Klimawandel in Baden-Württemberg L Fakten – Folgen – Perspektiven 02 Inhalt Vorwort Seite Meteorologische Daten Globaler Klimawandel Regionaler Klimawandel Perspektiven für die Zukunft Extremereignisse 4 6 8 10 Klimafolgen 03 Menschliche Gesundheit Wasserwirtschaft Bodenschutz Landwirtschaft Forstwirtschaft Natur- und Artenschutz Tourismus Wirtschaft 12 Ausblick 44 Links / Impressum 46 16 20 24 28 32 36 40 wandels durch das Umweltforschungsprogramm müssen intensive Klimaschutzmaßnahmen schaft werden direkt und in welchem Ausmaß BWPLUS sowie in Projekten der Landesanstalt ergriffen werden. Klar ist aber schon jetzt, betroffen sein? für Umwelt, Messungen und Naturschutz Ba- dass die Bewältigung der Klimafolgen große Auf diese Fragen will die vorliegende Klima- den-Württemberg (LUBW) untersucht. Im Jahr Anstrengungen notwendig macht. Die Zusam- broschüre Antworten geben. 2011 startete das aktuelle Forschungsprogramm menführung des aktuellen Kenntnisstandes Klimawandel und modellhafte Anpassung in zum Klimawandel in Baden-Württemberg in Das Land Baden-Württemberg hat sehr früh- Baden-Württemberg (KLIMOPASS). Im Rah- dieser Broschüre leistet dazu im Hinblick auf zeitig damit begonnen, den Klimawandel und men dieses Programms werden sowohl For- die Information der Bürgerinnen und Bürger seine Auswirkungen zu untersuchen. Bereits schungsprojekte zur Grundlagenforschung als einen wichtigen Beitrag. Weiter hat der Minis- 1999 wurde gemeinsam mit dem Land Bayern auch angewandte Forschungsprojekte durchge- terrat die Erarbeitung einer Anpassungsstrategie und dem Deutschen Wetterdienst das Koope- führt. Mit KLIMOPASS möchte die Landesre- an die unvermeidbaren Folgen des Klimawan- rationsvorhaben Klimaveränderung und Konse- gierung auch zukünftig die Erforschung der re- dels für Baden-Württemberg beschlossen. Die quenzen für die Wasserwirtschaft (KLIWA) gionalen Klimaauswirkungen vorantreiben und vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse gestartet. KLIWA soll für den Zeithorizont Wissenslücken schließen. Nun muss die For- dienen dabei als wichtige Grundlage. 2021 bis 2050 Erkenntnisse über die möglichen schung einen Beitrag dazu leisten, dass der Kli- Auswirkungen der Klimaveränderung auf den mawandel und seine Folgen in der regionalen regionalen Wasserhaushalt entwickeln, auf und lokalen Ausprägung weiter konkretisiert denen Anpassungsmaßnahmen für die Wasser- und die Unsicherheiten reduziert werden. Franz Untersteller MdL wirtschaft basieren können. Der Klimawandel und seine Folgen sind in al- Diese vielfältigen Aktivitäten bilden die Grund- Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg ler Munde. Den meisten ist er als ein globales In dem Projekt Klimawandel – Auswirkungen, lage für die vorliegende Klimabroschüre und Problem bewusst, das die Weltgesellschaft in Risiken, Anpassung (KLARA) wurden 2001 ermöglichen, dass wir heute schon recht gute diesem Jahrhundert vor große Herausforderungen Bereiche außerhalb der Wasserwirtschaft Aussagen über den regionalen Klimawandel in stellt. Weit weniger bewusst ist, dass der Klima- betrachtet und von 2006 bis 2010 das Forschungs- Baden-Württemberg mit seinen Folgen treffen wandel auch regionale Konsequenzen haben programm Herausforderung Klimawandel können. Sie ermöglichen es auch, Bereiche zu wird, in Deutschland und auch bei uns in Baden-Württemberg durchgeführt. Im Jahr identifizieren, in denen Anpassungsmaßnahmen Baden-Württemberg. 2006 veröffentlichte das Land den Klimaatlas notwendig werden. Baden-Württemberg, der das Klima und die Welche konkreten Folgen hat der Klimawandel Klimaentwicklung für den 30-Jahreszeitraum Die Ergebnisse zeigen, der Klimawandel ist be- bereits in Baden-Württemberg oder wird er in von 1971 bis 2000 beschreibt. Darüber hinaus reits Realität. Um den Klimawandel zu begrenzen Zukunft haben? Welche Regionen unseres wurden verschiedene Aspekte des Klima- und auf einem beherrschbaren Maß zu halten, 3 vorwort Unser Klima Landes und welche Bereiche unserer Gesell- Die Temperatur steigt und steigt Zwischen 1900 und 2005 ist die globale Durchschnittstemperatur um ca. 0,7 °C angestiegen – allein um rund 0,6 °C in den letzten 50 Jahren. Die Erwärmung könnte im Jahr 2100 in Europa sogar mehr als 6 °C betragen. Globaler Klimawandel 4 Um den drohenden Klimawandel zu untersu- tige Klima­schutz-Maßnahmen auf den Weg ge- chen, richteten die Vereinten Nationen und die bracht, die die Emissionen in verschiedenen Welt-Meteorologie-Organisation (WMO) be- Bereichen bereits reduzierten. Doch die welt- reits 1988 den Intergovernmental Panel on Cli- weite Emissionszunahme konnte dadurch nicht mate Change (IPCC) ein. In seinem aktuellen aufgewogen werden. Die aktuellen politischen Bericht kommt der IPCC 2007 zu dem Schluss, Anstrengungen im Klimaschutz reichen nicht dass der Klimawandel dramatischer ausfallen aus, um den Klimawandel in den nächsten könnte, als bis dahin angenommen. Allein in Jahrzehnten aufzuhalten. Aufgrund der Trägheit den letzen 50 Jahren war der globale Tempera- des Klimasystems würde sich trotz eines sofor- turanstieg fast doppelt so groß wie in den letz- tigen Emissionsstopps der Temperaturanstieg ten hundert Jahren. Zahlreiche Klimamodelle zunächst fortsetzen. Es muss mehr getan wer- zeigen, dass die Durchschnittstemperatur bei den, da die Folgen der Klimaerwärmung die den derzeitigen CO2-Emissionen weiter anstei- Lebensgrundlagen der Menschen in vielen gen wird. Die Politik in Deutschland, Europa Staaten aber auch die vieler Pflanzen und Tiere und in vielen anderen Staaten hat zwar vielfäl- verändern und teilweise sogar bedrohen. Jahrhundert kontinuierlich zugenommen. Der nen damit, dass bei über 450 ppm die globale größte Anstieg erfolgte zwischen 1970 und Durchschnittstemperatur um über 2 °C steigen 2004. Vor der Industrialisierung lag der CO2- wird. Die Verminderung der Treibhausgasemis- Gehalt der Atmosphäre relativ konstant bei 280 sionen wird letztlich entscheidend sein. Klima- ppm (parts per million). Durch die Verbren- modelle können nicht in die Zukunft sehen, sie nung von Kohle, Öl und Gas steigt dieser Wert können sie aber abschätzen. Dazu werden in immer weiter an – und mit ihm die Durch- sogenannten Szenarien unterschiedliche Ent- schnittstemperatur. wicklungen für das Bevölkerungswachstum, ökonomische Wachstum, den Einsatz ressour- Seit der Jahrhundertwende um 1900 zeigen na- ceneffizienter Technologien und die Emission hezu alle Messreihen weltweit eine Tempera- von Treibhausgasen mit meteorologischen turzunahme von 0,7 °C. Auch extreme Wetter- Computermodellen verknüpft. Das Resultat der lagen machen uns zu schaffen: 2003 litt ganz Berechnungen des IPCC: Alle Szenarien erge- Europa wochenlang unter Temperaturen bis zu ben einen weiteren Temperatur­anstieg gegen- 40 °C. Mit 12,7 °C im weltweiten Durchschnitt über heute. Wenn nicht gegengesteuert wird, waren die Temperaturen im Januar 2007 die könnte Europa sogar im schlech­testen Falle bei wärmsten, die jemals für diesen Monat gemes- einem Plus von über 6 °C im Jahr 2100 landen. sen wurden. 2009 war global das zweitwärmste Der IPCC und der WBGU zeigen auch die Jahr seit 1880. Deutschland ist dabei keine Aus- Konsequenzen für unser Leben auf der Erde nahme: Das letzte Jahrzehnt war das wärmste auf: Je höher die Erwärmung ausfällt, desto stär- seit 130 Jahren. ker und unbeherrschbarer sind die Folgen für Szenario mit regional ausgerichteter Wirtschaftsentwicklung (A2) 3.0 Szenario mit hohem Wirtschaftswachstum mit fossilen und nicht-fos- 2.0 silen Energietechnologien (A1B) Globale nachhaltige Wirtschaftsent- 1.0 wicklung (B1) Konstante Jahr-2000-Konzentration 0.0 20. Jahrhundert -1.0 Quelle: IPCC 2007: AR4-WGI TemperaturÄNDERUNG in Europa (1980-2099) °C 10 7 5 4 3,5 3 2,5 2 1,5 1 0,5 70°N 60°N 50°N 40°N Simulierte Temperaturveränderungen für das späte 21. Jahrhundert (2080-2099) im Vergleich zum Zeitraum 1980-1999. Die Simulation basiert auf dem Emissionsszenario A1B. Quelle: IPCC 2007: AR4-WGI Climate Change 2007: The Physical Science Basis. Working Group I Contribution to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, Figure 11.5. Cambridge University Press 30°N unsere Lebens­grund­lagen. 5 meteorologische daten – globaler klimawandel derungen (WBGU) der Bundesregierung rech- auf unserer Erde 4.0 A2 Treibhausgas-Emissionen seit dem späten 18. Emis­sionsszenarien zeigen die möglichen A1B Wissenschaftliche Beirat globaler Umweltverän- Entwicklungen einer globalen Erwärmung B1 Laut IPCC-Bericht 2007 haben die weltweiten 5.0 2100 1750 um rund 30 Prozent. Der IPCC und der ge der vom Klima­rat (IPCC) entwickelten 40°O knapp 400 ppm. Sie erhöhte sich seit dem Jahr 6.0 1900 ist das „Glas“ des Treibhauses. tion in der Atmosphäre beträgt laut IPCC Globale Erwärmung an der Erdoberfläche (°C) in der Atmosphäre enthalten sind, desto dicker Modellierungsergebnisse auf der Grundla- sorgfältig geprüft. Die heutige CO2-Konzentra- Temperaturentwicklung ° C Thema Erde und erwärmen sie so. Je mehr dieser Gase 30°O umfangreichen Messdaten der Vergangenheit 2000 hausgase behindern die Wärmeabstrahlung der 20°O Die Klimamodelle des IPCC werden an den 10°O Kohlendioxid, Wasserdampf und andere Treib- Globale ErwÄrmung an der ErdoberflÄche (1900-2100) 0°O Klima von Morgen 10°W Klima von heute Klimawandel in Baden-Württemberg Baden-Württemberg bleibt vom Klimawandel nicht verschont: Es wurde bereits deutlich wärmer im Land, besonders im Winter. Diese Entwicklung wird sich noch verstärken – mit allen Konsequenzen. Regionaler Klimawandel 6 Das Land Baden-Württemberg ist heute schon künftige Entwicklung im Land erstellt. Ergeb- vom Klimawandel stark betroffen, der sich in nis: Die Durchschnittstemperatur im Land hat Zukunft voraussichtlich noch verstärken wird. sich im 20. Jahrhundert deutlich erhöht. Diese Dank der vom Land mit finanzierten For- Erwärmung wird sich auch künftig fortsetzen – schungsprogramme KLIWA (Klimaveränderung mit allen Auswirkungen auf das Wetter, Pflan- und Konsequenzen für die Wasserwirtschaft), zen, Tiere und auf uns Menschen. Das erste KLARA (Klimawandel – Auswirkungen, Ri- Jahrzehnt im neuen Jahrtausend war in siken, Anpassung) und Heraus­­for­­derung Klima- Deutschland die wärmste Dekade seit mindes- wandel Baden-Württemberg sind umfangreiche tens 130 Jahren. In Baden-Württemberg hat die Datengrundlagen vorhanden. Allein für KLIWA Jahresdurchschnittstemperatur um über wurden über 250 Wetterstationen und rund 40 1 °C zugenommen, weltweit dagegen nur um Flusspegel im Land ausgewertet. Neben Daten- ca. 0,7 °C (IPCC Vergleichszeitraum 1906-2005). erhebungen wurden auch Szenarien für die zu- Jahresmitteltemperatur in baden-württemberg (1901-2011) Der Klimawandel ist in Baden-Württemberg in Klimawandel morgen Die Durchschnittstemperatur wird nach den vollem Gange: Die Jahresmitteltemperatur stieg 10,5 seit 1901 bis heute von rund 8 °C auf über 9 °C 10 Württemberg auch künftig weiter zunehmen, an. Der größte Anstieg erfolgte dabei erst in 9,5 bis zum Jahr 2050 um 0,8 bis 1,7 °C. Die Hitze- den letzten 30 Jahren seit 1980. Ein Beispiel 9 tage (Höchsttemperatur mindestens 30 °C) tre- verdeutlicht die Konsequenz dieser scheinbar ten doppelt so häufig auf. Im Gegenzug gehen 8,5 °C die Frost- und Eistage deutlich zurück. 