Skript_GPR_Physik_Wi..

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Grundpraktikum Physik
Teil I (WiSe)
Das griechische Alphabet
Name
Alpha
Beta
Gamma
Delta
Epsilon
Zeta
Eta
Theta
Iota
Kappa
Lambda
My
Ny
Xi
Omikron
Pi
Rho
Sigma
Tau
Ypsilon
Phi
Chi
Psi
Omega
Minuskel
α
β
γ
δ
ε
ζ
η
θ
ι
κ
λ
µ
ν
ξ
o
π
ρ
σ
τ
υ
ϕ
χ
ψ
ω
Majuskel
A
B
Γ
∆
E
Z
H
Θ
I
K
Λ
M
N
Ξ
O
Π
P
Σ
T
Y
Φ
X
Ψ
Ω
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Fakultät V, Institut für Physik, D-26111 Oldenburg
Tel.: 0441-798-3395
Internet: http://physikpraktika.uni-oldenburg.de
©: [email protected]
Oktober 2015
Abbildungen auf dem Titelblatt:
Oben: KARMANsche Wirbelströmung hinter einem Zylinder von ca. 6 mm Durchmesser. Das Foto zeigt eine
Fläche von ca. 2,5 cm × 7 cm.
©: AG Angewandte Optik, Institut für Physik, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Mitte: KARMANsche Wolkenstrasse hinter der JAN MAYEN Insel (Norwegen), hervorgerufen durch den ca. 2,2 km
hohen Vulkan BEERENBERG im Zentrum der Insel. Das Foto zeigt eine Fläche von ca. 365 km × 158 km.
©: NASA; http://photojournal.jpl.nasa.gov/tiff/PIA03448.tif
Unten: Strömungswirbel in der Atmosphäre des Planeten Jupiter in der Umgebung des Großen Roten Flecks. Vor
dem Jupiter sein Mond Io (Durchmesser 3.643 km), der seinen Schatten auf die Oberfläche des Planeten
wirft.
©: NASA; http://ppj-web-3.jpl.nasa.gov/jpegMod/PIA02860_modest.jpg
1
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Modul Grundpraktikum Physik – Teil I
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1
Reihenfolge der Versuche
2
Allgemeine Hinweise zum Modul Grundpraktikum Physik
und zur Protokollführung
3
Zum Aufbau elektrischer Schaltungen und zum Umgang mit
Netzgeräten, Vielfachmessgeräten und Funktionsgeneratoren
12
Mechanische Messwerkzeuge
24
Einsatz der Computer im Grundpraktikum Physik
26
Fehler- und Ausgleichsrechnung
40
Oszilloskop und Funktionsgenerator
63
Messung ohmscher Widerstände, Brückenschaltungen und Innenwiderstände
von Spannungsquellen
81
Messung von Kapazitäten - Auf- und Entladungen von Kondensatoren
97
Sensoren für Kraft, Druck, Abstand, Winkel und Lichtintensität
114
Kraft, Impuls und Kraftstoß
131
Datenerfassung und -verarbeitung mit dem PC
142
Charakterisierung eines Sender-Empfänger-Systems
158
Trägheitsmoment - Steinerscher Satz
168
Impuls- und Energieerhaltungssatz / Stoßgesetze
175
Erzwungene mechanische Schwingungen
188
Fourieranalyse
204
Oberflächenspannung, Minimalflächen und Kaffeeflecken
217
Viskosität und Reynoldszahlen
230
2
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Modul Grundpraktikum Physik – Teil I
Reihenfolge der Versuche
Termin
KW
Referat
Thema
1
42
Allgemeine Hinweise zum Modul Grundpraktikum Physik,
zur Protokollführung und zum Einsatz des Computers.
Übungsaufgaben zu Origin und Matlab
2
43
Oszilloskop und Funktionsgenerator
3
44
4
45
5
46
6
47
Kraft, Impuls und Kraftstoß
7
48
Datenerfassung und -verarbeitung mit dem PC
8
49
Charakterisierung eines Sender-Empfänger-Systems
9
50
Trägheitsmoment - Steinerscher Satz
10
51
Impuls- und Energieerhaltungssatz – Stoßgesetze
11
1
Erzwungene mechanische Schwingungen
12
2
Fourieranalyse
13
3
Oberflächenspannung, Minimalflächen und Kaffeeflecken
14
4
Viskosität und Reynoldszahlen
Messung ohmscher Widerstände, Brückenschaltungen und
Innenwiderstände von Spannungsquellen
Messung von Kapazitäten, Auf- und Entladungen von
Kondensatoren
Sensoren für Kraft, Druck, Abstand, Winkel und
Lichtintensität
Die ersten Versuche im Grundpraktikum Physik sind dem Kennenlernen von Messgeräten,
Funktionsgeneratoren und Sensoren, der Datenerfassung und –verarbeitung mit dem PC und der
Durchführung einführender quantitativer Messungen gewidmet. Die in diesen Versuchen behandelten
Themen sind nur zum Teil Gegenstand der Vorlesung. Zu ihrem Verständnis sind solide Physikkenntnisse
aus der Schule vollkommen ausreichend.
Die anschließenden Versuche sind thematisch an den parallel behandelten Vorlesungsstoff gekoppelt.
Zu einer am Informationsbrett des Grundpraktikums mitgeteilten Zeit wird ein Open Lab angeboten.
Während dieser Zeit sind die Praktikumsräume geöffnet und die Geräte des Praktikums stehen zur Verfügung. Damit soll den Studierenden die Möglichkeit geboten werden, experimentelle Fähigkeiten eigenständig zu vertiefen und zu verbessern. Die Betreuung im Open Lab übernehmen abwechselnd die
TutorInnen zusammen mit der Technischen Assistenz.
3
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Modul Grundpraktikum Physik – Teil I
Allgemeine Hinweise zum Modul Grundpraktikum Physik
und zur Protokollführung
1
Zur Bedeutung, Planung und Durchführung physikalischer Experimente
Am 23. März 1989 erregte eine Nachricht aus den USA großes Aufsehen in der naturwissenschaftlichen
Öffentlichkeit: zwei international anerkannte Wissenschaftler aus dem Bereich der Physikalischen Chemie an der Universität von Utah waren mit der Erklärung vor die Weltpresse getreten, ihnen sei die „kalte
Kernfusion“ im Reagenzglas gelungen. Was andere Labore auf der Welt trotz Milliardenaufwandes bis
dahin nicht erreicht hatten, die kontrollierte Atomkernverschmelzung mit dem Ziel der Energieerzeugung,
sollte nun mit Mitteln möglich gewesen sein, die jedem kleinen Labor zur Verfügung stehen.
Rund um den Globus setzten umgehend fieberhafte Aktivitäten ein mit dem Ziel, das beschriebene Experiment nachzumachen. Die beteiligten Wissenschaftler/innen nutzten die internationalen Computernetze,
um ihre Messergebnisse auszutauschen, zugehörige theoretische Überlegungen zu diskutieren, zu
spekulieren, den Quellen vieler Gerüchte nachzugehen und - leider auch - selber neue Gerüchte in die
Welt zu setzen.
Nach einigen Wochen war sich die internationale Fachwelt einig: die Ergebnisse des Reagenzglas-Experiments waren nicht reproduzierbar. Damit war das gesamte Experiment wertlos und mit ihm auch die
theoretischen Überlegungen, die die beiden Amerikaner zur Deutung ihrer Messergebnisse angestellt
hatten.
Das geschilderte Beispiel soll die elementarste Anforderung an physikalische Experimente deutlich machen:
Die Ergebnisse eines Experiments haben nur dann wissenschaftliche Bedeutung, wenn eine Wiederholung
des Experiments unter gleichen Bedingungen überall auf der Welt zum gleichen Resultat führt.
Damit ein Experiment diesem Anspruch genügt, muss zunächst der Gegenstand des Experiments, d.h. die
dem Experiment zugrunde liegende Fragestellung, klar und eindeutig beschrieben werden. Bei einigen
Experimenten geht es darum zu klären, ob eine Theorie (z.B. die der „kalten Fusion“ oder der Existenz
von Gravitationswellen) richtig oder falsch ist. Andere Experimente sollen dazu dienen, den algebraischen Zusammenhang zwischen physikalischen Größen quantitativ zu erfassen (z.B. Galileis Versuche
zur Bestimmung des Zusammenhanges zwischen Weg und Zeit beim freien Fall) oder Zahlenwerte für
physikalische Größen zu ermitteln (z.B. Bestimmung der Masse eines Moleküls mit einem Massenspektrometer).
Nach erfolgter Formulierung der Fragestellung ist eine sorgfältige Planung der Durchführung des Experiments erforderlich. Dazu gehört vor allem die Konzeption eines systematischen Versuchsablaufs, die
Auswahl geeigneter Messinstrumente und das Kennenlernen des Verhaltens dieser Instrumente unter den
geplanten experimentellen Bedingungen. 1 Anschließend folgt der Aufbau des Experiments, die präzise
Beschreibung der Versuchsanordnung, die Durchführung der Messungen und die Aufzeichnung der
Messdaten sowie der Umgebungsparameter, die die Messergebnisse beeinflussen können. Dabei müssen
systematische Fehlerquellen nach bestem Wissen ausgeschlossen und die zufälligen Messfehler quantitativ erfasst werden (siehe Anleitung „Fehler- und Ausgleichsrechnung“).
1
Hier haben übrigens die beiden Amerikaner die nötige Sorgfalt fehlen lassen - mit dem Ergebnis, dass sie
gemessene Effekte fälschlicherweise dem Einfluss von Neutronen zugeschrieben haben, die tatsächlich durch
eine Erwärmung des Untersuchungsobjektes verursacht worden waren.
4
Die quantitative Auswertung eines unter solchen Bedingungen durchgeführten Experimentes sollte
schließlich eine eindeutige und reproduzierbare Antwort auf die Eingangsfrage geben. Ist das Ergebnis
dagegen nicht eindeutig und nicht reproduzierbar, so müssen alle Schritte von der Fragestellung bis zur
Auswertung noch einmal überprüft werden. Irgendwo wird ein Fehler vorliegen, der beseitigt werden
muss. So kann z.B. ein falsches Messgerät gewählt worden sein, dessen Messgenauigkeit oder Messbereich für den erwarteten Effekt gar nicht ausgelegt ist. Oder es hat sich trotz aller Sorgfalt ein systematischer Fehler bei der Messwertaufzeichnung eingeschlichen. Oder es wurde versucht, einen gar nicht
existenten Zusammenhang zwischen zwei physikalischen Größen quantitativ zu ermitteln. Ein solches
Experiment wird immer zufällig verteilte Ergebnisse liefern. Oder...
2
Die Lernziele im Grundpraktikum
Um Experimente in der beschriebenen Weise planen, durchführen und auswerten zu können, bedarf es
einiger Erfahrung, die in den verschiedenen aufeinander aufbauenden Praktika im Laufe des Studiums
gewonnen werden soll. Dem Grundpraktikum kommt dabei die Aufgabe zu, erste Grundlagen des Experimentierens zu vermitteln und zu üben. Nach erfolgreicher Teilnahme am Grundpraktikum sollen die
Studierenden mit den Grundprinzipien des Experimentierens vertraut sein, also
- wissen, wie mit einem Experiment der quantitative Zusammenhang zwischen physikalischen Größen
bestimmt oder der Zahlenwert für eine physikalische Größe ermittelt werden kann,
- ein entsprechendes Experiment beschreiben, planen und durchführen können,
- den Unterschied zwischen direkten und indirekten Messverfahren kennen,
- gängige Messverfahren sowie Funktion, Gebrauch, Verhalten und Genauigkeit wesentlicher Messgeräte kennen,
- Messgeräte überprüfen, justieren und kalibrieren können,
- mit den Grundprinzipien computerunterstützter Messdatenerfassung vertraut sein,
- Messergebnisse sinnvoll darstellen, auswerten, interpretieren und kritisch bewerten können,
- Messunsicherheiten angeben können und mit den Grundlagen der Fehlerrechnung vertraut sein,
- Verfahren zur Anpassung von Ausgleichskurven (Fitkurven) an Messdaten kennen,
- ein Protokoll über die Durchführung eines Experiments führen können,
- die Ergebnisse eines Experiments in einem Vortrag präsentieren können.
Darüber hinaus sollen die Studierenden im Praktikum über den Vorlesungsstoff hinaus weitere physikalische Phänomene, Gesetzmäßigkeiten und Methoden kennen lernen, für deren Behandlung in der Vorlesung kein Platz ist. Sie müssen sich also gelegentlich im Rahmen der Praktikumsvorbereitung mit Inhalten auseinandersetzen, die in der Vorlesung bis dahin weder behandelt wurden noch behandelt werden.
Deshalb sind die Versuchsanleitungen so gehalten, dass sie mit den üblichen mathematischen und physikalischen Vorkenntnissen der Studierenden in den ersten beiden Semestern verstanden werden können.
Wem der Anleitungstext an einigen Stellen zu abstrakt bleibt, dem sind möglicherweise Fotos der Versuchsaufbauten bei der Vorbereitung der Praktika eine Hilfe. Sie finden sich auf den Internetseiten des
Grundpraktikums 2. Bei gemeinsamen Themen von Vorlesung und Praktikum wird versucht, beide
Veranstaltungen soweit wie möglich zeitlich aufeinander abzustimmen.
3
Durchführung des Praktikums
3.1
Gruppenarbeit
Zu Beginn des Semesters bilden die Studierenden Zweiergruppen (Teams), die bis zum Semesterende
bestehen bleiben. Innerhalb der Teams muss eine gemeinsame Vorbereitung auf das Praktikum stattfinden, gefolgt von einer gemeinsamen Durchführung der Versuche, einer gemeinsamen Auswertung der
Messergebnisse und einer gemeinsamen Protokollierung. Für jeden Teil des Protokolls sind beide Stu2
http://www.uni-oldenburg.de/physik/lehre/praktika/gpr/
5
dierende verantwortlich. Die Vorbereitung, die Durchführung und das Protokoll werden in der Regel mit
einer gemeinsamen Note bewertet.
3.2
Versuchsvorbereitung
Die Vorbereitung auf einen Versuch muss vor dem Praktikumstermin anhand der Versuchsanleitung und
durch Teilnahme am Begleitseminar geschehen. Die Versuchsanleitungen werden zu Beginn des Semesters ausgehändigt. Sie stehen darüber hinaus als PDF-Dateien auf den Internetseiten des Praktikums zur
Verfügung. Es genügt möglicherweise nicht immer, nur die Anleitung durchzulesen. Insbesondere bei
ernsthaften Verständnisproblemen muss auch die angegebene Literatur sowie die Vorlesungsmitschrift
zur Vorbereitung mit herangezogen werden.
Ohne gründliche Vorbereitung ist eine Durchführung der Versuche weder sinnvoll noch möglich.
