DAS MAGAZIN STANDORTENTWICKLUNG AB HERBST 2017: DESIGNSTADT ZOLLVEREIN KREATIVE UMNUTZUNG: NEUES LEBEN IN ALTEN HALLEN SPEZIAL IMMOBI LIE N INHALT 16 IMPRESSUM RAUM FÜR KREATIVE UNTERNEHMEN SPEZIAL IMMOBI LIE HERAUSGEBER Stiftung Zollverein Bullmannaue 11, 45327 Essen Das Kammgebäude auf der Kokerei wird derzeit für Unternehmen aus der Kreativwirtschaft ertüchtigt. Der erste Mieter zieht Ende 2015 ein. N RAG Montan Immobilien GmbH Im Welterbe 1–8, 45141 Essen CHEFREDAKTION 04 ZOLLVEREIN IST ... ... EIN VIELSCHICHTIGER ORT 12 D ie Immobilienexperten Hermann Marth (Stiftung Zollverein) und Prof. Dr. Hans-Peter Noll (RAG Montan Immobilien GmbH) erklären, was den Standort ausmacht. REDAKTION EIN HERZ FÜR ZOLLVEREIN Delia Bösch Ute Durchholz Humanitas-Gesellschafter Thomas Pilgrim bezieht mit seiner Firma eine neue Zentrale – in einem alten Stellwerk auf dem KokereiGelände. DIE ZUKUNFT HAT GERADE ERST BEGONNEN D ie künftige Ausgestaltung des Zollverein-Areals basiert auf einer städtebaulichen Vision, die Neubauten harmonisch in das Industrie-Ensemble integriert und mit neuen Nutzungen Perspektiven für künftige Generationen sichert. Guido Schweiß-Gerwin Markt1 Verlagsgesellschaft mbH Markt 1, 45127 Essen Fon: 0201 1095-195 E-Mail: [email protected] TEXT 18 „ZOLLVEREIN IST DER RICHTIGE STANDORT“ Prof. Kurt Mehnert erklärt, was der Folkwang-Neubau auf Zollverein für die Hochschule, den Standort und die Stadt Essen bedeutet. Jessica Buschmann Carola Dietz Heike Reinhold Patrick Torma GRAFIK Stephanie Globert HERSTELLUNG UND DRUCK lm intermedia gmbh FOTONACHWEISE (SEITENANGABEN) Titel: Thomas Willemsen 14 GANZ NACH PLAN Die ehemalige Sauger- und Kompressoren­ halle steuert auf eine Wiedergeburt als Eventhalle zu. Ende 2015 wird die neue Convention Hall eröffnet. 20 WELTERBEARCHITEKTEN Zollverein ist eine UNESCO-Welterbe­stätte, die sich als moderner Kultur- und Wirtschaftsstandort neu definiert und weiter entwickelt. Jochen Tack, Stiftung Zollverein (2, 3, 6, 7, 14, 15, 16,17); Kandalowski, Folkwang (2,12); Architekt Thorsten Czech, Bochum (3,18); Matthias Duschner, Stiftung Zollverein (3, 20); RAG Montan Immobilien (4); Frank Vinken, Stiftung Zollverein (5); Stefan Funke, CP/COMPARTNER (8,9); Kölbl & Kruse (10, 11); Claudia Dreysse (17); Sandy Klama, Stiftung Zollverein (19); Patrick Torma (19); Thomas Willemsen, Stiftung Zollverein (21, 22); TelekomStreetGigs, Markus Nass (22) ZOLLVEREIN ® DAS MAGAZIN 3 AUFTAKT ZOLLVEREIN IST … Das UNESCO-Welterbe Zollverein ist ein sehr vielschichtiger Standort. Die Immobilienexperten Hermann Marth, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Zollverein, und Prof. Dr. Hans-Peter Noll, Geschäftsführer der RAG Montan Immobilien GmbH, erklären, was den Standort ausmacht. … EIN HOCHSCHULSTANDORT HERMANN MARTH: „Als Stiftung Zollverein sind wir hoch erfreut, dass der ­ reativ- und Wirtschaftsstandort Zollverein durch den Neubau für den FachK bereich Gestaltung der Folkwang Universität der Künste eine weitere ­Belebung des Geländes, eine Steigerung der Attraktivität und eine Profilierung des Standortes als innovativer Bildungscampus erfährt. 600 Studenten werden hier lernen, forschen und sich weiterbilden. Gründungswillige Absolventen finden hier ebenso einen Platz wie Forschungseinheiten, Spin-Offs und innovative Projekte.“ ZUR PERSON … EIN HISTORISCHER ORT UND DENKMAL … EINE EVENTLOCATION HERMANN MARTH: „Das Welterbe Zollverein mit seiner Zentralschachtanlage Zollverein XII, der Gründerschachtanlage 1/2/8 sowie der Zentralkokerei Zollverein war im industrialisierten Ruhrgebiet, also in der Zeit, als der Pott noch kochte, ein Ort der Superlative. Heute legt Zollverein ein Zeugnis für diese Epoche ab, denn sie ist weltweit die einzige Anlage, in der die Menschen die Abläufe dieses Industriezweigs nahezu vollständig – von der Förderung der Kohle bis zur Produktion des Brennstoffes Koks – nachverfolgen können. Der Denkmalpfad ZOLLVEREIN®, der durch die historischen Originalanlagen führt, und das Ruhr Museum als erstes Museum für das ganze Ruhrgebiet erzählen die bewegte und bewegende Geschichte einer einzigartigen Region.“ HERMANN MARTH: „Mit mehr als 15.000 m2 Veranstaltungsfläche hat sich das Welterbe Zollverein zu einer festen Größe in den bundesweiten Event­ locations entwickelt. Die beeindruckenden Gebäude des Welterbes mit einzigartiger Architektur und außergewöhnlicher Atmosphäre erfüllen alle Anforderungen für Events fast jeder Größenordnung. Darüber hinaus verfügt Zollverein über professionelle Location-Anbieter, die jede Veranstaltung zum Erlebnis machen. Deshalb hat die Stiftung Zollverein 2013 zusammen mit sieben weiteren Institutionen die Interessengemeinschaft ZOLLVEREIN® Convention aus der Taufe gehoben, eine gemeinsame Initiative zur Vermarktung der Eventlocation Zollverein. Mit der ­Convention Hall wird nun eine Lücke geschlossen, denn künftig können auch Veranstaltungen mit mehr als 2.000 Personen realisiert werden.“ … EIN NAHERHOLUNGSGEBIET … EIN IMMOBILIENSTANDORT ZUR PERSON Professor Dr. Hans-Peter Noll, geboren 1959 in D­ atteln (Westfalen), ist Vorsitzender der Geschäftsführung der RAG Montan Immobilien GmbH, Essen. Darüber hinaus ist er Honorarprofessor am Geographischen Institut der Ruhr-Universität Bochum mit den Schwerpunkten Wandel altindustrieller ­Regionen, Strukturwandel, Ruhrgebiet, Großbritannien und USA, sowie Lehrbeauftragter an der RWTH International Academy Aachen. Außerdem ist Hans-Peter Noll Mitglied i­m Direktorium des Instituts für Berg- und Energierecht der Ruhr-Universität Bochum sowie Vorstandsmitglied der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur, Dortmund. 4 HERMANN MARTH: „Das UNESCO-Welterbe Zollverein mit dem ZOLLVEREIN® Park markiert die Mitte des Ruhrgebiets und zugleich das Herz des Emscher Landschaftsparks, dessen Konzept während der Internationalen Bauausstellung (IBA) Emscher Park entwickelt wurde. Wo früher Gestein als Abfallprodukt der Kohleförderung gelagert wurde, hat sich die Natur ihr Terrain zurückerobert. Grundlage für die Landschaftsgestaltung des ZOLLVEREIN® Parks ist der Masterplan „Industrielandschaft Zollverein“, entwickelt von dem Landschaftsarchitekten Henri Bava. Seit 2006 wird diese besondere Verbindung von Natur und Industriearchitektur gepflegt und kontinuierlich weiterentwickelt. Neue Wege für Fußgänger, Jogger und Radfahrer erschließen das Areal, auf dem sich gestaltete Grünflächen und dschungelartiger Industriewald kontrastreich abwechseln. Spielplätze wurden angelegt, entworfen von Kindern und Jugendlichen.