»Schließlich gelang es durch Hunger und Liebe die Klügeren gefügig zu machen, ihnen folgten dann die Minderbegabten.« ( Julius Neubronner über die Gewöhnung der Tauben an fahrbare Taubenschläge ) Zur Zeit des ersten Weltkrieges wurden cirka 100 000 Brieftauben zur Nachrichtenüber­ mittlung an der Front und zu Spionagezwecken eingesetzt, 25 000 allein auf deutscher ­Seite. Ihre erstaun­liche Anatomie und die relative Unempfindlichkeit gegenüber Detona­tionen ­machten sie ­zuverlässig, unauffällig und abhörsicher. Sie arbeiteten unabhängig von zerstörter oder noch nicht installierter Technik und erreichten auch abgelegene Einheiten. Ihre enormen Flugleistun­ gen, mit denen sie bis zu 100 km / h erreichen und die sie mehrere Stunden durchhalten, machten sie zu treuen Kameraden, Rettern und manchmal sogar Helden an der Front. Die Brieftaubenfotografie entwickelte Anfang des 20. Jahrhunderts der Kronberger Apotheker Julius Neubronner, der eilige Rezepte und Medikamente per Taube verschickte und ursprünglich lediglich den Weg eines seiner wochenlang nicht zurückgekehrten Tiere nachvollziehen wollte. Seine Weiterforschung war aber durchaus von einer militärischen Nutzbarmachung motiviert. Die anfängliche Skepsis des preußischen Kriegsministeriums gegenüber ­Neubronners Patent konnte durch viele Versuche widerlegt werden. Nach jahrelanger Forschung und der Entwicklung unter­ schiedlicher Modelle hatte der Apotheker einen ­Apparat vorzuweisen, der lediglich 40 Gramm wog und durch Selbstauslösung 12 Bilder ­machen konnte, die 3 mal 6 Zentimeter maßen. Für den Fronteinsatz war zudem noch der neuartige Einsatz mobiler Taubenschläge notwendig. Als Neubronners Erfindungen beim Manöver in Straßburg praktisch geprüft werden sollten, kam der Kriegsbeginn dazwischen. Er musste seine wenigen Modelle von Fotoapparaten, die es nie zur Serienreife schafften, sowie den fahrbaren Taubenschlag für Kriegszwecke zur Verfügung stellen. Im Stellungskrieg setzten sich die Tauben als Meldeträger durch. Die Funktion als Luftaufklärer war nicht von sehr großem Belang. Jedoch hat der mobile Taubenschlag als Neben­produkt der Brieftaubenfotografie den Truppen an der Front gute Dienste geleistet. Die Taubenfotografie wurde im ersten Weltkrieg dem Nachrichtendienst unterstellt. Nach Ende des Krieges teilte das Ministerium mit, dass sie keinerlei militärischen Nutzen hätte und weitere Experimente nicht zu rechtfertigen seien. Herzlicher Dank gilt den vielen Taubenzüchtern, die über Monate die ­Federn ihrer Tiere sammelten und den Helfern für die inhaltliche, konzeptionelle, gestalterische und handwerkliche Unterstützung: Ines Bruhn, Helmut Günter, Uwe Hoffmann, Wolfram John, Christian Kreher, Sascha Krieg, Sven Kretschmann, Titus Kunze, Stefan Lang, Frank Maibier, Patrizia Meinert, Jupp Möhring, Stefan Müller, Johannes Queck, Jürgen Rothe, Roland Tautenhahn