DKP-Veranstaltung „50 Jahre KPD-Verbot“ 19. August 2006, Berlin Einleitendes Statement von Heinz Stehr, Vorsitzender der DKP 1. 50 Jahre KPD-Verbot – Kommunisten-Verfolgung beenden! Das KPD-Verbot aufheben! Es war die Einsicht Thomas Manns und anderer fortschrittlicher Intellektueller, dass der „Antikommunismus die Grundtorheit dieser Epoche“ ist. Das vergangene Jahrhundert lieferte hierfür viele konkrete Beispiele. Auch in den 50er Jahren war der Antikommunismus in diesem Land Staatsdoktrin. Verteufelung der Sowjetunion, Verfälschung der Geschichte, Verunglimpfung deutscher Kommunistinnen und Kommunisten – alle Register wurden gezogen. 1951 wurde die FDJ verboten. Im gleichen Jahr wurde die Volksbefragung gegen die Wiederaufrüstung verboten. Der Verbotsantrag gegen die KPD wurde gestellt. Die wesentlichen politischen Gründe für das angestrebte Verbot waren: die Restauration der kapitalistischen Gesellschaftsordnung, der Ausbau als antikommunistischer Frontstaat, dann die Eingliederung der Bundesrepublik in die NATO, den aggressiven antikommunistischen Militärpakt, die Brechung jedes demokratischen Widerstandes gegen die geplanten Notstandsgesetze. Die Bekämpfung des Sozialismus in Europa, vor allem die DDR, war das wesentliche Ziel aggressiver antikommunistischer Politik. Das Verbot war elf Jahre nach dem Sieg der Alliierten über den Faschismus auch ein Ausdruck der Aussöhnung mit den reaktionären und faschistischen Kräften der Vergangenheit. Die Lüge, dass Faschismus verbrecherisches Handeln einiger Weniger sei, wurde verbreitet. Faschismus und Sozialismus wurden mit Gleichheitszeichen versehen. Fehler und Schwächen der KPD wurden genutzt. Die politisch falsche These vom Sturz der Adenauer-Regierung war zwar bereits 1955 von der KPD öffentlich kritisiert und korrigiert worden, sie wurde dennoch als Begründung für das Verbot missbraucht. Die Sorge vor opportunistischen Gefahren führte die Partei zu schwerwiegenden Fehlern. Die These 37 des Münchener Parteitages 1951 kritisierte rechtssozialdemokratische Gewerkschaftsführer auf eine Weise, dass es für jene ein Leichtes war, kommunistische Gewerkschaftsfunktionäre vor die Wahl zu stellen, diese Kritik anzuerkennen und damit die Gewerkschaftsfunktionen zu verlieren oder sich von dieser Kritik zu distanzieren, was dann für Kommunisten die Frage der Parteizugehörigkeit aufwarf. Dadurch verloren die Kommunisten viele Positionen in den Gewerkschaften. Die daraus abgeleitetes Behauptung, die KPD-Führung trage durch eigene Fehler Mitschuld am Verbot, ist infam. Die Folgen des Verbots waren verheerend. 10.000 Mitglieder der KPD wurden verfolgt und eingesperrt, es gab ca. 250.000 Ermittlungsverfahren. Das KPD-Verbot hatte grundsätzliche Bedeutung für die gesellschaftliche Verfasstheit der Bundesrepublik Deutschland. Es wurde zur Kriminalisierung politischen Widerspruchs genutzt. Insgesamt wurden 40 Organisationen verboten. Das Verbot wurde auch zur Bekämpfung sozialdemokratischer, linksbürgerlicher Politik und Auffassung genutzt. Es verhinderte notwendige gesellschaftliche Debatten. Es diente zur Kriminalisierung jedweder konstruktiver Kontakte zur DDR bzw. ihren gesellschaftlichen Organisationen. Es gehörte schon außerordentlich viel Zivilcourage dazu, zum Beispiel öffentlich für die völkerrechtliche Anerkennung der DDR einzutreten. Das Verbot erzeugte ein Klima der Angst und förderte Duckmäusertum. Hysterischer Antikommunismus dominierte zeitweise alle gesellschaftlichen Debatten. Kommunistinnen und Kommunisten wurden außerhalb der Rechte des Grundgesetzes gestellt. Zu den direkten Wirkungen des KPD-Verbotes gehörten zahlreiche Maßnahmen, um Kommunistinnen und Kommunisten, die KPD und später die DKP in der Gesellschaft zu isolieren. Wir wurden als eine Kraft dargestellt, die für ausländische Interessen, der Sowjetunion, der DDR tätig war. Zunehmende Isolation