“ HANS-PETER NOLL: „Im Sinne eines nachhaltigen Flächenmanagements l­eisten wir beispielsweise mit dem Projekt ‚Bienen in der Stadt‘ einen Beitrag zur Artenvielfalt in der Region. Die RAG Montan Immobilien GmbH fördert gemeinsam mit dem Kooperationspartner NABU die Biodiversität auf ehemaligen Industriebrachen. Auf den Grünflächen des UNESCOWelterbes Zollverein haben wir insgesamt vier Bienenvölker angesiedelt, die hier echten Welterbe-Honig produzieren.“ Hermann Marth, geboren 1953 in Paderborn, ist Vorstandsvorsitzender der Stiftung Zollverein. Er begann seine berufliche Laufbahn 1983 nach dem 2. Juristischen Staatsexamen bei der STEAG in Essen. 1988 wechselte er zum Krupp Konzern, bevor er 1993 Partner in einer Sozietät für Unternehmensplanung in Frankfurt wurde. In den Jahren 1995 bis 2006 arbeitete Hermann Marth in verschiedenen Positionen für die RAG AG, zuletzt als langjähriger Vorsitzender des Vorstands der RAG Immobilien AG. 2007 wurde er zum Vorsitzenden des Stiftungsrats der Stiftung Zollverein gewählt und ist seit 2008 Vorstands­ vorsitzender der Stiftung Zollverein. HERMANN MARTH: „Zollverein ist ein vitaler und einzigartiger Standort, der über seine touristische und kulturelle Anziehungskraft hinaus immer ­größere wirtschaftliche Bedeutung erlangt. Schon heute erleben die Nachbarn, Anwohner und Unternehmen die wirtschaftlichen Impulse sowie die positiven Effekte, die weit über den Standort hinaus strahlen und zu einer starken Identifikation mit dem gesamten Stadtquartier beitragen.“ HANS-PETER NOLL: „Das Welterbe Zollverein ist ein Standort, der sich aus sich heraus um den historischen Nukleus von Schacht XII entwickelt. ­Die Bausteine erstrecken sich vom klassischen Kunstgewerbe bis zu modernem Design, vom kleinen Büro bis zur Unternehmenszentrale, vom Imbissstand bis zur erlesenen Gastronomie. Seine Strahlkraft zieht sich weit über die umliegenden Stadtteile in die gesamte Metropolregion Ruhr. Hier wird man in Zukunft arbeiten und leben, und das in einem einzigartigen Ambiente mit einer eindrucksvollen industriehistorischen Kulisse und grünem Umfeld. Nachhaltige Quartiersentwicklung geht hier einher mit neuer Wirtschaftskraft. Auf der Kokerei entsteht derzeit ein 72.000 m2 großer Standort für Büroimmobilien: aus meiner Sicht ein idealer Standort für Nutzer und Mieter aus dem Bereich Dienstleistung, Handel, Finanzwirtschaft, Kreativwirtschaft – aber auch für Unternehmen, die sich mit ­Themen rund um den Strukturwandel beschäftigen.“ ZOLLVEREIN ® DAS MAGAZIN 5 TITELSTORY DIE ZUKUNFT HAT GERADE ERST BEGONNEN Auf dem ehemaligen Materiallagerplatz entsteht die Designstadt Zollverein, die im Süden von der Schachtanlage 1/2/8 und dem neuen Hotel begrenzt wird. Der Neubau des Fachbereichs Gestaltung der Folkwang Universität der Künste wird den nördlichen Abschluss bilden. Das UNESCO-Welterbe Zollverein im Essener Norden ist ein Ort, der auf einzigartige Weise Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vereint. Die künftige Ausgestaltung des Areals basiert auf einer städtebaulichen Vision, die Neubauten harmonisch in das bestehende denkmalgeschützte IndustrieEnsemble integriert und mit neuen Nutzungen Perspektiven für künftige Generationen sichert. Wenn im Wintersemester 2017/2018 die ersten von insgesamt 690 Studierenden und 45 Lehrkräfte die Designstadt Zollverein zwischen dem SANAA-Gebäude und dem neuen Universitätsgebäude des Fachbereichs Gestaltung der Folkwang Universität der Künste beziehen, dann hat auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein wieder eine neue Etappe der Entwicklung begonnen. Erhalt durch Umnutzung ist auf dem Areal von Beginn an das Gebot der Stunde. Das ehemalige Zechen- und Kokereigelände hat in den zurückliegenden 165 Jahren mehrfach Gestalt und Bestimmung gewechselt. Von der ersten Schachtanlage zur leistungsstärksten Förderanlage der Welt. Von einer verbotenen Stadt zum offenen Welterbe. Vom Pütt zum Zentrum für Kultur, Tourismus und Wirtschaft. Ein weiterer großer Schritt steht jetzt bevor: der symbolträchtige Wandel zum international renommier ten Universitätsstandort. MIETVERTRAG ÜBER 20 JAHRE Zukunftsweisend ist die Ansiedlung des Fachbereichs Gestaltung der Folkwang Universität der Künste auf dem Gelände des Welterbes Zollverein ohne Frage: Ein Mietvertrag mit 6 ZOLLVEREIN ® DAS MAGAZIN 7 TITELSTORY ERHALT DURCH UMNUTZUNG [SCHACHT XII] Einst galt sie als „schönste Zeche der Welt“: Im Jahr 1847 gegründet, wurde die Zeche Zollverein zwischen 1928 und 1932 von den Architekten Fritz Schupp und Martin Kremmer um die prägende Schachtanlage XII im Stil der Neuen Sachlichkeit erweitert. Der harmonisch durchgestaltete, in zwei Achsen nach Prinzipien der Symmetrie und Geometrie angeordnete Industriekomplex war eine einmalige Musteranlage. Es gilt, weniger Flächen besser zu nutzen und dabei darauf zu achten, mit wenig Energie auszukommen. Fachleute sprechen von Flächeneffizienz. Sie entsteht, wenn Stadtplaner, Architekten, Investoren und Kommunen Hand in Hand arbeiten – motiviert von der Erkenntnis: Innovatives Planen und Bauen ist wirtschaftlich und steigert die Wohn- und Lebensqualität. GARRELT DUIN MINISTER FÜR WIRTSCHAFT, ENERGIE, INDUSTRIE, MITTELSTAND UND HANDWERK DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN Die großartige Architektur von Martin Kremmer und Fritz Schupp zählt zurecht zum Weltkulturerbe. Zeitgemäß ergänzt wird die Industriekultur zu einem pulsierendem Faktor in unserer Stadt und zum Anziehungspunkt für viele. Zollverein und Folkwang bilden hier eine schöne, konstruktive und verlässliche Einheit. Zollverein strahlt auf die gesamte Stadt. Wir tun gut daran, den Standort zu stärken. REINHARD PASS OBERBÜRGERMEISTER DER STADT ESSEN 8 [KOKEREI] Der Neubau für die Folkwang Universität der Künste und der Hotelneubau sind die ersten Bausteine für die Designstadt Zollverein. [SCHACHT 1/2/8] einer Laufzeit von 20 Jahren für die Nutzung des neuen Hochschulgebäudes durch die Folkwang Universität wurde bereits unterzeichnet. Die Arbeiten für den Neubau des Fachbereichs können im Juli 2015 starten, denn die Verträge zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen, der