In den Praktikumsräumen steht ein Bücherschrank mit einer Büchersammlung zur Nutzung durch die
Studierenden vor Ort zur Verfügung. Die Bücher werden grundsätzlich nicht ausgeliehen. Sie können
während der Öffnungszeiten der Praktikumsräume jedoch jederzeit benutzt werden. Die Sammlung enthält neben der in den Anleitungen angegebenen Literatur weitere Lehrbücher, Formelsammlungen und
Tabellenwerke, die für die Auswertung der Versuche hilfreich sind.
Eine gründliche Versuchsvorbereitung schließt die Vorbereitung von Tabellen mit ein, in die während des
Praktikums die Messergebnisse mit dokumentenechtem Stift eingetragen werden.
Die vorbereiteten Messwerttabellen werden zu Beginn des Praktikums von den BetreuerInnen abgestempelt und müssen später dem Protokoll beigefügt werden. 3
Mit der Vorbereitung von Tabellen wird vor allem erreicht, dass man sich bereits vor Beginn der Experimente klar macht, welche Messreihen durchzuführen sind und welche Messgrößen für die Auswertung
der Experimente zusätzlich benötigt werden. Außerdem wird bei vorbereiteten Messwerttabellen von
vornherein vermieden, dass Messergebnisse während des Versuchs zunächst auf Schmierzetteln notiert
werden, um anschließend ins „Reine“ übertragen zu werden. Ein solches Vorgehen ist erstens unökonomisch, schafft zweitens die Gefahr von Übertragungsfehlern und führt möglicherweise auch zur Versuchung, Messdaten nachträglich zu „bereinigen“.
Ökonomisches Arbeiten bei der Vorbereitung, der Durchführung und der Auswertung der Praktikumsversuche setzt auch voraus, dass die Studierenden über folgende Hilfsmittel verfügen:
Versuchsanleitung, Lehrbuch, mathematische Formelsammlung, Taschenrechner mit technisch-wissenschaftlichen Funktionen, Zugang zu Computern (ist für alle Studierenden im Grundpraktikum und
im CIP-Raum des Instituts für Physik gewährleistet).
3.3
Versuchsdurchführung
Während der Versuchsdurchführung müssen die Messergebnisse direkt in die vorbereiteten Messwerttabellen eingetragen werden. Die Ablesegenauigkeit der Messgeräte muss für die später zu erfolgende Fehleranalyse ebenfalls notiert werden. Schließlich müssen all die Gerätespezifikationen und sonstigen Parameter (z. B. Umgebungstemperatur) notiert werden, die für eine vollständige Versuchsdokumentation und
-auswertung im Protokoll erforderlich sind.
Der Umfang der Versuche wurde so gewählt, dass auch die Studierenden, die bereits experimentelle
Erfahrungen mitbringen, nicht schon nach der Hälfte der vorgesehenen Zeit mit ihren Experimenten fertig
3
Für die Versuche zum Oszilloskop, zur Datenerfassung mit dem PC und zur Fourieranalyse müssen keine
Messwerttabellen vorbereitet werden. Für Versuchsteile, in denen Messdaten direkt in Origin-Tabellen
eingetragen werden sollen, sind ebenfalls keine Tabellen erforderlich.
6
sind. Das kann zur Folge haben, dass Studierende ohne jegliche experimentelle Erfahrung, insbesondere
während der ersten Versuchstermine, aus zeitlichen Gründen nicht immer alle Versuchsteile werden
durchführen können. In diesen Fällen gilt:
Bei Zeitknappheit lieber einiges gründlich, als alles oberflächlich durchführen!
Nutzen Sie das Open Lab, um Ihre experimentellen Fähigkeiten eigenständig zu vertiefen!
4
Protokollführung
4.1
Bedeutung des Protokolls
Das Versuchsprotokoll hat die Aufgabe, das gesamte Experiment von der Fragestellung über die Durchführung bis hin zur Auswertung dokumentarisch festzuhalten. Es muss hinsichtlich Inhalt und Form eine
Einheit bilden. Es muss von einer fremden, mit der Materie insgesamt vertrauten Person gelesen und
verstanden werden können und es muss diese Person prinzipiell in die Lage versetzen, ohne Einholen
zusätzlicher Informationen das gleiche Experiment mit den gleichen Geräten jederzeit nachmachen zu
können.
Protokolle werden nicht nur als „lästige Pflicht“ im Rahmen von Praktika geführt. Das Führen und Archivieren eines Protokollbuchs gehört vielmehr unabdingbar zum Alltag des wissenschaftlichen Arbeitens.
Im Zweifelsfall muss ein Protokollbuch als Beleg für erzielte Messergebnisse dienen. Die Fälschungsskandale in der Wissenschaft aus der Vergangenheit, z.B. der Fall des Physikers JAN HENDRIK SCHÖN
aus dem Jahre 2002 4, haben Wissenschaftsorganisationen wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft
(DFG) dazu veranlasst, nochmals mit Nachdruck an die Verpflichtung zur Führung von Protokollbüchern
und deren Bedeutung zu erinnern 5.
4.2
Inhalt und Aufbau eines Protokolls
Ein Praktikumsprotokoll muss
o
o
o
in übersichtlicher Gliederung,
mit nummerierten Kapitelüberschriften,
auf nummerierten Seiten enthalten:
1.
2.
3.
4.
Namen, Praktikumsgruppe und Datum der Versuchsdurchführung.
Titel des Versuchs.
Ein Inhaltsverzeichnis ist nicht erforderlich.
Kurze Darstellung des Versuchsgegenstandes in einer Einleitung: was ist Ziel des Versuches, was
soll gemessen werden? Dieser Teil des Protokolls sollte nicht länger als ¼ Seite sein.
Daran anschließend folgt für jeden Versuchsteil eine Protokollierung gemäß der Punkte 5 - 10:
5.
6.
4
5
Eine kurze Nennung der Aufgabenstellung und Beschreibung der Versuchsdurchführung mit einer
Darstellung des Versuchsaufbaus in Form einer Prinzipskizze mit kurzer Erläuterung. Skizzen können z. B. auch aus der Versuchsanleitung oder aus anderen Quellen übernommen werden. In diesem
Fall muss die Quelle korrekt zitiert werden, s. Kap. 4.3. Skizzen werden wie andere Grafiken
nummeriert und beschriftet (siehe Punkt 8). Beispiel:
„Abb. xx: Anordnung zur Messung der Oberflächenspannung mit der Blasendruckmethode.“
Bei Bedarf Dokumentation derjenigen äußeren Versuchsbedingungen, die die Versuchsergebnisse
beeinflussen können (z.B. Temperatur bei den Versuchen zur Oberflächenspannung und Viskosität)
sowie Dokumentation möglicher Fehlerquellen (z.B. Ablesegenauigkeit von Messgeräten).
Siehe z.B. S. Jorda, PHYSIK JOURNAL 1.11 (2002) 7-8.
DFG: Vorschläge zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis, Bonn, 1998.
7
7.
Tabellarische Darstellung der Ergebnisse von Messreihen. Bei der Spalten- bzw. Zeilenbeschriftung
muss die Form „physikalische Größe / Einheit der Größe“ gewählt werden, also z.B. „U / V“ für eine
Spannung, „I / A“ für einen Strom, „t / s“ für die Zeit usw. Zur Begründung für diese Notation siehe
Kap. 4.3, Punkt 1. Tabellen müssen innerhalb des Protokolls fortlaufend nummeriert und mit kurzen
erläuternden Beschriftungen versehen werden, aus denen hervorgeht, was in der Tabelle dargestellt
ist. Hier ein Beispiel:
d/m
± 10-3 m
0,050
0,045
0,040
0,035
0,030
0,025
0,020
Tab. xx:
I / mA
± 10-1 mA
14,8
14,2
13,4
12,6
11,8
10,8
9,8
Spannung U und Strom I als Funktion der Eintauchtiefe d von Kupferelektroden in einen
Elektrolyten.
Zu jeder Tabelle muss ein Verweis im laufenden Text erfolgen, z.B. in der Form: „Die Messdaten
finden sich in Tab. xx“.
Grafische Darstellung der Ergebnisse von Messreihen. Jede Grafik muss neben einer fortlaufenden
Nummer eine kurze erläuternde Beschriftung enthalten, aus der hervorgeht, was in der Grafik dargestellt ist. Die unabhängige Variable, d.h. die vorgegebene Größe (d in der o. a. Mustertabelle), wird
auf der Abszisse dargestellt, die abhängige Größe auf der Ordinate. Die Skaleneinteilung und die
Lage der Achsen-Nullpunkte muss so gewählt werden, dass der interessierende Kurvenverlauf gut zu
erkennen ist. Die Koordinatenachsen müssen vollständig beschriftet sein. Bei der Achsenbeschriftung
gilt das Gleiche wie bei der Spalten- und Zeilenbeschriftung von Tabellen: sie muss in der Form
"physikalische Größe / Einheit der Größe" erfolgen. Falls gefordert, müssen Ausgleichskurven und /
oder Fehlerbalken eingezeichnet sein. Auch hierzu ein Beispiel:
220
220
200
200
180
180
R/Ω
R/Ω
8.
U/V
± 10-2 V
1,74
1,77
1,81
1,85
1,89
1,94
2,01
160
140
120
120
0,03
0,04
d/m
Abb. xx:
160
140
0,02
0,05
Messdaten
Ausgleichsgerade
20
30
40
50
d -1 / m-1
Ohmscher Widerstand R eines Elektrolyten als Funktion der Elektroden-Eintauchtiefe d.
Links R über d, rechts linearisierte Darstellung R über 1/d.
Die Abstände zwischen den Werten der unabhängigen Variablen müssen so gewählt sein, dass der
Verlauf der Messwerte der abhängigen Variablen gut zu erkennen ist. Sie sollen also dort besonders
dicht liegen, wo sich im Diagramm „etwas tut“. Das folgende Beispiel der Amplitudenresonanzkurve
eines gedämpften harmonischen Oszillators verdeutlicht dies. In der Umgebung der Eigenkreisfrequenz von ω0 ≈ 4,5 Hz wurden die Abstände der unabhängigen Variablen ω1 deutlich kleiner gewählt
als außerhalb dieses Bereichs, so dass der Verlauf der Amplitude x0 in der Umgebung von ω0 gut zu
erkennen ist:
8
x0 / m
0,2
0,1
0,0
0
5
10
ω1 / Hz
15
Abb. xx: Amplitudenresonanzkurve eines gedämpften harmonischen Oszillators.
Die Messpunkte dürfen in der Regel nicht miteinander verbunden werden. Eine gerade Verbindung
würde z.B. einen linearen Zusammenhang zwischen den dargestellten Größen in dem von zwei
Messwerten begrenzten Bereich suggerieren. Sollte eine Verbindung nötig sein, um den Verlauf der
Messwerte besser erkennen zu können, muss die Verbindungslinie an den Messwerten mit sichtbarer
Lücke unterteilt werden:
220
200
R/Ω
180
160
140
120
0,02
0,03
0,04
0,05
d/m
Abb. xx: Ohmscher Widerstand R eines Elektrolyten als Funktion der Elektroden-Eintauchtiefe d.
Zu jeder Grafik muss ein Verweis im laufenden Text erfolgen, z.B. in der Form: „Abb. xx zeigt die
grafische Darstellung der Messdaten“.
9. Berechnung von Zahlenwerten für die zu messenden Größen. Für jeden Zahlenwert muss der Fehler
(die Messunsicherheit) angegeben werden, der entweder berechnet oder sinnvoll abgeschätzt wird.
Einzelheiten dazu und zur Rundung von berechneten Zahlenwerten finden sich in der Anleitung zur
„Fehler- und Ausgleichsrechnung“.
10. Interpretation und Bewertung der Versuchsergebnisse anhand eines Vergleichs mit den nach der
Theorie erwarteten Ergebnissen bzw. mit Literaturwerten. Dabei ist eine realistische und kritische
Bewertung der eigenen Messergebnisse deutlich wichtiger als ein möglichst genaues Treffen eines
Zielwertes oder eine möglichst genaue Reproduktion von Literaturwerten.
Auf eine Auflistung der benutzten Geräte kann verzichtet werden, da sie in der Anleitung unter „Zubehör“ bei den jeweiligen Versuchen aufgeführt sind. Es reicht daher ein entsprechender Verweis.
4.3
Regeln bei der Abfassung von Protokollen
Bei der Abfassung des Protokolls muss man sich von vornherein daran gewöhnen, bestimmte Normen
und Gepflogenheiten einzuhalten (siehe z.B. /10/), wie sie später im Studium auch für die Erstellung von
Examensarbeiten oder anderen wissenschaftlichen Texten üblich sind:
9
1.
Eine physikalische Größe G wird als Produkt aus Zahlenwert {G} mal Einheit [G] dieser Größe
angegeben, also
(1)
G = {G} × [G]
Beispiel: eine elektrische Spannung U hat einen Wert von 5 V, es ist also U = 5 V, mit {U} = 5 und
[U] = V.
2.
Wegen der in Gl. (1) festgelegten Notation werden Tabellenspalten und –zeilen sowie die Achsen
von Grafiken in der Form „G / [G]“ beschriftet, also z.B. „U / V“, „d / m“ usw. Der Quotient G / [G]
ergibt nämlich gerade den Zahlenwert {G}, der in die Tabelle eingetragen oder an die Teilstriche der
Achse geschrieben wird, wie z.B. 5 10 15 20 usw. Angaben der Art „U [V]“ oder „d [m]“ sind
formal falsch! 6
Als Einheit [G] einer physikalischen Größe G muss immer die durch das Internationale Einheitensystem (SI: Système Internationale d'Unités) vorgegebene Einheit verwendet werden /10/. Neben den
sieben SI-Basiseinheiten für die Länge (Meter, m), die Masse (Kilogramm, kg), die Zeit (Sekunde, s),
die Stromstärke (Ampere, A), die Temperatur (Kelvin, K), die Stoffmenge (Mol, mol) und die Lichtstärke (Candela, cd) gibt es abgeleitete SI-Einheiten, die sich immer als Produkt der Basiseinheiten
darstellen lassen, also
[G ] = m a kgb sc A d K e mol f
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
6
7
cd g
mit den zu bestimmenden Exponenten a, b, c, d, e, f und g. Für viele abgeleitete Einheiten sind
eigene Namen gebräuchlich, wie z.B. das Pascal (Pa) für den Druck (Pa = kg m-1 s-2), das Volt (V)
für die elektrische Spannung (V = kg m2 s-3 A-1) oder das Hertz (Hz) für die Frequenz (Hz = s-1). Die
in Deutschland gesetzlich zugelassenen Namen abgeleiteter Einheiten finden sich in /11/.
Für die meisten physikalischen Größen gibt es etablierte Symbole bzw. Formelzeichen (z.B. F für die
Kraft, ω für die Kreisfrequenz, U für die elektrische Spannung usw.), von denen man nicht ohne
wichtigen Grund abweichen sollte. Eine Liste dieser Symbole enthält /7/.
