beste
Freundin Annett, deren Nachricht Kerstin mit ihrem Smartphone
empfängt. Um den Inhalt des Traums zu besprechen und fit für
den Arbeitstag zu sein, verabreden sich beide im Starbucks. Kurz
nachdem Kerstin die Wohnung verlässt, twittert sie, dass sie sich
auf dem Weg befindet. 30 Minuten später checkt Kerstin bei foursquare ein. Nun wissen alle ihrer Freunde, darunter auch Annett,
dass sie im Starbucks angekommen ist. Kerstin ruft aktuelle Tipps
anderer foursquare-Mitglieder ab, die bereits heute Morgen im
Starbucks waren. Tim schrieb, dass die Brötchen um 07:30 Uhr
ungenießbar waren. Da Kerstin fast jeden Tag im Starbucks ist,
wurde sie in foursquare zum Bürgermeister dieses Ortes auserwählt.
Damit verbunden ist heute ein Gutschein für einen großen Latte
­Macchiato. Kerstin bestellt diesen für sich und Annett und bespricht
sofort ihren gestrigen Traum. Während des Gesprächs fallen Kerstin
Annetts neue Schuhe auf. Sie war sich sicher, diese bereits auf den
Bildern der letzten Party ihres Freundes Mike bei MySpace gesehen zu haben. Nachdem Kerstin Annett auf die Schuhe ansprach,
erzählte Annett von einer neuen Shopping Plattform „ThisNext“
und versichert, dass diese Schuhe der neuste Trend aus den USA
sind. Nachdem sie „ThisNext“ autorisiert haben, bei ihrem Carrier
ihre Kontaktdaten anzufragen, wurden die Schuhe direkt bestellt,
problemlos über die Mobilfunkrechnung bezahlt und per Post an
sie versendet. Aber nicht nur die Schuhe sind auf der Party Annett
aufgefallen. Ein gutaussehender junger Mann starrt sie auf einigen von Mikes Fotos an. Beide wissen nicht, wer er ist. Eine kurze
Nachricht an Mike wird von ihm mit einem Link zum Xing-Profil
von Stefan beantwortet. Annett und Kerstin stöbern durch Stefans
Profil und hinterlassen ihm eine Nachricht auf seiner Pinnwand.
Befreit, den Traum erzählt, neue Schuhe gekauft und in Erfahrung
gebracht zu haben, dass ein cooler Typ auf Annett steht, verlassen
beide Starbucks.
Das Beispiel zeigt, dass Social Communities sowohl die Art der
Kommunikation wie auch den Umgang mit Kommunikationstechnologien nachhaltig verändert haben. Damit verbunden
ist der kontinuierliche Anstieg mobiler Datenkommunikation,
in dem Carrier große Umsatzpotenziale sehen. Aufgrund der
hohen Bedeutung der Datenübertragung finden die Allein­
stellungsmerkmale von Carriern nur bedingt Anwendung.
­Carrier stehen vor der Wahl:
1. Bit Pipe: Agieren alls reiner Datenübertragungsanbieter.
2.Developer APIs: Entwicklung von Schnittstellen beziehungsweise Services, die für die Mitglieder und Betreiber von
­Social Communities einen Mehrwert generieren.
3.Partnering: Eingehen von Kooperationen mit Betreibern von
Social Communities oder
4.Carrier Community: Aufbau einer eigenen Community und
Platzierung dieser auf den vorinstallierten Startseiten der
­eigenen Endgeräte.
Welche der genannten Alternativen auf welche Weise einen
langfristigen Beitrag zum Erfolg von Carriers leisten, hängt von
der Art der Communities sowie den Fähigkeiten und relativen
Vorteil von Carrieren ab, den Funktionsumfang abzudecken.
Die Märkte im Zeichen von Social Communities und ihre
Entwicklung
Social Communities bleiben des Internetnutzers liebster Zeitvertreib. Unter den Top 20 finden sich diejenigen Communities wieder, die weltweit den meisten Datenverkehr generieren,
daunter Facebook, YouTube, Twitter, Wikipedia oder MySpace1.
