ETHIK - CHRISTLICH HANDELN Ethik (griech.: ethos = Sitte, Charakter, Gewohnheit, Brauch, Leben nach der polis) ist ein Teil der praktischen Philosophie, die sich im Unterschied zur theoretischen Philosophie nicht mit Erkennen und Sein, sondern mit menschlicher Praxis, mit dem richtigen Handeln befaßt. Moral (lat.: mores = Sitte, Brauch, Charakter) meint in der Tradition eine in einer gewissen Situation verwirklichte Ethik. Zur Moral gehören Normen, Standarts und Verhaltensweisen, die Kulturen und Gesellschaften dem Individuum verinnerlichen oder mit innerlichen und eventuell äußerlichen Sanktionen durchsetzen. Die Moraltheologie (Theologische Ethik) versteht sich als Versuch, aus dem christlichen Glauben Konsequenzen für christliches Handeln zu ziehen. Für die katholische Moraltheologie sind dabei drei Quellen der Erkenntnis maßgebend: • die Vernunfteinsicht (ähnlich der Philosophie) • die biblischen Schriften • die Tradition der Glaubensgemeinschaft, z.B. das Lehramt. VERSCHIEDENE ETHISCHE SYSTEME • Einteilung nach dem Ziel des Handelns 1. Hedonismus (griech.:hedone = Lust; z.B.Epikur) 2. Eudaimonismus (griech.: eudaimonia = Glück; z.B. Aristoteles, NT - Seligpreisungen, Thomas v.A.,...) 3. Utilitaristische Ethik (lat.: utilis = nützlich) (Vgl. Philosophischer Einführungsunterricht) • Einteilung nach dem Ursprung der Verpflichtung des Handelns 1. Autonome Ethik Selbstbestimmung des sittlichen Handelns aus Einsicht in die Vernunftgemäßheit. (Z.B. Kant: Kategorischer Imperativ). 2. Heteronome Ethik: Jede Ethik, in der Normen ohne Rücksicht auf vernünftige Einsicht von außen (aus naturhafter, sozialer, politischer Abhängigkeit) auferlegt werden. 3. Theonome Ethik (griech.: theos - nomos = Gottes-Gebot). Das sittliche Sollen liegt im Gottesgebot begründet. Der Wille Gottes ist erkennbar und im Leben vollziehbar. − philosophisch theonom: aufgrund natürlicher Gotteserkenntnis − theologisch theonom: aufgrund der göttlichen Offenbarung. • Situationsethik - Wesensethik Situationsethik: Die jeweilige Situation mit ihrer Einzigartigkeit und Unwiederholbarkeit wird als der entscheidende Maßstab für das sittliche Handeln angesehen. Sie leugnet allgemeine und zu jeder Zeit gültige sittliche Normen. (Gefahr: reiner Subjektivismus, Relativismus). Wesensethik − im engeren Sinn jede ewig gültige, unveränderbare, weder auf geschichtliche noch konkrete Situation des einzelnen Rücksicht nehmende Sittenlehre, da sie aus dem Wesen der Sache abgeleitet wird. − im weiteren Sinn jede Ethik, die auf ein allgemeingültiges Fundament von Normen aufbaut.(z.T. Naturrecht) • Naturrecht Aus den in der Natur wahrgenommenen Ordnungen und Gesetzmäßigkeiten folgerte man, daß die Welt und das menschliche Leben durch eine ihr zugrundeliegende Setzung strukturiert sei. Aus derartigen Einsichten schließen die Naturrechtsethiker auf das Wesen des Menschen und gewinnen daraus allgemeingültige Normen. Das Christentum hat diese ursprünglich griechische Theorie weitgehend übernommen, indem es die Natur auf einen Schöpfergott zurückführte. Damit wurden Normen, die - mit Hilfe der Vernunft - aus der Natur gewonnen wurden, zugleich als Äußerungen des göttlichen Willens verstanden. Heute wird dieses Denken stark kritisiert: − Bewußtwerden der Autonomie des Menschen gegenüber der Tradition und der Natur − Geschichtlichkeit von Denken und Moral werden entdeckt − mit der Ausbreitung eines naturwissenschaftlichen