Die Symbole physikalischer Größen, also z.B. F, ω und U werden kursiv gesetzt, die zugehörigen
Einheiten, im Beispiel N, Hz und V, dagegen gerade. Man schreibt also z.B. F / N, ω / Hz und U / V.
Zwischen den Zahlenwert der physikalischen Größe und die Einheit wird ein Leerzeichen gesetzt,
also z.B. F = 1,5 N oder U = 5 V.
Im Text verwendete Symbole physikalischer Größen müssen grundsätzlich definiert werden. Es muss
also z. B. heißen: „...das elektrische Feld E ist durch die Spannung U und den Abstand d gegeben; es
gilt: E = U/d “.
Bei der Anfertigung von Schaltskizzen sollte man sich an die Vorgaben des Deutschen Instituts für
Normen (DIN) halten, die auch in den Versuchsanleitungen angewendet werden. Kopien der entsprechenden DIN-Normen 7 befinden sich im Bücherschrank.
Für eine Reihe von Berechnungen benötigt man die Zahlenwerte physikalischer Konstanten. Derzeitige Bestwerte dieser Konstanten findet man in /9/, eine Auswahl davon auf der hinteren Umschlagseite dieses Skriptes.
Zu jeder Tabelle und jeder Abbildung muss es einen Hinweis im laufenden Text des Protokolls
geben (siehe Hinweise unter Punkt 7 und 8 in Kap. 4.2). Beispiele: „Den prinzipiellen Versuchsaufbau zeigt Abb. 2“ oder „Die Messwerte sind in Tab. 3 aufgelistet und in Abb. 6 grafisch dargestellt“.
Werden Grafiken, Tabellen oder Textpassagen aus fremden Quellen (einschließlich Internetseiten!)
in das Protokoll übernommen, so muss die Quelle korrekt zitiert werden. Wird beispielsweise eine
Abbildung aus dem Skript zum Modul Grundpraktikum Physik, Teil I übernommen, muss am Ende
der Abbildungsbeschriftung der Hinweis „(aus /1/)“ erfolgen. Am Ende des Protokolls wird dann
angefügt:
In Fachzeitschriften werden z.T. andere Arten der Beschriftung verlangt. Leider sind die Regeln nicht
einheitlich. So wird z.B. in NATURE, PHYSICAL REVIEW LETTERS und im PHYSIK JOURNAL jeweils eine
andere Notation verwendet.
Z.B. DIN EN 60617: „Grafische Symbole für Schaltpläne“; siehe auch Text „Zum Aufbau elektrischer
Schaltungen…“.in diesem Skript.
10
Literatur
/1/ Skript zum Grundpraktikum Physik, Teil I, CvO Universität Oldenburg, Institut für Physik, Oktober 2015
Bei Verwendung von Quellen aus dem Internet muss die Internetadresse in Form der URL (Uniform
Resource Locator) und das Datum der Seitenabfrage angegeben werden8, also z.B.:
/2/ Physikalisch Technische Bundesanstalt (PTB): „Fragen zur Zeit“, URL:
http://www.ptb.de/cms/themenrundgaenge/wegweiser/fragenzurzeit.html, Stand: 24.09.2014
Protokolle, die Grafiken, Tabellen oder Textpassagen aus fremden Quellen enthalten, ohne dass die
Quellen zitiert werden, sind Fälschungen und werden mit mangelhaft bewertet. In diesem Zusammenhang
wird nachdrücklich auf die Publikation „Gute wissenschaftliche Praxis“ der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg hingewiesen 9 sowie auf einen Artikel in der ZEIT 10.
Beim Einsatz von Textverarbeitungssoftware für die Erstellung eines Protokolls gilt als oberster Grundsatz: ein Protokoll lebt in erster Linie von seinem Inhalt und seiner Struktur und nicht von seiner äußeren
Form. Man sollte sich daher gut überlegen, ob man die Zeit, die z.B. für das Schreiben von Formeln mit
einem Computer benötigt wird, nicht sinnvoller einsetzen kann. Handschriftliche Protokolle oder mit
Hand eingesetzte Formeln sind, solange sie lesbar bleiben, völlig ausreichend.
Zu guter Letzt noch eine eiserne Regel zum Thema Protokolle:
Der jeweils nächste Versuch kann erst durchgeführt werden, wenn das Protokoll vom vorherigen Versuch
abgegeben wurde.
5
Literatur
Jede Versuchsanleitung enthält eine eigene Literaturliste, in der die Bücher aufgelistet sind, die für die
Vorbereitung auf die einzelnen Versuche besonders nützlich sind. Zum generellen Gebrauch im Praktikum
sind
folgende
Bücher
empfehlenswert
(siehe
auch
http://www.uni11
oldenburg.de/physik/lehre/praktika/literatur/ ) :
/1/ Eichler, H. J., Kronfeldt, H.-D., Sahm, J.: „Das Neue Physikalische Grundpraktikum“, SpringerVerlag, Berlin u.a.
/2/ Geschke, D. [Hrsg.]: „Physikalisches Praktikum“, Teubner-Verlag, Stuttgart u.a.
/3/ Walcher, W.: „Praktikum der Physik“, Teubner-Verlag, Stuttgart
/4/ Gerthsen, C. u.a.: „Physik“, Springer-Verlag, Berlin u.a.
/5/ Stöcker, H.: „Taschenbuch der Physik“, Harri Deutsch, Frankfurt (steht auf den Computern im
Grundpraktikum auch als HTML-Version zur Verfügung)
/6/ Bronstein, I. N., Semendjajew, K. A.; Musiol, G.; Mühling, H.: „Taschenbuch der Mathematik“,
Verlag Harri Deutsch, Frankfurt (steht auf den Computern im Grundpraktikum auch als HTMLVersion zur Verfügung)
Als Tabellenwerke zum Nachschlagen von Zahlenwerten physikalischer Größen sind besonders geeignet:
8
9
10
11
Für alle URL-Angaben in diesem Skript gilt das Datum 24.09.2014.
http://www.uni-oldenburg.de/fileadmin/user_upload/physik/ag/physikpraktika/download/Faltblatt_GWP.pdf
„Suchmaschine gegen den Gedankenklau – Universitäten rüsten sich gegen Plagiatoren - und verhängen schwere
Strafen.“ DIE ZEIT, 08.02.07; http://zeus.zeit.de/text/2007/07/B-Plagiatskontrolle.
Wegen z. T. häufiger Neuausgaben wird an dieser Stelle auf eine Angabe des Erscheinungsjahres verzichtet. Die
Erscheinungsdaten der aktuellen Ausgaben finden sich auf den Internetseiten des Grundpraktikums.
11
/7/ Lide, D. R. [Hrsg.]: „CRC Handbook of Chemistry and Physics”, CRC Press, Boca Raton (steht
auf den Computern im Grundpraktikum auch als PDF-Version zur Verfügung)
/8/ Madelung, O. [Hrsg.]: „Landolt-Börnstein: Zahlenwerte und Funktionen aus Naturwissenschaften
und Technik“, Springer-Verlag, Berlin u.a.
Derzeitige Bestwerte physikalischer Konstanten (Auswahl s. hintere Umschlagseite dieses Skriptes) findet man in:
/9/ Mohr, P. J.; Taylor, B. N.; Nevell, D. B.: "CODATA Recommended Values of the Fundamental
Physical Constants: 2010", Rev. Mod. Phys. 84(4), 1527-1605 (2012).
Die Daten sind auch über das National Institute of Standards and Technology (NIST) der USA
verfügbar: http://physics.nist.gov/cuu/Constants/index.html.
Hinweise zur Abfassung wissenschaftlicher Manuskripte sowie eine Zusammenstellung der SI-Basiseinheiten und daraus abgeleiteter Einheiten enthält folgende Broschüre des „Bureau International des Poids
et Mesures (BIPM)“ 12:
/10/ Bureau International des Poids et Mesures: „The International System of Units (SI)“, 8th Edition,
Paris, 2006. (http://www.bipm.org/utils/common/pdf/si_brochure_8_en.pdf)
Eine Zusammenstellung der in Deutschland gesetzlich zugelassen Einheiten findet sich in:
/11/ Physikalisch Technische Bundesanstalt (PTB) [Hrg.]: „Die gesetzlichen Einheiten in Deutschland“, Faltblatt 2012, Braunschweig, 2012.
(http://www.ptb.de/cms/fileadmin/internet/publikationen/Einheiten_deutsch.pdf)
12
Das BIPM wurde am 20.05.1875 von 17 Staaten ins Leben gerufen, mittlerweile sind ihm 51 Staaten beigetreten.
Aufgabe des Büros ist die „weltweite Vereinheitlichung von Messungen“. Hauptsitz des Büros ist Paris, die
offizielle Sprache des BIPM ist französisch.
12
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Modul Grundpraktikum Physik – Teil I
Zum Aufbau elektrischer Schaltungen und zum Umgang mit
Netzgeräten, Vielfachmessgeräten und Funktionsgeneratoren
1
Einleitung
Studierende, die noch nie oder nur wenige Male selbstständig experimentiert haben, haben oftmals
Schwierigkeiten bei der Umsetzung einer Schaltungsskizze oder eines Blockschaltbildes in eine reale
elektrische Schaltung. Auch der Umgang mit Netzgeräten, Vielfach-Messgeräten und Funktionsgeneratoren bereitet ihnen anfänglich Probleme. Deshalb wird hier eine kurze Einführung gegeben. Zunächst
werden die wichtigsten Funktionen der genannten Geräte erläutert. Im Laufe des Grundpraktikums werden sie noch genauer behandelt. Anschließend werden einfache Schaltungsskizzen beschrieben und Fotos
der zugehörigen realen Aufbauten gezeigt. Beim Aufbau einer der Schaltungen kommt ein Oszilloskop
zum Einsatz, dessen Funktionsweise und Betrieb in einem separaten Praktikumstermin ausführlich behandelt wird.
Details der Fotos lassen sich in der PDF-Version dieses Textes möglicherweise besser erkennen; siehe
dazu http://physikpraktika.uni-oldenburg.de/download/GPR/pdf/Schaltungen_Multimeter.pdf.
2
Netzgeräte
Für viele Versuchsaufbauten im Praktikum werden Gleichspannungen 1 (gelegentlich auch Gleichströme)
mit unterschiedlichen Höhen und Vorzeichen benötigt, wie z. B. + 10 V, - 12 V, + 5 V usw. Solche Spannungen können einem Netzgerät 2 entnommen werden. Netzgeräte werden auch als Stromversorgung oder
Spannungsversorgung bezeichnet.
Abb. 1 zeigt ein Netzgerät der Fa. PHYWE, das im Grundpraktikum zum Einsatz kommt. Es handelt sich
um ein Doppel-Netzgerät, da es über zwei separat einstellbare Ausgänge verfügt. Am linken Ausgang
können Spannungen zwischen 0 V und 15 V eingestellt werden, der Strom kann dort maximal 5 A betragen. Am rechten Ausgang stehen Spannungen zwischen 0 V und 30 V zur Verfügung bei einem maximalen Strom von 2,5 A.
Abb. 1: Netzgerät vom Typ PHYWE. An beiden Ausgängen (jeweils blaue und rote Buchse) ist eine
Spannung von ca. 10 V eingestellt.
Mit den Drehknöpfen können die Spannung U und der Strom I eingestellt bzw. begrenzt werden. In den
meisten Fällen wird im Praktikum für den Betrieb eines Verbrauchers, z. B. eines Fotodetektors, eine
bestimmte Spannung benötigt. Diese Spannung wird zunächst ohne angeschlossenen Verbraucher mit
1
2
Englisch DC voltage; DC bedeutet direct current (Gleichstrom).
Englisch Power Supply.
13
dem Drehknopf unter der Spannungsanzeige (V) eingestellt. Der eingestellte Wert wird an der Spannungsanzeige überprüft. Anschließend wird der zum selben Ausgang des Netzgeräts gehörende Knopf zur
Strombegrenzung an den rechten Anschlag gedreht. Dadurch wird erreicht, dass der später angeschlossene Verbraucher dem Netzgerät so viel Strom entnehmen kann, wie zu seinem Betrieb benötigt wird.
Jeder Ausgang des Netzgeräts verfügt über zwei Anschlussbuchsen für gewöhnliche Laborkabel. Das
Potential 3 an der blauen Buchse ist immer niedriger als das Potential an der roten Buchse. Vergleicht man
den Ausgang des Netzgeräts mit einer Batterie, so entspricht die blaue Buchse dem Kontakt mit der
Bezeichnung „-“ und die rote Buchse dem Kontakt mit der Bezeichnung „+“.
Das Vorzeichen der Spannung zwischen den beiden Anschlussbuchsen hängt ausschließlich vom
gewählten Bezugspunkt ab. Nehmen wir an, am Ausgang des Netzgerätes sei eine Spannung (Potentialdifferenz) von 10 V eingestellt. Wählen wir die rote Buchse als Bezugspunkt, so ist das Potential an der
blauen Buchse um 10 V niedriger. Von diesem Bezugspunkt aus betrachtet ist die Spannung also U = –
10 V. Wählen wir dagegen die blaue Buchse als Bezugspunkt, so ist das Potential an der roten Buchse
um 10 V höher. Von diesem Bezugspunkt aus betrachtet ist die Spannung also U = + 10 V.
Abb. 2 verdeutlicht die Zusammenhänge anhand der Spannungsmessung mit zwei als Voltmeter betriebenen Vielfachmessgeräten (weiteres zu Vielfachmessgeräten in Kap. 4).
Abb. 2: Zum Vorzeichen der Spannung aus einem Netzgerät. An dessen linkem Ausgang ist eine Spannung von ca. 10 V eingestellt. Das linke Multimeter (Typ FLUKE) zeigt eine Spannung von –
10,02 V an, das rechte eine Spannung von + 10,01 V 4. Ursache: der Bezugspunkt für die Spannungsmessung (schwarze Buchse COM am Multimeter) ist links mit der roten Buchse des
Netzgerätes verbunden (an der das höhere Potential liegt), rechts mit der blauen Buchse (an der
das niedrigere Potential liegt).
Die gleichen Überlegungen gelten auch für eine Batterie. Eine Blockbatterie mit einer Spannung von 9 V
kann demnach, je nach Bezugspunkt, eine Spannung von + 9 V oder - 9 V liefern.
3
4
Das (elektrische) Potential ist eine auf einen festen Bezugspunkt bezogene Spannung. Ein Bezugspunkt kann
z.B. die Erde sein, gekennzeichnet mit den Symbolen
oder . Hierbei handelt es sich um einen Anschluss
(s. Netzgerät in Abb. 2), der elektrisch leitend mit der Erde verbunden ist. Dies kann man z. B. erreichen, indem
man einen elektrischen Leiter in die Erde eingräbt und über Kabel mit dem Anschluss verbindet. In Gebäuden
findet die Erdung durch einen Fundamenterder statt, an den über eine Potentialausgleichsschiene u.a. der
Schutzleiter der Stromversorgung angeschlossen ist.