8 heute die gleichen Temperaturen wie im fran- 7,5 zösischen Lyon vor 75 Jahren. Die Höchstnie- 7 Jahresmittel Lineare Regression derschläge haben im Winter bis zu 35 Prozent Zum Vergleich: 30-jähriger Mittelwert Klimanormalpe- 6,5 riode Deutschland (1961-1990) 8,2 °C 6 zugenommen, ebenso die Zahl der Hochwas- 30-jähriger Mittelwert Klimanormalperiode Baden-Württemberg (19612010 2000 1990 1980 1970 1960 1950 1940 mer im Land sind dagegen eher trockener als 1930 1900 serereignisse in den letzten 30 Jahren. Die Som- 1920 5,5 1910 geringen Änderung: In Karlsruhe herrschen Berechnungen aller Klimaszenarien in Baden- 1990) 8,1°C Daten: DWD, 2011 Ganz besonders betroffen ist die Rheinebene. So wird die Anzahl der Sommertage z.B. in Karlsruhe von derzeit knapp 60 Tagen bis Mitte des Jahrhunderts auf über 80 Tage ansteigen. Die Niederschläge im Winter werden je nach früher. Die Zahl der Tage mit Schneedecke hat Region um bis zu 35 Prozent zunehmen. Damit in tiefer liegenden Gebieten im Mittel um 30 einher geht eine größere Hochwassergefahr im bis 40 Prozent abgenommen. Die LUBW ließ Winter. die langjährigen Mess­reihen an einigen ausgewählten Wetterstationen im Land auswerten. Jährliche anzahl der sommer- und eistage In Karlsruhe (1876-2011) Auch hier bestätigten sich die Trends des Kli- Jahrhundert-Hochwasser bis zum Jahr 2050 um mawandels. So gab es in Stuttgart im Jahr 1953 90 Sommertag ( 80 70 Eistag ( ≤ 0 °C ) Linear (Sommertag) 60 ( 50 Linear (Eistag) 40 25 °C ) 25 °C ) ( ≤ 0 °C ) 30 Daten: bis 2008 Stations- 20 daten des DWD, ab 2010 10 Daten des IMK/KIT 2010 2000 1990 1980 1970 1960 1950 1940 1920 1930 1910 1900 1890 1880 0 1870 gen. Anzahl der Tage während die Eistage auf nur noch 15 zurückgin- her. Dementsprechend sollten neue Anlagen 110 100 und genauso viele Sommertage (Höchsttempedie Zahl der Sommertage in Stuttgart auf 45, 15 Prozent mehr Wasser führen könnte als bis- 120 noch 25 Eistage (Höchsttemperatur unter 0 °C) ratur mindestens 25 °C). Bis 2009 erhöhte sich Für den Neckar wurde z.B. ermittelt, dass ein zum Hochwasserschutz größer dimensioniert oder bei Bedarf nachgerüstet werden. Die Zahl heftiger Gewitter wird voraussichtlich ebenfalls zunehmen und damit auch kleinere Flüsse und Bäche mit Hochwasser bedrohen. Insgesamt werden aber im Sommer die Trockenperioden wahrscheinlich häufiger auftreten und länger dauern. 7 meteorologische daten – regionaler klimawandel Klimawandel heute Mit Klimasimulationen der Zukunft auf der Spur Globale Klimamodelle erlauben keine Aussage zu den Klimafolgen vor Ort. Kleinräumige Simulationen schaffen hier Abhilfe und bieten eine bessere Datenbasis. Das Institut für Meteorologie und Klimafor- damit genauer abschätzen, welche Folgen für schung des Karlsruher Instituts für Technologie ihr Gebiet durch den Klimawandel auf sie zu- (KIT) führte im Forschungsprogramm Heraus- kommen können. Mögliche Anpassungsstrate- forderung Klimawandel Baden-Württemberg gien, z.B. zum Hochwasserschutz, können so eine Reihe von regionalen Klimasimulationen zielgenauer beraten und geplant werden. für die jüngere Vergangenheit (1971 bis 2000) und die Zukunft (2011 bis 2040) durch. Dazu benutzten die Forscher erstmals das regionale Klimamodell COSMO-CLM, in einer Auflö- Perspektiven für die Zukunft 8 sung von sieben Kilometern. Im Vergleich zu anderen Klimamodellen sind damit kleinräumigere Aussagen möglich. Obwohl solche Modelle nur mögliche Zukunftsszenarien beschreiben, können die Verantwortlichen vor Ort wie Kommunalverwaltungen oder Landratsämter Feuerwehrleute errichten einen Hochwasserschutzwall zahl der Sommertage In den Jahren 1971 bis 2000 gab es im Rheintal über 50 Sommertage im Jahr, während die mitt- Thema leren und höheren Lagen des Schwarzwaldes 2040 reduziert die Klimaerwärmung die Frosttage: Um etwa zehn Tage pro Jahr im Rhein- +22 +20 und Neckartal sowie am Bodensee, um 15 bis +18 20 Frosttage in den höheren Lagen. Relativ ge- und der Schwäbischen Alb nur zehn Sommer- +16 sehen ist der Rückgang in den niedrigen Lagen tage aufwiesen. +14 jedoch stärker, weil es dort schon vorher weni- +12 In der Zukunft (2011 bis 2040) wird die Zahl +10 Zunahme +8 Regen fällt seltener tens 25 °C) landesweit zunehmen, allerdings re- aber stärker gional unterschiedlich: Im Rhein- und Ne­ Das KIT untersuchte auch, wie wahrscheinlich ckartal sowie am Bodensee steigt die Anzahl es ist, dass Starkregen in Baden-Württemberg um 15 bis 20 Tage im Jahr, in den höheren La- künftig zunehmen. Um die Aussagesicherheit gen um nicht ganz zehn Tage. Während dies für tet, kann es in Gebieten des Schwarzwaldes und der Schwäbischen Alb sogar doppelt so viele Sommertage geben. Zudem zeigt das For- Abnahme ger Frosttage gab. der Sommertage (Höchsttemperatur mindes- das Rheintal „nur“ 40 Prozent Zunahme bedeu- Starkniederschläge im Sommer zu verbessern, wurde dabei weltweit erstmals Änderung der Anzahl der Sommertage ( 25 °C) zwischen 1971-2000 und 2011-2040. Quelle: IMK-TRO/KIT, 2010 zahl der Frosttage -7 die Ensemblemethode mit hoher Auflösung Wahrscheinlichkeit, dass im Zeitraum 2011-2040 und im Ver- verwendet. Hierfür wird eine Reihe von Simu- zu- oder abnehmen. Quelle: IMK-TRO/KIT, 2010 gleich zum Zeitraum 1971-2000 sommerliche Starkniederschläge lationen unter veränderten Bedingungen (Ensemble) durchgeführt und statistisch ausgewer- ckenen Perioden werden künftig wahrschein- schungsprogramm KLARA, dass es vor allem in -9 tet. Vor allem in den Mittelgebirgen stellen licher. Insgesamt werden die Extreme in Baden- den tie­feren Lagen des Landes wie dem Ober­ -11 durch Starkregen verur­sachtes Hochwasser, Würt­tem­berg zunehmen. rheintal im Zeitraum 2046 bis 2055 gegenüber -13 Hangrutsche oder Erosionen eine Gefahr dar. den Jahren 1951 bis 2000 teilweise bis zu 15 Hitzetage (Höchsttemperatur mindestens -15 -17 -19 30 °C) mehr geben wird. Die Karte zeigt, dass in bestimmten Regionen des Landes die Wahrscheinlichkeit für häufigere und intensivere sommerliche Starkniederschläge (blaue Flächen) in der Zukunft steigt. In ei- Ein ähnliches Bild – nur umgekehrt – ergibt nigen Gebieten bleibt sie gleich, nur in weni- sich bei den Frosttagen: Die mittleren und hö- gen geht sie zurück. Die Klimasimulationen heren Lagen in den Mittelgebirgen haben bis- deuten darauf hin, dass sich zwar die Nieder- her (1971 bis 2000) über 120 solcher Tage schlagsmengen innerhalb eines Jahres kaum än- (Tiefsttemperatur unter 0 °C) gegenüber unter 80 Tagen im Rheintal. Im Zeitraum 2011 bis Änderung der Anzahl der Frosttage zwischen 1971-2000 und 2011-2040. Quelle: IMK-TRO/KIT, 2010 dern werden, aber dass sie sich anders verteilen. Jahre mit besonders nassen und besonders tro9 meteorologische daten – perspektiven für die zukunft Warme Sommer, milde Winter Heftige Stürme und häufiger Hagel Extreme Wetterereignisse können erhebliche Schäden verursachen. Wird sich die Häufigkeit und Intensität von Sturm, Hagel und Gewitter künftig erhöhen? Ob der Anstieg der Häufigkeit von Unwettern Berg­­stationen in der Vergangenheit leicht zuge- mit dem Klimawandel zu tun hat, ist noch nommen haben. Ebenfalls gestiegen sind die nicht eindeutig belegt. Allerdings gab es in den Häufigkeit und Intensität von Hagelstürmen. letzten 20 Jahren vermehrt schwere Winter- Gebäudeversicherungsdaten für Baden-Würt- stürme, die auch Baden-Württemberg trafen. temberg lassen erkennen, dass zwischen 1986 Beispiele sind die Winterstürme Daria (1990), und 2008 die Schadenssummen stark gewach- Vivian und Wiebke (1990), Lothar (1999), Ky- sen sind. Die Zahl der Tage, an denen Hagel- rill (2007) und zuletzt Xynthia (2010). Die da- schäden gemeldet wurden, lag in den 1980er bei aufgetretenen Böengeschwindigkeiten Jahren bei etwa zehn pro Jahr, stieg in den reichten von 150 km/h über dem Flachland bis 1990ern auf 20 an und liegt nun zwischen 30 über 200 km/h über den Mittelgebirgsregionen. und 40 Tagen. Ein verbessertes Wissen über mögliche Änderungen in der Häufigkeit und Extremereignisse 10 Eine Auswertung an verschiedenen Wettersta- Intensität von extremen Ereignissen hat damit tionen im Land ergab, dass die Böengeschwin- eine große volkswirtschaftliche und gesell- digkeiten an Talstationen im Gegensatz zu schaftliche Relevanz. Kosten durch Sturm und hagel Wo wird der Wind gefährlich? Schwere Hagelstürme können Gebäude, Fahr- Die Sturmgefährdungskarte zeigt, mit welchen zeuge und Felder massiv schädigen. In Baden- Windgeschwindigkeiten im Mittel alle 50 Jahre Thema Württemberg verursacht Hagel fast 40 Prozent einmal zu rechnen ist. Hohe Windgeschwindig- (ca. 50 Mio. Euro) aller durch Naturereignisse keiten treten vor allem in Höhenlagen und in bedingten Schäden an Gebäuden. Noch höher Gelände mit stark strukturierter Oberfläche wie sind die Gesamtkosten einzelner Winterstürme. dem Schwarzwald oder der Schwäbischen Alb Allein die Schäden des Orkantiefs Lothar sum- besonders häufig auf. Ein hohes Schadensrisiko mieren sich nach Bilanzen der Münchner Rückreich, die Schweiz und Österreich auf insgesamt 8,64 Milliarden Euro. Gut die Hälfte der Schä- eine Verwundbarkeit vorliegt, beispielsweise Waldschaden nach Wintersturm Lothar im Jahr 1999. wenn dort Gebäude oder windwurfanfällige Sturmgefährdungskarte Bäume stehen. Sturmschäden in Wäldern Im Rahmen des Verbundprojekts RESTER Wahrscheinlichkeit den war versichert. Stürme mit höheren Windgeschwindigkeiten kosten überproportional mehr Geld. km/h 220 200 180 Der interdisziplinären Forschungseinrichtung 160 (Strategien zur Reduzierung des Sturmschadenrisikos für Wälder) wurden auf der Grundlage gering mäßig hoch flächiger Schäden, die infolge der Winterstürme im Bereich des Katastrophenmanagements 145 Wiebke (1990) und Lothar (1999) in den Wäl- (CEDIM) zufolge könnte ein Sturm wie Lothar 125 dern Baden-Württembergs entstanden sind, mit nur zehn Prozent höheren Windgeschwin- 110 Sturmschadenswahrscheinlichkeiten für die ge- digkeiten die dreifachen Schäden verursachen. 90 samte Waldfläche Baden-Württembergs berech- Untersuchungen lassen vermuten, dass sich das net. Die höchsten Sturmschadenswahrschein- Sturmklima in Baden-Württemberg bis 2050 lichkeiten treten – vorausgesetzt die maximale nicht signifikant ändern wird. Aber auch in Zu- Böengeschwindigkeit überschreitet 126 km/h – kunft müssen wir mit ähnlich schweren Stür- vor allem dort auf, wo Nadelwald auf stark ex- men wie Lothar rechnen. Relativ höhere Tem- ponierten Standorten mit wechselfeuchten Bö- peraturen und Luftfeuchtigkeit erhöhen das den über Buntsandstein vorkommt. Gewitter- und Hagelpotenzial. Sturmgefährdete Gebiete sind u.a. die Höhenzüge des nördlichen Schwarzwalds sowie der Die Karte zeigt die sturmgefährdeten Gebiete in Baden-Württemberg. Quelle: Heneka et al., Nat. Hazards Earth Syst. Sci., 2006; Hofherr und Kunz, Clim. Res., 2010 östliche Odenwald. Sturmschadensanfälligkeit für Wälder in Baden-Württemberg auf der Basis der Winterstürme Wiebke und Lothar. Quelle: Meteorologisches Institut der Universität Freiburg 11 meteorologische daten – extremereignisse versicherung für Süddeutschland, Nordfrank- besteht aber erst, wenn an gefährdeten Orten Gewitter und Starkregen nehmen zu Klimawandel birgt Gesundheitsrisiken Zunehmende Hitze und Schwüle machen besonders älteren Menschen schwer zu schaffen. Der Klimawandel kann uns darüber hinaus auch neue Krankheiten und Allergie auslösende Pflanzenarten bescheren. Menschliche Gesundheit 12 Bislang geht es uns in Baden-Württemberg ders. Nimmt die Hitze zu, könnten in Baden- richtig gut: Laut Statistischem Landesamt ist die Württemberg mehr Menschen erkranken und Lebenserwartung der Bevölkerung in Baden- früher sterben als bisher. Um das genauer zu er- Württemberg sehr hoch. Das durchschnittliche fassen, wurden im Rahmen des Forschungsvor- Lebensalter der Frauen beträgt 83,3 Jahre, das habens KLARA die Auswirkungen des Klima- der Männer 78,6 Jahre. Damit nimmt die Le- wandels auf die witterungsbedingte Mortalität