Weltverständnisses wird der Begriff der Natur als Idealisierung durchschaut. • Teleologische und deontologische Ehtik Teleologische (telos griech. - der Zweck, das Ziel) Ethik bewertet die Richtigkeit der Handlung aus ihren vorhersehbaren Folgen. Handlungen sind dann gut, wenn die guten Folgen größer sind als die schlechten. Die deontologische (deon, griech.: die Pflicht) Ethik behauptet, daß es zumindest einige Handlungen gibt, die ohne Berücksichtigung ihrer möglichen Folgen immer und unter allen Umständen als sittlich falsch zu beurteilen sind, weil die gebotene Pflicht nicht erfüllt würde. WERTE Werte entstehen durch Wertungen: Subjektive Erfahrungen ⇓ Emotionale Reaktionen ⇓ verbale Bewertungen (Werturteile) ⇓ ähnliche Erfahrungen führen zu ähnlichen Wertungen diese werden zu einem intersubjektiven Maßstab (System) Jede Gesellschaft begründet Grundwerte (z.B Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität). Solche Grundwerte, die von allen akzeptiert werden sind notwendig, damit eine Gesellschaft ein Rechtssystem begründen und aufbauen kann. Zu den Grundwerten zählen: ∗ individuelle (Freiheit, Recht auf Leben, Religion) ∗ soziale (Gleichheit, Brüderlichkeit, Rechtsstaatlichkeit, Mitbestimmung) ∗ ökonomische (Teilhabe an den Gütern der Erde, Arbeit, Eigentum) Grundrechte, die aus den Grundwerten abgeleitet werden, sind jene Rechte, die jedem Menschen aufgrund seiner Menschenwürde zustehen. Der Staat kann sie nicht bestimmen, nur garantieren. Sie sind in den Menschenrechten verankert. DAS GUTE In der christlichen Tradition wird das sittlich Gute personal verstanden. Es besteht darin, daß sich der Mensch zu einer bejahenden, hörenden Haltung gegenüber dem Willen Gottes entscheidet; das Böse gründet in einer entsprechenden negativen Entscheidung. Dabei vermittelt sich die Entscheidung gegenüber Gott immer auch in einer innerweltlichen Stellungnahme, gegenüber den Mitmenschen und der Schöpfung und in der Haltung zu sich selbst (Einheit von Gottes-, Nächsten- und Selbstliebe). Das Gute der Person liegt in ihrem Geliebt-Sein und in ihrer Liebenswürdigkeit, die im Vollzug der Beziehung verwirklicht wird. Entscheidend für das sittlich Gute ist nicht primär die Richtigkeit und Normgemäßheit der äußeren Handlung, sondern das nach bestem Wissen und Gewissen getroffene Gewissensurteil und damit die Stellungnahme der handelnden Person. ALS CHRIST HANDELN Als Christ leben beinhaltet nicht nur den Glauben an Gott, sondern auch die Verwirklichung dieses Glaubens im alltäglichen Leben. Einheit von Gottes-, Nächsten- und Selbstliebe. Gottes Offenbarung an den Menschen: Schöpfung, Bibel, geistvolle Mitmenschen ⇓ ⇓ ⇓ Glaube, Hoffnung und Liebe als Antwort des Menschen, der Orientierung für die Lebensverwirklichung sucht; der Christ soll Heil und Sinn in diesem Leben erfahren. ⇓ ⇓ ⇓ Reaktion des Menschen durch Gottesdienst und Handeln aus dem Glauben. Bezeugen und Leben des Glaubens in allen Lebensbereichen ⇓ ⇓ Zusammenleben der Menschen, Gemeinschaft, Familie, Ehe, Sexualität, Nachbarschaft, Staat, Arbeit, Freizeit, Erziehung, Bildung, Gewalt, Frieden, Strafe, Wahrheit, Medien, Gerechtigkeit; Fortschritt, Schöpfung, Umwelt, Gentechnik, Atom; das eigene Leben: Gesundheit, Schutz des Lebens am Anfang und Ende, Drogen, Sport, u.a.m. Grundlegende Modelle der Bibel: Dekalog: Zusage, daß Gott in die Freiheit führt; Gebote 1-3 Gottesliebe; 4-10 Nächsten- und