Die Nutzerzahlen von Facebook für Deutschland stiegen von
August 2009 bis Juni 2010 um 275 Prozent auf 9,54 Millionen Nutzer2. Weltweit erreichte Facebook im Juli 2010 500
Millionen aktive Nutzer und erwirtschaftete einen Umsatz 800
1http://www.netzpolitik.org/2010/das-internet-wird-hauptsachlich-genutzt-fur/
2http://facebookmarketing.de/zahlen_fakten/facebook-deutschlandnutzerzahlen-juni-2010
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Millionen Dollar, ohne Angabe des Gewinns3,4. Das BusinessNetzwerk Xing konnte im ersten Halbjahr 2010 seinen Gesamtumsatz um 20 Prozent auf 25,86 Millionen Euro steigern
und einen vorläufigen Jahresgewinn in Höhe von 2,6 Millionen
Euro ausweisen. Dabei verfügt Xing über 9,63 Millionen Mitglieder weltweit, wovon 718.000 Benutzer zahlende Premiumkunden sind“5.
Merkmale heutiger Social Communities
Eine Antwort auf die Frage, was Social Communities erfolgreich macht, liefert unter anderem eine Studie, in der 150
­Marketing-Studenten drei Monate 600 Social Communities sowie 60.000 Profilattribute von Mitgliedern analysierten6. ­Neben
klarem Zielgruppenfokus, starker Bindung der Mitglieder
­untereinander oder leichter Benutzerführung kommt es ebenso auf den Funktionsumfang an, den eine Social Community
­bereitstellt, zum Beispiel Bildupload oder Messaging ­Service.
Darüber h
­inaus beeinflusst das Erlösmodell, beispielsweise
Werbefinanzierung, Premium-Mitgliedschaften oder Online
Gaming, direkt den Erfolg einer Social Community.
Anhand der verschiedenen Funktionalitäten rund um die Chatfunktion sei die Auslegung der verwendeten 5er Skala für die
Bewertung des Funktionsumfanges verschiedener Dienste erläutert:
Während die Anzahl der Nutzer in Social Communities zunimmt, ist die Suche nach einem zukunftsfähigen Erlösmodell weiterhin offen. Neben Social Communities sind auch
Carrier auf der Suche nach zusätzlichen Erlösquellen, um dem
starken Kostendruck sowie sinkenden Margen in der Sprachund Datenkommunikation entgegenzuwirken. Um den heutigen Anforderungen eines Carriers gerecht zu werden und den
Markteintritt von innovativen Ideen zu beschleunigen, sind
neben Anforderungen an die Produktentwicklung auch organisatorische Veränderungen notwendig. Schnelles Reagieren auf
Veränderungen am Markt seitens des Carriers setzt eine Modularisierung von Dienstleistungen voraus. Auf diese Weise bauen
neuartige Produkte auf bestehenden Leistungen auf (Baukastensystem). Kernkompetenzen des Carriers lassen sich so auf unterschiedliche Weise verwenden – auch als zusätzliche Services
innerhalb von Social Communities.
3http://www.zeit.de/digital/internet/2010-07/facebook-mitglieder-zuckerberg
4http://facebookmarketing.de/news/500-millionen-aktive-facebooknutzerweltweit
5http://corporate.xing.com/deutsch/presse/pressemitteilungen/pressmitteilungendetailansicht/article/pressemitteilungbr-5/138/ac6f
6d32e020202c81468394959f3ffb/
6http://www.seedfinance.de/2009/01/08/erfolgsfaktoren-fuer-social-networks/
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In den vergangen Jahren entwickelten sich eine Vielzahl unterschiedlicher Communities. Ob Social Communities, Social Networks, Meta Communities oder Mobile Virtual Communites,
alle Communities haben eine Gemeinsamkeit – Menschen, die
sich über Themen, die ihr Leben beeinflussen, austauschen.
1 = Keine Chat Funktion vorhanden
2 = Der Nutzer kann sich in einem öffentlichen Chat Forum
austauschen.
3 = Neben einem öffentlichen Chat ist ein privater Chat mit
einzelnen Nutzern möglich.
4 = Die Chatnachrichten lassen sich unterschiedlich formatieren
(fett/kursiv/unterstrichen).