benserwartung in Baden-Württemberg im EU- in Baden-Württemberg untersucht. Vergleich eine Spitzenstellung ein. Wärme liebende Krankheitsüberträger könnten Studien des Intergovernmental Panel on Cli- bald unsere Gesundheit gefährden. Zecken mate Change IPCC (2007) sowie die Ergebnisse breiten sich weiter aus. Neue Tier- und aus KLARA und KLIWA zeigen jedoch, dass Pflanzen­arten wandern ein. Schlimmstenfalls wir Mitteleuropäer künftig mit mehr und noch müssen wir dann sogar mit tropischen Krank- heißeren Tagen und längeren Hitzewellen rech- heiten wie dem Chikungunya- und Denguefie- nen müssen. Das trifft den Südwesten beson- ber leben. Fakten goenzephalitis) verbreiten können. Eine andere Ebenfalls auf dem Vormarsch ist die Beifuß-Am- Zeckenart (Schafzecke) ist in die Verbreitung brosie, eine Allergie auslösende Pflanze, die Chancen und Risiken des Q-Fiebers, einer schweren bakteriellen In- sich vor allem im Oberrheingebiet und im fektionskrankheit, involviert. Der Q-Fieber-Er- Stutt­garter Raum ausbreitet. Noch sind die für die gesundheit reger wird von den Zecken zunächst auf Nutz- Kon­zentrationen der Ambrosia-Pollen niedrig. tiere wie Rinder, Schafe und Ziegen übertragen Allerdings können zusätzliche Pollentransporte und kann dann vor allem durch Einatmen von mit dem Wind aus Frankreich Allergiker be- kontaminiertem Staub zur Erkrankung beim lasten. Chancen Menschen führen. Zukünftig muss mit weiteren, durch Zecken übertragenen Infektionen wie dem Mittelmeerfleckfieber bei uns gerech- Der Mensch bevorzugt ein ausgeglichenes Kli- net werden. • weniger Tage mit Kältestress • weniger kältebedingte Krankheits- und Todesfälle ma. Im extrem heißen Sommer 2003 starben in Baden-Württemberg schätzungsweise 2000 vor allem ältere und pflegebedürftige Menschen an Folgen der Hitze! Die Ursachen der Todesfälle Gesamtmortalitätsrate pro 100.000 Einwohner 2002-2003 waren Herzinfarkt, Erkrankungen des HerzKreislauf-Systems, der Nieren und der Atemwege sowie Stoffwechselstörungen. Risiken Mit steigenden Durchschnittstemperaturen nimmt die Zahl und Verbreitung von Organismen zu, die Krankheiten übertragen oder hervorrufen können. So wurden 2008 in Baden- Gesamtmortalitätsrate in (Mrtot: statistisch registriert; EW: Erwartungswert) Württemberg neue Standorte der Sandmü­cke Quelle: Potsdam-Institut für nachgewiesen. Diese blutsaugenden Insekten 2005: KLARA können eine tropische Parasiteninfektion, die Leishmaniose, übertragen, die bisher in Europa nur aus dem Mittelmeerraum bekannt war. Bereits sehr häufig sind bei uns Zecken, die Bor- • mehr Tage mit Hitzestress Baden-Württemberg 2002-2003 Klimafolgenforschung (PIK), • mehr Hitzetote • neue und mehr Infektionskrankheiten • neue Allergie auslösende Pflanzenarten • Abnahme der Arbeitsproduktivität bei extremer Hitze reliose und FSME (Frühsommer-Menin13 Klimafolgen – Menschliche gesundheit Hitze und Schadorganismen zahl dieser Altersgruppe mit der Auftretenshäu- Chikungunya- und Denguefieber auch in Ba- figkeit von thermischen Belastungen, erhält den-Württemberg verbreiten. Zur Einschätzung man die Anfälligkeit der Bevölkerung für Hitze- des zukünftigen Infektionsrisikos ist es von gro- oder Kältestress. Da die Bevölkerung in Baden- ßer Bedeutung, die Verbreitung und Popula- Württemberg immer älter wird, erhöht sich die tionsentwicklung von Überträgern sowie von An­fäl­lig­keit der Bevölkerung um durchschnitt- Krankheitserregern zu erfassen. Bei Ambrosia, lich 20 Prozent. Bis 2055 könnten daher landes- die vor allem durch Verunreinigungen von Vo- weit jährlich 180 bis 400 zusätzliche hitzebe- gelfutter bei uns eingeführt wurde und sich auf- dingte Todesfälle auftreten, sofern keine grund der günstigen klimatischen Bedingungen Anpassungsmaßnahmen getroffen werden. Die jetzt verbreiten kann, gilt es ebenfalls zu han- Künftig mehr Hitzetote positiven Effekte der sinkenden Zahl der Kälte- deln. Nur in einer frühen Phase lässt sich die in Baden-Württemberg stress-Tage können diesen Anstieg nicht ausglei- flächendeckende Ausbreitung solcher uner- Im Projekt KLARA haben Wissenschaftler des chen. wünschten Einwanderer stoppen. Folgen/ Perspektiven Potsdamer Instituts für Klimaforschung errech- 14 net, wie viele Baden-Württemberger zukünftig Aus Extremereignissen an den gesundheitlichen Folgen des Klimawan- klug werden dels sterben könnten. Dazu haben sie die ge- Vor diesem Hintergrund und angesichts der Er- schätzten witterungsbedingten Todesfälle in fahrungen aus dem Extremjahr 2003 sind An- einem Basisszenarium (1951-2000) mit denen passungen dringend gefragt. In einer ersten für ein klimatologisches Folgeszenarium (2046- Maßnahme wurde ein Hitzewarnsystem einge- 2055) verglichen. Diese Szenarien zeigen, dass richtet, mit dem allein in Baden-Württemberg es bis 2055 in allen Höhenlagen deutlich mehr rund 1400 Pflegeeinrichtungen erreicht und -4 < - 39 sehr kalt extremer Kältestress Tage mit Wärmebelastung gibt als bisher. rechtzeitig vor entsprechenden Wetterlagen ge- -3 - 26 bis - 39 kalt starker Kältestress Gleichzeitig sinken in den meisten Kreisen die warnt werden können. Langfristig müssen -2 - 13 bis - 26 kühl mäßiger Kältestress Tage mit Kältestress, allerdings nicht so stark, Stadtplaner und Architekten klimagerechte wie die Hitzetage zunehmen. Städte und Gebäude planen und umsetzen. Eine mit Blut vollgesogene Zecke kälte- und wärmestress für den menschlichen körper Klasse Gefühlte Temperatur °C Thermisches Empfinden Thermophysiologische Beanspruchung -1 0 bis - 13 leicht kühl schwacher Kältestress 0 0 bis + 20 behaglich Komfort möglich 1 + 20 bis + 26 leicht warm schwache Wärmebelastung 2 + 26 bis + 32 warm mäßige Wärmebelastung Daneben haben die Forscher aus Mortalitäts- Außer der Hitze plagen uns künftig vermutlich 3 + 32 bis +38 heiß starke Wärmebelastung daten ermittelt, wie empfindlich die Bevölke- mehr Infektionskrankheiten. Krankheitsüber- 4 > + 38 sehr heiß extreme Wärmebelastung rung auf Hitze- und Kältestress reagiert. Das tragende Zecken breiten sich weiter aus. Tro- Ergebnis: Besonders empfindlich sind Men- pische und subtropische Schädlinge wie der Ti- schen über 75 Jahre. Multipliziert man die An- germoskito könnten Krankheiten wie das Thermische Belastungsklassen auf der Basis einer gefühlten Temperatur, die die physiologische Beanspruchung des menschlichen Organismus berücksichtigt (verändert nach VDI, 1998). Quelle: Potsdam Institute for Climate Impact Reseach (PIK), 2005: KLARA Im Westen viel Ambrosie Regionale Auswirkungen Aufgrund der Erhebungen und Auswertungen ausbreitung der beifuss-ambrosie der Ambrosia-Meldestelle bei der LUBW lassen sich drei Regionen erkennen, in denen sich die Vorkommen der Allergie auslösenden Beifuß-Ambrosie häufen. Bestände aus mehreren zehntausend Pflanzen treten vor allem zwischen Rastatt und Mannheim, im Bereich von Mannheim Freiburg sowie in Stuttgart und Umgebung auf. Je höher man lebt, desto besser Karlsruhe Die Szenarien zeigen, dass in den tieferen und damit wärmeren Lagen Baden-Württembergs hitzebedingten Folgen des Klimawandels sterben könnten. Zwischen 0 und 400 Metern Hö- Ulm he ist im Mittel mit jährlich 2,4 bis 3,6 zusätzlichen Hitzetoten pro 100.000 Einwohnern zu rechnen. Besonders betroffen sind die unteren Lagen im Norden Baden-Württembergs sowie Freiburg die Landkreise Emmendingen und Freiburg. In Höhenlagen zwischen 400 und 800 Metern Konstanz sieht es danach mit durchschnittlich 1,6 bis 2,4 zusätzlichen Todesfällen pro 100.000 Einwohnern und Jahr etwas besser aus als in den tiefer gelegenen Gebieten. Ab 800 Metern Höhe gibt keine Angaben es laut vorliegender Szenarien die wenigsten zu- 10 bis 100 Exemplare < 10 Exemplare > 100 bis 1.000 Exemplare sätzlichen Sterbefälle: jährlich „nur“ 1,6 bis 2 > 1.000 Exemplare pro 100.000 Einwohnern mehr. Diese Aussagen kleinere Bestände Bestandesgrößen 2009. Quelle: LUBW treffen allerdings nur dann zu, wenn keine Anpassungsmaßnahmen getroffen werden. größere Bestände Die Allergie auslösende Pflanze Ambrosia breitet sich aus 15 Klimafolgen – Menschliche gesundheit Stuttgart mehr Menschen als in höheren Lagen durch die Niedrigwasser im Sommer, Hochwasser im Winter Die gute Nachricht zuerst: Unser Grundwasser versorgt uns noch lange mit Trinkwasser. Dennoch wird der Klimawandel den Wasserhaushalt spürbar verändern. Baden-Württemberg ist reich an Grundwasser – ser und zur landwirtschaftlichen Bewässerung, und wird es bleiben. Die Menge der jährlichen andererseits durch die Nutzung als Kühlwasser Niederschläge wird sich nach Ansicht der Kli- für Kraftwerke sowie als Verkehrsweg für die maforscher wenig ändern. Was sich aber ändern Schifffahrt. Auch der ökologische Zustand der wird, ist die Niederschlagsverteilung: Schon Gewässer und die Gewässergüte werden da- jetzt sind die Sommer trockener und die Win- durch beeinflusst. ter feuchter als früher. Verantwortlich dafür ist die Zunahme der Westwetterlagen in den Win- Baden-Württemberg ist Partner im Kooperati- termonaten, die viel Niederschlag mit sich brin- onsvorhaben KLIWA (Klimaveränderung und gen. Damit einher geht eine Häufung der Konsequenzen für die Wasserwirtschaft). Hier- Hochwasserereignisse in den letzten 30 Jahren. bei sollen mögliche Auswirkungen des Klimawandels auf den Wasserhaushalt der einzelnen Wasserwirtschaft 16 Ein veränderter Wasserhaushalt hat unmittel- Flussgebiete untersucht, Konsequenzen aufge- bare Folgen auf die Gewässernutzung; einer- zeigt und Handlungsempfehlungen für die was- seits durch die direkte Entnahme als Trinkwas- serwirtschaftliche Planung entwickelt werden. Fakten Monaten Dezember bis Februar kann das Ther- Unter Niedrigwasser leidet jedoch nicht nur die mometer sogar um bis zu 2 °C steigen. Dadurch Binnenschifffahrt. Auch der Landwirtschaft und Chancen und Risiken werden die ergiebigen Niederschläge, die die der Energiewirtschaft setzen die Trockenperio- Westwetterlagen mit sich bringen, vermehrt als den zu. Die volkswirtschaftlichen Schäden für die wasser- Regen und nicht als Schnee niedergehen. Des- durch den heißen und trockenen Sommer 2003 halb treten die Flüsse wahrscheinlich immer öf- waren größer als die einer der Hochwasserkata- ter über die Ufer. strophen an Rhein, Oder und Elbe. Durch Tro- wirtschaft ckenheit sind viel größere Landesflächen – und Während im Winter in manchen Regionen bis damit neben dem Wasserhaushalt auch Flora zu 35 Prozent mehr Niederschlag erwartet wird, und Fauna – mit längerer Wirkung betroffen als Extremwasserstände nehmen zu sinken in den bis zu zehn Prozent trockeneren durch ein Hochwasserereignis. Die Klimasimulationen im Rahmen des KLI- Sommern die Wasserstände. Die Wahrschein- WA-Vorhabens zeigen, dass die Temperatur bis lichkeit einer ausgeprägt trockenen Vegetations- 2050 um 0,8 bis 1,7 °C zunehmen kann. In den periode hat sich seit 1985 versechsfacht. Chancen Risiken • Schäden durch mehr Hochwasser • höhere Kosten für den Hochwasserschutz • Niedrigwasser beeinträchtigt die Binnenschifffahrt • Wasserknappheit kann zu Kühlwassermangel bei Kern- und konventionellen Kraftwerken führen Donau-Hochwasser in Riedlingen im Jahr 1990. Niedrigwasser in der Murg im Jahr 2006. 