Selbstliebe. Bergpredigt: Die Seligpreisungen sind Gottes Zuwendung zum Menschen, damit er die Forderungen des alltäglichen konkreten Lebens richtig gestalten kann. DEKALOG Die christliche Tradition wurde lange Zeit von den 10 Geboten (Dekalog) des AT geprägt. (Ex 20,2-17 und Dtn 5,6-21). Den Textfassungen im AT ging eine längere mündliche Tradition voraus; das Volk Israel hatte durch den Kontakt und die Auseinandersetzung mit anderen Kulturen allmählich seine eigene Religion und Kultur herausgebildet. So hat der Dekalog eine gewisse Ähnlichkeit mit anderen Quellen aus dieser Zeit (Kodex Hammurabbi), er unterscheidet sich jedoch darin, daß er als geoffenbarter Wille Gottes gilt. Den Anfang der Dekalogfassungen bildet die Selbstvorstellung Jahwes, der sein Volk aus der Knechtschaft in die Freiheit geführt hat. Gott bleibt weiter dem Volk treu, er will, daß der weitere Weg in der Freiheit gesichert wird durch Gebote. Die Gebote verstehen sich als Ausdrucksform der Sicherung des Lebensraumes, den Jahwe dem Volk geschenkt hat und in dem es nun als freies Volk leben kann. Der Mensch und das Volk, die von Gott geführt werden, sind aufgerufen durch das Beachten der gegebenen Weisungen Gott Antwort zu geben. Gott ist daran interessiert, daß der Mensch in dieser Welt schon Heil erfahren soll. Im Volk Israel kam es im Lauf der weiteren Geschichte entweder zur Erstarrung des Gesetzes oder zu einer laxen Auffassung. Die prophetische Kritik erinnerte an das ursprüngliche Anliegen der Offenbarung Gottes: Kult und religiöses Leben sind nicht zu trennen vom sozialen Leben (Amos, Hosea). Sie erinnern auch daran, daß der religiöse Vollzug nicht rein äußerlich geschehen kann, sondern aus innerer Leidenschaft eine Parteinahme für die Sache Jahwes bedeute. Wenn auch heute manche atl Formulierungen und Gebote in unserer Zeit durch neue Situationen nicht mehr zutreffend sind, oder eine andere (profane) Begründung mancher Normen in einer säkularisierten Welt besser verstanden werden, so bleiben doch grundlegende Anliegen vom Dekalog bis heute: − die Verbindung von Gottesverehrung und Sittlichkeit − der Schutz von Leben, Eigentum und Wahrheit − die Verpflichtung zur Gerechtigkeit und zum Schutz der Schwachen. Die Zehn Gebote - Der Dekalog Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus Ägypten herausgeführt hat, aus dem Sklavenhaus 1. Du sollst an einen Gott glauben 2. Du sollst den Namen Gottes nicht achtlos aussprechen 3. Du sollst den Tag des Herrn heiligen 4. Du sollst Vater und Mutter ehren 5. Du sollst nicht töten 6. Du sollst nicht ehebrechen 7. Du sollst nicht stehlen 8. Du sollst nicht lügen 9. Du sollst nicht begehren Deines Nächsten Frau 10. Du sollst nicht begehren Deines Nächste Gut. DIE ETHISCHE BOTSCHAFT JESU Das Grundanliegen des Wirkens Jesu war die Verkündigung des Reiches Gottes. So findet sich im NT kein ethisches System, sondern einzelne Anregungen zum richtigen Handeln, die dem Kommen des Reiches Gottes dienen. Jesus als Jude setzt die atl Tradition voraus. Von den zentralen ethischen Grundsätzen des Judentums übernimmt er den Dekalog und die Forderung nach Gottes- und Nächstenliebe. Zugleich aber überschreitet er die atl Moralvorstellungen: • Jesus übernimmt nicht die Überlieferung der Alten (Auslegung der Tora und die der Gesetzeslehrer). • Jesus setzt sich über Sabbatvorschriften hinweg, wenn es um das Wohl von Menschen geht. • Jesus lehnt die kultischen