Teilnehmerunterlage K4/15 Hochvolttechnik Inhaltsverzeichnis Einleitung 2 1.0 Qualifizierungsstufen 4 2.0 Elektrotechnische Grundlagen 2.1 Wichtige elektrische Größen und deren Einheiten 2.2 Messmethoden 2.3 Basisschaltungen 2.4 Rechnen mit Zehnerpotenzen 3.0 Gefahren und Wirkung des elektrischen Stromes & persönliche Schutzausrüstung für HV-Systeme 4.0 Hybridsysteme (HV / HEV) 4.1 Mikro-, Mild- und Voll-Hybrid 4.2 Serielles Hybridkonzept / Parallelhybridkonzept 4.3 Plug-In-Hybrid-Konzept (PHEV) 7 7 8 9 11 12 16 16 17 19 5.0 Elektrofahrzeuge BEV / REEV 20 6.0 Bauteile im HV-System 21 21 27 28 29 30 32 32 33 6.1 Hochvolt-Batterien 6.2 Inverter 6.3 DC/DC-Wandler (Gleichspannungswandler) 6.4 Elektrische Maschinen Motorprinzip Generatorprinzip 6.5 Ladegerät 6.6 Nebenaggregate 7.0 Ladesysteme / Lademöglichkeiten 34 8.0 Zulässige Mess- und Prüfgeräte 36 9.0 Freischaltung ordnungsgemäß durchführen & Wiederinbetriebnahme des HV-Systems 37 10.0 Starthilfe, Abschleppen und Notstartfunktion 39 © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 1 Teilnehmerunterlage K4/15 Hochvolttechnik Einleitung Bis 2020 1.000.000 Elektrofahrzeuge? 50 g CO2-Ausstoß pro km? Ferdinand Porsche und Elektromobilität im Jahr 1900? Welcher Hersteller verfolgt welche Philosophie? Steckdose vs. Brennstoffzelle Geschwindigkeit der Entwicklung? 60.000 kW Maschinenleistung in Kreuzfahrtschiffen! 1834: Erster praxistauglicher Elektromotor! Speicherung regenerativer Energie? Was ist der deutsche Strommix? 8.000 kW Dauerleistung im ICE 3! Nachhaltigkeit? © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 2 Teilnehmerunterlage K4/15 Hochvolttechnik 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 Jeder fachkundige Mitarbeiter Jeder Unternehmer Jeder Kfz-Meister Jeder elektrisch Unterwiesene Jeder Mitarbeiter Welche Qualifikation wird benötigt, um an einem elektrisch angetriebenen Fahrzeug arbeiten zu dürfen? Angelieferte Räder auswuchten Räderwechsel durchführen Reifen reinigen und einlagern Reifenluftdruck auf volle Beladung einstellen Vordere Scheibenwischerblätter erneuern Scheibenwasser und Kühlflüssigkeit kontrollieren und ggf. nachfüllen Scheibenbremsbeläge VA und HA erneuern Bremsflüssigkeitsstand kontrollieren und ggf. nachfüllen Klimaservice durchführen Alle nicht HV-technischen Wartungsarbeiten lt. Serviceplan durchführen (Für die HV-technischen Arbeiten wird ein neuer Termin vereinbart!) 12 V Bordnetzbatterie prüfen und ggf. erneuern Anpassung im Bordnetzsteuergerät durchführen Unfallschaden hinten links instandsetzen HV-System ausschalten und Antriebsbatterie ausbauen Hinteren Auspufftopf erneuern HV-System nachladen Urlaubsduchsicht durchführen © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 3 Teilnehmerunterlage 1.0 K4/15 Hochvolttechnik Qualifizierungsstufen Grundvoraussetzung, um HV-Fahrzeuge bedienen oder Arbeiten an ihnen durchführen zu dürfen, ist eine solide Qualifizierung aller Mitarbeiter. Zu diesen Personen gehören alle im Betrieb tätigen Personen, auch diejenigen, die keine fachtypische Ausbildung besitzen. Ob das der kaufmännische Geschäftsführer oder die Reinigungskraft ist, spielt dabei keine Rolle. 1.1 Elektrotechnischer Laie (sensibilisierte Person) Der elektrotechnische Laie im Sinne des HV-Bereiches ist jede Person, die im Umgang mit HV-Fahrzeugen durch eine Sicherheitsunterweisung ausreichend sensibilisiert wurde. Sensibilisiert heißt, es wurde auf die Besonderheiten eines HV-Fahrzeuges hingewiesen, die zur sicheren Bedienung notwendig sind. Zudem muss über die Gefahren aufgeklärt werden. Die Unterweisung muss dokumentiert werden und gilt nur für den Ort der Durchführung. Wurde die Person unterwiesen, so darf sie trotzdem keine Tätigkeiten am Fahrzeug durchführen! 1.2 Elektrotechnisch unterwiesene Person (EuP) Um überhaupt an Fahrzeugen mit Hochvoltsystemen arbeiten zu dürfen, muss man als elektrotechnisch unterwiesene Person für HV-eigensichere Systeme in Fahrzeugen qualifiziert werden. Die EuP ist berechtigt zur Durchführung allgemeiner Tätigkeiten, wie z.B. Wartungsarbeiten. Sie muss darauf hingewiesen werden, welche Tätigkeiten für sie unzulässig sind. Arbeiten, die das HV-System betreffen, sind tabu! Weitere Inhalte dieser speziellen Unterweisung sind u.a. die Kennzeichnung von HV-Komponenten oder die Organisation von Abläufen bei elektrotechnischen Arbeiten. Die Unterweisungsdauer von mindestens 0,5 bis 2 UE ist einzuhalten und eine schriftliche Dokumentation ist absolut notwendig. Auf der nächsten Seite ist ein Muster dargestellt, wie so eine Unterweisung schriftlich festgehalten werden kann … © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 4 Teilnehmerunterlage K4/15 Hochvolttechnik © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 5 Teilnehmerunterlage K4/15 Hochvolttechnik 1.3 Fachkundiger für Arbeiten an HV-eigensicheren Fahrzeugen in Servicewerkstätten Da in nahezu allen Kfz-Berufsausbildungen, die seit 1973 erfolgreich abgeschlossen wurden, elektrotechnische Grundkenntnisse im theoretischen Teil vermittelt wurden, sind diese Personen als „Fachkräfte für Arbeiten an Kraftfahrzeugen unterhalb der HV-Spannung“ qualifiziert. Somit können Arbeiten am konventionellen Bordnetz in den Spannungsbereichen bis 30 V AC bzw. bis 60 V DC vorgenommen werden. Dieser Gesellenbrief seit 1973 ist die Grundvoraussetzung für die Weiterqualifizierung zu DGUV 200-005 (ehemals BGI/GUV-I 8686) Abschnitt V Kap. 3.1., sprich zum „Fachkundigen für Arbeiten an HV-eigensicheren Fahrzeugen in Servicewerkstätten“. Diese Qualifikation befähigt den Mitarbeiter folgende Tätigkeiten durchzuführen: Spannungsfreischalten eines HV-eigensicheren Fahrzeuges Arbeiten an HV-eigensicheren Fahrzeugen im spannungsfreien Zustand Wechsel von HV-Komponenten Durchführung der Qualifikation zum EuP den EuP unter seiner direkten Aufsicht mit den gleichen Arbeiten wie oben beauftragen Hinweis: Er darf die HV-Batterie nicht öffnen! 1.4 Fachkundiger für Arbeiten an nicht HV-eigensicheren Fahrzeugen in Servicewerkstätten Voraussetzung hierfür ist die Qualifikation gemäß DGUV 200-005 Abschnitt V Kap. 3.1. Die darauffolgende Qualifikation zu DGUV 200-005 Abschnitt V Kap. 3.2. befähigt den Mitarbeiter an nicht HV-eigensicheren Fahrzeugen in Servicewerkstätten zu arbeiten. Auch hier sind nur Arbeiten zulässig, die im spannungslosen Zustand durchführbar sind. Hinweis: Er darf die HV-Batterie ebenfalls nicht öffnen! 