17 Klimafolgen – Wasserwirtschaft • Baden-Württemberg bleibt reich an Grundwasser Folgen/ Perspektiven erhöht werden können. Neben den Handlungs- den in den meisten Regionen länger andauern: Grundwasserneubildung erwartet. Dennoch strategien beim technischen Hochwasserschutz südlich einer Linie Karlsruhe – Wertheim um können längere sommerliche Trockenperioden, kommt vor allem der Hochwasser-Vorsorge eine mehr als 50 Prozent, nördlich dieser Linie um wie auch heute schon, zu örtlich und zeitlich besondere Bedeutung zu. 25 bis 50 Prozent. Das ist jedoch noch nicht der begrenzten Engpässen in der Wasserversorgung schlimmste Fall: Steigt die Temperatur mehr als führen. Um diesen Versorgungsengpässen be- Zwangsurlaub für erwartet, könnten sich die Niedrigwasserabflüs- gegnen zu können, sind eine Reihe von Maß- Binnenschiffer? se und -perioden noch weitaus ungünstiger ent- nahmen erforderlich. Dazu zählen der weitere Während im Winter die Hochwassergefahr wickeln. Beim Niedrigwasser-Management Ausbau regionaler und überregionaler Verbund- steigt, werden die Flüsse von Juni bis Novem- kann bereits die Niedrigwasser-Vorhersage der lösungen und effizientere landwirtschaftliche ber deutlich weniger Wasser führen. Der Rück- LUBW genutzt werden. Bewässerungsmethoden. Ein Faktor für den Klimawandel gang ist im Südwesten und Südosten von Ba- Hochwasserschutzanlagen werden häufig so di- den-Württemberg besonders ausgeprägt. Schuld Das Wasser Im Winter dagegen können künftig längere mensioniert, dass sie vor einem „Jahrhundert- daran sind längere Trockenperioden. Zu den unter unseren FüSSen Phasen mit ausdauernden Niederschlägen lokal hochwasser“, das statistisch gesehen einmal in fehlenden Niederschlägen kommt der Wasser- Da sich die jährliche Niederschlagsmenge in zu erhöhten Grundwasserständen führen. Dies 100 Jahren vorkommt, schützen. Die hoch auf- verlust durch vermehrte Verdunstung in Folge der nahen Zukunft (2021-2050) voraussichtlich ist etwa bei der Ausweisung von Baugebieten gelösten Klimamodelle zeigen, dass die Hoch- der höheren Lufttemperaturen hinzu. Dadurch wenig ändern wird, werden nur geringe Abwei- in vernässungsgefährdeten Gebieten zu berück- wasserabflüsse besonders im Winter an fast al- werden die sommerlichen Niedrigwasserperio- chungen bei der durchschnittlichen jährlichen sichtigen. len Flusspegeln zunehmen werden. Dies wird bei der Bemessung neuer Hochwasserschutzanlagen berücksichtigt: Die Auswirkungen des klimaänderungsfaktoren Kli­mawandels werden bei den Berechnungen durch einen Lastfall Klimaänderung berücksich- Ein Zuschlag auf den hundertjährlichen tigt. Ein Beispiel: Am Neckar bringt ein so ge- von Hochwasserschutzanlagen berück- nanntes Jahrhunderthochwasser bis 2050 etwa sichtigt den möglichen Einfluss des Klimawandels. Der Freibord dient dazu, die 15 Prozent mehr Wasser mit sich. Dies wird bei Überströmung von Hochwasserschutzan- der Bemessung neuer Bauwerke mit dem Fak- stau zu verhindern. tor 1,15 mit einkalkuliert. Brücken werden gegebenenfalls größer ausgelegt, Dämme und Ufermauern so geplant, dass sie später problemlos 18 Hochwasserabfluss bei der Bemessung lagen z.B. in Folge von Wellen- und Wind- peraturverhältnisse, die thermische Schichtung und die vertikale Durchmischung. Regionale Auswirkungen Bereits jetzt ist zu beobachten, dass mit der ge- Entwicklung des winterniederschlags bis 2050 stiegenen durchschnittlichen Lufttemperatur die Temperatur des Oberflächenwassers zugenommen hat. Für die komplexen Beziehungen innerhalb des Ökosystems See kann das weit Mannheim reichende Folgen haben. In den erwarteten milderen Wintern kann sich das Oberflächenwasser nicht stark genug abkühlen, um bis in die Der Bodensee, Europas größter Trinkwasser- untersten Schichten des Sees vordringen zu speicher, versorgt über vier Millionen Men- können. Hierdurch wird der Sauerstoffeintrag schen mit Trinkwasser. In einem KLIWA-Pro- in das Tiefenwasser behindert, der für die dort jekt wurde untersucht, welche Folgen der lebenden Organismen wichtig ist und die Rück- Klimawandel auf die hydrophysikalischen Ab- lösung von Nährstoffen aus dem Sediment be- läufe im Bodensee hat. Dazu gehören die Tem- einflusst. Wasser- und Lufttemperaturen im und am Bodensee (1962-2010) Karlsruhe Stuttgart Ulm Freiburg Verlauf der Temperaturentwicklung 13 des oberflächennahen Wassers in Messstation Konstanz. Quelle: Änderung der KLIWA-Monitoringbericht 2011 11 Niederschlagssumme Lufttemperatur bei Konstanz 10 in Prozent Trend 1962 bis 2010 2,1 – 5,0 Trend 1947 bis 2010 5,1 – 10,0 9 9 Wassertemperatur bei der See- Prozentuale Änderung der Wintersumme (Nov.-Apr.) mitte in ca. 0,5 m Tiefe des Niederschlags. Es wurde der Zeitraum 2021 bis Trend 1962 bis 2010 2050 in Bezug auf 1971 bis 2000 simuliert. Quelle: LUBW, 2007: KLIWA 10,1 – 20,0 Gewässer (Seen) 20,1 – 30,0 Gewässer (Flüsse) 30,1 – 50,0 2010 2005 2000 1995 1990 1985 1980 1975 1970 1965 1960 1955 1950 7 1945 Grad Celsius Konstanz der Seemitte und der Luft bei der 12 19 Klimafolgen – Wasserwirtschaft Stabile Schichten im Bodensee Klima und Boden im Wechselspiel Bodenschutz und Klimaschutz sind eng miteinander verbunden. Durch die Zunahme von Starkregen kann unser Boden jedoch buchstäblich den Bach hinuntergehen. Böden spielen eine wichtige Rolle im Klimage- können jedoch weit mehr als fünfzig Jahre Boden- schehen. Einerseits sind Böden unmittelbar von bildung auf einen Schlag verloren gehen. Der künftigen Klimaänderungen betroffen. Ande- Verlust von Bodenmaterial schädigt die Boden- rerseits haben klimabedingte Veränderungen fruchtbarkeit und damit den Landwirt und be- der Stoff- und Energiekreisläufe in Böden Aus- lastet die Umwelt. Denn mit dem Bodenmate- wirkungen auf das Klima. Denn Böden können rial gehen erhebliche Mengen an Humus- und sowohl Senke als auch Quelle für klimarelevante Nährstoffen verloren. Darüber hinaus kommt Gase sein. Besonders empfindlich gegenüber es zu Schäden außerhalb der Erosionsfläche: Nutzungs- und Klimaveränderungen sind Gewässer können durch Nähr- und Schadstoffe Moore und andere Böden mit einem hohen belastet werden. Wer etwas für den Klima- An­teil an organischer Substanz. schutz tut, hilft also den Böden. Umgekehrt gilt: Wer Böden und besonders Moore schützt, Bodenschutz 20 Die Bodenneubildung dauert lange: Rechnerisch entstehen pro Jahr maximal 0,1 Millimeter Boden. Bei einem extremen Niederschlagsereignis trägt auch zum Klimaschutz bei. Fakten dings Grenzen gesetzt. Die konservierende Bo- die jährliche Pro-Kopf-Emission an CO2 in denbearbeitung muss aufrecht erhalten werden Deutsch­land. Böden sind aber nicht nur für und bei Grünlandnutzung muss z. B. auch eine den Kohlenstoffkreislauf, sondern auch für den Verwertung des Aufwuchses möglich sein. Stickstoffkreislauf bedeutend. Beispielsweise Moore sind ein Sonderfall: Naturnahe Moore entweicht aus Böden Lachgas (N2O), welches werden als weitgehend klimaneutral einge- eine etwa 300-fach stärkere Treibhauswirkung schätzt. Werden Moore intensiv landwirtschaft- als CO2 entfaltet. Der Umbruch von Grünland lich genutzt, wird bei der Entwässerung und bei in Ackerland setzt über den intensiven Hu- Chancen und Risiken für die böden Chancen Kohlenstoffspeicher Boden • vermehrte biologische Aktivität Weltweit bilden die Böden nach den Meeren den zweitgrößten Kohlenstoffspeicher. Insge- • schnellere Erwärmung des Bodens im Frühjahr samt sind in den Böden Baden-Württembergs bis in ein Meter Tiefe etwa 450 Millionen Tonnen organischer Kohlenstoff und damit 1651 Millionen Tonnen CO2 gespeichert. Durch die Wildseemoor im Schwarzwald Risiken der Böden im Treibhausgaskreislauf beeinflusst werden. Allein durch die Umstellung auf eine der folgenden Bodenbearbeitung ­der zuvor im musabbau entsprechende Stickstoffvorräte und pfluglose Bodenbearbeitung oder mit dem Torf gespeicherte Kohlenstoff als C ­ O2 wieder frei. damit auch vermehrt Lachgas frei. Das Ausmaß Wechsel von Acker- zu Grünlandnutzung ließe der Lachgasfreisetzung wird von vielen Fak- sich der Humusgehalt bis zu einem Gleichge- Der dominierende Moortyp in Baden-Württem- toren wie zum Beispiel von Bodenverdich- wichtszustand zumindest in den oberen Boden- berg ist das Niedermoor. Im Rahmen von Un- tungen oder vom Bodenwassergehalt beein- schichten und damit die gespeicherte CO2- tersuchungen des Donaurieds wurde für das flusst. Besonders intensiv mit organischen oder Menge erhöhen. So wurde ermittelt, dass durch Niedermoor in einem Messzeitraum von 1951 mineralischen Düngern versorgte Böden mit eine pfluglose Bodenbearbeitung jährlich 1,3 bis 1990 ein durchschnittlicher Torfabbau durch hohen Stickstoffsalden zeigen eher höhere Tonnen CO2 pro Hektar, bei einer Umstellung Entwässerung und landwirtschaftliche Nutzung Lachgasemissionen. Mit einer an den Pflanzen- von Acker- auf Grünlandnutzung etwa 4,9 Ton- von 7,2 mm pro Jahr ermittelt. Das entspricht bedarf angepassten Stickstoffdüngung können nen CO2 pro Hektar festgelegt werden können. einer jährlichen CO2-Freisetzung von etwa Landwirte die Stickstofffreisetzung vermindern. Diesen Maßnahmen sind in der Praxis aller- 23 Tonnen pro Hektar: Doppelt so viel wie • Humusgehalte können sinken • mehr Erosion bei Starkregen • Eintrag von Nähr- und Schadstoffen in Gewässer und andere Ökosysteme durch Erosion 21 Klimafolgen – bodenschutz Bodennutzung und -bearbeitung kann die Rolle Folgen/ Perspektiven führen, dass sich dieser Mineralisierungsprozess wirtschaftungsbedingt auftreten. Daher wird selbst in der kalten Jahreszeit fortsetzt. Erste im Rahmen eines KLIMOPASS-Forschungsvor- Schätzungen besagen, dass eine Erwärmung habens eine Methode entwickelt, mit der die des Klimas um zwei Grad die Humusvorräte Wirkung beider Faktoren auf Humusmenge unter Grünland und Wald um 20 Prozent ver- und -qualität untersucht werden kann. mindern würde. In Mooren wie dem Donauried könnte der Torfabbau durch den Klima- In weiteren Forschungsvorhaben im Rahmen wandel beschleunigt werden. von BWPLUS und KLIWA werden die Klimarelevanz von Mooren in Baden-Württemberg Forschen und Handeln für sowie die zukünftig von Starkniederschlägen Die Leistungsfähigkeit der den Boden verursachte Bodenerosion ermittelt. Böden sinkt Veränderungen des Humusgehaltes von Böden Die Folgen des Klimawandels auf die baden- können nicht nur klima- sondern vor allem be- Erosionsschaden nach sommerlichem Starkregen württembergischen Böden lassen sich derzeit nur qualitativ beschreiben. Genaue Zahlen und lokale Prognosen fehlen, aber folgende Auswirkungen sind wahrscheinlich: Wenn es künftig mehr heftige Regenfälle gibt, werden besonders die erosionsanfälligen Böden wie zum Beispiel im Kraichgau vermehrt unter Wassererosion leiden. Mit dem Verlust des humus- und nährstoffreichen Oberbodenmaterials sinkt auch die Leistungsfähigkeit dieser Böden. Auch der Humusgehalt könnte tendenziell sinken. Bei Sommertrockenheit entwässern sich vor allem grund- und stauwassergeprägte Böden stärker. Die hier bisher durch Luftabschluss (Überstauung) konservierte organische Substanz wird bei Luftzutritt schneller abgebaut. Wärmere und feuchtere Winter können dazu 22 Landwirtschaftlich genutzte Niedermoorfläche Erodierter Boden auf Wirtschaftsweg Ob und in welchem Maße die beschriebenen Regionale Auswirkungen Auswirkungen eintreffen, lässt sich nur mit ge- bodenerosionsatlas nauen Informationen zu Böden, ihrer Nutzung und den dort herrschenden Klimaeinflüssen ermitteln. Beispiel Erosion: Hier sind natürlich besonders Gebiete betroffen, die jetzt schon erosionsanfällig sind. Dazu gehören insbesondere Teile Nordbadens wie der Kraichgau oder das Mittlere und Südöstliche Ober­rhein- Kraichgau verliert an Boden Untersuchungen Bodenverluste von über 80 Die Folgen des Klimawandels wirken sich regi- Tonnen pro Hektar und Jahr gemessen. onal und lokal unterschiedlich aus. Gerade bei Ob dort künftig vermehrt Starkniederschläge Böden ist eine standortdifferenzierte Bewer- auftreten und damit die Erosionsgefahr weiter tung der Folgen von Klimawirkungen erforder- zunimmt, ist Gegenstand laufender Forschungs- lich. arbeiten. Flächengewichteter Bodenabtrag auf Ackerflächen. 