Grundlegende Filmsemiotik – Stichwortsammlung Wessely 2004 Einleitende Bemerkungen Dies ist kein Skriptum und keine vollständige Unterlage zur Lehrveranstaltung, sondern der Beginn einer Sammlung von Gedächtnisstützen, die sich vielleicht irgendwann einmal zu einer kompletten Unterlage auswachsen werden – neudeutsch: work in progress. Diese Sammlung soll vielmehr den engagierten Studierenden, die die Vorlesung besucht haben, als Gedächtnisstütze dienen. Die Prüfungsform ist mündlich. Für eine erfolgreiche Prüfung wird vorausgesetzt: ?? Beherrschung des vorgetragenen und gemeinsam erarbeiteten Stoffes ?? Anwendung des Stoffes auf einen selbst gewählten Sonderfall (Filmausschnitt) ?? Diskussionsbereitschaft mit guter Argumentation Als Ergänzung zu Vortrag, Diskussion und Beispielen wird empfohlen: ?? Eco, Umberto, Einführung in die Semiotik, Fink: München 1972 ?? Heumann, Jürgen, Symbol – Sprache der Religion, Kohlhammer: Stuttgart 1983 ?? Peirce, Charles S., What is a Sign ? In: Selected Philosophical Writings II, 410, University Press: Indiana 1998 ?? Schönrich, Gerhard, Zeichenhandeln, Suhrkamp : Frankfurt 1990 ?? Warneke, Lothar u.a. (Hg.), Transzendenz im populären Film, Vistas: Berlin 2001 Grundlegende Filmsemiotik – Stichwortsammlung Wessely 2004 Zeichen und Symbol Was „wissen“ Sie und warum „wissen“ Sie es? Wissen folgt aus ?? durch Kommunikationsakte vermitteltem Informationsmaterial über Sachverhalte von anderen Menschen / Bezugspersonen („erlernen“) ?? durch Schlussfolgerungen, die aus bereits „Erlerntem“ gezogen werden („erdenken“) – Grundlage: Fähigkeit zum Herstellen von Verbindungen / Vernetzungen Wissen ist haltbar, solange es zu keinem Widerspruch zwischen klar definierbaren „Wissensinhalten“ und keinen zwischen Erdachtem und Erlerntem führt (Widerspruchsfreiheit); es ist aber auch nur haltbar, wenn es soziale Deckung findet (der Mensch als soziales Wesen fühlt sich durch Mehrheitswissen gedeckt, durch Minderheitswissen bedroht). Minderheitswissen löst entweder Gruppenbildung und Rückzug oder Resignation und sukzessive Auflösung des Wissenbestandes aus; umgekehrt bildet Mehrheitswissen völlig ohne Gewalt oder Bedrohung einen „Wissensdruck“ aus, dem das Individuum bzw. die Minorität ausgesetzt sind (Beispiel: „Ethnologenproblem“ – das für die korrekte Feldforschung notwendige Zusammenleben mit einer zu beobachtenden Majorität lässt die Grenzen zwischen Objekt und Subjekt der Beobachtung verschwimmen und führt zur unbewussten oder bewussten Internalisierung der Prozesse (im weiteren Sinne), die innerhalb dieser Majorität ablaufen.). Zulässiger Umkehrschluss: Wissen wird durch innere und äußere Kommunikationsakte generiert. Einfache Kommunikationsansätze (1-Kanal-Modell) Sender und Empfänger bilden die Eckpunkte einer Kommunikationssituation, in der jede Form von Signal übermittelt wird. Unabdingbare Voraussetzungen schon für allereinfachste Kommunikationsvorgänge sind also: ?? klare Unterscheidung von sendender und empfangender Entität ?? die zumindest unterstellte Menge von nichtgemeinsamem Wissen Grundlegende Filmsemiotik – Stichwortsammlung Wessely 2004 ?? das Vorhandensein eines potentiellen Signales Der Terminus „Signal“ weist NICHT auf eine mit einer Bedeutung gefüllte Entität hin, sondern steht für eine vom Sender ausgelöste, sich von ihm abhängig oder unabhängig zeigende Trägermöglichkeit für Information, Zeichen, Sinn usw. Ein Signal kann auch zu einem Informationsträger werden, wenn es die folgenden Bedingungen erfüllt: ?? es ist grundsätzlich verstehbar (folgt also einem System, das von Sender und Empfänger prinzipiell interpretierbar ist), ?? es folgt Regeln, die von Sender und