bewegungslehre - Alex Sonnenfeld

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© 2011
b e w eg u n g s
le h re
Alexander Sonnenfeld
Bewegungslehre Tonspielen
Intro
2 © Alexander Sonnenfeld
3 Bewegungslehre
Alexander Sonnenfeld
www.alexandersonnenfeld.com
Persönlicher Dank
Das Tonspielen beinhaltet eine Vielzahl von Prozessen künstlerischer
Tätigkeit in Einem. Die Erzeugung des
Tonmaterials, das Spielen und die
weiterführende Verformung nach
einer bestimmten musikalischen Idee.
Dabei scheint ein Funktionswandel
endlos möglich. Alles ist Ton!
Für Eva.
Dank gilt
meiner Familie
Thomas & Wolfgang Sonnenfeld
Renè Kockisch
Ivo Wojcik
Renate & Steven Reier
Enrico Fekete
Cordula Lenk.
Aufrichtiger Dank gilt Professor
Karlheinz Stockhausen – durch
den jahrelangen Briefkontakt war
er für mich „ein Licht im Dunkel
der freien Entfaltung“.
4 © Alexander Sonnenfeld
5 Bewegungslehre Inhalt
0 Vorwort10 — 13
1
Über das Tonspielen14 — 17
Alexander Sonnenfeld
Ungleichförmig lineare Bewegungscharakteristik
92 — 93
94 — 95
Kombinatorik Ungleichförmig nonlineare Bewegungscharakteristik
96 — 99
2Geschichte des Tonspielens18 — 24
Kombinatorik 100 — 104
3 Tonspielzeug 25 — 32
9Gruppierungen
105 — 120
Gruppierung akustischer Bewegungen
105 — 107
Aufzeichnungsmethodik
108 — 111
Aufbau und Funktion 28 — 32
4S-Notation 33 — 44
Über die S-Notation
36 — 37
Zweifach Gruppierungen
112 — 115
Komponenten der Bewegungsnotation
38 — 41
Dreifach Gruppierungen
116 — 119
Aufzeichnungsmethodik
42 — 44
Literaturangaben
Systematik der akustischen Bewegungen Intro
5Bewegungsrichtung 46 — 47
49 — 64
Einfache akustische Bewegungen
52 — 57
10
Ganze akustische Bewegungen
58 — 64
Grundlagen
128 — 135
6 Bewegungsdauer
65 — 70
136 — 141
Zeitwerte
68 — 69
7 Bewegungsstärke
71 — 86
Bewegungsstärke
71 — 75
76 — 79
Tonales Prinzp
Effektives Prinzip
8Bewegungscharakteristik
Gleichförmige Bewegungscharakteristik
© Alexander Sonnenfeld
80 — 86
87 — 104
90 — 91
120
Anatonie
Intro122 — 125
Anatonie 127 — 160
Anatonische Etappen des Tonkörpers
Einfache akustische Bewegungen
142 — 147
Zweifach Gruppierungen
148 — 151
152 — 153
Dreifach Gruppierungen
Äußere und innere Anatonie
Literaturangaben
154 — 159
160
Systematik der dynamischen Bewegungen
Intro164 — 165
Bewegungslehre Inhalt
Alexander Sonnenfeld
Systematisierung
166 — 168
15 Gruppierungen
11Bewegungsrichtung
169 — 188
Literaturangaben
Bewegungsrichtung
172 — 173
Einfache Bewegungen / Das Öffnen
174 — 175
Einfache Bewegungen / Das Schließen
176 — 177
Ganze Bewegungen / Öffnen & Schließen
178 — 179
Ganze Bewegungen / Schließen & Öffnen
180 — 181
Sonderform / Einschneiden
182 — 183
Sonderform / Ausschneiden
184 — 185
186 — 187
Zusammenfassung / notationelle Symbolik
12 Bewegungsdauer
189 — 202
Gerade Zeiteinteilung
190 — 191
Ungerade Zeiteinteilung
192 — 195
Gruppierungen
196 — 199
Blenden
200 — 202
13 Bewegungsstärke
203 — 208
14Bewegungscharakteristik
209 — 222
Gleichförmige Charakteristik
212 — 213
Ungleichförmig lineare Charakteristik
214 — 215
216 — 217
Kombinatorik Ungleichförmig nonlineare Charakteristik
© Alexander Sonnenfeld
218 — 222
223 — 227
228
16 Zusammenspiel
229 — 244
17S-Index
245 — 255
Impressum
258
Bewegungslehre Tonspielen
DJing und digitale Audiobearbeitung
stellen in der heutigen Tonkunst ein
unverzichtbares Element dar. Wobei
sich nach wie vor eine Frage stellt:
Kann diese künstlerische Arbeit als
echtes Musizieren verstanden werden?
Unbestritten ist es eine schöpferische
Tätigkeit: Man betreibt Tonkunst,
erschafft neue Klangcharakteristiken
und trägt maßgeblich zur Gestaltung
der zukünftigen Musik bei. Doch ist
dies von der Handhabung her mit dem
Spiel an einem klassisch-traditionellen
Instrument vergleichbar?
Die Bewegungslehre beschreibt eine
neuartige Instrumentalmethodik, die
aus einer spieltechnischen Weiterentwicklung des DJing und Turntablism
entstanden ist. Dabei werden analoge
Scratch-, und Mischtechniken mit digi© Alexander Sonnenfeld
Intro
10 11 talen Software-Lösungen kombiniert,
wodurch sich der musikalische Ansatz
erweitert.
Diese Kunstform wird als Tonspielen bezeichnet und erlaubt es sprichwörtlich
mit vorhandenem Tonmaterial zu
Musizieren. Die aufgezeichnete Akustik
wird zu einer Art Spielkörper, der
durch instrumentelle Handarbeit soweit
verformt wird, dass daraus neuartige
Klangfarben hervorgehen. Die Vorraussetzung dafür ist ein Instrument, dessen
Funktionen es erlauben alle musikalischen Parameter des verwendeten
Tonmaterials bewusst zu verändern.
Ein musikalisches Werkzeug, das die
technische Entwicklungssumme bereits
existierender analoger und digitaler
Komponenten auf dem Markt in einem
kompakten Instrumentarium vereint.
Bewegungslehre Tonspielen
Ein Bedienungskonzept als Symbiose
aus Plattenspieler und Mischpult in
Form eines Software-Controller, der
exakt auf die spielerischen Bedürfnisse
abgestimmt wurde, das sogenannte
Tonspielzeug.
Zu Beginn dieser theoretischen Arbeit
wird das Instrument konzeptionell in
Aufbau und Funktion erklärt. Der vorliegende Sammelband mit dem Titel
Bewegungslehre ist der erste Entwurf
einer Analyse des Tonspielens auf der
Grundlage einer eigens dafür entwickelten Musiktheorie.
Die Thematik ist aufbauend angelegt
und soll durch nachfolgende Publikationen erweitert werden. Durch Videound Hörbeispiele wird ein theoretisches
und praktisches Verständnis dieser
Instrumentalform angestrebt und der
© Alexander Sonnenfeld
Intro
Grundstein gelegt, eine solche Art des
Musizierens (dazu gehört auch das
gewöhnliche DJing und Turntablism)
zukünftig auf einer akademischen Ebene
weiterzuentwickeln.
12 13 Bewegungslehre Tonspielen
Über das Tonpielen
1
Über das Tonpielen
Grundsätzlich entspricht das Tonspielen nichts anderem, als der Bearbeitung von digitalem Audiomaterial durch die Möglichkeiten der
heutigen Studiotechnik. Das wirft unweigerlich die Frage danach auf,
welche neuartigen akustischen Konsequenzen daraus zu erwarten
sind?
Der grundsätzliche Unterschied besteht Peter Giger über den
darin, dass menschliche Instrumentalar- technischen Einfluss:
beit für die Manipulation der Klänge ver- „Die Technik persifliert
antwortlich ist anstatt eines Computers. und eliminiert die
Obgleich die Sterilität der zeitlichen Arti- menschliche Fähigkeit,
kulation des Computers bedingt naturali- Zeitschritte selbst zu
siert werden kann, lässt sie sich nicht mit schöpfen und bildet ein
einer Live-Interpretation eines Menschen problemloses Substitut,
am Instrument vergleichen. Es fehlt die un- um Tempi herzustellen
vollkommen und gefühlvolle Reaktionsfä- und rhythmische Komhigkeit emotional gesteuerter Prozesse. ponenten des TempoEs fehlt die individuelle Persönlichkeit, der inhaltes abzudecken.“
menschliche Herzschlag.
Durch das Musizieren am Tonspielzeug werden elektroakustische
Möglichkeiten derzeitiger Studiotechnik „in das Erfahrungsfeld der
Live-Interpretation eingebunden“. Mehr noch, die Ausdrucksformen
haben sich enorm erweitert! Durch spezielle Spieltechniken, die ein
hohes Maß an instrumenteller Virtuosität erfordern, wird nicht nur
© Alexander Sonnenfeld
14 15 die Tonhöhe von akustischen Aufzeichnungen manipuliert sondern
auch jeder weitere Parameter von Musik.
„Generell stellt sich doch die Frage, ob sich Musizieren in erster Instanz durch die Regulierung von Tonhöhen kennzeichnet.In dem Zusammenhang meine ich die traditionelle Spielweise,den sogenannten
„Vorgang“ an den Instrumenten. Percussive Instrumente bilden in diesem Gedankengang eine Sonderstellung. Es stellt sich darüber hinaus die Frage, ob tendenzielle Abstufungen — welche einer mathematischen bzw. einer psychoakustischen Logik folgen, ebenfalls auf
Lautstärke, Klangfarbe und Raum übertragen lassen — theoretisch
dazu veranlagt sein müssen und in einem harmonischen Verhältnis
stehen? Wer fordert hier Theorie?“ Schoenberg
Ein Tonspieler kann in zahlreiche akustische Rollen schlüpfen und
so die Klangfarbe des Ausgangsmaterials nach Belieben verändern. Das Instrument ermöglicht es mit ausgewählten Frequenzen Solo’s zu spielen, oder einzelne Töne ausgeklügelt im Raum
umherwandern zu lassen.
Insbesondere die Einflussnahme auf die Lautstärke erlaubt verschiedenste Gestaltungsvarianten des Klangbildes. Mittels diverser
Schnitttechniken kann die zeitliche Verlaufsstrecke eines Tonkörpers so entstellt werden, dass ein komplett neuer, ungesagter
Klang entsteht. Die künstlerische Arbeit fordert eine universelle
Parameterverformung — die Tonhöhe stellt dabei nur eine ebenbürtige Dimension dar.
Das Bedienungskonzept des Tonspielzeugs erlaubt ein direktes Berühren der akustischen Aufzeichnung mit der Hand. Somit ist es möglich in das Ton-Innere hineinzuwandern, um sich die akustischen Eigen-heiten seines zeitlichen Spektrum individuell zu nutze zu machen.
Jede kleinste Bewegung des Spielkörpers Ton erzeugt ein eigenständiges akustisches Ereignis, geschaffen aus ein und demselben Grundmaterial.
Diese Bewegungsflexibilität lässt also ein Gestaltungsprinzip zu, welches sich metaphorisch in der klassischen Gattung vieler bildender
Künste wiederspiegelt. Das Material ist bei einer kreativ-künstlerischen Verwertung immer eine Schnittstelle zwischen Mensch, Natur
und technischen Möglichkeiten.
Bewegungslehre Tonspielen
Die Deformation von Tonmaterial, welche nun letztlich der selben
künstlerischen Geste unterliegt, verwandelt Klänge nach der individuellen Vorstellung des Spielers. Durch
instrumentelle Handarbeit können Töne
somit ihren ursprünglichen psychoakustischen Funktionen enthoben werden und
erklingen widerum als etwas Anderes.
„Das Alte, [ ... ] was wir verlassen, wird
durch die Erfahrung dieses Neuen, [ ... ]
etwas ganz anderes; das Alte wird selbst
mitverwandelt, nicht etwa nur verjüngt,
sondern tatsächlich erneuert und erhält
magische Züge.“ Stockhausen
Stockhausen zeigte sich begeistert von
der Idee des Tonspielzeugs und den Überlegungen zur Bewegungslehre. Durch sein persönliches Interesse an der Entwicklung dieser
Arbeit verfolgte er das Projekt bis zu seinem Tode.
© Alexander Sonnenfeld
Über das Tonpielen
16 17 Bewegungslehre Tonspielen
Geschichte des
Tonspielens
2
Die Verfahrenstechniken der „musique concrete“, dessen Begründer Pierre Schaeffer
war gelten als die konzeptionelle Grundlage des Tonspielens.
Frisenius über die musique concrete: „Als
eine Kunst der fixierten Klänge ist die Musique concrète keinen a priori festgesetzten Einschränkungen ihres Klangmaterials
unterworfen, insbesondere nicht restriktiven Definitionen der Musik als Tonkunst.
Im Kontext fixierter Klänge entfällt eine
Pierre Schaeffer
Sonderstellung der Klänge mit eindeutig bestimmter Tonhöhe und verliert sogar auch eine dualistsche Unterscheidung zwischen Ton und Geräusch an Bedeutung, da neben der
Höhe (Materie) des Klanges auch sein zeitlicher Verlauf (die Form)
differenziert wird.
Daraus ergeben sich Konsequenzen für die Typologie nicht nur für
die Klänge selbst, sondern auch für die technischen Verfahren ihrer
klanglichen Veränderung: Klangtransformationen können die Materie primär oder die Form des Klanges tangieren.
Im ersteren Falle zum Beispiel spektrale Veränderungen durch reduzierende Filterung oder anreichernde Ringmodulation, im letzteren
zum Beispiel Rückwärtswiedergabe oder Zerhackung; beide Mög© Alexander Sonnenfeld
Geschichte
18 19 lichkeiten verbinden sich beispielsweise im Falle einer totalen Transposition, bei der sich gleichzeitig Tonlage und Ablaufgeschwindigkeit bzw. die Dauer verändern, während eine alleinige Veränderung
der Tonlageals Veränderung der Materie, die alleinige Veränderung
von Ablaufgeschwindigkeit, bzw. Dauer als Veränderung der Form
des Klanges einzustufen ist. Durch technische Manipulationen kann
sich das Hörphänomen eines Klangobjektes so stark ändern, daß seine ursprüngliche Identität ganz und gar verloren geht und ein neues
Klangobjekt entsteht.“ Frisenius
Bis aus dieser rein studiotechnischen Zubereitung des Tonmaterials eine echte Instrumentierungsvariante folgte dauerte noch einige
Jahre. Das nahtlose Ineinandermischen von Schallplatten, das etwa
1970 von dem amerikanischen DJ Francis Grosso erfunden wurde,
war einer der nächsten wichtigen Schritte.
Clive Campbell unternahm zwischen 1973 und 1975 den Versuch, die
sogenannten „Breaks“ eines Stückes zu verlängern. Er arbeitete mit
zwei Exemplaren der gleichen Platte und spielte kurze Rhythmuspassagen als „Loop“ hintereinander. Die „Breakbeats“ waren geboren
und wurden zum musikalischen Fundament einer der größten Jugendkulturen, dem Hip Hop.
Eine weitere Stufe, bei welcher der Plattenspieler als Instrument benutzt wurde, vollzog Joseph Saddler, alias Grand Master
Flash. Er blendete kleinere Soundelemente
und Rhythmuspassagen in laufende Musik,
was als sogenanntes „Punsh phasing“ bezeichnet wurde.
Erweitert wurde jene Technik durch das
„Backspinning“. Dabei wird die Schallplatte,
nachdem man einen Sound eingespielt hat,
schnell wieder an ihren Ausgangspunkt
Grandmaster Flash
zurückgezogen.
Somit war es dem DJ möglich, kurze Wortschnipsel mehrmals hintereinander in die Musik einzuspielen und das damit verbundene
Quietschen, beim Zurückziehen der Schallplatte gleichzeitig als ein
musikalisches Gestaltungsmittel zu verwenden.
Bewegungslehre Tonspielen
Die wohl wichtigste Entwicklungsetappe war allerdings die eher
zufällige Entdeckung des sogenannten „Scratching“. Diese etwa um
1976 gewonnene Erkenntnis ist dem aus
der Bronx (NY) stammenden Theodore
Levingston, alias Grandwizard Theodore
zuzuschreiben und bedeutet nichts anderes, als den Tonträger rhythmisch vor und
zurück zu bewegen. Jene Verfahrenstechnik, bei der aufgezeichnete Töne sprichwörtlich „angefasst“ wurden, legte in den
folgenden Jahren den Grundstein für eine
neue musikalische Kunstform — das Turntablism. Bis heute entwickelten sich dabei eine Vielzahl verschiedener Stile und
Grandwizard Theodore
zahlreiche Facetten.
Welche dieser Komponenten lassen sich nun aus den bereits erwähnten geschichtlichen Stationen herausfiltern, um zu sagen,
hier entfaltete sich ein Stil, der dem Anspruch eines wirklichen
Musizierens im Sinne traditionller Musik gerecht wird?
Als erstes gilt es festzuhalten, dass der Tonträger mithilfe der
Hand bewegt wurde, was an sich schon eine Neuheit darstellte
und im weiteren zu einer Zweckentfremdung des Plattenspielers
führte. Somit bestimmte nicht mehr allein die Maschine, sondern
die Hand des Menschen den Tonträgerverlauf.
Zu den Zeiten der „musique concrète“ konnten die Tonbänder
nicht mit der Hand festgehalten werden, um sie so vor oder zurück zu bewegen. Das Material konnte lediglich vorwärts bzw.
rückwärts abgespielt werden und alles geschah gewissermaßen
automatisch, wodurch kein direkter, kein individueller menschlicher Einfluss auf das Tonmaterial ausgeübt werden konnte.
Hingegen bot eine kreisförmige Vinylscheibe die Voraussetzung
dafür, um akustische Aufzeichnungen, oder besser gesagt Töne,
in gewisser Weise „anfassen“ zu können. Allerdings brauchte es
nach der Erfindung der Schallplatte noch eine ganze Zeit, bis man
sich diese Verfahrenstechnik zu nutze machte, denn logischerweise dachte zunächst niemand daran, die Bewegungsrichtung
© Alexander Sonnenfeld
Geschichte
20 21 oder Geschwindigkeit per Hand und direkt am Tonträger zu verändern. Wozu auch? Später, im Zuge der Entwicklung des Mixens
von Schallplatteninhalten, wurde mittels direktem Kontakt gearbeitet und das Einspielen von einer Platte in die nächste mit der zu
Hilfenahme der Hände wurde zur gängigen Praxis.
Ein zweiter Aspekt ist, dass neben der Vorwärtsbewegung des Tonträgers, die akustische Rückwärtsbewegung — ein eigentümlicher
Klang, der als musikalisches Gestaltungsmittel eine Berechtigung in
der populären Musik erlangte — Einzug hielt. Zwar stellte dies auch
schon vorher, in der „musique concrète“ein gängiges Verfahren zur
Klangverfremdung dar, aber eben nur automatisiert und nicht von
Hand gespielt.
Ein dritter ganz wesentlicher Punkt ist, dass im DJing bereits bewusst klare Bewegungsmuster zum spielerischen Repertoire gehörten. Beispielsweise wurde die Schallplatte immer wieder von
dem selben Ausgangspunkt gestartet und somit eine wiederkehrende instrumentelle Handlung erzielt.
Das bedeutet: Eine handeigene Instrumentalisierung wird in erster
Linie durch den bewegungsflexiblen Spielkörper Schallplatte möglich. Das sanfte, sensible Führen der Platte per Hand, ähnelt dabei dem Musizieren, mit traditionellen Instrumenten. Die sich nun
verändernde Umgangsform mit Plattenspielern und Mischpulten,
aus dem Antrieb heraus, neue Musik entstehen zu lassen, machte
daraus mehr und mehr ein Instrument.
Mit Beginn der 80 er Jahre reagierte auch die Industrie auf den stetig wachsenden Markt, der nach einem zunehmend künstlerisch ausgelegten Spielraum verlangte. Um so mehr sich DJ`s und Ingenieure
mit den bautechnischen Möglichkeiten dieser Instrumentarien auseinandersetzten, desto umfangreicher und besser wurde auch die
Spielbarkeit. Als einen gewissen Quantensprung sollte man wohl
die 1200 er Serie der Firma Technics betrachten. Diese berühmten
Plattenspieler beherbergten erstmalig die verschiedensten bautechnischen Funktionsmerkmale, mit welchen der DJ für sein Vorhaben
bestens gerüstet war. Neben einem speziellen elektromagnetischen
Motor, der den Plattenteller sofort wieder in Bewegung versetzte,
nachdem man ihn mit der Hand festhielt, sind vor allem ihre große
Bewegungslehre Tonspielen
Start / Stop- Taste, die besonderen Tonarmeund die Drehzahlfeinregulierung von - 8 % bis +8 % ihre Markenzeichen. Später folgten weitere Überlegungen hinsichtlich eines optimalen Tonarms und der
perfekten Abtastnadel.
Weiterhin entstanden aus großen Studiomischpulten kleinere robuste DJ - Mixer mit speziellen Schiebereglern und Funktionen, die
den effizienteren Umgang mit zwei Plattenspielern ermöglichten.
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Einführung
der Slipmats, durch welche das problemlose Hin- und Herbewegen
der Platte generell erst möglich wurde. Jene Scheiben aus Polysterin, die als Unterlage für die Schallplatten dienen, verringern die Reibung zwischen Tonträger und sich drehendem Plattenteller, welche
sonst direkt aufeinander aufliegen würden. Dieses Hilfsmittel stellte
die entscheidende Voraussetzung für die Spielbarkeit des Instruments und letztlich für die Entstehung des Turntablism dar. Nach
und nach baute man immer handhabungs-freundlichere Plattenspieler und Mischpulte, bei denen die Spielkörper explizit auf die spielerischen Bedürfnisse abgestimmt waren.
Parallel dazu wuchs auch die Auseinan- Bei der Entwicklung
dersetzung mit der musikalischen Appa- der Spielarten vieler
ratur und den sich daraus ergebenden traditioneller Instruspielerischen Möglichkeiten. Dabei ging mente ist es nicht
es vorerst noch nicht darum, sich über anders. Auch dabei
Melodien oder Harmonien Gedanken zu zeigen sich Entwickmachen, sondern lediglich um erste Fest- lungsprozesse,
legungen gewisser Spieltechniken, aus die nicht selten Jahrdenen dann eine kontrollierte Akustik hunderte andauern.
hervortrat.
Legt man die Geburtsstunde des Turntablism auf etwa Mitte der
70 er Jahre fest, so ist es nicht verwunderlich, dass bis dato das Ausprobieren nur erste, aber wichtige, autodidaktische Schritte waren.
Einer der großen Pioniere des Turntablism, Richard Quitevis aus San
Francisco, sagte in einem Interview, dass er die verschiedenen Spieltechniken und daraus entstehenden Klangformen für sich selbst insofern erklärt und weiterentwickelt, indem er sich fragt, wie wohl
die Musik auf anderen Planeten klingen würde.Scratch Mit dieser Vor© Alexander Sonnenfeld
Geschichte
22 23 stellung konnte Quitevis die Geräusche, Richard Quitevis, alias
die er mittels Plattenspieler und Misch- Q-Bert entwickelte
pult erzeugte in einen Kontext bringen eine Vielzahl der heute
und sich somit eine Art Klanguniversum gängigen Techniken des
Turntablism. Sein Label
erschaffen.
Man hatte also ein Instrumentarium ge- Dirtstyle Records ist
funden mit dem es möglich wurde, Klänge eines der bedeutendsten
zu erzeugen die es bis dahin so einfach im Bereich der reinen
noch nicht gab. Es wurde nach einem Faden Scratchplatten für das
gesucht, der unter bestimmten Aspekten Turntablisten.
weitergesponnen werden konnte.
„Selbstverständlich stellt sich dabei die Frage, ob es überhaupt Sinn
macht, einen Turntable als Musikinstrument oder den DJ als Musiker darzustellen. Im Laufe des 20. Jahrhunderts hat eine Fülle an Erneuerungen in den unterschiedlichsten Bereichen zu einer derartigen Vielfalt an Möglichkeiten zur Klangerzeugung geführt, daß die
Auseinandersetzung mit Hilfe dieser gewohnten Begriffe, die zum
großen Teil mit starken (historischen) Assoziationen behaftet sind,
der Thematik vielleicht nicht mehr gerecht werden können. Auf diesem Weg wird stellenweise sogar die Unzulänglichkeit dieser Begriffe
deutlich, jedoch kann nicht vordergründiger Zweck dieser Untersuchung sein, neue Begriffe einzuführen oder zu festigen.
Die Entwicklungen im Bereich moderner Musik haben ihren Bezug
zur Vergangenheit nie verloren und es ist durchaus angemessen, sie
auf der Basis entsprechender Termini zu beleuchten. Auch wenn es
noch nicht unbedingt gängige Sprachpraxis ist, DJ`s als Musiker darzustellen, oder Turntables als Musikinstrumente, ist es in vielen Fällen nicht unangemessen, sie jeweils in einem Atemzug zu nennen und
die Frage stellt sich, ob nicht erneut eine Umdeutung der Begriffe
des Musikers, Musikschaffens, Komponierens, und dergleichen stattgefunden hat.“Hein
Kapitel:
3
XXX
Bewegungslehre Tonspielen
To n s pi e l ze u g
Literaturangaben
Braun, Thomas M. : „Karlheinz Stockhausens Musik
im Brennpunkt ästhetischer Beurteilung“, Bosse, 2004.
Frisius, Rudolf: „Musique concrète, 1. Zur Terminologie und Theorie“
http://www.frisius.de/rudolf/texte/tx355.htm ( abgerufen: 26.12.2010 )
Giger, Peter: „Die Kunst des Rhythmus“
Schott Music, Mainz 2009, 6. Auflage, S. 50/51.
Hansen, Matthias: Arnold Schönberg – Ein Konzept der Moderne.
Kassel: Bärenreiter 1993.
Hein, Christoph: „Der Turntable als Musikinstrument“
http://www2.hu-berlin.de/fpm/popscrip/themen ( abgerufen: 04.01.2011)
Kurtz, Michael: „Stockhausen – eine Biographie“
Bärenreiter Kassel, Basel 1988.
Poschardt, Ulf: „DJ Culture. Diskjockeys und Popkultur“
Rogner & Bernhard, 1995.
Pray, Doug: „Scratch“
Dokumentation/DVD, Palm Pictures 2001.
Schönberg, Arnold: „Harmonielehre 1922“
Hrsg. : E. Klemm, Leipzig Edition Peters, 1977.
Weblinks
Birdy Nam Nam: „Absess“.
http://www.youtube.com/watch?v=qMYMC6atRoE
DMC World: DJ Championships.
http://www.youtube.com/watch?v=fFALzlh8ReE
DJ Q - Bert: Drumming. / Faderless scratching.
http://www.youtube.com/watch?v=rGJxlmswzw8
http://www.youtube.com/watch?v=laivfpJkdbc
Kid Koala: „Drunk Trompet“, Performance Maida Vale.
http://www.youtube.com/watch?v=YiSFxDJQU48
http://www.youtube.com/watch?v=cSd5XmAFRjM
DJ Pro-Zeiko: „Nervous Shock Juggle“.
http://www.youtube.com/watch?v=emBB6gz44YY
D-Styles: „Drumming“.
http://www.youtube.com/watch?v=YKRekgNT1Zw
© Alexander Sonnenfeld
24 25 Bewegungslehre Tonspielen
Das Tonspielzeug ähnelt dem äußeren
Anschein nach einer ­Symbiose aus
DJ-Mixer und Plattenspieler. Es besitzt
neben e­ inem d
­ irekt angetriebenen
Plattenteller, auf dem die Steuerplatte
aufliegt, hochwertige Schiebere­gler
( Cross- und Linefader) , welche den spieltechnischen Anforderungen gerecht
werden.
Das Gerät stellt eine Art SoftwareController dar, m
­ it dem ­digitale Musikstücke, Samples, oder Tonfragmente
innerhalb eines angeschlossenen Computersystems angesteuert werden
können.
Da es sich bei dem Instrument um eine
spieltechnische Erweiterung des DJing
und Turntablism handelt, soll speziell
dem traditionellen Bedienungskonzept
des DJings Rechnung getragen werden.
© Alexander Sonnenfeld
Intro
Qualität und Handhabung sowie die
Haptik der entsprechenden Oberflächen sind daher die oberste Priorität.
26 27 Bewegungslehre Tonspielzeug
Aufbau und Funktion
Aufbau und Funktion
Wie bereits erwähnt, geht diese Arbeit von dem Entwurf eines neuartigen Instrumentes aus, das im weiteren Verlauf als Tonspielzeug
bezeichnet wird. Es vereint Funktionen und akustische Möglichkeiten bestehender, technischer Komponenten auf dem Markt (siehe:
Literaturverweis). Da sich diese Arbeit ausschließlich mit einer darauf basierenden Musiktheorie beschäftigt, wird in den folgenden Erläuterungen ganz bewusst auf technische
Details verzichtet.
Anhand von kurzen
Grundlegend ähnelt das Tonspielzeug dem Videobeispielen wird die
Anschein nach einer Art Symbiose aus DJ Handhabung des InstMixer und Plattenspieler, denn die Funk- rumentariums an einem
tionen dieser zwei Geräte wurden zu einem ersten Testaufbau verkompakten Instrument zusammengefasst. anschaulicht. Funktionen
Es besitzt neben einem direkt angetrieben- und grundlegender Aufen Plattenteller hochwertige Schieberegler, bau dieses Modells stellen
die den spielerischen Anforderungen eines die Grundlage für die
DJ`s gerecht werden. Durch eine solche Erarbeitung eines notaBauweise wird dem traditionellen Bedie- tionellen Prinzips dar.
nungskonzept des DJing bzw. Turntablism
Rechnung getragen, wobei sowohl die Handhabung und Bedienungsfreundlichkeit, aber auch die Beschaffenheit der Oberflächen von besonderem Interesse sind.
Einer der wesentlichen Unterschiede zu gewöhnlichen Plattenspielern und Mischpulten besteht allerdings darin, dass es sich beim Ton© Alexander Sonnenfeld
28 29 spielzeug um einen Software-Controller handelt, durch den es möglich wird, digitale Musikstücke innerhalb eines, per Midi USB angeschlossenen Computersystems anzusteuern. Dies führt wiederum
zu einer enormen Erweiterung der musikalischen Möglichkeiten, die
nachfolgend kurz beschrieben werden.
Zum einen beschränkt sich das Ausgangsmaterial nicht nur auf
den jeweiligen Vinyl-Tonträger, sondern es kann jegliche Form
von Akustik zum Spielen genutzt werden. Zentraler Bestandteil
des Tonspielzeugs ist deshalb ein Computer mit großer Festplatte,
auf der das Tonmaterial systematisch in einer Sound-Bibliothek
hinterlegt und jederzeit wieder abgerufen werden kann.
Ein weiterer Unterschied zum herkömmlichen DJ-Set ist in der Tatsache begründet, dass durch die Bewegung der Fader weitaus mehr
gesteuert werden kann, als beispielsweise nur die Lautstärke. Genau genommen hat man uneingeschränkten Einfluss auf die verschiedensten Parameter, durch die das verwendete Tonmaterial in seinem
Klang verändert werden kann. Neben gängigen Einflussgrößen wie
Lautstärke, Klangfarbe und Raumbewegung können auch Frequenzen, Studioeffekte oder sonstige Modulationen durch die Bewegung
der Schieberegler gezielt verändert werden. Welcher Parameter angesprochen wird hängt von der Voreinstellung innerhalb der Software des Computers ab. Die Schieberegler (Fader) können nach Belieben mit verschiedenen Funktionen belegt werden.
Zusammengefasst kann man sagen, dass das Tonspielzeug Bearbeitungsprinzipien von digitalem Tonmaterial zulässt, die bisher
ausschließlich am Computer und per Mouseclicks automatisiert
abliefen. Nun kann sich die Frage stellen: Wozu solch ein Instrument, wenn doch letztlich der Computer alles umsetzen könnte?
Die Antwort ist einfach. Es geht um Musizieren — das Bestreben,
jede Nuance des Menschseins durch das Spielen an einem Instrument unmittelbar und authentisch zu offenbaren.
An genau dieser Stelle setzt das Tonspielen an — die Kunst, mit
akustischen Aufzeichnungen tatsächlich zu musizieren und letztlich nahezu jede erdenkliche Verfahrenstechnik der Audiobearbeitung per Handarbeit umzusetzen. Grundlegend funktioniert
dies jedoch nur durch das Vorhandensein entsprechender Spiel-
Bewegungslehre Tonspielzeug
körper am Instrument, mit denen die verschiedenen Prinzipien der
Audiobearbeitung humanisiert werden. Dies führt wiederum zu
einer neuen, und zugleich zukunftsweisenden Form der musikalischen Arbeit.
Zu den Spielkörpern: Das Abspielen des Vgl.: Die einzelnen SpielTonmaterials funktioniert, ähnlich einem körper können anhand
Plattenspieler, durch die Bewegung einer des Instrumenten-Baukreisrunden, der Schallplatte (Twelve plan auf dem beigefügten
Inch) nachempfundenen Steuerplatte.vgl. i Grafikblatt nachvollzogen
Die genaue Ausrichtung dieser Art Spiel- werden.
körper wird hochauflösend und echtzeitnah an den Computer gesendet. Die Software generiert aus den
Positionsdaten dann die flüssige Bewegung einer Audio-Aufzeichnung (überwiegend MP3 ) . In Korrespondenz mit den Daten der jeweiligen Fader (siehe unten) wird schließlich das Ausgangssignal erzeugt und über eine Soundkarte ausgegeben.