0,0 - 1,0 5,1 - 15,0 Abtrag in Tonnen pro Hektar und Jahr 1,1 - 2,0 > 15.0 2,1 - 3,0 keine Daten 3,1 - 4,0 Mittlere Neigung auf 4,1 - 5,0 Ackerflächen > 12 Grad Quelle: Gündra et al., 1995: Bodenerosionsatlas BadenWürttemberg, Agrarforschung in Baden-Württemberg, Band 24, Stuttgart Flächenhafte Bodenerosion 23 Klimafolgen – bodenschutz Tiefland. Im Kraichgau wurden bei früheren Verlierer und Gewinner der Klimaerwärmung Ein Blick in die wärmere Zukunft: Weniger Winterweizen, mehr Mais, doch leider auch mehr Schädlinge und Krankheiten. Noch ist das industriereiche Baden-Württem- weise trockener wird, verändert sich viel im berg auch ein Agrarland: Landwirte, Gärtner Agrarsektor. Schließlich hängt das Pflanzen- und Winzer nutzen 41 Prozent der Landesflä- wachstum vor allem von Wärme und Wasser che. Davon 58 Prozent als Ackerland und 38 ab. Schon geringe Temperaturerhöhungen kön- Prozent als Grünland. Auf nur vier Prozent der nen ganze Kulturen ins „Schwitzen“ bringen landwirtschaftlichen Nutzfläche wachsen Wein, oder sie umgekehrt aufblühen lassen. Gemüse und Obst. Diese Sonderkulturen versprechen jedoch den höchsten Gewinn. Das Land hat im Projekt KLARA die wahrscheinlichen Veränderungen in der heimischen Landwirtschaft 24 Mit einer Jahresdurchschnitts-Temperatur von Landwirtschaft am Beispiel von wichtigen Kul- über 9 °C im vergangenen Jahrzehnt und einer turpflanzen untersuchen lassen: Mais profitiert Vegetationsperiode von 170 Tagen gehört der in der Regel von höheren Temperaturen, Wei- Südwesten schon jetzt zu den wärmsten Gebie- zen benötigt mehr Wasser, Obst und Wein kön- ten Deutschlands. Wenn es bei uns noch wär- nen durch Schädlinge gefährdet werden. mer, aber auch zeitweise feuchter oder stellen- Fakten nen. Für den Bodensee-Raum wurde simuliert, denen Weizen und Kartoffeln mit höheren wie sich das warme Wetter auf den Haupt- CO2-Konzentrationen begast wurden, zeigten, schädling Apfelwickler auswirken könnte. Seine dass sich der Ertrag zwar verbessert, aber die Larven fressen sich durch Äpfel und anderes Qualität sinkt. Denn die Eiweißgehalte der Ern- Kernobst. Größten Schaden richtet dabei die teprodukte sinken. Hohe Proteingehalte sind zweite Larvengeneration im Jahr an, die bei besonders beim Backweizen unentbehrlich und steigenden Temperaturen häufiger auftritt. In bestimmen die Erlöse der Landwirte. Chancen und Risiken für die landwirtschaft Südeuropa treten sogar drei Larvengenerationen auf. Chancen Der Anbau von spätreifenden Rebsorten war Im Obstanbau gehört der Apfelschorf zu den noch in den 1960er Jahren auf kleine Flächen gefährlichsten Krankheitserregern. Dieser Pilz entlang des Oberrheins und in Württemberg senkt die Erträge um bis zu 70 Prozent und beschränkt. Bereits während der 1990er Jahre führt zu braunen Flecken auf dem Obst, die es haben sich diese Gebiete ausgedehnt. • Maisanbau auch in höheren Lagen möglich • spät reifende Rebensorten gedeihen • Anbau neuer Nutzpflanzenarten und -sorten unverkäuflich machen. Wie die meisten Pilze hat es der Apfelschorf gerne feucht und warm. Mit dem steigenden CO2-Gehalt in der Luft er- Neben regional vermehrtem Pilzbefall müssen höht sich die Photosyntheseleistung einiger die Obstbauern mit mehr Schadinsekten rech- Kulturpflanzen. Erste Freiland-Experimente, bei • Ertragszuwächse bei bestimmten Nutzpflanzen Anpassung der Weizensorten könnte Ernteverluste abmildern Generationsentwicklung des apfelwicklers in der bodensee-region Risiken Veränderung der Generationsent- • durch Hitze/Trockenheit Ertragseinbußen bei empfindlichen Kulturen (u.a. Winterweizen) möglich wicklung beim Apfelwickler (C. pomonella) im Gebiet Bodensee (Symbolgröße entspricht der Häufigkeit der klimatisch günstigen Jahre für die Entwicklung • Schädlinge können mehrmals jährlich auftreten, neue Schädlinge sich etablieren des phänologischen Stadiums) Quelle: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), 2005: KLARA • bessere Bedingungen für bestimmte Pilzkrankheiten 25 Klimafolgen – landwirtschaft Der Apfel hat es schwer im Bereich des Möglichen. Die Obstbauern Folgen/ Perspektiven müssen dagegen in den nächsten Jahrzehnten mit deutlich mehr Schorfbefall rechnen, weil die Infektionsgefahr mit Pilzsporen im feuchteren Frühjahr stark zunimmt. Der höhere Pilzdruck könnte auch den Reben zu schaffen machen. Höhere Temperaturen fördern das Auftreten mehrerer Generationen von Schädlingen. So ist beispielsweise beim Apfelwickler zu befürchten, dass zukünftig die zweite Larvengeneration in Der Maisanteil könnte weiter zwei von drei Jahren zuschlägt, statt wie bisher wachsen in einem von fünf Jahren. Mit der Klimaerwärmung könnte der Maisanteil 26 Maisfelder gedeihen künftig auch in höheren Lagen Anstrengungen in der Pflanzenzüchtung und Kosten für den Pflanzenschutz rechnen. Beson- Neuerungen im Sortenspektrum werden An- ders könnte es die Bio-Bauern treffen, die kei- im Südwesten weiter wachsen. Die Futter- und 2003 als Modell für die Zukunft? passungen in Fruchtfolge, Aussaat, Düngung, ne chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmit- Energiepflanze gedeiht dann auch in bisher käl- Einen weiteren Ausblick auf die Zukunft Bodenbearbeitung und Pflanzenschutz not- tel einsetzen dürfen. Hier sind Investitionen in teren Regionen bzw. höheren Lagen. Der Win- könnte uns der extrem heiße Sommer 2003 ge- wendig. Um Ertrag und Qualität zu sichern, die Züchtung von resistenten Sorten gefragt. terweizenertrag hingegen dürfte den Ergebnissen ben. Das Landwirtschaftliche Technologiezen- müssen wertvolle Kulturen auch verstärkt be- von KLARA zufolge in den modellierten Lan- trum Augustenberg hat die Erträge in ganz Ba- regnet und bewässert werden. desregionen um durchschnittlich 14 Prozent sin- den-Württemberg ausgewertet. Das Ergebnis: ken. Allerdings wurde im Forschungsvorhaben Die Ernten verschlechterten sich im Vergleich Mehraufwand KLARA der potenzielle CO2-Düngeeffekt nicht zum Vorjahr je nach Kulturpflanze zwischen für Pflanzenschutz berücksichtigt. Der Extremsommer 2003 zeigte zwölf (Winterweizen) und fast 30 (Zuckerrü- Möglicherweise können die Landwirte den aber auch, dass der vermeintliche Konkurrenz- ben) Prozent. Nur die Sommergerste legte Verlust beim Winterweizen durch verstärktes vorteil von Mais nur realisiert werden kann, leicht zu. Je nach Kulturpflanze und Region va- Aussäen von Backweizen, das heißt von Sorten wenn die Wasserversorgung ausreichend ist. riieren diese Ergebnisse. So wirkte sich der hei- mit höherem Eiweißgehalt, wieder auffangen. ße Sommer im ohnehin schon warmen Land- Ähnliches gilt beim Umstieg von Silomais (Fut- Wärme liebende Kulturen wie Soja und Son- kreis Karlsruhe im Vergleich mit dem kühleren, ter) auf Körnermais (Lebensmittel). Insgesamt nenblumen könnten ihren Flächenanteil auswei- regenreicheren Landkreis Heidenheim viel stär- müssen die Landwirte – nicht nur die Obstbau- ten, Zuckerrüben hingegen Anbauflächen verlie- ker aus. Daher müssen die Landwirte in wär- ern – wegen der erwarteten Zunahme von ren. Der Freilandanbau mancher Gemüsesorten meren Gegenden ihre Bewirtschaftung auch Schadinsekten und Pflanzenkrankheiten mit wie Paprika, Auberginen oder Artischocken liegt schneller an den Klimawandel anpassen. Neben einem erhöhten Aufwand und damit höheren Durch den Klimawandel geförderter und eingeschleppter Schädling im Obstbau. Drosophila suzukil (Kirschessigfliege) Welche Weinsorten wo gedeihen können, zeigt Regionale Auswirkungen der sogenannte Huglin-Index. Das ist die Wär- AnbaupotenZiale der Weinbauregionen mesumme über Tagesmittel- und Tagesmaxi­ bis 2030 mumwerte im Zeitraum von April bis September. In der Regel gilt: Je höher die Tem­peratur­summe ist, desto mehr und spätreifende Weinsorten können die Winzer anbauen. Wäh- Mannheim rend der Müller-Thurgau bereits mit einem Huglin-Index von 1500 auskommt, braucht ein Merlot 1900. fitieren, Winzer eventuell am Seit den 1990er Jahren ist ein stabiles Ertragsni- wenigsten betroffen veau mit vergleichsweise geringen Schwan- Im mittleren Rheingraben sind aufgrund des kungen zwischen den einzelnen Jahren zu ver- Wassermangels sowohl beim Mais als auch zeichnen. Diese geringeren Ernteverluste lassen beim Winterweizen Ertragsrückgänge zu erwar- sich unter anderem auf weniger Spät-, Früh- ten. Im Süden und Nordosten des Landes dürf- und augenschädigende Winterfröste sowie auf ten die Ernten dagegen besser ausfallen (Mais) eine aufgrund höherer Temperatursummen bes- oder nur geringfügig (Weizen) sinken. Gerade sere Holzreife zurückführen. Dieser Trend dürf- im Nordosten könnte sich der Anbau von Kör- te bis 2030 noch weiter zunehmen. Die Winzer nermais ausdehnen. Am wenigsten dürfte der können künftig verstärkt auf spät reifende Reb- Weinbau vom Klimawandel betroffen sein. sorten setzen. Huglin-Index 2000 Der Huglin-Index ist die Summe der Durchschnittstemperaturen zwischen April und September. Er hilft dabei, das Weinbaupotenzial unterschiedlicher Regionen zu beurteilen 1900 1800 Quelle: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), 2005: 1700 KLARA 1600 Weinbauern profitieren von den Klimaänderungen: Die Anbaugebiete für spätreifende Weine breiten sich aus 27 Klimafolgen – landwirtschaft Süden und Nordosten Pro­ Der Wald verändert sein Gesicht Heiße und trockene Sommer und immer wieder auftretende Stürme stellen die Anpassungsfähigkeit der Bäume und Waldgesellschaften auf eine harte Probe. Forstwirtschaft 28 Mit rund 1,4 Millionen Hektar Wald – das ent- Schon jetzt macht sich der Klimawandel im spricht 38 Prozent der Landesfläche – ist Baden- Wald bemerkbar: Bäume und Kräuter keimen Württemberg das zweitwaldreichste Bundes- und blühen früher und tragen frühzeitiger land. Entsprechend ökologisch und ökonomisch Früchte. In feuchten Lagen führt dies in Wäl- wertvoll ist der Wald im Südwesten. Als Spei- dern zu einer Produktionssteigerung, sprich: es cher von Kohlendioxid sind unsere Wälder im gibt mehr Holz. Doch an anderen Standorten Zeitalter des Klimawandels unentbehrlich. Sie werden sich Baumarten zurückziehen müssen, können der Atmosphäre Kohlendioxid entzie- wie die Fichte in warmen und trockenen Lagen. hen und im Holz speichern. Zugleich wird der Ob der Klimawandel zu häufigeren Stürmen Klimawandel unsere Wälder stark verändern. und mehr Schädlingen führt, lässt sich heute Denn neben anderen Faktoren bestimmt auch zumindest wissenschaftlich (noch) nicht bele- das Klima mit, welche Baumarten gedeihen gen. Es gibt noch viele offene Fragen, die ge- und sich verbreiten können. Doch welche klärt werden müssen. Schließlich müssen gera- Baumarten sind bei uns für das Klima der Zu- de Waldbesitzer langfristig denken und planen. kunft besonders geeignet? Fakten Baumarten weichen oder gar langfristig ganz höhtem Klimastress, insbesondere Trocken- verschwinden. Bereits 2003 zeigten Buchen stress. und Fichten in Baden-Württemberg markante Schäden. Zwar erholten sich die Buchen teil- Insgesamt sind die Sturmschäden bei uns in weise wieder. Doch mehrere heiße und tro- den letzten zwanzig Jahren stark angestiegen. ckene Jahre hintereinander könnten Buche und Die Orkane Wiebke, Vivian (1990), Lothar Fichte schlecht ausgleichen. Schon gar nicht bei (1999), Kyrill (2007) und Xynthia (2010) haben ungünstigen Standortbedingungen. die Wälder stellenweise niedergemäht und da- Chancen und Risiken für die forstwirtschaft mit anfällig für Schädlinge, Waldbrand sowie Erosion gemacht. Einziger Lichtblick: Die zu- Auf die richtige Baumart unserer Hauptbaumarten gelitten, wie Untersu- nehmende Wärme verlängert