Empfänger nichtautonom festgesetzt wurden (d.h. die durch freie Vereinbarung festgelegt oder bereits vorgefundene Rahmenbedingungen umrissen werden). „Information“ kann in mehreren Bedeutungen gelesen werden: a) im Sinne der Informationstheorie (v. Neumann) als Kenntnis über den Realisierungszustand mehrerer Gleichwahrscheinlichkeiten, ausgehend von einem Basiszustand und einer Kette von Verzweigungen (nach Eco: Disjunktionen) folgend (es gibt eine und nur eine Verzweigungskette, die zu einem bestimmten Ergebnis führt) b) im Sinne der linguistischen Theorie als ausschliessende Bedeutungszuweisung durch Phoneme, die an einem bestimmten Platz in der Sprache (im weiteren Sinne) bedeutungsrelevant sind c) als Beschreibung des Bereiches dessen, was prinzipiell gesagt werden kann und aus dem eine Teilmenge auch gesagt wird Alle drei Ansätze sind rein formal, d.h. inhaltsunabhängig, und exkludierend, d.h. durch die Realisierung einer Möglichkeit alle anderen ausschließend. Die im Extremfall unendliche Anzahl von Informationen bzw. deren Disjunktionen und Verkettungen wird Übermittlung und Verarbeitung von Information erschwert bzw. verunmöglicht; diese Anzahl wird daher durch den „Code“ eingeschränkt. Dieser bestimmt einerseits, welche Informationen Bestandteil des Kommunikationssystems sein dürfen und welche nicht und andererseits, in welchen inhärenten Beziehungen sie miteinander stehen müssen bzw. welche möglich sind, nicht jedoch, welche sinnvoll oder nicht sinnvoll sind. Grundlegende Filmsemiotik – Stichwortsammlung Wessely 2004 So kann etwa ein sehr einfaches Alarmsystem bereits als Kommunikationssystem angesehen werden. Wenn etwa an einem Fenster ein Schalter angebracht ist, der beim Öffnen des Fensters zwei elektrische Leiter verbindet, UND wenn an die elektrischen Leiter auch eine Spannnungsquelle und ein Summer angeschlossen sind, dann kann eine sendende Entität (Schalter) ein Signal (Spannung liegt an) an eine empfangende Entität weitergeben. Mit diesem Signal wird auch eine Information weitergegeben, die aber nicht aus dem Signal als Signal erfolgt, sondern dem Signal beigegeben ist, in diesem Fall durch das Schema der Verdrahtung bzw. die Schaltung an sich. Diese Schaltung definiert die tatsächliche Ursache des Signals als „Auslösung des Schalters“ + „Vorhandensein von Spannung“. D.h.: Das Signal an sich ist informationsfrei; ein Empfänger könnte ohne Kenntnis der auslösenden Umstände nur feststellen „Spannung fliesst“ bzw. „Summer ertönt“. Der Informationswert des Signales ist davon unabhängig; er macht es prinzipiell deutbar: „Spannung fliesst“, WEIL es eine bestimmte Schaltung gibt und daher die Gesamtmenge der gleichwahrscheinlichen Ursachen aus einem bestimmten Grund (der nunmehr nachvollziehbar bzw. vorhersagbar ist). Nun ist gerade in diesem Beispiel die strikte Unterscheidung zwischen „Summen“ und „Nichtsummen“ nicht das einzig mögliche Ereignis. Es könnte auch eine Unterscheidung zwischen Tonhöhen, Impulslängen, Intervallen, Rhythmen usw. getroffen werden; dadurch wird die Anzahl der möglichen Interpretationen eines bestimmten Ereignisses potentiell unendlich. Damit sinkt natürlich der mögliche Informationswert des einzelnen Teilereignisses umgekehrt proportional zur Anzahl der Teilereignisse insgesamt. Der Summer kann nicht nur summen oder auch nicht, er kann je nach Spannung und Signalfrequenz hoch, tief, kurz, lang, summen oder sogar eine Botschaft im Morsealphabet übermitteln. Der Code legt im einfachsten Fall fest: Es gibt zwei und nur zwei mögliche Zustände des Summers: Ein für einen Zeitraum t und aus für einen Zeitraum t. Alle anderen Signale wären demnach nicht interpretierbar, obwohl