Die Abweichungen der angezeigten Spannungsbeträge um 0,01 V werden durch die beschränkte
Messgenauigkeit der Multimeter verursacht.
14
3
Funktionsgeneratoren
Funktionsgeneratoren (FG) dienen der Erzeugung von Wechselspannungen 5 mit unterschiedlichen Formen, Amplituden und Frequenzen. Wahlweise können zu diesen Wechselspannungen Gleichspannungen
hinzuaddiert werden, man spricht dann von einem DC-Offset. Die gängigste Signalform am Ausgang
eines FG ist eine sinusförmige Wechselspannung U(t), die sich mathematisch wie folgt beschreiben lässt:
(1)=
U ( t ) U 0 sin (ω t ) + U DC
Darin bedeuten:
t:
Zeit
U0 :
Amplitude
f
=
ω 2π
=
U DC :
2π
: Kreisfrequenz; f : Frequenz, T : Periodendauer
T
Gleichspannungsanteil (DC-Offset)
Abb. 3 zeigt eine solche Wechselspannung zusammen mit anderen typischen Ausgangsspannungen von
Funktionsgeneratoren.
In Abb. 4 sind die Frontansichten von zwei im Grundpraktikum eingesetzten Funktionsgeneratoren dargestellt. Über Schalter und Drehknöpfe werden die Form (Function: Sinus, Rechteck, Dreieck, Sägezahn),
die Frequenz (Freq), die Amplitude (Ampl) und der Gleichspannungsanteil (DC-Offset) des Signals
eingestellt. Auf weitere Einstellmöglichkeiten wird im späteren Verlauf des Praktikums eingegangen.
Die Ausgabe des Signals erfolgt jeweils über die Buchse Output. Hierbei handelt es sich um eine 2polige BNC-Buchse 6. Der Innenleiter einer solchen Buchse bildet den einen Pol, der äußere Kontakt den
zweiten Pol (weiteres dazu in Kap. 5.2).
5
6
Englisch AC voltage; AC bedeutet alternating current (Wechselstrom).
BNC ist ursprünglich ein Produktname der Fa. AMPHENOL und steht für „Bayonet NEILL CONCELMAN“
15
U (t)
U (t)
U0
UDC
t
t
T
U (t)
U (t)
t
U (t)
t
U (t)
High
Low
t
t
Abb. 3: Typische Ausgangssignale von Funktionsgeneratoren. Oben links: sinusförmige Wechselspannung ohne DC-Offset. Oben rechts: dito mit DC-Offset. Mitte links: Dreieckspannung. Mitte
rechts: Sägezahnspannung. Unten links: Rechteckspannung. Unten rechts: TTL-Signal 7.
7
TTL ist die Abkürzung für Transistor-Transistor-Logik. Ein TTL-Signal ist ein Logiksignal, das nur zwei
Spannungswerte U annehmen kann: Low und High. Für ein Ausgangssignal eines Gerätes gilt: Zustand Low
wenn 0 V ≤ U < 0,4 V, Zustand High wenn 2,4 V < U ≤ 5,0 V. Für ein Eingangssignal in ein Gerät gilt: Low
wenn 0 V ≤ U < 0,8 V, High wenn 2,0 V < U ≤ 5,0 V.
Hinweis: Das Signal an der Buchse TTL-OUT des FG TOELLNER 7401 entspricht dieser Norm nicht.
16
Abb. 4: Frontansichten von zwei im Praktikum eingesetzten Funktionsgeneratoren. Oben: AGILENT
33120A, unten: TOELLNER 7401. Beim FG TOELLNER ist die Frequenz f des Ausgangssignals
das Produkt aus dem am Schalter FREQ RANGE eingestellten Wert (hier 100 Hz) und dem am
Drehknopf FREQUENCY eingestellten Multiplikator (hier 1). Bei der dargestellten Einstellung
ist also f = 1 × 100 Hz = 100 Hz.
17
4
Vielfachmessgeräte
Vielfachmessgeräte 8 (Abb. 5) können, wie der Name sagt, je nach Schalterstellung zur Messung
verschiedener elektrischer Größen eingesetzt werden. Die wichtigsten davon sind (angegeben mit typischen Bezeichnungen auf den Wahlschaltern der Geräte):
Gleichspannung:
Wechselspannung:
Gleichstrom:
Wechselstrom:
Widerstand:
Kapazität:
V , DC V
V ∼, AC V
A , DC A
A ∼, AC A
Ω
Abb. 5: Frontansichten von sechs im Praktikum eingesetzten Multimetern. Oben v. l. n. r.:
MONACOR DMT-3010, ABB METRAWATT M2012, FLUKE 112, AGILENT U1251B. Mitte:
KONTRON DMM 3021. Unten: AGILENT 34405A.
8
Englisch: Multimeter. Diese Bezeichnung wird auch im Deutschen verwendet.
18
Bei Messung von Wechselspannungen oder Wechselströmen (AC-Messungen) zeigen die Messgeräte
jeweils den Effektivwert (Index „eff“) an. Der Effektivwert einer Wechselgröße ist derjenige Wert, den
eine Gleichgröße haben müsste, um an einem ohmschen Verbraucher die gleiche elektrische Leistung
umzusetzen. Für sinusförmige Signale ohne DC-Offset gilt folgender Zusammenhang zwischen Effektivwert und Amplitude (Index „0“):
=
U eff
(2)
=
I eff
T
1
U0
2
T
1
I0
2
1
=
U 2 ( t ) dt
∫
T 0
1 2
=
I ( t ) dt
T ∫0
Die Spannung des Stromnetzes in Deutschland hat beispielsweise einen Effektivwert von Ueff ≈ 230 V.
Dieser Wert ist auf den Typenschildern von Elektrogeräten angegeben. 9 Die zugehörige Amplitude der
Netzspannung ist also
U 0 ≈ 2 × U eff = 2 × 230 V ≈ 325 V
Bei AC-Messungen erhält man nur für Signale mit Frequenzen innerhalb eines bestimmten Intervalls
einen korrekten Messwert für den Effektivwert. Außerdem muss die Signalform (Sinus, Dreieck, Rechteck usw.) bei der Interpretation des Messwertes beachtet werden. Detaillierte Informationen dazu findet
man in den Handbüchern der Geräte.
Vor der Benutzung eines Vielfachmessgerätes muss die zu messende Größe am Wahlschalter eingestellt
werden. Erst danach dürfen die Kabel mit den Eingangsbuchsen verbunden werden.
Die Eingangsbuchse, deren Potential bei Spannungsmessungen das Bezugspotential bildet, wird je nach
Hersteller unterschiedlich bezeichnet. Die gängigsten Bezeichnungen sind:
Bezugspotential:
COM, COMMON, LO, LOW, 0, ⊥
Die Farbe dieser Buchse ist in der Regel schwarz.
Die zweite Buchse, an die bei Spannungsmessungen das Vergleichspotential gelegt wird, trägt gelegentlich die Bezeichnungen:
Vergleichspotential:
HI, HIGH, +
Häufig sind dort jedoch nur die Einheiten der zu messenden Größen angegeben, wie z. B.: V, Ω usw. Die
Farbe dieser Buchse ist in der Regel rot.
Für Strommessungen wird neben der COM-Buchse eine andere Buchse als für Spannungs- und Widerstandsmessungen benutzt. Diese Buchse, ebenfalls oftmals rot, trägt dann die Beschriftung:
Strommessung:
mA, A
Für hohe Stromstärken bis z. B. 10 A gibt es oftmals separate Anschlussbuchsen.
Bei den im Grundpraktikum eingesetzten Multimetern handelt es sich um Digital-Multimeter. Diese
Geräte bieten eine Anzeigegenauigkeit, die durch die Zahl der in der Anzeige vorhandenen Stellen
(Digits 10) festgelegt ist. Die Stelle ganz links kann dabei üblicherweise nur eine 0 oder eine 1 anzeigen,
9
10
Häufig findet sich auf den Typenschildern noch der veraltete Wert von 220 V.
Digit (engl.) = Ziffer.
19
man zählt sie deshalb als halbe Stelle. Beispielsweise ist das Gerät vom Typ AGILENT U1251B ein 4 ½stelliges Multimeter, das vom Typ AGILENT 34405A ein 5 ½ -stelliges. Das bedeutet: Die erste Stelle
kann nur 0 oder 1 anzeigen, die übrigen 4 oder 5 Stellen die Ziffern 0 – 9.
Neben dem eigentlichen Messwert (Zahlenwert) erscheinen bei manchen Geräten weitere Angaben auf
der Anzeige, wie z. B. die Einheit der gemessenen Größe (mA, A, mV,…), der Signaltyp (AC, DC), der
Messbereich (100 mV, 100 Ω,…) usw.
Bei Widerstandsmessungen liefert ein Multimeter intern einen konstanten Teststrom IT, der von der roten
Buchse durch den zu messenden Widerstand zur schwarzen Buchse fließt. Durch interne Messung der
Spannung U über dem Widerstand R ergibt sich dann der Anzeigewert zu R = U / IT. Der Teststrom muss
möglichst klein sein, um eine Erwärmung des Widerstandes zu vermeiden. Einzelheiten zu Widerstandsmessungen werden im Versuch „Messung ohmscher Widerstände …“ behandelt.
Bei Kapazitätsmessungen wird der Kondensator mit einem konstanten Ladestrom IL geladen. Durch Messung der Spannung U über dem Kondensator zu zwei Zeitpunkten t1 und t2 kann die Kapazität C bestimmt
werden. Einzelheiten zu Kapazitätsmessungen werden im Versuch „Messung von Kapazitäten …“ behandelt.
5
Exemplarische Schaltungen
5.1
Spannungsteiler
Abb. 6 zeigt das Schaltbild eines Spannungsteilers mit den Widerständen R1 und R2, die an eine
Gleichspannungsquelle (Netzgerät) mit der Klemmenspannung U angeschlossen sind. Die verwendeten
Schaltsymbole werden in Kap. 6 erläutert. Mit einem Amperemeter A wird der Strom durch die Widerstände gemessen, mit dem Voltmeter V die Spannung über dem Widerstand R2.
Abb. 7 zeigt ein Foto des realen Aufbaus. Als Widerstände kommen Widerstandsdekaden zum Einsatz, an
denen mit Hilfe von Schiebeschaltern die gewünschten Widerstandswerte eingestellt werden können
(rechts R1 = (100 + 10) Ω, links R2 = 200 Ω; Genauigkeit jeweils ± 1 %). Zur Strom- und Spannungsmessung werden Multimeter eingesetzt. Die elektrische Verbindung zwischen den Geräten und Komponenten
wird mit gewöhnlichen einadrigen Laborkabeln realisiert (blaue und rote Kabel in Abb. 7), die an ihren
Enden mit Laborsteckern versehen sind. Die Geräte und Komponenten selber verfügen über Laborbuchsen, die zu diesen Laborsteckern passen.
Ist U = 4,8 V die am Netzgerät eingestellte Spannung, so fließt durch die Widerstände ein Strom I von
(3)
=
I
U
=
R
4,8 V
≈ 15,5 mA
(110 + 200 ) Ω
Dieser Wert wird auf der Anzeige des Amperemeters erwartet. Tatsächlich zeigt das Amperemeter einen
Wert von 15,38 mA an. Die Abweichung wird durch die eingeschränkte Genauigkeit der Widerstände aus
der Widerstandsdekade, der Spannungseinstellung am Netzgerät und des Messgerätes selber verursacht.
Die Spannung U teilt sich auf die Widerstände im Verhältnis
(4)
auf. Mit
U1 R1 110 Ω
= =
= 0,55
U 2 R2 200 Ω
20
U
= U1 + U 2
(5)
folgt dann durch Kombination von Gl. (4) und (5) für U2:
U2
=
(6)
U
4,8 V
=
≈ 3,10 V
R1
1,55
1+
R2
Tatsächlich zeigt das Voltmeter einen Wert von – 3,04 V an. Die Abweichung des Zahlenwertes ist wieder auf die eingeschränkten Genauigkeiten von R1, R2, U und des Messgerätes zurückzuführen. Das negative Vorzeichen rührt daher, dass die COM-Buchse des Messgerätes mit dem höheren Potential am
Widerstand R2 (rote Leitung) verbunden ist.
=U
A
R2
R1
V
Abb. 6: Blockschaltbild eines Spannungsteilers mit den Widerständen R1
und R2, Gleichspannungsquelle
mit Klemmenspannung U, Voltmeter V und Amperemeter A.
5.2
Abb. 7: Realer Aufbau der Schaltung nach Abb. 6.
Am Netzgerät ist eine Spannung von ca.
4,8 V eingestellt.
Funktionsgenerator und Oszilloskop
Abb. 8 zeigt ein Blockschaltbild mit einem Funktionsgenerator FG, der eine sinusförmige Wechselspannung U~ mit einstellbarer Amplitude und Frequenz liefert (z. B. 2 V, 1 kHz). An den Ausgang des Funktionsgenerators wird ein Lastwiderstand R (z. B. 1 kΩ) gelegt. Die Ausgangsspannung des FG bei dieser
Belastung wird mit einem Oszilloskop OS gemessen 11. Abb. 9 zeigt ein Foto des realen Aufbaus.
Zur elektrischen Verbindung des Funktionsgenerators mit dem Oszilloskop (Abb. 11) und dem Widerstand (Widerstandsdekade) kommen in diesem Fall Koaxialkabel zum Einsatz, die im Laufe des Praktikums noch ausführlicher behandelt werden. Diese Kabel (Abb. 10) verfügen über einen Innenleiter und
einen Außenleiter, es handelt sich also um zweiadrige Kabel. Zwischen Innen- und Außenleiter befindet
sich ein Isolator, der Außenleiter ist von einem Kunststoffmantel umgeben. An den Enden der Kabel
befinden sich BNC-Stecker. Der innere Stift des Steckers ist mit dem Innenleiter, der äußere Metallkörper
11
Einzelheiten zum Oszilloskop werden im Versuch „Oszilloskop und Funktionsgenerator“ behandelt.
21
mit dem Außenleiter des Kabels verbunden. Die Stecker werden mit einem Bajonettverschluss an die
zugehörigen BNC-Buchsen von Geräten wie Funktionsgenerator oder Oszilloskop angeschlossen.
Um Komponenten wie z. B. Widerstandsdekaden an Koaxialkabel anschließen zu können, gibt es zwei
Varianten. Entweder werden Kabel verwendet, die an einer Seite über einen BNC-Stecker und an der
anderen Seite über zwei gewöhnliche Laborstecker verfügen (Abb. 9, Verbindung von FG und R), oder
man benutzt ein geeignetes Adapterstück (Abb. 10). Mit Hilfe von BNC-T-Stücken (Abb. 10) kann ein
Signal gleichzeitig an zwei Koaxialkabel gelegt werden (in Abb. 9 das Ausgangssignal des FG).