Die Steuerplatte kann entweder durch eine zuvor eingestellte Bewegungsrichtung bzw. Geschwindigkeit des Plattentellers vgl. l automatisiert verlaufen, oder aber sie wird durch die aufliegende Hand kontrolliert und dabei individuell bewegt. Eine speziell für das Instrument
gefertigte durchsichtige Slipmat ermöglicht das problemlose rutschen
der Steuerplatte auf dem Plattenteller. Die dadurch gegebene Bewegungsflexibilität ist die Voraussetzung für eine vollständig manuelle
Steuerung der Audioaufzeichnung durch die Hand. Traditionell
spricht man dabei, durch das rhytmische Vor- und Zurückbewegen
der Platte, vom sogenannten „Scratching“.
Die Steuerplatte besteht aus durchsichtigem Vinyl, dessen Bereiche
mittels einer Projektion unterschiedlich gefärbt werden können. vgl. j
Diese Funktion ist eine optische Hilfestellung, um die unterschiedlichen zeitlichen Etappen des Tonmaterials lokalisierbar zu machen
und mit ihnen arbeiten zu können. Detailierte Ausführungen hierzu
folgen im Kapitel Anatonie.
Die jeweilige Abspielgeschwindigkeit des Tonmaterials kann durch
die vertikale Bewegung des Crossfader vgl. g auf einer Schiene vgl.f während des Spielens automatisch reguliert werden. Somit ist es möglich während des Pitchens eines Tonmaterials gleichzeitig das Signal
© Alexander Sonnenfeld
Aufbau und Funktion
30 31 ein- und auszuschalten, sprich zu „cutten“. Bewegt man dabei den
Geschwindigkeitsregler vgl. f vom sogenannten Mittelwert ausgehend
nach oben, so erhöht sich die Ablaufgeschwindigkeit des Materials.
Wird er hingegen nach unten bewegt, so verringert sich diese. Der
notwendige prozentuale Spielraum, um in Folge dessen tempotonale
Veränderungen des Tonmaterials zu erwirken, richtet sich nach den
Voreinstellung im Computer.
Die Markierungspunkte am Geschwindig- Diese Voreinstellungen
keitsregler und das darüber angeordnete sind abhängig von einer
Display vgl. e erlauben dem Spieler das Ab- Art kompositorischem
lesen der konkreten Abspielgeschwindig- Prinzip, dass in dieser Arkeit des Materials. Je nach Voreinstellung beit unter dem Aspekt
können das Frequenzen, Prozentwerte, der Bewegungsstärke geoder auch ganz traditionelle Tonhöhen- nauer besprochen wird.
bezeichnungen sein.
Mittels verschieden ausgerichteter Schieberegler, also Crossfader vgl. g
und Linefader,vgl. c/d wird die Stärke der einzelnen Parameter des Tonmaterials reguliert. Dazu gehören beispielsweise die Lautstärke,
Frequenzen, Effektwege und Raumbewegungen. Je nach Bedarf kann
man die Schieberegler mit einem Parameter belegen. Dies geschieht
durch entsprechende Voreinstellungen innerhalb des Computersystems und kann als Projekt abgespeichert werden.
Der Faderweg ( Weg zwischen den Enden des Schiebereglers) eines
Linefaders beträgt 100 Millimeter, der Crossfaderweg hingegen ist
halb so lang. Die Verläufe des jeweiligen Hüllkurvengraphen, also
die Strecke, die ein Fader zurücklegt um einen Parameter voll einzublenden, gestalten sich für die einzelnen Schieberegler verschieden,
wie aus den zugehörigen Grafiken abzulesen ist.
Je nach Voreinstellung ist es möglich dafür ein bestimmtes Spektrum
festzulegen, das je nach Ausrichtung des Faders kontrolliert wird.
Der Verlauf der Hüllkurve kann ebenfalls individuell gestaltet werden, jedoch haben sich traditionell die zwei abgebildeten Verlaufsformen etabliert. Alle weiteren Betrachtungen gehen von dieser Einstellung aus.
Die Markierungspunkte an den Linefadern und das darüber angeordnete LCD Display vgl. b dienen der Darstellung von Stärkegraden. So
Bewegungslehre Tonspielzeug
Kapitel: 4
S – Notatio n
können je nach Voreinstellung Frequenzbereiche, Dezibelangaben
oder Prozentzahlen abgelesen werden die in Folge der Faderbewegung übergangslos angesteuert werden können. Der Hüllkurvengraph des Crossfaders hingegen erlaubt nur zwei Graduierungsstärken des Parameters, entweder den Minimal- oder den Maximalwert. In dem Zusammenhang spricht man von einem offenen Signal
(Maximalwert) bzw. von einem geschlossenen Signal (Minimalwert).
32 © Alexander Sonnenfeld
Bewegungslehre Tonspielzeug
Intro
35 © Alexander Sonnenfeld
Die S-Notation, dient der schriftlichen
Aufzeichnung instrumenteller Bewegungsvorgänge an den Spielkörpern
des Tonspielzeugs ( Schieberegler und
Steuerplatte) . In Abhängigkeit von
den Voreinstellungen, können damit bestimmte musikalische Parameter des
verwendeten Tonmaterials beeinflusst
werden. Die daraus entstehende Verfremdung des akustischen Ausgangsmaterials wird als Tonspielen bezeichnet
und ist Gegenstand der musikalischen
Handlung.
S - Notation
Bewegungslehre
Über die S –Notation
Der Klang des Tonspielzeugs, und auch die musikalische Funktion der
einzelnen Spielkörper können nicht verallgemeinert werden. Durch
dieses Instrument ist man in der Lage, mit jeder Form von Akustik
zu spielen, ganz gleich ob es sich dabei um Töne, Geräusche, oder
um Beatfragmente handelt. Die hörbare Konsequenz des Tonmaterials, infolge ineinander greifender Bewegungsvorgänge an den jeweiligen Spielkörpern, hängt immer davon ab, auf welchen Parameter Einfluss genommen wird. Alles unterliegt den Voreinstellungen
durch den Instrumentalisten — Er präpariert das Tonspielzeug ganz
individuell nach seinen Vorstellungen. Welche Schlussfolgerungen
ergeben sich nun für eine schriftliche Aufzeichnungsmethodik dieser
musikalischen Arbeit?
Zum einen entfällt, wie es in der traditionellen Musik üblich ist, ein
fest definierter Tonumfang für das Liniensystem, da selbst mit Material gearbeitet werden kann, dass sich einer tonalen Lokalisierung komplett sperrt. Darüber hinaus unterliegt jeder Tonkörper seiner vormusikalischen Zubereitung, weil erbereits erzeugt
wurde. Letztlich wird er durch das Tonspielen nur „verbogen“
bzw. zu etwas Neuem transformiert. Die damit verbundenen
Auswirkungen für solch einen akustischen Zeitkörper müssen
deswegen innerhalb der Notenschrift berücksichtigt werden.
Weiterhin ist es auch notwendig nicht nur mögliche tonale Veränderungen, sondern jeden denkbaren Effekt, welcher heutzutage
© Alexander Sonnenfeld
36 37 bzw. zukünftig in der Tontechnik die Klangeigenschaften des Tonmaterials beeinflussen kann, zu beschreiben, wie beispielsweise
Lautstärke, Frequenzen, Modulationen, Raumbewegungen, und
sonstige Audiobearbeitungseffekte.
Unter all diesen Bedingungen und Möglichkeiten muss zuerst das
Funktionsmerkmal der instrumentellen Tätigkeit simplifiziert werden, um so die Grundlagen eines schriftlichen Gebrauchsmusters
zu finden. Dieses besteht darin, dass jegliche Manipulation der
Klangeigenschaften aus der Bewegung von Spielkörpern entsteht.
Die S-Notation (Bewegungsnotation) dient ausschließlich der notationellen Aufzeichnung solcher mechanischen Bewegungsvorgänge an den Spielkörpern des Tonspielzeugs. In Abhängigkeit der
Präparation des musikalischen Werkzeugs (zugewiesenes Tonmaterial und Einflussgrößen für die Spielkörper) ergibt sich konsequenterweise ein Klangresultat.
Um einen „bewegten“ Klang möglichst originalgetreu zu reproduzieren bedarf es zweier Informationen. Zum einen, den Klang an sich,
und zum anderen die instrumentelle Ausführungsanweisung. In der
klassischen Notenschrift sind diese beiden Informationen stets fest
miteinander verbunden, weil die Bewegung eines bestimmten Spielkörpers immer an eine feste Tonhöhe gebunden ist und somit der
Klang aus dem Notenbild erlesen werden kann.
Die Verwendung von Tonmaterial lässt eine solche Technik jedoch
nicht zu, weshalb die Bewegungsnotation (S-Notation) lediglich den
instrumentellen Handlungsablauf beschreibt. Herkömmliche akustische Aufzeichnungen dienen nun der konkreten Klangniederlegung.
4
Bewegungslehre
S - Notation
Komponenten
Komponenten
der Bewegungsnotation
Farbliche Bewegungen
Bewegungen an den Spielkörpern Crossfader oder Linefader
zur Klangmanipulation durch Klangfarbenänderung.
Räumliche Bewegungen Bewegungen an den Spielkörpern Crossfader oder Linefader
zur Klangmanipulation des Tonmaterials durch Verteilung im
Raum ( Mono / Stereo / Quadrophonie ).
Effekt Bewegungen Bewegungen an den Spielkörpern Crossfader oder Linefader zur
Klangmanipulation durch Effektwege / gemischte Parameter.
Beim Tonspielen wird das Material nicht unmittelbar erzeugt, sondern vielmehr mit ihm gespielt. Wir spielen mit dem Ton, einer Art
Zeitkörper, der schon „stattgefunden“ hat und der ergriffen und modelliert werden kann. Wir verwandeln Energie, betreiben Kunst am
Objekt und manipulieren die ursprüngliche Klangcharakteristik um
etwas Neues daraus entstehen zu lassen. Aufgrund der Fülle von
Bearbeitungsmöglichkeiten, welche das Instrumentarium bereit hält,
ist es unerlässlich im Vorfeld eine Art Ordnungsprinzip für die Bewegungslehre zu entwerfen. Dazu wird die Arbeit an den unterschiedlichen Spielkörpern zunächst entsprechend ihrer Einflussnahme auf einen bestimmten musikalischen Parameter unterteilt. Die Parameterbewegungen fassen alle instrumentellen Handlungen an den Spielkörpern zusammen, die das Tonmaterial in seinem ursprünglichen Klang
verfremden:
Akustische Bewegungen Bewegungen am Spielkörper Steuerplatte / Plattenteller
zur Klangmanipulation durch Richtungsänderung.
Dynamische Bewegungen
Bewegungen an den Spielkörpern Crossfader oder Linefader zur Klangmanipulation durch Lautstärkeänderung.
© Alexander Sonnenfeld
38 39 Jede der Parameterbewegung übt unterschiedlichen Einfluss auf das
Tonmaterial aus und verändert so das ursprüngliche Klangbild. Die
akustische Bewegung ist hierbei von größter Bedeutung, da sich alle
anderen Einflussgrößen darauf beziehen bzw. von dieser abhängig
sind. Parameterbewegungen werden in Bewegungsformen untergliedert. Sie sind die Kompositionsgrundlage der instrumentellen Tätigkeit, die es im weiteren Verlauf notationell zu beschreiben gilt. Dabei wird prinzipiell in zwei Arten von Formen unterschieden, welche
zugeich die Grundlage der Bewegungsmuster darstellen:
Einfache Bewegungen Die einmalige Bewegung eines Spielkörpers mit dem Ziel einer bestimmten Klangverfremdung des Ausgangsmaterials. Dazu gehört
die Vorwärtsbewegung oder Rückwärtsbewegung der Steuerplatte,
und auch das Einblenden oder Ausblenden eines Parameters.
Ganze Bewegungen
Die einmalige Zusammenführung der beiden entgegengesetzten Einfachen Bewegungen eines Spielkörpers zu einem Ganzen. Dies sind
Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen der Steuerplatte, oder auch
das Ein- und Ausblenden eines Parameters. Die Verbindung unterliegt bestimmten Gesetzmäßigkeiten und legitimiert sich einzig aus
der Spielpraxis. Das damit verbundene Gestaltungsprinzip besitzt
Bewegungslehre
S - Notation
Komponenten
eine besondere akustische Signifikanz, was sich zu einem späteren
Zeitpunkt dieser Arbeit noch verdeutlichen wird. Deshalb werden
die Ganzen Bewegungen als eigenständige Bewegungsform notationell dargestellt.
a
Parameterbewegungen
Jede Art von Bewegungsform besitzt aufgrund ihrer individuellen
Bewegungskriterien eine einzigartige Architektur. Anhand der Aufbaumerkmale ist es möglich den Bewegungsvorgang genau zu definieren und dadurch jederzeit reproduzierbar zu machen. Diese Kriterien sind wie folgt aufgeschlüsselt und sind allgemeingültig für alle
Parameterbewegungen:
Bewegungsrichtung
Bezeichnet die Verlaufsrichtung einer Parameterbewegung.
Bewegungsdauer
Bezeichnet den Zeitwert einer Parameterbewegung.
Bewegungsstärke
Bezeichnet die Graduierung eines Parameter.
Bewegungscharakteristik
Bezeichnet die Verlaufsform einer Parameterbewegung.
Die S - Notation ist eine Symbolsprache, aus der sich alle Kriterien einer Bewegungsform ablesen lassen. Wie auch in der klassischen
Notation wird die graphische Gestalt der Symbolik und die Positionierung der Zeichen innerhalb eines speziell aufgeschlüsselten
Liniensystems zu Grunde gelegt.
Die Übersicht auf der nebenstehenden Seite erfasst noch einmal
alle besprochenen Komponenten der Bewegungsnotation in einer
Art Stammbaum. Alle folgenden Analysen beziehen sich auf die darin zusammengefassten Aspekte. vgl.a
© Alexander Sonnenfeld
Komponenten der Bewegungsnotation
40 Akustische
Bewegungen
Dynamische
Bewegungen
Farbliche
Bewegungen
Räumliche
Bewegungen
Steuerplatte
Cross- / bzw.
Linefader
Cross- / bzw.
Linefader
Cross- / bzw.
Linefader
Manipulation
der Verlaufsrichtung
Manipulation
der Lautstärke
Manipulation
der Klangfarbe
Manipulation der
Raumwahrnehmung
41 Bewegungsformen
Einfache Bewegungen Ganze Bewegungen Gruppierungen
Bewegungskriterien
Bewegungsrichtung
Bewegungsdauer
Bewegungsstärke
Charakteristik
Richtung
der Parameterbewegungen
Zeitwert
der Parameterbewegungen
Intensität
der Parameterbewegungen
Verlauf
der Parameterbewegungen
Bewegungslehre
S - Notation
Aufzeichnungsmethodik
Aufzeichnungsmethodik
Im Kontext der modernen Instrumentalmethodik ergeben sich durch
das Tonspielen akustische Möglichkeiten, die ganz neuartige Formgestaltungsprinzipien im Umgang mit Tönen und Musik zulassen.
Die nun folgenden grundlegenden Analysen, dazu gehören sowohl akustische als Im Turntablism und
auch visuelle Beispiele, werden an einem DJing gehört dieses Maspeziell ausgesuchten Tonmaterial vorge- terial seit Anbeginn zu
nommen. Hierbei handelt es sich konkret den beliebtesten Scratchum den Sample „fresh“ der Phrase: „ahhh, Samples und stellt daher
this stuff is really fresh“ von der B-Seite insbesondere für Turn„Change the beat“ des Künstlers Fab Five tablisten eine aufschlussFreddie aus dem Jahr 1982.
reiche Referenz dar.
Dieser spezielle Ton wird als repräsenta- Allein im Internet lassen
tives Muster für die anstehenden Analy- sich dazu eine Vielzahl
sen verwendet.
von Variationen finden.
Im Vorfeld sind jedoch einige Angaben
zum Aufbau dieses Materials erforderlich. Der Sample hat den Zeitwert einer Viertel bei einer Ablaufgeschwindigkeit von 100 % und
einem Tempo von 75 bpm. Dies entspricht ungefähr einer Länge
von 0,8 Sekunden.
Um die jeweiligen akustischen Folgen zu visualisieren sind die meisten notationellen Beispiele der Bewegungslehre an entsprechende
graphische Schwingungsverläufe gekoppelt.
© Alexander Sonnenfeld
Anhand der Kurvenverläufe können die Auswirkungen der verschiedenen Transformationsprozesse eindeutig nachvollzogen werden.
Desweiteren kennzeichnen nummerierte Videosymbole ( ) jeweils
eine zugehörige Filmsequenz, in der zu sehen und zu hören ist, wie
sich die entsprechende Ausführung am Tonspielzeug gestaltet. Sie
zeigen das gesamte instrumentelle Handlungsbild der notationellen
Aufgabenstellungen in Bezug auf den Beispielton.
Dabei wird die jeweilige Handarbeit an der Steuerplatte bzw. den
Schiebereglern sowohl zusammen, als auch getrennt voneinander
dargestellt, um die einzelnen Bewegungsetappen unabhängig voneinander studieren zu können.
Begleitend zum Handbuch sind diese Videosequenzen auf der Internetseite: www.alexandersonnenfeld.com zu finden.
42 43 Kapitel: 5 – 9
A ku s ti sc h e B e w eg u ng e n
Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
Elementare Vorraussetzung der musikalischen Arbeit ist ­die Bewegung des
Tonmaterials als solches, sprich die
akustische Bewegung. Durch sie wird
die aufgezeichnete Akustik erst hörbar
und kann anschließend durch die
Bewegung der anderen Spielkörper
moduliert werden.
Da die Steuerplatte bewegungsflexibel
ist, kann das Tonmaterial sowohl in
variablen Bewegungsgeschwindigkeiten
und Zeitwerten, als auch vorwärts,
oder rückwärts ­abgespielt werden.
Folglich erhält jedes akustische Ereignis
auch ein rückwärtiges Äquivalent. Das
Tonmaterial wird sozusagen gespiegelt
und dadurch entsteht eine gleichberechtigte Akustik. Je nach der Beschaffenheit des Tonmaterials klingt diese
immer verschieden, wodurch sich die
© Alexander Sonnenfeld
Intro
46 47 Klangvielfalt in einer gewissen Art und
Weise verdoppelt.
Durch die Bewegungen der Steuerplatte
wird das Tonmaterial zum Spielkörper.
Akustik wird haptisch und die eigentliche
psychoakustische Funktion kann mittels
verschiedenster Spieltechniken transformiert w
­ erden. Eine zweckgebundene
und funktionsorientierte Aufbereitung
der „Rohmasse“ wird somit möglich.
Beispielsweise kann die aufgezeichnete
Stimme eines Menschen so instrumentalisiert werden, d
­ ass ­daraus ein gewöhnlicher Basslauf entsteht, oder zuvor
aufgezeichnete Vogelstimmen werden in
Flötentöne verwandelt, und umgekehrt.
Das Tonspielen ist eine Methode zur
Herstellung v­ on Akustik aus bestehendem Tonmaterial, welches in jede gewünschte Gestalt gebracht werden kann.
Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
49 Die Bewegungsrichtung beschreibt die
Verlaufsrichtung der Steuerplatte des
­Tonspielzeugs, die sowohl vorwärts, als
auch rückwärts durch zwei elementare
­Spielarten praktisch ausgeführt werden
kann. Aus der Kombinatorik dieser sogenannten Einfachen akustischen Bewegungen ergeben sich weitere Formen,
die in Ganze akustische Bewegungen
oder Gruppierungen gegliedert werden.
5
Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
Bewegungsrichtung
Einfache akustische Bewegung (vorwärts)
Einfache akustische Bewegung (rückwärts)
50 © Alexander Sonnenfeld
51 Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
Bewegungsrichtung
Einfache akustische
Bewegungen
a
Einfache akustische Bewegung (vorwärts)
15
0
-15
Sekunden
Bewegungsvorgang
In Abhängigkeit der jeweiligen Bewegungsrichtung gestalteten sich
die akustischen Konsequenzen der Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen grundlegend sehr verschieden, was auch durch die unterschiedlichen graphischen Schwingungsverläufe des Beispieltons verdeutlicht wird. vgl. a / b
Bei der praktischen Ausführung dieser Be- Bei der getragenen
wegungen wird prinzipiell in zwei Arten un- Spielart entscheidet
terschieden. Die geschobene Spielart, bei die automatisierte
der die Steuerplatte allein durch die auflie- Verlaufsrichtung der
gende Hand vor oder zurück bewegt wird, Steuerplatte darüber,
und die getragene Spielart, wobei die Platte welche Bewegungsformen automatisiert
automatisiert abläuft.
Bei der geschobenen Spielart legt man für ohne Handeinwirkung
gewöhnlich die Hand links von der Platten- verläuft. Diese kann
aufhängung auf, um eine Bewegungshand- im Vorfeld eingestellt
und auch während
lung durchzuführen.
Es gibt auch einige Sonderspielarten, bei des Spiels wieder
denen rechts von der Aufhängung agiert verändert werden.
wird, wodurch sich die praktische Ausführung der Plattenbewegungen nicht nur allein auf diese beiden Standarts beschränkt. Um jedoch den Umfang dieser grundlegenden Betrachtungen vorerst nicht zu überziehen werden solche Sonderfälle
erst in der aufbauenden Literatur beschrieben. Wie bei jedem anderen Musikinstrument auch gibt es eine Vielzahl individueller Spiel© Alexander Sonnenfeld
b
52 0.2
0.4
0.6
0.8
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KHz / Sekunden)
Einfache akustische Bewegung (rückwärts)
15
53 0
-15
Sekunden
Bewegungsvorgang
0.2
0.4
0.6
0.8
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KHz / Sekunden)
arten, und zusätzliche Artikulationen, die jedoch für eine Grundlagenbetrachtung keine Relevanz haben.
Die klare Differenzierung der beiden Spielarten hat verschiedene
Hintergründe, allen voran die Tatsache, dass die geschobene Bewegung immer anders klingt als eine getragene, obgleich beide die selben Bewegungskriterien vorweisen. Dabei spielt die Anlaufzeit, also
genau der Moment in dem die Steuerplatte vom Ruhezustand in Aktion versetzt wird, aber auch der Abschluss, bei dem diese wieder
zum Stillstand gebracht wird, eine wichtige Rolle für das Klangbild.
Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
Da eine getragene Bewegung sofort und konsequent in der ausgewählten Ablaufgeschwindigkeit startet, besitzt sie eine sogenannte Gleichförmige Bewegungscharakteristik ohne Fehler oder
spielerische Unsauberkeiten. Bei der geschobenen Bewegung hingegen entstehen durch die analoge Bedienung zwangsläufig minimale Abweichungen zu der ursprünglich angedachten Geschwindigkeit.
Inwieweit sich die Akustik beider Arten voneinander unterscheidet, hängt überwiegend von den spielerischen Fertigkeiten des
Tonspielers ab, denn die virtuose Kontrolle über das Bewegungsgeschehen durch einen dafür sensibilisierten Muskelsinn der Hand,
erfordert jede Menge Training.
Um die Richtung einer akustischen Bewegung notationell zu kennzeichnen benötigt es zwei Schriftzeichen. Für die geschobene Vorwärtsbewegung wird die Symbolik einer klassischen Note mit abgewandeltem Notenkopf verwendet. Aus der Spiegelung des Zeichnens ergibt sich wiederum ein rückwärtiges Äquivalent, sprich die
geschobene Rückwärtsbewegung, die als Eton betitelt wird (rückwärts
Note). vgl. c/d
Die jeweilige Ausrichtung der Köpfe verrät Bei einer handschriftdie Richtung der Bewegung, wobei je nach lichen Aufzeichnung der
Höhenlage innerhalb des Liniensystems der geschobenen Spielart
Hals, wie in der traditionellen Notation, ab wird der Noten-, bzw.
der 3. Linie nach unten, bzw. unterhalb der Etonenkopf oft nur als
3. Linie nach oben hin an den Kopf ange- diagonaler Strich an
zeichnet wird. Die Kennzeichnung der ge- den Hals gezeichnet.
tragenen Spielart stellt sich genauso dar, Dies beschleunigt das
nur wird hierbei zur eindeutigen Differen- Schreiben und fördert
zierung der Symbole ein runder Noten- zudem die Lesbarkeit
kopf verwendet um somit ein graphisches im Vergleich mit den
Unterscheidungsmerkmal zur geschobe- Notenköpfen der
nen Spielart zu erzielen.vgl. e
getragenen Spielart.
Anhand der Stielung ist zu erkennen, ob
die Steuerplatte vorwärts oder rückwärts bewegt wird. Bei Noten,
wird ab der 3. Linie der Hals nach unten gezeichnet und links vom
Kopf angebracht. Befinden sie sich unter der 3. Linie, wird der Hals
© Alexander Sonnenfeld
Bewegungsrichtung
c
Einfache akustische Bewegung (geschobene Note)
15
0
-15
Sekunden
54 0.4
0.6
0.8
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KHz / Sekunden)
geschobene 1/4 Note
d
0.2
Einfache akustische Bewegung (geschobene Eton)
15
55 0
-15
Sekunden
geschobene 1/4 Eton
e
0.2
0.4
0.6
0.8
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KHz / Sekunden)
Einfache akustische Bewegung (getragene Note / Eton)
getragene 1/4 Note
getragene 1/4 Eton
www.alexandersonnenfeld.com
Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
Bewegungsrichtung
nach oben hin gezeichnet und an der rechten Seite des Kopfes angefügt. Für Etonen gilt die umgekehrte Schreibweise.
Die übrigen Kriterien (Dauer, Stärke, Charakteristik) werden im
Folgenden nur auf die Symbolik der geschobenen Plattenbewegung
angewendet, da sich der Grundtonus darauf bezieht „Töne mit den
Händen anzufassen“.
Eine gezielte Veränderung solcher Kriterien ist auch mittels der getragenen Spielart möglich und führt widerum zu einem eigenem
akustischen Ausdruck.
56 © Alexander Sonnenfeld
Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
Bewegungsrichtung
Ganze akustische
Bewegungen
Die Verbindung beider einfachen Bewegungen zu einem Muster
wird als sogenannte Ganze akustische Bewegung bezeichnet. Diese
Art der Gruppierung stellt ein elementares Gestaltungsprinzip der
musikalischen Arbeit dar. Unter Einhaltung der hierfür erforderlichen Kriterien entsteht daraus eine Akustik, die typisch für das Tonspielen ist. Hierbei handelt es sich um den typischen Scratch-Sound,
welcher neben aller Individualität der verwendeten Tonmaterialien
die einzige signifikante Klangcharakteristik dieses Instrumentariums
darstellt.
Deswegen ergibt sich aus der Zusammenführung der jeweligen entgegengesetzt verlaufenden Einfachen akustischen Bewegungen eine
Bewegungsform, die durch eine ganz eigene Symbolik definiert wird.
Elementare Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die beiden Einzelbewegungen identische Kriterien aufweisen (Dauer, Stärke, Charakteristik) und denselben anatonischen Start und Endpunkt besitzen.
Natürlich handelt es sich bei dieser Maßregelung nur um einen wahrnehmungs-theoretischen Idealfall, dem es spielerisch weitestgehend
zu entsprechen gilt.
© Alexander Sonnenfeld
Ganze akustische Bewegung (vor- /rückwärts)
58 59 Ganze akustische Bewegung (rück- /vorwärts)
Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
Betrachtet man die graphischen Schwingungsverläufe, welche sich
unter Anwendung des Beispieltons ergeben, wird dies offensichtlich.
Es sind klar voneinander abgetrennte Intensitäten, die aus einer geschobenen Bewegung resultieren. vgl. a / b
Beide Ganzen akustischen Bewegungen sollen jeweils eine Viertel
Zählzeit lang sein. Demnach beträgt die Bewegungsdauer der jeweiligen Einfachen Bewegung theoretisch immer ein Achtel. Betrachtet
man jedoch die voneinander abgetrennten Intensitäten, so sind zeitliche Unterschiede erkennbar. Sie ergeben sich aus der geschobenen
Bewegung und sind in erster Linie abhängig von den spielerischen Fähigkeiten des Instrumentalisten. Doch gerade dieser Umstand macht
die akustischen Konsequenzen des Tonspielens so interessant.
Die Hörbeispiele verdeutlichen die großen Unterschiede beider Bewegungsformen. Der Ausgangspunkt der Bewegungen, bezogen auf
die zeitliche Verlaufstrecke des Tonmaterials, hat erheblichen Einfluss auf den damit verbundenen Höreindruck. Alle bisherigen Beispiele bezogen sich darauf, dass der Tonkörper im Falle der Note
vom Einklang aus, und im Falle der Eton bis zum Einklang hin bewegt
wird. Beim Spiel anderer zeitlicher Positionierungen entstehen stets
veränderte Klangbilder. Diese Thematik wird später unter dem Aspekt Anatonie näher erläutert, ebenso, wie eine dem entsprechende
notationelle Lösung.
Die Zusammenführung einer Note sowie einer darauffolgenden
Eton, also eine Vorwärts- mit einer anschließenden Rückwärtsbewegung, wird als Noteton (Note + Eton) bezeichnet. vgl. a
Die notationelle Symbolik dieser Bewegung besteht ebenfalls aus
Notenkopf und Notenhals, jedoch in einer anderen graphischen
Anordnung. Die Erstbewegung ist, wie es der Name schon verdeutlicht, die Note. Es wird ein nach rechts oben zeigender Notenkopf gezeichnet.
Um zu kennzeichnen, dass es sich um eine Noteton handelt und
nicht um eine Note, wird der Hals am unteren Ende des Kopfes
angebracht und nach oben hin gezogen, sobald die Ganze akustische Bewegung im unteren Bereich des Liniensystem eingezeichnet wird. Ab der 3. Linie wird der Hals nach unten hin gezogen
und an dem oberen Ende des Kopfes angebracht. Das Gegen© Alexander Sonnenfeld
Bewegungsrichtung
a
Ganze akustische Bewegung (geschobene Noteton)
15
0
-15
Sekunden
Noteton (Note+Eton)
b
60 0.2
0.4
0.6
0.8
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KHz / Sekunden)
Ganze akustische Bewegung (geschobene Etonote)
15
61 0
-15
Sekunden
Etonote (Eton+Note)
0.2
0.4
0.6
0.8
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KHz / Sekunden)
stück zur Noteton ist die Verkettung von Eton und Note, die entsprechend der bisherigen sprachlichen Logik zufolge als Etonote
(Eton + Note) bezeichnet wird. vgl. b Dabei wird sich wiederholt der
Spiegelung bedient, um den entgegengesetzten Bewegungsverlauf zu kennzeichnen.
Alle bisher vorgestellten Bewegungsformen (Note, Eton, Noteton
und Etonote) wurden am Beispiel einer Viertel Bewegungsdauer
aufgezeigt. Vier unterschiedliche Interaktionen an der Steuerplatte,
welche in ein und demselben Zeitrahmen ausgeführt werden und dabei jeweils verschiedenartige Klänge erzeugen.
Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
In der traditionellen Musiknotation bezieht sich der Begriff der Zählzeit oder Dauer auf die Länge eines Ton. Durch die beschriebenen
Bewegungsformen ist es nun möglich verschiedene Akustik aus ein
und demselben Tonmaterial zu generieren.
Dabei ist zu beachten, dass das Resultat Diese Tatsache stellt
solch einer Bewegung keineswegs in Äqui- den entscheidenden
valenz zu der eingetragenen Bewegungs- Unterschied dar und ist
dauer stehen muss. Beispielsweise könnte zugleich der theoretieine Viertel Note nur einen Achtel Ton in sche Grundsatz der Besich tragen, der zudem auch noch rück- wegungslehre. Demwärts aufgezeichnet wurde. Unter diesen zufolge ist das kleinste
Vorraussetzungen bedarf es einer Analyse Element der musikalides jeweiligen Tonmaterials im Vorfeld je- schen Tätigkeit nicht der
der Instrumentalisierung (nähere Erläute- einzelne Ton, sondern
die einzelne Bewegung.
rungen folgen unter Anatonie).
Zu diesem Zeitpunkt kann Folgendes
festgehalten werden: Es gibt vier elementare Bewegungsformen,
die alle für sich eine eigene Symbolik besitzen und als Kompositionsgrundlage dienen. Beim Vergleich der graphischen Schwingungsverläufe der vier kennengelernten Bewegungsformen in der
jeweiligen Anwendung auf den Beispielton, zeigt sich die unterschiedliche Verlagerung der Intensitäten des originalen Tonmaterials. (Einfache- / Ganze akustische Bewegungen S.55/61)
Daraus ergeben sich aufschlussreiche akustische Gebilde, deren
Schwerpunkte, von Bewegungsform zu Bewegungsform immer
etwas anders ausfallen können. Insbesondere bei der Arbeit mit
komplexen Melodiebögen, Geräuschen und gesprochenen Sätzen
oder rhythmischen Figuren, werden besondere Klangformen entstehen.
Die hörbare Konsequenz einer Plattenbewegung ist also in erster
Linie immer abhängig von der Beschaffenheit des Ausgangsmaterials. Durch die Bewegung dieser „akustischen Zeit“, abgespeichert auf Materie, entsteht ein interessanter neuartiger Impuls
für den Umgang mit Musik.
In diesem Zusammenhang ist die Tatsache erwähnenswert, dass das
Ausgangsmaterial vom Spieler ohne weiteres selbst hergestellt wer© Alexander Sonnenfeld
Bewegungsrichtung
den kann. So können sich durch die Vorproduktion des Ausgangsmaterials, das explizit auf die instrumentellen Handlungsabläufe abgestimmt wurde, neue Möglichkeiten der Transformation ergeben.