1.5 Fachkundiger für Arbeiten an unter Spannung stehenden HV-Komponenten in Servicewerkstätten Um zu DGUV 200-005 Abschnitt V Kap. 3.3 weiterqualifiziert werden zu können, ist die Qualifikation gemäß DGUV 200-005 Abschnitt V Kap. 3.2 Voraussetzung. Zusätzlich muss der Mitarbeiter über den Nachweis der gesundheitlichen Eignung „G25“ verfügen, mindestens 18 Jahre alt sein und eine Erste-Hilfe-Ausbildung einschließlich Herz-Lungen-Wiederbelebung nachweisen können. Beispielarbeiten: Fehlersuche an HV-Komponenten, Arbeiten an HV-Batterien o.ä. Hinweis: Bei allen Arbeiten an HV-Systemen sind grundsätzlich die Herstellervorgaben zu beachten! © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 6 Teilnehmerunterlage 2.0 K4/15 Hochvolttechnik Elektrotechnische Grundlagen 2.1 Wichtige elektrische Größen und deren Einheiten Elektrische Größe Formelbuchstabe Grundeinheit [ ] Spannung U Volt [ V ] Strom(stärke) I Ampère [ A ] Widerstand R Ohm [ Ω ] Leistung P Watt [ W ] Zusammenhänge: U=R●I und P=U●I daraus folgt: U R = I P U = I I U P = I R = U © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 7 Teilnehmerunterlage K4/15 Hochvolttechnik 2.2 Messmethoden Die Größen Spannung, Strom und Widerstand können bei Fahrzeugen mit konventionellem Bordnetz (12 V / 24 V) mit einem gewöhnlichen Multimeter gemessen werden. Hier nochmal zur Erinnerung die einzelnen Messmethoden zusammengefasst: Spannungsmessung Strommessung A V Widerstandsmessung Ω © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 8 Teilnehmerunterlage K4/15 Hochvolttechnik 2.3 Basisschaltungen 2.3.1 Reihenschaltung Wenn mehrere elektrische Verbraucher „hintereinander“ geschaltet sind, dann spricht man von einer Reihenschaltung. Iges Uges I1 R1 U1 I2 R2 U2 I3 R3 U3 Iges Gesetzmäßigkeiten Rges = R1 + R2 + … + Rn Uges = U1 + U2 + … + Un Iges = I1 = I2 = … = In Bei der Reihenschaltung teilt sich die Gesamtspannung im Verhältnis ihrer Einzelwiderstände auf. Die Höhe der Einzelspannung hängt somit von der Höhe des Einzelwiderstandes ab oder anders gesagt, am größten Einzelwiderstand fällt die größte Spannung ab. Diese Eigenschaft kann man bei so genannten Spannungsteiler-Schaltungen anwenden. Allerdings muss man sich im Klaren sein, habe ich an einer Stelle eine Störung, wirkt sich diese auf die gesamte Schaltung aus. Sind z.B. drei Verbraucher in Reihe geschaltet, misst man an allen Zwischenstellen die gleiche Stromstärke. Das heißt, der Gesamtstrom hat gar keine andere Möglichkeit, als durch alle Verbraucher durchzufließen. Wird diese Schaltung durch einen vierten Verbraucher ergänzt, so sinkt der Gesamtstrom! Wenn man mehrere Spannungsquellen in Reihe schaltet, so addieren sich die Einzelspannungen, jedoch auch die Innenwiderstände! © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 9 Teilnehmerunterlage K4/15 Hochvolttechnik 2.3.2 Parallelschaltung Wenn mehrere Verbraucher „nebeneinander“ geschaltet sind, dann spricht man von einer Parallelschaltung. Iges Uges U1 R1 I3 I2 I1 U2 R2 U3 R3 Iges Gesetzmäßigkeiten 1 1 1 1 = + + + Rges R1 R2 … Rn Uges = U1 = U2 = … = Un Iges = I1 + I2 + … + In Der große Vorteil der Parallelschaltung besteht darin, dass allen Verbrauchern die gleiche Spannung zur Verfügung steht, nämlich die Gesamtspannung. Je mehr Verbraucher parallel geschaltet werden, desto geringer wird der Gesamtwiderstand! Das hat damit zu tun, da sich der Gesamtstrom mit jedem zusätzlichen Verbraucher erhöht! Allgemein gilt: Der Gesamtwiderstand ist stets kleiner als der kleinste vorkommende Einzelwiderstand. Wenn man mehrere Spannungsquellen parallel schaltet, bleibt die anliegende Spannung gleich und die abgehenden Ströme summieren sich. Es ist darauf zu achten, dass die einzelnen Spannungen und die Innenwiderstände gleich groß sind! In Kraftfahrzeugen kommen meist gemischte Schaltungen vor, die wiederum aus den beiden Basisschaltungen, Reihen- und Parallelschaltung, bestehen. © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 10 Teilnehmerunterlage K4/15 Hochvolttechnik 2.4 Rechnen mit Zehnerpotenzen Die Displayanzeigen von Taschenrechnern und Multimetern sind in der Stellenanzahl begrenzt. Deshalb werden in der Technik ganz große und ganz kleine Zahlenwerte durch Buchstaben oder Zehnerpotenzen abgekürzt. Folgende Tabelle soll einen Überblick der im Kfz-Bereich gebräuchlichen Abkürzungen geben: Buchstabe Benennung Zahlenwert / Bruch Dezimalzahl Zehnerpotenz (TR) M (Mega) Million 1 000 000 1 000 000,00 106 k (Kilo) Tausend 1 000 1 000,00 103 Grundeinheit Eins 1 1,00 100 m (Milli) Tausendstel 1 / 1 000 0,001 10-3 µ (Mikro) Millionstel 1 / 1 000 000 0,000 001 10-6 Der Buchstabe oder die Zehnerpotenz (Basis ist 10) wird mit der Zahl davor einfach multipliziert. Die Einheit wird genauso wie eine Zahl behandelt und als Multiplikator „mitgeschleppt“! Beispiel: 500 mV = 500 ● 1 / 1 000 ● V = 500 / 1 000 ● V = 0,5 ● V = 0,5 V Tipp: Wenn man von einer kleinen Einheit (z.B. mV) in eine größere Einheit (z.B. V) umrechnet, muss die Zahl davor kleiner werden! Wenn man von einer größeren Einheit (z.B. V) in eine kleinere Einheit (z.B. mV) umrechnet, muss die Zahl davor größer werden! © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 11 Teilnehmerunterlage 3.0 K4/15 Hochvolttechnik Gefahren und Wirkung des elektrischen Stromes & persönliche Schutzausrüstung für HV-Systeme Der elektrische Strom ist in der Technik Segen und Fluch zugleich. Den Strom setzen wir in der Technik immer öfter zu unserem Nutzen ein, wie z.B. in der Medizin – die Reaktivierung des Herzmuskels (Defibrillation). Alle Bewegungen werden durch kleine elektrische Ströme ausgelöst, die vom Gehirn ausgehen. So nützlich wie der Strom ist, kann er auch eine große Gefahr für den menschlichen Körper erzeugen. In der Fahrzeugtechnik, insbesondere bei Hybridtechnologien und Elektrofahrzeugen, werden Spannungen >60 V und <1500 V Gleichspannung (DC) oder >30 V und <1000 V Wechselspannung (AC) als Hochvolt (HV) bezeichnet. Es werden zwei Unfallarten, die durch elektrischen Strom entstehen können, unterschieden: - Primärunfälle o Elektrische Körperdurchströmung o Lichtbogeneinwirkung - Sekundärunfälle 3.1 Körperdurchströmung Ist ein Stromkreis geschlossen, fließt Strom. Die Stromstärke (I) in Ampère ist abhängig von der Spannung (U) in Volt und der Größe des Widerstandes (R) in Ohm. Entscheidend sind auch der Weg und der Anteil des Stromes, der durch den Körper fließt. Widerstand des menschlichen Körpers: Stromweg Hand - Hand Hand - Fuß Hand - Füße Hand - Brust Hand - Gesäß Körperwiderstand R in [Ω] Spannung U in [V] Stromstärke I in [mA] 1000 Ω 200 V 400 V 600 V 200 mA 400 mA 600 mA 750 Ω 200 V 400 V 600 V 267 mA 533 mA 800 mA 450 Ω 200 V 400 V 600 V 444 mA 889 mA 1333 mA 550 Ω 200 V 400 V 600 V 364 mA 727 mA 1091 mA © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 12 Teilnehmerunterlage K4/15 Hochvolttechnik Körperreaktionen im Zeit-Strom-Diagramm: Zeit 10 t [s] 5 2 1 0,5 0,2 0,1 0,05 0,02 0,01 0,1 0,2 0,5 1 2 5 10 20 50 100 200 500 1000 ~Strom I [mA] grün = nicht spürbar gelb = spürbar bis Muskelverkrampfung orange = Muskelverkrampfung, Atemschwierigkeiten rot = Herzkammerflimmern, Atemstillstand, Herzstillstand Der Strom kann das Blut elektrolytisch zersetzen, vor allem bei längerer Einwirkdauer. Dadurch kommt es zu schweren Vergiftungserscheinungen. Solche Folgeerkrankungen können auch erst nach einigen Tagen auftreten. Um sicherzugehen, sollte man daher bei elektrischen Unfällen auch dann einen Arzt aufsuchen, wenn zunächst keine Anzeichen einer Schädigung vorliegen, denn durch solche Vergiftungen ist ein Nierenversagen auch später nicht auszuschließen. 