5 = Der Chat unterstützt neben einzelnen Nutzern auch den
Versand von Dateien, etc.
Die Analyse der Social Communities zeigt, dass es prinzipiell
vier verschiedene Kategorien von Social Communities gibt:
„Live Oriented Communities“ stellen die Nutzer und deren
­Bedürfnis, sich auszutauschen, in den Mittelpunkt. Die bekanntesten Beispiele hierfür sind Facebook und Schüler/Studi/
MeinVZ. Hauptziel der Mitglieder ist es, ihre aktuellen Erlebnisse Freunden mitzuteilen. Die Communities bieten unter anderem die Möglichkeit, private Videos und Bilder hochzuladen
und gegenseitig zu kommentieren. Durch offene Schnitt­stellen
­integrierte Facebook neue Funktionen in die Community. Das
prominenteste Beispiel stellt das von Zynga programmierte
­Simulationsspiel „Farmville“ dar.
„Media Oriented Communities“ stellen die Medien in den Mittelpunkt der Community. MySpace (für die USA) und Bebo
(für Europa) sind die bekanntesten Communities dieser Art.
Diskussionen über bekannte und weniger bekannte Musiker
und deren Musikvideos stehen hier im Vordergrund. Die Profile
der Nutzer lassen sich umfangreich personalisieren, beispielsweise mit einer Verlinkung auf die Lieblingsmusik und einem
Hintergrundbild.
„Ich geh’ jetzt mal duschen …“
„Business Oriented Communities“ zielen auf die Vernetzung im
Geschäftsumfeld ab. In Deutschlang ist Xing sehr verbreitet.
Im internationalen Umfeld ist „LinkedIn“ die bedeutendste
Plattform. Zunehmend nutzen die Mitglieder auch die themen­
orientierte Diskussionsgruppen.
Kernkompetenzen von Carriern und ihr ökonomischer
Mehrwert innerhalb der Social Communities
Eine Vielzahl von Untersuchungen7,8,9 setzte sich in den letzten
Jahren mit den Kernkompetenzen von Carriern zur Identifizierung neuer Erlösquellen jenseits der klassischen und zunehmend
unter Margendruck geratenden Märkte für Sprach- und Datenkommunikation auseinander. Der Fokus auf Kernkompetenzen
“Retail Oriented Communities“ nutzen den Community-Gedanken und betreiben aktiv Handel über ihre Plattform. ThisNext
oder Venteprivee verkörpern diese Art der Community, die es
den Nutzern ermöglicht, über die Plattform direkt Produkte
ohne Zwischenhändler zu erwerben sowie sich vorher und danach über die Produkte auszutauschen.
7 STL – http://www.stlpartners.com/telco2_2-sided-market/index.php
8 E-Billiung – http://www.tmcnet.com/channels/billing/articles/59278-telcosbenefit-from-ebilling.htm
9 Obopay – https://www.obopay.com/consumer/welcome.shtml
Tabelle 1
Name
Facebook
Friendster
Bebo
Linked.in
MySpace
…VZ
Twitter
Xing
TheNext
Typ
Live
Oriented
Community
Live
Oriented
Community
Media
Oriented
Community
Business
Oriented
Community
Media
Oriented
Community
Live
Oriented
Community
Live
Oriented
Community
Business
Oriented
Community
Retail
Oriented
Community
Gründungsdatum
2004
2002
2005
2003
2003
2005
2006
2003
2006
Zielgruppe
Jedermann
Jedermann
Jedermann
(Musik und
Videoliebhaber)
Fach- und
Führungskräfte
Jedermann
Schüler,
Studenten,
jedermann
Jedermann
Berufstätige
Personen
(älter als 18)
Jedermann
Zugangsweg
Web, Apps
für fast
jedes mobile
­Betriebssystem
Web, Apps
Web
Web, Apps
(iPhone,
Blackberry,
Palm)
Web, Apps
(iPhone,
BlackBerry)
Web
(iPhone,
Blackberry)
Web, Mobile
(alle Plattformen)
Web, Apps
(iPhone,
Blackberry)
Web
Mitglieder (2010)
500 Mio.
Nutzer
115 Mio.
Nutzer
(Hauptsächlich in
Asien)
10.7
Millionen in
Großbritannien (Fokus
auf Europa)
75 Million
in mehr
als 200
Ländern)
Ca. 270
Millionen
Mitglieder
17 Millionen
Mehr als 75
Millionen
Nutzer
Umsatz (2010)
700- 800 Mio.