Hochschule und dem Käufer – der Welterbe Entwicklungsgesellschaft mbH & Co. KG – wurden Ende September 2014 in Essen unterzeichnet. Bei der Welterbe Entwicklungsgesellschaft handelt es sich um eine Projektgesellschaft der Kölbl Kruse GmbH und der RAG Montan Immobilien GmbH (siehe auch Infokasten Seite 11), die zwei Grundstücke mit einer Gesamtgröße von rund 13.500 Quadratmetern auf dem Welterbe erworben hat. Verkäufer war das Land Nordrhein- Westfalen, vertreten durch die landeseigene Gesellschaft NRW.URBAN. Bis zum Sommer 2017 soll der Neubau für die Studierenden des Fachbereichs Gestaltung realisiert werden, der die bereits seit 2010 von der Hochschule genutzten Räume des SANAA-Gebäudes ergänzt. Realisiert wird der Bau nach Plänen des ersten Preisträgers des bereits 2010 durchgeführten Architektenwettbewerbes, dem Büro MGF-Architekten aus Stuttgart. Auf einem weiteren Teilgrundstück wird bis Ende 2017 ein Hotelneubau entstehen. Die Planungen hierfür stammen aus dem Architekturbüro Kaspar Kraemer Architekten, Köln. Insgesamt investiert die Welterbe Entwicklungsgesellschaft rund 50 Millionen Euro in die Projektentwicklung auf dem Zollverein-Areal. NEUANFANG NACH ZOLLVEREINPRINZIPIEN Das Büro Kaspar Kraemer, Köln, hat einen Plan aufgestellt, der neben den Hauptkomponenten – der Folkwang Universität der Künste und einem Hotel – auf der Fläche des ehemaligen Materiallagerplatzes eine Vision für eine Designstadt Zollverein, inklusive eines Gewerbeparks, aufzeigt. Dabei war es den Planern ein besonderes Anliegen, die bereits 2001 im Masterplan von Rem Koolhaas angelegten baulichen Prinzipien der Zeche und Kokerei Zollverein aufzunehmen und fortzuschreiben, so dass sich die Neubauten an der Peripherie des Welterbe-Geländes nahtlos und harmonisch in das Denkmal einfügen. Im Zuge der Erweiterung entsteht ein zentraler Platz, der im Süden von der Schachtanlage 1/2/8 und dem neuen Hotel begrenzt wird. Der Neubau des Fachbereichs Gestaltung der Folkwang Universität der Künste wird den nördlichen Abschluss des Kreativen Dorfes bilden. Architektonisch nimmt der Baukörper die Formensprache von Schacht XII und der Kokerei Zollverein auf. Der viergeschossige Neubau-Komplex, bestehend aus unterschiedlich großen Kuben mit eingeschnittenen Höfen und einem Atrium, besetzt das trapezförmige Grundstück nahezu vollständig. FUNKTIONALES RAUMKONZEPT Die Struktur des Universitätsgebäudes leitet sich aus den verschiedenen Das Ende des Kohle- und Stahlzeitalters machte letztlich jedoch auch vor Zollverein nicht Halt. Am 23. Dezember 1986 fuhr die letzte Schicht nach 135 Jahren Bergbaubetrieb ein. Erst wenige Tage zuvor stellte die oberste Denkmalbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen Zollverein Schacht XII unter Schutz und ebnete damit den Weg für eine Entwicklung, die symbolhaft für den Wandel im Ruhrgebiet steht. Erhalt durch Umnutzung war damals wie heute das Motto. Nachdem die einst „Verbotene Stadt“ schrittweise saniert und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden war, entwickelte sich das Areal weiter zu einem zukunftsweisenden Immobilienstandort. Kultur- und Medienschaffende haben heute in den Hallen ihre Ateliers und Büros, das Design Zentrum Nordrhein-Westfalen zog 1997 in das von Norman Foster umgestaltete ehemalige Kesselhaus ein. Endgültig besiegelt wurde der fortschreitende Erneuerungsprozess, als die UNESCO im Dezember 2001 Zeche und Kokerei Zollverein zum Welterbe ernannte. Der noch im selben Jahr von Rem Koolhaas entwickelte Masterplan für Zollverein wurde daraufhin schrittweise umgesetzt, das größte Übertagegebäude – die Kohlenwäsche – zum neuen RUHR.VISITORCENTER und Ruhr Museum umgebaut. Als Essen und das Ruhrgebiet 2010 den Titel Kulturhauptstadt Europas trugen, nahm die Anziehungskraft des Welterbes weiter zu. Mittlerweile besuchen jährlich mehr als eineinhalb Millionen Menschen die Welterbestätte. Sie lernen die original erhaltenen Übertageanlagen von Zeche und Kokerei – den Denkmalpfad ZOLLVEREIN® – kennen, besuchen Dauer- und Sonderausstellungen des Ruhr Museums und den ZOLLVEREIN® Park. Das Industriedenkmal ist aus dem Leben der Menschen nicht mehr wegzudenken. Und schon bald wird das geschichtsträchtige Gelände Alltag und Zukunft von Hunderten von Folkwang-Studenten prägen. ZOLLVEREIN ® DAS MAGAZIN 9 TITELSTORY Der Hochschulneubau besteht aus unterschiedlich großen Kuben mit eingeschnittenen Höfen und einem Artrium. Architektonisch orientiert sich der Baukörper am Baustil von Schacht XII und Kokerei Zollverein. charakter der umgebenden Bauten auf und sorgt dafür, dass der Neubau mit dem historischen Ensemble der Schachtanlage 1/2/8 harmoniert. Ein lichtdurchfluteter Innenhof stellt die Verbindungen innerhalb des neuen Hochschulkomplexes her. Das Gebäude erstreckt sich über vier Etagen. Die gelungene Wiedernutzbarmachung vieler Hallen und Gebäude hat der Zeche Zollverein neues Leben eingehaucht. Wo damals schwere Maschinen dampften, rauchen heute kreative Köpfe. Zollverein hat sich zu einem Zentrum für Kunst, Kultur und Design entwickelt. DR. WERNER MÜLLER VORSITZENDER DES KURATORIUMS DER STIFTUNG ZOLLVEREIN Unser Ziel ist es, den Wandel in unseren ehe­­maligen Bergbauregionen, in unserer Heimat erfolgreich und nachhaltig für die Menschen und mit den Menschen zu gestalten. BERND TÖNJES VORSTANDVORSITZENDER DER RAG AKTIENGESELLSCHAFT 10 Anforderungen an die Hochschule ab. Räume, in denen Seminarräume und Ateliers Platz finden, wechseln einander mit weniger tiefen Raumstrukturen ab, in denen Büroräume und kleine Lehreinheiten angeordnet werden. Ein über alle Etagen offener, atriumartiger Innenbereich mit Fluren und Gängen lädt zum Aufenthalt, zu Begegnung und Austausch ein. Darüber hinaus entstehen großzügige Flächen, in denen die in der Hochschule entstehenden Arbeiten ausgestellt werden können. Das Erdgeschoss wird eine Vielzahl von Werkstätten beheimaten und Raum für die zentrale Cafeteria ­ bieten. Die Verwaltung des Fachbereichs befindet sich im zentralen Eingangskubus. Von dort aus bietet sich ein faszinierender Blick auf den neuen Campus. Jede Etage wird von einem Fachbereich belegt: Während die künftigen Indus- NEUBAUGÜRTEL BIETET RAUM FÜR NEUE IDEEN triedesigner im 1. Obergeschoss zu finden sind, belegen die Fachbe­ reiche Fotografie und Kommunikationsdesign das 