3.2 Lichtbogeneinwirkung Unkontrollierte Lichtbögen entstehen zum Beispiel bei Kurzschlüssen durch Fehler in der elektrischen Anlage, wie bei mangelhaften oder beschädigten Isolierungen oder durch Fehlverhalten. Es können im Lichtbogen Temperaturen von über 4000°C entstehen. Dabei verdampfende Metallteile werden durch die Blaswirkung des entstehenden elektromagnetischen Feldes in Sekundenbruchteilen herausgeschleudert. Ähnlich wie beim Schweißen können hierdurch Augenschädigungen und „Verblitzungen“ entstehen. 3.3 Sekundärunfälle Bei Stromstärken unterhalb der Loslassgrenze (Stromstärken, bei denen das spannungsführende Teil aufgrund der Muskelverkrampfung nicht mehr losgelassen werden kann) können Schreckreaktionen zu Sekundärunfällen führen, z.B. durch Stürzen oder das Stoßen an harten Gegenständen. Man spricht von „sekundär“, weil diese Unfälle nicht direkt mit einem Stromschlag zusammenhängen, sondern durch Erschrecken „an zweiter Stelle“ ausgelöst werden. © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 13 Teilnehmerunterlage K4/15 Hochvolttechnik 3.4 Persönliche Schutzausrüstung für HV-Systeme Im Allgemeinen ist darauf hinzuweisen, dass nur zulässige Mess- und Prüfgeräte (Kapitel 8.0) zu verwenden sind. Darüber hinaus kann ganz unterschiedliche persönliche Schutzausrüstung (PSA), je nach Fahrzeugart und Arbeitsgang, sinnvoll sein. In der Regel schreibt der Hersteller bestimmte Ausrüstungen vor. Für das Spannungsfreischalten eines intakten HV-Systems sind grundlegend spezielle Gummihandschuhe notwendig, die vor jedem Gebrauch auf Beschädigungen und Dichtheit zu prüfen sind. Bei Arbeiten an Hochvoltspeichern ist zusätzlich Gesichtsschutz und ggf. Atemschutz zu tragen. © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 14 Teilnehmerunterlage K4/15 Hochvolttechnik 3.5 Erste-Hilfe-Ausstattung im Schulungsgebäude Defibrillator Feuerlöscher (ABC-Pulver) Feuerlöscher (CO2) am Garagentor Süd Mittig in der Werkstatthalle befindet sich die Erste-Hilfe-Ausstattung, wie im Bild oben dargestellt. Besonders erwähnenswert sind der Defibrillator und die isolierte Rettungsstange. 112 Oberste Priorität: EIGENSICHERHEIT © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 15 Teilnehmerunterlage 4.0 K4/15 Hochvolttechnik Hybridsysteme (HV / HEV) „Hybrid“ kommt aus dem Lateinischen mit griechischem Ursprung und bedeutet „gemischt“, „aus zweierlei Herkunft“ oder „zusammengesetzt“. HVs (Hybrid Vehicles) sind Antriebssysteme, die aus einer Kombination von mindestens zwei Antriebsarten bestehen. In der KfzTechnik spricht man immer dann von einem Hybridfahrzeug, wenn der Verbrennungsmotor mit einem Elektromotor kombiniert wird (HEV, Hybrid Electric Vehicle). Die Kombination von Verbrennungs- und Elektromotoren im Fahrzeug ist in verschiedenen Konfigurationen möglich. Es wird in folgende Kategorien eingeteilt: 4.1 Mikro-, Mild- und Voll-Hybrid Mikro-Hybrid Beim Mikro-Hybrid-System, welches die niedrigste Stufe der Hybridfahrzeuge darstellt, wird der Elektromotor nicht für den direkten Antrieb, sondern zum Starten des Verbrennungsmotors (Start/Stopp-Funktion) benötigt. Üblicherweise verfügen Mikro-Hybrid-Fahrzeuge über eine Generatorleistung von 2 kW bis 4 kW und eine 12 V Batterietechnik. Im Schubbetrieb ist im begrenzten Umfang die Erzeugung höherer elektrischer Energie möglich, um die Batterie zu laden. Diese Systeme verfügen zum Teil über eine Start/Stopp-Funktion mit konventionellem Anlasser oder integriertem Motorgenerator. Mild-Hybrid Der Mild-Hybrid verfügt neben dem Verbrennungsmotor als Hauptantriebsmaschine über eine elektrische Maschine (Motorgenerator - MG) mit einer Leistung von 5 kW bis 20 kW und einer zusätzlichen Hochvolt(HV)-Batterie als Energiespeicher. Der Elektromotor wird in der Regel als kombinierter Motorgenerator eingesetzt. Er kann während des Beschleunigens den Verbrennungsmotor unterstützen (boosten) sowie auch beim Verzögern die Bremsenergie in elektrische Energie umwandeln (rekuperieren), welche dann in der HV-Batterie gespeichert wird. Diese Motorgeneratoren sind üblicherweise direkt mit der Kurbelwelle verbunden und arbeiten mit Spannungen über 42 V. Bei langsamer Fahrt bis ca. 50 km/h wird bei einigen MildHybrid-Systemen der Verbrennungsmotor abgeschaltet und das Fahrzeug nur durch den Motorgenerator angetrieben. Voll-Hybrid Beim Voll-Hybrid ist es möglich, rein verbrennungsmotorisch, rein elektrisch oder kombiniert zu fahren. Dies kann seriell, parallel oder kombiniert (leistungsverzweigt) geschehen. Im Gegensatz zum Mild-Hybrid muss beim rein elektrischen Fahren der Verbrennungsmotor nicht mehr mitgeschleppt werden. Die elektrische Antriebsleistung liegt bei mehr als 20 kW und erreicht je nach Energieflussstrategie Werte von ca. 60 kW. Es werden HV-Batterien mit Spannungen von 200 V bis 400 V DC verwendet. © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 16 Teilnehmerunterlage K4/15 Hochvolttechnik Hybrid Systeme – Überblick: Start/Stopp Bremsenergierückgewinnung (Rekuperieren) Antriebsunterstützung (Boosten) Elektrisches Fahren X möglich; Mikro-Hybrid Mild-Hybrid Voll-Hybrid X X X (X) X X -- X X -- (X) X (X) eingeschränkt möglich; -- nicht möglich 4.2 Serielles Hybridkonzept / Parallelhybridkonzept Serieller Hybrid Bei einem seriell angeordneten Hybridantrieb hat der Verbrennungsmotor keinerlei Verbindung zur eigentlichen Antriebsachse. Meistens treibt der Verbrennungsmotor einen Generator an, der die Fahrenergie bereitstellt oder den HV-Speicher lädt. Der Antrieb erfolgt rein elektrisch. Beispiel: BMW i3 mit Range Extender. Serieller Hybridantrieb © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 17 Teilnehmerunterlage K4/15 Hochvolttechnik Paralleler Hybrid Beim parallelen Hybrid-Antrieb wirken