Dollar
17 Millionen
Euro
495
Millionen
Dollar
18 Millionen
Euro
0, rein
Riskiokapital
finanziert
45 Millionen
Euro
Funktionen
Erlösmodell
> 600.000
Chat
3
3
1
2
3
4
1
1
1
Mail
3
3
2
2
3
4
2
3
2
Nutzer Seite
3
4
5
3
5
3
2
4
2
Statusnachrichten
4
4
4
4
4
3
3
2
1
Videointegration
5
4
5
3
5
1
2
1
1
Bilderintegration
5
5
5
3
5
3
2
1
1
Musikintegration
1
1
5
1
5
1
1
1
1
Spiele
5
3
3
2
1
1
1
1
1
Mitgliedersuche
5
5
5
4
3
3
2
5
2
Freundeliste
4
4
4
3
2
2
1
2
1
Nutzergruppen
5
4
1
5
2
4
1
5
1
Werbung
3
3
3
3
3
3
7
3
3
Premiummitglied
7
7
7
7
7
7
7
3
3
Quelle: Detecon
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Detecon Management Report • 4 / 2010
Strategy
ist dabei ein Spiegelbild der Tatsache, dass Carrier anders als die
sogenannten Over The Top Player nicht in der Lage sind, Web
2.0-Innovationen aus organisatorischen Gründen genügend
schnell und erfolgreich voranzutreiben. Darüber hinaus ist ihre
Marktpositionierung meist auf ihren eigenen Kundenstamm
reduziert. Die Ausrichtung auf Web 2.0 relevante Kernkompetenzen verspricht dagegen eine nachhaltige Carrierentwicklung.
Im Zusammenhang mit Social Communities erscheinen insbesondere vier Kernkompetenzen relevant:
Tabelle 2
Kompetenz
Beschreibung
Identifizierung & Autorisierung
Prüfung einzelner personen­bezogener
Identitätsmerkmale zur Sicherstellung
der Authentizität sowie zur Autorisierung gegenüber weiteren Systemen7.
Billing & Payment
Individuelle transaktionsorientierte
Abrechnung von Produkten und
Diensten8,9.
Marketing Services &
Business Intelligence
Erstellung anonymisierter und
­aggregierter Profildaten sowie
­kontext-bezogener Verhaltensdaten7.
Telekommunikationsdienste
Nutzung der nativen Dienste der
Telekommunikationsindustrie
für Funktionen der
(wie SMS/Voice/Data)
Wie sich diese Kernkompetenzen in den Social Communities
konkret implementieren lassen, illustrieren die drei folgenden
Anwendungsfälle:
Anwendungsfall 1: Identifizierung & Autorisierung
Die Shopping Community „ThisNext“ empfiehlt seinen Mitgliedern täglich neue Artikel aus aller Welt. Darunter fallen unter anderem Elektroartikel oder Designermoden aus Paris. Über
einen speziellen Link erwirbt der Nutzer den von ihm ausgewählten Artikel ohne Umwege. Im Idealfall verfügt der Nutzer
bereits über ein eigenes Profil mit hinterlegten Kontaktdaten
wie Anschrift und Kontoverbindung. Da nicht alle Nutzer ihre
Kontaktdaten bereit sind preiszugeben, ermöglicht ThisNext
dem Kunden, sich mit seiner Mobilfunknummer zu identifizieren. Über eine Bestätigungs-SMS legitimiert sich der Kunde
gegenüber der Plattform und bestätigt seinen Einkauf. Der Carrier handelt im Auftrag des Nutzers und sorgt für die Weitergabe der Anschrift zur Durchführung der Bestellung ohne die
Erlaubnis die Anschrift zu speichern.
