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Jahrbuch 2005/2006 | Kauffmann, Guinevere und von der Linden, Anja | Das W achstum superschw erer
Schw arzer Löcher in Galaxienzentren
Das Wachstum superschwerer Schwarzer Löcher in Galaxienzentren
The growth of supermassive black holes at the heart of galaxies
Kauffmann, Guinevere und von der Linden, Anja
Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching
Korrespondierender Autor
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Zusammenfassung Anhand eines auf dem Sloan Digital Sky Survey basierenden Kataloges von mehr als 80000
Galaxien mit aktiven Kernen hat ein Team des MPI für Astrophysik und der Johns Hopkins Universität die
Beziehung zw ischen dem Wachstum superschw erer Schw arzer Löcher in den Zentren von Galaxien und dem
Wachstum ihrer Muttergalaxien untersucht. Heutzutage w achsen vor allem relativ massearme Schw arze
Löcher (w ie etw a jenes im Zentrum unserer Milchstraße), w ährend die Hauptw achstumsepoche der
schw ersten Schw arzen Löcher viel früher stattfand. Zudem zeigt diese Studie, dass jene Galaxien, in denen
das zentrale Schw arze Loch zurzeit w eiter w ächst, vor kurzem neue Sterne gebildet haben - eine Tatsache,
die unterlegt, w ie die Masse eines superschw eren Schw arzen Loches in direktem Zusammenhang mit der
stellaren Masse der Muttergalaxie steht.
Summary
Abstract Using a catalog of more than 80000 galaxies w ith active nuclei, draw n from the Sloan Digital Sky
Survey, a team from the MPI for Astrophysics and from Johns Hopkins University has studied the connection
betw een the grow th of supermassive black holes at the centers of galaxies and of their host galaxies. Most of
the black hole grow th today is occurring in relatively low -mass black holes (comparable to the one in the
center of our Milky Way), w hereas the main epoch of grow th of the most massive black holes dates back much
earlier. They also find that those galaxies in w hich the central black hole is currently grow ing have recently
formed stars -- a fact that highlights how the mass of the black hole is tightly linked w ith the stellar mass of its
host.
Eine der bemerkensw ertesten Erkenntnisse der Astronomie in den letzten Jahren w ar die Entdeckung, dass
jede große Galaxie in ihrem Zentrum ein mehrere Millionen Sonnenmassen schw eres Schw arzes Loch
beherbergt. Dieser Nachw eis konnte mit optischen sow ie Radio-Beobachtungen von Sternen und Gasw olken in
den Zentren der Galaxien erbracht w erden, w elche einen starken Anstieg ihrer Rotationsgeschw indigkeiten
zum Zentrum hin aufw eisen. Solch hohe Geschw indigkeiten w erden durch ein starkes Gravitationsfeld
hervorgerufen,
w ie es ein sehr massereiches Objekt erzeugt.
W ie könnte ein superschw eres Schw arzes Loch im Zentrum einer Galaxie entstehen? Eine Möglichkeit w äre,
© 2006 Max-Planck-Gesellschaft
w w w .mpg.de
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dass sich ein stellares Schw arzes Loch bildet, w elches dann eine riesige Menge Materie über einen Zeitraum
von Millionen oder Milliarden von Jahren schluckt. Eine andere Möglichkeit w äre, dass sich, z.B. aus einem
Sternhaufen, ein Haufen Schw arzer Löcher bildet und dann zu einem einzelnen, superschw eren Schw arzen
Loch verschmilzt. Nach einer w eiteren Theorie könnte eine große Gasw olke zu einem superschw eren
Schw arzen Loch kollabieren. Der Entstehungsmechanismus w ird zurzeit unter Astrophysikern heftig diskutiert.
Noch rätselhafter ist der empirische Befund, dass die Masse des Schw arzen Loches direkt mit der
Sternenmasse in der zentralen sphäroidalen Komponente einer Galaxie (dem so genannten Bulge) korreliert.
Galaxien mit kleinen Bulges, w ie die Milchstraße, haben vergleichbar kleine zentrale Schw arze Löcher von ein
paar Millionen Sonnenmassen, w ährend riesige elliptische Galaxien Schw arze Löcher mit Massen von Milliarden
von Sonnenmassen beherbergen. Durch Beobachtungen mit dem Hubble Space-Teleskop konnte gezeigt
w erden, dass die Masse des Schw arzen Loches sehr genau berechnet w erden kann, w enn die Masse des
Bulges bekannt ist.