FG
U~
R
OS
Abb. 8: Blockschaltbild eines Funktionsgenerators FG mit Ausgangs-Wechselspannung U~, Lastwiderstand R
und Oszilloskop OS zur Spannungsmessung.
Mantel
Außenleiter
(Geflecht)
Abb. 9: Realer Aufbau der Schaltung nach
Abb. 8.
Isolierung
Innenleiter
Abb. 10: Oben links: Koaxialkabel schematisch, oben rechts: Koaxialkabel mit BNC-Stecker, unten v. l.
n. r.: T-Stück für Koaxialkabel mit BNC-Steckern, Verbindungsstück für Koaxialkabel mit
BNC-Steckern, Adapterstück für den Übergang BNC-Stecker → Laborbuchse.
22
Abb. 11: Frontansichten von zwei im Praktikum eingesetzten Oszilloskopen. Oben: Digital-Oszilloskop
TEKTRONIX TDS 210, Unten: Digital-Oszilloskp TEKTRONIX TDS 1012B.
23
6
Anhang
Auswahl von Schaltsymbolen nach DIN EN 60617:
Spannungsquelle
Widerstand
Stromquelle
Kondensator
V
Voltmeter
Spule
A
Amperemeter
Leitungskreuzung mit Verbindung
Erde
Leitungskreuzung ohne Verbindung
Masse
Anschlussbuchse
24
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Modul Grundpraktikum Physik – Teil I
Mechanische Messwerkzeuge
1
Bügelmessschraube
Eine Bügelmessschraube (Abb. 1) dient zur Messung des Außenmaßes eines Körpers mit einer Genauigkeit von 0,01 mm. Der Körper (blau in Abb. 1) wird zwischen den starren Amboss und die verschiebbare
Messspindel positioniert. Die Messtrommel wird im Uhrzeigersinn gedreht, bis zwischen Messspindel und
Körper noch ein kleiner Spalt besteht. Anschließend wird die Messspindel durch Drehen der Ratsche im
Uhrzeigersinn weiter vorgeschoben, bis sie den Körper berührt. Die Ratsche sorgt dafür, dass die
Messspindel nur mit einem definierten Drehmoment gegen den Körper gedrückt wird, um dessen Stauchung zwischen Amboss und Messspindel zu vermeiden (Prinzip des Drehmomentschlüssels). Die
Ablesung des Messwertes ist in Abb. 1 erläutert 1.
Abb. 1: Bügelmessschraube 2. Auf der Messhülse (Skalenstriche vertikal) wird der Messwert bis auf
einen halben Millimeter genau abgelesen (untere Teilstriche: ganze Millimeter, obere Teilstriche: halbe Millimeter). Dies ist der Skalenwert, der links neben der Messtrommel gerade noch
zu erkennen ist. Auf der Messtrommel (Skalenstriche horizontal) werden die hundertstel Millimeter abgelesen. Abgelesen wird der Wert, der auf der horizontalen Achse der Messhülse liegt.
Gemessen wird in diesem Beispiel die Dicke des blauen Quaders. Der angezeigte Messwert
beträgt 20,22 mm.
2
Messschieber
Ein Messschieber (Abb. 2) dient zur Messung eines Außen-, Innen- oder Tiefenmaßes eines Körpers mit
einer Genauigkeit von 0,1 mm oder 0,05 mm. Zur Messung eines Außenmaßes wird der Körper (blau in
Abb. 2) zwischen den starren linken und den beweglichen rechten Außenmessschenkel gehalten und der
bewegliche Schenkel soweit nach links geschoben, bis beide Schenkel den Körper berühren. Zur Messung
eines Innenmaßes wird der Körper zwischen die Innenmessschenkel gehalten und der bewegliche
Schenkel soweit nach rechts geschoben, bis beide Schenkel den Körper berühren. Zur Messung eines
Tiefenmaßes, z.B. der Tiefe eines Bohrloches, wird der bewegliche Schenkel soweit nach rechts geschoben, bis die Tiefenmessschiene auf den Boden der Bohrung aufstößt und die Messschiene auf dem Rand
der Bohrung aufliegt. Die Ablesung des Messwertes ist in Abb. 2 und Abb. 3 erläutert 3.
1
2
3
Siehe auch http://www.messmittelonline.de/Buegelmessschraube/seite1.htm
Abbildung nach http://www.messmittelonline.de/
Siehe auch http://www.messmittelonline.de/Messschieber/seite1.htm
25
Abb. 2: Messschieber2 zur Messung von Außenmaßen (Beispiel: blauer Quader), Innenmaßen und
Tiefenmaßen. Auf der Messschiene werden die ganzen Millimeter abgelesen (nächster Skalenwert links neben der „0“ des Nonius, hier 75 mm). Auf dem Nonius erfolgt die Ablesung des
Nachkommawertes (Abb. 3).
Abb. 3: Vergrößerte Darstellung des Nonius aus Abb. 2. Im abgebildeten Modell beträgt die
Messgenauigkeit 0,05 mm. Zur Ablesung des Nachkommawertes wird der Teilstrich auf dem
Nonius gesucht, der mit einem Teilstrich auf der Messschiene auf einer Linie liegt. Im Beispiel
ist das bei 0,75 mm der Fall. Der zusammengesetzte Messwert für den blauen Quader aus Abb.
2 beträgt demnach 75,75 mm.
26
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Modul Grundpraktikum Physik – Teil I
Einsatz der Computer im Grundpraktikum Physik
1
Zum Umgang mit den Computern im Grundpraktikum
Die Computer im Grundpraktikum können und sollen von den Studierenden für alle Aufgaben genutzt
werden, die im Zusammenhang mit den Praktikumsversuchen stehen. Eine kurze Einführung in ihre
Benutzung wird während des ersten Praktikumstermins gegeben. Studierenden ohne ausreichende Kenntnisse im Umgang mit Computern wird empfohlen, möglichst bald an entsprechenden Kursen teilzunehmen (Windows, Textverarbeitung (Word oder LaTeX), Tabellenkalkulation (Excel), Präsentation
(Powerpoint), eine Programmiersprache).
1.1
Anmelden am Computer
Die Computer im Grundpraktikum (Betriebssystem Windows 7) sind Teil (Clients) der WindowsDomäne gpr. Zur Anmeldung ist die Angabe eines Benutzernamens, des zugehörigen Passworts und die
Auswahl der Domäne erforderlich. Der Benutzername ist gprnn 1, wobei „nn“ für die Nummer der Praktikumsgruppe laut Veranstaltungsverzeichnis steht (01, 02, 03, ...), also z. B. gpr01, gpr02,…. Das Passwort wird vor Ort mitgeteilt. Der Domänenname ist gpr.
1.2
Arbeitsverzeichnis auf den PCs im Praktikum und im Hochschulnetz
Auf den Computern steht nach dem Anmelden das Arbeitsverzeichnis (Laufwerk) O:\ zur Verfügung. Im
Windows-Explorer (Dateimanager) erscheint dieses Arbeitsverzeichnis unter dem Eintrag
gprnn (\\gpr00.gpr.physik.uni-oldenburg.de\gprdaten$) (O:).
Es handelt sich dabei um ein Verzeichnis auf dem Server gpr00 der Domäne gpr. Jedes 2er-Team (also
z. B. Müller und Meier) legt dort bei der ersten Anmeldung sein eigenes Unterverzeichnis an. Als Verzeichnisname werden die Nachnamen gewählt, also z. B. O:\Mueller_Meier.
 Eigene Daten dürfen nur in diesem persönlichen Verzeichnis gespeichert werden!
In diesem Verzeichnis muss im Laufe des Semesters eine Struktur mit Unterordnern angelegt werden, in
denen später die Daten zu einzelnen Versuchen abgelegt werden, also:
o
O:\Mueller_Meier
o Uebungen_Origin
o Oszilloskop
o Fehlerrechnung
o Widerstaende
o Kapazitaeten
o …
Vermeiden Sie Umlaute und Leerzeichen in den Namen von Ordnern und Dokumenten. Dadurch verhindern Sie, dass es zu Problemen kommt, wenn Sie auf ein anderes Betriebssystem wechseln.
1
Für Studierende der Umweltwissenschaften sind die Benutzernamen uwibnn (Modul Physik I) oder uwiann
(Modul Physik II).
27
Alle Mitglieder einer Praktikumsgruppe „nn“ haben im gesamten Verzeichnis O:\ die Berechtigung zum
Lesen und Schreiben und damit auch zum Löschen von Daten. Dauerhafte Datensicherheit kann also
nicht gewährleistet werden. Um persönliche Daten dauerhaft zu sichern, sollten sie deshalb auf einem
eigenen USB-Speicherstick oder in einem persönlichen Verzeichnis im Hochschulnetz gespeichert werden. Ein solches Verzeichnis wird von der Abteilung IT-Dienste 2 der Universität für alle Studierenden
automatisch angelegt. Näheres dazu erfährt man bei der Abteilung IT-Dienste und über die Person, die die
Computer im CIP-Raum 3 des Instituts für Physik betreut.
1.3
Laufwerksverknüpfungen
Nach dem Anmelden an einem PC im Grundpraktikum stehen neben dem Arbeitsverzeichnis (O:) zwei
weitere voreingestellte Laufwerksverknüpfungen zur Verfügung:
P:
Q:
Lexika$ (\\gpr00.gpr.physik.uni-oldenburg.de)
MatlabSkripte$ (\\gpr00.gpr.physik.uni-oldenburg.de)
Unter P: finden sich Lexika und Handbücher, die durch Klick auf die Dateien index.html oder
start.htm oder start.bat geöffnet werden können. Eine Liste der verfügbaren Lexika und Handbücher ist unter http://www.uni-oldenburg.de/physik/lehre/praktika/literatur/ zu finden.
Unter Q: sind Matlab-Skripte abgelegt, die im Laufe des Praktikums benötigt werden. Einzelheiten
dazu sind den entsprechenden Versuchsanleitungen zu entnehmen.
1.4
Drucker im Praktikum
Im Grundpraktikum steht ein Netzwerkdrucker (HP LaserJet 4300 PS, schwarz/weiß) zur Verfügung.
Der Drucker kann zum Ausdruck der Dokumente genutzt werden, die im Rahmen des Grundpraktikums
erstellt werden.
1.5
Verbindung mit O: vom CIP-Raum aus
Wenn von einem PC im CIP-Raum aus auf das Arbeitsverzeichnis O: im Grundpraktikum zugegriffen
werden soll, muss dort beim ersten Mal eine Laufwerksverknüpfung zu O: hergestellt werden. Dazu wie
folgt vorgehen (hier exemplarisch beschrieben für den Benutzernamen gpr01):
Rechter Mausklick auf Start → Windows Explorer → Extras (obere Menüleiste 4) → Netzwerklaufwerk
verbinden. Alternativ: Rechtsklick auf → Computer → Netzwerklaufwerk verbinden.
Im erscheinenden Fenster eintragen:
o
o
o
o
o
o
2
3
4
Laufwerk:
O:
Pfad:
\\gpr00.gpr.physik.uni-oldenburg.de\gprdaten$\gpr01
Haken setzen unter „Verbindung bei Anmeldung wieder herstellen“
Haken setzen unter „Verbindung mit anderen Anmeldeinformationen herstellen“
Fertig stellen
Benutzername: gpr\gpr01
Passwort:
s. 1.1.
Haken setzen unter „Anmeldedaten speichern“
http://www.uni-oldenburg.de/itdienste/
Im CIP-Raum des Instituts für Physik (W2 2-249) stehen den Studierenden mehrere Computer zur Verfügung.
Einzelheiten dazu unter http://www.uni-oldenburg.de/physik/cip/.
Sollte die Menüzeile nicht sichtbar sein: → Organisieren → Layout → Menüleiste.
28
1.6
Verbindung mit dem Drucker im Praktikum vom CIP-Raum aus
Um vom CIP-Raum aus den Drucker im Praktikum nutzen zu können, muss er am CIP-Arbeitsplatz einmal der Druckerliste hinzugefügt werden. Dazu sind folgende Schritte nötig (hier exemplarisch für den
Nutzer gpr01):
o
o
o
o
o
o
o
1.7
Start → Geräte und Drucker
Drucker hinzufügen
Einen Netzwerkdrucker … hinzufügen
Klick auf „Der gesuchte Drucker ist nicht aufgeführt“
Haken setzen bei „Freigegebene Drucker über den Namen auswählen“
Im Feld eintragen:
\\gpr00.gpr.physik.uni-oldenburg.de\HP LaserJet 4300 PS
(drei Leerzeichen im Druckernamen beachten!)
Benutzername: gpr\gpr01
Passwort:
s. 1.1.
Schutz vor Computer-Viren
Die Studierenden im Grundpraktikum können für die Sicherung ihrer eigenen Daten USB-Speichersticks
verwenden. Dabei ist sicherzustellen, dass keine Computer-Viren auf die PCs übertragen werden. Im
Zweifelsfall muss der Datenträger vor Verwendung mit der Antivirensoftware Sophos überprüft
werden.
2
Auswahl der zur Verfügung stehenden Software
Neben den Windows-Standardprogrammen sind übliche Programme zur Textverarbeitung (Word), zur
Tabellenkalkulation (Excel), zur Präsentation (Powerpoint) und Internetbrowser (Firefox) auf den
Computern im Grundpraktikum verfügbar. Darüber hinaus stehen die Programme Origin und Matlab
zur Verfügung. Sie sind für die Datenaufnahme, Datenanalyse und Datenvisualisierung sowie für allgemeine Funktionsberechnungen und Darstellungen von Funktionsgraphen besonders geeignet und im technisch-wissenschaftlichen Bereich weit verbreitet. Beide Programme sind auch auf den Computern im
CIP-Raum des Instituts für Physik verfügbar. Eine Nutzung auf dem eigenen PC ist ebenfalls möglich.
Informationen dazu finden sich hier:
http://www.uni-oldenburg.de/physik/lehre/praktika/origin/ (Origin)
http://www.uni-oldenburg.de/physik/lehre/praktika/matlab/ (Matlab).
Die folgenden Kurzanleitungen können und sollen keine Handbücher ersetzen, sondern lediglich Einstiegshinweise geben, die für die Lösung der jeweiligen exemplarischen Aufgaben ausreichend sind.
Weitere Hinweise werden vor Ort gegeben. Bei den folgenden Beschreibungen wird vorausgesetzt, dass
grundlegende Kenntnisse im Umgang mit Windows-Programmen vorhanden sind.