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Anwendungsfall 2: Billing & Payment
Social Communities bieten ihren Nutzern kostenpflichtige Zusatzfunktionen an. Während Xing ein Premium-Abo mit erweiterten Suchfunktionen und einer Dateiablage für Zeugnisse und
Qualifikationen zur Verfügung stellt, offeriert Facebook eine
virtuelle Währung, die zur Bezahlung weiterer Services, zum
Beispiel Spiele, verwendet wird. Beide Erlösmodelle setzen eine
Bezahlfunktion voraus. Klassischerweise geschieht dies über die
Kreditkarte oder Paypal. Zusätzlich zu solchen etablierten Bezahlverfahren ist ein Carrier in der Position, die Abrechnung
über die Telefonrechnung des Nutzers zu ermöglichen. Facebook und Xing könnten es dabei zulassen, den Nutzer über den
Carrier zu identifizieren und direkt über ihn abzurechnen.
Anwendungsfall 3: Marketing Services & Business Intelligence
Wie anfangs erwähnt, stellt die Werbefinanzierung einen
­wesentlicher Bestandteil der Einnahmen von Social Communities dar. Die Voraussetzung, um zielgerichtete Werbung zu
platzieren, ist die bestmögliche Identifizierung des Nutzers.
­
Grundlage der Analyse des Nutzerverhaltens bilden Informa­
tionen über den Nutzer, die im Normalfall während der Nutzung der Community Services erzeugt werden. Neben eigenen
erhobenen Daten besteht die Möglichkeit für Carrier, anonymisierte sowie aggregierte kontextbezogene Verhaltensdaten zu erwerben. Die gewonnenen Daten in Verbindung mit selbst erhobenen Daten erlauben zielgerichtetes Marketing zu betreiben.
Anwendungsfall 4: Telekommunikationsdienste
Ein weiterer interessanter Anwendungsfall ist die Integration
der Telekommunikationsdienste in Soziale Netzwerke. Hervorstechend ist beispielsweise die Kooperation von Facebook mit
82 Anbietern in 35 Ländern. Bei diesen Anbietern ist es möglich, seinen Status nicht mehr „nur“ über die Facebook Internetseite zu ändern, sondern auch per traditioneller SMS. Diese
Zusammenarbeit ist aktuell nur der Anfang. Weitere Möglichkeiten sind beispielsweise die Anpassung der VoiceMail oder der
Wartemelodie durch Statusänderungen in den Social Communities10.
Neben den drei geschilderten Anwendungsfällen existieren eine
Vielzahl weiterer, die es im Detail und abhängig von der zugrundeliegenden strategischen Ausrichtung des Unternehmens
zu prüfen gilt.
10 DEB – Partnering with Facebook
„Ich geh’ jetzt mal duschen …“
Social Communities als zusätzliche Erlösquelle für Carrier?
Die eingangs erwähnten Alternativen – Bit Pipe, Developer
APIs, Partnering oder der Aufbau einer eigenen Community –
stellen vier grundlegende Geschäftsmodelle für Carrier dar.
Aufgrund des hohen Datenvolumens durch Videos und Musik
sind die „Media Oriented Communities“ für diejenigen Carrier
am interessantesten, die eine Bit Pipe-Strategie verfolgen. Die
Bit Pipe bedeutet, dass das Unternehmen ausschließlich an den
Datenumsätzen partizipiert. Diese stellen aber nur einen geringen Anteil des Gesamtumsatzes einer Social Community dar.
Aufgrund der vielfältigen Kompetenzen, die ein Carrier hat,
sollte er daher nur in Ausnahmefällen eine Bit Pipe-Strategie
wählen. Die Entwicklung von Schnittstellen, die Entwickler von Community-Anwendungen oder auch Communities
selbst, direkt nutzen können, ist eine weitere Möglichkeit. Ein
Carrier kann ein eigenes SDK (Software Development Kit) und
damit Entwicklern von Communities Schnittstellen zu den
Kern­systemen wie Billing und Identifizierung zur Verfügung
stellen, um damit wichtige Kernfunktionen ihrer Community
zu betreiben. Auf diese Art und Weise erschließt ein Carrier eine
weitere ­Erlösquelle. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang
der Aspekt der Bindung zwischen einem Carrier und einer
Community und damit die Abgrenzung gegenüber seinen Wettbewerbern. Neben bereits etablierten Communities eignen sich
vor allem Nischen-Communities, beispielsweise für Radfahrer
oder Angler, die aufgrund ihrer Größe auf zusätzliche Services
wie Billing, Identifizierung und Marketing Services/Business
Intelligence eines Carriers zurückgreifen können. Durch die angebotenen Services über Schnittstellen verlieren Communities
nicht ihre Unabhängigkeit, da lediglich eine Funktion offeriert
wird, aber der Content Bestandteil der Community bleibt.