Verbrennungs- und Elektromotor gemeinsam auf den Antriebsstrang. In mindestens einem Betriebszustand sind die Kräfte gleichzeitig verfügbar. D.h. aber auch, das Kraftfahrzeug kann sowohl alleine mit dem Verbrennungsmotor als auch elektrisch angetrieben werden. Das ermöglicht eine kleinere Auslegung des Verbrennungsund Elektromotors und führt zu Kraftstoffersparnis sowie weniger Emissionen. Paralleler Hybrid © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 18 Teilnehmerunterlage K4/15 Hochvolttechnik Paralleler Hybrid mit Leistungsverzweigung Der leistungsverzweigte Hybrid verfügt über einen Verbrennungsmotor sowie über zwei Motorgeneratoren (MG), die als Elektromotor bzw. Generator eingesetzt werden können. Zutreffend für alle leistungsverzweigten Systeme ist, dass während der eine Motorgenerator das Fahrzeug (mit-)antreibt, der andere den dafür erforderlichen Strom erzeugen kann. Je nach Systemsteuerung und Betriebssituation sind verschiedene Steuerungen des Kraftflusses möglich. Das Anfahren und Fahren mit geringer Geschwindigkeit kann rein elektrisch über beide Motorgeneratoren erfolgen, der Verbrennungsmotor ist abgeschaltet. Beim starken Beschleunigen wird von MG 1 zum primären Antrieb der Verbrennungsmotor gestartet. Der MG 1 arbeitet im Anschluss als Generator, um den MG 2 und die HV-Batterie mit Strom zu versorgen. Es kann auch Phasen geben (z.B. bei Höchstgeschwindigkeit), in denen nur der Verbrennungsmotor antreibt. Im Brems- und Schubbetrieb arbeiten beide MGs als Generatoren, um möglichst viel Bremsenergie zurückzugewinnen (hohe Rekuperationsleistung). Nachteile sind ein sehr aufwendiges Getriebe und eine aufwendige Systemsteuerung. Paralleler Hybrid mit Leistungsverzweigung 4.3 Plug-In-Hybrid-Konzept (PHEV) Das Plug-In Hybrid Electric Vehicle (PHEV) ist ein Voll-Hybrid-Fahrzeug, das eine Erweiterung in der Hybridtechnik darstellt. Hier kann der HV-Speicher nicht nur über den Verbrennungsmotor aufgeladen werden, sondern auch über das Stromnetz. Dies hilft den Kraftstoffverbrauch weiter zu senken. Bei entsprechender Akkuleistung, die meistens größer ausgelegt wird als bei normalen Hybrid-Konzepten, kann eine höhere rein elektrische Laufleistung erreicht werden. Mit dieser Reichweite könnte man zum größten Teil die Fahrstrecken des Durchschnittsfahrers abdecken. © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 19 Teilnehmerunterlage 5.0 K4/15 Hochvolttechnik Elektrofahrzeuge (BEV / REEV) Ein Elektrofahrzeug ist ein Fahrzeug, das rein elektrisch angetrieben wird und seine Antriebskraft aus einem mitgeführten Energiespeicher (HV-Speicher) bekommt. Der Speicher muss über das Stromnetz an einer herkömmlichen Steckdose oder Schnellladetankstelle aufgeladen werden. Diese Fahrzeuge werden in der Kfz-Technik als BEVs (Battery Electric Vehicles) bezeichnet. Alternativ hierzu gibt es das REEV (Range Extended Electric Vehicle). Elektrofahrzeuge mit Range Extender (Reichweitenverlängerer) verfügen über einen Verbrennungsmotor, der einen Generator antreibt, welcher die HV-Batterie und den Elektromotor mit Strom versorgt. So kann während der Fahrt die HV-Batterie geladen und dadurch eine größere Reichweite erzielt werden. Durch das Umwandeln der mechanischen Energie in elektrische und dann wieder in mechanische Energie entstehen Wirkungsgradverluste. Diese Verluste können durch den optimalen Lastzustand, in dem der Verbrennungsmotor betrieben wird, ausgeglichen werden. REEVs können zwar nur rein elektrisch gefahren werden und zählen daher zu den Elektrofahrzeugen, sie sind aber auch bei den Hybridfahrzeugen zu Hause, da ein Verbrennungsmotor zur Reichweite beiträgt. Bei diesem System spricht man vom seriellen Hybridantrieb. Den größten Nachteil der Elektrofahrzeuge stellt die Reichweite dar. Aufgrund der begrenzten Batteriekapazität sind oft nur kurze bis mittlere Strecken möglich. Die Ladezeiten sind im Vergleich zum Tanken beim Verbrennungsmotor sehr lang. Auch das Netz der Ladetankstellen, insbesondere was Schnellladestationen angeht, ist sehr begrenzt. Zudem ist der hohe Anschaffungspreis im Verhältnis zum Verbrennungsmotor noch nicht rentabel. © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 20 Teilnehmerunterlage 6.0 K4/15 Hochvolttechnik Bauteile im HV-System 6.1 Hochvolt-Batterien Das Herzstück der HV-Fahrzeuge ist wohl der Energiespeicher. Einerseits ist er die teuerste Komponente, andererseits bestimmt er zusammen mit den verbauten elektrischen Verbrauchern die Reichweite. Bei den heutigen Serienfahrzeugen ist eine durchschnittliche Reichweite von ca. 150 km durchaus realistisch. In Serienfahrzeugen haben sich zwei Arten von Energiespeichern durchgesetzt: Aneinanderreihung galvanischer Zellen (Batterie) Kondensatoren (Super-Caps) Da Superkondensatoren aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften im Pkw-Bereich nicht als Hauptenergiespeicher eingesetzt werden, kümmern wir uns im Folgenden um die Hochvolt-Batterie. Die HV-Batterie setzt sich folgendermaßen zusammen: Einzelne Zellen bilden in Reihe geschaltet ein so genanntes Modul. Mehrere Module bilden wiederum in Reihe zusammengefasst den Hochvoltspeicher. Welche Batteriezellen sich für unsere Fahrzeuge eignen, wird wie folgt erläutert. © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 21 Teilnehmerunterlage K4/15 Hochvolttechnik 6.1.1 Unterteilung von Batteriezellen: Primärzellen Sekundärzellen (Akkumulator) Speicher für elektrische Energie, der nicht Ein Akku ist wieder aufladbar, die chemische wieder aufgeladen werden kann. Reaktion ist umkehrbar. Leere Primärzellen sind nicht weiter ver- Entsorgungsvorschriften bei alten und defekwendbar, Entsorgungsvorschriften beach- ten Akkumulatoren beachten! ten! Beispiele: Beispiele: Zink-Kohle-Batterie Alkali-Mangan-Batterie Lithium-Batterie Bleiakkumulator (Pb) Nickel-Cadmium-Akku (NiCd) Nickel-Metallhydrid-Akku (NiMH) Lithium-Ionen-Akku (Li-Ion) 6.1.2 Begriffsdefinitionen / Kenngrößen einer HV-Batterie Energiedichte in [Wh/kg] (spezifische Energie) Die Energiedichte gibt den Energieinhalt massebezogen an. Dieser Wert ist ausschlaggebend für die Reichweite. Leistungsdichte in [W/kg] (spezifische Leistung) Die Leistungsdichte gibt die mögliche Leistungsentnahme massebezogen an (Leistungsgewicht). Sie ist abhängig vom Ladezustand. Dieser Wert ist wichtig für das Beschleunigungsvermögen eines Fahrzeuges. Manche Batterien haben zwar eine hohe Energiedichte aber dafür eine sehr mäßige Leistungsdichte! Nennkapazität K - konventionelle Starterbatterie in [Ah] (Elektrizitätsmenge Q) - HV-Batterie in [kWh] (Energieinhalt E) Die Nennkapazität gibt