sie potentiell Informationen transportieren könnten. Der Summer ist daher denotativ; er beschreibt den Zustand des ihn mit dem Signal versorgenden Schalters. Grundlegende Filmsemiotik – Stichwortsammlung Wessely 2004 Es gilt daher, das Signal auch in ein Codefeld einzubetten, das beschreibt, unter welchen Umständen das Signal relevante Informationen transportieren kann. Anders gesagt: Der Code bildet ein Begrenzungssystem, das festlegt, welche Signale und Signalketten interpretierbar und welche nicht interpretierbar sind. Er bildet zugleich ein Regelsystem, das festlegt, in welcher Weise Signale verkettet werden können, damit die übermittelte Information bestimmte Reaktionen auszulösen imstande ist, und zwar unabhängig vom sendenden Teil: Der Code muss letztlich nur der Informations- und der Empfangsinstanz im strikten Sinne bekannt sein, nicht aber der sendenden Instanz. Beispiel: Die sendende Instanz „Schalter“ „kennt“ keinen Code und weiss nicht, dass es potentiell unendlich viele Möglichkeiten gibt, wie ein spannungsbasiertes Signal von A nach B aufgebaut sein kann. Die Informationsinstanz (die Konstrukteure) hat diesen Code eingebaut; er muss nur noch der Empfangsinstanz vertraut sein. Anders ausgedrückt: Aus der sehr großen Gesamtmenge von Gleichwahrscheinlichkeiten, die in der Information potentiell strukturierbar wird und zu einem konkreten Realiationspunkt führt, selektiert der Code eine Teilmenge und scheidet eine andere – größere – aus. Referens Das Referens ist der vom Zeichen benannte Gegenstand! Die codierte Information kann zum Zeichen werden, wenn sie für den Empfänger neben der denotativen („der Summer ertönt, weil am anderen Ende ein Schaltvorgang ausgelöst wurde“) eine konnotative („der Summer ertönt, weil jemand das Fenster geöffnet hat“) Bedeutung hat, wenn also der Empfänger mit dem Summen des Summers eine Analogie verbindet: „Das Summen verhält sich zu meiner gegenwärtigen Situation wie A zu B und evoziert daher C“. Peirce und Richards sprechen vom Referenzdreieck, dessen Eckpunkte vom Bezeichnenden, dem Zeichen und dem Referens (das dem Zeichen zugrunde liegende Analogon) gebildet wird. Dieses Referens weist dem Zeichen eine Bedeutung zu, ist bzw. hat aber selbst keine „Bedeutung“ an sich, sondern „be_deutet“ (deutet auf eine bezeichnete bezeichneten Verhältnismäßigkeit Gegenstand hin); unabhängig seine Gültigkeit (Informationswert ist ausserdem und vom Wahrheitswert Grundlegende Filmsemiotik – Stichwortsammlung Wessely 2004 (kohärenzbegrifflich gefasst) sind unterschiedlich!)1 Semiotisch gesehen geht es stets um die Verkettung Signalaustausch – Signalinterpretation – Reaktion, nicht aber um die Frage von Wahrheit und Unwahrheit. Durch die Ebene des Referens und seiner zugrundeliegenden Analogie werden zwei Folgerungen notwendig: erstens, an einer solcherart aufgebauten Kommunikationssituation muss mehr als rein technische Signalübermittlung beteiligt sein; die Beteiligung von Entitäten, die zur Herstellung analoger Konnexe fähig sind, ist hier schon vorauszusetzen: Menschen bzw. – in sehr begrenztem Maße – Tiere oder künstliche Intelligenz. Zweitens: Durch die Ebene der „Bedeutung“, die erst durch das Referens in die Kommunikationssituation eingeführt wird, wird potentiell eine Aussage über „Sinninhalte“ möglich; jenseits eines „eine Rose ist eine Rose ist eine Rose“ kann es daher zu analogischen und metaphorischen Gehalten kommen. Das Referens ist gebunden an eine kulturelle Einbettung: Die Verwendung einer unbekannten Analogie kann zwar durch den Signifikator korrekt erfolgen und auch semantisch richtg sein; wenn sie keine Einbettung im kulturellen Feld des Rezipienten