29
3
Origin
Das Programm Origin (Version 8G, SP 6) wird im Praktikum eingesetzt, um Messdaten in Tabellen
einzugeben, Berechnungen mit den Daten durchzuführen, grafische Darstellungen der Daten zu erzeugen,
Parameter von Ausgleichsgeraden durch Messwerte zu berechnen (lineare Regression) und nichtlineare
Funktionsfits durchzuführen. Die in Kap. 3.3.3 beschriebenen Punkte werden erst im späteren Verlauf des
Praktikums benötigt. Es wird daher empfohlen, zu gegebener Zeit erneut einen Blick in diesen Text zu
werfen. 5
3.1
Start von Origin, Grundeinstellungen
Nach dem Start von Origin erscheint eine Bildschirmoberfläche ähnlich wie in Abb. 1 dargestellt. Die
Anzahl und die Position geöffneter Fenster und Symbolleisten hängen von den persönlichen Einstellungen ab. Über
→ Ansicht
bzw.
→ Ansicht → Symbolleisten
lassen sich die Einstellungen den individuellen Bedürfnissen anpassen. 6
In dem Startfenster erscheint, ähnlich wie beim Programm EXCEL, ein Fenster mit einem leeren Arbeitsblatt (Sheet1) einer Arbeitsmappe (Book1). In dieses Arbeitsblatt werden die Messdaten eingetragen, aus
denen anschließend Diagramme erzeugt werden. Möglicherweise werden später weitere Arbeitsblätter
und Diagramme, Notizen, Berechnungen usw. ergänzt. All diese Daten werden von Origin zu einem
Projekt zusammengefasst, das als Ganzes in einer Datei mit der Endung .opj (origin project) abgespeichert wird: → Datei → Projekt speichern.
Das in Abb. 1 unten dargestellte Fenster des Projekt-Explorers enthält eine Übersicht aller zu einem Projekt gehörenden Daten. Es lässt sich wie folgt sichtbar machen:
→ Ansicht → Projekt Explorer
Die Lage und Größe des Fensters kann wie üblich eingestellt werden.
Über das Menü
→ Hilfe → Sprache ändern
→ Help → Change Language
bzw.
kann zwischen der deutschen und englischen Sprachversion von Origin umgeschaltet werden.
5
6
Weitere Unterlagen zu Origin (Getting Started, Tutorials, Help,…) finden sich im Download-Bereich der Seite
http://www.originlab.com/.
Die Lage einer Symbolleiste (oben, unten, seitlich) kann, wie bei Windows-Programmen üblich, verändert
werden, indem die Symbolleiste bei gedrückter linker Maustaste an die gewünschte Position gezogen wird.
30
Abb. 1: Bildschirmoberfläche nach dem Starten des Programms Origin.
3.2
Einstellung des Dezimalzeichens
Version 8 von Origin erlaubt die Umschaltung zwischen einer deutschen und englischen Sprachversion. Dadurch kann es zu Mehrdeutigkeiten bei der Interpretation des Dezimaltrennzeichens (Dezimalkomma bzw. Dezimalpunkt) kommen, die u.U. zu scheinbar unerklärlichen Fehlern führen. Um solche
Probleme zu vermeiden, dürfen bei Verwendung von Origin nicht die Regions- und Sprachoptionen
aus Windows übernommen werden, sondern es muss explizit der Dezimalpunkt als Trennzeichen eingestellt werden. Diese Einstellung erfolgt gem. Abb. 2 über
→ Hilfsmittel → Optionen → Zahlenformat → Trennzeichen→ 1,000.0
Trennzeichen für ASCII-Import→ 1,000.0
Der Punkt in der Angabe 1,000.0 ist das Dezimaltrennzeichen, das Komma nur eine visuelle Hilfe zur
Hervorhebung von Tausender-Blöcken (englische Notation).
Abb. 2: Einstellung des Dezimalpunktes als Dezimaltrennzeichen.
31
3.3
Beispielaufgaben
Kap. 3.3.3 widmet sich der linearen Regression. Es kann zunächst übersprungen werden. Es wird bei der
Behandlung der „Fehler- und Ausgleichsrechnung“ benötigt.
3.3.1
Grafische Darstellung von Messdaten
Ziel: Eingabe von X-Werten (X), einem dazugehörigen Satz von Y-Werten (Y1), Fehlern zu diesen
Y1-Werten (FY1) und einem zweiten Satz von Y-Werten (Y2) zu denselben X-Werten. Anschließend
grafische Darstellung dieser Werte inkl. Fehlerbalken für die Y1-Werte.
(1)
(2)
(3)
(4)
Nach dem Start von Origin erscheint die Oberfläche eines neuen Projektes (Abb. 1). Auf der
Projektoberfläche ist ein Arbeitsblatt (Worksheet) der Arbeitsmappe Book1 geöffnet, in das die
Daten eingegeben werden können (analog zu einer Excel-Tabelle).
Statt manueller Eingabe in das Arbeitsblatt können Daten auch aus Dateien mit fremden Formaten
(Excel, ASCII,...) importiert oder per cut&paste eingefügt werden.
Die Arbeitsblatt-Tabelle hat zunächst 2 Spalten 7: A(X) und B(Y), wobei A und B die Bezeichnungen der Spalten sind und die Buchstaben in Klammern angeben, ob es sich um Abszissen-Werte
(X) oder Ordinaten-Werte (Y) handelt. Weitere Spalten für die Fehlerangabe zu Y (FY1) und den
zweiten Datensatz mit Y-Werten (Y2) erhält man durch: → Spalte → Spalten
hinzufügen.
Die Dateneingabe erfolgt unter Verwendung des Dezimalpunktes (s. Kap. 3.2). In den gelb
unterlegten Zellen der Zeile Langname wird die Beschriftung für die Daten der jeweiligen Spalte
eingetragen. Abb. 3 (links) zeigt das Arbeitsblatt nach Eintrag der Daten.
Abb. 3: Origin-Arbeitsblatt in der Arbeitsmappe Book1 nach Eintrag der Daten (links) und nach
Festlegung des Datentyps in den Spalten (rechts).
(5)
Zur Erstellung eines Diagramms aus den eingegebenen Daten ist festzulegen, welche Spalte welchen Datentyp enthält. Dazu jeweils die gesamte Spalte markieren (Mausklick auf den Kopf der
Spalte), dann rechter Mausklick, danach → Setzen Als. Zur Auswahl stehen:
→
→
→
→
Als X setzen
Als Y setzen
Y-Fehlerbalken
X-Fehlerbalken.
Durch diese Festlegung ändert sich die Spaltenbeschriftung gem. Abb. 3 (rechts): C(yEr±) 8
bedeutet z. B., dass in Spalte C Y-Fehlerwerte stehen.
7
8
englisch column, in Origin abgekürzt mit col.
„Er“ von „error“ (Fehler).
32
(6)
Anschließend die Spalten mit den zu zeichnenden Daten markieren. Da hier alle Daten gezeichnet
werden sollen, müssen alle Spalten markiert werden. Danach → Zeichnen → Symbol
→ Punktdiagramm. Durch Wahl von Punktdiagramm werden nur Datenpunkte gezeichnet,
ohne Verbindungslinien, die in der Regel physikalisch unsinnig sind.
(7) Das Diagramm wird in ein neues Fenster (Graph1) gezeichnet, das damit zum aktiven Fenster
wird. Dadurch ergeben sich z.T. andere Einstellungen in der Hauptmenüleiste (Abb. 4), als wenn
das Arbeitsblatt das aktive Fenster ist (Abb. 1).
(8) Die Symbole für die Datenpunkte lassen sich nach Doppelklick auf die Symbole ändern. Im sich
öffnenden Fenster muss zunächst unter → Gruppe → Modus Bearbeiten der Wert Unabhängig eingestellt werden. Danach können unter → Symbole diverse Eigenschaften (Größe,
Form, Farbe) für die einzelnen Datensätze unabhängig voneinander eingestellt werden. Es wird
empfohlen, möglichst offene statt gefüllter Symbole zu verwenden, da dadurch z. B. kleine Fehlerbalken besser erkannt werden können.
(9) Alle Textfenster in einem Diagramm sind nach Anklicken frei verschiebbar.
(10) Die Achsenbeschriftung, die Achsenskalierung, die Art der Achse (linear, logarithmisch, ...),
Gitterlinien usw. lassen sich über ein Fenster einstellen, das sich nach einem Doppelklick auf die
entsprechende Achse öffnet.
(11) Funktionsgraphen können einem Diagramm wie folgt hinzugefügt werden: Klick auf das
Diagrammfenster, das dadurch zum aktiven Fenster wird. Dann → Grafik → Funktionsgraph hinzufügen. Im sich öffnenden Fenster kann die Funktion eingeben werden.
Abb. 4: Origin-Fenster nach Zeichnen eines Diagramms (Graph1). Die Fehler zu den Y1-Werten
(schwarze Kreise) werden als Fehlerbalken (rote Linien) dargestellt.
3.3.2
Berechnungen mit Tabellendaten
Berechnungen mit den eingegebenen Daten können wie folgt durchgeführt werden: Arbeitsblatt durch
Anklicken zum aktiven Fenster machen, dann eine leere Spalte (in den folgenden Beispielen C, D oder E)
markieren, anschließend
33
→ Spalte → Spaltenwerte errechnen
In das nun erscheinende obere Textfenster (Abb. 5 links) wird die gewünschte Rechenoperation eingetragen.
1. Beispiel: In Spalte E soll das (elementweise) Produkt der Spalten A und B erscheinen. In das
Textfenster trägt man demnach col(A)*col(B) ein (Abb. 5 links), anschließend → OK.
2. Beispiel: In Spalte C soll der Sinus von der Differenz der Werte in den Spalten B und A erscheinen.
Der Eintrag im Textfenster muss dann lauten: sin(col(B)-col(A)), → OK.
Abb. 5: Textfenster zum Eintrag von Rechenoperationen (links) und zusätzliches Skriptfenster (rechts,
unten) zur Definition von Parametern.
Häufig müssen Berechnungen durchgeführt werden, bei denen neben den Zahlenwerten aus einzelnen
Spalten auch Zahlenwerte physikalischer Größen wie z.B. die Erdbeschleunigung g, ein Widerstand R,
eine Kapazität C usw. benötigt werden. Dann ist es praktisch, wenn diese Zahlenwerte einmal definiert
(festgelegt) werden können und für alle späteren Berechnungen innerhalb desselben Projektes zur Verfügung stehen. Solche Definitionen können in einem Skriptfenster vorgenommen werden. Dazu wird dieses
Fenster zunächst durch Klick auf den nach unten gerichteten Doppelpfeil (Abb. 5 links, unten rechts)
sichtbar gemacht. Danach trägt man im unteren Skriptfenster (Abb. 5 rechts) die gewünschten Definitionen ein. Jede Definition wird mit einem Semikolon und der Eingabetaste abgeschlossen. Dazu folgendes
Beispiel:
3. Beispiel: In Spalte D soll die Differenz aus dem Produkt der Spalten A und B, dividiert durch Spalte
C, und der Erdbeschleunigung g erscheinen, die im Skriptfenster mit g=9.8133 definiert wird. Der
Eintrag im Textfenster muss dann lauten: col(A)*col(B)/col(C) - g, → OK.
3.3.3
Lineare Regression
Eine lineare Regression („linearer Fit“), d. h. die Berechnung einer Ausgleichsgeraden y = a + bx durch
Datenpunkte, die in einem Diagramm dargestellt wurden, wird wie folgt durchgeführt: Klick auf das Diagrammfenster, das dadurch zum aktiven Fenster wird. Anschließend Klick auf einen Datenpunkt, der zu
dem Datensatz gehört, für den eine Ausgleichsgerade berechnet werden soll (hier ein Punkt aus dem
34
Datensatz (X,Y1)). Danach → Analyse → Anpassen → Linearer Fit 9. Es öffnet sich ein
Fenster Lineare Anpassung, in dem eine Vielzahl von Parametern eingestellt werden kann. Nur die
Wichtigsten werden hier erwähnt:
(1) Der Wert im Fenster Neu berechnen sollte auf Auto gesetzt werden. Dadurch erfolgt eine
automatische Neuberechnung aller Parameter der linearen Regression nach Änderung von Daten.
(2) Im Feld Fit Optionen → Fehler als Gewichtung → Keine Gewichtung (vorerst).
(3) Für eine Berechnung der Steigung b und des Ordinatenabschnitts a der Ausgleichsgeraden im Feld
Fit Optionen keine Haken setzen.
Hinweis:
Für eine Berechnung nur der Steigung b der Ausgleichsgeraden (wenn der Ordinatenabschnitt a fest
vorgegeben ist): Haken bei Fester Schnittpunkt mit der Y-Achse setzen, Ordinatenabschnitt a festlegen. Für eine Berechnung nur des Ordinatenabschnitts a der Ausgleichsgeraden (wenn
also die Steigung der Geraden fest vorgegeben ist): Haken bei Feste Steigung setzen,
Steigungswert b festlegen.
(4) Im Feld Angepasstes Kurvendiagramm unter → X-Datentyp → Bereich die Einstellung Ausweiten auf gesamten Achsenbereich wählen. Die übrigen Einstellungen können beibehalten werden.
(5) Nach Klick auf OK wird der lineare Fit durchgeführt. Im Diagrammfenster erscheinen die Ausgleichsgerade und eine Tabelle mit den Ergebnissen des linearen Fits (Abb. 6). Nach Doppelklick auf die
Tabelle kann sie, wie üblich, den eigenen Bedürfnissen angepasst werden.
Abb. 6: Origin-Diagrammfenster nach Durchführung eines linearen Fits durch die X/Y1-Wertepaare.
(6) Nach Durchführung des linearen Fits werden in der Arbeitsmappe Book1 automatisch zwei weitere
Arbeitsblätter ergänzt, in denen die Ergebnisse des linearen Fits (Blatt FitLinear1) und eine Wertetabelle zu der Ausgleichsgeraden (Blatt FitLinearCurves1) ausgegeben werden (Abb. 7).
9
Wenn bereits einmal ein linearer Fit durchgeführt wurde, muss gewählt werden, ob alte Einstellungen
übernommen werden sollen, oder ob ein neues Dialogfenster geöffnet werden soll.
35
Abb. 7: Origin-Arbeitsmappe nach Durchführung eines linearen Fits.
(7) Neben den Größen a und/oder b werden im Ergebnisfenster die Zahl N der für den Fit benutzten
Datenpunkte (Wertepaare) und der Korrelationskoeffizient R ausgegeben. Die übrigen Parameter sind
im Grundpraktikum vorerst unbedeutend.
Andere Verfahren zur Berechnung von Ausgleichskurven („Fit“) durch Datenpunkte, z. B. nichtlineare
Funktionsfits, wie sie unter → Analyse → Anpassen zur Verfügung stehen, werden im Grundpraktikum erst später benötigt. Auf sie wird zu gegebener Zeit eingegangen.
3.3.4
Lineare Regression in logarithmischen Diagrammen
Durch Logarithmierung lassen sich bestimmte nichtlineare Zusammenhänge linearisieren. Beispielsweise
wird aus dem Exponentialzusammenhang
y = a eb x
durch Anwendung des natürlichen Logarithmus (Basis e)
ln=
y ln a + b x
Trägt man also in einem halblogarithmischen Diagramm y über x auf (Ordinate logarithmisch), so ergibt
sich eine lineare Darstellung: eine Gerade mit der Steigung b und dem Ordinatenabschnitt ln a.