an, wie viel Elektrizitätsmenge bzw. Energie entnommen werden kann. Der zugehörige Entladestrom und die Entladedauer sind für K festgelegt. © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 22 Teilnehmerunterlage C-Faktor (C-Rate) in [1/h] K4/15 Hochvolttechnik Der C-Faktor beschreibt die maximal zulässigen Lade- und Entladeströme bezogen auf eine gewisse Dauer. Die Dauer wiederum ist der Kehrwert des CFaktors. Beispiel: K = 10 kWh C5 bei U = 400 V C = 5 ● 1/h = 5 / h => KW: 1 h / 5 = 0,2 h = 12 min = tE Umrechnung von kWh zu Ah bei 400 V: Mit I = P / U = 10.000 W / 400 V = 25 A K = 25 Ah Imax = C ● K = 5 ● 1/h ● 25 Ah = 125 A Zellspannung in [V] Die Zellspannung ist die Spannung, die an einer einzelnen Zelle elektrochemisch entsteht. Nennspannung in [V] Die Nennspannung ist die Summe aller einzelnen Zellspannungen. Betriebstemperatur Die Betriebstemperatur bezieht sich auf den Umgebungstemperaturbereich, in dem der Akku eingesetzt wird. Tiefe Temperaturen schädigen die Akkus bzgl. der Kapazität! Ladewirkungsgrad in % Der Ladewirkungsgrad gibt das Verhältnis an von aufgenommener Energie zur zugeführten Energie. Beim Aufladen, jedoch auch beim Entladen, eines Akkus entsteht Verlustwärme, insbesondere beim Schnellladen! Zyklen-Lebensdauer Unabhängig von der kalendarischen Lebensdauer beschreibt die Zyklen-Lebensdauer die Anzahl der möglichen Ladungen und Entladungen eines Akkus, bis die Kapazität auf 80 % der Nennkapazität abgesunken ist. © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 23 Teilnehmerunterlage Selbstentladung meist in % pro Monat K4/15 Hochvolttechnik Die Selbstentladung eines Akkus ist die automatische Entladung, ohne dass ein Verbraucher angeschlossen und betrieben wird. Sie hängt ab vom Batterietyp und der Umgebungstemperatur. In Hybrid- und Elektrofahrzeugen sind viele unterschiedliche Batterietypen verbaut. Im beiliegenden Arbeitsauftrag: „Verschiedene Batteriebauarten vergleichen“ wird ein Überblick geschaffen. ARBEITSAUFTRAG: Verschiedene Batteriebauarten vergleichen © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 24 Teilnehmerunterlage K4/15 Hochvolttechnik In der Praxis erwiesen sich zwei Arten von Akkumulatoren als nützlich. In Hybridfahrzeugen (HEV) werden oft Nickel-Metallhydrid-Batterien eingesetzt. In Plug-In-Hybriden (PHEV) sowie Elektrofahrzeugen (BEV) kommt meistens die Lithium-Ionen-Technologie zum Einsatz. 6.1.3 Nickel-Metallhydrid-Akkumulator Die Batteriezelle besteht aus einer negativen Elektrode, die sich aus einer wasserstoffspeichernden Metallhydrid-Legierung zusammensetzt und aus Nickel(II)-hydroxid als positive Elektrode. Die Elektroden sind zylinderförmig aufgewickelt oder für höhere energetische Anwendungen prismatisch aufgebaut und werden durch einen Separator getrennt. Prismatische Zellen besitzen gute thermische Eigenschaften und sind wartungsfrei. Der Elektrolyt besteht aus einer 20-prozentigen Kalilauge. NiMH-Zellen sind spannungskompatibel zu NiCd-Zellen. Sie können quasi ersetzt werden. NiMH-Akkus besitzen einen geringen Innenwiderstand und können dadurch sehr hohe Ströme innerhalb kurzer Zeit bei nahezu gleichbleibender Spannung abgeben. Sie werden dort verwendet, wo hoher Strombedarf besteht und hohe Kosten vermieden werden sollen. Im Gegensatz zum Lithium-Ionen-Akku ist seine Energiedichte jedoch relativ gering. 6.1.4 Lithium-Ionen-Akkumulator Die Eigenschaften einer Lithium-Ionen-Batterie, wie die Zellspannung, die Temperaturempfindlichkeit oder der maximal zulässige Lade- und Entladestrom, hängen vom eingesetzten Elektrodenmaterial und Elektrolyten ab. Im Gegensatz zu Batterien, bei denen die chemischen Reaktionen an den Elektrodenoberflächen ablaufen, lagern sich bei Lithium-Ionen-Batterien Ionen in das Kristallgitter des Elektrodenmaterials ein und aus. Die hohe Zyklen-Lebensdauer ist somit gegeben, da die Kristallstruktur einer Elektrode an sich unverändert bleibt. Als Elektrodenmaterial wird für die negative Elektrode Graphit oder Lithiumtitanat eingesetzt, für die positive Elektrode werden Lithium-Metalloxide (rein oder dotiert) oder phosphatische Lithiumverbindungen verwendet. Als Elektrolyt kommen so genannte Leitsalze in organischen Lösungsmitteln zum Einsatz. Er ist flüssig, gelartig oder fest und dient als „Transportmedium“, nimmt aber selber an der Reaktion nicht teil. Das Innere des Akkus ist wasserfrei! Außerdem sind Lithium-Ionen-Akkus hermetisch verschlossen. Die Löschung eines brennenden Akkus mit Wasser ist immer noch umstritten, daher müssen bei Akkubeschädigung oder Akkubrand unbedingt die Herstellervorschriften beachtet werden! Für beide Batterietypen ist eine intelligente Steuerelektronik absolut notwendig, denn eine vernünftige Temperaturüberwachung, eine Erkennung von möglicher Tiefentladung und das sogenannte „battery-balancing“ (Batteriezellenabgleich) sind sehr wichtig. Dieses Batteriemanagement erfasst ebenfalls ständig die Stromentnahme und Stromaufnahme. © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 25 Teilnehmerunterlage K4/15 Hochvolttechnik 6.1.5 Sicherheitsschaltkreise der Batterieeinheit HV+ Hauptrelais 2 Hauptrelais 1 Service-Stecker HV-Batterieeinheit HV- Hauptrelais 3 Wie man an obigem Schaubild sehen kann, befinden sich in der Batterieeinheit drei Hauptrelais1 und ein Service-Stecker2. Beim Einschalten der Zündung, also des 12 V-Bordnetzes, wird als Erstes das Hauptrelais 3 (Minus) vom Motorsteuergerät angesteuert. Als Zweites geschieht das Gleiche mit Hauptrelais 1. Der Vorwiderstand begrenzt den Stromfluss, so dass Kondensatoren im Inverter geladen werden können. Diese haben die Aufgabe, Funkenflug an einzelnen Kontaktstellen zu vermeiden. Nach kurzer Zeit schließt das Hauptrelais 2, das Hauptrelais 1 öffnet wieder. Jetzt liegt die volle Spannung an den Polen der HV-Batterie an. Zieht man den Service-Stecker, so unterbricht man intern die Spannungsquelle und es herrscht kein Potenzialunterschied mehr zwischen HV+ und HV-. Allerdings ist zu beachten, dass nachdem der Stecker gezogen wurde, am Inverter immer noch eine gewisse Spannung anliegt! Die Kondensatoren müssen sich erst entladen (Herstellerangaben)! 