war eine fast zwangsläufige Folge des Verbotes und der Kriminalisierung, von Hausdurchsuchungen, Verunglimpfungen, Herabwürdigungen in der Öffentlichkeit. Dies war ständige Realität für Kommunistinnen und Kommunisten. Es wirkte sich auch auf die Tätigkeit von Kommunistinnen und Kommunisten in gesellschaftlichen Großorganisationen aus. Zum Beispiel wurde mit dem KPD-Verbot die politische Achse in der Gewerkschaftsbewegung nach rechts verschoben. Für die heutige und nachfolgende Generation ist dieses Wissen notwendig, auch um sich ein reales Bild über die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland im Kalten Krieg und danach zu machen. Sie war zu keiner Zeit der demokratische und soziale Rechtsstaat, den das Grundgesetz forderte. Es gab Phasen mit weniger Repressionen, durch Kampf wurden progressive Veränderungen durchgesetzt, durch die Existenz des realen Sozialismus wurde manche Reformen möglicher als zu anderen Zeiten. Aber immer wirkte der Antikommunismus, wurden die marxistische Weltanschauung, kommunistische Politik und Mitglieder der KPD bzw. DKP bekämpft. 2. Politische Auswirkungen des KPD-Verbotes bis heute Liebe Genossinnen und Genossen, wenn es um die konkreten Auswirkungen des KPD-Verbotes geht, dann sind zunächst einmal jene Zehntausend zu nennen, gegen die es Strafverfahren und Verurteilungen gab. Opfer des Kalten Krieges und des KPD-Verbotes mussten Haftstrafen erleiden, müssen bis heute Rentenkürzungen hinnehmen. Sie gelten als vorbestraft und wurden nicht rehabilitiert. Verurteilt wurden sie oft von Nazi-Richtern und –Staatsanwälten. Zu den politischen Auswirkungen des KPD-Verbots gehören die Militarisierung der BRD, ihre Einbindung in die NATO und die Durchsetzung militaristischer reaktionärer Militärstrategie. Damit wurden in den 50er Jahren die Grundlagen für die heutige Politik geschaffen, zum Beispiel für die Beteiligung der Bundeswehr an dem Überfall in Jugoslawien oder die Teilnahme an Besatzungstruppen in Afghanistan, Kongo und anderswo. 1989/90 gab es die Chance das KPD-Verbot aufzuheben. Im Urteil des Bundesverfassungsgerichtes wurde für den Fall der Wiedervereinigung festgelegt, dass die KPD sich an den dann stattfindenden Wahlen beteiligen sollte und auch die beschlagnahmten Werte zurückerhalten müsste. Der nach Paragraf 23 GG vollzogene Anschluss der DDR an die BRD wird heute genutzt, um die Aufrechterhaltung des Verbots zu begründen. Das Verbot heute weiterhin genutzt, um gesellschaftsverändernde Politik zu diskriminieren, auch um solche Politik und linke Organisationen und Parteien bis heute zu kriminalisieren und mit dem Verbot zu bedrohen. Es wird zum Beispiel damit gedroht, dass die DKP Nachfolgepartei der KPD sei, insofern unter das KPD-Verbot fällt und aufzulösen ist. Diese Drohung wird übrigens jährlich mindestens einmal wiederholt. Sie ist in Verfassungsschutzberichten nachlesbar. Viele Erfahrungen des KPD-Verbotes, der Repressionen gegenüber Kommunistinnen und Kommunisten wurden direkt auch nach dem Anschluss der DDR auf Repräsentanten dieses Staates übertragen. Es bleibt Unrecht und ein Skandal, dass die DDR durch Verleumdungen, Falschdarstellungen und Kriminalisierung ihrer Verantwortlichen „delegitimiert“ wurde, wie es Justizminister Kinkel Anfang der 90er Jahre forderte. Die DKP hat in ihrem gerade beschlossenen Programm Position bezogen. Wir werden weiter für die wahrheitsgemäße Darstellung und entsprechende historische Wertung der DDR kämpfen. Unsere Solidarität gehört jenen, die zu Unrecht verfolgt wurden und werden. Die DKP beugt sich keinem Zeitgeist! Auch in ehemals sozialistischen Ländern wie Tschechien, Ungarn, Polen und Russland wurden und werden die Erfahrungen des KPD-Verbots von Regierungen, Polizei und Geheimdiensten genutzt. Kommunistinnen und Kommunisten und ihre Parteien werden außerhalb der Legalität gedrängt. Jetzt wird dem kommunistischem Jugendverband in Tschechien mit einem Verbot gedroht. Im Europarat wurde eine antikommunistische Resolution beraten und beschlossen. Der Kampf um die Aufhebung des KPD-Verbotes bleibt eine aktuelle und zukunftsbezogene Aufgabenstellung der gesamten Linken, gegen Demokratieabbau heute und für progressive demokratische Reformen zu kämpfen. 