hat, kann sie nicht als Referens benutzt werden, auch wenn das sie „tragende“ Zeichen bekannt wäre: das Zeichen wird „bedeutungslos“. Für eine denotative Aussage ist ein Referens unnötig, für eine konnotative Aussage zwingend. Beispiel: Das bekannte Verkehrszeichen „Vorrang geben“ kann wie folgt rezipiert werden: ?? an einer geraden, kreuzungslosen Strasse: das Zeichen als Zeichen ist korrekt, aber semantisch falsch: Die Aussage über dieses Zeichen „wird im Bereich von Kreuzungen eingesetzt“ ist Bestandteil des Codes und macht einen Einsatz ausserhalb des Codes sinnlos. Das Zeichen wird kontextuell bedingt undeutbar, unabhängig von der Interpretationslage des Rezipienten. 1 Eco weist dafür zwei Gründe nach: erstens würde die Bindung von Informationswert an Wahrheitswert die Bezeichnungsmöglichkeiten in der gebrauchten Kommunikationsform auf real existierendes einschränken; zweitens müsste jeweils der bezeichnete Gegenstand bereits vor der Bezeichnung identifizierbar sein, was eine Erstbezeichnung ausschliesst. Diese Argumentation weist zumindest im ersten Punkt eine Schwäche auf, die es zu beachten gilt; Eco geht von einem rein kohärenzbegrifflichen Wahrheitsmodell aus. Wenn etwa ein Konsensmodell angenommen wird, entfällt dieser Punkt! Grundlegende Filmsemiotik – Stichwortsammlung Wessely 2004 ?? an einer Kreuzung: Das Zeichen ist korrekt und semantisch richtig; es verweist auf die Analogie „unaufmerksames Weiterfahren ist Gefahr für dein Leben“. Es bedarf aber seitens des Rezipienten folgender Kenntnisse: Verkehr an sich, Existenz von Regelsystemen und deren Anerkennung, Kenntnis der Differenz zwischen Aufmerksamkeit und Unaufmerksamkeit, Wissen um die Gefährdbarkeit des Lebens speziell durch andere Verkehrsteilnehmer usw. Entfällt etwas davon, bedeutet das Zeichen für den Rezipienten nichts. ?? in einem völlig entfremdeten syntaktischen Rahmen (etwa als Dekoration in einem Zimmer) ist die Situierung so vollkommen paradox, dass es einer ästhetischen Leistung des Rezipienten bedarf, um es einzuordnen und z.B. komisch, dekorativ o.ähnl. zu finden. Die kulturelle Einbettung macht das Zeichen zur potentiell sinnstiftenden Instanz. Interpretans Nach Eco ist das Interpretans „eine weitere Repräsentation, die sich auf dasselbe Objekt bezieht“. Es kann selbst nur benannt werden, indem man es wieder mit einem Zeichen bezeichnet und damit mit einem Interpretans belegt usw. Das Interpretans ist polymorph: es kann als paralleles Zeichen in einem alternativen Kommunikationsweg dasselbe bezeichnen wie ein anderes Zeichen im Normalkommunikationsweg („Transistor“ – Zeichnung des Transistors); es kann eine alternative Bezeichnung im selben Kommunikationsweg sein (Zeichnung des Transistors – Schaltbild des Transistors); es kann eine assoziative Verkettung sein (Transistor steht für Verstärkung, Modernität, Miniaturisierung o. ähnl.).2 Diese Beziehung kann jeweils umgekehrt werden. Für eine konnotative Aussage ist das Interpretans möglich, für eine denotative zwingend. Merksatz: 2 Eco erwähnt auch noch die Übersetzung in eine andere Sprache; dies teile ich nicht, da die Übersetzung letztlich dem Wechsel des kulturellen Rahmens entspricht, der den Rezipienten entweder geläufig und mitvollziehbar ist (dann hat dieser Versuch dieselbe Klasse wie die Alternativbezeichnung im selben Kommunikationsweg) oder der jenem nicht geläufig (folglich nicht mitvollziehbar) ist und daher aus der Bedeutsamkeit herausfällt. Grundlegende Filmsemiotik – Stichwortsammlung Wessely 2004 Wenn sich das Signifikans zu seinen Signifikaten wie der Exponent eines normalen Ganzen verhält, so verhält sich das semiotisierte Referens zu dem, was es bedeutet, wie