Ein damit verbundener musikalischer Zweck, der letztlich aus der
eigentlichen Instrumentation gewonnen wird, trifft gleichermaßen
eine künstlerische Aussage.
Beispielsweise lassen sich durch die heutigen Möglichkeiten der Aufzeichnungsmethodik rhythmische Überlagerungen und Strukturen
vorbereiten, die praktisch gesehen „nicht spielbar“ wären. Mit dieser,
allein durch den kreativen Horizont des Spielers eingegrenzten Aussicht, eröffnen sich neue Möglichkeiten für die Tonkunst.
62 63 Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
65 Bewegungsdauer Die akustischen Bewegungen können in verschiedenen Zeitwerten ausgeführt werden. Um solche
schriftlich zu kennzeichnen wird sich
wiederholt an den formalen Gesetzmäßigkeiten der traditionellen Notation
orientiert. Durch kleine Striche, die an
den Hals der Bewegung angezeichnet
werden, bzw. durch das Vollausschwärzen, oder nur Umranden des Kopfes
werden die Zeitwerte der Bewegungsformen kenntlich gemacht.
6
Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
Bewegungdauer
Bewegungsdauer
a
Einfache akustische Bewegungen
1/8 Note
b
In der Tabelle der folgenden Seite sind die Zeitwerte der einzelnen
Bewegungsformen systematisch dargestellt. S.68 Zudem wurde beispielhaft der entsprechende Bewegungsradius der Platte visualisiert, wobei eine Ableitung der absoluten
Bewegungsdauer immer nur in Verbindung Hinweis: Um bei der
mit einer konkreten Tempoangabe erfol- Ausnotierung zu kenngen kann, da die Zeitwerte selbst nur das zeichnen, dass die
Verhältnis der Bewegungslängen zueinan- einzelnen Bewegungen
der zeigen.vgl. a /b
einer zusammenhänDie folgenden orthographischen Gesetz- genden Verlaufsstrecke
mäßigkeiten gelten bei der notationellen der Platte unterliegen,
Aufzeichnung: Bei Noten und Notetonen werden diese mittels
werden die am Hals angezeichneten Striche des anatonischen
(Zeitwerte) immer nach rechts ausgerich- Bogens verbunden.
tet. Im Falle der Etonen sowie Etonoten immer nach links. Ausnahmen ergeben sich nur, sobald mehrere Bewegungen als eine Gruppierung zusammengefasst und miteinander
verbalkt werden. In solchen Fällen ist die rhythmische Ordnung entscheidend, welche die Ausrichtung der Anstriche vorgibt.
Neben den Ganzen akustischen Bewegungen befindet sich die Ausnotierung, welche die entsprechenden Einfachen Bewegungen offenbart, aus denen sie sich zusammensetzen. Dabei zeigt sich eine theoretische Gesetzmäßigkeit, die eine Verwendung der Symbolik von
© Alexander Sonnenfeld
66 67 1/8 Eton
Ganze akustische Bewegungen
1/8 Noteton
1/8 Etonote
Ganzen Bewegungen betrifft: Die Symbole Noteton bzw. Etonote
dürfen nur dann verwendet werden, wenn die Bewegungskriterien
der jeweiligen Einzelbewegungen, also der Bewegungsdauer, -Stärke
und -Charakteristik, identisch zueinander sind. Wie bereits besprochen maßregelt diese theoretische Vorgabe einen Idealfall dem es
bei der praktischen Ausführung am Instrument so gut es geht zu entsprechen gilt.
Wie auch in einer klassischen Notation ist es möglich, mittels Punktierungen, Bindestrichen und Haltebögen Zeitwerte darzustellen, welche durch die herkömmliche Symbolik nicht notierbar wären. Dies
gilt ebenso für die Ganzen akustischen Bewegungen, bei denen dann
die jeweiligen Einzelbewegungen zu gleichen Teilen verlängert werden um so der Gesamtzählzeit zu entsprechen.
Bewegungslehre
Zeit
Note
Systematik der akustischen Bewegungen
Bewegung
1/1
1/2
1/4
1/8
1/16
1/ 32
1/ 64
© Alexander Sonnenfeld
Eton
Bewegung
Noteton ›
Bewegungdauer
Ausnotierung
Bewegung
Etonote ›
Ausnotierung
Bewegung
Pausen
Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
71 Die Bewegungsstärke beschreibt die
Ablaufgeschwindigkeit der Steuerplatte.
Durch dieses Kriterium wird Einfluss auf
die Tonhöhe des Materials genommen.
Der Fachbegriff hierfür lautet: „Pitchen“
( Tonhöhe) . Diese Art der Tonhöhenbeugung steht immer in einem festen
physikalischen Zusammenhang zu dem
tatsächlichen Zeitwert des Arbeitsmaterials und muss auch notationell
berücksichtigt werden.
7
Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
Bewegungstärke
Bewegungsstärke
Bei einer Erhöhung der Bewegungsstärke verkürzt sich der originale Zeitwert des Materials, bei einer Verringerung weitet er sich aus.
Durch diese Begleiterscheinung verändert sich auch der Gesamteindruck des Klanges. Ein sehr anschauliches Beispiel dafür ist die sogenannte „Mickey-Maus-Stimme“, welche bei elektronisch hochtransponierten Tonaufnahmen entsteht.
Dieser zwangsläufigen Begleiterscheinung kann allerdings unter Anwendung des Time-Stretch-Effektes entgegengewirkt werden. Bei dieser rechnerisch aufwendigen, scheibchenweisen Bearbeitung, werden
extrem kurze zeitliche Abschnitte der Tonschwingungen schneller abgespielt und da- Mögliche Störungen
raufhin so dupliziert, dass sich die Länge des können Grain-, oder
Klanges nicht merklich verändert.
Verhallungs-Artefakte
So eine Tonhöhenänderung, oder zeitliche sein, die das Original
Streckung kann allerdings nur in gewissen hörbar verfremden.
Grenzen realistisch klingen. Werte ab 15 % Gelegentlich können
Prozent Abweichung vom Original produ- solche auch als Effekte
zieren deutlich hörbare Störgeräusche.
genutzt werden.
Wichtig für einen naturgetreuen Klang von
beispielsweise menschlichen Stimmen oder Gesang nach der Tonhöhenänderung ist die Aufrechterhaltung der Formanten. Das meint
Eigenresonanzen des Sprachapparates, die bei einer Tonhöhenveränderung für gewöhnlich verschoben werden, und in dessen Folge
© Alexander Sonnenfeld
72 73 sich eine starke Verfremdung ergibt. In der Bewegunglehre sind solche akustischen Transformationen jedoch durchaus gewollt und treffen in dem Zusammenhang eine eigene künstlerische Aussage.
Aufgrund der Bewegungsfreiheit der Steuerplatte ergibt sich ein unendlich großer Spielraum um das Tonmaterial in seiner Tonhöhe zu
beugen. Die Steuerplatte kann mit der Hand extrem langsam, oder
sehr schnell bewegt werden. Bei der getragenen Spielart ist es zudem möglich die gewünschte Bewegungsstärke durch den Geschwindigkeitsregler prozentual zu regulieren.
Somit lassen sich konkrete Tonhöhen relativ einfach aus dem Ausgangsmaterial ableiten. Denn durch die Veränderung der prozentualen Abspielgeschwindigkeiten eines reinen Tones kann dieser in
andere Stärken transponiert werden. Die Tabelle der folgenden Seite
zeigt dies beispielhaft anhand der Ausgangstonhöhe c.vgl. S.74
Allerdings ist es erheblich schwieriger, konstante Geschwindigkeiten zu erzielen, wenn die Steuerplatte manuell durch den Spieler bewegt wird. Eine perfekte Bewegungskontrolle über den Spielkörper
und nicht zuletzt ein absolutes Gehör sind grundlegenden Voraussetzungen, um das Ausgangsmaterial transponieren zu können. Das
Bedienungskonzept des Tonspielzeugs sieht es jedoch vor — ähnlich einer Klaviertastatur — schon im Vorfeld spezifisch festzulegen,
welche Werte durch die geschobene Spielart in der Folge anspielbar
gemacht werden.
Diese Hilfestellung gleicht der Funktion vieler traditioneller Musikinstrumente, deren Spielkörper darauf ausgerichtet sind, Tonhöhen
komfortabler greifen bzw. sehen zu können. Wie das beim Tonspielzeug funktioniert, wird zu einem späteren Zeitpunkt in aufbauender
Literatur beschrieben. Zunächst gilt es ein Notationsmodell unter
Berücksichtigung entsprechender Möglichkeiten zu entwerfen.
Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
Bewegungstärke
Transponierung eines reinen Tones (Tonhöhe c`)
Intervall Ton
Herz (Hz)
absolut
OktaveOktave
c``
523,25
200,0 %
Große Große
Septime
Septime h`
493,88 188,8 %
Kleine Septime
Kleine Septime b`
466,16
178,2 %
Große Große
SexteSexte a`
440,00
168,2 %
Kleine Sexte
Kleine Sexte gis`
415,30
158,7 %
QuinteQuinteg`
392,00 149,8 %
Tritonus
Tritonus fis`
369,99 141,4 %
QuarteQuartef`
349,23 133,5 %
Große Terz
Große Terz e`
329,63 126,0 %
Kleine Terz
Kleine Terz es`
311,13
118,9 %
Große Große
Sekunde
Sekunde d`
293,66 112,2 %
Kleine Sekunde
Kleine Sekunde
cis`277,18
105,9 %
Prime Prime c`261,63
100,0 %
Kleine Sekunde
Kleine Sekunde h
246,94
94,40 %
Große Große
Sekunde
Sekunde b
233,08 89,10 % Kleine Terz
Kleine Terz a
220,00 84,10 %
Große Terz
Große Terz gis
207,65
79,40 %
QuarteQuarteg
196,00
74,90 %
Tritonus
Tritonus fis
185,00
70,70 %
QuinteQuinte
f
174,61
66,70 %
Kleine Sexte
Kleine Sexte e`
164,81
63,00 % Große Große
SexteSexte es
155,56
59,50 %
Kleine Septime
Kleine Septime d
146,8356,10 %
Große Große
Septime
Septime dis
138,59
53,00 %
OktaveOktavec
130,81
50,00 %
© Alexander Sonnenfeld
relativ
100,0 %
88,8 %
78,2 %
68,2 %
58,7 %
49,8 %
41,4 %
33,5 %
26,0 %
18,9 %
12,2 %
5,90 %
0,00 %
-5,60 %
-10,9 %
-15,9 %
-20,6 %
-25,1 %
-29,3 %
-33,3 %
-37,0 %
-40,5 %
-43,9 %
-47,0 %
-50,0 %
74 Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
Bewegungstärke
Tonales Prinzip
a
Tonales Prinzip
f2
g1
G-Schlüssel
c1
G-S-Schlüssel
f
G
Gemäß den besprochenen technischen Bedingungen und dem Vorhandensein eines akustischen Arbeitsmaterials, dass über eine reine
Tonhöhe verfügt, ist es simpel, ein notationelles Prinzip für ein tonales Spiel festzulegen. Erneut werden dabei formale Gesetze der klassischen Notenschrift übernommen. Innerhalb eines Liniensystems
werden entsprechende Tonhöhen (Bewegungsstärken) anhand der
Positionierung der akustischen Bewegungen im Koordinatensystem
abgeleitet.
Um zu kennzeichnen, dass die S-Notation verwendet wird, muss
eine originäre Aufschlüsselung angewendet werden. Dabei handelt es sich um den sogenannten S-Schlüssel, der zu Beginn jeder
Notenzeile eingetragen wird. Dieser Buchstabe S (lat. „spatium“
bedeutet: Weg), steht im physikalischen Sinn für die Bewegung
und kennzeichnet die grundlegendste Parameterbewegung, die
akustische Bewegung. Auf diese bezieht sich letztlich auch das
klangliche Einwirken der übrigen Einflussgrößen. Infolge dieser
Aufschlüsselung beschreibt das Liniensystem ausschließlich Plattenbewegungen, die am Tonspielzeug ausgeführt werden.
Nun bieten sich zwei verschiedene Prinzipien an, nach denen festgelegt wird, welche Tonhöhe die Linien und Zwischenräume repräsentieren. Deshalb müssen sich auch die Systemschlüssel (S-Schlüssel)
durch eine entsprechende graphische Form ein wenig voneinander
unterscheiden. Das erste Prinzip, wird als tonales Prinzip bezeichnet
© Alexander Sonnenfeld
F-Schlüssel
76 F-S-Schlüssel
77 und orientiert sich an der klassischen Reglementierung des Liniensystems. Das heißt: Wie der klassische Violinen-Schlüssel deutet der
G-S-Schlüssel auf die Tonhöhe g1. Bei der Kennzeichnung des Tonumfangs von dem darunterliegenden Bassschlüssels, deutet der sogenannte F-S-Schlüssel logischerweise dann auf die f-Linie. Somit ergibt
sich jeweils ein Referenzton, aus dessen Positionierung sich die Lage
der anderen Töne ableiten lässt.
Um eine Kommunikation mit traditionellen Musikern zu ermöglichen, werden die wichtigsten formale Gesetzmäßigkeiten (Pausen, Hilfslinien, Versetzungszeichen, Taktarten, etc.) aus der bisher gängigen Notation auf die S-Notation übertragen. Im Sinne
der klassischen Tonalität ist nun die Tatsache interessant, dass
jede Tonhöhe eine Gegenbewegung besitzt. Die entsprechende
Tonhöhenbenennung fällt somit entweder positiv (Noten) oder
aber negativ (Etonen) aus.
Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
Nach diesem Prinzip würden sich demzufolge die Stammtonreihen im Sinn der Bewegungslehre gestalten.vgl. b/c In Abhängigkeit
der Klangfarbe des Ausgangsmaterials entstehen daraus immer
unterschiedliche akustische Konsequenzen. Die Beschaffenheit des Tonmaterials ist elementar, um diese klassische Reglementierung des Liniensystems, sprich das tonale Prinzip
für die musikalische Arbeit zu gebrauchen. Das bedeutet konkret:
Es muss eine reine Tonhöhe aufweisen bzw. über eine lokalisierbare
Stimmung, oder einen entsprechenden Grundton verfügen. Um das
Ausgangsmaterial in unterschiedliche Tonhöhen zu transponieren
(dazu gehören ebenso mikrotonale Intervalle) ist natürlich eine genaue Analyse der erforderlichen Bewegungsstärken notwendig. Für
die angestrebten technischen Möglichkeiten des Tonspielzeugs steht
dafür eine Software zur Verfügung, die solche Werte abhängig von
dem Tonmaterial automatisch berechnet.
Jedoch sind tonal definierbare Klänge nur ein kleiner Bruchteil von
dem, was theoretisch als Quelle verwendet werden könnte. Geräusche, Klänge oder auch ganze Phrasen (Beatfragmente, Stimmen
und Laute), sprich Material, dass sich einer tonalen Lokalisierung im
traditionellen Sinne komplett sperrt, sind in diesem Zusammenhang
besonders interessant.
© Alexander Sonnenfeld
Bewegungstärke
b
Stammtonreihe für Noten
Höhe
c
78 79 c'
d'
e'
f'
g'
a'
h'
c''
-g'
-a'
-h'
-c''
Stammtonreihe für Etonen
Höhe
-c'
-d'
-e'
-f'
Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
Bewegungstärke
Effektives Prinzip
Nach welchem Reglement kann nun ein Tonumfang für tonal undefinierbares Material organisiert werden, und wie kann den Linien und
Zwischenräumen des Notationssystems in diesem Sonderfall eine
Bedeutung zugeordnet werden?
Die Lösung dieser Fragen ist individuell und dabei ganz einfach: Abgestimmt auf das persönliche Hörempfinden! Im Vorfeld wird also für
den verwendeten Klang individuell eine Art Tonumfang festgelegt, der
als ‚harmonisch‘ empfunden wird. Man spricht dabei vom effektiven
Prinzip der Tonhöhengestaltung.
Danach werden alle notwendigen Bewegungsstärken konzipiert und
infolge dessen den Linien und Zwischenräumen der Höhe nach entsprechende Werte zugewiesen. So entsteht eine Art individuelle Gebrauchstonleiter für die Komposition. Als Zentralton des Bezugssystems dient die originale Ablaufgeschwindigkeit (Bewegungsstärke
100%). Ausgehend davon können tempotonale Verringerungen und
Erhöhungen abgeleitet werden.
Damit kann Folgendes festgehalten werden: Nachdem die Funktion der Spielkörper des Tonspielzeugs individuell auf das Tonmaterial abgestimmt wurden, wird auf dieselbe Weise mit dem notationellen Ordnungsprinzip verfahren. Alles unterwirft sich dabei
der Persönlichkeit des Materials und dem, was man damit anfangen möchte. Die akustisch-instrumentelle Universalität des Tonspielzeugs lässt kein anderes Ordnungsprinzip zu.
© Alexander Sonnenfeld
80 81 Daher ist es auch unbedingt erforderlich Die Entwicklung der
das Klangbild des entsprechenden Tonma- klassischen Musik unterterials kennen zu lernen. Denn gerade aus liegt einem ähnlichen
dem Spiel heraus ergeben sich die eigent- Prinzip. Jede Kultur und
lichen, wichtigen Erfahrungswerte darüber, jede Zeit begehrt das,
was effektiv klingt.
was als harmonisch,als
Bedenkt man, dass nahezu alle klassisch er- inspirierend und fortzeugten Töne auf die jahrhundertelange Be- schrittlich empfunden
kanntschaft mit dem menschlichen Gehör wird und richtet die
zurückgreifen, so legitimiert sich diese Be- technischen Möglichtrachtungsweise ebenso für eine Bekannt- keiten entsprechender
schaft mit „Neuen Tönen“. Es gilt in diesem Instrumente darauf aus.
Zusammenhang erneut Hören zu lernen.
Ein wesentlicher Bestandteil jeder Form von Systematisierung ist die
kommunikative Grundlage. Es geht nun also um die Benennung effektiver Bewegungsstärken durch Buchstaben, wie man es von der traditionellen Tonhöhenbezeichnung her kennt, wobei jedoch eine andere
Methodik verwendet wird.
Der Tonumfang des effektiven Prinzips ist in drei Liniensysteme aufgeteilt, die vom Tonspieler nach Bedarf verwendet werden können.
Diese werden ebenfalls durch den Buchstaben S, bzw. S- und ein darüber, oder darunter stehenden Balken aufgeschlüsselt. Dadurch unterscheiden sie sich in ihrer graphischen Gestalt von den S-Schlüsseln
des tonalen Prinzips, weil sie nicht auf eine festgelegte Tonhöhe deuten und dadurch auch nicht, wie in der traditionellen Notation einen
immer gleichen Tonhöhenumfang festlegen. Durch diese Unterschei-dung erhalten Linien und Zwischenräume beider Prinzipien
verschiedene Bedeutungen.
Im oberen effektiven System werden Bewegungen eingetragen, welche in einer höheren Bewegungsstärke gespielt werden, worauf der
S-Schlüssel mit dem aufgesetzten Balken hindeutet. Im unteren Liniensystem, aufgeschlüsselt durch den S-Schlüssel mit
darunter stehendem Balken, werden die verringerten Stärken eingezeichnet. Der bloße S-Schlüssel beschreibt folglich das dazwischen
liegende Liniensystem, auf dessen 3. Linie solche Bewegungen eingezeichnet sind, die Auskunft darüber geben, dass das Tonmaterial mit
Bewegungslehre
100% Ablaufgeschwindigkeit (M) erklingt, also dem eigentlichen Originalwert.vgl. a
Das Prinzip verdeutlicht sich bei Betrachtung eines beispielhaften
Tonumfangs. Es wird dabei in 24 verschiedene Stufen unterschieden,
nach denen die Bewegungsstärken individuell eingeteilt und entsprechend benannt werden können. Für eine bessere Anschauung unterliegt der beispielhafte Tonumfang einer schrittweisen Veränderung
von jeweils 10% Abspielgeschwindigkeit (ausgenommen A – C).vgl. a
Wie bereits angesprochen, unterliegt jedes Tonmaterial einer vormusikalischen Zubereitung, die in erster Linie einen festen Zeitwert
beschreibt. Im Beispiel hat der Exemplar-Ton die Dauer von einem
Viertel in der Bewegungsstärke (M) bei 75 bpm. Das entspricht etwa
0,8 Sekunden.
Durch die Veränderung der Abspielgeschwindigkeit dehnt sich dieser Zeitwert entweder aus oder zieht sich zusammen. In den oberen
Zahlenreihen ist die Veränderung des tatsächlichen Zeitwertes je
nach prozentualer Erhöhung oder Verringerung der Bewegungsstärke angegeben.
Die Ausweitung bzw. Verminderung des tatsächlichen Zeitwertes des Tonmaterials ist eine wichtige Einflussgröße, die in der notationellen Arbeit intelligent gelöst werden muss. Es stellt sich
die Frage, wie die zeitlichen Konsequenzen komfortabel aus dem
Schriftbild herausgelesen werden können. Außerdem beziehen
sich die theoretischen Berechnungen bisher nur auf eine gleichförmige Verlaufscharakteristik an der Steuerplatte, sprich einem
gleichbleibenden Betrag der Abspielgeschwindigkeit einer akustischen Bewegung. Jedoch ist die praktische Umsetzung so einer
Bewegung in Form der geschobenen Spielart eine echte Kunst
und kann leicht verfehlt werden. Im Kapitel Anatonie wird darauf
näher eingegangen und versucht, alle spielerischen Eventualitäten zu berücksichtigen.
© Alexander Sonnenfeld
Bewegungstärke
Systematik der akustischen Bewegungen
a
Bewegungsstärke für Noten und Etonen
oberes System
mittleres System
unteres System
Noten
Note
82 A
B
C
D
E
F
G
H
I
10 %
20 %
30 %
40 %
50 %
60 %
J
K
70 %
80 %
L
M
N
O
P
Q
R
S
T
U
V
W
X
Y
140 % 150 % 160 % 170 % 180 % 190 % 200 % 210%
220%
83 Stärke
0%
2,5 % 5,0 %
90 % 100 %
Original
Verringerung
Dauer
Eton
Etonen
0 s
-A
32 s
-B
16 s
8,0 s
4,0 s
2,66 s
-C
-D
-E
-F
2,0 s 1,60 s 1,33 s 1,14 s
-G
-H
-I
-J
110 %
120 % 130 %
Erhöhung
1,00 s 0,88 s 0,80 s 0,72 s 0,66 s 0,61s -K
-L
-M
-N
-O
-P
0,57 s 0,53 s 0,50 s 0,47 s 0,44 s 0,42 s 0,40 s 0,38s 0,36s
-Q
-R
-S
-T
-U
-V
-W
-X
-Y
Bewegungslehre
Die Benennung der
Linien und Zwischenräume
ist auch durch Frequenzwerte möglich.
Der Tonumfang kann auch
durch Halbtonale Erhöhung
bzw. Verringerung der Bewegungsstärken erweitert
werden. Dazu werden an die
entsprechenden akustischen
Bewegungen die Zeichen + / –
angefügt und die jeweiligen
Stufen erhöhen bzw. verringern sich jeweils um die Hälfte
ihrer Differenz zur nächst
höheren Bewegungsstärke
(außer A).
Bewegungstärke
Systematik der akustischen Bewegungen
Die Frage nach einem entsprechenden Ordnungsprinzip ist in
erster Linie immer eine Frage des Materials. Der Gedanke der
Bewegungslehre bezieht sich auf das Gleichnis aller tonalen und
atonalen Baumaterialen, weshalb jede Art von Stimmung gleichberechtigt ist. Alles ist Ton-formbar!
Jedes akustische Ereignis, sprich jeder hörbare Moment wird als eigenständiges „Lebewesen“ betrachtet um es durch die Manipulation in etwas Neues zu transformieren. Jedes Teil Akustik kann
wertvoll sein und zudem durch individuelle Merkmale bzw. einer eigenen Entstehungsgeschichte entscheidend zur kompositorischen Idee beitragen. Der Austragungsort, der Spieler, das Instrument, die Aufnahmesituation und viele weitere Einflussgrößen machen das Baumaterial absolut einzigartig.
Beispielsweise ist es ein großer Unterschied ob ein Trompetenton,
mit dem gespielt wird, ursprünglich von Louis Armstrong stammt
oder nur durch einen herkömmlichen Synthesizer imitiert wurde.
Wie in jeder Kunst ist Material nicht gleich Material. Die Liebe zum
Ton ist ein entscheidender Faktor.
84 Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
87 Bewegungscharakteristik: Da es
sich bei der Steuerplatte um einen bewegungsflexiblen Spielkörper handelt,
kann die Verlaufscharakteristik einer
akustischen Bewegung nach Belieben
gestaltet werden. Die dabei ineinander
fließenden Bewegungsstärken führen zu
tempotonalen Konsequenzen für das
Tonmaterial. Um die Vielzahl von Verlaufsformen zu systematisieren werden
in der Bewegungslehre grundlegend
zwei Arten von Charakteristiken unterschieden.
8
Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
Bewegungscharakteristik
gleichförmige Charakteristik
ungleichförmige Charakteristik
akustische Bewegung
akustische Bewegung
89 Bewegungsstärke
Bewegungsstärke
88 Bewegungsdauer
© Alexander Sonnenfeld
Bewegungsdauer
Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
Bewegungscharakteristik
Gleichförmige
Bewegungscharakteristik
a
gleichförmige Bewegungscharakteristik (Note)
15
0
-15
Sekunden
© Alexander Sonnenfeld
b
90 0.4
0.6
0.8
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KHz / Sekunden)
geschobene 1/4 Note
Die gleichförmige Bewegungscharakteristik definiert sich durch einen
gleichbleibenden Betrag an Bewegungsstärke, unabhängig davon,
ob die Platte nun durch die geschobene oder getragene Spielart gesteuert wird. Zwischen diesen beiden Techniken ergeben sich jedoch
zwangsweise akustische Unterschiede wie bereits bei unter Bewegungsrichtung (Kapitel 5 ) angedeutet wurde. Aus der getragenen
Spielart resultiert gewisser Maßen immer eine reine gleichförmige
Bewegungscharakteristik unter der Vorraussetzung, dass die Steuerplatte selbständig läuft und die Ablaufgeschwindigkeit nicht zusätzlich beeinflusst wird.
Bei der geschobenen Spielart hingegen, sind die spielerischen Fertigkeiten maßgeblich, wobei sich aber klare Grenzen ergeben, denn die
Platte kann nur so weit vor oder zurück bewegt werden, wie es der
Arm zulässt. Deshalb wird bei längeren Bewegungsdauern in erster
Linie die getragene Spielart angewendet. Obgleich die akustischen
Konsequenzen für das Material klar sein sollten, gilt es nochmals das
vorliegende Anwendungsspektrum notationell zu definieren. Nur so
ist die systematische Abhandlung des letzten Bewegungskriteriums
gewährleistet. Es steht die Analyse einer akustischen Bewegung an,
welche in einer gleichförmigen Charakteristik gespielt wurde. vgl. a/b
0.2
gleichförmige Bewegungscharakteristik (Eton)
15
91 0
-15
Sekunden
Geschobene 1/4 Eton
0.2
0.4
0.6
0.8
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KHz / Sekunden)
Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
Bewegungscharakteristik
Ungleichförmig lineare
Bewegungscharakteristik
a
lineare Verringerung
15
0
-15
Sekunden
© Alexander Sonnenfeld
b
92 0.4
0.6
0.8
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KHz / Sekunden)
Verringerung
Alle Formen ungleichförmiger Bewegungscharakteristiken erfordern
Zusatzsymboliken. Aufgrund der Fülle von Möglichkeiten, wie sich
entsprechende Verlaufscharakteristiken gestalten können, werden
an dieser Stelle nur die grundlegendsten Formen angesprochen. Bei
der Betrachtung der ersten Form ungleichförmiger Charakteristiken spricht man entweder von einer linearen Verringerung oder linearen Erhöhung. vgl.a/b
Die Positionierung der akustischen Bewegung innerhalb des Liniensystems definiert die Bewegungsstärke (M), von der aus die
ungleichförmige Bewegung gestartet wird. Die anhängende Zusatzsymbolik deutet entsprechend ihrer graphischen Gestalt auf
die Verlaufscharakteristik.
Die Position des anhängenden Bewegungspunktes definiert die
Endstärke, bei linearer Verringerung von (M) 100 % bis (I) 60 % ,
bei linearer Erhöhung von (M) 100 % bis (S) 160 % . Bei einer Verringerung der Bewegungsstärke dehnt sich der Tonkörper aus.
In dem vorliegenden Fall von 0.8 Sekunden auf ungefähr 0.9 Sekunden. Beim Spielen einer Viertel Dauer würden demnach 0.1
Sekunden des Materials fehlen. Bei der Erhöhung hingegen zieht
sich der Tonkörper zusammen und wird entsprechend kürzer —
beispielhaft von 0.8 auf 0.61 Sekunden.
Anhand der Abbildung des Schwingungsverlaufs der Linearen Erhöhung wird ersichtlich, dass die Ausführung der Viertel Bewegungsdauer die dabei entstehende Pause von 0.19 Sekunden beinhaltet.
Ein erstes Beispiel aus dem ersichtlich wird, dass der Zeitwert einer
Plattenbewegung nicht zwangsläufig in Äquivalenz zu einer daraus
hervortretenden Akustik stehen muss.
0.2
linerare Erhöhung
15
93 0
-15
Sekunden
Erhöhung
0.2
0.4
0.6
0.8
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KHz / Sekunden)
Es wird also nocheinmal deutlich, dass im weiteren Verlauf klar gekennzeichnet werden muss, welche zeitlichen Folgeerscheinungen
sich aufgrund der Veränderung der Abspielgeschwindigkeitfür das
Tonmaterial ergeben. Schließlich ist die daraus resultierende Akustik
davon abhängig. Bei einer Veränderung der Bewegungsstärke von
gleichförmigen Bewegungen können solche Auswirkungen sehr einfach berechnet werden. Jedoch gestaltet sich das bei ungleichförmigen Verlaufscharakteristiken viel schwieriger. Daher wird im nächsten Kapitel eine Aufzeichnungsmethodik vorgestellt, welche die zeitlichen Konsequenzen für das Tonmaterial adäquat umschreibt und
alle spielerische Eventualitäten berücksichtigt.
Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
Bewegungscharakteristik
Kombinatorik
a
Fallbeispiele für zweifache lineare Kombinatorik
Verringerung & Erhöhung
b
Aus der Kombinatorik einer linearen Verringerung mit der linearen
Erhöhung innerhalb einer Bewegungsdauer bzw. umgekehrt, ergeben sich weitere Varianten ungleichförmiger Bewegungscharakteristiken. Je nach Anzahl der Kombinatoriken entspringen dabei Figuren, welche das Klangbild des Tones unterschiedlich verformen. In
der nebenstehenden Übersicht sind einige Beispiele dafür zu finden,
wobei die Ausnotierung aus der die Einzelbestandteile des jeweiligen
Verlaufs erkennbar werden hinzugefügt wurde. vgl.a – c
Bei der 3-fachen Kombinatorik ist darin eine Zusatzsymbolik zu erkennen. Gemeint ist die unter dem S-Liniensystem eingezeichnete
Ziffer 3. vgl.b
Sie deutet auf eine Wertaufteilung hin, was die Teilung einer geraden
Bewegungsdauer in 3 gleichlange Zeitwerte bedeutet. Demzufolge
verdeutlicht die Ausnotierung, dass der Gesamtzeitwert der Kombinatorik von 3 ungleichförmigen Charakteristiken in einem Zeitwert
von Zweien gespielt wird, um der eingetragenen Gesamtdauer von
einem Viertel zu entsprechen. In der traditionellen Musik entspricht
dies einer Achtel-Triole. Sie deutet auf eine Wertaufteilung hin, was die
Teilung einer geraden Bewegungsdauer in 3 gleichlange Zeitwerte
bedeutet. Demzufolge verdeutlicht die Ausnotierung, dass der Gesamtzeitwert der Kombinatorik von 3 ungleichförmigen Charakteristiken in einem Zeitwert von Zweien gespielt wird, um der eingetragenen Gesamtdauer von einem Viertel
© Alexander Sonnenfeld
94 Erhöhung & Verringerung
Fallbeispiele für dreifache lineare Kombinatorik
95 Verringerung & Erhöhung & Verringerung
c
Erhöhung & Verringerung & Erhöhung
Fallbeispiele für vierfache lineare Kombinatorik
Verringerung & Erhöhung (Zweimal)
Erhöhung & Verringerung (Zweimal)
Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
Bewegungscharakteristik
Ungleichförmige
nonlineare
Bewegungscharakteristik
a
nonlineare Bewegungscharakteristiken
12
15
0
-15
Sekunden
0.2
0.4
0.6
0.8
logarithmische Verringerung
13
15
Eine weitere Form der ungleichförmigen Bewegungscharakteristik
stellt die nonlineare Verringerung bzw. Erhöhung der Bewegungsstärke
dar. Hierbei ergeben sich jeweils zwei grundlegende Methoden. Die
erste Variante wird als logarithmische Verringerung bzw. Erhöhung betitelt und ist gekennzeichnet durch einen unmittelbaren Abstieg bzw.
Anstieg der Ablaufgeschwindigkeit des Tonmaterials. Bei Betrachtung der notationellen Abbildung erklären sich die entsprechenden
Verläufe fast schon von selbst. vgl.a Die anhängende Zusatzsymbolik visualisiert den nonlinearen Verlauf der Plattenbewegung. Die eingetragene akustische Bewegung
definiert die Ausgangsstärke (M), von welcher die Verringerung bzw.
Erhöhung im nachfolgenden ausgeht.