Dies impliziert, dass die Bildung von superschw eren Schw arzen Löchern unmittelbar mit dem Wachstum der
Muttergalaxie verbunden ist, w enngleich der genaue Zusammenhang noch unklar ist (Abb. 1). Kontrolliert das
Schw arze Loch das Wachstum der Galaxie, oder w ird seine Masse durch die Galaxie limitiert? Vielleicht
w achsen Schw arzes Loch und Galaxie gemeinsam in einer Art symbiotischer Beziehung? Diese Fragen können
nur durch eine genaue Untersuchung des W achstumsprozesses beantw ortet w erden.
Schwa rze Löche r k önne n durch Ak k re tion von Ga s a us de r
Mutte rga la x ie wa chse n.
© C ha ndra O bse rva tory photo a lbum
Eine Gruppe Astronomen des Max-Planck-Instituts für Astrophysik in Garching und der Johns Hopkins
Universität in den Vereinigten Staaten führen genau diese Untersuchung anhand von mehr als 500.000
Galaxien durch, w elche als Teil des Sloan Digital Sky Survey (SDSS) beobachtet w urden. W ährend ihres
Wachstums setzen Schw arze Löcher ungeheure Mengen Energie frei, und überstrahlen in den extremsten
Fällen ihre Muttergalaxie – man spricht dann von einem Quasar oder aktiven galaktischen Kern. Die
Hauptepoche der Quasaraktivität und damit vermutlich des Wachstums Schw arzer Löcher fand statt als das
Universum etw a ein Drittel bis zur Hälfte seines heutigen Alters hatte. Es w ird davon ausgegangen, dass sich
zur gleichen Zeit die großen Galaxien durch Kollisionen und Verschmelzung kleinerer Galaxien gebildet haben.
Dennoch w erden auch heute, in den Kernen nahegelegener Galaxien, w achsende Schw arze Löcher
beobachtet. Auch Sternentstehung w ird in diesen Galaxienkernen beobachtet. Da diese nahegelegenen
Galaxien
sehr
viel
einfacher
untersucht
w erden
können
als
ihre
w eiter
entfernten,
w enngleich
spektakuläreren, Vorgänger, kann die Beziehung zw ischen dem Wachstum eines Schw arzen Loches und
seiner Muttergalaxie am besten an diesen lokalen Galaxien untersucht w erden.
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Der Sloan Digital Sky Survey (SDSS) ist die ehrgeizigste Himmelsdurchmusterung, die jemals unternommen
w urde. Wenn er abgeschlossen ist, w ird er ein Viertel des Himmels kartiert haben, und dabei die Positionen
und Helligkeiten von mehr als 100 Millionen Himmelsobjekten vermessen haben. Er w ird auch die Entfernung
zu etw a einer Millionen Galaxien und Quasaren messen. Der SDSS (Abb. 2)ist ein gemeinsames Projekt
mehrerer astronomischer Einrichtungen in den USA, Europa, Japan, China und Korea. Das MPI für Astrophysik
trat 2001 dem SDSS-Projekt bei.
Mit solche n P la tte n, in die Löche r ge bohrt wurde n, we lche m it
Lichtle ite rn ve rse he n wurde n und a m SDSS-Spe k trogra phe n
m ontie rt wurde n, nim m t SDSS die Spe k tre n von Ste rne n,
Ga la x ie n und Q ua sa re n a uf. Die se r ga nze Aufba u wird
um ge dre ht und a n die Unte rse ite de s SDSS-2.5-Me te rTe le sk ops a nge bra cht.
© SDSS im a ge ga le ry
Die
SDSS-Gruppe
um
Guinevere
Kauffmann
am
MPI
für
Astrophysik
hat
aus
hunderttausenden
Galaxienspektren mehr als 80.000 Galaxien mit aktiven galaktischen Kernen identifiziert anhand derer
charakteristischen Merkmale in ihren Spektren. Dieser Katalog aktiver Galaxien ist mehr als 100-mal größer als
jeder vorherige und ist öffentlich zugänglich: http://w w w .mpa-garching.mpg.de/SDSS/. Mit ihm konnte die
SDSS- Gruppe das W achstum nahegelegener Schw arzer Löcher genau untersuchen.