der Exponent eines „nicht normalen“ Ganzen. Wenn sich das Zeichen zum konkret Bezeichneten repräsentativ verhält, dann kann sich sein Referens als Repräsentant der Gesamtklasse des Bezeichneten verhalten. Nach Peirce kann ein Zeichen – es sei der Einfachheit halber auf das visuelle Zeichen Bezug genommen – auf folgende Weisen betrachtet werden: Das Zeichen als solches ?? Qualizeichen (der optische Ausdruck an sich: Die Farbe x an der Position y) ?? Sinzeichen (die ohne Konvention erkennbare Repräsentation, die sich aus dem (den) Qualizeichen ergibt) ?? Legizeichen (auf Vereinbarung beruhende Erkennbarkeit) Das Zeichen in Beziehung zum bezeichneten Objekt ?? Icon (das Zeichen als erkennbare Repräsentanz des gemalten/fotografierten Objektes) ?? Index (das Zeichen als auf die anzunehmende Quelle verweisende Größe) ?? Symbol (eine auf Konvention beruhende, sich aus dem Zeichen ergebende Verweiskraft) Das Zeichen in Beziehung zum Interpretans ?? Rhema (ein beliebiges Zeichen, sofern es potentiell zu einer sinnvollen und gültigen Aussage gehören kann) ?? Dicent (das sich aus einer Verbindung zweier Zeichen desselben Typs ergebende Verhältnis, das selbst zeichenhaft angesehen werden kann) ?? Argument (das sich aus der Verbindung zweier Zeichen verschiedenen Typs ergebende Verhältnis, das selbst zeichenhaft angesehen werden kann) Grundlegende Filmsemiotik – Stichwortsammlung Wessely 2004 Zugehörig und grundlegend wichtig sind zusätzlich: ?? „Zeichen“ : Semiotische Ebene ?? Regelwerk : Semantische Ebene ?? Bezeichnetes : Objektebene ?? Medium : Trägerebene Achtung : darunter befindet sich noch kein einziges inhaltliches Merkmal! Die Komplexität der Kommunikationssituation potenziert sich durch: ?? Steigende Komplexität des Settings / der Umwelt ?? Räumliche Dislokation ?? Zeitliche Dislokation ?? Räumlich/Zeitliche Dislokation Was „tun“ Zeichen? zeigen – ordnen – leiten – strukturieren Zeichen beziehen ihre Tragfähigkeit aus Vereinbarungen. Was „tun“ Symbole? Wie Zeichen, plus: Leben verdichten – Gemeinschaft stiften – Geschichte gegenwärtig machen – Leben vertiefen Symbole beziehen ihre Tragfähigkeit aus einem Lebenszusammenhang Was „tun“ Sakramente? Wie Zeichen + Symbol, plus: stellen in einen Gesamtzusammenhang mit Unverfügbarem – machen Heiliges gegenwärtig Sakramente beziehen ihre Tragfähigkeit aus ihrer Einwurzelung in existenzielle Erfahrung Grundlegende Filmsemiotik – Stichwortsammlung Wessely 2004 Hierarchie der Darstellbarkeit: Jedes Zeichen ist durch sich selbst darstellbar; jedes Symbol durch ein oder mehrere aufeinander bezogene Zeichen; jedes Sakrament durch ein oder mehrere aufeinander bezogene Symbole. Wann wird ein Objekt zum Zeichen / semiotische Schwelle? Untere Schwelle: Grenze zwischen „bloßem Signal“ und Sinnbestimmung – alle kulturellen Vorgänge als Kommunikationsprozesse können sinnvoll zum Gegenstand der Semiotik werden; die Gesamtheit der Vorgänge, die kulturellen Prozessen als Systeme zugrunde liegen, sind Gegenstand der Semiotik. Sinn wird erst durch Involvierung des Menschen eröffnet. Denotation und Konnotation: Denotativ: Das [Signal] bedeutet „aus sich selbst heraus“ unmittelbar, grundlegend Konnotativ: Aus der unmittelbaren Bedeutung wird eine mittelbare erschlossen, erweiternd Das „Objekt“ Zeichen wird durch ein Interpretans (Signifikat) bestimmt (auch in Abwesenheit des Interpreten), das sich ebenfalls auf das „bezeichnete“ Objekt beziehen muss sowie ebenfalls selbst „Objekt“Zeichen werden kann (semiotische Selbstrekursion, die aber nicht destruktiv, sondern fruchtbar ist); das Interpretans erzeugt im Geist des Betrachtenden (Interpreten) die Wirkung des „Objektes“ Zeichen. Dies ist von Wahrheit und/oder Realität des „Bezeichneten“ unabhängig (Roboterbeispiel von Carnap) Zeichen und Symbol Zeichen und Symbol Christian WESSELY 1. Warum von Zeichen reden? WISSEN : die Gesamtmenge der Kenntnisse über „Welt“, die ein Individuum in sich trägt ? Wissen als Konstitutivum des Menschen entsteht aus ? – – – ? © Ch. Wessely 2004 Durch Kommunikationsakte vermittelte Information Durch Schlussfolgerungen aus bereits vorliegender Information Basis: dem Menschen inhärente und vom Menschen erlernte Mechanismen zur Filterung, Verknüpfung und Einordnung von Information Kommunikation als Hauptquelle des Wissens ist immer zeichenbasiert! 1 Zeichen und Symbol Information Signal sei eine prinzipiell bedeutungsleere Trägermöglichkeit für Information ? Signal KANN zum Träger von Information werden ? – – Bedingung: grundsätzliche Verstehbarkeit Bedingung: folgt nichtautonom festgesetzten Regeln Information setzt die Existenz von Signal voraus (es wird etwas in-Form gebracht ? Information ist lediglich die Konkretion (Realisierungszustand) einer Menge von Gleichwahrscheinlichkeiten (kein Inhalt!) ? Probleme • Da prinzipiell alles, was erzeugt und wahrgenommen werden kann und den Anforderungen (1) genügt, zum Signal werden kann und zugleich Information rein formal gefasst wird, entsteht ein potentiell unendlicher und damit unnützer Informationsraum (unstrukturierbare Information ist wertlos). • Ohne weitere Kriterien ist eine Strukturierung nicht möglich © Ch. Wessely 2004 2 Zeichen und Symbol Lösungsansatz Code ? bestimmt, welche Teile der Gesamtmenge „Information“ verwendet werden dürfen und welche nicht ? bestimmt, in welcher Form die verwendeten Teile verbunden werden dürfen ? Teilproblem: wie sichern die Teile eines Kommunikationssystems, dass ihr Code derselbe ist? Beispiel © Ch. Wessely 2004 3 Zeichen und Symbol Wissen weitergeben / aufnehmen ? Mit dem bisher beschriebenen kann die eingangs postulierte Sammlung von Wissen nicht erfolgen: – – Inhaltliche Leere Es gibt immer eine und nur eine Aussagemöglichkeit der Information („Warum“ auf die einlangende I. bezogen: denotative Ebene ? Daher: unter welchen Bedingungen kann I. bedeutsam werden? Bedeutung ? Bedeutung kommt von „deuten“ ? Eine Information hat immer diese Anfragen auszuhalten: – – – Was sagt die Information an sich? Worauf weist diese Information hin? Näherhin: was BEZEICHNET diese Information? ? Das © Ch. Wessely 2004 Zeichen ist Bedeutungsträger 4 Zeichen und Symbol Beispiel Eigenschaften des Zeichens ? Das Zeichen ist minimal ein Referenzdreieck, das aus dem Signifikat, dem Objekt und dem Referens besteht ? Das Signifikat ist das materielle Konstitutivum des Zeichens ? Das Objekt ist der von Bezeichnenden benannte Gegenstand ? Das Referens ist der vom Signifikat benannte Gegenstand © Ch. Wessely 2004 5 Zeichen und Symbol Beispiel Kohärenz ? Ziel des Kommunikationsprozesses „Zeichen übermitteln“: Herstellung von möglichst großer Kohärenz von Objekt und Referens, die aber nie vollkommen sein kann ? Bedingung: Kohärenz der kulturellen Einbettung des Referens ? Die kulturelle Einbettung eröffnet Sinnstiftungspotential © Ch. Wessely 2004 6 Zeichen und Symbol Interpretans ? „Weitere Repräsentation, die sich auf dasselbe Objekt bezieht“ ? Das vom Signifikat im Rezipienten erzeugte „Bild“ im weiteren Sinne ? Das Interpretans ist polymorph ? Das Interpretans muss selbst wieder bezeichnet werden, was wieder ein Interpretans induziert usw. Visualisierungsversuch Objekt Interpretans Objekt Signifikat Referens Zeichen Sender © Ch. Wessely 2004 Signal Empfänger 7 Zeichen und Symbol Indikatoren ? Die Gesamtheit der „hinweisenden“ Konstituenten eines Aussageaktes, soweit sie vom Rezipienten unabhängig sind – – – Hauptzeichen mit Referens und Signifikans Wahrnehmungs-, Erkennungs- und Übertragungscodes Zeichenkontext Beispiel I: Akustischer Signalweg trägt das Zeichen „SATZ“; es ist sinnvoll, gültig und lokalisierbar – Informationsträger Voraussetzungen: Farbunterscheidungen, Verkehrsregeln, sprachstrukturelle Grundlagen Indikatoren Hauptzeichen „Es ist rot!