Ebenso wird aus dem Potenzgesetz
y = a xb
durch Logarithmieren (Basis 10)
log
=
y log a + b log x
Trägt man demnach in einem doppeltlogarithmischen Diagramm y über x auf (Ordinate und Abszisse
logarithmisch), so ergibt sich ebenfalls eine lineare Darstellung: eine Gerade mit der Steigung b und dem
Ordinatenabschnitt log a.
Für eine lineare Regression durch derart linearisierte Daten muss unter → Analyse → Anpassen
→ Linearer Fit unter Fit Optionen der Haken bei Scheinbarer Fit gesetzt werden. Der
Fit erfolgt dann durch die linearisierten Daten, wie sie im Diagramm erscheinen.
36
4
Matlab
Das Programm Matlab wird im Praktikum eingesetzt, um Zahlenwerte mathematischer Funktionen zu
berechnen und grafisch darzustellen, Berechnungen mit vektoriellen Größen durchzuführen (z. B. beim
Versuch „Impuls- und Energieerhaltungssatz“) und Messdaten über geeignete Hardware in den Computer
einzulesen und darzustellen. Dies stellt nur einen sehr bescheidenen Ausschnitt der vielfältigen Möglichkeiten dar, die Matlab bietet, der für die Arbeit im Grundpraktikum jedoch zunächst ausreichend ist. 10
Die folgenden Bemerkungen sind wichtig, um die Lösung der Aufgabe aus Kap. 4.1 verstehen zu können.
Matlab steht für matrix laboratory. Damit wird deutlich, dass Matlab ein Werkzeug zur Rechnung mit
Matrizen (zur Matrizenalgebra) ist. Eine Matrix besteht aus m × n Zahlen, die in einem zweidimensionalen Schema mit m Zeilen und n Spalten angeordnet sind; man spricht auch von einer (m,n) Matrix (Abb.
8). Im einfachsten Fall ist m = n = 1, die Matrix enthält dann nur ein Element und stellt somit nur eine
einzelne Zahl (einen Skalar) dar. Im nächst einfachen Fall enthält die Matrix nur eine Zeile oder nur eine
Spalte, sie stellt dann einen Zeilen- oder Spaltenvektor dar.
a
a b c
a
b
c
a b c
d e f
g h i
Abb. 8: V. l. n. r: schematische Darstellung von Skalar, Zeilenvektor mit 3 Komponenten, Spaltenvektor
mit 3 Komponenten, Matrix mit 3 × 3 Elementen.
In einer Programmiersprache stellen üblicherweise z. B. A und B zwei Variablen dar, die jeweils eine
Zahl repräsentieren und deren Produkt C = A × B eine neue Zahl C ergibt. In Matlab dagegen stellen
die Variablen A und B im Allgemeinen Matrizen dar, deren Produkt A × B eine neue Matrix C ergibt.
Sollen demnach z. B. zwei Zeilenvektoren A = [1 2 3] und B = [4 5 6] elementweise miteinander multipliziert werden, um den Zeilenvektor C = [1×4 2×5 3×6] zu erzeugen, so darf man in Matlab nicht
schreiben C = A × B. Das ergäbe nach den Gesetzen der Matrizenalgebra auch keinen Sinn, denn es lassen sich nur Matrizen miteinander multiplizieren, bei denen die Spaltenzahl der ersten Matrix mit der
Zeilenzahl der zweiten identisch ist. Für eine elementweise Multiplikation muss man vielmehr schreiben:
C = A . × B. Aus dem Operator „ד wird also der Operator „ . ד, wenn elementweise Multiplikation
gemeint ist, die im genannten Beispiel zu dem Ergebnis C = [4 10 18] führt. Analog dazu gibt es die
Operatoren für die elementweise Division („ ./“) und das elementweise Potenzieren („ .^“).
Dazu ein einfaches Beispiel. Für die x-Werte 1, 2, 3, 4 sollen die Funktionen
=
=
y1 sin(
x)
und
y2 x sin( x)
berechnet werden. Dazu schreibt man die x-Werte zunächst in einen Zeilenvektor x. In Matlab-Syntax
lautet der entsprechende Befehl:
x = [1, 2, 3, 4]
Mit Hilfe von
y1 = sin(x)
wird aus dem Zeilenvektor x der Zeilenvektor y1 berechnet, der vier Funktionswerte für die vier x-Werte
enthält:
y1 = 0.8415
10
0.9093
0.1411
-0.7568
Eine Kurzanleitung für Matlab („Primer“) ist zu finden unter:
http://www.mathworks.com/access/helpdesk/help/pdf_doc/matlab/getstart.pdf
37
Für die Berechnung der Funktion y2 schreibt man:
y2 = x .* y1
oder direkt
y2 = x .* sin(x)
Der Punkt vor dem Multiplikationszeichen (*) sorgt dafür, dass eine elementweise Multiplikation der
Zeilenvektoren x und y1 bzw. x und sin(x) stattfindet und das Ergebnis einen neuen Zeilenvektor y2
mit ebenfalls vier Elementen ergibt:
y2 = 0.8415
1.8186
0.4234
-3.0272
Alles Weitere im Umgang mit Matlab ist „learning by doing“, wie aus der Lösung der folgenden Aufgabe hoffentlich deutlich wird.
4.1
Exemplarische Aufgabe
Zeichnen Sie ein Spannungssignal U als Funktion der Zeit t, das eine gedämpfte harmonische Schwingung darstellt:
(1)=
U (t ) U 0 sin (ω t + ϕ ) e −α t
mit der Amplitude U0 = 2 V, der Kreisfrequenz ω = 2π f, der Frequenz f = 0,5 Hz, der Anfangsphase
ϕ = π/5 und der Dämpfungskonstanten α = 1/(4T ) (T = 2π/ω ist die Periodendauer der Schwingung) im
Zeitbereich zwischen t = 0 s und t = 15 s.
4.2
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
Hinweise zur Lösung
Starten des Programms durch Doppelklick auf das Matlab-Icon.
Nach dem Start erscheint ein Fenster gem. Abb. 9. Sollte das Startfenster anders aussehen, kann es
durch → Layout → Default in die Form aus Abb. 9 gebracht werden.
Das Fenster enthält in der Mitte das „Command Window“, in das Matlab-Befehle direkt eingegeben werden können. Rechts oben erscheint das Fenster „Workspace“, in dem alle benutzen
Variablen aufgelistet werden. In dem darunter liegenden Fenster „Command History“ erscheinen
alle Befehle, die in das „Command Windows“ eingegeben wurden. Das linke Fenster „Current Folder“ zeigt den Inhalt des aktuellen Arbeitsverzeichnisses an, das in der Pfad-Zeile ausgewählt
wurde.
Statt Matlab-Befehle direkt in das „Command Window“ einzugeben, ist es praktischer, sie
zunächst in eine Textdatei, das so genannte „m-File“ (oder „Matlab-Script-File“, Endung „.m“)
zu schreiben. Durch → New Script öffnet sich das Fenster des Matlab Editors, in das die Befehle
zur Lösung der Aufgabe eingetragen werden können. Abb. 10 zeigt das Editor-Fenster mit diesen
Befehlen und zusätzlichen Kommentaren.
Nach Ende der Eingabe erfolgt ein Klick auf das Symbol (Save and Run) in der "Toolbar-Zeile"
des Editor-Fensters. Das m-File wird dadurch zunächst unter einem einzugebenden Namen, z. B.
O:\Mueller_Meier\Uebungen_Matlab\Gedaempfte_Schwingung.m
gespeichert. Anschließend werden die Befehle aus dem Script-File Gedaempfte_Schwingung.m
nacheinander ausgeführt. In diesem Beispiel wird die gesuchte Funktion berechnet und in einem separaten Fenster „Figure 1“ grafisch dargestellt (Abb. 11).
38
Abb. 9: Bildschirmoberfläche nach Starten des Programms Matlab.
Abb. 10: Matlab Editor Fenster mit Befehlen für das Berechnen und Zeichnen der Funktion aus Gl. (1).
39
Abb. 11: Grafische Darstellung der Funktion aus Gl. (1) im „Figure“ Fenster. Auf die kursive Darstellung
der physikalischen Größen U und t wird in diesem Beispiel verzichtet.
40
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Modul Grundpraktikum Physik – Teil I
Fehler- und Ausgleichsrechnung
Stichworte:
Messgröße, Messwert, Messergebnis, Messunsicherheit, systematische und zufällige Fehler, absolute
und relative Fehler, Häufigkeitsverteilung, Dichtefunktion, Gaußkurve, Mittelwert, Standardabweichung, Varianz, mittlerer quadratischer Fehler, Größtfehler, Fehlerfortpflanzungsgesetz, lineare
Regression.
Literatur:
/1/ BIPM 1: „Evaluation of measurement data — Guide to the expression of uncertainty in measurement” (GUM), 2008
http://www.bipm.org/utils/common/documents/jcgm/JCGM_100_2008_E.pdf
/2/ DIN 1319-3 2: „Grundlagen der Messtechnik - Teil 3: Auswertung von Messungen einer einzelnen
Messgröße, Messunsicherheit“, 1996
/3/ DIN 1319-4: „Grundlagen der Messtechnik - Teil 4: Auswertung von Messungen, Messunsicherheit“, 1999
/4/ NIST 3 Technical Note 1297: „Guidelines for Evaluating and Expressing the Uncertainty of NIST
Measurement Results”, 1994 (http://physics.nist.gov/Pubs/guidelines/TN1297/tn1297s.pdf)
/5/ TAYLOR, J. R.: „Fehleranalyse“, VCH Verlagsgesellschaft mbH, Weinheim
/6/ YOUNG, H. D.: „Statistical Treatment of Experimental Data“, McGraw-Hill, New York u.a.
1
Einleitung
In einem Hörsaal wird ein Experiment zur Bestimmung der Erdbeschleunigung g durchgeführt. Eine
Kugel wird in einem Magnethalter gehalten. Nach dem Einschalten des Magneten fällt die Kugel und
trifft auf eine Plattform. Für das Durchfallen der Strecke s benötigt sie die Zeit t. Durch Messung der
Messgrößen s und t lässt sich die Messgröße g bestimmen:
(1)
g=
2s
t2
Die Apparatur sei so gebaut, dass beim Loslassen der Kugel und beim Auftreffen auf die Plattform
jeweils ein Lichtblitz ausgelöst wird. Der Zeit t zwischen den beiden Lichtblitzen wird von den Studierenden im Hörsaal mit einer Stoppuhr gemessen. Niemand wird erwarten, dass alle die gleiche Zeit messen. Die einzelnen Messwerte werden voneinander abweichen. Das liegt zum einen an der individuellen
Reaktionsfähigkeit der Studierenden, zum anderen an Gang- oder Kalibrierunterschieden zwischen den
einzelnen Stoppuhren. Ebenso kommt es zu unterschiedlichen Messwerten, wenn mehrere Personen die
Strecke s messen, denn das Anlegen und Ablesen des Maßstabs wird individuell unterschiedlich sein.
Hinzu kommt, dass der Maßstab selbst nur eine begrenzte Kalibriergenauigkeit aufweist.
Daraus ergeben sich folgende Fragen:
1
2
3
BIPM: Bureau International des Poids et Mesures
DIN: Deutsches Institut für Normung e.V.
NIST: National Institute of Standards and Technology des United States Department of Commerce - Technology
Administration.
41
(1)
(2)
(3)
Welche Werte sollen für s und t zur Berechnung von g in Gl. (1) eingesetzt werden?
Wie berücksichtigt man die Tatsache, dass die einzelnen Messwerte für s und t voneinander
abweichen und dass die Messgeräte nur über eine begrenzte Genauigkeit verfügen?
Wie verlässlich ist der Wert für g, den man aus den Messwerten errechnet?
Die Antworten auf diese Fragen lauten:
Zu (1): Aus den einzelnen Messwerten muss nach festgelegten Regeln jeweils ein Messergebnis für s und
t ausgerechnet werden. Die Messergebnisse für s und t werden in Gl. (1) eingesetzt und liefern ein
Messergebnis für g.
Zu (2): Zu den Messergebnissen für s und t müssen nach festgelegten Regeln Messunsicherheiten
ausgerechnet werden. Diese Messunsicherheiten liefern ein statistisches Maß für die Abweichungen der einzelnen Messwerte voneinander. Sie sind so bemessen, dass eine weitere Messung von
s oder t mit einer definierten Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis liefert, das jeweils innerhalb des
Intervalls Messergebnis ± Messunsicherheit liegt.
Zu (3): Aus den Messergebnissen und Messunsicherheiten für s und t muss nach festgelegten Regeln eine
Messunsicherheit für g ausgerechnet werden. Eine weitere Messung von g nach dem gleichen
Messverfahren wird dann mit einer definierten Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis liefern, das
innerhalb des Intervalls Messergebnis ± Messunsicherheit liegt. Beide Größen zusammen bilden
schließlich das vollständige Messergebnis für die Messung der Größe g.
Die oben erwähnten Regeln haben internationale Gültigkeit. Sie sind für alle denkbaren Anwendungen in
etlichen Normen und Anleitungen sehr ausführlich beschrieben (siehe z.B. /1/ - /4/). Darüber hinaus gibt
es eine Reihe von umfangreichen Büchern, die sich diesem Thema widmen (z.B. /5/und /6/). Es würde
den Rahmen dieser Anleitung sprengen, wenn diese Regeln hier im Detail wieder gegeben würden. Wir
werden uns deshalb darauf beschränken, einige Grundlagen darzustellen und das Handwerkszeug bereitzustellen, das im Praktikum für die Berechnung von Messergebnissen und Messunsicherheiten benötigt
wird.
2
Direkte und indirekte Messung
Im betrachteten Beispiel lassen sich die Messgrößen s und t direkt messen, nämlich mit einem Maßstab
und einer Stoppuhr. Man spricht in einem solchen Fall von einem direkten Messverfahren. Die Messgröße g wird in dem Beispiel indirekt gemessen, nämlich über den Umweg der Messung von s und t, aus
deren Messergebnissen ein Messergebnis für g gewonnen wird. In einem solchen Fall spricht man von
einem indirekten Messverfahren.
3
Hinweis zur Nomenklatur
Nach /2/ soll im Kontext der Messung einer Messgröße von Messergebnis und Messunsicherheit gesprochen werden. Im physikalischen Alltag hat sich dies jedoch bislang wenig durchgesetzt. Vielmehr wird
statt des Begriffs Messunsicherheit vielfach der Begriff Fehler verwendet. Deshalb ist auch eher von
Fehlerrechnung die Rede, als von Berechnung von Messunsicherheiten. Oder von Fehlerbalken statt von
Balken der Messunsicherheit. Wir werden in diesem Text beide Begriffe, Fehler und Messunsicherheit,
verwenden.
