Staufen: Tragik zwischen Wahn und Wirklichkeit - Badische-Zeitung.de Page 1 of 1 30. April 2009 Tragik zwischen Wahn und Wirklichkeit STAUFEN. Kaum einer, der am Theater arbeitet, in welcher Funktion auch immer, kann Eberhard Busch etwas vormachen. Der Leiter von Auerbachs Kellertheater schreibt sogar manche Stücke selbst. Nun auch jenes vielschichtig konzipierte Szenarium um Clara und Robert Schumann, das gerade seine Uraufführung erlebte. Der Titel "Ich hab’ im Traum geweinet..." deutet es an: Die Handlung ist tragisch. So manches Taschentuch wird hervorgeholt, als Clara am Schluss ihren nur 46 Jahre alt gewordenen Mann zum letzten Mal umarmt. Der Fokus liegt auf den Jahren 1854-1856, den letzten im Leben von Robert Schumann. Er brachte sie nach einem Qualen fürchterlichster Melancholie: Robert Schumann (Wolfgang misslungenen Selbstmordversuch auf eigenen Wunsch in eine Schäfer) mit Frau Clara (Jasmin Islam) | Foto: Lore Wüst Nervenheilanstalt bei Bonn. Was sich dort abspielt, ist verwoben mit Szenen aus der gemeinsamen Vergangenheit des berühmten Musikerpaares, mit Traumgeschehen, Begegnungen auf der Seelenebene oder zeitgleichen Ereignissen an unterschiedlichen Schauplätzen. Die Aufhebung der Einheit von Handlung, Ort und Zeit verlangten von Autor, Regisseur und Bühnenbildner Busch spezielle Problemlösungen. Wie etwa die Unterteilung der diesmal recht geräumigen Bühne in zwei Spielflächen. Hier das Krankenzimmer des an Schwermut und Verfolgungswahn leidenden Komponisten, dort der biedermeierliche Salon im Düsseldorfer Heim der Schumanns mit einem Flügel als beherrschendem Mobiliar. Die Trennwand entfällt zugunsten der Gestaltung fließender Übergänge. Diese setzen besondere Akzente und werfen Fragen auf: Was ist Traum und Erinnerung, was Wahn und Wirklichkeit? Die Hauptrollen sind ganz auf Jasmin Islam und Wolfgang Schäfer zugeschnitten, sozusagen Buschs Idealbesetzung. Tatsächlich könnten die von den Protagonisten mitgebrachten Voraussetzungen kaum besser sein. Beide besitzen große Bühnenerfahrung, sind dazu noch musikalisch versiert und somit befähigt, klassische Klavierstücke, sei es zwei- oder vierhändig – zum Teil mit eingespielter Orchesterbegleitung – hörenswert zu interpretieren. Auch Julian Braun, Gymnasiast und Darsteller des jungen Johannes Brahms, beherrscht die Kunst am Klavier. Als Clara Schumann ist Jasmin Islam ganz liebende Gattin, der es ob des ärztlich angeratenen Fernbleibens von ihrem Mann fast das Herz zerreißt, die sich allerdings auch dem von Robert Schumann geförderten Brahms liebevoll zuwendet. Wobei einmal mehr im Vagen bleibt, ob denn nun die gefeierte Pianistin tatsächlich eine Liaison mit dem angehenden Komponisten hatte. Wäre er nicht erdacht, könnte der innige Tanz, in dem sich beide bewegen, ein Indiz dafür sein. Dem zwar in der Sprache der damaligen Zeit verfassten, dennoch auf schwülstige Wendungen verzichtenden Stück liegen auch lange verschollen geglaubte Dokumente mit Hinweisen auf Robert Schumanns Krankengeschichte zugrunde. Die Rolle des Komponisten, die Busch daraus entwickelte, stellte an Wolfgang Schäfer, Professor an der Musikhochschule in Frankfurt und künstlerischer Leiter der Staufener Musikwoche, hohe Anforderungen. Sonst als Mitglied des erfolgreichen BosArt-Trios dem kabarettistischen Fach verpflichtet, muss er nun Krampfanfälle und die "Qualen fürchterlichster Melancholie" glaubhaft machen. Dazu einen, der bald Engelsstimmen hört, bald von Kakophonien gemartert wird, der seinen Betreuer (Johannes Trost) mit Wutausbrüchen traktiert und ihn dann wieder anschaut wie ein Kind, das dankbar ist, mit Gelee gefüttert zu werden. Einen, der sich wehrt gegen die täglichen, unbarmherzig von seinem Arzt (Stephan Kröger) verordneten Klistiere. Dann wieder einen, der mit Brahms wie aus einem Munde Heinrich Heine zitiert, mit der jungen Clara Wieck verliebt hinter einem Sofa kauert, während der Schatten von Vater Wieck den beiden gegen seinen Willen zur Ehe Entschlossenen droht. Schließlich noch einen, der mit Clara in dezenter Andeutung auf dem Klavierhocker Sohn Felix, das letzte von acht Kindern, zeugt. Ein facettenreich angelegter Part also. Schäfer geht mit aller Intensität in diese Rolle hinein und meistert sie mit Bravour. Das Premierenpublikum ließ sich von diesem ganz besonderen Theaterabend gefangen nehmen. Autor: Dorothee Möller-Barbian http://www.badische-zeitung.de/staufen/tragik-zwischen-wahn-und-wirklichkeit 01.05.2009