Eines ihrer bemerkensw ertesten Resultate ist es, dass Galaxien, in denen gegenw ärtig das Schw arze Loch
w eiterw ächst, vor kurzem viele Sterne gebildet haben. Je größer die Wachstumsrate, desto höher w ar die
vorhergehende Sternentstehungsrate. In den Extremfällen w ächst das Schw arze Loch so schnell w ie in hellen
Quasaren und die Galaxie besteht zu einem Großteil aus jungen Sternen. Dies zeigt klar, dass die stellare
Masse dieser Galaxien und die Masse ihres zentralen Schw arzen Loches gemeinsam
w achsen. Der Hauptanteil des heutigen Wachstums Schw arzer Löcher findet allerdings in Schw arzen Löchern
mit relativ geringer Masse - w eniger als 3 x 10 7 Sonnenmassen - statt. Diese Schw arzen Löcher befinden sich
in Bulges ähnlich dem unserer Milchstraße. Die abgeleiteten Wachstumsraten dieser Systeme implizieren, dass
diese massearmen Schw arzen Löcher sich auf einer Zeitskala bilden, die vergleichbar ist mit dem Alter des
Universums. Demgegenüber w achsen die Schw arzen Löcher mit Milliarden von Sonnenmassen in riesigen
elliptischen Galaxien heute nur w enig.
Die Resultate der MPA/JHU-Gruppe stärken auch das Konzept des kosmischen „dow nsizing” (Verkleinerung).
Hiermit w ird ein Szenario beschrieben, in dem aktive Sternentstehung und Wachstum Schw arzer Löcher sich
im Laufe der Zeit zu kleineren und w eniger massereichen Galaxien verschiebt. Für Theoretiker erscheint dieses
Konzept paradox, da sie erklären w ollen, w ie sich Galaxien aus w inzigen Dichtefluktuationen im frühen
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Universum nach dem Urknall bilden können. In der heutigen Standardtheorie besteht der Hauptteil der Materie
nicht aus den uns bekannten Elementarteilchen, aus denen Menschen und Sterne bestehen, sondern aus
einer unbekannten, dunklen Form von Materie, w elche nur per Gravitation w echselw irkt. Diese dunkle Materie
durchläuft kein „dow nsizing” (Verkleinerung) - ihr Kollaps beginnt auf kleinen Skalen und setzt sich zu
größeren, massereicheren Strukturen fort. Zu erklären, w arum sich Galaxien und dunkle Materie so
unterschiedlich verhalten sollten, bleibt eine der großen Herausforderungen für Kosmologen.
Ein Be ispie l e ine r ra dio-la ute n a k tive n Ga la x ie .
© NR AO we bpa ge -sie he Bild (unte n)
Eine Möglichkeit, w elche von vielen W issenschaftlern erforscht w ird, ist, dass der Energieausstoß des
Schw arzen Loches die Sternentstehung im Bulge unterbindet und damit das w eitere Wachstum des
Schw arzen Loches verhindert w ird. Diese energetische Rückkopplung könnte als selbst-limitierender Prozess
agieren: Wachstum des Schw arzen Loches führt zu Energieausstoß, w elcher das Wachstum mindert, w odurch
w eniger Energie ausgestoßen w ird, w elches zu einem erneuten Wachstum des schw arzen Loches führt. Der
plausibelste Mechanismus, um Energie vom Schw arzen Loch an das umgebende Gas zu übertragen, sind so
genannte „Jets”, Gasausströme, w elche fast Lichtgeschw indigkeit erreichen können. Diese Jets w erden bei
vielen Galaxien mit aktiven Kernen beobachtet. Sie emittieren Synchrotronstrahlung und sind damit am
einfachsten bei Radiow ellenlängen zu beobachten.
In Zusammenarbeit mit Philip Best von der Universität Edinburgh hat das MPA-Team radio-laute Quellen ( Abb.
3) in ihrem Galaxienkatalog identifiziert. Ihre Ergebnisse unterstützen die Hypothese, dass Radio-jets das
Wachstum Schw arzer Löcher unterbinden - radio-laute aktive Galaxien w erden hauptsächlich in den
massereichsten Galaxien im Universum gefunden und faszinierenderw eise hängt der Anteil radio-lauter aktiver
Kerne genau so von der Masse des Schw arzen Loches ab, w ie man erw arten w ürde, dass Gas aus den
Atmosphären dieser Systeme kühlen und Sterne bilden kann. Für die massereichsten Galaxien im nahen
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Universum (10 12 Sonnenmassen) erreicht der radio-laute Anteil fast 100 Prozent. Man kann nun spekulieren,
dass dies kein Zufall ist. Könnte die schiere Anw esenheit einer kontinuierlichen Radioquelle der Grund sein,
w arum Galaxien und Schw arze Löcher nicht größer w erden können?
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