2. beziehungsweise 3. Ober­geschoss. Die Studios der Fotografen mit hohem ­ Tageslichtbedarf befinden sich in der 3. und 4. Etage. Da der Stellplatzbedarf des Hochschulgebäudes nicht über Stellplätze auf dem Grundstück abgedeckt werden kann, ist eine Vollunterkellerung des Gebäudes mit ­ einer Tiefgarage im Untergeschoss geplant. Die Zufahrt zur Garage erfolgt über die Arendahls Wiese. HOTEL MIT INDUSTRIECHARME Der längliche Baukörper des Hotels schließt sich unmittelbar an die Schachtanlage 1/2/8 an, ohne die Sichtachse zwischen Schacht und Folkwang Universität zu stören. Nach Ansicht der Welterbe Entwicklungsgesellschaft entspricht eine Positionierung im 3-Sterne-Segment am besten den Anforderungen der Hauptzielgruppen. Angestrebt ist ein Gästemix aus Freizeit- und Geschäftsreisenden sowie Besuchern der Folkwang Universität. Im Erdgeschoss des Hotels entstehen neben Rezeption und Frühstücksraum ein groß­ zügiger Loungebereich und die Hotelküche. Die Zimmer für die Gäste befinden sich in den oberen Etagen. In einem ersten Bauabschnitt soll eine Kapazität von 40 Zimmern realisiert werden. In weiteren Ausbaustufen ist eine Gesamtzahl von etwa 150 Zimmern angestrebt. Baukörper und Fassade orientieren sich ebenfalls an der Gestaltung von Schacht XII. Die für Zollverein typisch rötliche Farbe der Ziegel nimmt den Industrie- Die Schachtanlage 1/2/8 ist jedoch nicht der einzige Geländeabschnitt des Welterbes, an dem die Zukunft zu spüren ist. Im Südwesten des Kokerei-Areals entstand unter der ­ Adresse „Im Welterbe 1–8“ der Unternehmenssitz der RAG Montan Immobilien, der im Frühjahr 2012 bezogen werden konnte. Damit hat die Um­gestaltung des Geländes zu einem außergewöhnlichen Standort für ­ ­Büroimmobilien begonnen. Die einzigartigen Adressen „Im Welterbe 9–24“ sind noch frei und suchen nach neuen Nutzern. Das gesamte Neu­bauareal auf der ehemaligen Kokereifläche umfasst rund 35.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche für Büro­immobilien, die architektonisch sowohl den Ansprüchen eines Welterbes als auch den Bedürfnissen der künftigen Mieter gerecht werden. Im ersten Baufeld werden insgesamt 21.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche angeboten. Parkplätze für Mitarbeiter, Kunden und Geschäftspartner sind in ausreichender Zahl zentral vorhanden. Darüber hinaus sind alle Gebäude ­ barrierefrei. DIE IMMOBILIENENTWICKLER Die Welterbe Entwicklungsgesellschaft mbH & Co. KG ist eine Projektgesellschaft der Kölbl Kruse GmbH in Kooperation mit der RAG Montan Immobilien GmbH. Das Essener Immobilienunternehmen Kölbl Kruse setzt seit bereits 15 Jahren bei Großprojekten an Rhein und Ruhr städtebauliche Akzente. Ende 2009 hat der Projektentwickler die Revitalisierung der Essener Traditionsimmobilie Glückaufhaus abgeschlossen. Mit der Zentrale der RAG Montan Immobilien errichtete Kölbl Kruse in den Jahren 2010 bis 2012 den ersten Neubau auf der Kokerei Zollverein. Aktuell setzt das Unternehmen den Bau für zwei Berufskollege – der mit insgesamt 6.000 Schülern eines der größten Schulzentren Deutschlands sein wird – auf dem Gelände des Dortmunder U sowie das neue Headoffice für DB Schenker in der Essener Innenstadt um. Die RAG Montan Immobilien GmbH ist eine der größten Flächenentwicklungsgesellschaften im Ruhrgebiet und im Saarland. Zu den Erfolgsprojekten des Unternehmens zählen unter anderem das Stadtquartier Mont Cenis in Herne, der Zukunftsstandort Ewald in Herten und der Technologie- und Gewerbepark Eurotec in Moers. Aktuell in der Entwicklung befindet sich das Kreativ.Quartier Lohberg auf dem Areal der ehemaligen Zeche Lohberg/Osterfeld in Dinslaken, das Areal der ehemaligen Kokerei Zollverein auf dem Welterbe Zollverein in Essen sowie die Fläche der Zeche und Kokerei Gneisenau in Dortmund. HEIKE REINHOLD ZOLLVEREIN ® DAS MAGAZIN 11 IM GESPRÄCH „ZOLLVEREIN IST DER RICHTIGE STANDORT“ hen funktionale Gesichtspunkte im Zentrum, die in einer formalästhetischen Haltung umgesetzt werden. Genau das haben die Architekten Schupp und Kremmer mit dem Bau von Zeche und Kokerei getan. Mit der Hochschule wird auch diese Facette des Welterbes weitergelebt. Die Folkwang Universität der Künste mit ihrem gelebten interdisziplinären Ansatz ist ein sehr attraktiver Player für den Standort Zollverein. Durch den Fachbereich Gestaltung entsteht ein neuer Inspirationsraum, der den Standort mit Leben erfüllen wird. Wir sind ein thematischer Anker für Bildung und Kreativität. Zollverein ist unter anderem auch die Heimat des Red Dot Design Museums. Welche Ausstrahlung hat Zollverein auf Sie als Designer selbst? Als Kreativ- und Bildungsstandort hat sich das UNESCO-Welterbe Zollverein in den zurückliegenden Jahren bereits einen Namen gemacht. Mit dem Neubau für den Fachbereich Gestaltung der Folkwang Universität der Künste wird ein weiteres Kapitel aufgeschlagen. Im Interview erklärt Prof. Kurt Mehnert, Rektor der Folkwang Universität der Künste, was das für die Hochschule, den Standort Zollverein und die Stadt Essen bedeutet. Herr Prof. Mehnert, Sie haben 2007 die gestalterischen Studiengänge der Universität DuisburgEssen an die Folkwang Hochschule überführt. 2017, zehn Jahre später, wird die Folkwang Universität der Künste ihre neue Heimat auf Zollverein finden. Sind Sie jetzt angekommen? Ja, mir ist ein Stein vom Herzen gefallen, als vor wenigen Wochen die Entscheidung bekannt gegeben worden ist. Zuletzt hatte man das Gefü­hl, die Gestalter hätten kein Zuhause mehr. Das ist jetzt anders. Wir werden den Umzug von Industrial Design, Kommunikationsdesign, Fotografie, den Kunst- und Designwissenschaften sowie unseren Werkstätten nach Zollverein nun mit aller Kraft vorantreiben. 