Reinheitsvorschriften des Judentums ab. • Jesus stellt den zeitgenössischen Tempelkult mit seinen Tieropfern, der Tempelsteuer und dem Kult- und Sühnewesen in Frage. Ausgangspunkt für die Verkündigung Jesu ist der Aufruf zur Bekehrung: "Das Reich Gottes ist nahe; Kehrt um und glaubt an das Evangelium". Im Vordergrund steht der Heilswille Gottes für alle Menschen. Der Mensch, der sich Gott zuwendet steht unter der Herrschaft Gottes und sein Leben ist damit geprägt von der Liebe und Sorge Gottes; daraus erwächst die Fähigkeit, auch anderen Menschen mit einem ähnlichen Vertrauen zu begegnen, das innerweltlich nicht mehr begründet werden braucht. Unter diesen Voraussetzungen sind auch die Forderungen der Bergpredigt zu verstehen: Der Aufruf zur Barmherzigkeit, Sanftmut, Friedfertigkeit, Verzicht auf Vergeltung, Aufrichtigkeit der Gesinnung, Hingabe, Vertrauen u.a.m. Auch das Hauptgebot der Liebe ist in dieser Sicht eine Zusammenfassung der sittlichen Botschaft Jesu. Es wird radikalisiert zur Forderung der Feindesliebe, die die Überwindung persönlicher, gesellschaftlicher und nationaler Gegensätze anstrebt. Auch hier liegt die tiefere Begründung darin, daß vor Gott solche Begrenzungen menschlichen Zusammenlebens aufgehoben sind. Jesu Aussagen zum Handeln sind nicht als neues Gesetz zu verstehen. Sie sind Konsequenz für den Menschen, der sich auf die Botschaft vom Reich Gottes eingelassen hat. Seine Weisungen ermöglichen und erfordern eine jeweils neue Interpretation. Sie sind offen und flexibel für jede Zeitepoche. Die goldene Regel Jesus sagt: Alles was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen (Mt 7,12a) Das Doppelgebot (Hauptgebot) Du sollst den Herrn, Deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Ebenso wichtig ist: Du sollst Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst (Mt 22,34-40) Die Werke der Barmherzigkeit; Mt 25,34-46 Die sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit Hungrige speisen Durstige tränken Nackte bekleiden Fremde beherbergen Gefangene erlösen Kranke besuchen Tote begraben Die sieben geistigen Werke der Barmherzigkeit • einander den rechten Weg weisen • Unwissende lehren • Zweifelnden recht raten • Betrübte trösten • Lästige geduldig ertragen • Beleidigern verzeihen • für Lebende und Verstorbene beten TUGEND UND UNTUGEND Kräfte, die den Menschen Gott näher bringen nennt man Tugenden, die andern die uns von ihm abhalten Laster (Untugenden). In seinem Brief an die Galater zählt Paulus Tugenden und Laster auf (Gal 5,16-26). Tugend (vom Wort taugen, tauglich sein) bedeutete in der Antike, alles was hervorragend ist, sei es im physischen oder ethischen Leben eines Menschen. Bei den Römern bezeichnete man mit Tugend (virtus - Mannbarkeit) militärische Haltungen wie Kühnheit und Ausdauer in einer Schlacht. Heute verstehen wir unter Tugend eine innere Haltung, durch die wir unsere guten Ideale in das praktische Alltagsleben umsetzen. Die drei göttlichen Tugenden sind Glaube, Hoffnung und Liebe. Sie werden göttliche genannt, weil sie zum Leben Gottes in uns in besonderer Beziehung stehen. Kardinaltugenden: (lat.: cardo = Türangel) • Klugheit - prudentia (sachgerecht das Gute verwirklichen) • Gerechtigkeit - justitia (jedem das Seine geben, wie es ihm zusteht) • Tapferkeit - fortitudo (auch unter Schwierigkeiten dem Guten treu bleiben) • Zucht, Maß - temperatia (stark sein gegen ungezügeltes Haben- und Genießenwollen).