1 andere Begriffe: Trennrelais, Schütze 2 andere Begriffe: Wartungsstecker, Service-Disconnect © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 26 Teilnehmerunterlage K4/15 Hochvolttechnik 6.2 Inverter Der Inverter ist das Bindeglied zwischen HV-Speicher und Motorgenerator. Er wandelt den von der Batterie gespeicherten Gleichstrom in Wechselstrom um, welcher zum Betrieb des Elektromotors notwendig ist. Ebenso wandelt er den vom Generator erzeugten Wechselstrom in Gleichstrom um, so dass die HV-Batterie geladen werden kann. Dies ist über den bidirektionalen Pulswechselrichter möglich, der für die Umwandlungsvorgänge mit Halbleiterschaltungen, bestehend aus Hochleistungstransistoren und Dioden, bestückt ist. Weitere Aufgaben: - Regelung der Stromstärke, um das gewünschte Drehmoment zu erreichen Frequenzregelung für die gewünschte Drehzahl Drehrichtungsänderung durch verschiedene Phasenansteuerungen die HV-Spannung bei Bedarf durch den Spannungsverstärker über den normalen Wert hinaus zu erhöhen (>500 V) Spannungsversorgung für andere HV-Komponenten liefern, wie z.B. für HV-Klimakompressor oder HV-Heizung © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 27 Teilnehmerunterlage K4/15 Hochvolttechnik 6.3 DC/DC-Wandler (Gleichspannungswandler) Im Elektrofahrzeug, wie auch im Hybrid-Fahrzeug, ist neben dem Hochvolt-System ein 12 VBordnetz erforderlich, welches die herkömmlichen Verbraucher mit Spannung versorgt. Die beiden Systeme müssen galvanisch komplett voneinander getrennt sein. Der DC/DC-Wandler ist das Bindeglied zwischen HV-System und 12 V-System. Seine Aufgaben sind die HV-Spannung auf einen Wert zwischen 12 V und 14 V herabzusetzen, das Bordnetz mit Spannung zu versorgen und die 12 V-Batterie zu laden. Das erfolgt über Transformatoren, die aber eine Wechselspannung benötigen. Folglich muss die HV-Gleichspannung in eine Wechselspannung, dann transformiert und wieder in eine Gleichspannung umgewandelt werden, bevor sie ins Bordnetz eingespeist wird. Häufig ist der DC/DC-Wandler auch im Gehäuse des Inverters integriert. © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 28 Teilnehmerunterlage K4/15 Hochvolttechnik 6.4 Elektrische Maschinen Die „Lichtmaschine“ im konventionellen Fahrzeug ist eine der bekanntesten elektrischen Maschinen. Sie arbeitet nach dem Generatorprinzip. Zudem gehören alle Elektromotoren, wie z.B. der elektrische Fensterheber, aber auch die Zündspule zu diesem Überbegriff. All diese Bauteile dienen der Energieumwandlung. Die Einteilung der elektrischen Maschinen soll folgende Übersicht darstellen: Synchrongeneratoren Generatoren Gleichstromgeneratoren Elektrische Maschinen Motoren Transformatoren Drehfeldmotoren Stromwendermotoren Sondermotoren Einphasentransformatoren Messwandler Drehstromtransformatoren Sondertransformatoren Die Energieumwandlungen finden folgendermaßen statt: - Generatoren: Motoren: Transformatoren: mechanische Energie elektrische Energie elektrische Energie elektrische Energie mechanische Energie elektrische Energie In Hybrid-Fahrzeugen kommen modifizierte Generatoren für eine Energierückgewinnung im Schiebebetrieb zum Einsatz und riemengetriebene bzw. Kurbelwellen-Startergeneratoren sowie Motorgeneratoren. Letzteres findet sich auch im reinen Elektrofahrzeug. Die großen Vorteile eines Elektromotors gegenüber einem Verbrennungsmotor ergeben sich aus: - dem wesentlich höheren Wirkungsgrad - dem bereits im Stillstand anliegenden maximalen Drehmoments - dem sehr großen Drehzahlbereich, der nahezu alle Fahrgeschwindigkeiten abdeckt - der elektronisch steuerbaren Drehrichtung - dem Betreiben ohne Abgasemissionen mit sehr geringer Geräuschentwicklung - dem geringeren Verschleiß - dem kompakteren Baumaß und geringeren Gewicht - dem möglichen Generatorbetrieb © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 29 Teilnehmerunterlage K4/15 Hochvolttechnik 6.4.1 Motorprinzip Stromwendermotoren (Gleichstrom- und Universalmotoren) sind für Antriebszwecke heutiger Fahrzeuge eher ungeeignet, da ein Stromwender, also eine Art Wechselrichter, vorhanden sein muss. Dieser begrenzt die maximale Motordrehzahl auf ca. 7.000 U/min. Zudem sind auch der Wirkungsgrad und die Leistungsdichte begrenzt. In HV-Fahrzeugen haben sich Drehfeldmotoren bewährt. Sie werden mittels dreiphasiger Wechselspannung, also mit Drehstrom, betrieben. Wird eine Spule bestromt, entsteht in ihr ein Magnetfeld. Nutzt man diesen Elektromagnetismus so, dass ein Magnet in Bewegung versetzt wird, hat man die Umkehrung der Induktion, also das Prinzip eines Elektromotors. Man kann auch sagen, stromdurchflossene Leiter im Magnetfeld erzeugen Bewegung. Ein Elektromotor besteht aus dem feststehenden Ständer (Stator) und dem drehbaren Läufer (Rotor). Beide besitzen Permanent- oder Elektromagneten. Der Rotor besitzt die Welle, die für den Antrieb genutzt wird. Die Magnetfelder wirken so aufeinander ein, dass sich die Welle über die Rotation des Läufers dreht und die Antriebskraft nach außen gibt. Der Drehsinn, also die Drehrichtung des Motors, wird mit dem Blick auf das Wellenende der Antriebsseite beschrieben. Es gibt Rechtslauf (Uhrzeigersinn) und Linkslauf (gegen den Uhrzeigersinn). © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 30 Teilnehmerunterlage K4/15 Hochvolttechnik Der Drehstrommotor wird, wie bereits erwähnt, mit einer dreiphasigen Wechselspannung betrieben. Der Stator besitzt drei Spulen, jede Spule wird mit einer Phase belegt. Die drei Phasen (einzelne Wechselspannungen) sind jeweils um 120° versetzt. Entsprechend dem Laufverhalten lassen sich Drehstrommotoren unterteilen in: Synchronmotoren Asynchronmotoren a) Synchronmotoren Beim Synchronmotor folgt die Drehzahl des Rotors dem Drehfeld im Stator synchron, d.h. die Rotordrehzahl hängt direkt von der vom Inverter vorgegebenen Frequenz ab. Das abzugebende Drehmoment wird über die Spannungshöhe geregelt. Warum sind Synchronmotoren für den Einsatz in HV-Fahrzeugen besonders geeignet? - Der Wirkungsgrad und die Leistungsdichte sind sehr hoch. Er liefert ein sehr direktes Ansprechverhalten. Die Drehzahl kann sehr exakt geregelt werden. Sie lassen sich sehr kompakt bauen. Einsatzbereiche: - parallele Hybridfahrzeuge Elektrofahrzeuge im Pkw-Sektor b) Asynchronmotoren Der Asynchronmotor besitzt keine Permanentmagnete, sondern eine Dreiphasenwicklung (Schleifringläufermotor) oder massive Kupferstäbe (Käfigläufermotor) im Läufer. Die Statorwicklungen werden bestromt, es entsteht ein Magnetfeld. Dieses Statordrehfeld induziert in den Stäben bzw. Spulen im Rotor einen Strom, der wiederum das Rotormagnetfeld erzeugt. Der Rotor wird mitgenommen. Diese Vorgänge dauern einige Zeit an. Somit dreht sich der Rotor immer langsamer als das Drehfeld im Stator, das Drehfeld und der Rotor drehen sich asynchron. Eigenschaften des Asynchronmotors: - systembedingter Schlupf einfacher Aufbau und robust relativ geringe Herstellungskosten reagiert sehr elastisch auf Belastungswechsel Einsatzbereiche: - serielle Hybridfahrzeuge Elektrofahrzeuge im Nutzfahrzeugbereich, insbesondere