12 Sie sind ja schon länger am Standort … Ja, das SANAA-Gebäude war 2010 der Start der Verortung der Hochschule auf dem Zollverein-Gelände. Jetzt sollten wir den ­ Raum zwischen SANAA und dem Folkwang Neubau mit weiterem Leben füllen, eine Campussituation erzeugen, eine Art Forschungsmeile entwickeln. Was macht den Standort Zollverein so attraktiv für die Folkwang Universität? Alle anderen Standorte boten nicht annähernd diese Möglichkeiten. Gestaltung ist eine Kombination aus Reflexion, Konzeption, Idee und dessen Transformation. Dabei ste- Zollverein ist der richtige Standort für Gestalter. Das hier mit dem Red Dot der bekannteste Designpreis in der internationalen Wahrnehmung verliehen wird, ist natürlich ein weiteres gewichtiges Argument. Jetzt kommt die Designausbildung hinzu. Damit sind Geschichte, Gegenwart und Zukunft vereint. Berlin ist seit 2005 die erste deutsche City of Design. Sie haben dort studiert. Jetzt strebt Essen diesen internationalen Titel an. Was macht Essen Ihrer Meinung nach zu einem guten Designstandort? Gegenfrage: Nimmt eine Stadt das Potenzial auf, was Gestalter als Teil von ihr leisten können? Und wie wird das sichtbar? Ich kann diese Frage nicht beantworten. Das ist im ­Übrigen auch in Berlin nicht einfach ablesbar. Design kann aber ein Instrument zur Profilierung einer Stadt sein. Es kommt immer auf den Blickwinkel des Betrachters an, oder wie dieser auch gelenkt wird. Ich kann Besuchern hier in Essen oder eben auch in Berlin aus gestalterischer Sicht schöne und weniger schöne Ecken zeigen. Im Übrigen hat jeder eine andere Vorstellung von Design. Letztlich geht es um ein intuitives Sich-Wohlfühlen in einer Umgebung. Dass man sich willkommen und wohl fühlt und sich zurecht findet. Design­­parkbänke und Designabfalleimer an sich machen eine Stadt nicht zur Designstadt. Aber wenn solche Instrumente dazu führen, dass eine Identifikation mit der Stadt, ein Zu­ gehörigkeitsgefühl und daraus resultierend gemeinschaftliches verantwortliches Handeln entsteht, dann hat es funktioniert. Design kann mithelfen eine positive Haltung aller Bürger für ihre Stadt zu erzeugen und das überträgt sich auf die Gäste. Und? Fühlen Sie sich in Essen wohl? Ja, aber was macht eine Stadt lebenswert? Ich fühle mich auch in Berlin wohl. Essen ist als Teil des Ruhrgebietes zu sehen. Hier haben wir ein wahnsinniges kulturelles Angebot und tolle Menschen die „geradeaus“ denken und sprechen. Aber 53 Städte und Gemeinden sind schwieriger unter einen Hut zu bringen als eine. Vielleicht liegt darin auch die Chance. Aber es braucht auch große Projekte wie RUHR.2010, die nach außen eine große Strahlkraft und nach innen Zusammenhalt erzeugen. In diesem Spannungsbogen kann man sich einbringen und gut leben. Noch einmal zurück zur Hochschule. Gibt es ein ‚Design made in Essen’? Wenn ja, wie sieht es aus? ZUR PERSON Prof. Kurt Mehnert, Jahrgang 1959, ist seit April 2009 Rektor der heutigen Folkwang Universität der Künste. Der an der Hochschule der Künste in Berlin ausgebildete DiplomDesigner ist Inhaber von Mehnert Corporate Design und wurde 1994 erstmals für eine Professur an die Hochschule Anhalt in Dessau. 2002 wechselte er an die Universität Duisburg-Essen als Professor für Konzept und Entwurf im Studiengang Industrial Design. Als Dekan überführte Kurt Mehnert 2007 die gestalterischen Studiengänge an die Folkwang Hochschule. Design kann man meiner Meinung nach generell nicht mehr auf einen Ort beziehen, wie zum Beispiel in der jüngeren Geschichte Dessau oder Ulm. Die Ausbildung bei der Folkwang Universität hat in aller Welt einen hervorragenden Ruf und wird auch mit der Stadt Essen in Verbindung gebracht. Immerhin haben wir über 30 Prozent Studierende aus dem Ausland. Sie sind unsere Kulturbotschafter in aller Welt. Auf ihre Frage zurückkommend würde ich sagen, eine Gestalterin oder ein Gestalter unserer Hochschule ist neben den gestalterischen/künstlerischen Fähigkeiten insbesondere an der Konzeptionsstärke und interdisziplinären Haltung erkennbar. DAS GESPRÄCH FÜHRTE GUIDO SCHWEISS-GERWIN ZOLLVEREIN ® DAS MAGAZIN 13 ZOLLVEREIN IST EINE EVENTLOCATION 1 1 D ie ehemalige Sauger- und Kompressorhalle wird zum Veranstaltungsort umgebaut. 2 Im Untergeschoss entsteht ein atmosphärischer Club für After-Show-Partys. 3 S patenstich: Hermann Marth, Vorstandsvorsitzender Stiftung Zollverein, mit NRW-Bauminister Michael Groschek und Mitinvestor Claus Dürscheidt (v.l.). 2 GANZ NACH PLAN 3 Mit ihrer industriellen Prägung bieten sich die Bestandsgebäude auf der so genannten „weißen Seite“ der Kokerei Zollverein nicht nur als Werkstätten und Gewerbestandorte für klein- und mittelständische Betriebe an. So ist die ehemalige Gassauger- und Kompressorenhalle geradezu prädestiniert, Eventhalle der Extraklasse zu werden. Ende 2015 wird die neue Convention Hall eröffnet. „Mit dieser einzigartigen Veranstaltungshalle schaffen wir das Auditorium, das schon Rem Koolhaas in seinem Masterplan für Zollverein vorgesehen hat“, erklärt Claus Dürscheidt, der auch das Casino Zollverein auf Schacht XII mitbegründet hat. Mit einer privaten Investorengruppe baut er nun die einstige Sauger- und Kompressorenhalle zur Convention Hall um. Rund sechs Millionen Euro fließen in den Ausbau des denkmalgeschützten Gebäudes aus Backstein und Stahlbeton. Damit bekommt Zollverein einen Veranstaltungsort, 16 Meter hoch und 5.700 Quadratmeter groß, der, so die Investoren, „beste Chancen hat, ein Zent- 14 rum für Weltmessen und weitere Großereignisse zu werden“. Dafür haben Dürscheidt und sein Team einen umfangreichen Nutzungsplan entwickelt. Mit Foyer, Bühne und großem Veranstaltungsbereich im 1. Obergeschoss ist die Halle ideal für Konzerte, Ausstellungen und Messen. Bis zu 2.700 Stehplätze sind möglich, beziehungsweise Sitzplätze für insgesamt 1.500 Personen. Das Untergeschoss der Halle bietet Raum für weitere 900 Gäste. Hier sollen ein Club für Aftershow-Partys sowie ein Bar- und Loungebereich entstehen, sodass Full Service-Veranstaltungen wie Galas, Konferenzen, Clubevents oder Mitgliederversammlungen ideal präsentiert werden. Zu den Kompetenzen zählen Organisation und Catering ebenso wie Technik, Gestaltung und Dekoration. ORIGINALITÄT ALS DENKMAL ERHALTEN Beim Aus- und Umbau der Halle ist es Mitinvestor Dürscheidt besonders wichtig, ihren besonderen Charme und ihre Originalität als Denkmal zu erhalten. Deshalb werden auch nur die Maschinen im Mittelteil der Halle entfernt, die restlichen, original erhaltenen Sauger und Kompressoren bleiben – geschützt durch Glasvitrinen – erhalten. Claus Dürscheidt möchte „den Charakter des Raumes samt seiner Geschichte mit modernen Inhalten verschmelzen.