“ Zeichenkontext © Ch. Wessely 2004 8 Zeichen und Symbol Beispiel II: „Es ist rot!“ Sender Empfänger Aspekte des „Zeichens“ I • Das Zeichen als solches • Qualizeichen – der „Ausdruck“ an sich • Sinzeichen – die ohne Konvention erkennbare Repräsentation • Legizeichen – die nur durch Vereinbarung erkennbare Repräsentation © Ch. Wessely 2004 9 Zeichen und Symbol Beispiele: •Qualizeichen – der „Ausdruck“ an sich • Sinzeichen – die ohne Konvention erkennbare Repräsentation • Legizeichen – die nur durch Vereinbarung erkennbare Repräsentation Aspekte des „Zeichens“ II • Das Zeichen in Beziehung zum bezeichneten Objekt • Icon – erkennbare Repräsentanz • Index – auf die anzunehmende Quelle verweisend • Symbol – auf Konvention beruhende, sich aus dem Zeichen ergebende Verweiskraft © Ch. Wessely 2004 10 Zeichen und Symbol Beispiele: • Icon – erkennbare Repräsentanz • Index – auf die anzunehmende Quelle verweisend • Symbol – auf Konvention beruhende, sich aus dem Zeichen ergebende Verweiskraft Aspekte des „Zeichens“ III • Das Zeichen in Beziehung zum Interpretans • Rhema – sinnvolles und gültiges Zeichen • Dicent – Verhältnis zweier Zeichen desselben Typs • Argument – Verhältnis zweier Zeichen verschiedenen Typs © Ch. Wessely 2004 11 Zeichen und Symbol Beispiel Rhema • Rhema – sinnvolles und gültiges Zeichen Beispiel Dicent • Dicent – Verhältnis zweier Zeichen desselben Typs © Ch. Wessely 2004 12 Zeichen und Symbol Beispiel Argument • Argument – Verhältnis zweier Zeichen verschiedenen Typs Stufen der Codifizierung I ? Wahrnehmungscodes – ? Erkennungscodes – ? Strukturieren die Wahrnehmungscodes blockweise Übertragungscodes – © Ch. Wessely 2004 strukturieren die Bedingungen der Möglichkeit des Wahrnehmens Strukturieren die Bedingungen der Möglichkeit der Sinneswahrnehmung 13 Zeichen und Symbol Stufen der Codifizierung II ? Ikonische Codes – – – ? Figuren: in grafische Zeichen umgesetzte (geometrische) Größen Zeichen: denotieren Erkenntniseinheiten Ikonische Aussagen: denotieren durch Verkettung ikonischer Zeichen Ikonografische Codes – Konnotieren Bedeutungen auf der Basis ikonischer Codes durch Konstellation aller Indikatoren Beispiel Zwei Aussageebenen: ? © Ch. Wessely 2004 •Textebene für sich allein und im Bild •Bildebene 14 Zeichen und Symbol Beispiel Deutlich erkennbar: ? Index des Beschlagfilmes aussen auf Flasche und Glas Wahrnehmung wird induziert (zB. Kühle, Frische) Spezialfall Film Kinematografischer Code: determiniert durch Herstellungs- und Vorführungsmittel ? Filmischer Code: Gesamtmenge der Erzählregeln ? Kombination mehrerer Signalebenen, simultane Zeichen ? Kleinstes mögliches Zeichen im Film: das einzelne Bild ? Die Menge der Indikatoren für jedes einzelne Filmbild wächst progressiv ? – © Ch. Wessely 2004 15 Zeichen und Symbol Beispiel ? Spezialfall Film Dritte Gliederungsebene des kinematografischen Codes: kinesischer Code ? Das einzelne Zeichen könnte theoretisch von seinem Code getrennt werden: Prinzip des „Spikes“ ? In das „Sehen“ fließt der Gesamtkontext mit ein ? ? ? © Ch. Wessely 2004 Daher muss die „Rede“ über den Film hochverdichtet sein – etwa auf einem Filmplakat 16 Zeichen und Symbol Beispielplakat ? Beispielstill ? Aus: Das Fest (Th. Vinterberg, 1998) © Ch. Wessely 2004 17