bei Stadtbussen © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 31 Teilnehmerunterlage K4/15 Hochvolttechnik 6.4.2 Generatorprinzip Die Umkehrung des bereits beschriebenen Motorprinzips ist das Generatorprinzip. Bei Hochvoltfahrzeugen wird dieses Prinzip für die Rekuperation angewendet. Dasselbe Bauteil, das für den Antrieb sorgt, kann die Hochvoltbatterie auch wieder aufladen. Im normalen Fahrbetrieb wird der Elektromotor vom Inverter mit Wechselspannung versorgt. Sobald keine Lastanforderung mehr existiert, also der Fahrer den Fuß vom „Gaspedal“ nimmt, schaltet der Inverter die Versorgung ab. Nun wirkt der Kraftfluss umgekehrt, der Elektromotor wird über die Räder angetrieben und produziert Strom. Bewegungsenergie wird in elektrische Energie umgewandelt, der Inverter richtet die dabei entstehende Wechselspannung gleich und die HV-Batterie wird geladen. Die Höhe der Ladespannung hängt von der Drehzahl des Rotors ab. Den Ladestrom und die dabei entstehende Bremswirkung des Fahrzeugs kann der Inverter zudem über die entsprechende Schaltung der Leistungstransistoren regeln. Die Rekuperation wird nicht nur durch die im Schiebebetrieb gewonnene elektrische Energie genutzt, sondern auch beim Betätigen der hydraulischen Bremse. Bis zu einer bestimmten Betätigungskraft am Bremspedal wird teilweise die Bremskraft rein über die Generatorwirkung erzeugt. Erst ab einer gewissen Bremsintensität schaltet sich das hydraulische Bremssystem nahtlos hinzu. Interessant zu wissen ist, dass ab einer festgelegten Verzögerung auch im Schiebebetrieb die Bremsleuchten aktiviert werden. 6.5 Ladegerät Das fahrzeuginterne Ladegerät, auch On-Board-Charger genannt, ist in Elektro- und Plug-InHybrid-Fahrzeugen verbaut. Es sitzt zwischen Ladestecker und HV-Batterie und wird zum Laden der HV-Batterie über eine externe Stromquelle versorgt. Es muss den Wechselstrom vom normalen 230-Volt-Netz gleichrichten. Durch Anschließen des Ladesteckers wird die Zentralelektronik aktiviert, das Ladegerät kommuniziert mit dem Batteriemanagement, um den Ladestrom in Abhängigkeit von Ladezustand und Zellentemperatur zu regeln. Somit erreicht man ein schonendes und effizientes Aufladen für eine maximale Lebensdauer der Batterie. © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 32 Teilnehmerunterlage K4/15 Hochvolttechnik Grundsätzlich ist die Anschlussreihenfolge, ob die Fahrzeugseite oder die Seite des Netzsteckers bzw. die Seite der Ladesäule zuerst angesteckt wird, egal. Die Ladekabelelektronik bzw. die Ladesäule überprüft zuerst, ob beide Seiten angeschlossen sind, bevor der Ladevorgang gestartet wird. Das fahrzeuginterne Ladegerät ist nur notwendig, solange mit Wechselspannung geladen wird. Bei der Gleichstromladung befindet sich das Ladegerät in der Ladesäule, d.h. die Gleichrichtung des Ladestromes findet nicht im Fahrzeug statt. 6.6 Nebenaggregate Da die Energieversorgung nicht von einem laufenden Verbrennungsmotor abhängig ist, öffnen sich ganz neue Möglichkeiten für einzelne Fahrzeugkomponenten. Kühlmittelpumpen, der Klimakompressor oder die Innenraumheizung sind Beispiele hierfür. Auch der Energiehaushalt anderer Systeme, wie z.B. der Lenkung, kann dementsprechend modifiziert werden. Diese bedarfsgerechten Regelungen setzen natürlich ein ausgeklügeltes Temperatur-Management der Hochvolt-Batterie voraus. Dieses System gewährleistet den Betrieb der Batterie in einem festgelegten Temperaturfenster. Welche Medien sind für dieses „Thermo-Management“ geeignet? Luft Flüssigkeit (Kühlmittel) Kältemittel Batteriezellen müssen vor allem gleichmäßig gekühlt werden, da sonst unterschiedliche Ladeund Entladevorgänge stattfinden können. Somit hat das Einhalten dieses Temperaturbereichs eine sehr hohe Priorität, da hiervon die Lebensdauer und einwandfreie Funktion des HV-Speichers abhängt. Sicherheit steht an erster Stelle, insbesondere bei HV-eigensicheren Fahrzeugen. Alle HVKomponenten einschließlich dem Motorsteuergerät sind über eine Interlock-Leitung verbunden. Diese Sicherheitslinie, auch Pilotlinie genannt, stellt die korrekte Verbindung aller Steckverbindungen im Hochvoltstromkreis sicher. Sobald diese Leitung unterbrochen wird, gibt das Motorsteuergerät die HV-Spannung über die Schütze nicht frei. © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 33 Teilnehmerunterlage 7.0 K4/15 Hochvolttechnik Ladesysteme / Lademöglichkeiten Kann ein HV-Fahrzeug an einer handelsüblichen Schutzkontakt-Steckdose geladen werden? Diese Frage ist durchaus legitim. Die Standard-Schuko-Steckdose im üblichen Haushalt ist in der Regel für Stromstärken bis zu 16 Ampère ausgelegt. Allerdings bezieht sich dieser Wert auf einen kurzzeitigen Höchststrom. Bei Dauerbelastung sollten 13 Ampère nicht überschritten werden! Deshalb ist auf die Angaben des jeweiligen Ladekabels zu achten. Die Elektronik des Ladekabels überwacht dauerhaft den Ladestrom. Bei einem Defekt ist im Optimalfall eine zusätzliche Absicherung über Haussicherungen bzw. FI-Schutzschalter gegeben. 7.1 Steckertypen Europäische Hersteller favorisieren 2 Typen von Ladesteckern bzw. Steckdosen: Typ-2-Steckdose - AC-Ladung (1-3-phasig) - Signalkontakte PP / CP - Ladeströme bis 63 A Combosteckdose (CCS) - DC-Ladung - Signalkontakte PP / CP - Ladeströme bis 200 A Japanische Hersteller favorisieren den Typ-1-Stecker und den CHAdeMO. Ersteres ist in Europa bei japanischen Fahrzeugen üblich. Typ-1-Steckdose - AC-Ladung (1-phasig) - Signalkontakte PP / CP - Ladeströme bis 32 A CHAdeMOStecker - DC-Ladung - CAN-Busfähig - Ladeströme bis 200 A © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 34 Teilnehmerunterlage K4/15 Hochvolttechnik Unabhängig von den Steckertypen gibt es aktuell drei bis vier Möglichkeiten zu laden: - über die hauseigene Schuko-Steckdose mittels Ladekabel über eine Ladesäule über eine Wallbox (Wandladestation) über Induktivladung (berührungslos) 7.2 Normalladen Die meisten Hersteller verfolgen das Ziel, dass ihre Kundschaft ihr Fahrzeug über Nacht vollladen kann. Die für den Pendelverkehr völlig ausreichende Ladeart ist sehr akkuschonend. Umfragen zufolge legen die meisten Berufstätigen eine tägliche Arbeitsstrecke von unter 100 km zurück. 