“ Wie gut das funktionieren kann, hat er bereits mehrfach unter Beweis gestellt, auf Zollverein selbst als Mitbegründer des Casinos oder auch als Initiator der legendären Konzerthalle „Zeche Bochum“, wo schon in den 1970-er Jahren spätere Superstars wie Tina Turner oder Herbert Grönemeyer auftraten. Es gilt, die Potenziale der einstigen Industriebauten zu definieren und zu erschließen. So wird die Gassauger- und Kompressorenhalle mehr als 20 Jahre nach ihrer Stilllegung im Jahr 1993 zur neuen Convention Hall auf dem Kultur- und Wirtschaftsstandort Zollverein eine der wenigen privat geführten Konzert- und Veranstaltungsadressen Deutschlands. Für den Vorstandsvorsitzenden der Stiftung Zollverein, Hermann Marth, ist die Convention Hall jedenfalls „ein wichtiger Schritt, um auf dem Welterbe das Eventbusiness weiter auszubauen“. Der nordrhein-westfälische Bauminister Michael Groschek sieht in der Convention Hall sogar ein positives Signal für das gesamte Ruhr­ gebiet: „Der Strukturwandel von der Montanindustrie zum Dienstleistungs- und Veranstaltungssektor schreitet voran“, betonte Groschek beim symbolischen Spatenstich zum Umbau der Halle im Juni dieses Jahres. Auf jeden Fall schließt die Convention Hall eine Lücke im Eventlocation-Angebot an Rhein und Ruhr. Und in der zukünftigen Entwicklung des UNESCO-Welterbes Zollverein hat sie durchaus Potenzial, einen neuen Meilenstein zu markieren, wenn sie Ende 2015 eröffnet. Stadt, Land, Bund, EU und Regionalverband Ruhr haben in den vergangenen 20 Jahren auf dem Welterbe-­ Zollverein rund 300 Millionen Euro i­ nvestiert. Das geschah in der ­Erwartung, dass sich auch ­private Investoren auf Zollverein engagieren. Das tun sie, und ­ das ist gut so. MICHAEL GROSCHEK MINISTER FÜR BAUEN, WOHNEN, STADTENTWICKLUNG UND VERKEHR DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN CAROLA DIETZ ZOLLVEREIN ® DAS MAGAZIN 15 ZOLLVEREIN IST EIN ARBEITSRAUM RAUM FÜR KREATIVE UNTERNEHMEN Seinen Namen verdankt das Kammgebäude auf der sogenannten „weißen Seite“ der Kokerei seiner Form, denn wie die Zinken eines Kammes gliedern sich die sieben, quaderförmigen Hallen des Baukomplexes an einen durchgehenden, 200 Meter langen Gang. Dort eröffnet sich dem Besucher ein Blick in das Innere einer einzigartigen Architektur. Bis 1993 als Betriebsmittelgebäude der Kokerei genutzt, wird der Gebäudetrakt derzeit für Unternehmen aus der Kreativwirtschaft ertüchtigt. Der erste Mieter zieht Ende 2015 ein. Am rechen Bildrand gut zu erkennen: Hintereinander stehen die sieben quaderförmigen Hallen – angeordnet wie die Zinken eines Kammes. Hier siedeln sich ab dem kommenden Jahr innovative Unternehmen an. Der großzügige Gebäude- Gründerzentrum Triple Z auf dem komplex, ab 1957 in Anlehnung des ehemaligen Zollverein Schacht 4/5/11 neusachlichen Stils der Schachtanla- in Essen-Katernberg niedergelassen – ge Zollverein XII erbaut, bietet insge- mit Erfolg: Denn MMID wächst samt 570 Quadratmeter Büro- und bis dynamisch, sodass das Produktentzu 1300 Quadratmeter Werkfläche. wicklungsbüro nun größere RäumInsbesondere die einstigen Hallen lichkeiten benötigt. von Schutzgaserzeugung, Pumpenhaus und Stützpunktwerkstatt eignen IDEALE RÄUMLICHKEITEN sich mit einer Raumhöhe von acht Metern ideal als loftartige Präsentations- und Atelierräume, denn große „Zollverein ist und bleibt für uns die Fensterflächen sorgen für Licht und richtige Adresse. Wir schätzen hier die Ambiente. Das Schalthaus soll als Nähe zu unseren Kunden und besonBüro­gebäude von Dienstleistungsun- ders auch zu den Universitäten, da wir hochtalentierte Mitarbeiter mit besonternehmen genutzt werden. deren Spezialisierungen brauchen“, „Wir haben uns bewusst dafür ent- betont Müller. Ein Umzug weg von schieden, das Kammgebäude für kre- ­Zollverein? Unvorstellbar! Die Entwickative mittelständische Betriebe zu lung des Kammgebäudes kommt für entwickeln“, erklärt Philipp Brügge- ihn gerade zur richtigen Zeit. Die Büros mann, Standortentwickler bei der und Werkhallen dort sind für sein Stiftung Zollverein. Mit Blick auf die U­nternehmen ideal geeignet – als Schuweitere Entwicklung der Bestands­ gebäude auf der Kokerei hat das Kammgebäude eine Pionieraufgabe: „Unsere Perspektive ist ein vitaler Wirtschaftsstandort mit gewachsenem und urbanen Charakter, der sich durch Nutzungsvielfalt und dynamischen Wandel auszeichnet. Die zu erwartenden Spin-offs und Ausgründungen des Fachbereichs Gestaltung der ab 2017 auf Zollverein ansässigen Folkwang Universität der Künste werden auf der Kokerei geeignete Räume finden und zudem positive Effekte in den umliegenden Stadtteilen haben“, so Brüggemann weiter. Eine Perspektive, die auch Nils Müller, Geschäftsführer des Essener Produktentwicklungsbüros MMID, sieht: „Das Kammgebäude besitzt eine fantastische Atmosphäre und bietet uns den Raum, den wir zum Wachsen brauchen.“ Das niederländische Unternehmen hat sich bereits vor dreieinhalb Jahren entschieden, seinen Deutschland-Standort auf Zollverein zu gründen und sich zunächst im 16 lungsräume genauso wie als Showroom für die innovative Produktvielfalt, die MMID entwickelt – vom Getränkeautomaten über einen bedienerfreundlichen Alarmsender für Senioren bis zum wasserdichten Gehäuse für eine elektronische Duschsteuerung. Mit ihrer exponierten Lage an der Hauptzufahrt zur Kokerei sowie ihrer markanten Architektur ist das Kammgebäude Impulsgeber für den Standort und bietet Räume für Handwerker, Designer, Fotografen, Werbeagenturen und interessante Manufakturen. Die Stiftung Zollverein stellt das Kammgebäude im vierten Quartal 2015, nach der energetischen Sanierung, zur Verfügung. Zu den ersten Mietern wird Nils Müller mit seinem rund 30-köpfigen Team gehören. CAROLA DIETZ Im Frühsommer 2014 war die Ausstellung „Produktive Stadtlandschaften” des M:AI Museum für Architektur und Ingenieruskunst NRW im Kammgebäude zu sehen. ZOLLVEREIN ® DAS MAGAZIN 17 ZOLLVEREIN IST EIN UNTERNEHMENSSTANDORT 2 1 EIN HERZ FÜR ZOLLVEREIN Geboren und aufgewachsen im Schatten der Zollverein-Fördergerüste: Der Werdegang von Thomas Pilgrim ist auf das Engste mit dem heutigen UNESCO-Welterbe verknüpft. Als er seine Arbeit in der Unfallambulanz des nahegelegenen St. Vincenz-Krankenhauses aufnahm, gehörten verletzte ZollvereinBergleute zu seinen ersten Patienten. Auch 30 Jahre später betreut er mit seinen Pflegediensten der Humanitas GmbH ehemalige Bergbauangehörige, mittlerweile an fünf Standorten in NRW. 2015 bezieht seine Firma eine neue Zentrale – in einem alten Stellwerk auf dem Kokerei-Gelände. 