Anhand der Position des Bewegungspunktes wird die Endstärke, bei
nonlinearer Verringerung (M) 100 % bis (I) 60 % , bei nonlinearer Erhöhung (M) 100 % bis (S) 160 % erkennbar. Der Schwingungsverlauf
und die entsprechenden Hör- und Videobeispiele verdeutlichen die
daraus entstehenden Klangverfremdungen des Ausgangsmaterials.
Die zweite angesprochene Variante wird als exponentielle Verringerung bzw. Erhöhung bezeichnet.vgl.a Im Gegensatz zur vorhergehenden Form kennzeichnet sie sich durch eine mehr zum Ende hin
an- bzw. absteigende Ablaufgeschwindigkeit. Wie gehabt wird
dies durch eine entsprechend angehängte Symbolik verdeutlicht.
Obgleich die Ausgangsstärke (siehe: akustische Bewegung), als
© Alexander Sonnenfeld
0
-15
96 97 Sekunden
0.2
0.4
0.6
0.8
logarithmische Erhöhung
14
15
0
-15
Sekunden
0.2
0.4
0.6
0.8
exponentielle Verringerung
15
15
0
-15
Sekunden
exponentielle Erhöhung
0.2
0.4
0.6
0.8
Schwingungsverläufe des Beispieltons (KHz / Sekunden)
Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
Bewegungscharakteristik
auch die Endstärke (siehe: Bewegungspunkt) gegenüber der logarithmischen Charakteritik identisch sind, ergibt sich eine andersartige akustische Konsequenz.
Anhand der Hörbeispiele sowie der Abbildung des graphischen
Schwingungsverlaufs wird dies deutlich. Die praktische Ausführung der aufgezeigten Verlaufsformen erfordert ein hohes Maß
an spielerischem Können. Der sich am Instrument befindliche Monitor, auf dem der Verlauf der akustischen Bewegung in Echtzeit
visualisiert werden kann, bietet dabei eine große Hilfestellung.
Das LCD Display zeigt zusätzlich die jeweiligen Graduierungsstärken an, die entsprechend der notationellen Vorgabe eingehalten werden müssen.
98 © Alexander Sonnenfeld
Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
Bewegungscharakteristik
Kombinatorik
a
Kombinatorik (Verringerung + Erhöhung)
exp. Verringerung & exp. Erhöhung
b
Bei einer Kombinatorik nonlinearer Verlaufsformen ergeben sich
wellenförmige Charakteristiken, wie aus den nebenstehenden Notenbildern ersichtlich wird. Aufgrund der Vielfalt von möglichen Verbindungsvarianten wurde die Ausarbeitung im Folgenden auf die zweifach Kombinatorik beschränkt.vgl.a/b
Unter den aufgezeigten Figuren lassen sich Kombinatoriken erkennen, welche optisch gesehen einer Haifischflosse ähneln, bzw. einer
entsprechend horizontalen, oder auch vertikalen Spiegelung. Durch
die Ausnotierung der Muster werden die jeweiligen Verbindungen
noch einmal offensichtlich.
Die akustische Konsequenz der einzelnen Verlaufscharakteristiken kann sich teilweise sehr ähnlich sein. Das Tonmaterial und die
jeweiligen Bewegungskriterien stellen dabei die entscheidenden
Faktoren dar.
Zunächst geht es erst einmal um eine Art Funktionstheorie, hinter der sich die grundlegende Idee verbirgt, ineinanderfließende
Bewegungsstärken nach bestimmten Formtechniken und Figuren
zu systematisieren. Dadurch legitimiert sich die eigentliche Idee
des Spielens mit Ton — Die Transformation des akustischen Arbeitsmaterials.
Zur praktischen Ausführung sei gesagt, dass es wie bei jedem anderen Instrument individuelle Umgangsformen gibt, welche die Ausführung der vorgestellten Bewegungscharakteristiken begünstigen.
© Alexander Sonnenfeld
100 101 log. Verringerung & log. Erhöhung
Kombinatorik (Erhöhung + Verringerung)
exp. Erhöhung & exp. Verringerung
log. Erhöhung & log. Verringerung
Damit sind spezielle Finger- und Handbewegungen gemeint, oder
Spielarten bei denen beispielsweise zusätzlich auch der Handballen
involviert wird. Die getragene Spielart stellt sich in diesem Zusammenhang ebenfalls sehr komfortabel dar, da es unter zu Hilfenahme
des Geschwindigkeitsreglers ebenfalls möglich ist, entsprechende
Verläufe zu erzielen.
Weitere Verlaufsformen ergeben sich wenn exponentielle Charakteristiken mit der logarithmischen Verlaufsvariante kombiniert werden. Bei der Ersteren, innerhalb der notationellen Abbildung, ist eine
Wellenform zu erkennen, die sich durch einen spitzen Scheitelpunkt
kennzeichnet. vgl.c/d
Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
Bei der umgekehrten Kombinatorik, also einer logarithmischen mit
einer exponentiellen Charakteristik resultiert daraus eine Welle mit
großem Wellental bzw. Wellenberg. vgl.c/d
Wie auch bei den linearen ungleichförmigen Charakteristiken kann
die Anzahl der Verbindungen beliebig erweitert oder kombiniert
werden. Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Muster
bei denen die Ausgangsstärke nicht in Äquivalenz mit der Endstärke
steht. So gesehen kann also selbst der Gesamtverlauf einer wellenförmigen Plattenbewegung der Erhöhung oder Verringerung unterliegen. Entsprechende akustische Analysen zu diesem, äußerst vielfältigen Thema, werden ebenfalls Bestandteil aufbauender Literatur
sein.
Die vorliegenden Varianten sollten vorerst genügen, um ein gewisses Grundrepertoire abzudecken und aufzuzeigen, wie die Notation
funktioniert. In gewisser Weise gleicht ja die musiktheoretische Reglementierung der Flexibilität der Steuerplatte dem Versuch, einen
Pudding an die Wand zu nageln.
Mithilfe des bisher erlangten Wissens kommt man dieser Unternehmung ein gehöriges Stück näher, denn gerade durch die sorgfältige
Ausnotierung ist es möglich, selbst komplizierteste Verläufe auszudefinieren. Hinzu kommt, dass Elemente der herkömmlichen Graphischen Notation selbstverständlich in die S-Notation einfließen können, um das Zeichensystem entsprechend der angestrebten instrumentellen Ausführung, zu erweitern.
Damit sind die wichtigsten Kriterien, nach welchen sich die Architektur einer akustischen Bewegung beschreiben lässt, vorerst
definiert. Es wurde ansatzweise ein Leitfaden entwickelt, welcher eine Vielzahl von Formgestaltungsmöglichkeiten des Tonmaterials zulässt. Im Folgenden werden akustische Bewegungen
miteinander gruppiert. So entsteht eine erste echte Kompositionsgrundlage der Bewegungsmusik.
© Alexander Sonnenfeld
Bewegungscharakteristik
c
Kombinatorik (Verringerung + Erhöhung)
exp. Verringerung & log. Erhöhung
d
102 103 log. Verringerung & exp. Erhöhung
Kombinatorik (Erhöhung + Verringerung)
exp. Erhöhung & log. Verringerung
log. Erhöhung & exp.Verringerung
Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
105 Gruppierungen: Eines der wichtigsten
Gestaltungsprinzipien der Bewegungslehre ist die Gruppierung. Wie es der
Name schon andeutet, werden hierbei
mehrere akustische Bewegungen zu
einem Muster aneinander gereiht und
bilden somit eine in sich geschlossene
Sinneinheit. Daraus ergibt sich eine Art
Kompositionsgrundlage, welche die
musikalische Arbeit eines Tonspielers
maßgeblich beeinflusst.
9
Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
Gruppierungen
Gruppierung
akustischer Bewegungen
Bei der klassischen Melodiebildung werden einzelne, oder mehrere
Töne nach einer konkreten musikalischen Idee aneinandergereiht.
Betrachtet man diesen Vorgang pragmatisch, so definiert sich ein
Melodiebogen durch die zeitlich koordinierte Gruppierung gewisser
mechanischer Bewegungsabläufe an den entsprechenden Spielkörpern des Instruments.
Da ein klassisches Instrument für gewöhn- Im Falle des Klaviers
lich immer an eine bestimmte Akustik gebun- ist dieser Bezug sehr
den ist, funktioniert das Komponieren einer anschaulich. Jeder
Melodie in erster Linie über den Begriff der Anschlag verursacht
Tonhöhe sowie den daraus hervorgehenden einen spezifischen
Gestaltungsprinzipien.
Ton. In Kombination
Beim Tonspielen entsteht Musik nach dem der Töne entstehen
Prinzip der Bewegung. Man spielt mit Tö- daraus wiederum
nen und dazu müssen sie bewegt werden! komplexe Melodien.
Weil dem Tonspielzeug jedoch kein spezifischer Klang zugeordnet werden kann, und deshalb auch keine
allgemeingültige Gebrauchstonleiter definierbar ist, muss man
sich dem Begriff Melodie ein wenig anders nähern. Benötigt wird
ein Ordnungsprinzip, dass im Sinne der Bewegungslehre wie eine
Art übergeordnete Gesetzmäßigkeit funktioniert und das vollkommen unabhängig von den Eigenschaften des Tonmaterials, als
eine universelle Kompositionsgrundlage dient.
© Alexander Sonnenfeld
106 107 Es soll dem Tonspieler ermöglichen, die häufig nicht über eine tonale Lokalisierung funktionierenden instrumentellen Handlungen
eindeutig zu erfassen und so zu systematisieren. Dieses Gestaltungsprinzip wird allgemein als Gruppierung akustischer Bewegungen bezeichnet. Somit wird die Verbindung mehrerer Plattenbewegungen, in Folge einer zusammenhängenden Verlaufsstrecke
musiktheoretisch definiert.
Ein Vergleich zum klassischen Musizieren erscheint hierbei hilfreich:
Wenn mit traditionellen Musikinstrumenten Melodien gespielt werden, so erklingt jeder einzelne Ton immer ausgehend vom Einschwingungvorgang. Das ist nur allzu Logisch, da der Ton stets unmittelbar
erzeugt wird, was in den folgenden Ausführungen als traditionell bezeichnet wird.
Beim Tonspielen wird hingegen mit akustischen Aufzeichnungen gearbeitet. Dieser Umstand ermöglicht es, innerhalb des Tonkörpers
akustische Bewegungen auszuführen. Praktisch betrachtet findet
dies durch die Bewegung der Steuerplatte in mehreren hintereinander folgenden Etappen statt. Das Tonmaterial wird dadurch ineinander abgetrennt, mit dem Effekt, dass mehrere Töne hintereinander
wahrgenommen werden — im Folgenden als gruppiert bezeichnet.
Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
Gruppierungen
Aufzeichnungsmethodik
a
Bewegungsmuster (traditionell)
15
0
-15
Sekunden
© Alexander Sonnenfeld
b
108 0.3
0.45
0.6
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KH z / Sekunden)
unverbundenes Muster
Die unterschiedlichen Verfahrensweisen zur Bildung von Bewegungsmustern (traditionell, bzw. gruppiert) erfordern ein klares Unterscheidungsmerkmal bezüglich der notationellen Aufzeichnung. Dabei gilt folgende Festlegung: Bei der gruppierten Variante werden
akustische Bewegungen durch den anatonischen Bogen miteinander
verbunden. Bei der z Variante hingegen nicht. vgl. a/b Bei Betrachtung der Hörbeispiele und den daraus resultierenden Schwingungsverläufen wird deutlich, dass bei der traditionellen Variante der Tonkörper entsprechend der Bewegungsdauer
immer wieder vom Einklang aus erklingt, so als würde man vergleichsweise dreimal die Taste eines Samplers drücken.
Am Tonspielzeug wird dafür natürlich der Crossfader verwendet.
Durch ihn wird die Akustik der Etonen ausgeblendet, welche erforderlich ist, um die Platte an den Ausgangspunkt des Tonmaterials zurück zu bewegen. Bei der Gruppierung hingegen, werden
ebenfalls drei Sechzehntel Noten gespielt, jedoch in Form einer
zusammenhängenden Verlaufsstrecke. Dies verdeutlicht die Verbindung mittels des anatonischen Bogens. Man startet also vom
Einklang des Tonkörpers aus und bewegt die Steuerplatte in drei
Schritten nach vorn.
Da der Tonkörper im Gesamten eine Viertel Zählzeit lang ist (unter
den entsprechenden Vorrausetzungen bezüglich Tempo und Bewegungsstärke), spielt man in Folge dessen also 75 % seiner Verlaufs-
0.15
Bewegungsmuster (gruppiert)
15
109 0
-15
Sekunden
verbundenes Muster
0.15
0.3
0.45
0.6
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KHz / Sekunden)
strecke. Um die Noten akustisch voneinander zu trennen und somit
einen neuen Ton aus dem Material zu erzielen, beinhaltet jede eingetragene Bewegungsdauer gleichermaßen einen so genannten Anlaufmoment (um die Platte in Bewegung zu versetzen) als auch den Abschlussmoment (Platte wird zum Ruhen gebracht). Dies wird aus der
Abbildung des graphischen Schwingungsverlaufs ersichtlich, da sich
die Intensität in drei Teile untergliedert. Infolge dessen verkürzt sich
die eigentliche Akustik der resultierenden Töne geringfügig, da Anlauf und Abschlussmoment in der Gesamtbewegungsdauer integriert sind.
Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
Nun könnte man theoretisch die Noten in unterschiedlichen Bewegungsstärken spielen, was zu tonalen Erhebungen oder Verringerungen innerhalb des Tonmaterials führen würde.
Die Graphik vgl. c zeigt eine darauf basierende Abwandlung der
vorhergehenden Gruppierung. Zwar werden bei diesem Beispiel
keine konkreten Tonhöhen angespielt, sondern es wird lediglich
die Bewegungsstärke angehoben bzw. verringert, jedoch zeigt
diese Verfahrenstechnik die eigentliche Idee hinter der Gruppierung. Melodiebögen werden nun innerhalb des Tonkörpers instrumentalisierbar!
Bezüglich der notationellen Aufzeichnung ist eine elementare Festlegung zu treffen. Die grafische Verbindung der akustischen Bewegungen (anatonischer Bogen) deutet in der S-Notation, explizit auf
eine Gruppierung hin, was wiederum auf eine zusammenhängende
Verlaufsstrecke hinweist. Wird ein zweiter Bogen über das Muster
gezeichnet, so entspricht dies der Legato Spielweise. In diesem Fall
wird die Plattenbewegung durchgehend, ohne Unterbrechungen gespielt. Unverbundene Bewegungen erfordern daher in der S-Notation eine andersartige praktische Aufführung, woraus wiederum eine
andersartige akustische Konsequenz entsteht.
Für eine logische Systematisierung des großen Spektrums an Gruppierungs-Varianten ist es notwendig ein Ordnungsprinzip zu entwerfen. Die bevorstehende Aufgabe soll gleichzeitig genutzt werden,
um weitere orthographische Gesetzmäßigkeiten und interessante
Spielmethoden der S-Notation zu erläutern — beginnend mit der
kleinstmöglichen Form der Gruppierung akustischer Bewegungen.
© Alexander Sonnenfeld
Gruppierungen
Beispiel für Bewegungsmuster (gruppiert)
15
0
-15
Sekunden
verbundenes Muster
110 111 0.15
0.3
0.45
0.6
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KHz / Sekunden)
Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
Gruppierungen
Zweifach Gruppierungen
a
Ausnotierung Ganzer akustischer Bewegungen
Noteton (Note & Eton)
Eine Form der sogenannten zweifach Gruppierung wurde bereits behandelt — die Ganze akustische Bewegung, eine Gruppierung von
Note und Eton mit der Vorraussetzung gleicher Bewegungskriterien.
Die Ausnotierung zeigt die identischen Bewegungskriterien der aufeinander treffen- Auch hier nochmals
den Einzelbewegungen. vgl. a
der Hinweis, dass diese
Angenommen diese würden nun durch die Maßregelung eine theoAufführungsidee verschieden ausfallen so retische Überlegung,
entspräche dies nicht mehr der Definition ist, denn die Kriterien
einer Ganzen akustischen Bewegung. Folg- der Einzelbewegungen
lich dürfte die Symbolik der Noteton bzw. einer Ganzen Bewegung
unterscheiden sich, in
Etonote nicht verwendet werden.
Im Falle unterschiedlicher Kriterien wäre Abhängigkeit von indivientweder die Rede von einer sogenannten duellenden spielerischen
2-2 (beginnend mit Note) oder einer -2-2 Eigenschaften.
Gruppierung (beginnend mit Eton). Durch
diesen Zahlen-Code, bezeichnet als Bewegungscode, ist es möglich
sowohl die Menge der Einfachen akustischen Bewegungen (erste Ziffer) als auch die Positionierung für eine mögliche Gegenbewegung
(letzte Ziffer) zu verbalisieren. Ein unverzichtbares Kommunikationsmittel, welches hilft, die auftretende Aspektvielfältigkeit möglicher
Gruppierungsformen zu systematisieren und gleichzeitig transparent zu beschreiben.
© Alexander Sonnenfeld
112 113 Etonote (Eton & Note)
Wie Eingangs besprochen, ist die Gruppierung von akustischen Bewegung eines der elementarsten Kompositionsprinzipien der Bewegungslehre. Daher ist es notwendig, für diese eine sprachliche Ebene
zu schaffen, vergleichsweise mit der tradiionellen Bezeichnung von
Tonhöhen. Denn abgesehen von der Beschaffenheit eines Tonmaterials sind in erster Linie die Kriterien der akustischen Bewegung, und
nicht zuletzt die möglichen Gruppierungen für die Melodiebildung
verantwortlich.
Die Abbildungen vgl. S. 77 zeigen ausgewählte Beispiele möglicher 2-2
bzw. -2-2 Gruppierungen. Wie dabei deutlich wird, gestalten sich die
Kriterien der akustischen Bewegungen bei allen Beispielen sehr verschieden. Fast alle Einzelbewegungen werden in unterschiedlichen
Stärken und Zeitwerten gespielt. Einzelne weisen sogar ungleichförmige Bewegungscharakteristiken auf.
Ein Gleichnis teilen sie jedoch alle — die Verbindung durch Bögen,
um auf eine zusammenhängende Verlaufsstrecke hinzudeuten,
sprich eine Gruppierung.
Eine besondere Variante zeigt das Beispiel B (-2-2). Die angefügte
Ziffer 2 deutet darauf hin, dass die beiden Einfachen Bewegungen in
der Zählzeit von Dreien ihrer Dauer gespielt werden, also dreimal
ein Achtel. In diesem Fall spricht man in der S-Notation von einer sogenannten akustischen Bewegungsduole. Bewegt man die Steuerplatte zweimal in ein und dieselbe Bewegungsrichtung, handelt es sich
Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
Gruppierungen
entweder um eine 2`Gruppierung (Noten), oder eine -2`Gruppierung
(Etonen). Einige ausgewählte Beispiele gestalten sich wie folgt:
In Beispiel D (2`) ist zu erkennen, dass beide Bewegungen durch zwei
Bögen verbunden wurden. Ein Bogen davon übernimmt die Funktion
der Bindung um auf die zusammenhängende Verlaufsstrecke hinzudeuten. Der zweite Bogen deutet auf einen ineinanderfließenden Bewegungsverlauf hin, sprich eine Ligatur. Demnach fließen die Bewegungsstärken stufenlos ineinander, wie im traditionellen Sinne die Legato Spielweise verstanden wird.
Im Beispiel D (-2`) deuten ebenfalls zwei Bögen, sowohl auf die zusammenhängende Verlaufsstrecke hin, als auch darauf, dass diese
Bewegungen übergangslos in der entsprechenden Stärke gespielt
werden.
a
b
114 © Alexander Sonnenfeld
zweifach Gruppierungen (beginnend mit einer Note)
A
B
2 - 2
2 - 2
C
D
2´
2´
zweifach Gruppierungen (beginnend mit einer Eton)
A
B
-2 - 2
- 2 - 2
C
D
- 2´
-2´
115 Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
Gruppierungen
Dreifach Gruppierungen
a
dreifach Gruppierungen (beginnend mit einer Note)
A
3´
Für eine Veranschaulichung von dreifach Gruppierungen Einfacher
akustischer Bewegungen wurden zunächst besipielhafte Muster visualisiert, die durch eine Note starten. Der darunter gezeichnete
Bewegungs-Code zeigt die Anordnung der entsprechenden Noten
und Etonen innerhalb der Gruppierung. vgl. a
Bei der 3`Gruppierung ist unter der zweiten Note eine Zusatzsymbolistik zu erkennen. Dabei handelt es sich um eine Bewegungsakzentuierung welche auf eine Betonung dieser Bewegung hindeutet (durch
leichtes Anheben der Stärke).
Die 3-2 Gruppierung entspricht einer Achtel-Bewegungstriole. Die angefügte Ziffer 3 verdeutlicht die irreguläre Teilung. Bei der 3-3 Gruppierung deuten zwei Bögen auf ein ineinanderfließen der jeweiligen
Bewegungsstärken hin.
Bei der 3-2-3 Gruppierung wurde der Hals der Letztbewegung wesentlich dicker gezeichnet (anatonische Wiederholung). Eine solche
Aufzeichnungsmethodik deutet darauf hin, dass man sich nach Abschluss dieser Gruppierung am Ausgangspunkt des Bewegungsvorgangs wiederfindet, sprich am Startpunkt der Erstbewegung.
Für die Veranschaulichung jener dreifach Gruppierungen, die mit
einer Eton beginnen, werden diverse Gestaltungskonzepte der
Plattenbewegungen aufgezeigt und die Symbolsprache wird unter der Berücksichtigung des bisher erworbenen Wissens eingehend erklärt. vgl. b
© Alexander Sonnenfeld
b
116 117 B
C
D
3 - 2
3 - 3
3 - 2- 3
dreifach Gruppierungen (beginnend mit einer Eton)
A
- 3´
B
C
D
- 3 - 2
- 3 - 3
- 3 - 2 - 3
Die -3`Gruppierung entspricht einer Sechzehntel-Bewegungstriole,
was durch die angefügte Ziffer 3 verdeutlicht wird. Die ersten zwei
Bewegungen der -3-2 Gruppierung werden ineinander fließend
gespielt,die Letztbewegung hingegen in einer gleichförmigen Charakteristik. Bei der -3-3 Gruppierung wird die Zweitbewegung akzentuiert und man befindet sich nach Abschluss der Letztbewegung am
Ausgangspunkt, von welchem die ursprüngliche Bewegungsgruppierung angespielt wurde.
Der Bindebogen der -3-2-3 Gruppierung deutet auf eine zusammenhängende Verlaufsstrecke hin und die Zweit- und Letztbewegung
Bewegungslehre
Systematik der akustischen Bewegungen
wird in einer leicht wellenförmigen Bewe- Dies gilt für alle Grupgungscharakteristik gespielt. Weitreichen- pierungen von Ganzen
dere Muster können mit dem derzeitigen akustischen BewegunWissensstand in Anbetracht der vorran- gen, die der bisherigen
gegangenen Beispiele selbstständig abge- Logik zufolge mit der
selben Verfahrensweise
leitet werden.
Bewegungsmusik entspringt also dem systematisiert werden.
Prinzip der Bewegung. Gruppierungen
sind dabei eine elementare Bausteine für die Komposition. Sie
lassen sich im weiteren Verlauf auf alle übrigen Parameter übertragen. Die Funktion der darin verankerten Mathematik, führt zu
einer großen Spielkapazität, die jedoch in dieser erster Abhandlung nicht ausführlich erläutert werden kann.
Besonders interessant ist dabei die Äquivalenz zwischen dem
Geschriebenen und dem letztlich Gehörten. Da eine akustische
Bewegung bzw. eine Gruppierung ausschließlich dem verwendeten Tonmaterial unterliegt, erschließt sich daraus immer wieder
Neuland für die musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten. Insbesondere die damit verbundenen Methoden motivischer Arbeit überschreiten den Rahmen der bisherigen Grundlagenbetrachtung
um ein Vielfaches.
© Alexander Sonnenfeld
Gruppierungen
118 Bewegungslehre
Kapitel: 10
A n ato n i e
Literaturangaben
Dobretzberger, Fritz / Paul, Johannes: „Farbmusik“, Simon & Leutner 1993.
Falkenberg Hansen, Kjetil: „The acoustics and performance of DJ scratching“
Doctoral Thesis, KTH Vetenskap och Konst, Stockholm 2010.
http://www.speech.kth.se/~kjetil/files/thesis/KjetilFalkenbergHansen_2010_phdthesis.pdf
(12.11.2010 )
Fab Five Freddie: „Change The Beat“ Celluloid Record, CEL 156/12 Inch EP, New York 1982.
Formelzeichen S: http://de.wikipedia.org/wiki/Trajektorie_( Physik) ( 08.10.2010 )
Grabner, Hermann: Allgemeine Musiklehre. Bärenreiter Verlag, 24. Auflage, 2001.
Hempel, Christoph: „Neue Allgemeine Musiklehre.“ Atlantis Musikbuch, 1997
Michels, Ulrich: dtv-Atlas Musik: Band 1: Systematischer Teil. „Musikgeschichte von den
Anfängen bis zur Renaissance“, Deutscher Taschenbuch Verlag, 22. Auflage, 1977.
Pitchen: http://de.wikipedia.org/wiki/Pitchbending (14.11.2010 )
Time Stretch Effekt: http://de.wikipedia.org/wiki/Time-Stretching ( 23.08.2010 )
Wellental/-berg: http://www.leifiphysik.de/web_ph10_g8/grundwissen/08wellen/
laengs_quer/laengs_quer.htm (19.11.2010 )
© Alexander Sonnenfeld
120 Bewegungslehre
Anatonie
Im folgenden Abschnitt widmet sich
diese Arbeit dem Tonkörper, also jenem
Material, welches in Folge der instrumentellen Bewegungsabläufe verformt
wird. In der Bewegungslehre wird jede
Form von Akustik als gleichberechtigt
betrachtet und kann für die musikalische Arbeit genutzt werden.
Diese Aussicht macht es allerdings um
so notwendiger, ein entsprechendes
Ordnungsprinzip für die klangliche Vielfalt zu entwerfen. Schon die „musique
concrete“ zeichnete sich durch entsprechende Überlegungen aus:
„Die verschiedenen Klangtypen werden
als Grundkonstellationen der Hörwahrnehmung, also nicht nur der Musik
im Bereich der Klänge, die um ihrer
selbst Willen gehört werden, sondern
auch der Sprache, deren Klänge als
© Alexander Sonnenfeld
Intro
122 123 Übermittler von Bedeutungen aufgefaßt werden, und der Umweltgeräusche,
deren Klänge als Verweise auf reale
Vorgänge wahrgenommen werden
(Schaeffer 1952 / 67). Hieraus ergibt sich
insbesondere, daß als Ausgangsmaterialien der musique concrète nicht nur
die Klänge standardisierter Musikinstrumente oder menschlicher Gesang in
Frage kommen, sondern auch Stimmäußerungen von Menschen und Tieren
oder beliebige Umweltgeräusche. So
ergibt sich ‚Musik im weiteren Sinne‘
als Akustische Kunst“.
Eine grundlegende Klassifikation ergibt
sich für Tonspieler/-innen durch die Festlegung ob es sich bei dem Tonmaterial
um ein, Klang, Ton, Geräusch, Melodiebogen, Sprachsample oder Beatfragment handelt. Des Weiteren sind speziHenry
Frisenius
Bewegungslehre
Anatonie
fische Angaben zur Herkunft, dass bedeutet eventuelle Quellenangaben über
Komponist, Veröffentlichung und Erscheinungsjahr ebenso erforderlich, falls
es sich nicht um selbst produziertes
Tonmaterial handelt. All diese Informationen werden in einer Klangbibliothek
abgespeichert und sind hilfreich, das
verwendete Tonmaterial ausreichend zu
beschreiben und bei Bedarf jederzeit
wieder aufinden zu können.
© Alexander Sonnenfeld
Intro
124 Bewegungslehre
Anatonie
127 Mittels der Anatonie wird das Tonmaterial strukturiert und somit für die
musikalische Arbeit vorbereitet. Dazu
gehört insbesondere die zeitliche Verlaufsstrecke des betreffenden Tonkörpers, die nach einem speziellen Visualisierungsprinzip in mehrere Etappen
untergliedert wird. Somit werden die
aufbauspezifischen Merkmale des Tonkörpers greifbar und können in der
notationellen Arbeit genau beschrieben
werden.
10
Bewegungslehre
Anatonie
Grundlagen
Grundlagen
Bei der notationellen Arbeit werden nun die Informationen zum
physikalischen Aufbau, sozusagen die vormusikalische Zubereitung
des Tonmaterials signifikant. Neben der besprochenen Tonhöhe gehört in erster Linie der Zeitverlauf des Tonkörpers, seine tatsächliche Dauer dazu. Schließlich erzeugt das Tonspielzeug einen Klang
nicht selbst, sondern es wird sich einer gewissen „akustischen Materie“ mit einer bestimmten Ausgangsgröße bedient. Deshalb muss die
Schriftsprache schon im Vorfeld an das verwendete Material angepasst werden bzw. umgekehrt.
Demnach ist ein zeitlicher Bezugswert notwendig, um beim Lesen
einer Bewegung eine Vorstellung vom Klang zu haben. Das bedeutet, abhängig von Spieltempo und dem tatsächlichen Zeitwert der Aufzeichnung, ergibt sich die Bewegungsdauer, sprich
die Länge einer Plattenbewegung um das betreffende Tonmaterial im Gesamten abzuspielen.
Jedoch sind noch weitere Einflussgrößen der Zeit elementar, speziell
bei der Betrachtung der zeitlichen Verlaufsstrecke eines Tonkörpers.
Dazu wird der Ton theoretisch in vier Abschnitte untergliedert. Der
erste Bereich (Einschwingvorgang) kann dabei nochmals geteilt werden in: den sogenannten Attack, den Anstieg bis hin zur maximalen
Lautstärke, und Decay, das Abklingen der Intensität auf darauffolgenden Sustain-Pegel. Dieser Haltepegel ist eine Art quasistationärer
Schwingungszustand, in dem sich der Ton kaum ändert.
© Alexander Sonnenfeld
128 129 Abschließend wechselt dieser über in das Release, um somit vom Sustain bis zu seinem Nullpunkt abzuklingen. Anhand einer beispielhaften Hüllkurve eines Ton wird dieser AufIn Abhängigkeit von der
bau nochmals verdeutlicht. S.130
Nach dieser Gliederung lassen sich die Beschaffenheit des verVerlaufsstrecke bzw. die zeitlichen Etap- wendeten Tonmaterials
pen eines Tonkörpers grundlegend defi- kann der Aufbau solch
nieren. Da die Steuerplatte mit der Hand einer Hüllkurve sehr unberührt werden kann ist es möglich, je- terschiedlich ausfallen.
den beliebigen Zeitintervall der Verlaufsstrecke des Tonmaterials anzusteuern, um von dieser Etappe aus
eine akustische Bewegung auszuführen. Schon die Experimente von
Pierre Schaeffer zeigten, dass sich dabei die Wirkung der Töne deutlich verändern lässt. Er entdeckte, dass ein Glockenklang dessen Einschwingungsvorgang versehentlich weggeschnitten wurde, dem Ton
einer Orgel sehr zu ähneln schien.Palombini Die daraus resultierende
Erkenntnis, dass die jeweilige Klangfarbe von Tönen maßgeblich vom
Einschwingungsvorgang abhängt, führte zu neuartigen Möglichkeiten mit solchen zu experimentieren.
Bewegungslehre
Anatonie
Grundlagen
Schematische Hüllkurve eines Tons
Einschwingvorgang:
1
Amplitude / Stärke
Zeitabschnitt eines Tons,
in dem sich dieser vom
Ruhezustand in den eingeschwungenen Zustand
entwickelt.
2
130 3
4
131 Zeit / Dauer
Quelle/Aufbau Ton: Universität Köln.
© Alexander Sonnenfeld
Attack
Decay
Sustain-Level
Release
Bestimmt die Zeit,
in der die Hüllkurve
nach dem Start
den größten Wert
erreicht.
Bestimmt die Zeit,
in der die Hüllkurve
nach dem der Attack
auf den Haltepegel
(Sustain) abfällt.
Bestimmt einen
quasistationären
Schwingungszustand,
in dem sich der Ton
kaum verändert.
Bestimmt die Zeit,
in welcher der Ton
vom Sustain(Haltepegel) bis auf den
Nullpunkt abklingt.
Bewegungslehre
Anatonie
Aufgrund der totalen Flexibilität der Steuerplatte erschließt sich nun
theoretisch die gesamte zeitliche Innenwelt eines Tonkörpers. Nach
Belieben kann der Spieler auf jede Millisekunde zugegreifen und ähnlich wie ein Anatom, bedeutende Segmente aus dem „akustischen
Leib“ trepanieren.
Es erschließen sich also neue „Räume“ zum musizieren. Diese Möglichkeit, welche nur aus dem Vorhandensein eines spielbaren Instrumentariums resultiert, führt zu einer neuen, wichtigen Einflussgröße,
die in der Bewegungslehre als Anatonie bezeichnet wird.
Dieser Begriff leitet sich vom Wort Anatomie ab und definiert die
sogenannte Zergliederungskunde für den Tonkörper. Ziel ist es, eine
notationelle Aufzeichnungsmethodik zu entwickeln, durch welche es
möglich wird, die zeitlichen Etappen (anatonische Etappen) der Verlaufsstrecke des Tonkörpers genau zu bestimmen. Somit können
akustische Bewegungen von jeder erdenklichen Stelle des Materials
aus gespielt werden, was den instrumentellen Handlungsspielraum
abdeckt.