7.3 Schnellladen Die Steckersysteme CCS und CHAdeMO ermöglichen sehr hohe Ladeströme und somit eine Schnellladung. Innerhalb einer halben Stunde kann der Akku bis zu 80 % vollgeladen werden. Ein niedriger Ladewirkungsgrad und die hohe Belastung des Akkus sind die Schattenseiten dieser „Elektronendruckbetankung“. © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 35 Teilnehmerunterlage 8.0 K4/15 Hochvolttechnik Zulässige Mess- und Prüfgeräte 8.1 Der Spannungsprüfer Im HV-Bereich werden Spannungsprüfer eingesetzt, die den Normen IEC 61243-3 und DIN VDE 0682 Teil 401 entsprechen. Diese Normen beziehen sich auf Spannungsprüfer im Niederspannungsbereich im Sinne der Elektrotechnik. Unter der Ebene Niederspannung versteht man Spannungen bis 1 kV AC und 1,5 kV DC. Der Spannungsprüfer ist zweipolig ausgeführt und eignet sich zum schnellen und sicheren Feststellen von gefährlich hohen Spannungen. Es ist darauf hinzuweisen, dass vor dem Anwenden dieses Messmittels die Gebrauchsanweisung genauestens zu lesen ist! Es ist von Vorteil, wenn jeder zertifizierte Mitarbeiter seinen eigenen Prüfer besitzt und auch nur diesen alleine verwendet. Es ist das „Prüfgerät Ihres Vertrauens“! Denken Sie daran, auch ein defektes Messgerät kann den Wert „0“ anzeigen! 8.2 Der Isolationsprüfer Auch hier gilt: Gebrauchsanweisung beachten! Was aber nun ist eine Isolationsprüfung? Das Hochvoltnetz muss gegenüber des 12 VBordnetzes absolut isoliert sein. Da der Minuspol der 12 V-Batterie mit der Karosseriemasse verbunden ist, ist sicherzustellen, dass weder HV+ noch HV- Kontakt zur Karosse haben! Die Isolationsprüfung ist nichts anderes als eine ohmsche Widerstandsmessung. Übergangswiderstände sind allerdings spannungsabhängig. Deshalb genügt ein normales Ohmmeter nicht aus, da die Prüfspannung viel zu gering ist. Isolationsprüfer decken in der Regel einen Prüfspannungsbereich zwischen 50 V und 1 kV ab. Die einzustellende Spannung ist den Herstellerangaben zu entnehmen, sollte jedoch mindestens so hoch sein wie die Systemspannung. Die meisten Isolationsprüfer können auch für die Potenzialausgleichsmessung genutzt werden. Die genaue Vorgehensweise wird in Kapitel 9.0 beschrieben. © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 36 Teilnehmerunterlage 9.0 K4/15 Hochvolttechnik Freischaltung ordnungsgemäß durchführen & Wiederinbetriebnahme des HV-Systems 9.1 Freischaltung In der Hochvolttechnik versteht man unter Freischalten, die Spannung im System abzuschalten. Im Haushalt geschieht dies z.B. durch Herausnehmen der Sicherung oder das Abschalten des Leitungsschutzschalters. In der Kfz-Technik haben die Hersteller unterschiedliche Vorgehensweisen, um ein HV-System freizuschalten. Deshalb muss man immer unter Berücksichtigung von Hersteller und Typ nach Herstellerangaben vorgehen. Es kann keine allgemeine Vorgehensweise festgelegt werden. Dabei ist auch zu beachten, dass unterschiedliche Typen eines Herstellers unterschiedliche Verfahren haben können. Freigeschaltet ist ein Fahrzeug dann, wenn alle leitenden HV-Kontakte spannungsfrei sind und dieser Zustand gegen Wiedereinschalten gesichert ist. Hier ist darauf zu achten, dass auch eine Weile nach dem Abschalten bis zum vollständigen Entladen der Kondensatoren noch eine unzulässig hohe Restspannung vorhanden sein kann. Deshalb ist vor Beginn der Arbeiten eine Prüfung auf Spannungsfreiheit durchzuführen. Vorgehensweise für richtiges Freischalten – allgemeine Sicherheitsregeln: (1) gekennzeichnetes Fahrzeug (rotes Warnschild – siehe nächste Seite) gegen Wegrollen sichern (2) darauf achten, dass kein Ladekabel angesteckt ist (3) Fahrzeug nach Herstellerangaben freischalten (4) gegen Wiedereinschalten sichern (5) Spannungsfreiheit feststellen (6) rotes gegen weißes Warnschild tauschen 9.2 Wiederinbetriebnahme Nach abgeschlossener Reparatur, bevor das System wieder in Betrieb genommen wird, sollte zunächst einmal eine Sichtprüfung stattfinden. Im Anschluss sind eine Isolationsprüfung und eine Potenzialausgleichsmessung durchzuführen. Erst dann darf das System in umgekehrter Reihenfolge zur Freischaltung wieder in Betrieb genommen werden. Isolationsprüfung: Bei der Prüfung des Isolationswiderstandes wird festgestellt, ob zwischen stromführenden HVBauteilen (z.B. HV-Leitungen) und der Fahrzeugkarosserie ein festgelegter Mindestwiderstand (z.B. >10 MΩ) eingehalten wird. Hierzu ist ein spezieller Isolationsprüfer, wie unter Punkt 8.2 beschrieben, notwendig. © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 37 Teilnehmerunterlage K4/15 Hochvolttechnik Auch während das Fahrzeug in Betrieb ist, erfolgt eine ständige Isolationsüberwachung über das Batterie-Management. Der sogenannte „Isolationswächter“ legt sporadisch Spannungssignale auf beide HV-Leitungen. Der Bezug ist die Karosseriemasse. Fließt auch nur ein geringer Strom (I > 1 mA), erscheint im Cockpit eine Warnmeldung und es kommt in der Regel zu einem Fehlerspeichereintrag. Das HV-Netz schaltet sich ggf. selbstständig ab. Potenzialausgleichsmessung: Der Potenzialausgleich sorgt für die einwandfreie Funktion des Isolationswächters und im Fehlerfall dafür, dass sich an den Gehäusen der HV-Komponenten keine unterschiedlichen Potenziale aufbauen können. Bei schwerwiegenden Fehlern unterbricht die Sicherung den HVStromkreis und somit können keine gefährlichen Berührungsspannungen auftreten. Deshalb sind alle Gehäuse der HV-Komponenten mit der Fahrzeugkarosserie und untereinander verbunden. Damit der Potenzialausgleich einwandfrei funktioniert, darf zwischen den Gehäusen und der Karosserie kein Übergangswiderstand vorhanden sein. Bei einer Widerstandsmessung mit einem Prüfstrom zwischen 0,2 A und 1 A können auch sehr kleine Widerstände festgestellt werden. Für die Messung sind die vom Hersteller vorgegebenen Messpunkte und – werte genau einzuhalten. Laut der Richtlinie ECE-R 100 muss der Widerstand weniger als 0,1 Ω betragen. In der Praxis sollte er allerdings wesentlich darunter liegen. Warnschilder, die den Spannungszustand bekannt geben: © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 38 Teilnehmerunterlage K4/15 Hochvolttechnik 10.0 Starthilfe, Abschleppen und Notstartfunktion Allgemeines: Elektrofahrzeuge haben eine feste Verbindung zwischen den Antriebsrädern und dem Drehstromantrieb. Diese Verbindung kann ohne mechanischen Aufwand nicht getrennt werden. Des Weiteren ist das Systemmanagement relativ komplex aufgebaut. Auch bei Hybridfahrzeugen gibt es ganz unterschiedliche Systemvarianten. Aus diesen Gründen gibt es keine allgemeinen Vorgehensweisen, was die Starthilfe oder das Abschleppen eines solchen Fahrzeuges angeht. Herstellervorschriften: Ist Starthilfe überhaupt erlaubt? Darf ein HV-Fahrzeug abgeschleppt werden? Besitzt ein HV-Fahrzeug eine Art Notstartfunktion, falls die HV-Batterie leer gefahren wird? Die Antworten zu diesen Fragen sind grundsätzlich der Betriebsanleitung des jeweiligen Fahrzeuges zu entnehmen! © BBZ der Kfz-Innung München-Oberbayern Stand: 12/2015 39