1,5 Millionen Euro investiert Humanitas-Gesellschafter Thomas Pilgrim in Sanierung und Ausbau. Für Außenstehende ist es ein Beispiel für privates Engagement auf dem Zoll­ ver­ein-Areal, für den eingefleischten Katernberger ist es eine Herzensangelegenheit: „Ich bin in der Nachbarschaft groß geworden und habe mein gesamtes Leben hier im Essener Norden verbracht. Selbiges gilt für einen Großteil unserer Kundinnen ­ und Kunden. Insofern ist der Umzug nach Zollverein ein echtes Standort­ bekenntnis.“ „HIER GEHÖRE ICH HIN“ Für Thomas Pilgrim schließt sich damit ein Kreis. Der Business-Standort Zollverein steht dagegen vor einer Premiere: Denn nach der Gesundheitsforschung mit dem seit 2006 ansässige Erwin L. Hahn-Institut, das die klinische An­wendung der Hochfeld-Magnetresonanztomographie untersucht, erweitert sich das Branchenspektrum nun um die Pflege der Menschen von heute. 18 AM RANDE DER RINGPROMENADE Wo einst der Schienenverkehr geregelt wurde, wird künftig die Pflege von beinahe 1.000 Menschen in der Metropole Ruhr koordiniert. Das alte Stellwerk, das wie ein Bindeglied am Rande der Ringpromenade zwischen Schacht 1/2/8 und der Kokerei liegt, dient der Humanitas GmbH künftig als Hauptverwaltung. Auch die ambulante Pflege für den Standort Essen wird auf Zollverein untergebracht. Insgesamt werden 60 Mitarbeiter der Humanitas auf dem Gelände beschäftigt sein, weshalb das bestehende Gebäude um einen angrenzenden ­ Neubau erweitert und sich die Nutzfläche auf rund 600 Quadratmetern somit verdoppeln wird. Der Neubau sowie der Umbau wird von dem Essener Architekten Thorsten Czech aus der Architektengemeinschaft HCH, Bochum, realisiert. Bereits in einem Jahr, so hoffen Thomas Pilgrim und Oliver Aitcheson, Geschäftsführer bei Humanitas, könnte die Immobilie bezugsfertig sein. Eine architektonische Herausforderung, denn schließlich müssen Alt und Neu in Einklang gebracht werden. „Wir arbeiten sehr eng und sehr gut mit der Stiftung Zollverein und der Denkmalbehörde in Düsseldorf zusammen“, betont Oliver Aitcheson. Thomas Pilgrim nickt: „Unser Ziel ist 3 1 D er künftige Sitz der Humanitas in der Animation: Das alte Stellwerk wird saniert und um einen Neubau ergänzt. 2 N och liegt das Stellwerk im Dornröschenschlaf. Doch schon im kommenden Jahr werden hier 60 Menschen ihre Arbeit aufnehmen. 3 F ür Thomas Pilgrim ist der Umzug auf das Zollverein-Areal eine Herzensan­ gelegenheit. es, möglichst viel zu erhalten.“ Die Stellwerker-Schränke mit ihrem rauen Charme werden restauriert und bleiben ebenso erhalten wie die alten Schalttafeln im Treppenaufgang zum komplett verglasten Obergeschoss. Von dort hat man eine atemberaubende Aussicht auf das Welterbe-Gelände. Ende 2015 kommen Mitarbeiter und Gäste in diesen Genuss. Noch genießt ihn Thomas Pilgrim exklusiv. Der Unternehmer mit der tiefen Heimatverbundenheit lässt den Blick schweifen. Und sagt dann aus voller Überzeugung: „Hier gehöre ich hin.“ ZUR PERSON 1993 gründete der examinierte Krankenpfleger Thomas Pilgrim in Essen den Ambulanten Kranken- und Altenpflegedienst Humanitas. Mit zunächst fünf Mitarbeitern versorgte der Pflegedienst schon im ersten Jahr fast dreißig kranke und alte Menschen in ihrer gewohnten häuslichen Umgebung. Heute gehört Humanitas mit fast 200 Mitarbeitern und insgesamt ca. 1000 betreuten Kundinnen und Kunden rund um die Standorte in Essen, Münster, Recklinghausen, Bochum und Gelsenkirchen zu den größten, privaten Pflegediensten in Nordrhein-Westfalen. PATRICK TORMA ZOLLVEREIN ® DAS MAGAZIN 19 AUF DEM WELTERBE 1 D ie Kohlenwäsche wurde von den Architekten Fritz Schupp und Martin Kremmer geplant. 2 D ie Idee für die berühmte Rolltreppe stammt von Rem Koolhaas, diese orientiert sich an der Form der historischen Bandbrücken. 3 D en Umbau des ehemaligen Kesselhauses zum heutigen Red Dot Design Museum planten die Büros Norman Foster sowie Böll und Krabel. 2 1 3 WELTERBE-ARCHITEKTEN Zollverein ist eine UNESCO-Welterbestätte, die sich als moderner Kultur- und Wirtschaftsstandort neu definiert und weiter entwickelt. Eine wichtige Rolle spielen nicht zuletzt die Architekten und Baumeister. Große Namen wie Rem Koolhaas oder Norman Foster und das renommierte Architekturbüro Heinrich Böll aus Essen haben das Areal seit Stilllegung der Zeche 1986 und der Kokerei Zollverein 1993 mit weg­ weisenden Neu- und Umbauten für die Neunutzung der einst größten Steinkohlezeche Europas geprägt. Ohne Zweifel: Die Essener Schachtanlage Zeche Zollverein XII war nicht nur die größte, modernste und leistungsfähigste, sondern auch „die schönste Zeche der Welt“. Die Einmaligkeit des komplett erhaltenen Ensembles von Bauten und Maschinerie ist viel beschrieben worden: Mit seiner sachlichen, strengen Architektur, die sich als „gebautes Design“ durch die gelungene Verbindung von technischer Funktionalität und ästhetischer Gestaltung auszeichnet und dem Bauhaus-Gedanken „form follows function“ folgt. Sie ist vor allem den Architekten Fritz Schupp und Martin Kremmer zu verdanken, die Ende der 1920er-Jahre 20 die Zentralschachtanlage Zollverein XII planten – in einer Formensprache komplett aus einem Guss, die Zollverein Schacht XII bereits bei Inbetriebnahme den Ruf als Meisterwerk, Vorzeige-Zeche und Paradebeispiel für einen Industriebau einbrachte, der den technischen Fortschritt der Zeit wie kein anderer symbolisiert. Noch heute besticht die symmetrische Anordnung der 20 Gebäude auf zwei Blickachsen. Knappe 30 Jahre später entwickelte Schupp auch die Kokerei Zollverein in funktionaler Anbindung zu Schacht XII. Er übernahm die schlichte Formensprache der Zechenarchitektur und konstruierte kubische Bauten mit Fassaden aus Stahlfachwerk und roten Ziegeln. Zeche wie Kokerei zeichnen sich durch eine Architektur aus, die bis heute wie ein Gesamtkunstwerk wirkt und zu den wertvollsten Zeugnissen der deutschen Industrie-Architektur zählt. HOMMAGE AN DIE ARCHITEKTUR 2001 zum UNESCO-Welterbe ernannt, ist Zollverein heute weit mehr als ein Industriedenkmal mit jährlich 1,5 Millionen Besuchern, nämlich ein lebendiger Kultur- und auch Wirtschaftsstandort, der dem Wandel des Ruhrgebiets kontinuierlich Rechnung trägt. Das 100 Hektar große Areal steckt voller Geschichten, neuer Ideen und Möglichkeiten. Zum Programm seiner zukünftigen Entwicklung, gesteuert von der Stiftung Zollverein und der RAG Montan ­ Immobilien GmbH, gehören die Um- und Neunutzung von Bestandsgebäuden, der weitere Ausbau der Infrastruktur des Geländes, die Vermarktung von Neubauflächen und Neubauten sowie die Ansiedlung passender