Allgemeingültige Festlegungen lassen sich hierbei allerdings nicht
treffen und wie erwähnt, muss das Gestaltungsprinzip den aufbauspezifischen Merkmalen des verwendeten Tonmaterials unterworfen
werden. In Anwendung auf den Beispielton wird dies im Folgenden
erläutert. Zunächst dient dazu eine Untersuchung der gesamten Verlaufsstrecke des Ausgangsmaterials auf der Steuerplatte des Tonspielzeugs. vgl. a / b
Die gesamte Verlaufsstrecke wurde dazu Die Verlaufsstrecke kann
in acht gleichlange anatonische Etappen vorab innerhalb der Softuntergliedert. Der Pfeil visualisiert die je- ware beliebig festgelegt
weilige Lage und Bewegungsrichtung des werden. Alle folgenden
Materials beim Spielen.
Betrachtungen gehen von
Nun braucht es einen eindeutigen optischen der zu Beginn getroffenen
Bezugspunkt, um deutlich zu machen, an wel- Definition aus.
cher Stelle des Tonkörper man sich befindet.
Dafür wird ein Markierungspunkt auf die Steuerplatte geklebt. Dieser
Bezugspunkt funktioniert wie eine Art Uhrzeiger, wodurch das präzise und schnelle Lokalisieren der anatonischen Etappen ermöglicht
wird. vgl. a / b
© Alexander Sonnenfeld
Grundlagen
a
anatonische Etappen (Note)
5
6
7
8
4
3
2
1
132 133 b
anatonische Etappen (Eton)
5
4
3
2
1
6
7
8
Optischer
Bezugspunkt:
Markierung
auf der
Steuerplatte
zur Lokalisation der
zeitlichen
Verlaufsstrecke
des jeweilig
verwendeten
Tonmaterials
Bewegungslehre
Anatonie
In der Praxis sucht man für gewöhnlich den Einschwingvorgang der
akustischen Aufzeichnung, und richtet genau an dieser Stelle den
„Zeiger“ für eine Startzeit aus. (Die Position
kann individuell vom Tonspieler festgelegt Die Methode, entsprewerden, in dem abgebildeten Beispiel han- chende Markierungen
delt es sich um sinnbildliche 9 Uhr). Bewegt als eine Orientierungsman nun, den Zeiger von 9 Uhr aus sinn- hilfe auf den Tonträger
bildlich um Drei Stunden durch eine Note zu kleben hat sich im
nach vorn, so erklingt der Tonkörper vom Turntablism und DJing
Einklang bis zum Ausklang, also sein ge- über die Jahre aus der
samtes zeitliches Ausmaß. Im Falle einer Praxis heraus etabliert.
Eton wird diese Bewegung logischerwei- Dabei wurden die Platse von 12 Uhr aus begonnen, um die Steu- ten mit Aufklebern und
erplatte anschließend soweit zurück zu be- Stiften gekennzeichnet.
wegen, bis die Markierung auf 9 Uhr zeigt.
Dies sind die ersten Schritte, um das Bedienungskonzept des Tonspielzeugs für die Anatonie zu präparieren. Den Anfang bildet
die Analyse des Tonmaterials, um den tatsächlichen Zeitwert in
Abhängigkeit zum Spieltempo einer konkreten Bewegungsdauer
zuzuordnen. Die Verlaufsstrecke des Materials wird analog zum
Ziffernblatt einer Uhr beschrieben und der entsprechende Startpunkt des Tonkörpers mittels einer Markierung auf der Steuerplatte gekennzeichnet.
Diese Methodik ist, wie bereits erwähnt, zwingend notwendig, da
das Tonspielzeug keine spezifische Akustik in sich trägt. Bei traditionellen Instrumenten unterliegt jene Handhabung der Spielkörper auch einem visuell-logistischen Ordnungsprinzip, dass einen
komfortablen Zugriff auf die Tonalität begünstigt. Das Tonspielzeug muss jedoch immer erst für das individuell verwendete Ausgangsmaterial präpariert werden, um dann damit musizieren zu
können. Neue Musik erfordert neue Verfahrenstechniken!
© Alexander Sonnenfeld
Grundlagen
134 Bewegungslehre
Anatonie
Anatonische Etappen
Anatonische Etappen
des Tonkörpers
a
anatonische Etappen (Note)
1
2
3
4
5
6
7
8
15
0
-15
Sekunden
© Alexander Sonnenfeld
b
0.6
0.8
anatonische Etappen (Eton)
8
136 0.4
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KHz / Sekunden)
Ausnotierung
Nachdem der Tonkörper auf der Platte organisert wurde geht es im
Folgenden darum, die gegliederten anatonischen Etappen für die notationelle Arbeit vorzubereiten.
Der zur Veranschaulichung verwendete Beispielton ist bei einem
Tempo von 75 bpm und der Bewegungsstärke von 100 % ungefähr 0,8
Sekunden lang. Dies entspricht einer Viertel Bewegungsdauer. Analog zur Einteilung des Tonkörpers durch die Etappen, gliedert sich
auch der graphische Schwingungsverlauf demzufolge in acht aufeinanderfolgende Bereiche. vgl. a / b
Jede dieser Etappen ist unter genannten In der Anatonie kann der
Vorrausetzungen ungefähr 0,1 Sekunden Tonkörper oder auch nur
lang. Dies entspricht jeweils der Bewe- ein Teil davon, in Abhängungsdauer von einem Zweiunddreißig- gigkeit der Aufführung
stel. Daraus ergibt sich formal die darge- sidee individuell organistellte Ausnotierung für den gesamten siert und in bis zu acht BeZeitwert des Ausgangstonmaterials, ab- reiche gegliedert werden.
hängig von der Bewegungsrichtung.
Die Bezifferung dieser Bewegungsetappen (1 – 8) ist dabei von großer Wichtigkeit. Sie stellt im weiteren Verlauf eine kommunikative
Grundlage dafür dar, um genau beschreiben zu können welche Abschnitte angespielt werden. Nun gilt es eine grafische Lösung zu finden, durch jene die einzelnen Etappen voneinander unterschieden
werden können. Um die Schriftsprache nicht unnötig durch eine Viel-
0.2
7
6
5
4
3
2
1
15
137 0
-15
Sekunden
Ausnotierung
0.2
0.4
0.6
0.8
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KHz / Sekunden)
zahl von Sonderzeichen oder zusätzliche Ziffern aufzublähen, wird
an dieser Stelle mit komplementären Farben gearbeitet. Daraus resultiert ein simples Visualisierungsprinzip, dass mit dem Bedienungskonzept der Steuerplatte korrespondiert und die gezielte Ansteuerung der Etappen ermöglicht.
Wie bereits im Kapitel „Aufbau und Funktion“ beschrieben, können
am Tonspielzeug mittels Projektion vier verschiedene Farben durch
die transparente Steuerplatte hindurch dargestellt werden. (Das umfasst auch die optische Trennung der Bereiche).
Bewegungslehre
Anatonie
Anzahl, Ausrichtung und Länge dieser Farbbereiche wird abermals
im vornherein individuell auf die Verlaufsstrecke des Tonmaterials
angepasst. vgl. c /d Somit ist es möglich bedeutsame Momente aus dem
Tonkörper herauszufiltern und für die musikalische Arbeit „greifbar“
zu machen.
In Bezug auf den Beispielton gestaltet sich Wie alle sonstigen Eindas Farbspektrum so, wie in der Graphik stellungen auch, können
dargestellt ist. Jeweils zwei aufeinanderfol- solche Festlegungen
gende Bewegungsetappen erhalten jeweils innerhalb der Klangden selben Farbton. Demzufolge ergibt sich bibliothek gespeichert,
nacheinander in Zweierschritten: Schwarz, archiviert und jederzeit
Rot, Grün und Blau. Die Farbbereiche funk- wieder abgerufen werden.
Die Projektion der eintionieren wie das Ziffernblatt einer Uhr.
Wird die Steuerplatte bewegt, so rotiert zelnen Farbbereiche wird
logischerweise nur der Markierungspunkt entsprechend der ana( Vergleich: Uhrzeiger) , da die Ausrichtung tonischen Gliederung
des projizierten Farbspektrums (Vergleich: des Materials angepasst.
Ziffernblatt ) bei einer akustischen Bewegung unverändert bleibt. In Folge dessen kann in die gewünschten
Etappen des betreffenden Tonkörpers eingedrungen und ziemlich genau abgelesen werden, in welchem Zeitfenster man sich bewegt.
Anatonische Etappen
c
anatonische Etappen (Note)
5
7
8
4
3
2
1
138 139 d
anatonische Etappen (Eton)
5
4
3
2
1
© Alexander Sonnenfeld
6
6
7
8
Optischer
Bezugspunkt:
Markierung
auf der
Steuerplatte
zur Lokalisation der
zeitlichen
Verlaufsstrecke
des jeweilig
verwendeten
Tonmaterials
Bewegungslehre
Anatonie
In Bezug auf den Beispielton färben sich die Etappen seines graphischen Schwingungsverlaufs so, wie es aus der Abbildung zu entnehmen ist.vgl. e / f
Auf dieser Grundlage lassen sich nun auch die einzelnen anatonischen Etappen der Ausnotierung durch vier Farben visualisieren.
Für jede Zweitetappe mit gleicher Farbe wird ein Sonderzeichen (v)
verwendet, das über den Kopf angefügt wird. Durch diese Aufzeichnungsmethodik sind die einzelnen anatonischen Etappen klar voneinander zu unterscheiden und es kann notationell gekennzeichnet
werden, in welchem Bereich des Tones man sich befindet.
Um nun den genauen anatonischen Verlauf einer akustischen Bewegung zu definieren muss der Start-, und auch der Endpunkt dieser
Verlaufsstrecke beschrieben werden. Das gilt sowohl für Einfache
Bewegungen, als auch für in sich geschlossene Muster, wie es bei
Gruppierungen, oder Ganzen Bewegungen der Fall ist.
Anhand einiger exemplarischer Beispiele wird dies im Weiteren Verlauf veranschaulicht.
Anatonische Etappen
e
anatonische Etappen (Note)
1
2
3
4
5
6
7
8
15
0
-15
Sekunden
140 0.4
0.6
0.8
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KHz / Sekunden)
Ausnotierung
f
0.2
anatonische Etappen (Eton)
141 8
7
6
5
4
3
2
1
15
0
-15
Sekunden
Ausnotierung
© Alexander Sonnenfeld
0.2
0.4
0.6
0.8
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KHz / Sekunden)
Bewegungslehre
Anatonie
Anatonische Etappen
Einfache akustische
Bewegungen
a
anatonischer Verlauf 47
5
6
4
Zunächst wird der anatonische Start- bzw. Endpunkt einer Note bzw.
einer Eton definiert. Die Verlaufsstrecke solch einer Einfachen akustischen Bewegung kann sich theoretisch so, wie in den nebenstehenden Graphiken gestalten. vgl. a / b Die erste Graphik visualisiert den Plattenverlauf einer Note, ausgehend von der 4. anatonischen Etappe (Startpunkt) bis hin zum
Ende der 7. Etappe (Endpunkt). In der Bewegungslehre wird dieser
anatonische Verlauf als anatonische 47 bezeichnet. Anhand der
Zahlenfolge, dem sogenannten anatonischen Code wird somit die
Verlaufsstrecke und auch die Richtung einer akustischen Bewegung eindeutig beschrieben.
Das Zweite Beispiel zeigt einen weiteren Verlauf, eine anatonische 51. In diesem Fall wird die Steuerplatte vom Beginn der
5. Etappe (Startpunkt) bis zum Ende der 1. Etappe (Endpunkt) in
Form einer Eton bewegt.
Der durch den Pfeil angedeutete Verlauf des Markierungspunktes, (beim Bewegen der Steuerplatte) definiert die anatonische
Verlaufstrecke, welche nur einen bestimmten Zeitraum des jeweiligen Tonkörpers freilegt. Durch die Abbildungen der graphischen
Schwingungsverläufe der zwei Beispiele offenbaren sich die daraus resultierenden Zeitfenster. vgl. S. 145
Um den anatonischen Start- bzw. Endpunkt anhand des notationellen Schriftzeichens einer Bewegung lokalisieren zu können, werden
© Alexander Sonnenfeld
142 143 b
anatonischer Verlauf 51
5
4
3
2
1
Optischer
Bezugspunkt:
7
Markierung
auf der
Steuerplatte
zur Lokalisation der
zeitlichen
Verlaufsstrecke
des jeweilig
verwendeten
Tonmaterials
Bewegungslehre
Anatonie
bestimmte Elemente der Symbolik gefärbt. Dabei gilt folgende Festlegung: Der anatonische Startpunkt wird durch die Färbung des Kopfes gekennzeichnet; und der Endpunkt durch Färbung des Bewegungspunktes, welcher bereits im Zusammenhang mit den Formen der Bewegungscharakteristik akustischer Bewegungen vorgestellt wurde.
Bei der anatonischen 47 vgl. c werden vier
Etappen gespielt. Dies entspricht der Be- Gewöhnlich wird bei
wegungsdauer von einem Achtel (unter gleichförmigen Charakder Vorgabe von 100 % , Bewegungsstär- teristiken kein Beweke und einer gleichförmigen Bewegungs- gungspunkt gezeichnet,
charakteristik bei 75 bpm Spieltempo). da das reine Zeichen
Aufgrund der Verlaufscharakteristik be- (Note / Eton) schon auf
findet sich der Bewegungspunkt auf der diesen Verlauf hindeuselben Linie wie das Notenzeichen und tet. Bei der Festlegung
wird entsprechend der jeweiligen ana- der Anatonie ist er
tonischen Etappe gefärbt, welche den jedoch ein notwendiges
Endpunkt der zu beschreibenden Bewe- Sonderzeichen.
gung ausmacht.
Bei der anatonischen 51 vgl. d hingegen ist die Bewegungsdauer noch um
ein Zweiunddreißigstel länger, weil hier 5 Etappen unter den selben
Vorrausetzungen gespielt werden. Solch ein ungewöhnlicher Zeitwert wird normalerweise durch zwei Etonen (1/4 + 1/32) dargestellt.
Diese müssen durch den anatonischen Bogen und auch den Haltebogen verbunden werden um somit auf eine einzelne Plattenbewegung
hinzudeuten.
Um diese Darstellungsweise abzukürzen, wird anstelle des Kopfes
der zweiten Eton (1/32) , nun ein Bewegungspunkt gezeichnet. Mittels der Verbalkung und anhängenden Striche ist somit die Gesamtzählzeit der Plattenbewegung, als auch der anatonische Endpunkt
erkennbar. Jedoch muss der Hals des Bewegungspunktes etwas abstehen, um keine Verwechslung zur Getragenen Spielart zu erzeugen — die Verbindung durch Bögen ist bei dieser Schreibweise nicht
mehr notwendig.
Der Startpunkt kann nun anhand der Färbung der Erstbewegung
(plus Sonderzeichen) entnommen werden; der Endpunkt an der Färbung des anhängenden Bewegungspunktes.vgl.d
© Alexander Sonnenfeld
Anatonische Etappen
c
Beispiel: anatonischer Verlauf
4
5
6
7
15
0
-15
Sekunden
144 0.4
0.6
0.8
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KHz / Sekunden)
anatonische 47
d
0.2
Beispiel: anatonischer Verlauf
145 5
4
3
2
1
15
0
-15
Sekunden
anatonische 51
0.2
0.4
0.6
0.8
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KHz / Sekunden)
Durch diese Aufzeichnungsmethodik kann nun der Verlauf einer
akustischen Bewegung sehr genau beschrieben werden, was bisher nahezu unmöglich war. Insbesondere bei Veränderungen der
Bewegungsstärke und -dauer, oder auch für ungleichförmige Bewegungscharakteristiken ist die Darstellung einer anatonischen
Verlaufstrecke nun definierbar.
Von einem theoretischen Standpunkt aus, unterliegt die Veränderung der Bewegungskriterien immer einer fest daran gebundenen
Bewegungslehre
Anatonie
anatonischen Konsequenz für das Material. Bei den soeben aufgezeigten Beispielen war diese relativ einfach zu ermitteln, weil alle
Bewegungen in derselben gleichförmigen Bewegungsstärke gespielt wurden. Jene mathematischen Schlussfolgerungen werden
insbesondere bei ungleichförmigen Bewegungscharakteristiken
unbrauchbar.
Diese spielerische Möglichkeit soll im Folgenden kurz notationell angedeutet werden. Es gilt die beiden besprochenen Bewegungsformen, die anatonische 47 und 51 als ungleichförmige Bewegungscharakteristik zu spielen und dafür einen anatonischen
Verlauf zu definieren.vgl. e
Die anatonische 47 wird als exponentielle Erhöhung gespielt, wie
der angezeichneten Zusatzsymbolik zu entnehmen ist. Aufgrund
der damit verbundenen tempotonalen Erhöhung verkürzt sich die
Bewegungsdauer.
Bei der 51 gestaltet sich die Charakteristik wellenförmig, wobei
die Bewegungspunkte die Anatonie und Stärke der Verlaufsform
gezielt eingrenzen. Anhand dieses Beispiels ist zu erkennen, wie
es möglich wird, selbst die kompliziertesten Verlaufsformen durch
das Färben und Positionieren des angehängten Bewegungspunktes ausreichend zu umschreiben.
Nun ist zu erahnen, welche Vielfalt an Verlaufsformen sich aus der
handgeführten Plattenbewegung ergeben. Die notationelle Reglementierung stellt hierbei immer nur einen theoretischen Idealfall
dar. Denn der aus einer geschobenen Bewegung resultierende Aufbau des Tonkörpers wird in seiner Wiederholung fast nie vollkommen identisch sein. Er klingt durch jede Bewegung etwas anders, obwohl derselbe theoretische Vorgang zu Grunde liegt. Er durchläuft,
was die Bewegungsstärke betrifft, zwangsweise immer minimale Abweichungen seiner niedergeschriebenen Aufführungsidee.
So gesehen lassen sich also verschiedene anatonischen Konsequenzen aus einer Bewegung mit gleichen Kriterien erzeugen. Diese,
auf den ersten Blick, absonderliche These wird sich dann beweisen,
wenn speziell durch die dynamische Bewegung (Lautstärkeregulierung) nur bestimmte anatonische Bereiche freigelegt oder weggeschnitten werden.
© Alexander Sonnenfeld
Anatonische Etappen
e
Beispiel: anatonischer Verlauf (ungleichförmig)
Anatonische 47
146 147 Anatonische 51
Bewegungslehre
Anatonie
Anatonische Etappen
Zweifach
Gruppierungen
a
Beispiel: zweifach Gruppierungen (beginnend mit einer Note)
47-74
Zur Veranschaulichung wurde der anatonische Code unterhalb der
Zweifach-Gruppierung eingezeichnet. Dieser beschreibt die jeweils
durchgespielten Etappen, sowie die erforderliche Bewegungsrichtung. Da der anatonische Endpunkt einer akustischen Bewegung logischerweise mit dem Startpunkt der darauf folgenden Bewegung
identisch sein muss (aufgrund einer zusammenhängenden Verlaufsstrecke), werden entsprechende Ziffern der gleichartigen Etappe innerhalb des Codes nur einmal notiert. Dies verdeutlicht sich bei der
Betrachtung der Zahlenkombination in der Ausnotierung der Ganzen akustischen Bewegung. vgl. a
Im linken Bereich ist zuerst die Ausnotierung einer der Bewegungsform zu sehn, die laut Positionierung innerhalb des Liniensystems in der Bewegungsstärke von 100 % gespielt wird. Dieser
Vorgang lässt sich bekanntermaßen durch die Symbolik der Noteton vereinfachen. Anhand der Farbe ihres Kopfes sowie dem Bewegungspunkt kann dieselbe Verlaufsstrecke entnommen werden
wie sie die Ausnotierung offenbart.
Nebenstehend ist das Beispiel einer 2` Gruppierung zu sehen, wobei
die Einzelbewegungen in unterschiedlichen Stärken gespielt werden.
Bewusst unterliegen die einzelnen Graduierungsstärkendes Liniensystems zum jetzigen Zeitpunkt keiner festen Reglementierung, jedoch ist anhand der Positionierung zu erkennen, dass diese Gruppierung in erhöhter Bewegungsstärke ausgeführt werden sollte.
© Alexander Sonnenfeld
148 474
157
149 Allein aus der Kennzeichnung der anatonischen Verlaufsstrecke
(unter Berücksichtigung des Spieltempos), resultiert letztlich die
erforderliche Ablaufgeschwindigkeit, um die anatonischen Startund Endpunkte entsprechend der vorgegebenen Kriterien zu erreichen. Diese Methodik erleichtert den Umgang mit der S-Notation ungemein, da Bewegungsstärke und Anatonie in einem
festen physikalischen Zusammenhang stehen und somit abhängig voneinander sind.
Jedoch ist Vorsicht geboten, da die instrumentellen Möglichkeiten
des Tonspielzeugs, wie erwähnt, bestimmte theoretische Vorgaben
unterwandern können. Dieser Hinweis bezieht sich in erster Linie
immer auf die Bewegungsflexibilität der Steuerplatte und den dafür
erforderlichen spielerischen Fertigkeiten des Instrumentalisten. Beispielsweise ist es möglich, fast identische anatonische Verlaufsstrecken in unterschiedlichen Stärken zu spielen und umgekehrt. Notationell betrachtet können demnach auf ein und derselben Linie bzw.
demselben Zwischenraum unterschiedliche anatonischen Konsequenzen der gleichen Bewegung vorgefunden werden.
Bewegungslehre
Anatonie
Bei der Betrachtung einer zweifach Gruppierung, beginnend mit
einer Eton, ist zunächst die entsprechende Ausnotierung einer
Etonote zu sehen. vgl. a
Aufgrund des unteren S-Schlüssels am Zeilenanfang werden die
eingetragenen Bewegungen in einer wesentlich tieferen Stärke
gespielt. Wiederholt unterliegt die Bewegungsstärke ausschließlich der vorgegebenen anatonischen Verlaufsstrecke, welche den
Bewegungskriterien entsprechend eingehalten werden soll. Weil
sich daraus konsequenterweise der Gesamtzeitwert einer Halben Etonote bildet, wird ein umrandeter Etonkopf, ausgefüllt mit
der Farbe der 7. anatonischen Etappe (blau) gezeichnet.
Bei der nebenstehenden -2`Gruppierung wird mittels der letzten
Eton die komplette 1. Etappe bis zum Ende durchgespielt. Unter
Anwendung eines Sonderzeichens kann die hierfür erforderliche
Aufzeichnungsmethodik mittels einer anatonischen Klammer erheblich vereinfacht werden. Sie wird an die Letztbewegung angezeichnet und sagt aus, dass der Tonkörper bis zum Ende seiner
kompletten Verlaufsstrecke durchgespielt werden soll.
Innerhalb des Zahlencodes muss nun zwischen den beiden Einsen
ein Bindestrich gezogen werden, um ein klares Unterscheidungsmerkmal zum Spielen der gesamten 1. Etappe durch eine Note zu
gewährleisten.
© Alexander Sonnenfeld
Anatonische Etappen
a
Beispiel: zweifach Gruppierungen (beginnend mit einer Eton)
72-27
150 151 727
51-1
Bewegungslehre
Anatonie
Anatonische Etappen
Dreifach
Gruppierungen
Zur Erläuterung von entsprechenden dreifach Gruppierungen dienen wiederum einige Beispiele.vgl. a
Im oberen Liniensystem sind Bewegungsmuster dargestellt, die mit
einer Note beginnen, im unteren solche, die mit einer Eton starten.
Die Aufschlüsselung beider Liniensysteme verrät den Tonumfang,
wobei die exakten Bewegungsstärken aus der Einhaltung der anatonischen Verlaufsstrecke resultieren.
Auf der Grundlage des bisherigen Kenntnisstandes ist die Analyse
der einzelnen Muster recht einfach, jedoch stellt die 4/675 Gruppierung einen Sonderfall dar. Dabei wird mit zwei in kurzen Abständen
aufeinanderfolgenden Tonkörpern gearbeitet, weshalb die notationelle Kennzeichnung entsprechend angepasst werden muss.
Die römischen Ziffern unter dem Liniensystem verdeutlichen diese
Abfolge. Man startet ab der 4. Etappe des zweiten Tonkörpers und
zieht die Steuerplatte bis an das Ende der
6. Etappe des ersten Tones zurück, um da- Um die anatonische
raufhin das Muster entsprechend der Auf- Kennzeichnung bzw.
zeichnung weiterzuführen. Im Zahlencode Verortung beider Tonwird solch eine Bewegungsfigur durch ei- körper zu gewährleisnen Schrägstrich zwischen der ersten und ten, wird ein zusätzzweiten Ziffer verdeutlicht.
liches Farbspektrum
Damit ist dargestellt, dass es auch im An- auf die Steuerplatte
wendungsbereich liegt mit mehreren Ton- projeziert.
© Alexander Sonnenfeld
a
152 Beispiel: dreifach Gruppierungen
1426
7853
8518
4 / 675
153 körpern zu arbeiten. Anhand dieser Beispiele ist die Vielzahl möglicher anatonischer Verlaufsformen leicht absehbar.
Um eine ungefähre Vorstellung von dieser Aspektvielfalt zu erhalten ist die Betrachtung des anatonischen Codes hilfreich, denn
jede mögliche Konstellation an Zahlen, innerhalb dieser Reihe,
ist mit einer potentiellen Verlaufsform verbunden. Jedes dieser
Muster ergibt ein individuelles Klangbild, wobei die Manipulation
der Bewegungskriterien (Stärke, Dauer und Charakteristik) noch
nicht berücksichtigt wurde.
Bewegungslehre
Anatonie
Innere und äußere Anatonie
Äußere und
innere Anatonie
a
äußere Anatonie
Optischer
Bezugspunkt:
5
6
7
8
7
8
4
3
2
1
Die Anatonie stellt in der Bewegungslehre eine feste Einflussgröße
dar, welche nun beschrieben und auch notationell dargestellt werden kann. Damit verbundene Gestaltungsprinzipien eröffnen eine
Vielzahl an Möglichkeiten um Tonmaterial anders klingen zu lassen.
Nachdem sich die Einflussgröße „Zeit“, in der traditionellen Musik
auf die Länge und Position der Töne innerhalb des metrischen Gefüges bezog, werden nun auch Zeiträume innerhalb des Tonkörpers
anfassbar.
Darüber hinaus gilt selbiges jedoch auch für Bereiche, die sich „außerhalb“ des Tonkörpers befinden und als Kompositionsgrundlage
dienen. Man spricht in dem Zusammenhang von der sogenannten
äußeren Anatonie, einer notationellen Kennzeichnung von Zeitabschnitten, die sich vor oder hinter dem Tonkörper befinden.
Akustisch gesehen können diese Zeiträume beispielsweise Pausen,
Rauschen, Atemzüge oder auch nur teilweise angespieltes Tonmaterial beinhalten. Durch Plattenbewegungen, die von solchen anatonischen Etappen aus starten, lassen sich interessante Klangbilder
ableiten.
Hingegen werden bei der inneren Anatonie gewünschte aufbauspezifische Merkmale des Tonmaterials gekennzeichnet, die sich
innerhalb des Tonkörpers befinden. Auf eine Methodik sei kurz
eingegangen. Der Pfeilverlauf (siehe Abbildung) entspricht der
tatsächlichen Verlaufstrecke des Tonmaterials und symbolisiert
© Alexander Sonnenfeld
154 155 b
innere Anatonie
5
4
3
2
1
6
Markierung
auf der
Steuerplatte
zur Lokalisation der
zeitlichen
Verlaufsstrecke
des jeweilig
verwendeten
Tonmaterials
Bewegungslehre
Anatonie
somit die Lage des graphischen Schwingungsverlaufes in Bezug
auf die anatonischen Farben auf der Steuerplatte.vgl. c
Die 1. anatonische Etappe entspricht dem Zeitwert einer Zweiunddreißigstel vor dem Tonkörper — in diesem Falle handelt es sich um
einen Zeitraum ( 0,1 s), in dem nichts zu hören ist. Demzufolge musste
der Markierungspfeil entsprechend nach vorn versetzt werden. Da
die Symbolik der akustischen Bewegung ausschließlich die Steuerplattenbewegung beschreibt, erklingt das Tonmaterial in Folge der
zugewiesenen Anatonie erst nach einer Zweiunddreißigstel Pause,
unter Einhaltung der Bewegungsstärke (100 % ) und dem Spieltempo
von 75 bpm.
Besonders interessante Klangcharakteristiken entstehen, wenn
solche Bewegungsformen in unterschiedlichen Kriterien gespielt,
und zudem regulär auf den metrischen Schwerpunkten platziert
werden. Die daraus entstehenden Ergebnisse unterwerfen sich
immer der Tatsache, dass der eigentliche Klang stets später erscheint, als die notationelle Aufzeichnung vermuten lässt. Werden die Kriterien der akustischen Bewegung verändert, ergeben
sich Pausenwerte, welche durch die herkömmliche notationelle
Symbolik kaum darstellbar wären bzw. im praktisch-instrumentellen Sinne nicht üblich sind. Diese Non-Äquivalenz zwischen Geschriebenem und Hörbarem führt zu einer andersartigen Verfahrenstechnik der Pausengestaltung.
Bei der inneren Anatonie hingegegen werden gewünschte, aufbauspezifische Merkmale des Tonmaterials gekennzeichnet, die sich innerhalb des Tonkörpers befinden. Die Steuerplattenabbildung zeigt
diese Art der Kennzeichnung und den daraus resultierenden graphischen Schwingungsverlauf. vgl. d
Wiederholt ist die Versetzung des Markierungspunktes auf der Steuerplatte notwendig. Dieser wird genau an die Stelle gesetzt, von welcher aus die anatonische Zergliederung starten soll. Die Abfolge und
Länge der Etappen kann, wie Eingangs besprochen, individuell auf
gewünschte, aufbauspezifische Merkmale des Tonkörpers angepasst
werden.
Somit können ausnahmslos alle zeitlichen Etappen eines akustischen
Ereignisses „funktionstüchtig“ und „anfassbar“ gemacht werden. An
© Alexander Sonnenfeld
Innere und äußere Anatonie
c
Beispiel: äußere Anatonie
15
0
-15
Sekunden
156 0.4
0,6
0.8
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KHz / Sekunden)
Verlauf: 1/4 Note
d
0.2
Beispiel: innere Anatonie
15
157 0
-15
Sekunden
Verlauf: 1/4 Note
0.2
0.4
0.6
0.8
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KHz / Sekunden)
diesem Beispiel zeigt sich wiederholt ein wichtiges Wesensmerkmal
der S - Notation. Akustik und Notation sind nicht zwangsweise aneinander gebunden, sondern unterliegen einer Idee und der entsprechenden Vorbereitung. Es ist alles eine Frage des Ausgangsmaterials
bzw. der Korrespondenz von Notation und Akustik!
Allerdings wird hierbei die klassische Funktion und Leseweise der
Musiktheorie nicht vernachlässigt. Bei der musikalischen Arbeit
mit Melodiebögen als Ausgangsmaterial, ist es beispielsweise
Bewegungslehre
Anatonie
von großem Vorteil, wenn das traditionelle Liniensystem parallel
in die schriftlichen Aufzeichnungen integriert wird. Denn in diesem Fall entspricht die anatonische Verlaufsstrecke letztlich der
zeitlich koordinierten Abfolge von unterschiedlichen Tonhöhen,
wobei das S-Liniensystem, als auch das klassischen System mit
einer Klammer verbunden werden müssen. Somit kann genau abgelesen werden, welche Etappe welcher Tonhöhe entspricht. Auf
solche Spezialfälle, die sich wie gesagt aus der Beschaffenheit des
Ausgangsmaterials ergeben, wird in zusätzlicher Literatur eingegangen.
Bemerkenswert ist, dass durch die S-Notation eine neuartige Kompositionsgrundlage entsteht. Schriftzeichen sind graphische Formen,
denen Tonkörper „innewohnen“ oder Formen, in die Töne nach belieben „hineingelegt“ werden können. Aus der Transformation entstehen zwangsläufig neuartige Konstellationen, welche eine unkonventionelle musikalische Arbeit ermöglichen. Da psychische Konzeption weitesgehend nur als Logistik von Erfahrung und Ästhetik
gebraucht wird, lassen sich aus der Verformung unvorhersehbare
Klanggebilde produzieren.
© Alexander Sonnenfeld
Innere und äußere Anatonie
158 Bewegungslehre
Literaturangaben
Aufbau Ton: http://www.uni-koeln.de/rrzk/multimedia/
dokumentation/audio/akustik ( abgerufen: 16.11.2010 )
Rudolf Frisius: „Musique concrete“
http://www.frisius.de/rudolf/texte/tx355.htm ( abgerufen: 05.11.2010 )
Palombini, Carlos: Machine Songs V: Pierre Schaeffer:
„From Research into Noises to Experimental Music“, in: Computer
Music Journal 17, Autumn 1993, S. 14 –19.
160 © Alexander Sonnenfeld
161 Nachdem sowohl die akustische Bewegung, als auch das darauf befindliche
Tonmaterial grundlegend systematisiert wurden, gilt es als nächstes die
erste Parameterbewegung an den
Schiebereglern des Instruments zu
definieren — die sogenannte dynamische Bewegung. Durch diesen Parameter kann der Lautstärkeverlauf des
verwendeten Tonmaterials individuell
gestaltet werden.