die Vegetations- kommt es an chungen der Forstlichen Versuchsanstalt Baden- periode. Solange das Wasser reicht, können die Nicht all unsere Baumarten können mit lang Württemberg (FVA) belegen: Seit 2001 haben Bäume schneller wachsen. anhaltender Trockenheit und der damit einher- die Blatt- und Nadelverluste der Buchen und gehenden Wasserknappheit leben. Daher be- Fichten deutlich zugenommen. Am stärksten fürchten Forstwissenschaftler, dass bestimmte trifft es Fichtenbestände in Gebieten mit erAnteile der BAumarten in Baden-Württemberg Chancen • längere Vegetationsperiode • schnelleres Wachstum der Bäume • einzelne Baumarten profitieren • gebietsweise Rückgang der Waldbrandgefahr Fichte 37,7 Tanne 7,9 Kiefer 6,8 Risiken Douglasie 2,8 Lärche 1,9 Buche 21,2 Eiche 7,3 • trockene Sommer schädigen Bäume • Blatt- und Nadelverluste bei Fichte und Buche sonstige Laubbäume 14,3 Anteil in Prozent 0 1020 30 40 Ergebnisse der Bundeswaldinventur 2002 • Fichte weicht in höhere Lagen zurück • gebietsweise Zunahme der Waldbrandgefahr Quelle: Ministerium für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbraucherschutz Baden-Württemberg 29 Klimafolgen – forstwirtschaft Bereits in den letzten Jahren hat die Vitalität Folgen/ Perspektiven noch. Esche, Esskastanie, Sommer- und Winter- Viele offene Fragen Waldbrände treten im Vergleich zu anderen linde, Hainbuche, Vogelkirsche und Elsbeere für Forstwirtschaftler Bundesländern in Baden-Württemberg relativ werden sich vermutlich besser entfalten kön- Trotz starker Unwetter in den letzten zwanzig selten auf und sind hauptsächlich auf den Men- nen. Nur der Spitzahorn stagniert. Jahren ist es keineswegs belegt, dass uns in Ba- schen zurückzuführen. Die klimatisch bedingte den-Württemberg mehr Stürme drohen. Waldbrandgefahr wird in Baden-Württemberg Da die Bäume künftig früher austreiben, kann in Zukunft nur leicht im Windschatten des die Produktivität beim Einzelbaum steigen. So Berechnungen mit dem regionalen Klima- Schwarzwaldes ansteigen und im Norden und wurde im Mittel über alle Laubwaldflächen be- modell COSMO-CLM für Süddeutschland zei- Westen eher zurückgehen. rechnet, dass die Buche in Zukunft drei Tage gen, dass die mittlere Windgeschwindigkeit in früher und die Eiche sogar sechs Tage früher den nächsten Jahrzehnten leicht zunehmen Unklar ist, wie und welche Schädlinge sich in Forstwirtschaft im Wandel austreibt. Andererseits ist zu berücksichtigen, wird. Allerdings lässt sich nicht nachweisen, Zukunft vermehren. Die häufig getroffene pau- In der Fortwirtschaft ist ein Umdenken gefragt. dass sich die Baumartenanteile hin zu den zu- dass hohe Windgeschwindigkeiten künftig häu- schale Gleichung „mehr Wärme gleich mehr Während Waldbesitzer geeignete Baumarten wachsschwächeren Baumarten (Buche, Eiche) figer auftreten. Für Norddeutschland sieht das Schädlinge“ ist nicht bewiesen. Denn die öko- bisher nach Standort und aktuellen Klimaver- verschieben werden. ganz anders aus. systemaren Zusammenhänge zwischen Wirts- hältnissen auswählen, müssen sie jetzt künftige pflanzen, Schadorganismen und Klimabedin- Klimaveränderungen mit einplanen. Wie wird gungen sind zu wenig geklärt. Trotz aller sich der Bestand entwickeln, wenn es wärmer Unklarheiten können Waldbesitzer schon jetzt wird? Diese Dynamik ist nur schwer abzuschät- reagieren: nämlich auf standortgerechte und zen. Die Forstexperten gehen davon aus, dass strukturreiche Laub- und Mischwälder hinarbei- sich unsere jetzigen Wälder an eine Erwärmung ten. Denn Wälder mit hoher Biodiversität kön- der Erdatmosphäre um etwa 3 °C nicht mehr nen sich am besten an Veränderungen aller Art anpassen können. anpassen. Die Fichte geht, die Buche bleibt Als Alternative zur Fichte, die in den wärmeren, tieferen Lagen Baden-Württembergs an Fläche verliert, bietet sich die Douglasie an. Außer in der Ebene kann sich die Buche dagegen noch behaupten. Da die meisten Wälder in Baden-Württemberg hoch liegen, erhöht die konkurrenzstarke Buche ihren Anteil sogar 30 Buchen werden ihren Anteil in Baden-Württembergs Wäldern erhöhen um 3 °C erwärmen sollte, würden sich die Hö- Regionale Auswirkungen hengrenzen der Waldgesellschaften um 300 bis änderung des blattaustriebeS bis 2055 500 Meter nach oben verschieben. Noch auf einer Höhe von 1.000 Metern finden sich dann konkurrenzkräftige Buchen-Eichen-Wälder. Fachleute gehen davon aus, dass mitteleuropäische Wälder teilweise norditalienische Charak- Mannheim terzüge annehmen. Mit dem Klimawandel wird sich das durch Fichten geprägte Bild auch der Der Schwarzwald WANDELT sich Schwarzwaldhochlagen ändern: Die Fichte wird Nirgendwo sonst im Südwesten dürfte auf en- dann zunehmend durch Tanne und Douglasie gem Raum der Klimawandel so ins Auge fallen ersetzt. Außerdem breiten sich Laubbaumarten wie im Schwarzwald. Wenn sich die Atmosphäre aus. Karlsruhe Stuttgart Freiburg Konstanz 2 Tage 8 Tage 3 Tage 9 Tage 4 Tage 10 Tage 5 Tage 11 Tage Verschiebung des Blattaustriebes der Eiche auf den Laub- 6 Tage 12 Tage waldflächen. Quelle: Potsdam-Institut für Klimafolgenfor- 7 Tage schung (PIK), 2005: KLARA Nadel- und Mischwald Buchen-Eichen-Wälder könnten sich im Schwarzwald bis in Höhen von 1.000 Metern ausbreiten 31 Klimafolgen – forstwirtschaft Ulm Tiere und Pflanzen wandern aus Südeuropa ein Tiere und Pflanzen reagieren empfindlicher auf den Klimawandel als wir Menschen. Wenn die Durchschnittstemperatur steigt, gibt es unter ihnen Gewinner und Verlierer. Natur- und Artenschutz 32 Jedes Tier und jede Pflanze hat einen spezi- ursprünglich in Südeuropa und Asien bis nach ellen Lebensraum. Wenn sich dort – zum Bei- Japan beheimatet war, vorwiegend aus dem spiel durch den Klimawandel – etwas ändert, Mittelmeerraum ein und werden im Land sess- passen sich die Arten entweder an, wandern ab haft. Wanderschmetterlinge wie der Admiral er- oder sterben aus. Manche Arten profitieren von scheinen deutlich früher im Land. Auch sonst der Veränderung, etwa wenn sich dadurch ihr haben wir Positives wie Negatives zu erwarten: Lebensraum erweitert. Der Klimawandel beein- Bei Vögeln kann der Bruterfolg steigen, wäh- flusst die Lebensräume von Fauna und Flora in rend die stärkere Vermehrung von Schad­ Baden-Württemberg massiv: Wenn es im Jah- insekten der Landwirtschaft Probleme bereitet. resmittel wärmer wird, wenn insgesamt mehr oder zeitweise weniger Regen fällt, verändern sich dauerhaft die Habitate für viele Arten. Die Gefahr besteht, dass einige bisher bei uns heimische Arten verschwinden. Auf der anderen Seite wandern Wärme liebende Arten wie die Hirse oder der Brombeer-Perlmutterfalter, der weise die Gelbbindige Furchenbiene seit 1990 ge früher statt. Viele Zugvögel kommen also dauerhaft im Land angesiedelt. heute über zwei Wochen früher nach BadenWürt­temberg zurück als noch 1970. Vermutlich In Aalen, Ulm, Stuttgart, Konstanz und Karls- überwintern sie nicht mehr so weit im Süden. ruhe konnten in den letzten Jahrzehnten zu- Langstreckenzieher, die bisher über die Sahara nehmend Wärme liebende Pflanzen wie die zogen, überwintern immer öfter im Mittelmeer- Hirse oder der Götterbaum nachgewiesen wer- raum. Bisherige Kurzstreckenzieher werden zu den, die es vorher als Wildpflanzen dort noch Standvögeln, die aufgrund der milden Witte- nicht gab. Problematischer ist die Einschlep- rung im Winter hier bleiben können. pung von krankheitsübertragenden Insekten, Zugvögel haben’s kürzer wie zum Beispiel des Tigermoskitos und der Die Vogelwelt reagiert sensibel auf den Klima- Hinzu kommen neue Arten. Insgesamt nahmen wandel. Insgesamt 17 Zugvogelarten wurden zwischen 1980 und 2000 südlich verbreitete Vo- systematisch von 1970 bis 2003 beobachtet. gelarten im Südwesten zu. Das trifft auch auf Ergebnis: Ihre Ankunft im Frühjahr fand pro Pflanzen und Insekten zu. So hat sich beispiels- Sandmücke. Chancen und Risiken für natur und arten Chancen • bis 1 °C Erwärmung nimmt die Artenvielfalt zu • neue Arten werden heimisch • Zugvögel müssen weniger weit wandern • Bruterfolg bei Vögeln kann steigen Erstankünfte der Mehlschwalbe seit 1970 Tübingen (330 m NN) Stutensee (100 m NN) Risiken • bei über 1 °C Erwärmung sinkt die Artenvielfalt • etablierte Lebensgemeinschaften werden instabil • Kälte liebende Arten sind bedroht Sowohl in Tübingen als auch in Stutensee haben die Mehlschwalben ihre jährliche Ankunft im Frühjahr seit 1970 deutlich nach vorne verlegt. Quelle: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), 2005: KLARA • Moore trocknen zeitweise aus 33 Klimafolgen – natur- und artenschutz Fakten Jahrzehnt um durchschnittlich drei bis fünf Ta- Folgen/ Perspektiven nen. Sobald das Thermometer im Mittel um Gewinner und Verlierer mehr als 1 °C nach oben klettert, dürfte die Ar- Das Land hat die Folgen des Klimawandels so- tenvielfalt abnehmen. Davon sind dann vor wohl für einzelne Arten als auch für ganze Bio­ allem die Kälte liebenden Arten wie die Bach- tope untersuchen lassen. Da es in Baden- forelle betroffen. Württemberg vor allem im Sommer trockener werden soll, sind besonders Biotope mit ho- Bei den Pflanzen könnten bereits ab einem hem Wasserbedarf betroffen. Wenn die Dürre- Temperaturanstieg von 1,8 °C über 30 Prozent phasen in Zukunft länger andauern werden, der Arten aussterben. Dies würde sich auf 40 verschwinden tendenziell Nässe liebende Tier- Verlierer: Bachforelle Prozent der Fläche Europas bemerkbar machen. und Pflanzenarten. Bislang dauerhaft nasse Flä- chen wie Moore könnten dann zeitweise aus- Je wärmer, desto weniger Arten trocknen. Das würde nicht nur dort im Boden Durch den Klimawandel verlagern sich die Kli- gebundenes CO2 freisetzen, sondern auch die mazonen in Europa nach Norden bzw. in die auf Moore spezialisierten und damit seltenen Höhe. Pflanzen und Tiere, die in unseren Brei- Pflanzen wie Torfmoose und Wollgräser ver- ten bisher gar nicht oder nur in warmen Lagen drängen. Mit fortschreitender Klimaerwärmung vorkommen, finden künftig in Baden-Württem- wird es unter der Fauna und Flora im Land Ge- berg neue und dauerhafte Lebensräume. Die winner und Verlierer geben. Letztere werden Wissenschaftler gehen davon aus, dass bei vor allem unter den montanen Arten in den einem moderaten Temperaturanstieg in Mitteleuropa von bis zu 1 °C die Artenvielfalt zu- Mittelgebirgen zu finden sein. Ob dieser ArGewinner: Gottesanbeterin Verlierer: Steinschmätzer nimmt. tenrückgang durch neue, aus dem Süden zugewanderte Arten „ausgeglichen“ wird, bleibt abzuwarten. Der Naturschutz hat bereits erste Doch die Ausbreitung Wärme liebender Arten Strategien erarbeitet, die die Auswirkungen des hat oftmals auch negative Folgen. So sind die Klimawandels auf die biologische Vielfalt be- Massenvermehrungen des behaarten Eichen- rücksichtigen. Je größer die biologische Vielfalt prozessionsspinners der Bevölkerung noch gut eines Ökosystems ist, umso elastischer kann es im Gedächtnis. Die höheren Temperaturen stei- bei Veränderungen reagieren. Es gilt die klima­ gern auch die Vermehrungsraten von Schädlin- bedingten Wanderbewegungen der Arten zu gen wie dem Borkenkäfer. Zahlreiche Ökosys- unterstützen und einen ausreichend dichten Verbund an geeigneten Lebensräumen anzu- teme und deren Bewohner werden sich allerdings kaum an die Veränderung anpassen kön34 Gewinner: Südliche Mosaikjungfer Gewinner: Großer Feuerfalter bieten. Regionen mit bisher rauerem Klima. Nach Beobachtungen im Murgtal „wanderte“ die Apfel- Regionale Auswirkungen Beginn der Apfelblüte 1991-2005 blüte im Jahr 2007 von der Rheinebene (120 m ü. NN) bis zum Schliffkopf (1043 m) mit 66 m pro Tag in nur 14 Tagen und damit fast doppelt so schnell wie im Jahr 2006. Beginn der Apfelblüte 1961 – 1990 Mannheim Der Frühling kommt früher Karlsruhe Als Frühlingsbeginn für die Vegetation wird die Apfel- Mannheim henlage und Kleinklima beginnt sie sehr unterschiedlich Karlsruhe Ulm in den Regionen BadenWürttembergs – im Ober­ Stuttgart rheintal deutlich früher als an den Schwarzwaldhängen. Ulm Freiburg Schätzwerte Eines haben aber alle Regi- Apfelblüte (Tage onen gemeinsam: In den nach Jahresbeginn) Konstanz letzten beiden Jahrzehnten begann der Frühling immer > 145 140 - 145 Freiburg 135 - 140 130 - 135 früher. Im Zeitraum von 125 - 130 1991 bis 2005 startete der 120 - 125 Konstanz 115 - 120 Frühling für die Pflanzen um 110 - 115 durchschnittlich elf Tage früher als im Zeitraum von 1961 bis 1990. Insge- Beginn der Apfelblüte 1961-1990: im Mittel 124 Tage nach Jah- samt nehmen die Gebiete mit früherer Apfel- LUBW 1991-2005 begann die Apfelblüte im Mittel bereits 113 Tage nach Jahresbeginn. 