3. Antikommunismus in einigen Aspekten, Auswirkungen auf die aktuelle Politik Liebe Freunde, Kolleginnen und Kollegen, Genossinnen und Genossen! Kanzler Schröder tönte vor seinem ruhmlosen Abgang, dass es zum Kapitalismus keine Alternative gäbe, der Sozialismus zurecht gescheitert sei. Der Chef-Volkswirt der Deutschen Bank, Walter, verlangte, dass jetzt, gemeint war nach den letzten Bundestagswahlen, die letzten Reste des Sozialismus in der BRD geschliffen werden müssen, nachdem er ja bereits in der DDR besiegt worden sei. Kabinett und Kapital wollen erkämpfte soziale Rechte und Leistungen, die Tarifautonomie, Mitbestimmungsrechte, Reste eines paritätisch finanzierten Gesundheitssystems und vieles andere mehr beseitigen. Das bisherige Maß an bürgerlicher Demokratie gerät in Widerspruch zu den Interessen des Kapitals. Streiks und Widerstand sollen ausgeschaltet werden. Arnulf Bahring darf im „Handelsblatt“ weiter denken, falls der Parlamentarismus nicht mehr ausreicht zur Durchsetzung politischer Ziele, müssen Notverordnungen her. Innenminister „Weniger-Demokratie-wagen“-Schäuble denkt schon mal laut über die Möglichkeiten von Folter nach. Vom so genannten Verteidigungsminister Jung wird ein Weißbuch konzipiert, teilweise auch schon veröffentlicht, in dem zukünftige Kriegspolitik begründet wird. Im übrigen fordern er und Schäuble inzwischen den Bau einer Gedenkstätte für gefallene Bundeswehrsoldaten. Immer lauter wird der Ruf nach dem Bundeswehreinsatz im Inneren. Es bleibt eine Herausforderung für die Herrschenden, dass die Mehrheit der Bevölkerung auch im ehemaligen Westdeutschland in Kernfragen den Sozialismus für eine gute Sache hält, die leider nicht durchsetzbar ist. Es bleibt eine Herausforderung für sie, dass die Widersprüche im Kapitalismus erkennbarer werden, Widerstand gegen die Auswirkungen der Krise des Systems wächst, allerdings oftmals ohne notwendige Fundierung und ohne die notwendige Durchsetzungskraft von Veränderungen. Zugleich werden Feindbilder neu „poliert“, in diesen Tagen Kuba, China, die KDVR und Vietnam. Sozialismus – das bleibt eine Herausforderung, dafür stehen in diesen Tagen Entwicklungen in Bolivien und Venezuela. Liebe Freunde, Kolleginnen und Kollegen, Genossinnen und Genossen! Die DKP wird ihren Beitrag in der Diskussion der Linken über das politische Verständnis der gegenwärtigen und künftigen Aufgaben zur notwendigen politischen Veränderung der Verhältnisse leisten. Heute ist das Kräfteverhältnis in der BRD und der EU eindeutig zugunsten des Kapitals bestimmt. Kämpfe wie Streiks in der jüngsten Zeit, vor allem aber auch solche Erfahrungen wie die Kämpfe in Frankreich belegen, dass dies kein widerspruchsfreier Prozess ist. Wer den Politikwechsel zu progressiven Reformen in der Bundesrepublik Deutschland durchsetzen will, der muss vor allem die Fragen beantworten: Was sind die denkbaren und machbaren Ziele? Wer sind die möglichen Kräfte? Und welche Konstellation wäre aus heutiger Sicht denkbar, um eine Mehrheit wirksam werden zu lassen? Die DKP hat zu diesen Fragen in ihrem Programm Aussagen geleistet. Aus unserer Sicht geht es zunächst einmal darum, die Politik von Kapital und Kabinett zu entlarven, deutlich zu machen, dass zum Beispiel genügend Geld da ist für progressive Reformpolitik, dass es Alternativen gibt zu Kriegspolitik, Demokratie- und Sozialabbau. Wir wiederholen unsere grundsätzliche Überzeugung, dass vor allem die Arbeiterklasse, die Gewerkschaftsbewegung im Bündnis mit anderen Kräften, politische Einsichten