Kapitel: 11 – 15
Dy n a m i sc h e B e w eg u n g e n
Bewegungslehre
Systematik der dynamischen Bewegungen
Die Veränderung der Tonstärke bezieht
sich für gewöhnlich auf das An- und
Abheben der Amplitude. Im Tonstudio
oder während einer Live-Aufführung
wird so das Klangbild dem Raum der
Vorführung angepasst, oder bewußt verfremdet. Tontechniker und Klangregisseure arbeiten dabei am Drehpotentiometer oder den Schiebereglern eines
Mischpultes, um die akustische Verfremdung des originalen Tonmaterials
hervorzurufen.
Im DJing und Turntablism hat sich in den
letzten Jahrzehnten aus dem Umgang
mit solchen Schiebereglern eine virtuose
Spielkunst entwickelt, welche sich in
verschiedenartige Schnitt-, und Blendetechniken untergliedert. Voraussetzung
dafür war die Entwicklung spezieller
Fader (vertikale und horizontale Ausrich© Alexander Sonnenfeld
Intro
164 165 tung), die den enormen Belastungen der
Spielarten standhielten und sich zudem
komfortabel bewegen ließen. Die damit
verbundene Zweckentfremdung der
gewöhnlichen Mischkonsole legte den
Grundstein für die dynamische Bewegung.
Durch das Tonspielzeug wird man in
die Lage versetzt, die Tonstärke genauso
„greifen“ zu können, wie das Tonmaterial
mit Hilfe der Steuerplatte. Demzufolge
gelten hierfür Gestaltungsprinzipien, die
denen der akustischen Bewegung ähneln
und es entstehen daraus neuartige musikalische Möglichkeiten für einen künstlerischen Umgang mit der Lautstärke.
Daher ist die Entwicklung einer spezifischen notationellen Schriftsprache
notwendig um die große Aspektvielfalt
dynamischer Bewegungen eindeutig
beschreiben zu können.
Bewegungslehre
Systematik der dynamischen Bewegungen
Systematisierung
Systematisierung
a
Blenden (Linefader)
dynamische Bewegung
100
80
60
© Alexander Sonnenfeld
Faderweg in Millimeter
166 40
60
80
100
167 b
Schneiden (Crossfader)
dynamische Bewegung
100
80
60
40
Tonstärke in %
Bei der Systematisierung dynamischer Bewegungen wird grundlegend in zwei Gestaltungsmethoden unterschieden. Das sogenannte
Blenden, und das Schneiden des Signals. Das Unterscheidungsmerkmal dieser beiden Spielarten liegt bei näherer Betrachtung im Aufbau des Hüllkurvengraphen, in dessen Verlauf sich die Tonstärke
(y-Achse) in Bezug auf den Faderweg (x-Achse) verschiedenartig
entwickelt. vgl. a/b
Beim Blenden ist eine Aussteuerung der Obwohl die Hüllkurven
Tonstärke frei einstellbar, je nach dem, wo durch entsprechende Vorder Fader positioniert ist. Sämtliche Gra- einstellungen individuell
duierungsstärken eines zuvor definierten auf die beiden SpielkörSignalspektrums können stufenlos ange- per ausgerichtet werden
steuert werden. In diesem Fall spricht man können, hat es sich im
von Blendebewegungen.
Laufe der Zeit etabliert,
Beim sogenannten Schneiden gibt es wie- mit Hilfe des Crossfader
derum nur einen Minimal- und einen Maxi- zu schneiden und mit
malwert. Demnach ist das Signal entweder den beiden Linefadern
offen oder geschlossen. Dabei ergeben sich zu blenden. Unter diesen
verschiedene Schnitttechniken und Kom- Voraussetzungen wird
binationen, die im weiteren Verlauf noch nun die weiterführende
spezifisch erklärt werden.
Analyse der gängigen
Schnitt- und Blendtechniken stattfinden.
Tonstärke in %
40
Faderweg in Millimeter
20
30
40
50
Bewegungslehre
Systematik der dynamischen Bewegungen
169 Die Bewegungsrichtung hängt in erster
Linie davon ab, ob am Crossfader, oder
Linefader gearbeitet wird. Beim horizontal ausgerichteten Crossfader verläuft
die Bewegungsrichtung von links nach
rechts bzw. umgekehrt. Im Falle des vertikal ausgerichteten Linefader von oben
nach unten oder umgekehrt. Je nach
Richtung ergibt sich eine unterschiedliche Einflussnahme auf den Lautstärkeverlauf des Tonmaterials.
11
Bewegungslehre
Systematik der dynamischen Bewegungen
Bewegungsrichtung
Linefader
Crossfader
170 © Alexander Sonnenfeld
171 Bewegungslehre
Systematik der dynamischen Bewegungen
Bewegungsrichtung
Bewegungsrichtung
Ausgehend von einer linkshändigen Bedienung der Schieberegler ergibt sich für die Spielkörper folgende Funktionsweise: Befindet sich
der Crossfader am Anschlag des linken äußeren Rand, so ist die Tonstärke in ihrem Minimalwert (Geschlossenes Signal). Bewegt man diesen
ein wenig nach rechts, so wird die Tonstärke geöffnet und die Intensität erreicht sofort ihren Maximalwert (Offenes Signal).
Beim Linefader wird der Maximalwert
an Tonstärke erreicht, wenn der Schie- Die Graduierungsstärke
beregler ganz nach oben geschoben des Minimal,- und Maxiwird. Wird er von dort aus nach unten malwertes, also das
bewegt, so verringert sich die Amplitu- ganze Signalspektrum)
de entsprechend der Voreinstellung.
kann individuell festgeNatürlich können die Richtungen beider legt werden und richtet
Spielkörper auch umgekehrt werden, was sich nach den getroffenen
jedoch einer Sonderspielart entspricht, Voreinstellungen.
die im weiteren nicht beachtet wird.
Alle Handlungen an Cross- und Linefader werden durch Bewegungsformen klassifiziert. Wie auch bei akustischen Bewegungen
dienen diese als Bausteine für die Erstellung größerer Gruppierungsformen. Aus der spielerischen Korrespondenz zur Bewegung der Steuerplatte resultiert die Klangverfremdung des Tonmaterials — der Gegenstand der musikalischen Arbeit!
© Alexander Sonnenfeld
172 173 Mit dem Crossfader beginnend werden im Folgenden die wichtigsten Spielarten (Schnitttechniken) erklärt. Die kleinstmöglichen
Einheiten sind die Einfachen dynamischen Bewegungen. Dabei ergeben sich, wie auch bei den akustischen Bewegungen zwei Varianten, die in der S-Notation durch eigenständige Begriffe definiert
werden.
Aus einer spielerischen Zusammenführung der Einfachen Bewegungen (unter der Vorgabe, dass beide identische Zeitwerte aufweisen),
entstehen demnach Ganze dynamische Bewegungen. Auch hierbei ergeben sich wieder zwei Varianten, die in unterschiedlicher Weise das Tonmaterial beeinflussen und deshalb ebenfalls namentlich
definiert werden müssen. (Bedenkt man die Methodik der Systematiesierung akustischer Bewegungen, so wird ersichtlich, dass es sich
hierbei um die selbe Vorgehensweise handelt, nur eben in Bezug auf
das Spiel an den Schiebereglern. So ergibt sich eine kommunikative
Grundlage aus der hervor geht, wie diese zu bewegen sind.)
Anhand einer Viertel Note, durch welche der Beispielton immer ab
seinem Einschwingungsvorgang eingespielt wird, werden die aus der
dynamischen Bewegung entstehenden akustischen Konsequenzen
aufgezeigt und erklärt.
Bewegungslehre
Systematik der dynamischen Bewegungen
Bewegungsrichtung
Einfache Bewegungen
Das Öffnen
Einfache dynamische Bewegung (Öffnen)
a
instrumentelle Handlungen / Spielkörper
© Alexander Sonnenfeld
b
174 notationelle Symbolik
akustische Konsequenz
175 Bewegungsstärke
Diese Schnitttechnik bezieht sich ausschließlich auf das Öffnen des Signals. Dabei wird von einer Einfachen Bewegung gesprochen, da sie
nur eine einzige Bewegungsrichtung beinhaltet.
Bei der instrumentellen Umsetzung wird das Signal parallel zur akustischen Bewegung geöffnet. vgl. a Beide Handlungsabläufe, sowohl an
der Steuerplatte als auch die am Crossfader, verlaufen demzufolge
simultan. Nach Ausführung der akustischen Bewegung bleibt das
Signal weiterhin geöffnet und beide Hände verbleiben in der Endposition.
Die Symbolik dieser Schnittechnik entspricht einem Halbkreis, der
direkt über dem, sich innerhalb des Liniensystems befindenen
Symbol der akustischen Bewegung eingezeichnet wird. Das Zeichen öffnet sich sinnbildlich in Leserichtung von links nach rechts.
Beide Bewegungen werden direkt übereinander stehend aufgezeichnet, um die zeitliche Korrespondenz zwischen der dynamischen und der akustischen Bewegung zuverdeutlichen. vgl. a
Anhand der Graphik wird ersichtlich, dass der Übergangsmoment
vom geschlossenen Signal in das geöffnete ein wenig Zeit erfordert.
Dieser Wechsel wirkt sich auf die daraus entstehende Akustik insofern aus, dass ein winziger Teil des Tonmaterials am Anfang verschwindet.vgl. b
21
Bewegungsdauer
Vergleich von Hüllkurve / Schwingungsverlauf des Beispieltons (Bewegungsstärke /-dauer)
Bewegungslehre
Systematik der dynamischen Bewegungen
Bewegungsrichtung
Einfache Bewegungen
Das Schließen
a Einfache dynamische Bewegung (Schließen)
instrumentelle Handlungen / Spielkörper
© Alexander Sonnenfeld
b
176 notationelle Symbolik
akustische Konsequenz
177 Bewegungsstärke
Diese Bewegung dient wiederum dazu, das Schließen des Signals
herbei zu führen. Weil die Schnitttechnik wiederholt nur eine Richtung umfasst zählt sie ebenfalls zu den Einfachen dynamischen Bewegungen.
Die Ausgangsposition ist nun ein geöffnetes Signal. Sobald die akustische Bewegung entsprechend ihrer Bewegungsdauer gespielt wurde,
schließt der Daumen das Signal am Crossfader. Nach Abschluss der
Technik haftet dieser weiterhin am Crossfader und der Zeigefinger
ist abgespreizt, (siehe Videobeispiel) um gegebenenfalls in eine weitere dynamische Bewegung überzuwechseln.vgl. a
Als notationelle Symbolik wird nun ein sich schließender Halbkreis verwendet. Somit ergibt sich ein gegensätzliches Schriftzeichen zum Öffnen des Signals und die eigentliche Funktion der
Schnitttechnik lässt sich der visuellen Logik nach ganz eindeutig
ableiten. vgl. a
Da das Signal nach Ausführung dieser akustischen Bewegung geschlossen wird, sich jedoch der Handlungsvorgang am Crossfader
automatisch in die vorgegebene Bewegungsdauer integriert, wird
ein winziger Bereich am Ende des Tonmaterials weg geschnitten.
Anhand der Graphik ist der fehlende Bereich zu erkennen.vgl. b
22
Bewegungsdauer
Vergleich: Hüllkurve / Schwingungsverlauf des Beispieltons (Bewegungsstärke /-dauer)
Bewegungslehre
Systematik der dynamischen Bewegungen
Bewegungsrichtung
Ganze Bewegungen
Öffnen & Schließen
Ganze dynamische Bewegung (Öffnen & Schließen)
a
instrumentelle Handlungen / Spielkörper
© Alexander Sonnenfeld
b
178 notationelle Symbolik
akustische Konsequenz
179 Bewegungsstärke
Diese Schnitttechnik bezieht sich auf das Öffnen & Schließen des Signals innerhalb einer vorgegebenen Bewegungsdauer. Sie richtet sich,
wie auch bei allen übrigen Schnitttechniken, immer nach dem jeweiligen Zeitwert der eingetragenen akustischen Bewegung.
Parallel zur Plattenbewegung wird das Signal zuerst geöffnet und
zum Ende der Bewegungsdauer mit Hilfe des Daumens wieder geschlossen. Weil es sich um eine Ganze dynamische Bewegung handelt, müssen die Zeitwerte der jeweiligen Einfachen Bewegungen
identisch sein und im Gesamten der akustischen Bewegungsdauer
entsprechen. vgl. a
Der bisherigen Logik zufolge ergibt sich aus der graphischen Zusammensetzung der beiden Symboliken Einfacher dynamischer
Bewegungen ein Kreis, das Schriftzeichen zur Verdeutlichung des
Öffnen & Schließen des Signals. Die Ausnotierung zeigt die entsprechenden Einzelbestandteile aus denen widerum die Zusammensetzung zu einem Ganzen entsteht. vgl. a
Die gezeigte Schnitttechnik ermöglicht es den Tonkörper, oder aber
auch nur einen Teil davon individuell zum Erklingen zu bringen. Wieviel Akustik dadurch „freigelegt“ wird, richtet sich nach der entsprechenden Bewegungsdauer. vgl. b
23
Bewegungsdauer
Vergleich: Hüllkurve / Schwingungsverlauf des Beispieltons (Bewegungsstärke /-dauer)
Bewegungslehre
Systematik der dynamischen Bewegungen
Bewegungsrichtung
Ganze Bewegungen
Schließen & Öffnen
Ganze dynamische Bewegung (Schließen & Öffnen)
a
instrumentelle Handlungen / Spielkörper
© Alexander Sonnenfeld
b
180 notationelle Symbolik
akustische Konsequenz
181 Bewegungsstärke
Diese Schnitttechnik beschreibt das Schließen & Öffnen des Signals
innerhalb einer vorgegebenen Zeit. Es handelt sich um eine Ganze
dynamische Bewegung, da sie zwei unterschiedliche Richtungen am
Crossfader umfasst.
Es wird aus dem geöffneten Signal gestartet und genau in der Mitte
der gespielten akustischen Bewegung ein Schnittpunkt gesetzt. Dabei wird der Crossfader durch den Daumen kurzzeitig geschlossen
und daraufhin sofort wieder durch den Zeigefinger geöffnet.vgl. a
Die Zeitlängen der beiden Einfachen Bewegungen müssen identisch
sein und im Gesamten dem Zeitwert der eingetragenen akustischen
Bewegungsdauer entsprechen. Nur unter diesen Vorraussetzungen
entsteht ein rhythmisches Klangbild und die notationelle Symbolik
darf verwendet werden.
Diese ergibt sich aus der Zusammenführung der Schriftzeichen
von Schließen und Öffnen zu einer Art Kreuz, das als vereinfachte
Schreibweise, in Form eines X angewendet wird. Die graphische
Form der Symbolik repräsentiert idealer Weise jenen Schnittpunkt, welcher in Folge der Spielart erzeugt wird. Das Zeichen
wird direkt über der akustischen Bewegung angefügt. Die Ausnotierung zeigt die Einzelbestandteile dieser Spielweise.vgl. a
Aufgrund des Schnittpunktes in der akustischen Bewegung, wird
der Tonkörper hörbar in zwei gleichlange Teile unterteilt. Wie
aus der Verlaufsgraphik ersichtlich wird, ergeben sich somit zwei
voneinander abgetrennte Töne.vgl. b
24
Bewegungsdauer
Vergleich: Hüllkurve / Schwingungsverlauf des Beispieltons (Bewegungsstärke /-dauer)
Bewegungslehre
Systematik der dynamischen Bewegungen
Bewegungsrichtung
Sonderform
Das Einschneiden
Sonderform dynamische Bewegung (Einschneiden)
a
instrumentelle Handlungen / Spielkörper
© Alexander Sonnenfeld
b
182 notationelle Symbolik
akustische Konsequenz
183 Bewegungsstärke
Neben Einfachen und Ganzen dynamischen Bewegungen existieren
Sonderformen. Eine der Bedeutensten nimmt dabei Bezug auf das
Öffnen & Schließen des Signals unter Anwendung einer bestimmten
Fingertechnik. Die daraus hervorgehende Akustik unterscheidet sich
erheblich von der sinnverwandten Ganzen dynamischen Bewegung.
Parallel zur Plattenbewegung öffnet man, durch ein schwungvolles
Einwirken des Zeigefingers auf den Crossfader, kurzzeitig das Signal. Der Gegendruck des am Crossfader haftenden Daumens, fungiert dabei wie eine Feder und lässt das Signal sofort wieder schließen. Sinnbildlich wird das Tonmaterial kurzzeitig eingeschnitten, woraus sich auch die Betitelung dieser speziellen Spielart ableitet. vgl. a
Da es sich dabei um eine Sonderform des Öffnen & Schließen handelt wird ebenfalls ein Kreis als Symbolik verwendet. Um eine visuelle Unterscheidung zur Ganzen dynamischen Bewegung zu treffen, wird diesmal jedoch eine Diagonale integriert. vgl. a
Der minimale Öffnungszeitraum des Signals infolge der besprochen
Fingertechnik, führt zu einer erheblich kurzzeitigeren Akustik, wie
es anhand der Abbildung der Hüllkurve zu erkennen ist. Je nach Anschlagsstärke des Zeigefingers auf den Crossfader bzw. den darauf
abgestimmten Gegendruck des Daumens, lassen sich hierbei unterschiedliche Resultate erzeugen. In der Praxis wird diese Schnitttechnik nur in einem schnelleren Spieltempo oder bei kürzeren Bewegungsdauern angewendet.vgl. b
25
Bewegungsdauer
Vergleich: Hüllkurve / Schwingungsverlauf des Beispieltons (Bewegungsstärke /-dauer)
Bewegungslehre
Systematik der dynamischen Bewegungen
Bewegungsrichtung
Sonderform
Das Ausschneiden
Sonderform dynamische Bewegung (Ausschneiden)
a
instrumentelle Handlungen / Spielkörper
© Alexander Sonnenfeld
b
184 notationelle Symbolik
akustische Konsequenz
185 Bewegungsstärke
Diese Sonderform bezieht sich auf das Schließen & Öffnen des Signals
unter Anwendung einer Fingertechnik, die als Umkehrung zum Einschneiden betrachtet werden kann.
Da man bei dieser Technik nun aus dem geöffneten Signal startet,
wird durch die Bewegung des Daumens am Crossfader die eingespielte akustische Bewegung geschlossen. Nun soll innerhalb der vorgegebenen Bewegungsdauer das Signal mit Hilfe des Zeigefingers
wiederum geöffnet werden, ohne einen Schnittpunkt zu erzeugen.
Somit unterscheidet sich die Technik vom Schließen bzw. Schließen
& Öffnen in der instrumentellen Ausführung und auch von der daraus resultierenden Akustik.
Weil es sich dabei um eine Art Mischform mehrerer Schnitttechniken handelt finden auch alle bisher verwendeten graphischen
Mittel der übrigen Symboliken ihre Anwendung. Demnach wird
als Schriftzeichen des Ausschneidens ein Kreis mit integriertem X
gezeichnet. vgl. a
Da sich das Schließen und Öffnen des Signals in die vorgegebene Bewegungsdauer integriert, verschwindet auch ein erheblicher Teil des
Tonmaterials zum Ende. vgl. b
Aus jeder der vorgestellten Schnitttechniken entsteht eine gestalterische Einflussnahme auf die dynamische Struktur des Tonkörpers. Sie stellen das Grundrepertoire dar und sind sozusagen
26
Bewegungsdauer
Vergleich: Hüllkurve / Schwingungsverlauf des Beispieltons (Bewegungsstärke /-dauer)
die ersten Architekten zur innovativen Dynamisierung des Tonmaterials. Im Weiteren wird die notationelle Aufzeichnungsmethodik der soeben beschriebenen Beispiele für Bewegungsrichtungen noch einmal zusammengefasst.
Bewegungslehre
Systematik der dynamischen Bewegungen
Bewegungsrichtung
Notationelle Symbolik
Zusammenfassung
a
notationelle Symbolik (Schnitt-Symbole)
Einfache Bewegungen:
Als notationelle Symbolik werden Schriftzeichen verwendet, deren
graphische Gestalt die Funktionen der jeweiligen dynamischen Bewegung andeuten. Sie werden immer oberhalb des S-Liniensystems,
direkt über der entsprechenden akustischen Bewegung eingetragen,
welche es zu dynamisieren gilt. Somit wird die zeitliche Korrespondenz zwischen Bewegungen am Crossfader- und denen an der Platte
eindeutig visualisiert.
Um zu kennzeichnen, dass das Signal ge- Die akustischen Differenöffnet wird, zeichnet man über die ent- zen, die sich zwischen
sprechende akustische Bewegung einen den Techniken ergeben,
„aufgehenden“ Halbkreis. Im Gegensatz zeichnen sich in Folge
dazu wird dieser gespiegelt, um auf ein weitreichender KombinaSchließen des Signals hinzudeuten. vgl. a
toriken immer deutlicher
Aus der Zusammenführung beider Klam- ab – tragen maßgeblich
mern zu einem Kreis ergibt sich die Sym- zur Klangverfremdung bei.
bolik des Öffnen & Schließen.
Für das Einschneiden (Sonderform) wird dieses Zeichen durch eine
Diagonale geteilt, um ein graphisches Unterscheidungsmerkmal zu
ermöglichen.vgl. a
Beim Schließen & Öffnen entsteht aus der leicht abgewandelten Zusammenführung beider Halbkreise ein X. Die Gestalt der Symbolik
repräsentiert die Anmutung eines Schnittpunktes, welchen man in
Folge dieser Spielart erzeugt.
© Alexander Sonnenfeld
Ganze Bewegungen:
186 Öffnen
Öffnen & Schließen
Schließen
Schließen & Öffnen
187 Sonderformen:
Einschneiden
Ausschneiden
Die daraus abgeleitete Sonderform des Ausschneidens wird infolge
der bisherigen Logik mit einem durchkreuzten Kreis dargestellt.vgl. a
Damit ist das erste Grundrepertoire an Techniken beschrieben,
wodurch der Lautstärkeverlauf des Tonmaterials transformiert
werden kann. Dies geschieht dann, wenn man die verschiedenen
Techniken in unterschiedlichen Bewegungsdauern oder (in) Anzahl auf die akustischen Bewegungen bzw. Gruppierungen korrespondieren lässt.
Bewegungslehre
Systematik der dynamischen Bewegungen
189 Die Bewegungsdauer Die Dauer einer
dynamischen Bewegung entscheidet
darüber, wie viel akustische Zeit
vom Tonmaterial „freigelegt“ wird.
Im Normalfall steht diese in Äquivalenz
zur Plattenbewegung, weshalb der
eingetragene Wert der akustischen
Bewegung immer für den Ausführungsmoment am Crossfader gilt. Indem
sich diese Bewegungsdauern nun voneinander unterscheiden erschließt sich
ein weites Feld für neue Instrumentalisierungsvarianten am Tonkörper.
12
Bewegungslehre
Systematik der dynamischen Bewegungen
Bewegungsdauer
Gerade
Zeiteinteilung
a
Beispiele: gerade Zeiteinteilung
27
4
1/16
15
0
-15
Sekunden
0.2
0.4
0.6
0.8
vierfach Einschneiden
28
4
Im ersten Beispiel wird eine Viertel Note viermal rhythmisch Eingeschnitten — laut Theorie eine gerade Zeitteilung.vgl. a Zu Beginn
ist die Ausnotierung des besagten Musters dargestellt. Die Symbolik des Einschneiden gilt hierbei für alle darauffolgend eingetragenen
Noten bis sie durch eine andere Technik „ab-/aufgelöst“ wird.
Zusätzlich zum anatonische Bogen verbindet der Haltebogen Einzelbewegungen und kennzeichnet, dass es sich um eine einzelne Plattenbewegung handelt, nicht etwa eine Gruppierung. Diese Aufzeichnungsmethodik ist sehr wertvoll, insbesondere wenn man eine
Akustische Bewegung durch unterschiedliche Schnitttechniken dynamisieren will, können bestimmte zeitliche Abschnitte genau definiert
werden.
Darauf folgen zwei Aufzeichnungsmethoden, welche dieses Muster von der Schreibweise her vereinfachen. Dabei wird die Anzahl
der Schnitte bzw. die Zählzeit in der man diese ausführt über der
Symbolik angezeichnet. Je nach Schnitttechnik ergeben sich verschiedene Konsequenzen für das Material.
Anhand der Schwingungsverläufe ist zu erkennen, dass sowohl
die Öffnungs,- und die Schließmomente zu sehr unterschiedlichen
Verlagerungen der Intensitäten führen, obwohl sie allesamt in ein
und derselben Bewegungsdauer ausgeführt wurden.
15
0
-15
190 191 Sekunden
vierfach Öffnen & Schließen
0.2
0.4
0.6
0.8
29
4
1/16
15
0
-15
Sekunden
vierfach Schließen & Öffnen
0.2
0.4
0.6
0.8
30
4
1/16
15
0
-15
vierfach Ausschneiden
© Alexander Sonnenfeld
1/16
Sekunden
0.2
0.4
0.6
0.8
Schwingungsverläufe des Beispieltons (KHz / Sekunden)
Bewegungslehre
Systematik der dynamischen Bewegungen
Bewegungsdauer
Ungerade
Zeiteinteilung
a
Beispiel: ungerade Zeitteilung (Einschneiden)
5
31
15
0
5
-15
Sekunden
© Alexander Sonnenfeld
b
192 193 0.4
0.6
Beispiel: ungerade Zeitteilung (Einschneiden)
4
0.8
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KHz / Sekunden)
Sechzehntel-Quintole
Besonders interessant sind irreguläre Teilungen des Tonkörpers mittels dynamischer Bewegungen. Auf zwei Varianten soll unter Anwendung des Einschneidens genauer eingegangen werden. Das erste
Beispiel zeigt eine irreguläre Zeiteinteilung von fünf gleichlangen
Schnitten auf eine Viertel Note, also eine dynamische SechzehntelQuintole. vgl. a
Zu Beginn die Ausnotierung, aus der die Werterteilung hervor geht.
Die dynamische Sechzehntel-Quintole wird, wie auch in der traditionellen Notation, durch fünf Bewegungen ( Bsp. Noten) plus der darunter gezeichneten Zahl 5 gekennzeichnet. Da es sich in diesem Fall
jedoch um die Teilung einer Viertel Note mittels fünf gleichlanger
Schnitte handelt, müssen alle verbalkten Bewegungen zusätzlich mit
Hilfe des Haltebogens und anatonischen Bogens verbunden werden,
um zu kennzeichnen, dass es sich nicht um eine Gruppierung handelt.
Erheblich einfacher kann diese Spielweise durch die nebenstehende
Aufzeichnungsmethode gekennzeichnet werden.
Es wird deutlich, dass die ungerade Zeitteilung ausschließlich aus der
dynamische Bewegung resultiert, obwohl genau genommen nur ein
Tonkörper gespielt wird. Dabei ist besonders die Tatsache interessant, dass in der spielerischen Korrespondenz von akustischer und
dynamischer Bewegung unterschiedliche Wertaufteilungen aufeinander treffen können, wie das zweite Beispiel, zeigt.vgl. b
0.2
32
15
0
3
Achtel-Triolenquartole (3-2-3)
-15
Sekunden
0.2
0.4
0.6
0.8
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KHz / Sekunden)
Die akustische Achtel-Triole (3-2-3) wird in vier gleichlange Schnitte
untergliedert, von deren Anzahl sich die Bezeichnung dieses Musters
ableitet, eine Achtel-Triolenquartole. Die kursive Drei unter dem Liniensystem beschreibt den irregulären Zeitwert der akustischen Bewegungsgruppierung. Die Schnittklammer über diesem Muster zeigt,
dass der Gesamtzeitwert dieser Gruppierung viermal geschnitten
wird, was im Bezug auf den tatsächlichen Zeitwert einer Sechzehntel
Bewegungsdauer entspricht.
Bewegungslehre
Systematik der dynamischen Bewegungen
Bewegungsdauer
Somit wird die Aufbauspezifik der akustischen Achtel-Triole (gemeint
sind die einzelnen voneinander abgetrennten akustischen Bewegungen) zusätzlich durch das Einschneiden dynamisiert. Zum Vergleich
steht der Schwingungsverlauf dieser Bewegungstriole ohne Schnitt,
und in einer Korrespondenz mit dem viermaligen Einschneiden. vgl. c/d
Zwei weitere notationelle Beispiele, bei denen verschiedene irreguläre Teilungen der akustischen und dynamischen Bewegung ineinander
greifen, zeigt die letzte Abbildung. vgl. e
c
Beispiel: ungerade Zeiteinteilung (ohne Einschneiden)
15
0
-15
3
Sekunden
Achtel-Triole (3-2-3)
d
194 0.2
0.4
0.6
0.8
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KHz / Sekunden)
Beispiel: ungerade Zeiteinteilung (Einschneiden)
4
195 15
0
-15
3
Sekunden
Achtel-Triolenquartole (3-2-3)
e
0.4
2
Achtel-Duolentriole
3
0.6
0.8
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KHz / Sekunden)
Beispiel: ungerade Zeiteinteilung (Einschneiden)
3
© Alexander Sonnenfeld
0.2
5
3
Achtel-Triolenquintole (3-2-3)
Bewegungslehre
Systematik der dynamischen Bewegungen
Bewegungsdauer
Gruppierungen
a
Beispiel: Gruppierung dynamischer Bewegungen
33
15
0
-15
Sekunden
© Alexander Sonnenfeld
b
196 0.4
0.6
0.8
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KHz / Sekunden)
2-fach punkt. Schließen & Öffnen
Durch das gezielte Wechselspiel der einzelnen Schnitttechniken auf
eine, oder mehrere akustische Bewegungen angewendet, eröffnet
sich ein weites Feld an Möglichkeiten zur Instrumentalisierung der
dynamischen Architektur eines Tonkörpers. Mittels einiger ausgewählter Beispiele sollen vorstellbare akustische Auswirkungen demonstriert werden.
Eine populäre Form solcher Gruppierungen wird im Turntablism
als sogenannter „3-click flare“ bezeichnet. Hierbei wird die akustische Bewegung mittels vier aufeinanderfolgenden Schnitten
dynamisiert. vgl. a
Dafür startet man mit geöffnetem Signal und spielt parallel zur
akustischen Bewegung: Schließen, Einschneiden, Einschneiden
und Öffnen im vorgegebenen Zeitwert einer Viertel. Infolge dessen wird der Tonkörper in vier Abschnitte gegliedert — das hörbare Resultat kann prinzipiell anhand des graphischen Schwingungsverlaufes abgelesen werden.
Die notationelle Darstellung offenbart neben der Ausnotierung
die Abkürzung dieser Gruppierung mittels eines einzelnen Zeichens, welches als zweifach punktiertes Schließen bezeichnet wird.
Dies ermöglicht eine vereinfachte Darstellung einer festgelegten
Reihenfolge von bestimmten Schnitttechniken.
Noch einmal dieselbe Aktion am Crossfader, diesmal jedoch in
Korrespondenz mit einer 4-2-3-4 Gruppierung der akustischen Be-
0.2
Beispiel: Gruppierung dynamischer Bewegungen
34
15
197 0
-15
Sekunden
2-fach punkt. Schließen & Öffnen
0.2
0.4
0.6
0.8
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KHz / Sekunden)
wegung.vgl. b Jede der ausgeführten Plattenbewegungen korrespondiert mit einer Schnitttechnik, was anhand der Ausnotierung
erkennbar ist.
Nun ein Beispiel bei, welchem eine Gruppierung dynamischer Bewegungen (einfach punktiertes Einschneiden) zweimal mit einer Noteton korrespondiert. Die Schnittfolge lautet: Einschneiden, gefolgt von
Öffnen & Schließen, Einschneiden und Öffnen & Schließen.
Die Ausnotierung verdeutlicht die Einzelbewegungen, welche durch
die nebenstehende Schreibweise erheblich abgekürzt wird.
Bewegungslehre
Systematik der dynamischen Bewegungen
Die Abbildung des graphischen Schwingungsverlaufs lässt die daraus
hervorgehende akustische Konsequenz erkennbar werden. vgl. unten
In der darunter angeordneten Darstellung sind weitere Gruppierungsvarianten abgebildet. Mit Hilfe von Punkten, welche über
die Symboliken angezeichnet werden, kann die nebenstehende
Abfolge von Schnitten abgekürzt werden. vgl. c – e
Bei diesen Gruppierungen handelt es sich jedoch ausnahmslos
um die Zusammenführung der besprochenen Techniken, die sich
unter Zuhilfenahme der übrigen Finger der Hand noch in weitere
Sonderspielarten aufgliedern.
Bezogen auf die Lautstärke kann man das Formgestaltungsprinzip
der Gruppierungen in gewisser Weise mit der Erarbeitung musikalischer Muster vergleichen. Wie bei einer Melodie entsteht aus der
Folge von Schnitten eine „sich in der Zeit entfaltende Tonbewegung“,
die einen eigenen Klang produziert. Deswegen ist es für einen professionellen Tonspieler auch möglich Schnittgruppen, unabhängig
vom verwendeten Tonmaterial, heraus zu hören und als Muster zu
identifizieren.
Um Einfluss auf die noch verbleibenden Bewegungskriterien zu nehmen (Stärke und Charakteristik) muss nun die Lautstärke geblendet
werden können, denn die Gestaltung dieser Kriterien erfordert es,
das Signal stufenlos erhöhen oder auch verringern zu können.