105 - 110 Zum Vergleich: 1961-1990 blühten die Apfelbäume im Mittel erst elf Tage später 100 - 105 (s. Grafik links). Datenquelle: DWD 2005; Auswertung und Grafik: LUBW 95 - 100 resbeginn. Datenquelle: DWD 2005; Auswertung und Grafik: blüte zu. Dazu gehören mittlerweile auch 35 Klimafolgen – natur- und artenschutz Stuttgart blüte betrachtet. Je nach Hö- Sonnige Aussichten für Sommertouristen Mehr Badetage im Sommer, weniger Schnee im Winter. Auf diese Kurzformel lässt sich der Klimawandel in Baden-Württemberg bringen. Gute Aussichten also für den Sommertourismus. Tourismus 36 Baden-Württemberg ist mit rund 45,6 Millio- sportlerzahlen einstellen – oder durch neue nen Übernachtungen Spitze im deutschen Tou- Angebote gegensteuern. rismus. Nur Bayern hat noch mehr. Die Bran- Die Klimafolgen für den Tourismus können am che erwirtschaftet mit etwa 280.000 touris­­­­­­- besten anhand von beliebten touristischen Ak- musabhängigen Arbeitsplätzen einen Nettoge- tivitäten untersucht werden. Beim Sommertou- samtumsatz von 22,4 Milliarden Euro und eine rismus bieten sich dazu die Badesaison am Bo- Wertschöpfung von 7,5 Milliarden Euro. Ent- densee und die Wandersaison im Schwarzwald sprechend wichtig ist es, die Auswirkungen des an. Im Winter steht natürlich die Skisaison im Klimawandels abzuschätzen. Tourismusbetriebe Schwarzwald an erster Stelle. Welche Vor- und wie Hotels, Gaststätten oder Freibäder hängen Nachteile ergeben sich für den Tourismus in weitgehend vom Wetter ab. Welcher Tourist diesen Gebieten, wenn es in Baden-Württem- bucht denn schon gerne seinen Urlaub am ver- berg immer wärmer wird? Diese Frage hat vor regneten Bodensee? Und ein Feldberg ohne allem das groß angelegte Forschungsvorhaben Schnee muss sich wohl auf schwindende Ski- KLARA untersucht. in der Wutachschlucht unterwegs. Genau um- Fakten gekehrt will es dagegen der Wintertourist: Kalt Chancen und Risiken und feucht muss es sein, dann fällt ausreichend für den tourismus Schnee für den Wintersport. Doch das sieht im Land künftig anders aus: Die Westwetterlagen mit relativ warmen Luftmassen werden im Winter wahrscheinlich zunehmen. Sie bringen zwar das notwendige Wasser, das aber immer seltener als Schnee fällt. Chancen Der Sommertourist mag’s • mehr Badetage im Jahr warm und trocken Skifahrer können immer seltener auf Schnee zählen Bevor die wahrscheinlichen Folgen des Kli­ • mehr fürs Wandern geeignete Tage mawandels vernünftig abzuschätzen sind, wer- • Chancen für neue Tourismusangebote den verlässliche Daten zum heutigen und früheren Zustand benötigt. Aus nahe liegenden Jährliche anzahl der sommertage und eistage In Konstanz Gründen wählten die KLARA-Forscher die 120 Zahl der Badetage am Bodensee sowie die Zahl 110 der Wandertage im Schwarzwald als Kriterien 90 Baden-Württemberg. Sie definierten dabei ei- 50 30 Freibädern rund um den Bodensee die höchs- 20 ten Besucherzahlen. Für die Wandertage im 10 25 °C ) Trend (Sommertag) Trend (Eistag) Quelle: LUBW • Gefahr von Umsatzrückgängen einzelner Tourismusbetriebe 2010 2000 1990 0 1980 länger die Sonne scheint und je weniger Regen Sommertag ( Eistag (< 0 °C ) 1970 Schwarzwald ergibt sich ein ähnliches Bild: Je • Gefahr zunehmender Schäden an touristischer Infrastruktur 40 1960 nen. Diese Kombination garantierte in den • weniger Schnee auch in den Höhenlagen 60 1950 lang bei höchstens leichter Bewölkung schei- 70 1940 und die Sonne sollte mindestens neun Stunden Anzahl der Tage geshöchsttemperatur muss über 23 °C liegen, Risiken 80 nen Badetag mit folgenden Parametern: Die Ta- fällt, desto mehr Besucher sind beispielsweise 37 Klimafolgen – tourismus 100 für die Attraktivität des Sommertourismus in Folgen/ Perspektiven Baden und Wandern gut, Für die Wandertage im Schwarzwald wurden die Schlechtere Aussichten für Schnee liegen bleiben. Im Vergleich zu den Jah- tägliche Höchsttemperatur, die Luftfeuchtigkeit Wintersportler ren 1994 bis 2003 geht die Zahl der Schneetage und die tägliche Sonnenscheindauer untersucht. Bleibt noch der Wintertourismus: Wie nicht an- in den Jahren 2021 bis 2030 in tieferen Lagen Danach können die Wandertouristen der Zu- ders zu erwarten, sorgt die Klimaerwärmung da- um mehr als 18 Prozent und um rund 23 Pro- kunft (2026-2055) wahrscheinlich mit leicht er- für, dass bis in die Schwarzwaldhöhen weniger zent in Höhenlagen zwischen 500 und 1.000 höhter Sonnenscheindauer im Frühjahr rechnen. Schnee liegen wird. Die Klimatologen gehen für Metern zurück. Noch schlimmer sind die Aus- Zudem wird es insgesamt trockener und wär- die zukünftigen Winter davon aus, dass die sichten für die Jahre 2041 bis 2050: Die Forscher mer, nämlich um mindestens 1 °C im 30-jäh- Westwetterlagen mit ihren wärmeren und rechnen mit 25 bis 44 Prozent weniger Schnee- rigen Mittel. Gute Klima-Aussichten also für die feuchteren Luftmassen zunehmen, während die tagen für die Gipfellagen des Schwarzwalds, in zukünftigen Wanderer im Schwarzwald! arktischen Kältehochs zurückgehen. Nur in den den tieferen Lagen mit bis zu 65 Prozent. Dem höchsten Lagen werden die Niederschläge als Skitourismus stehen magere Zeiten bevor. Ski und Rodel schlecht In Zukunft sind für den Sommer- und Wintertourismus in Baden-Württemberg gute und schlechte Aussichten absehbar. Die Zahl der potenziellen Badetage am Bodensee könnte laut KLARA im Zeitraum von 2026 bis 2055 um durchschnittlich vier Tage zunehmen. Wenn man bedenkt, dass das Minimum im Jahr 1972 bei nur 8 Badetagen (Bodman) lag, erschließt sich die wirtschaftliche Bedeutung dieser zusätzlichen Badetage. Zum Vergleich: Das Maximum lag im Jahr 2000 in Immenstaad bei 43 Badetagen. Gleichzeitig wird sich wohl auch die Badesaison verlängern: Die künftigen Touristen können die ersten Badetage wahrscheinlich bereits 14 bis 21 Tage früher als bisher genießen oder ihren Badeurlaub noch drei bis vier Wochen nach hinten verschieben. 38 Wanderer im Schwarzwald können mit mehr Sonnenschein pro Tag rechnen insbesondere in der Tourismusregion Bodensee, Regionale Auswirkungen auswirken. Von den wärmeren und nieder- Entwicklung der Anzahl der schlagsärmeren Sommern werden auch der Sommertage bis 2040 Rad- ,­Wander- und Naturtourismus profitieren – eine positive Entwicklung für die vielen landschaftlich reizvollen Regionen des Landes. Darüber hinaus ist im ganzen Land mit einem Anstieg des Städte- und Kulturtourismus zu Mannheim rechnen. Auf der anderen Seite sind in verschiedenen Regionen des Landes höhere Schäden an der Der Klimawandel birgt für die Tourismusbran- touristischen Infrastruktur durch die Folgen des che des Landes Chancen und Risiken. Klima- Klimawandels zu erwarten, z.B. durch Über- veränderungen im Mittelmeerraum lassen etwas schwemmungen oder Unwetter. Aufgrund des kühlere Gefilde touristisch attraktiver werden. Temperaturanstiegs nimmt auf der Schwä- Stärkere Reiseströme nach Norden sind zu er- bischen Alb und im Schwarzwald die Schnee­ warten – auch zu Gunsten von Baden-Württem- sicherheit ab. Die Tourismusbranche steht hier berg. Dabei wird sich die zunehmende Zahl der vor der Herausforderung, die Wintersportange- Sommertage nicht nur positiv auf die Anzahl bote anzupassen und neue Reiseanlässe und der Badetage und die Länge der Badesaison, Urlaubsaktivitäten zu präsentieren. Karlsruhe Stuttgart Ulm Freiburg Länge der badesaison am Bodensee Konstanz 22 20 Überlingen 160 155 155 150 149 147 Anzahl Tage 145 140 135 136 120 16 Bodman 14 Veränderung der Spannweiten von poten- 12 ziellen Badetagen in der Bodenseeregion. 10 30-jährigen Untersuchungszeitraum). Definition potenzieller Badetag: Maximaltem- 125 peratur 23 °C, mittlerer Bewölkungs- 8 Änderung der Anzahl der Sommertage ( 25 °C) zwischen 1971-2000 und 2011-2040. Quelle: IMK-TRO/KIT, 2010 grad < 3/8 und Sonnenscheindauer min. 118 9h. Quelle: Potsdam-Institut für Klimafol- 115 110 18 Konstanz (Alle Werte jeweils gemittelt über den 130 125 Immenstaad 112 Mittelwert Basisszenario (1971-2000) genforschung (PIK), 2005: KLARA Mittelwert Zukunftsszenario (2026-2055) 39 Klimafolgen – tourismus Chancen und Risiken Klimaschutz und Anpassung sparen Kosten Ohne geeignete Anpassungsmaßnahmen dürfte der Klimawandel weltweit hohe Folgekosten nach sich ziehen: Zum Beispiel durch Sturm- und Hochwasserschäden. Investitionen in den Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen wären für alle günstiger. Wirtschaft 40 Die Klimaerwärmung kann auch ökonomisch zum Jahr 2100 aus. Eine gigantische Summe! zum Problem werden. Extreme Wetterereig- Damit könnte der Klimawandel zu einer welt- nisse wie Stürme, Hagel oder Überschwem- weiten Rezession führen. Investitionen in CO2- mungen könnten häufiger und intensiver auf- Sparmaßnahmen und geeignete Anpassungs- treten. Die dadurch verursachten Schäden an maßnahmen an den Klimawandel führen daher Gebäuden, Fahrzeugen oder in der Land- und zu erheblichen Kosteneinsparungen. Nichtstun Forstwirtschaft würden zunehmen. Wenn der ist daher keine Alternative. Ein effizienter Ein- Klimawandel ungebremst weiter geht, ist mit satz der Finanzmittel ist umso wichtiger, weil erheblichen volkswirtschaftlichen Kosten zu der Klimawandel heute nur noch abge- rechnen. Der britische Stern-Report von 2006 schwächt, aber nicht mehr aufgehalten werden geht bei einem Temperaturanstieg von 4,5 °C, kann. Doch jedes Grad Temperaturzunahme je nach Szenario, von Kosten von 5 bis zu 20 weniger spart Milliarden. Prozent des globalen Bruttosozialprodukts bis Fakten Das „Jahrtausendhochwasser“ an der Elbe ver- Zu den versicherten Schäden müssen jedoch ursachte besonders hohe Schäden: Die Mün- Schäden an der Infrastruktur, durch Produkti- Chancen und Risiken chener Rückversicherung bezifferte dessen onsausfälle sowie durch Krankheiten und To- Kosten allein in Deutschland auf 9,2 Milliarden desfälle hinzu gerechnet werden. So schätzte für die Euro. das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung wirtschaft (DIW) die volkswirtschaftlichen Kosten für Die globalen Schäden durch extreme Klima-Er- den Hitzesommer 2003 auf zehn bis 17 Milliar- eignisse gab die Münchener Rück für das Jahr den Euro für ganz Europa. Auch wenn manche 2002 mit 52,5 Milliarden Euro an. Solche Kos­ Branchen am Wiederaufbau verdienen, so sind ten haben, laut Berechnung der weltgrößten die durch den Klimawandel verursachten Kos- Teurer Klimawandel Rückversicherung, in den letzten 30 Jahren um ten doch deutlich höher. In den vergangenen Jahren traten in Deutsch- den Faktor 15 zugenommen. Chancen • Klimaschutzmaßnahmen schaffen Arbeitsplätze, z. B. in Bauhandwerk und Solarindustrie land verstärkt Hitzewellen und Starkregen auf. Kosten durch KlimaFolgeschäden • Anpassungsmaßnahmen stützen die