entwickeln muss und fähig werden sollte, den außerparlamentarischen Kampf so zu führen, dass Forderungen durchsetzungsfähig werden. Eine Aufgabe der politischen Linken, so auch der sozialistischen und kommunistischen Parteien, sehen wir darin, sich selbst mit allen Möglichkeiten, die vorhanden sind, an diesen Auseinandersetzung zu beteiligen, Standpunkte einzubringen, die Diskussion zu fördern, in die Debatte Überlegungen zu gesellschaftsüberwindender Politik einzubringen. Diese Entwicklung ist aus unserer Sicht nur vorstellbar durch die Formierung von gesellschaftlichen Allianzen, breitest möglichen Bündnissen. Gelingt dies, so ist es in einem solchen Klimas neuen Aufbruches möglich, das KPD-Verbot endlich zu beseitigen, Voraussetzungen zu schaffen, dass den Opfern des Kalten Krieges Gerechtigkeit widerfährt. In diesem Zusammenhang möchte ich den Standpunkt der DKP zur Formierung linker Kräfte und Parteien in der Bundesrepublik wiederholen Wir waren und sind für eine kooperative engstmögliche Zusammenarbeit mit der Linkspartei.PDS und der WASG. Wir waren und sind bereit, uns an den notwendigen politischen Debatten zu beteiligen, wir haben mehrfach entsprechende Angebote gemacht. Sie wurden abgelehnt bzw. nicht beachtet. Allerdings baten wir auch immer um Respekt gegenüber unserem Standpunkt, dass wir eine kommunistische Partei sind – und bleiben wollen. Wir verstehen darunter eine Partei, die sich für den revolutionären Bruch in den Macht- und Eigentumsverhältnissen einsetzt, die sich definiert als eine Partei der wissenschaftlichen Sozialismus, die auf die Arbeiterklasse und mit ihr Verbündete orientiert, um gesellschaftspolitische Veränderungen durchzusetzen. Eine solche Kraft muss es in der Bundesrepublik Deutschland – wie fast überall in der Welt – geben Wir sind für die Kooperation zwischen kommunistischen, sozialistischen Parteien und Organisationen; ein Aufgehen der DKP in der Linkspartei lehnen wir aus vielen Gründen ab. Gemeinsam sollten wir uns in der Verantwortung sehen, Druck zu machen für die Veränderung des Kräfteverhältnisses um die politische Achse im Land nach links zu ändern. Die DKP will sich dazu als selbstbewusster Partner verstehen und erneut anbieten. Nach dem erfolgreichen Hearing der Fraktion Die Linke im Bundestag zur Aufhebung des KPD-Verbotes, den dortigen Verlautbarungen, dass die Aufhebung gemeinsame Sache bleibt, schlagen wir vor, dass es zu einer Aussprache zwischen der Fraktion der Linkspartei und der DKP kommt mit dem Ziel, gemeinsame Schritte zu Aufhebung des Verbots zu gehen. Die Erfahrungen des Kampfes gegen das KPD-Verbot und die Neukonstituierung der DKP 1968 sind eine wichtige Lehre für die Zukunft. Die Neukonstituierung der DKP war kein Geschenk oder Zugeständnis der Bourgeoisie sondern vor allem ein Erfolg des langen Kampfes der illegalen KPD sowie der linken und fortschrittlichen Bewegung der Bundesrepublik Deutschland, die staatliche Verfolgung, Diskriminierung und Verbot der KPD nicht mehr hinnehmen wollten. Die Aufhebung des KPDVerbots wird nur in einem längerem Prozess von politischen Auseinandersetzungen, die vor allem durch eine starke linke außerparlamentarische Opposition geprägt waren, durchgesetzt werden können. Ich möchte meinen Vorschlag wiederholen, dass wir darüber nachdenken sollten, ob es sinnvoll ist, beim Europäischen Gerichtshof eine Klage einzureichen mit dem Ziel, die Regierung der Bundesrepublik Deutschland zu zwingen, das KPD-Verbot aufzuheben und die Opfer des Kalten Krieges zu rehabilitieren. Ich hoffe, dass unsere Veranstaltung heute weiter Impulse zur Durchsetzung des Ziels geben wird, insofern werde ich jetzt sehr aufmerksam das folgende Referat und die Statements in den Podien verfolgen. Schon jetzt möchte ich mich bei allen, die unserer Einladung folgten, bei jenen, die hier aktiv mitmachen, und bei den Organisatoren bedanken.