Bewegungsdauer
c
Abkürzungen für Öffnen & Schließen
einfach punktiert
d
Beispiel: Gruppierung dynamischer Bewegungen
2
15
0
-15
Sekunden
einfach punkt. Einschneiden
© Alexander Sonnenfeld
0.2
0.4
0.6
0.8
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KHz / Sekunden)
zweifach punktiert
dreifach punktiert
199 e
Abkürzungen für Schließen & Öffnen
einfach punktiert
35
dreifach punktiert
Abkürzungen für Einschneiden
einfach punktiert
198 zweifach punktiert
zweifach punktiert
dreifach punktiert
Bewegungslehre
Systematik der dynamischen Bewegungen
Bewegungsdauer
Blenden
a
Erhöhung und Verringerung der Bewegungsstärke
Wie zu Beginn dieses Kapitels erwähnt, wird der Linefader für gewöhnlich benutzt um Blendebewegungen auszuführen. Mit Zeigefinger und Daumen wird der vertikal ausgerichtete Schieberegler individuell an die vorgesehene Position geschoben. Das instrumentelle
Handlungsbild klärt sich durch das entsprechende Video.vgl. a
Im Gegensatz zu Schnitttechniken müssen
Blendebewegungen innerhalb eines Laut- Unter bestimmten Vorstärke-Liniensystem platziert werden. Für raussetzungen kann das
eine Systematisierung reichen die bisher Blenden mit Schnitttechvorgestellten Symbole nicht aus, da nun niken kombiniert werden.
unterschiedliche Bewegungsstärken ange- Ein Sonderfall der vorerst
spielt, und diese auch in unterschiedlichen keine jedoch noch keine
Zeitwerten ausgeführt werden. Eine eige- Berücksichtigung findet.
ne Schriftsprache ist notwendig!
Die notationelle Symbolik für das Blenden ist derer der akustischen
Bewegung sehr ähnlich. Sie besitzt Kopf und Hals, sowie angehängte Striche um Zeitwerte festzulegen (immer nach rechts ausgerichtet). Wie bei der getragenen Note bzw. Eton ist der Kopf rund. Jedoch wird die Stielung, anders als bisher, in der Mitte angesetzt. Da
die Vorgänge an der Blende nicht im S-Liniensystem aufgezeichnet
werden, kann es zu keiner Verwechslung mit akustischen Bewegungen kommen. Die wichtigsten Bewegungsdauern sind in der Abbildung dargestellt.vgl. b
b
Zeitwerte Blendebewegung
© Alexander Sonnenfeld
200 36
201 Um keine Verwechslung zum Bewegungspunkt zu verursachen wird
die Ganze Blendebewegung nur umrandet dargestellt. Sobald sich
die Köpfe geringerer Bewegungsdauern auf oder über der 3. Linie
befinden, wird der Hals nach unten hin gezogen bzw. nach oben, sobald sie unter der 3. Linie positioniert sind.
Letztendlich bezieht sich beim Blenden die Dauer auf einen Zeitraum, in welchem das Material mit einer bestimmten Amplitude
gespielt wird. Daher findet der eigentliche mechanische Bewegungsvorgang am Linefader im Vorfeld statt.
Bewegungslehre
Systematik der dynamischen Bewegungen
203 Die Bewegungsstärke Um die genaue
Amplitudenstärke des eingespielten
Tonmaterials im Lautstärkesystem zu
kennzeichnen, werden den Linien und
Zwischenräumen bestimmte Werte
zugewiesen, welche durch Buchstaben
betitelt sind.
Die Zuteilung unterliegt, wie auch bei
der Systematisierung der akustischen
Bewegungsstärken, dem effektiven
Prinzip. Danach werden Graduierungswerte festlegt, die in Anbetracht des
Ausgangsmaterials und den spielerischen Absichten, als brauchbar empfunden werden.
13
Bewegungslehre
Bewegungstärke
Systematik der dynamischen Bewegungen
Bewegungsstärke
a
Bewegungsstärke für Noten
oberes System
mittleres System
unteres System
Noten
Für die notationelle Arbeit ist die Aufschlüsselung am Zeilenanfang
besonders wichtig. In Anlehnung an den Begriff der dynamischen Bewegung wird im Folgenden das sogenannte D-System verwendet,
welches demzufolge durch den Großbuchstaben D aufgeschlüsselt
wird.
Für die folgende theoretische Betrachtung wurden die D - Liniensysteme (unteres, mittleres, oberes) in Prozentangaben untergliedert,
um mögliche Amplitudenstärken zu kennzeichnen. Dabei werden die
Graduierungswerte mit den Buchstaben A – Y betitelt, so wie der Tabelle zu entnehmen ist.vgl. a
In allen weiteren Analysen findet ausschließlich das mittlere System Anwendung, wobei die Amplitude der obersten Linie ( Q ) zur
Anschauung auf 100 % festgelegt wurde. Ausgehend von diesem
definierten Wert findet die Verringerung in 10 % Schritten nach
unten hin statt.
Die Methodik der notationellen Aufzeichnung von Blendebewegungen lässt sich am besten anhand einem der bekanntesten Effekte
beschreiben, bei dem die Lautstärke eine entscheidene Rolle spielt.
Das sogenannte Echo –– ein kontinuierliches Erklingen von Tonmaterial mit abnehmender Amplitudenstärke –– wird in der S - Notation
wie folgt gekennzeichnet: vgl. b Das Dynamik- System (auch D - System) steht immer unter dem der akustischen Bewegung, da sich alle
Parameterbewegungen auf das laufende Tonmaterial beziehen.
© Alexander Sonnenfeld
Note
204
A
B
C
D
E
F
G
H
I
10 %
20 %
30 %
40 %
50 %
60 %
J
K
L
70 %
80 %
90 %
M
N
O
P
Q
R
S
T
U
V
W
X
Y
205 Stärke
0%
2,5 % 5,0 %
Verringerung
Dauer
b
0 s
32 s
16 s
8,0 s
4,0 s
2,66 s
2,0 s 1,60 s 1,33 s 1,14 s
100 % 110 %
Original
120 % 130 %
140 % 150 % 160 % 170 % 180 % 190 % 200 % 210% 220%
Erhöhung
1,00 s 0,88 s 0,80 s 0,72 s 0,66 s 0,61s 0,57 s 0,53 s 0,50 s 0,47 s 0,44 s 0,42 s 0,40 s 0,38s 0,36s
Beispiel: Blendebewegung (Echo mit abnehmender Tonstärke)
37
15
0
-15
Sekunden
notationelle Aufzeichnung
0.8
1.6
Schwingungsverlauf des Beispieltons ( KHz / Sekunden )
2.4
3.2
Bewegungsstärke
Hinweis: Der Ausgangswert (M) bezieht
sich auf eine Voreinstellung der Lautstärke,
welche individuell vom Spieler an die
räumliche Umgebung angepasst wird.
(Raumgröße, Raumhöhe etc.)
Bewegungslehre
Bewegungslehre
Systematik
Systematikder
derdynamischen
dynamischenBewegungen
Bewegungen
Beide
Liniensysteme
sind durch einer
Gruppenklammer
verbunden
sind durch
eine Gruppenklammer
verbunden
und die Taktstriche
und
die Taktstriche
werden
durchgezogen.
Weil
es sich
um dasInstruSpiel
werden
durchgezogen.
Weil
es sich um das
Spiel
an einem
an
einem
Instrument
Bezug auf dieund
Schreibment
handelt,
stehenhandelt,
beide instehen
Bezug beide
auf dieinSchreibweise
auch
weise
undinauch
zeitlich,
einem festen
VerhältnisDabei
zueinander.
Dabei
zeitlich,
einem
festeninVerhältnis
zueinander.
definiert
die
definiert
die Positionierung
der Dynamischen
Bewegung
die AmpliPositionierung
der Dynamischen
Bewegung die
Amplitudenstärke,
tudenstärke,
mit der die
jeweiligeBewegung
Akustischeimmer
Bewegung
immer
mit der die jeweilige
Akustische
wieder
von wieneuder
neuem eingespielt
wird.
em von
eingespielt
wird.
Zu
Zu Beginn
Beginn wird
wird die
die Note
Note inin der
der Amplitudenstärke
Amplitudenstärke((Q = 100 Q = 100%
%)) gege(A)
spielt.
spielt.Darauffolgend
Darauffolgendblendet
blendetman
mandie
dieAmplitude
Amplitudekomplett
komplettaus
aus(A),
um
diesem Zeitraum
Zeitraumdie
dieSteuerplatte
Steuerplatte
Anatonischen
um in diesem
an an
denihren
anatonischen
StartStartpunkt
zurückzubewegen.
Dadurch
entfällt
die Akustik
notpunkt zurückzubewegen.
Dadurch
entfällt
die Akustik
des des
notwenwendigen
Zwischenschritts.
Anschließend
den von
Ton Neuvon
digen Zwischenschritts.
Anschließend
spieltspielt
manman
den Ton
(
),
(
)
Neuem
der Bewegungsstärke
em ein, ein — diesmal
diesmal jedochjedoch
in der mit
Bewegungsstärke
O = 80%O = 80%
, was gewas
gegenüber
der ersten
Bewegung Amplitudenstärke
einer geringeren Amplitudengenüber
der ersten
einer geringeren
entspricht.
stärke
entspricht.
Folgt man
weiterhin der notationellen Anweisung, so wird diese
Folgt
man vier
weiterhin
dereinem
notationellen
so Lautstärkewird diese
Spielweise
mal, mit
sich stetigAnweisung,
verringernden
Spielweise
vier mal,was
mitauch
einemaus
sich
stetig
verringernden
Lautstärkegrad wiederholt,
dem
graphischen
Schwingungsvergrad
wiederholt,
was auch aus dem graphischen Schwingungsverlauf zu
erkennen ist.
lauf Dieses
zu erkennen
relativist.einfache Beispiel führt nun zum eigentlichen KriDieses
einfache
nun zum
eigentlichen Kriteterium,relativ
das den
BegriffBeispiel
Blendenführt
in seiner
übergeordneten
Funkrium,
dassolches
den Begriff
Blenden Es
in seiner
übergeordnetenFunktion
tion als
rechtfertigt.
handelt
sich um die Bewegungsals
solches rechtfertigt.
handelt sichder
umAmplitude,
die Bewegungschacharakteristik,
sprich dieEs
Verlaufsform
die durch
rakteristik,
sprichindividuell
die Verlaufsform
der
Amplitude,
den Spielkörper
gestaltet
werden
kann.die durch den
Spielkörper
individuell
gestaltet
werden
kann. Bewegung gibt es
Wie auch bei
der Systematik
der
akustischen
Wie
aucheiner
bei der
Systematik
der Akustischendie
Bewegung
gibt es
hierbei
Unmenge
von Möglichkeiten,
nach derselben
hierbei
einer
Unmenge werden
von Möglichkeiten,
die nach wird
derselben
Methode
klassifizieren
können. Letztendlich
allein
Methode
klassifizieren
werden können.
Letztendlich
wirdden
allein
die Bewegung
eines Spielkörpers
systematisiert,
durch
der
die
Bewegung
eines Spielkörpers
systematisiert, durch
denkann.
der
Parameter
Lautstärke
flexibel instrumentalisiert
werden
Parameter Lautstärke flexibel instrumentalisiert werden kann.
Bewegungstärke
206 48
49
Bewegungslehre
Systematik der dynamischen Bewegungen
208 © Alexander Sonnenfeld
209 Die Bewegungscharakteristik wird,
wie auch bei akustischen Bewegungen,
in zwei grundlegende Formen unterschieden, den gleichförmigen und den
ungleichförmigen.
Bei gleichförmigen Verläufen ist keine
Lautstärkeveränderung innerhalb der
Zeit zu verzeichnen. Im Gegensatz dazu
kann sich jedoch die Amplitude der
ungleichförmigen Charakteristiken,
durch die Bewegung des Linefader sehr
unterschiedlich entwickeln.
14
Bewegungslehre
Systematik der dynamischen Bewegungen
Bewegungscharakteristik
gleichförmige Charakteristik
ungleichförmige Charakteristik
dynamische Bewegung
dynamische Bewegung
211 Bewegungsstärke
Bewegungsstärke
210 Bewegungsdauer
© Alexander Sonnenfeld
Bewegungsdauer
Bewegungslehre
Systematik der dynamischen Bewegungen
Bewegungscharakteristik
Gleichförmige
Bewegungscharakteristik
a
gleichförmige Charakteristik
38
notationelle Symbolik
Unter der gleichförmigen Charakteristik einer dynamischen Bewegung wird ein konstanter Betrag an Lautstärke verstanden, mit dem
die akustische Bewegung gespielt wird. Die Positionierung der Symbolik innerhalb des D - Liniensystems gibt den Hinweis auf die entsprechende Stärke, in Abhängigkeit der zuvor festgelegten Einteilung der Linien und Zwischenräume. vgl. a
Wie auch bei den akustischen Bewegungen deutet das reine Zeichen
einer dynamischen Bewegung, also ohne eine anhängende Zusatzsymbolik auf die gleichförmige Verlaufscharakteristik hin.
© Alexander Sonnenfeld
100
212 213 50
0
Sekunden
0.2
0.4
Hüllkurve des Beispieltons (Millimeter / Sekunden)
0.6
0.8
Bewegungslehre
Systematik der dynamischen Bewegungen
Bewegungscharakteristik
Ungleichförmig lineare
Bewegungscharakteristik
a
lineare Verringerung und Erhöhung
lineare Verringerung
Ungleichförmige Charakteristiken beziehen sich auf einen sich ändernden Betrag an Lautstärke, innerhalb einer festgelegten Dauer.
Hierbei werden dieselben Zusatzzeichen wie bei akustischen Bewegungen verwendet, um die entsprechenden Verläufe zu kennzeichnen. Die Ausgangsstärke wird durch die Positionierung der dynamischen Bewegung innerhalb des D-Liniensystems gekennzeichnet und
der angezeichnete Bewegungspunkt definiert die Endstärke. vgl. a
Die instrumentelle Ausführung kann unterschiedlich erfolgen. Entweder durch die herkömmliche Blendebewegung (siehe: 36 ), oder
mittels der Fingerarbeit bestimmter Schnitttechniken (dann jedoch
in umgekehrter Funktionalität).
Bei einer linearen Verringerung würde demBei der abgekürzten
nach der Zeigefinger das Signal schließen.
Aufzeichnungsmethodik
Während der linearen Erhöhung hingegen
wird der Bewegungsöffnet der Daumen das Signal.
punkt, (die Endstärke )
Infolge dessen ergeben sich verschiedene
auf den Hals der dynanotationelle Aufzeichnungsvarianten, die
mischen Bewegung
letztendlich aber genau auf das selbe akusgezeichnet. Die Schnitttische Endergebnis hinauslaufen.
symbolik über dem
Liniensystem zeigt die
Richtung des Faders.
39
lineare Erhöhung
100
214 215 50
0
Sekunden
0.2
0.4
0.6
0.8
lineare Verringerung — Hüllkurve des Beispieltons (Millimeter / Sekunden)
100
50
0
Sekunden
0.2
0.4
0.6
lineare Erhöhung — Hüllkurve des Beispieltons (Millimeter / Sekunden)
© Alexander Sonnenfeld
40
0.8
Bewegungslehre
Systematik der dynamischen Bewegungen
Bewegungscharakteristik
Kombinatorik
a
Kombinatorik linearer Verlaufscharakteristiken
lineare Verringerung & Erhöhung
Aus der Kombinatorik der linearen Erhöhung mit der Verringerung
bzw. umgekehrt ergeben sich weitere Variationen ungleichförmiger
Charakteristiken. Jede für sich verändert in unterschiedlicher Art
und Weise das Klangbild des Tonmaterials. vgl. a
Durch die Zusatzsymbolik, die an die dynamischen Bewegungen angezeichnet wurde, ist die jeweilige Verlaufscharakteristik zu erkennen. Die Bewegungsdauer der Erhöhung und der Verringerung bzw.
umgekehrt ist identisch und entspricht im Gesamten dem Zeitwert
der eingetragenen Plattenbewegung. Daher ist es auch möglich, die
instrumentelle Handlung mittels der Symbolik Öffnen & Schließen
bzw. Schließen & Öffnen abzukürzen.
Wie bei der akustischen Bewegung ist es denkbar die Anzahl der
Kombinatoriken beliebig zu erweitern. Dabei ergeben sich eine Vielzahl interessanter Gestaltungsmethoden,
um das Klangbild, zu transformieren. Mit
In der Systematik
dem aktuellen Wissensstand ist es nun
der akustischen Bewemöglich, entsprechend der notationellen
gung (BewegungsVorgaben eigene, individuelle Variationen
charakteristik) wurden
selbständig abzuleiten.
diesbezüglich einige
Methoden vorgestellt,
z.B. die dreifach lineare
Kombinatorik.
© Alexander Sonnenfeld
41
42
lineare Erhöhung & Verringerung
100
216 217 50
0
Sekunden
0.2
0.4
0.6
0.8
lineare Verringerung & Erhöhung — Hüllkurve des Beispieltons ( Millimeter / Sekunden )
100
50
0
Sekunden
0.2
0.4
0.6
lineare Erhöhung & Verringerung — Hüllkurve des Beispieltons ( Millimeter / Sekunden )
0.8
Bewegungslehre
Bewegungscharakteristik
Systematik der dynamischen Bewegungen
Nonlineare
Bewegungscharakteristik
a
nonlineare Verlaufscharakteristiken
sofortige Verringerung
Die nonlineare Verringerung bzw. Erhöhung der Bewegungsstärke
steht für eine unregelmäßige Lautstärkeveränderung innerhalb der
vorgegebenen Zeit.
Grundlegend wird dabei entweder in exponentielle oder in eine logarithmische Erhöhung oder Verringerung der Bewegungsstärke unterschieden. An der Hüllkurve lässt sich das sich verändernde Maß an
Lautstärke und die Parallele zur Ausführung der Blendebewegung
am Linefader erkennen. vgl. a
Über den instrumentellen Handlungsablauf kann gesagt werden,
dass die Varianten nicht durch Schnitttechniken vereinfacht werden
können. Der Schieberegler muss gleichzeitig sowohl mit Zeigefinger
und Daumen bewegt werden, um die erforderliche Art des Verlaufes
zu erzielen.
Natürlich ist es auch möglich, die einzelnen Varianten miteinander zu kombinieren. Je nach Kombinatorik und Anzahl der Verläufe resultieren daraus verschiedenartige Wellenformen, die zu
interessanten Klangbildern führen.
Weitere Formen ungleichförmiger Bewegungscharakteristiken
lassen sich unter der Zuhilfenahme des Bindebogen kennzeichnen.
Im traditionellen Sinn beschreibt dieses Sonderzeichen ein Ineinanderfließen mehrerer, direkt aufeinander folgender Tonhöhen
ohne Pause.
218 219 sofortige Erhöhung
100
100
50
50
0
verzögerte Erhöhung
0
Sekunden
0.2
0.4
0.6
0.8
Sekunden
sofortige Verringerung — Hüllkurve des Beispieltons ( Millimeter / Sekunden )
100
50
50
0
0
Sekunden
0.2
0.4
0.6
0.2
0.4
0.6
0.8
verzögerte Verringerung — Hüllkurve des Beispieltons ( Millimeter / Sekunden )
100
sofortige Erhöhung — Hüllkurve des Beispieltons ( Millimeter / Sekunden )
© Alexander Sonnenfeld
verzögerte Verringerung
0.8
Sekunden
0.2
0.4
0.6
verzögerte Verringerung — Hüllkurve des Beispieltons ( Millimeter / Sekunden )
0.8
Bewegungscharakteristik
Bewegungsstärke
Hinweis: Der Ausgangswert (M) bezieht
sich auf eine Voreinstellung der Lautstärke,
welche individuell vom Spieler an die
räumliche Umgebung angepasst wird.
(Raumgröße, Raumhöhe etc.)
Bewegungslehre
Bewegungslehre
Systematikder
derdynamischen
dynamischenBewegungen
Bewegungen
Systematik
In
Anlehnung
anGruppenklammer
dieses Funktionsmerkmal
lässt
Art von
sind
durch eine
verbunden
undsich
diejede
Taktstriche
ungleichförmigen
Verläufen
detailliert
beschreiben.
werden durchgezogen.
Weil
es sich um
das Spiel an einem InstruDurch
die Positionierung
derin einzelnen
Bewegungen
ment handelt,
stehen beide
Bezug aufdynamischen
die Schreibweise
und auch
innerhalb
Liniensystems
werdenzueinander.
die Stärken festgelegt,
die wähzeitlich, indes
einem
festen Verhältnis
Dabei definiert
die
rend
der Blendebewegung
erklingen.
Unter Anwendung
des BindePositionierung
der Dynamischen
Bewegung
die Amplitudenstärke,
bogens
man, dass die
Stärken immer
ineinanderfließen.
mit der kennzeichnet
die jeweilige Akustische
Bewegung
wieder von Die
neudaraus
hervorgehende
em eingespielt
wird. wellenförmige Verlaufscharakteristik wird
im
sichtbar.vgl. b (Q = 100 %) geZunebenstehenden
Beginn wird dieHüllkurvengraphen
Note in der Amplitudenstärke
spielt. Darauffolgend blendet man die Amplitude komplett aus (A)
um in diesem Zeitraum die Steuerplatte an den anatonischen Startpunkt zurückzubewegen. Dadurch entfällt die Akustik des notwendigen Zwischenschritts. Anschließend spielt man den Ton von Neuem ein, diesmal jedoch in der Bewegungsstärke (O = 80%), was gegenüber der ersten einer geringeren Amplitudenstärke entspricht.
Folgt man weiterhin der notationellen Anweisung, so wird diese
Spielweise vier mal, mit einem sich stetig verringernden Lautstärkegrad wiederholt, was auch aus dem graphischen Schwingungsverlauf zu erkennen ist.
Dieses relativ einfache Beispiel führt nun zum eigentlichen Kriterium, das den Begriff Blenden in seiner übergeordneten Funktion als solches rechtfertigt. Es handelt sich um die Bewegungscharakteristik, sprich die Verlaufsform der Amplitude, die durch
den Spielkörper individuell gestaltet werden kann.
Wie auch bei der Systematik der akustischen Bewegung gibt es
hierbei einer Unmenge von Möglichkeiten, die nach derselben
Methode klassifizieren werden können. Letztendlich wird allein
die Bewegung eines Spielkörpers systematisiert, durch den der
Parameter Lautstärke flexibel instrumentalisiert werden kann.
Bewegungscharakteristik
Beispiel: nonlineare Verlaufscharakteristik
b
wellenförmiger Verlauf
100
220 48
49
221 50
0
Sekunden
0.2
0.4
0.6
wellenförmiger Verlauf — Hüllkurve des Beispieltons ( Millimeter / Sekunden )
0.8
Bewegungslehre
Systematik der dynamischen Bewegungen
Gruppierungen von Blendebewegungen bestehen aus mindestens zwei
direkt aufeinander folgenden dynamischen Bewegungsdauern. Wiederholt
ergibt sich aus den vielseitigen Verbindungen eine Kompositionsgrundlage,
durch die der Lautstärkeverlauf des
Ausgangsmaterials in unterschiedlicher
Art und Weise konzipiert werden kann.
223 15
Bewegungslehre
Systematik der dynamischen Bewegungen
Gruppierungen
Gruppierungen
a
Beispiel: zweifach Gruppierung
verbundene Gruppe
Bei dieser Art von Mustern spielt die graphische Verbindung der Einzelbewegungen durch den Haltebogen eine wichtige Rolle, denn sie
entscheidet über die instrumentelle Ausführung und somit über das
Klangresultat.
Ein praktisches Beispiel dazu gibt Aufschluss. Dabei wird die akustische Bewegung durch zwei unterschiedliche dynamische Bewegungsstärken instrumentalisiert. Die jeweiligen Blendebewegungen werden in diesem Fall zusätzlich durch den Haltebogen
miteinander verbunden.vgl. a
Anhand der Hüllkurve sind die entsprechenden Auswirkungen
innerhalb der Zeit zu erkennen, was in der traditionellen Musiktheorie einer Terassendynamik ähneln würde.
Im zweiten Beispiel zeigt sich ein identisches Notenbild im Vergleich
zum vorherigen Beispiel, jedoch wurden die dynamischen Bewegungen diesmal nicht durch den Haltebogen miteinander verbunden.
Vergleicht man die Hüllkurven beider Muster, so sind die verschiedenartigen Konsequenzen zu erkennen. vgl. a
Zur praktischen Ausführung: Bei einer Änderung der Amplitudenstärke wird das Signal für einen kurzen Moment komplett ausgeblendet, um anschließend in die darauffolgende Stärke über zu gehen.
Dieses Vorgehen imitiert in einer gewissen Weise das Funktionsmerkmal eines Schnittpunktes und teilt die akustische Bewegung in
zwei Bereiche. Natürlich bedarf es etwas Zeit, um die Amplitude voll
© Alexander Sonnenfeld
unverbundene Gruppe
100
224 225 50
0
Sekunden
0.2
0.4
0.6
0.8
verbundene Gruppe — Hüllkurve des Beispieltons ( Millimeter / Sekunden )
100
50
0
Sekunden
0.2
0.4
0.6
unverbundene Gruppe — Hüllkurve des Beispieltons ( Millimeter / Sekunden )
0.8
Bewegungslehre
Systematik der dynamischen Bewegungen
auszublenden. Je nach Spieltempo und entsprechenden Voreinstellungen integriert sich dieser Handlungsmoment automatisch in die
vorgegebene Bewegungsdauer.
Nun folgt noch einmal dieselbe spielerische Idee, wobei die Amplitude jedoch nicht komplett ausgeblendet wird, sondern eine festgelegte Bewegungsstärke ansteuert, um den besagten Schnittpunkt zu
imitieren. Um dies notationell zu kennzeichnen wird eine sehr komfortable Aufzeichnungsmethodik vorgeschlagen: Die Positionierung
des Bewegungspunktes auf der 2. Linie (am Hals der Erstbewegung)
kennzeichnet die Bewegungsstärke, welche den Schnittpunkt nachahmt. Anhand der Hüllkurve wird das Resultat ersichtlich. vgl. b
Die bisherigen Beispiele sollen genügen, um das große Potential
der Gruppierungen von Blendebewegungen zu veranschaulichen.
Die Idee hinter dem Prinzip deckt sich mit der Funktionstheorie
der akustischen Bewegungen und ermöglicht eine eigenständige
Spielkunst.
Allein aus der Tatsache heraus, dass es nun möglich ist, den Parameter Lautstärke mittels eigenständiger Schriftsprache zu beherrschen, entwachsen zwangsläufig neue, musikalische Ideen.
Insbesondere dann, wenn man versteht, dass die Spielkörper des
Tonspielzeugs bzw. die damit verbundenen Spieltechniken es
erlauben die Einflussgröße Lautstärke „anzufassen“ und sprichwörtlich mit dieser zu spielen, so, wie man es bisher nur von der
Tonhöhe kennt. Deshalb werden nun auch Feinheiten und Nuancen in der Lautstärkewahrnehmung interessant, die über ein einfaches Crescendo bzw. Decrescendo hinaus gehen.
© Alexander Sonnenfeld
Gruppierungen
b
Beispiel: zweifach Gruppierung
unverbundene Gruppe
100
226 227 50
0
Sekunden
0.2
0.4
0.6
unverbundene Gruppe — Hüllkurve des Beispieltons ( Millimeter / Sekunden )
0.8
Bewegungslehre
Systematik der dynamischen Bewegungen
Kapitel: 16
Z u samm e n s pi e l
Literaturnangaben
Hansen, Matthias: „Arnold Schönberg. Ein Konzept der Moderne.“
Bärenreiter Verlag, 2000.
Larmann, Ralph / Ommer, Norbert: Interview:
http://www.norbertommer.com/main.php/rubrik/news/urubrik/klangregie ( 07.10.2010 )
Menuhin, Yehudi / Fritz Lorch: „Kunst und Wissenschaft als verwandte Begriffe.“
Insel-Verlag, 1960.
Ruschkowski, Andre: „Soundscape. Elekronische Klangerzeugung und Musik.“
Verlag Lied der Zeit, 1990
Ulrich, Dibelius: „Moderne Musik nach 1945.“ Piper, 1966.
Winkler, Klaus: „Spektrum der Wissenschaft: die Physik der Musikinstrumente.“
Spektrum Akad. Hdg.; Auflage: 2, 1999.
228 www.alexandersonnenfeld.com
© Alexander Sonnenfeld
Bewegungslehre
Zusammenspiel
231 Ein Tonspieler kann in verschiedene
akustische Rollen schlüpfen. Die musikalische Funktion ergibt sich dabei
immer durch die Art des verwendeten
Ausgangsmaterials und die Spieltechnik,
durch welche es verformt wird. Im
Folgenden wird anhand einer speziellen
Instrumentalmethodik, dem Beatcutting,
aufgezeigt in welcher Art und Weise
solche Transformationen stattfinden
können.
16
Bewegungslehre
Zusammenspiel
Beatcutting
Zusammenspiel
a
notationelle Kennzeichnung des Tonmaterials
43
Ausnotierung anatonische Etappen
Bassdrum
Snare
15
Wie beim Percussionspiel wird beim Beatcutting mit Bassdrum und
Snare als Ausgangsmaterial gearbeitet. Art und Anordnung der einzelnen Segmente können dabei unterschiedlich ausfallen.Um dies
konkret an einem praktischen Beispiel zu verdeutlichen, sollen einige
Beatcutting-Muster genauer vorgestellt werden. Von folgenden Vorraussetzungen wird zunächst ausgegangen.
Bei einem Tempo von 75 bpm besitzen Bassdrum und die darauf
folgende Snare eine Gesamtdauer von einem Achtel — also jeweils eine 1/16 Zählzeit lang. Der Schwingungsverlauf visualisiert
das Material und im gleichen Atemzug werden die notwendigen
anatonischen Etappen gekennzeichnet. Damit sind grundlegende
Vorraussetzungen geschaffen um das Notationsmodell dem Ausgangsmaterial anzupassen. vgl. a
Die erste anatonische Etappe entspricht dem Einschwingvorgang der
Bassdrum ( 0 – 0.1s ) , die zweite kennzeichnet den entsprechenden Ausschwingvorgang dieses Segments ( 0.1– 0.2 s ) . Die dritte Etappe definiert den Einschwingvorgang der Snare ( 0.2 – 0.3 s ) , die Vierte den
Ausschwingungsvorgang ( 0.3 – 0.4 s ) . In Folge eines rhythmisch, korrespondierenden Zusammenspiels der akustischen und dynamischen
Bewegung werden Bassdrum und Snare nun so aneinander gereiht,
dass daraus typische Beatstrukturen entstehen.
Eine einfache Variante eines solchen Bewegungsmusters sieht und
© Alexander Sonnenfeld
0
232 233 -15
Sekunden
0.1
0.2
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KHz / Sekunden)
0.3
0.4
Bewegungslehre
Zusammenspiel
hört man in dem entsprechenden Video zu der schriftlichen Aufführungsanweisung.vgl. b
Die graphische Gestalt der Noten zeigt, dass alle Bewegungen
in der getragenen Spielart instrumentalisiert werden. Dies ist
insbesondere beim Beatcutting eine komfortable Spielweise, um
eine stetig gleichbleibende Tonhöhe von Bassdrum und Snare zu
erzielen. Das Material wird mittels Öffnen & Schließen am Crossfader eingespielt, weshalb die notwendigen Zwischenbewegungen
weggeschnitten werden können, die notwendig sind, um an den
entsprechenden Startpunkt zurückzukehren.
Anhand der Färbung der Noten und der Bewegungsdauern erschließt sich die Anatonie. Eine 1/16 Dauer ab der ersten anatonischen Etappe offenbart beispielsweise nur die Bassdrum. Hingegen resultiert aus einer 1/8 Note sowohl diese, als auch die sich
anschließende Snare. Um jedoch die rhythmische Ordnung einzuhalten wurde die Gesamtzählzeit entsprechend der Bestandteile ausnotiert.
Nachfolgend ein erstes einfaches Formgestaltungsprinzip der S-Notation. Da das Schriftbild ausschließlich den instrumentellen Bewegungsvorgang beschreibt ist es möglich, verwendetes Tonmaterial
einfach auszutauschen, wodurch sich logischerweise das Klangbild
verändert.
Die folgenden Hörbeispiele unterliegen derselben notationellen Aufführungsanweisung (originales Hörbeispiel), wobei jeweils anders
klingende Bassdrum/Snare Kombinationen zum Spielen verwendet
45 46
wurden.
Ein kurzer Hinweis zur praktischen Ausführung dieser Muster: Um
die Bassdrum kontinuierlich von der korrekten rhythmischen Position abspielen zu lassen, muss sie korrekt „gegriffen“ werden. Dies
erfordert eine hohe Spielsicherheit und Kontinuität im Umgang mit
der Steuerplatte, denn im herkömmlichen Sinn folgt ja auf die Betätigung eines klassischen Musikinstruments immer ein unmittelbarer
Klang. Im Falle des Tonspielzeugs ist das jedoch anders, da über die
zeitlichen Etappen des Tonmaterials frei entschieden werden kann.
Dazu gehören zwangsläufig auch Bereiche, die sich „außerhalb“ des
Tonkörpers befinden. Jede kleinste Verfehlung des korrekten anato© Alexander Sonnenfeld
Beatcutting
b
Beispiel: Beatcutting Muster 1 (originales Hörbeispiel)
44
gleichbleibende Bewegungskriterien durch getragene Spielart
15
0
234 235 -15
Sekunden
0.8
1.6
2.4
3.2
Schwingungsverlauf des Beispieltons (KHz / Sekunden)
nischen Startpunktes führt zur rhythmischen Ungenauigkeiten und
verfremdet den akustischen Gesamteindruck.
Nun wieder zurück zu den Grundlagen und damit zur eigentlichen
Verformung des Tonmaterials. Dies geschieht genau dann, wenn
man sich von der getragenen Spielart abwendet und beginnt, die
Bewegungskriterien der akustischen Bewegung gezielt durch die
geschobene Spielart zu verändern. Das Setzen der dynamischen
Bewegung entscheidet bei dieser Vorgehensweise über die daraus
hervortretende Akustik.