wirtschaftliche Entwicklung Baden-Württemberg Bayern Rheinland-Pfalz Nordrhein-Westfalen Brandenburg Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein Hessen Sachsen Risiken Thüringen Hamburg Bremen Saarland • Klimaschäden verursachen Milliarden Kosten Berlin Mecklenburg-Vorpommern Mrd. Euro 0 20 4060 80100 120140 • Arbeitsproduktivität sinkt bei Hitze • Versicherungsprämien steigen Kosten (kumuliert bis 2050) durch Klimaschäden nach Bundesländern in Milliarden Euro. Baden-Württemberg wird im Vergleich mit anderen Bundesländern stark von den Kosten durch Klimaschäden betroffen sein. Quelle: Berechnungen des DIW Berlin, 2008 41 Klimafolgen – wirtschaft Niedersachsen Folgen/ Perspektiven hohe Kosten verhindern, würden nach Ansicht Berechnungen des DIW zu einer gefährlichen des DIW nur bei einem Prozent des Bruttoso- Klimaerwärmung und damit zu immensen zialprodukts liegen. Durch eine schnelle und Kosten. Der Klimaschutz muss schon heute in- effektive Klimaschutzpolitik könnten bis zum tensiv voran gebracht werden. Dazu kommt, Jahr 2050 weltweit Schäden von bis zu 169 Bil- dass Ressourcen wie Öl oder Gas zunehmend lionen Euro vermieden werden. knapp werden. Vorbeugen spart Kosten Ein gutes Beispiel für eine nachhaltige Klimapolitik sind die verschiedenen Vorgaben für MilliardenKosten drohen Maßnahmen im Gebäudebereich. Die Investi- Es muss im Rahmen internationaler Verhand- tion für Energiesparmaßnahmen lohnen sich, lungen gelingen, den Klimawandel durch effek- zumindest auf längere Sicht, da dadurch Ener- tive Klimaschutzmaßnahmen zu begrenzen. An- giekosten eingespart werden können. Hinzu sonsten könnte die deutsche Volkswirtschaft kommen die positiven wirt­schaft­lichen Effekte, ohne geeignete Anpassungsmaßnahmen zur Be- vor allem für die Bau- und Energiebranche. Donau-Hochwasser in Riedlingen seitigung der Schäden durch Extremereignisse wie Überschwemmungen, Hitzewellen oder Im Bereich der Erneuerbaren Energien arbeiten Stürme laut dem Deutschen Institut für Wirt- bereits heute mehr als 250.000 Menschen, Ten- schaftsforschung (DIW) in den nächsten 50 denz stark steigend. Innovative, CO2-freie Ener- Jahren bis zu 800 Milliarden Euro aufbringen gietechniken „made in Germany“ könnten noch müssen. Das sind rund drei Prozent des Brutto- mehr als heute zum Exportschlager werden, so- sozialprodukts in diesem Zeitraum. fern wir unseren Vorsprung halten. Eine europäisch abgestimmte Klimaschutzpolitik und 42 Neben direkten ökonomischen Folgen auf En- vermehrte Anstrengungen bei Anpassungsmaß- ergieerzeugung, Landwirtschaft und Industrie nahmen an den Klimawandel sind dazu ent- berücksichtigten die Wirtschaftswissenschaftler scheidende komplementäre Schritte. Klima- dabei auch Kosten durch erhöhte Waldbrand- schutzpolitik beginnt heute; eine energie- und gefahr oder steigende Gesundheitskosten. Die ressourceneffiziente Wirtschaftsweise sichern Investitionen in CO2-mindernde Maßnahmen, unserem Land langfristige Wettbewerbsvorteile. die eine stärkere Klimaerwärmung und damit Eine zögerliche Klimaschutzpolitik führt nach Informationsbroschüre des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg zum Erneuerbare-Wärme-Gesetz den Euro) schlugen auch Vivian und Wiebke Regionale Auswirkungen (1990), Martin (1999), Kyrill (2007) oder Xyn- Anfälligkeit der Regionen für Schäden thia (2010) zu. In Zukunft ist im Land mit ver- durch Winterstürme stärkten Hochwassergefahren vor allem im Winter zu rechnen. Falls die globale Durchschnittstemperatur bis zum Jahr 2100 um 4,5 °C steigt, werden Schäden durch extreme Wetterereignisse und ohne geeignete Anpassungsmaß- Mannheim nahmen insbesondere die wirtschafts- und bevölkerungsstarken Bundesländer treffen. Regionales Karlsruhe Bereits in der Vergangenheit haben mehrere Nach DIW-Berechnungen könnten sich diese Winterstürme in Baden-Württemberg große Kosten allein für Baden-Württemberg in den Schäden an Gebäuden verursacht. Neben dem kommenden Jahrzehnten auf mehr als 100 Mil- Orkantief Lothar (1999, insgesamt 8,6 Milliar- liarden Euro belaufen. Stuttgart Freiburg Konstanz Anzahl beschädigter Wohnhäuser 0-100 101-500 501-1000 1001-2500 Risikoeinschätzung des CEDIM (Center for Disaster Management and Risk Re- 2501-5000 duction Technology) bezüglich der Anzahl beschädigter Häuser durch Winter- 5001-10000 stürme (sog. 100-Jahresereignisse). Quelle: IMK/TRO KIT, 2010 nicht ermittelt Häuser, Autos und Infrastruktureinrichtungen nehmen Schaden bei Stürmen und anderen Extremereignissen 43 Klimafolgen – wirtschaft Ulm Entwicklung von Anpassungsstrategien Nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft ist der Klimawandel schon heute Tatsache. Durch eine entschlossene Klimapolitik können die Auswirkungen jedoch begrenzt werden. Allen voran muss die weitere Entwicklung des duktion der Treibhausgas-Emissionen. Baden- Klimawandels, d.h. die Geschwindigkeit und Württemberg möchte als hochentwickeltes und das Ausmaß der Klimaveränderungen, durch technologisch führendes Land seine Vorbild- umfangreiche Klimaschutzmaßnahmen be- funktion wahrnehmen und einen wirkungs- grenzt werden. vollen Beitrag zur Erreichung der nationalen und internationalen Klimaschutzziele leisten. Ausblick 44 Wissenschaft und Politik sind sich weitgehend Die Landesregierung hat daher die Energie- einig, dass bei einer Begrenzung des Anstiegs und Klimapolitik des Landes neu ausgerichtet. der globalen Durchschnittstemperatur auf ma- Zum einen wurde ein Klimaschutzgesetz Baden- ximal 2 °C über dem vorindustriellen Niveau Württemberg mit verbindlichen Zielen für die die Folgen durch geeignete und rechtzeitige Minderung der Treibhausgasemissionen im Anpassungsmaßnahmen aufzufangen sind und Land verabschiedet. Darauf aufbauend wurde schwere Folgen weitgehend vermieden werden ein integriertes Energie- und Klimaschutzkon- können. Dieses Ziel Deutschlands und der Eu- zept mit den notwendigen Maßnahmen zur ropäischen Union erfordert eine deutliche Re- Zielerreichung erstellt. die Ergebnisse des aktuellen Forschungsprogramms KLIMOPASS sollen hier berücksichtigt werden. Mit der Anpassungsstrategie wird das Land auch die vom Klimawandel Betroffenen über sinnvolle Anpassungsmöglichkeiten als Hilfe zur Selbsthilfe informieren. Über die konkrete Umsetzung und Durchführung einzelner Maßnahmen muss vor Ort entschieden werden. Die Anpassung an den Klimawandel ist somit auch Hochwasserschutz vor einer Einfahrt ein wichtiges kommunales Thema. Besonders Niedrigwasser dringende Anpassungsmaßnahmen sind schon Die vorgestellten Untersuchungsergebnisse zei- Klimawandel (DAS) beschlossen. In der Weiter- sten gesenkt werden. Die Folgen des Klimawan- realisiert worden. Darunter fallen die in dieser gen aber auch die Notwendigkeit, sich mit den entwicklung und Konkretisierung der DAS wur- dels werden mit unterschiedlichen Zeithori- Broschüre erwähnten Maßnahmen des Hitze- Auswirkungen der Klimaänderung auch auf der de Ende August 2011 der mit den Ländern abge- zonten viele gesellschaftliche Bereiche betreffen. warndienstes, des Hochwasserschutzes und des regionalen Ebene frühzeitig auseinander zu set- stimmte „Aktionsplan Anpassung“ (APA) vom Infolgedessen soll die baden-württember­­gische Niedrigwassermanagements. zen. Eine verantwortungsbewusste Klimapolitik Bundeskabinett beschlossen. Das Land Baden- Anpassungsstrategie mit Betroffenen und Ak- muss demnach neben einem ambitionierten Kli- Württemberg hat sich bereits bei der Erstellung teuren aus verschiedenen Bereichen sukzessive maschutz zur Vermeidung der Freisetzung von der DAS und des APA inhaltlich eingebracht entwickelt und fortgeschrieben werden. Auch klimaschädlichen Treibhausgasen auch die Ent- und will sich auch bei der weiteren Umsetzung wicklung von Anpassungsmaßnahmen an die un- engagieren. Wasserstandsvorhersage Niedrigwassermanagement vermeidbaren Folgen des Klimawandels umfassen. Mit der Anpassung an den Klimawandel be- passungsstrategie entwickeln, die die Deutsche schäftigen sich alle staatlichen Ebenen – von Anpassungsstrategie mit dem Aktionsplan be- der Europäischen Union bis hin zu den Kom- rücksichtigt und speziell auf die baden-württem- munen. Die Europäische Kommission hat im bergischen Erfordernisse abgestimmt ist. Damit Jahre 2013 die EU-Strategie zur Anpassung an soll ein Handlungsrahmen mit Zielen und Um- den Klimawandel verabschiedet. Damit besteht setzungsstrukturen für Anpassungsmaßnahmen ein Handlungsrahmen, der nationale, regionale an die Folgen des Klimawandels in Baden- und lokale Anstrengungen sinnvoll ergänzen Württemberg geschaffen werden. Die negativen für Horb am Neckar vom 15. April 2010 soll. Die Bundesregierung hat im Dezember Folgen des Klimawandels sollen so vermieden, www.hvz.lubw.baden-wuerttemberg.de 2008 die Deutsche Anpassungsstrategie an den mögliche Chancen genutzt und Klimafolgeko- Hochwasser-Vorhersage-Zentrale BadenWürttemberg: Wasserstandsvorhersage Quelle: 45 ausblick Darüber hinaus wird das Land eine eigene An- Weitere Informationen Weitere Informationen finden Sie im Internet unter: Bildnachweis www.um.baden-wuerttemberg.de Titel: Falk Herrmann; S. 2: Erich Spiegelhalter/STG; S. 3: UVM; S. 4: Reto Stöckli/ www.lubw.baden-wuerttemberg.de NASA; S. 6: LUBW; S. 8: ÖkoMedia GmbH, LUBW; S. 10: Pixelio; S. 11: Pixelio, www.hvz.lubw.baden-wuerttemberg.de www.herausforderung-klimawandel-bw.de www.themenpark-umwelt.baden-wuerttemberg.de www.kliwa.de Georg Müller/Wolkenatlas.de; S. 12: Shutterstock; S. 13: Pixelio; S. 14: J. Gathany, Pixelio; S. 15: Pixelio; LUBW; S. 16: LUBW; S. 17: Wolfgang Hennegriff (2x), LUBW; S. 18: Lersch, Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit; LUBW www.wettergefahren-fruehwarnung.de S. 19: Pixelio; S. 20: Gerd Glomb, solum, büro für boden + geologie Freiburg; www.dwd.de Seite 21: LUBW, ÖkoMedia GmbH; S 22: Landratsamt Ortenaukreis, LUBW, www.klimadiagramme.de M. Linnenbach; Seite 23: Pixelio, Landratsamt Ortenaukreis; S. 24: Schneider-Rapp/ www.ipcc.ch Ökonsult; S. 25: Wolfgang Hennegriff , Pixelio, LUBW; S. 26: Pixelio (2x), LUBW; S. 27: TMBW, STG; S. 28: Schlosser; S. 29: Schlosser, TI Feldberg; S. 30: Pixelio (2x); S. 31: Erich Spiegelhalter/STG, Pixelio; S. 32: Shutterstock; S. 33: Pixelio, Shutterstock; S. 34: Pixelio, U. Weibel, H. Dannenmayer, F.-J. Schiel, C. Bißdorf, K. Dahl; S. 35: Pixelio; S. 36: Michael Bremer; S. 37: TI Schluchsee, Andreas Greiner; S. 38: Michael Sauer/STG, Erich Spiegelhalter/TI Titisee; S. 39: Bodensee-Therme Konstanz; S. 40: Pixelio; S. 41: Pixelio (2x); S. 42: Pixelio, LUBW; S. 43: Shutterstock, LUBW; S. 44: Pixelio; S. 45: IBS GmbH, Lersch 46 Impressum Herausgeber in Zusammenarbeit mit TExt, Gestaltung Ministerium für Umwelt, Klima und Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ­LUBW Landesanstalt für Umwelt, Messungen Energiewirtschaft Baden-Württemberg Institut für Meteorologie und Klimaforschung und Naturschutz Baden-Württemberg Kernerplatz 9 Hermann-von-Helmholtz-Platz 1 ÖkoMedia GmbH, Stuttgart 70182 Stuttgart 76344 Eggenstein-Leopoldshafen Ökonsult, Stuttgart Telefon 0711-126-0 Telefon 07247 82-2085 www.um.baden-wuerttemberg.de www.imk-tro.kit.edu Redaktion Dr. Harald Gebhardt, Dr. Kai Höpker LUBW Landesanstalt für Umwelt, Messungen Süddeutsches Klimabüro LUBW Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg Wolfgang-Gaede-Str. 1 und Naturschutz Baden-Württemberg Griesbachstraße 1 76131 Karlsruhe 76185 Karlsruhe 0721 608 2831 Diese Broschüre ist klimaneutral Telefon 0721-5600-0 www.sueddeutsches-klimabuero.de auf Recyclingpapier gedruckt www.lubw.baden-wuerttemberg.de 4. Auflage: Dezember 2016 ISBN 978-3-88251-368-4 47 01