Die Möglichkeit, mit bestehenden Communities Partnerschaften einzugehen, ist ebenfalls sehr interessant für Carrier. Allerdings sind die Interessen hier extrem unterschiedlich – Carrier
streben nach Umsatzbeteiligung und exklusiven Vorteilen für
ihre eigenen Kunden. Die Betreiber von Social Communities
hingegen sind daran interessiert, Umsatzbeteiligungen Dritter
zu vermeiden und möglichst vielen Mitgliedern den Zugang
zu ermöglichen. Dass es dennoch funktionieren kann, zeigt das
Beispiel von E-Plus: Hier wurde den Mobilfunkkunden von
E-Plus eine kostenlose reduzierte Facebook Version (Facebook
Zero) erstellt, die sie ohne Datenabrechnung nutzen konnten.
Sobald sie allerdings Bilder und anderes anschauen wollen, müssen die hierfür anfallenden Daten vom Kunden bezahlt werden.
Die ­bereits erwähnte Verknüpfung von Social Communities mit
SMS/Voice Mail-Diensten ist eine weitere, interessante Möglichkeit, da sie einen direkten Einfluss auf das Nutzerverhalten
haben und eventuell einen USP im Markt gegenüber anderen
Carriern nach sich zieht.
Als Carrier eine eigene Social Community aufzubauen, erscheint aus mehreren Gründen schwierig. Die Carrier sind
meistens nicht als besonders innovative Unternehmen bekannt
und sprechen nur den Teil der Gesamtbevölkerung an, der auch
einen Vertrag bei ihnen hat. Gerade im internationalen Umfeld
ist dies eine große Einschränkung, da Facebook beispielsweise in fast allen Ländern der Erde genutzt werden kann. Viele
Ansätze aus der Vergangenheit zeigen, dass dieser Ansatz nicht
den gewünschten Erfolg erzielt. Heute bestehende Communities, betrieben durch Carrier, mangelt es häufig an Nutzern,
­Funktionsumfang und Diensten.
Die Zusammenarbeit von Social Communities und Carriern
wird auch weiterhin für Annett, Kerstin, Mike und Stefan das
tägliche Leben beeinflussen. Die genaue Ausgestaltung hiervon
ist noch offen, aber momentan stellt sie eine enorme Chance für
Carrier dar, sich auch nachhaltig von der Konkurrenz abzugrenzen und zusätzliche Umsatzquellen zu generieren. Insbesondere
der Aufbau einer allgemeinen Plattform für kleinere Communities und die Partnerschaft mit bestehenden Communities scheinen erfolgsversprechend.
Dr. Mike Radmacher ist im Bereich Strategie und Marketing mit dem Schwerpunkt Product Innovation tätig. Durch eine Vielzahl von P
­ rojekten sammelte
er Erfahrungen in der Entwicklung innovativer Konzepte und Produkte im
ICT Umfeld. Dazu zählen konkrete Themen wie Social Communities, Cloud
Computing und Identitätsmanagement. Nicht nur die reine Entwicklung von
Konzepten, sondern ebenso die Begleitung bei deren Umsetzung steht dabei im
Vordergrund.
[email protected]
Stefan Kistler ist Berater im Bereich Strategisches Marketing. In dieser Tätigkeit
sammelte er Erfahrung auf drei Kontinenten und entwickelte unter anderem die
Konzernstrategie eines ­internationalen Carriers, die strategische Positionierung
von Teilbereichen eines ­Carriers sowie Produktstrategien im mobilen Umfeld.
[email protected]
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