Bewegungslehre
Zusammenspiel
Die nebenstehende notationelle Abbildung stellt solch ein Beispiel
dar. vgl. c Es wird mit einer geschobenen 1/8 Note begonnen, die tief,
mit einer wellenförmigen Charakteristik gespielt wird. Durch die
sich ergebende zeitliche Ausdehnung des Tonkörpers erklingt somit ausschließlich die Bassdrum (erste bis Ende der zweiten anatonischen Etappe ) . Nach einer 1/8 Pause spielt man ab der vierten
Etappe eine 1/8 Eton, wodurch die Snare mit der anschließenden
Bassdrum richtungsverkehrt abläuft. Nach einer 1/8 Pause folgen
dann ab der ersten Etappe zwei Notetonen, die jedoch so gespielt
werden, dass man nach Abschluss der zweiten Ganzen akustischen Bewegung an der dritten Etappe angelangt ist und die Snare
rhytmisch platzieren kann. Der darüber gezeichnete Richtungspfeil kennzeichnet diese Aufführungsanweisung als notationelle
Zusatzsymbolik.
In den beiden aufgezeigten Beispielen wurden alle akustischen
Bewegungen mithilfe des Öffnen & Schließen gesetzt. Dadurch
konnten notwendige Zwischenschritte (um an den anatonischen
Startpunkt der Segmente zurück zu gelangen) ganz gezielt weggeschnitten werden. Dies soll sich nun ändern, denn genau diese
rückführenden Bewegungen werden die Akustik bereichern, da
sie anatonische Räume durchkreuzen, die bisher verborgen blieben — Bewegungen, welche die Akustik innerhalb des besagten
Tons offenbaren.
In der folgenden notationellen Abbildung wird noch einmal zum ersten Bewegungsmuster zurückgekehrt, diesmal jedoch ohne die Korrespondenz von Öffnen & Schließen am Crossfader. Da das Signal
nun über den gesamten Zeitraum geöffnet ist erklingen nun also die
erforderlichen Etonen, um an die Startpunkte (erste Etappe) zurückkehren zu können.
Um notationell zu kennzeichnen, dass die Eton an den anatonischen
Startpunkt zurückführt, wird sich jener Aufzeichnungsmethodik bedient, die als anatonische Wiederholung bereits erwähnt wurde. Dabei
ist der Hals der rückführenden Bewegung sichtbar dicker, wodurch
eine Kennzeichnung der anatonischen Endpunkte unnötig wird. vgl. d
Logischerweise befinden sich nun keine Pausen innerhalb des Musters,
da in diesem Zeitraum die Etonen zu hören sind. Die Verwendung
© Alexander Sonnenfeld
Beatcutting
c
Beispiel: Beatcutting Muster 2
47
Veränderung der
Bewegungskriterien durch
geschobene Spielart
15
0
-15
Sekunden
236 0.8
1.6
2.4
3.2
237 d Beispiel: Beatcutting Muster 3 (ohne dynamische Bewegung)
48
15
0
-15
Sekunden
0.8
1.6
2.4
3.2
Bewegungslehre
Zusammenspiel
ihrer anatonischen Verlaufsstrecke eröffnet nun einen ganz neuen
Spielraum. Sozusagen ein akustischer Raum, der bearbeitet werden
kann. Dies geschieht nun durch eine Schnitttechnik welche in Folge
ihrer Spielgeschwindigkeit das Muster, in eine klare rhythmische Figur verwandelt. Dazu wird durchgängig in einer 1/16 Zählzeit eingeschnitten, wie im oberen Beispiel anhand der Symbolik oberhalb des
Liniensystems zu erkennen ist. vgl. e
Als akustische Konsequenz zum Einschneiden treten die Intensitäten
innerhalb des Schwingungsverlaufs kontinuierlich in einer 1/16 Zählzeit auf. Interessant ist dabei, dass eine daraus resultierende Brechung der Akustik als tragend-rhythmisierende Komponente das Muster in ein typisches Drumpattern transformiert. Dieses Phänomen
wird anhand des Hörbeispiels erkennbar.
Durch die kontinuierlichen Teilung der akustischen Bewegung funktioniert die Schnitttechnik wie ein durchgehender Puls, ähnlich wie
eine Hi-Hat. Je nach Bewegungsdauer der Schnitttechnik lassen sich
hierbei die unterschiedlichsten Kombinatoriken erzeugen. Lässt man
beispielsweise das Einschneiden durchgehend als Achtel-Triole zum
Bewegungsmuster korrespondieren, ergibt sich eine Variation, wie
sie das untere Beatcuttingmuster darstellt. vgl. f
Die Akustik des gesamten Musters teilt sich nun in 12 aufeinander
folgende Intensitäten auf. Notationell wird diese irreguläre Teilung
durch den entsprechenden Zusatz (Bruchwert) über der Symbolik
des Einschneidens gekennzeichnet.
Beatcutting
e
Beispiel: Beatcutting Muster 4 (mit dynamischer Bewegung)
e
49
1/16
15
0
-15
Sekunden
238 0.8
1.6
2.4
3.2
239 f
Beispiel: Beatcutting Muster 5 (mit dynamischer Bewegung)
50
1/12
15
0
-15
Sekunden
© Alexander Sonnenfeld
0.8
1.6
2.4
3.2
Bewegungslehre
Zusammenspiel
Beatcutting
Nun ein Beispiel bei dem man mit der Fingertechnik des Einschneiden
am Linefader arbeitet und somit blendet. Um ein besseres Verständnis für die damit verbundene akustische Konsequenz zu erhalten ist
eine Gegenüberstellung der Hüllkurven von Crossfader und Linefader
in Folge der Spieltechnik des Einschneidens abgebildet.vgl. g / h
Im Gegensatz zur Spielweise am Crossfader wird durch das Einschneiden am Linefader die Amplitude nur kurzzeitig verringert. (exemplarisch auf 20%) Die vertikale Ausrichtung dieses Schiebereglers sowie
die Tatsache, dass man in Folge dessen nun blendet, führt zur Umkehrung der dynamischen Konsequenz wie man am Hüllkurvengraphen erkennen kann.
Crossfader (Einschneiden)
g
100
50
0
Sekunden
0.2
0.4
0.6
0.8
0.6
0.8
Hüllkurve des Beispieltons ( Millimeter / Sekunden )
240 241 Linefader(Einschneiden)
h
100
50
0
Sekunden
0.2
0.4
Hüllkurve des Beispieltons ( Millimeter / Sekunden )
© Alexander Sonnenfeld
Bewegungslehre
Zusammenspiel
Um im Notenbild zu kennzeichnen, dass am Linefader gearbeitet
wird, schreibt man das Kürzels ( LF ) direkt am Zeilenanfang über
den S-Schlüssel und kann damit auf ein zusätzliches D-Liniensystem verzichten.vgl. i
Das Einschneiden am Linefader bewirkt ein kurzzeitiges Ausblenden der Amplitude, wobei diese anschließend sofort wieder
durch den Gegendruck des anhaftenden Daumens komplett geöffnet wird. Da dieser Handlungsablauf kontinuierlich in einer
Sechszehntel Zählzeit ausgeführt wird, resultiert eine Akustik
welche die metrischen Schwerpunkte des Materials, sprich die
Attack der Bassdrum und Snare gewissermaßen enthebelt. Das
Muster klingt fast als wenn ein Reverb darauf liegen würde.
In der folgenden Variante wird wieder am Crossfader gearbeitet,
jedoch diesmal unter Anwendung verschiedener Schnittechniken.
Das akustische Bewegungsmuster bleibt ein und dasselbe.vgl. j
Was die Verwendung der Schnittechniken betrifft, so kann gesagt
werden, dass fast alle Techniken, die bisher ansatzweise vorgestellt
wurden, in diesem Muster wiederzufinden sind.
Beatcutting
e
Beispiel: Beatcutting Muster 6 (mit Bewegung am Linefader)
i
51
1/16
15
0
-15
0.8
Sekunden
242 1.6
2.4
3.2
243 j Beispiel: Beatcutting Muster 7 (mit Bewegung am Linefader)
52
3
4
15
0
-15
Sekunden
© Alexander Sonnenfeld
0.8
1.6
2.4
3.2
Bewegungslehre
Die vorgestellten Varianten sollen vorerst genügen um das Zusammenspiel von dynamischer und akustischer Bewegungen zu verdeutlichen. Es wurde ersichtlich, dass die dynamische Bewegung — unabhängig vom rhythmischen Aufbau des Musters — das Endresultat
entscheidend beeinflusst. Das Bewegungsmuster kann durch diese
Techniken wie ein Blatt Papier zerschnitten werden und bringt dadurch die unterschiedlichsten Klangformen hervor.
Die bisherigen Beispiele stellen nur einen minimalen Einblick in die
umfangreiche Fülle möglicher Klangbilder dar. Insbesondere vor dem
Hintergrund, dass das Material jederzeit ausgetauscht werden kann.
Hinzu kommt dass unter Anwendung der übrigen Parameterbewegungen — dazu gehören Schnitt-/Blendetechniken von Klangfarbe,
Raumbewegung und Effekten — das spielerische Repertoire des Instrumentalisten nochmals erheblich erweitert wird.
Ein „dreckiger, ungewaschener Ton“ (beispielsweise 12 bit oder etwa
beschädigt durch Knacken und Rauschen) kann als kompositorisches
Mittel genutzt werden. Gerade wenn man sich innerhalb der anatonischen Räume befindet, sind eben solche Grauzonen besonders
interessant.
Das Tonspielzeug ist ein Instrument, welches jede Art von Akustik
zu neuem Leben erweckt. In jeder Handwerkskunst, sei es Töpferei,
Collage, Bildhauerei oder Malerei spielt die Beschaffenheit des Materials eine wesentliche Rolle und trägt zur Identifikation maßgeblich
bei. Man arbeitet mit Ton!
www.alexandersonnenfeld.com
© Alexander Sonnenfeld
Kapitel: 17
S – I n d e x
244 245 Bewegungslehre
Index
247 Wie auch jedes andere Wissensgebiet,
basiert die Bewegungslehre auf einer
bestimmten sprachlichen Ebene.
Dies ist notwendig um die Musiktheorie,
die Instrumentalmethodik und den
Bewegungsapparat des Tonspielzeugs
ausreichend zu beschreiben. Die verwendeten Begriffe sind so gewählt, dass
sie möglichst treffend die Funktion und
die Idee dahinter beschreiben.
17
S - Notation
Bewegungslehre
A
abgestoßene Bewegung Bewegungs­artikulation der akustischen Bewegung bei
der die Steuerplatte abgestoßen wird
den anatonischen Verlaufs des Materials
Abschlussmoment Übergangsmoment ­­­­­
der Steuerplatte vom Bewegungszustand
in den Ruhezustand
anatonische Farben Visualisierungsprinzip
nach dem die zeitlichen Etappen eines
Tonkörpers farblich gekennzeichnet werden
Akkoladenklammer kennzeichnet ­­­die
Zusammenfassung der Notationssys­teme
mehrerer Instrumente
akustische Aufzeichnung Tonmaterial
anatonische Klammer Hinweis, dass man
sich nach Abschluss der eingezeichneten
akustischen Bewegung am Ende (Note) bzw.
Anfang (Eton) der anatonischen Verlaufsstrecke befindet
akustische Bewegung Bewegung des
Tonmaterials durch die Steuerplatte
anatonische Räume Allgemeingültige
Bezeichnung aller anatonischen Etappen
akustische Verzierung Bewegung der
Steuerplatte mittels spezieller Spieltechnik
bei der mehrere Finger benutzt werden
anatonischer Startpunkt Ausgangspunkt
einer akustischen Bewegung bezogen auf ­die
zeitliche Verlaufsstrecke des Tonmaterials
akustischer Drilling Sonderspielart
akustischer Bewegung bei der mit drei
Fingern auf der Steuerplatte geklopft wird
anatonische Wiederholung Rückführende
Bewegung zum anatonischen Startpunkt
akustischer Vierling Sonderspielart
akustischer Bewegung bei der mit vier
Fingern auf der Steuerplatte geklopft wird
akustischer Zwilling Sonderspielart
akustischer Bewegung bei der mit zwei
Fingern auf der Steuerplatte geklopft wird
akustisches Baumaterial Tonmaterial
akustisches Ereignis Tonmaterial
Anatonie Ordnungsprinzip für die
notationellen Kennzeichnung der zeitlichen
Etappen des verwendeten Tonmaterials
anatonische Analyse Festlegung der anatonischen Etappen des Ausgangsmaterials
anatonischer Bogen Kennzeichnet eine
zusammenhängende Verlaufsstrecke der
zeitlichen Etappen des Bewegungsmusters
anatonischer Code Zahlengruppe um
die anatonische Verlaufsstrecke einer
Bewegungsgruppierung zu beschreiben
anatonischer Endpunkt Endpunkt einer
akustischen Bewegung bezogen auf
© Alexander Sonnenfeld
Index
des Tonspielens, bei der mit Beatfragmenten
gearbeitet wird
anatonische Etappe Abschnitt der
zeitlichen Verlaufsstrecke des Tonmaterials
anatonische Zergliederung Siehe Anatonie
Anlaufmoment Übergangsmoment
der Steuerplatte vom Ruhezustand in den
Bewegungszustand
Attack Zeitabschnitt eines Tons
(Anstieg bis zur maximalen Lautstärke)
Ausgangsmaterial Tonmaterial
Ausgangstonhöhe Originale Tonhöhe des
Ausgangsmaterials
Ausklang Siehe Release
Ausnotierung Notationelle Aufgliederung
eines Bewegungsmusters in die jeweiligen
Einzelbestandteile
Ausschneiden Spezielle Fingertechnik
der dynamischen Bewegung
äußere Anatonie Ordnungsprinzip zur
notat. Kennzeichnung zeitlicher Etappen vor
oder hinter dem verwendeten Tonkörper
B
Beatcutting Instrumentelle Umgangsform
Beatfragment Kurze rhythmische Abfolge
perkussiver Klänge
Bewegungsakzent Entspricht einer
betonten Parameterbewegung
Bewegungsartikulation Ausdrucksmittel
zur Interpretation verschiedener
Spielarten der akustischen Bewegung
Bewegungscharakteristik Verlaufsform
der Parameterbewegung
Bewegungscode Kommunikationsform
um den spezifischen Aufbau einer Bewegungsgruppierung zu beschreiben
Bewegungsdauer Zeitwert einer Parameterbewegung
248 249 Bewegungsduole Gruppierung von zwei
gleichlangen Bewegungen in einem Zeitwert
von drei gleichlangen Bewegungen
Bewegungsflexibilität Bewegungsmöglichkeiten der verschiedenen Spielkörper
Bewegungsform Instrumentelle Handlung
am Tonspielzeug in Form einer Bewegung
des Spielkörpers
Bewegungsgruppierung Abfolge von
mehreren, hintereinander ablaufenden
Bewegungen an einem Spielkörper des
Tonspielzeugs
Bewegungsklammer Hinweis darüber, dass
alle akustischen Bewegungen innerhalb
der Klammer in einem festgelegten Zeitwert
ausgeführt werden
Bewegungskriterien Einflussgrößen, welche
die Architektur einer Parameterbewegung
definieren (Richtung, Dauer, Stärke und
Charakteristik)
Bewegungslehre systematisiertes
Wissensgebiet des Tonspielens auf Grundlage einer Musiktheorie
Bewegungsmelodie In der Bewegungslehre
die Aufeinanderfolge unterschiedlichen
Stärken von Parameterbewegungen innerhalb eines Zeitraums
Bewegungsmusik akustische Ausübung
der Bewegungslehre
Bewegungsmuster Sinn-Einheit in Folge zusammenhängender Parameterbewegungen
Bewegungsnotation Notenschrift für
instrumentellen Handlungen (Tonspielzeug)
Bewegungspunkt notationelle Symbolik zur
Kennzeichnung der Endstärke der Verlaufscharakteristik einer akustischen Bewegung
Bewegungsrichtung Richtung einer
Parameterbewegung
Bewegungsstärke Parametergraduierung
Bewegungsstärkebezeichnungen Betitelung
einzelner Bewegungsstärken mittels
verschiedener Buchstaben
Bewegungstriole Gruppierung von ­drei
gleichlangen Bewegungen in einem Zeitwert
von zwei gleichlangen Bewegungen
Bewegungswertaufteilung irreguläre,
unregelmäßige Zeiteinteilung
Bezugswert Originalwert der Parameterstärke von dem aus Erhöhungen bzw.
Verringerungen abgeleitet werden
Blendeklammer Hinweis, dass alle akustischen Bewegungen innerhalb der Klammer
durch die eingetragene Blendetechnik
instrumentalisiert werden
Blenden Gestaltungsmethodik von
Parameterbewegungen bei der eine stufenlose Signal-Aussteuerung möglich ist
Bogenendpunkt Symbolik zur Festlegung
der Endstärke einer akustischen Bewegung
Bogenendpunkt Symbolik zur Festlegung
der Endstärke einer akustischen Bewegung
C—D
Crossfader Horizontal ausgerichteter
S - Notation
Bewegungslehre
Schieberegler für Parameterbewegungen
Cutten Umgangssprachlich für
dynamische Bewegungen am Crossfader
Decay Zeitabschnitt eines Tons /Abklingen
des Pegels auf den Sustain Pegel
dreifach Gruppierung Gruppierung
von drei aufeinanderfolgenden Parameterbewegungen
D-Schlüssel Systemschlüssel zur
Kennzeichnung dynamischer Bewegungen
effektives Prinzip Auf kompositorische
Bedürfnisse abgestimmtes Ordnungsprinzip
nach dem die Bewegungsstärken des
verwendeten Materials festgelegt werden
Einschneiden Sonderform dynamischer
Bewegungen infolge einer speziellen
Fingertechnik
G
dynamische Bewegung Bewegung des
Parameter Lautstärke
einstimmiges Spiel Spiel an einer einzelnen
Steuerplatte
dynamische Verzierung Spezielle Spieltechnik am Schieberegler mit mehreren Fingern
Einzelbewegungen Siehe Einfache
akustische bzw. dynamische Bewegungen
dynamischer Drilling Manipulation der
Lautstärke / Tonstärke durch eine Spielart
mit drei Fingern
Endstärke Bewegungsstärke nach
Abschluss einer akustischen Bewegung
dynamischer Zwilling Manipulation der
Lautstärke / Tonstärke durch eine Spielart
mit zwei Fingern
dynamisches Schlusszeichen Auflösung
der eingetragenen dynamischen Bewegung
E
Effekte/Effektbewegung Bewegung des
Parameter Effekt durch einen Spielkörper
(z.B. Hall, Echo, Delay)
Die Effektbewegungen werden in den grundlegenden Betrachtungen der Bewegungslehre vorerst nicht ausführlich beschrieben.
Diese sind jederzeit vom jeweiligen Stand
der Technik beeinflusst.
effektive Bewegungsstärke siehe auch
effektives Prinzip
© Alexander Sonnenfeld
F-Schlüssel Systemschlüssel zur Kennzeichnung farblicher Bewegungen
F-S-Schlüssel Die Bedeutung der Linien
und Zwischenräume des S-Liniensystem
entspricht derselben Tonlage wie bei dem
klassischen F-Schlüssel (Bassschlüssel)
Dynamikmelodie Lautstärkemelodie
dynamischer Vierling Manipulation der
Lautstärke / Tonstärke durch eine Spielart
mit vier Fingern
Fingerbewegungen am Spielkörper
Einklang Siehe Einschwingungsvorgang
Einfache Bewegung Einmaliger Bewegungsvorgang am Spielkörper
Einschwingungsvorgang Zeitabschnitt
eines Tons/Entwicklung vom Ruhezustand
in den eingeschwungenen Zustand
Dynamik Lautstärke /Tonstärke
Index
Ganze Bewegung Zusammenführung
zweier verschiedener Einfachen Bewegungen mit identischen Bewegungskriterien
geöffnetes Signal Festgelegter Maximalwert der Parameterbewegung
geschlossenes Signal Festgelegter
Minimalwert der Parameterbewegung
250 251 geschobene Bewegung Ausführung der
akustischen Bewegung durch das
Schieben der Steuerplatte mit der Hand
Erstetappe siehe anatonische Etappen
Eton Notationelles Symbol für einmalige
Rückwärtsbewegung an der Steuerplatte
geschobene Spielart Ausführung der
akustischen Bewegung durch das Schieben
der Steuerplatte mit der Hand
Etonote einmalige Rückwärts- und
Vorwärtsbewegung der Steuerplatte mit
identischen Bewegungskriterien
Geschwindigkeitsregler Vertikal ausgerichtete Schiene auf der der Crossfader
bewegt wird, um die Ablaufgeschwindigkeit
des Tonmaterials zu verändern
exponentielle Erhöhung Verlaufsform
einer steigenden Parameterbewegung
mit einem sich minimal zeitversetzt verändernden Betrag an Bewegungsstärke
exponentielle Verringerung Verlaufsform
einer sich abfallenden Parameterbewegung
mit einem sich minimal zeitversetzt
verändernden Betrag an Bewegungsstärke
F
Faderweg Bezeichnung für die Verlaufsstrecke des Crossfader bzw. Linefader
farbliche Bewegung Bewegung des
Parameter Klangfarbe durch Spielkörper
Fingertechnik Festgelegte Abfolge der
getragene Bewegung Siehe auch
getragene Spielart
zuzuordnen (die jeweiligen Taktstriche
werden durchgezogen)
Gruppierungsformen Klassifikation von
Bewegungsmustern in schnell erfassbaren
Einheiten
G-S-Schlüssel Die Bedeutung der Linien
und Zwischenräume des S-Liniensystem
entspricht derselben Tonlage wie beim
klassischen G-Schlüssel (Bassschlüssel)
H—K
Haltezeichen Symbolik: Bewegungsdauern
bei denen die Steuerplatte festgehalten
wird, während der Plattenteller weiter dreht
innere Anatonie Ordnungsprinzip für
die notationelle Kennzeichnung zeitlicher
Etappen innerhalb des Tonkörpers
irreguläre Teilung Gliederung der Bewegungsdauer in mehrere ungerade Werte
Klangfarbe Zusammenfassender Begriff
für Höhen-, Mitten-, und Tiefenfrequenzen
Klangfarbenmelodie Steht in der Bewegungslehre für die Abfolge von unterschiedlichen farblichen Bewegungsstärken
innerhalb eines bestimmten Zeitraums
L
getragene Spielart Ausführung akustischer
Bewegungen ohne Handeinwirkung
(der Plattenteller läuft automatisiert ab)
Lautsstärkemelodie Steht in der Bewegungslehre für die Aufeinanderfolge verschiedener dynamischer Bewegungs-stärken
innerhalb der Zeit
gleichförmige Bewegungscharakteristik Verlaufsformen mit gleichbleibendem Betrag an
Bewegungsstärke
LCD Display Dient der Visualisierung der
Graduierungsstärken von verschiedenen
Parameterbewegungen
graphische Notation Notationsmethodik
experimenteller und avangardistischer
Musik (seit dem 20. Jahrhundert)
Letztbewegung Letzte Bewegung innerhalb einer Bewegungsgruppierung
Gruppenklammer Symbolik: alle dadurch
verbundenen Notationssysteme der Parameterbewegungen sind einem Tonspielzeug
lineare Bewegungscharakteristik Verlaufscharakteristik einer Parameterbewegung mit einem sich konstant verändernden
Betrag an Bewegungsstärke
S - Notation
Bewegungslehre
lineare Erhöhung Verlaufsform einer
Parameterbewegung mit einem konstanten
Anstieg der Bewegungsstärke
lineare Verringerung Verlaufsform einer
Parameterbewegung mit einer konstanten
Verringerung der Bewegungsstärke
Linefader Vertikal ausgerichteter Schieberegler für Parameterbewegungen
linke Stimme Anordnung der Steuerplatte
(links) beim zweistimmigen Spiel
logaritmische Erhöhung Verlaufsform einer
sich erhöhenden Parameterbewegung mit
sofortigem Anstieg der Bewegungsstärke
logaritmische Verringerung Verlaufsform
einer sich verringernden Parameterbewegung mit einem sofortigem Abfall der
Bewegungsstärke
M—N
Materialkomposition Tonmaterial das
individuell für einen instrumentellen Handlungsablauf komponiert wurde
Maximalwert In der Bewegungslehre
die Bezeichnung für die höchstmögliche
Bewegungsstärke
und Rückwärtsbewegung der Steuerplatte
mit jeweils identischen Bewegungskriterien
© Alexander Sonnenfeld
R-Schlüssel Systemschlüssel zur
Kennzeichnung von Raumbewegungen
rückführende Bewegungen Akustische
Bewegungen welche an den anatonischen
Ausgangspunkt zurückkehren
Optischer Bezugspunkt Markierung auf
der Steuerplatte zur Lokalisation der
zeitlichen Verlaufsstrecke des Tonmaterials
S
Parameterbewegung Manipulation eines
musikalischen Parameter des Materials
durch Bewegung entsprechender Spielkörper
Sample Siehe Tonmaterial (Original)
Schließen Unterbrechen des Signals zu
durch die Bewegung des Schiebereglers
Phon Skala Maßeinheit um empfundene
Lautstärke zu beschreiben
Pitchen Bezeichnet die Veränderung der
Ablaufgeschwindigkeit des Tonmaterials
Platte Siehe Steuerplatte
Plattenteller Trägermodul am Tonspielzeug
auf dem die Steuerplatte aufliegt
Plattenaufhängung Bauteil zur flexiblen
Justierung der Steuerplatte auf dem
Plattenteller
R
Noteton Symbolik: einmalige Vorwärts-
Richtungspfeil Kennzeichnet zusätzliche
Bewegungsrichtung der Plattenbewegung
Öffnen/Schließen Öffnen und Schließen des
Signals durch Bewegung des Schiebereglers
nonlineare Bewegungscharakteristik Verlaufscharakteristik einer Parameterbewegung mit sich unregelmäßig verändernder
Bewegungsstärke
Note Symbolik: einmalige Vorwärtsbewegung an der Steuerplatte
Reverb Studioeffekt durch welchen ein
künstlicher Nachhall erzeugt wird
Öffnen Öffnen des Signals durch die
Bewegung des Schiebereglers
Präparationen Bezeichnung für veränderbare, sowie individuelle Voreinstellungen des
Instruments
nonlineare Verringerung Verlaufsform
einer Parameterbewegung mit unregelmäßig abnehmender Bewegungsstärke
Ruhezustand)
O—P
Minimalwert Bezeichnung für die kleinstmögliche Bewegungsstärke
nonlineare Erhöhung Verlaufsform einer
Parameterbewegung mit unregelmäßig
zunehmender Bewegungsstärke
Index
Raumbewegung Veränderung des räumlichen Klangeindrucks durch die Bewegung
des entsprechenden Spielkörpers
Raumbewegungsmelodie Abfolge von
unterschiedlichen räumlichen Bewegungsstärken innerhalb eines Zeitraums
rechte Stimme Anordnung der Steuerplatte (rechts) beim Zweistimmigen Spiel
Release Zeitabschnitt eines Tons (Ausklingen nach der Erregung bis zum völligen
252 253 Schließen/Öffnen Unterbrechen und
Fortführen des Signals zu gleichen Teilen
durch die Bewegung des Schiebereglers
Schneiden Gestaltungsmethodik ­­von
Parameterbewegungen bei der die
Signalstärke zwischen Minimalwert und
Maximalwert wechselt
Schnittklammer Symbolik: alle Bewegungen innerhalb der Klammer werden
durch die eingetragene Schnitttechnik
instrumentalisiert
Schnittpunkt Pause innerhalb laufender
Akustik als eine Konsequenz auf die
Schnitttechnik Schließen / Ö ffnen
Schnitttechniken Spieltechnik / Schneiden
Scratching Rhythmisches Vor- & Zurückbewegen des Tonträgers / Steuerplatte
Session Speicherbare Voreinstellung
des Tonspielzeugs zur Festlegung, auf
welchen Parameter mit den Spielkörpern
Einfluss genommen wird
Signal Allgemeine Bezeichnung für die
akustische Konsequenz einer Parameterbewegung
Signalstärke Allgemein für die Graduierungsstärke der wahrgenommenen
akustischen Konsequenz
Slipmat Spezielle Unterlegscheibe
zwischen Plattenteller und Steuerplatte für
eine geringere Reibung bei geschobenen
Plattenbewegungen
S-Notation Siehe: Bewegungsnotation
sofortige nonlineare Bewegungscharakteristik
Verlaufsform einer Parameterbewegung
mit einem sich direkt verändernden Betrag
an Bewegungsstärke
Software-Controller Eingabegerät zur
Steuerung von Computerdateien
Son-Skala Psychoakustische Maßeinheit
für die subjektive Lautheit
Soundbibliothek Im Computersystem
befindlicher Speicherplatz für Tonmaterial
Spielmuster Bewegungsmuster
Sprachsample Fragmente menschlicher
Dialoge als Tonmaterial
S-Schlüssel Symbol: Systemschlüssel zur
notationellen Kennzeichnung akustischer
Bewegungen
Steuerplatte Steuermodul des SoftwareControllers (der Schallplatte nachempfunden) durch dessen Bewegung das digital
angesteuerte Tonmaterial zum Erklingen
gebracht wird
Sustain Zeitabschnitt eines Tons (quasistationärer Schwingungszustand, in dem
sich der Ton kaum verändert)
Systematik der akustischen Bewegung Bezeichnet das Gestaltungsprinzip für die
Bewegung des Tonmaterials durch die
Steuerplatte
Systematik der dynamischen Bewegung
Bezeichnet das Gestaltungsprinzip für die
Bewegung der Lautstärke durch einen
Spielkörper
S - Notation
Bewegungslehre
T
zeitliche Etappen Anatonische Etappen
tempotonale Konsequenzen bezeichnet den
physikalischen Zusammenhang zwischen
der Veränderung von Abspielgeschwindigkeit
und Tonhöhe
Zusammenhängende Verlaufsstrecke
Bezeichnet eine oder mehrere akustische
Bewegungen deren Anordnung immer dem
chronologischen Verlauf der anatonischen
Etappen entsprechen
Time-Stretch Effekt Manipulation der
Ablaufgeschwindigkeit eines Tonmaterials,
ohne dabei die Tonhöhe zu verändern
zweifach Gruppierung Gruppierung
von zwei direkt aufeinander folgenden Parameterbewegungen
tonales Prinzip Ordnungsprinzip
nach denen die Bewegungsstärken des
Tonmaterials im Sinne der klassischen
Tonalität festgelegt werden
zweistimmig Spiel mit zwei Steuerplatten
Ton-Quelldatei Digitaler Datensatz der
originalen Tondatei
-2 Gruppierung Gruppierung von zwei
Etonen bei einer zusammenhängenden
Verlaufsstrecke
Tonspielen Instrumentelle Ausführung
der Bewegungslehre
Tonspielmusik Bewegungsmusik
Tonstärkeumfang Voreinstellung für den
Umfang an spielbaren Lautstärkegraden
Turntablism Bezeichnet die Manipulation
von Tonmaterial durch die Handarbeit
an Plattenspieler und Mischpult
1– 2 – 3 ...
2`Gruppierung Gruppierung von zwei
Noten bei einer zusammenhängenden
Verlaufsstrecke
-2-2 Gruppierung Gruppierung von ­­Eton
und Note bei einer zusammenhängenden
Verlaufsstrecke
Turntablist Spieler/-in des Turntablism
2-2 Gruppierung Gruppierung von Note
und Eton bei einer zusammenhängenden
Verlaufsstrecke
U—V
-3`Gruppierung Gruppierung von Eton und
Eton und Eton bei einer zusammenhängenden Verlaufsstrecke
Verlaufscharakteristik Siehe Bewegungscharakteristik
vierfach Gruppierung Gruppierung von
vier direkt aufeinander folgenden Parameterbewegungen
Viertel-Bewegungstriole Drei gleichlange
Parameterbewegungen in einer
Gesamtzählzeit von einem Viertel
W—Z
Wertaufteilung Siehe irreguläre Teilung
Zergliederungskunde Siehe Anatonie
© Alexander Sonnenfeld
3`Gruppierung Gruppierung von Note und
Note und Note bei einer zusammenhängenden Verlaufsstrecke
-3-2 Gruppierung Gruppierung von Eton
und Note und Eton bei einer zusammenhängenden Verlaufsstrecke
3-2 Gruppierung Gruppierung von Note
und Eton und Note bei zusammenhängender
Verlaufsstrecke
-3-2-3 Gruppierung Gruppierung von Eton
und Note und Note bei zusammenhängender
Verlaufsstrecke
3-2-3 Gruppierung Gruppierung von Note
254 Bewegungslehre
Impressum
Urheber / Autor
Alexander Sonnenfeld
Konzept/ Gestaltung
Nickel Berlin / Ivo Wojcik
Das Projekt wurde unterstützt durch:
Eryk Stopienski
Kjetil Falkenberg Hansen
Nikolai Hüsch
Ronald Kalkowski
Rafal Kaiser
Martin Baumgartner
Michael Damm
Alexander Frisse-Bremann
Lydia Wojcik
Frank Holbein
BTA Video Marketing GmbH Berlin
Druck & Bindung
RD
24
4
IC ECOLAB
EL
NO
X-Media Gmbh Berlin
Gedruckt auf CO 2 neutral produziertem
Recycling-Papier.
05
LENZA
3
Urheberrecht
Die Inhalte dieser Arbeit sind
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Jede Verwertung ohne Zustimmung des Autors Alexander
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© 2011 Alexander Sonnenfeld
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