Unternehmen. Neben der Aufgabe, das Welterbe touristisch wie auch als Plattform für Bildung, Kunst und Kultur zu etablieren, liegt der Fokus auf dem weiteren Ausbau zu einem innovativen Standort für Design. Das Welterbe Zollverein soll sich als l­ebendiges Stadtquartier etablieren – eine Aufgabe, die nicht zuletzt von der Leistung der Architekten und bauausführenden Unternehmen mitgetragen wird. Die Standortent­ wicklung wird somit auch zu einer Hommage an die historische Industrie-Architektur. PROJEKTARCHITEKTUR AUF ­INTERNATIONALEM NIVEAU Aufbauend auf Leitlinien der Internationalen Bauausstellung (IBA) ­ Emscher Park zwischen 1989 und 1999 hat Rem Koolhaas mit seinem Rotterdamer Office for Metropolitan Architecture (OMA) den städtebaulichen Masterplan für die Zukunft des Welterbes aufgestellt. Der weltweit tätige Architekt und Stadtplaner sah Zollverein als einen Ort, dessen historischer Zeugnischarakter genauso wichtig ist wie seine dynamische Entwicklung – und legte damit den Grundstein für die Umgestaltung des UNESCO-Welterbes in einen integrierten Kultur- und Wirtschaftsstandort. Seit 20 ­Jahren schon bauen w ­ ir, mein Büro, meine Kollegen und ich, am Welterbe Zollverein. Unsere Arbeit ist vielfach öffentlich ­diskutiert worden. Für mich ist eines klar: Die Bauten Zollvereins können auf Dauer keine still­gelegten Monumente der Vergangenheit sein. Das lässt ihre bauliche S­ ubstanz nicht zu, sie würden zerfallen. Die Kohlen­wäsche zum Beispiel ist durch ihre n­ eue Nutzung als Ruhr Museum eines der öffentlichsten und be­ kanntesten Gebäude des Ruhrgebiets ge­worden. Gerade das wird ihren dauerhaften Erhalt sichern. HEINRICH BÖLL ARCHITEKT Neben dem Pritzker-Preisträger Rem Koolhaas stellten sich weitere renommierte Architekten dem Welterbe. Der Entwurf für die Nutzung des ehemaligen Kesselhauses als Design Zentrum NRW stammt von ZOLLVEREIN ® DAS MAGAZIN 21 AUF DEM WELTERBE 1 2 D ie besondere Atmosphäre der Mischanlage ist der ideale Ort für Konzerte – zum Beispiel Placebo. E ines der neueren Gebäude auf dem Zollverein- Gelände: Der Kubus des japanischen Büros SANAA. Der Ingenieur stellt die verschiedenen Bauten der Zeche, Behälter, Eisengerüste, Massivbauten nebeneinander in der Reihenfolge ihrer betrieb­ lichen Funktion. Sache des Architekten ist es, sie zusammen zu ordnen. Das geschieht durch Ab­ wägen der Massen und Verhältnisse und durch Wahl des geeigneten Materials. [...] Der Techniker wird zwar bestimmen, wo Rohrleitungen notwendig sind und wohin sie führen müssen. Der Architekt aber wird ihren Verlauf regeln und ihnen die Form geben, durch die ein ruhiger Gesamteindruck nach Möglichkeit gewahrt bleibt. FRITZ SCHUPP UND MARTIN KREMMER, 1927 22 2 dem britischen Architekten Norman Foster; der 34 Meter hohe Kubus als größtes neues Gebäude auf Zollverein ist von dem japanischen Büro SANAA, ebenfalls einem PritzkerPreisträger, entworfen worden; die vielfach prämierte Innen- und Ausstellungsarchitektur der Kohlenwäsche entwickelte das Stuttgarter Büro H. G. Merz Architekten. Die Essener Architekten Heinrich Böll und Hans Krabel waren seit 1989 mit der denkmalgerechten Sanierung der Übertagebauten auf Zollverein Schacht XII für die Weiternutzung ­beauftragt und haben Halle für Halle – die ursprünglich lediglich als Witterungsschutz vorgesehen waren – für neue Nutzungen saniert. Neben der Arbeit an den Bestandsgebäuden realisierten sie auch Anbauten wie die Rolltreppen zur Kohlenwäsche, die als neuer Zugang in das Ruhr Museum und Besucherzentrum in Zusammenarbeit mit dem Rotterdamer Büro Office for Metropolitan Architecture entwickelt wurde. Böll war zudem Projektarchitekt für SANAA und setzte den Entwurf um. Aktuell arbeitet das Büro Böll unter anderem an der Sanierung des ­ ehemaligen Fördermaschinenhauses und seiner neuen Nutzung als angesagter Gastronomie-Treffpunkt auf Schacht XII. EINZIGARTIGE NEUBAUTEN MIT HOHEN ANSPRÜCHEN Neben den sanierten Bestandsgebäuden prägen moderne Neubauten den Zukunftsstandort Zollverein, so der neue zentralisierte Unternehmenssitz der RAG Montan Immobilien selbst, realisiert vom Hagener Architekturbüro Bahl. Das markante Gebäude mit seinen zwei gleich hohen Baukörpern und dem gläsernen Verbindungsbauteil bildet städtebaulich den westlichen Abschluss des historischen Kokerei-Geländes und versteht sich zugleich als Startsignal für dessen gewerbliche Entwicklung. Dabei unterliegt das Bauen auf dem Welterbe hohen Ansprüchen. Die RAG Montan Immobilien führte deshalb in enger Abstimmung zwischen den planenden Architekten, der Stadt Essen, den zuständigen Denkmalschutz­ behörden und der Stiftung Zollverein ein zweistufiges Werkstattverfahren durch. Namhafte Architekturbüros erarbeiteten Entwürfe für Büroneubauten auf rund drei Hektar Fläche im Südwesten der Kokerei. Dort entstehen einzigartige Immobilien, die dem Welterbe-Status angemessen sind und die Geschichte des Geländes fortschreiben. CAROLA DIETZ 1. ESSEN DESIGN WEEKS: ERLEBEN SIE ESSENS KREATIVE SEITE – 32 VERANSTALTUNGEN IN 6 WOCHEN # 20.10. BIS 30.11.2014 Die Essen Design Weeks sind eine Initiative der EWG – Essener Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH in Zusammenarbeit mit dem Kulturbüro der Stadt Essen und der Stiftung Zollverein. Weitere Infos: www.essendesignweeks.de CP/COMPARTNER · 2014 Foto: © Matthias Duschner / Stiftung Zollverein 1 Kokerei „Verbotene Stadt“ bis zur Stilllegung der Zeche am 23.12.1986 100ha Fläche Heute: Denkmalpfad: 365 Tage 150.000 im Jahr geöffnet 362 Tage 65 im Jahr mit Besucherservice und Veranstaltungen Gebäude geführte Besucher im Denkmalpfad ZOLLVEREIN® mehr als 800 3,5 km 200 mehr als 200 technische Anlagen und Maschinen 12.000 Tonnen verwertbare Steinkohle pro Tag gefördert 24 Std. Arbeit an 365 Tagen im Jahr auf der Kokerei 130 Ringpromenade Größte, leistungsfähigste, modernste Zeche der Welt Größte Zentralkokerei Europas 20 ca. ausgebildete Gästeführer Kunstwerke Wahrzeichen und Symbol für den Wandel der Region Wirtschaftsstandort: 39 Unternehmen 950 2,7 km Führungen pro Monat Arbeitsplätze 23 9 verschiedene Führungsformate Sprachen Eventlocation: Mehrfach als Eventlocation ausgezeichnet; Ungewöhnlichste Eislauf-Location Deutschlands Bandbrücken 13,2 km Rohrleitungen Ruhr Museum: 1 Museum für das gesamte Ruhrgebiet Wir sind auf Facebook! Zusammen mit 15.000 Fans www.zollverein.de