42
4
Mögliche Fehlerarten
4.1
Systematische Fehler
Systematische Fehler entstehen bei einer Messung z.B. durch unvollkommene Messgeräte, durch unvermeidbare Umwelteinflüsse auf die Messung oder auch durch Wahl eines ungeeigneten Messverfahrens.
Wir wollen dies an einigen Beispielen aus dem Praktikum verdeutlichen:
(1) Unvollkommene Messgeräte: Hierzu zählen z.B. ein Oszilloskop mit dejustierter Zeitablenkeinheit,
ein Vielfachmessgerät mit Nullpunktfehler, eine dejustierte elektronische Waage, usw. Das Unangenehme an diesen Mängeln ist, dass man sie zum Teil während der Messung nicht erkennt. Im
Gegenteil: der abgelesene Messwert (z.B. 27,5 µs, 147 Ω, 5,389 g) täuscht die Genauigkeit vor, die
man von Geräten dieses Typs erwartet. Es besteht also eigentlich kein Grund, das Ergebnis zu
bezweifeln.
(2) Einfluss der Umwelt: Ein Beispiel dafür ist die Temperaturabhängigkeit von Messgeräten. In der
Regel sind diese Abhängigkeiten quantitativ bekannt. Man kann sie dann den Gerätehandbüchern
entnehmen und bei der Auswertung der Messung berücksichtigen.
(3) Ungeeignete Messverfahren: Wenn man die Masse eines Magneten mit einer elektronischen Waage
bestimmen will, merkt man schnell, dass das Messergebnis offensichtlich unsinnig ist. Da das Magnetfeld auf die Mechanik der Waage einwirkt, ist das Messverfahren ungeeignet; man muss eine
andere Waage benutzen. Erheblich schwieriger ist es beispielsweise zu beurteilen, ob der innerhalb
einer elektrischen Schaltung gemessene Strom in unzulässiger Weise durch die Beschaltung und den
Innenwiderstand des Messgeräts beeinflusst wird. Hier sieht man dem Messergebnis nicht auf den
ersten Blick an, ob es „richtig“ oder „falsch“ ist. Man kann sich also i.Allg. nicht darauf verlassen,
dass man schon merkt, wenn man das falsche Messverfahren einsetzt. Vielmehr muss bereits bei der
Planung des Experiments gründlich überlegt werden, welches Messverfahren geeignet ist.
Systematische Fehler lassen sich niemals völlig ausschließen. Sie beeinflussen das Messergebnis in einer
ganz bestimmten Art und Weise - hinter den Fehlern steckt „System“. Das bedeutet insbesondere, dass
man den Einfluss dieser Fehler auf das Messergebnis auch durch häufige Wiederholung der Messung
nicht verringern kann. Ist jedoch das Ausmaß des systematischen Fehlers bekannt (z.B. der Nullpunktfehler eines Ohmmeters, der Temperaturgang eines Verstärkers oder der Kalibrierfehler eines Drucksensors), kann man ihn bei der Angabe des Messergebnisses berücksichtigen.
4.2
Zufällige Fehler
Zufällige Fehler beeinflussen das Ergebnis einer Messung auf eine unvorhersehbare und unkontrollierbare, eben auf rein zufällige Art und Weise. Ursachen für zufällige Fehler, wie sie im Praktikum auftreten, können z.B. sein:
(1) Die Zufälligkeit, mit der ein Naturprozess abläuft, wie z.B. der radioaktive Zerfall oder die Emission
von Photonen aus einer Lichtquelle. Sie führt z.B. dazu, dass die während einer Messzeit t gemessene
Anzahl von Ereignissen zufällig schwankt.
(2) Die Stoppuhr, die je nach Reaktionszeit mal zu früh, mal zu spät gedrückt wird.
(3) Der Maßstab oder der Messschieber, an dem mal ein zu großer, mal ein zu kleiner Wert abgelesen
wird.
(4) Das elektronische Rauschen eines Messverstärkers, das zu Schwankungen der Ausgangsspannung
führt.
Zufällige Fehler führen immer dazu, dass das Messergebnis mal in der einen, mal in der anderen Richtung
vom „wahren“ Wert abweicht (zum Begriff des „wahren“ Wertes siehe Kap. 5). Wird die Messung mehrmals wiederholt, halten sich die Abweichungen in beiden Richtungen die Waage. Wäre das nicht der Fall,
so wären die beobachteten Fehler nicht rein zufällig.
43
Die Konsequenzen aus dieser Aussage lassen sich so zusammenfassen: liegen keine Erfahrungen mit
einem bestimmten Messverfahren vor, so sagt ein einziger Messwert im Prinzip gar nichts aus. Der
Messwert kann zufällig mehr oder weniger stark nach oben oder unten vom „wahren“ Wert abweichen.
Erst durch häufige Wiederholung der Messung oder aufgrund zurückliegender Erfahrungen mit dem
Messverfahren bekommt man ein Gefühl dafür, um welchen Wert herum einzelne Messwerte schwanken
und man kann beurteilen, welche Aussagekraft in einem solchen Messwert steckt. In den nächsten Kapiteln werden diese Zusammenhänge quantitativ mit Hilfe von Formeln beschrieben.
5
Die Häufigkeitsverteilung von Messwerten
Wir wollen annehmen, dass eine Messgröße, etwa die Zeit t, die ein Körper braucht, um von A nach B zu
gelangen, N-mal gemessen wurde 4. Es liegen also N Messwerte vor, die nach den Gesetzen des Zufalls
voneinander abweichen. Die Frage ist: welche dieser Messwerte kommen dem „wahren“ Wert am nächsten?
Um diese Frage zu beantworten, muss man untersuchen, ob bestimmte Messwerte deutlich häufiger vorkommen als andere, und wenn ja welche. Denn man darf mit Recht erwarten, dass es diese häufigsten,
d.h. wahrscheinlichsten Messwerte sind, die dem „wahren“ Wert am nächsten kommen. Man teilt deshalb
die N Messwerte, die im Bereich zwischen tmin und tmax liegen, in j Klassen mit der Klassenbreite ∆t ein
und ordnet der Klasse i (i = 1, 2,..., j) den Messwertbereich
(2)
tmin + ( i − 1) ∆t ≤ t < tmin + i∆t
zu 5. Jeder Klasse i wird eine Zeit ti zugeordnet, die der Mitte des jeweiligen Zeitintervalls entspricht. Nun
wird für jede Klasse i die Zahl der Messwerte pro ∆t, n(ti), die in dieser Klasse liegen, in Form eines Balkens über der zugehörigen Zeit ti aufgetragen. Man erhält auf diese Weise ein Balkendiagramm, dem man
entnehmen kann, wie häufig die einzelnen Messwerte vorgekommen sind (Abb. 1).
Abb. 1: Häufigkeitskurve von Messwerten. Die Breite eines Zeitintervalls
(Balkens) ist ∆t.
4
5
Abb. 2: Häufigkeitskurve (Dichtefunktion) der
Gauß- oder Normalverteilung (Gaußkurve).
Die folgenden Überlegungen gelten gleichermaßen für jede physikalische Messgröße. Die Größe t (Zeit) dient
hier nur als Beispiel.
Dazu ein Beispiel: Die Messwerte mögen im Bereich zwischen tmin = 20,4 s und tmax = 22,3 s liegen, die
Ablesegenauigkeit der Uhr betrage 0,1 s. Die Messwerte werden daher in insgesamt
j = (22,3 - 20,4)/0,1 = 19 Klassen eingeteilt, die jeweils ein Zeitintervall von ∆t = 0,1 s Breite repräsentieren.
44
Die Einhüllende dieses Diagramms, n(ti), heißt Häufigkeitskurve der Messwerte. Entsprechend ihrer
Definition ist der Flächeninhalt unter der Häufigkeitskurve immer gleich der Gesamtzahl der Messwerte
N.
Frage 1:
- Welche Einheit hat die Größe n(ti) im gewählten Beispiel? Wie lautet die (sehr einfache!) Beziehung
zwischen der Messwerthäufigkeit pro ∆t, n(ti), und der Zahl der Messwerte in einer Klasse, m(ti)?
- Wie lautet die Gleichung zur Berechnung von N aus der Häufigkeitskurve n(ti)?
Die Erfahrung lehrt, und die auf CARL FRIEDRICH GAUß (Abb. 3) zurückgehende Theorie kann das
begründen, dass für N → ∞ und ∆t → 0 (und damit ti → t) die Häufigkeitskurve n(t) für Messwerte, die
unabhängig voneinander gewonnen wurden und die mit zufälligen Fehlern behaftet sind, eine ganz charakteristische Form hat: Die Form einer Gaußschen Glockenkurve oder kurz Gaußkurve (Abb. 2). Man
spricht dann auch davon, dass die Messwerte gaußverteilt oder normalverteilt seien.
Abb. 3: CARL FRIEDRICH GAUß (1777 - 1855) 6
Der Flächeninhalt unter der Gaußkurve ist wiederum gleich der Gesamtzahl der Messwerte N. Es ist
jedoch üblich, ihn auf den Wert 1 zu normieren. Wie weiter unten noch erläutert wird, bringt man damit
zum Ausdruck, dass die Wahrscheinlichkeit, einen Messwert im gesamten Wertebereich von -∞ bis +∞
zu finden, gleich 1 ist 7.
Der Verlauf der auf den Flächeninhalt 1 normierten Gaußkurve ist gegeben durch:
(3)
n (t ) =
1
e
σ 2π
−
( t − t )2
2σ 2
∞
mit
∫
n(t )dt = 1
−∞
wobei t der Mittelwert und σ die Standardabweichung der Gaußkurve ist. Das Quadrat der Standardabweichung, σ 2, heißt Varianz. An den Stellen t = t ± σ hat die Gaußkurve ihre Wendepunkte. Die Größen t und σ haben große praktische Bedeutung:
6
7
Bildquelle: GELLERT, W. et al. [Eds.]: „Kleine Enzyklopädie Mathematik“, VEB Bibliographisches Institut,
Leipzig, 1969
Im betrachteten Beispiel ist die Zeit t die Messgröße, deren realer Wertebereich nur im Intervall 0 ≤ t ≤ ∞ liegen
kann. Formal gesehen erscheint es dann falsch oder mindestens unsinnig, den Wertebereich bis nach - ∞
auszudehnen. Jedoch ist in der Praxis der Anteil des Integrals aus Gl. (3) im Bereich - ∞ ≤ t < 0 so klein (≈ 0),
dass er vernachlässigt werden kann. Deshalb werden aus Gründen der mathematischen Vereinfachung die
Grenzen des Wertebereiches auf ± ∞ festgelegt.
45
- Der Mittelwert t ist der Wert, bei dem n(t) ein Maximum hat. Dieser Wert würde also bei einer
Messreihe mit unendlich vielen Einzelmessungen am häufigsten vorkommen. Er stellt somit das wahrscheinlichste Ergebnis der Messung dar. Mit anderen Worten: eine Messreihe liefert nie einen wahren,
sondern immer nur einen wahrscheinlichsten Wert.
- Die Standardabweichung σ ist ein Maß für die Streuung der Messwerte um den Mittelwert t . Je größer die Streuung, je größer also σ, desto breiter wird die Häufigkeitskurve (bei gleich bleibendem Flächeninhalt), umso weniger deutlich hebt sich also ein Messwert von den übrigen ab.
Frage 2:
- Berechnen und zeichnen Sie mit Hilfe von Matlab n(t) gem. Gl. (3) im Zeitintervall
121,5 s ≤ t ≤ 123,5 s für t = 122,5 s sowie a) σ = 0,1 s und b) σ = 0,2 s. Stellen Sie beide Kurven in
einem Diagramm dar (Matlab-Befehl hold on). Gl. (3) lautet in Matlab-Notation:
n = (1/(sigma*sqrt(2*pi)))*exp(- ((t - t_quer).^2)/(2*sigma^2))
Wir wollen nun so tun, als ob wir unser Experiment so durchgeführt hätten, dass die Bedingungen N → ∞
und ∆t → 0 annähernd erfüllt waren, dass also die Häufigkeitskurve für die Messwerte näherungsweise
durch eine Gaußkurve gem. Gl. (3) gegeben ist. Dann kann man durch Integration von n(t) ausrechnen
(man muss also nicht zählen!), wie viele Messwerte z.B. in dem Zeitintervall [ t − σ , t + σ ] , also im
Bereich t ± σ liegen:
Wir wissen, dass alle N Messwerte im Zeitintervall [-∞, +∞] liegen müssen. Aufgrund der Normierung
des Flächeninhalts unter der Gaußkurve auf den Wert 1 (s. Gl. (3)) bedeutet das:
∞
(4)
∫
n(t )dt = 1  N  100 % aller Messwerte,
−∞
Für das gesuchte Intervall [ t - σ, t + σ] ergibt sich:
t +σ
t +σ
−
1
=
n(t )dt ∫
e
(5)
∫
t −σ
t − σ σ 2π
( t − t )2
2σ 2
dt ≈ 0, 683  0, 683 N  68,3% aller Messwerte.
 Wer dies nachrechnen möchte, sei gewarnt: das Integral über die Gaußkurve gem. Gl. (3) lässt sich
nicht analytisch, sondern nur numerisch lösen! Es ist in Tabelle 2 (Kap. 11.5) angegeben.
Ist also die Häufigkeitskurve der Messwerte durch eine Gaußkurve gegeben (wovon wir in der Praxis fast
immer ausgehen werden), so liegen immer rund 68,3 % aller Messwerte im Bereich t ± σ (Abb. 4). Für
den Bereich t ± 2σ erhält man immer einen Wert von rund 95,5 % (Abb. 4), für den Bereich t ± 3σ
immer einen Wert von rund 99,7 %. Im Laborjargon heißt es dann häufig: 68 % aller Messwerte liegen im
1σ-Bereich um den Mittelwert, 95 % im 2σ-Bereich und 99 % im 3σ-Bereich.
In der Praxis lassen sich die Bedingungen N → ∞ und ∆t → 0 natürlich nicht einhalten. Dadurch wird der
Bereich größer, in dem z.B. 68,3 % aller Messwerte liegen. t ± σ ist in diesem Fall durch t ± pσ zu
ersetzen, wobei der Wert der Größe p ≥ 1 von N abhängt und sich mit Hilfe der Statistik berechnen lässt
(z.B. p = 1,32 für N = 3, p = 1,15 für N = 5, p = 1,06 für N = 10 und p → 1 für N → ∞). Für die Auswertung von Messungen im Praktikum werden wir das jedoch nicht berücksichtigen.
46
Abb. 4: Flächenanteile unter einer Gaußkurve mit der auf 1 normierten Gesamtfläche. Oben: Flächenanteil im Bereich t ± σ, unten: Flächenanteil im Bereich t ± 2σ.
6
Mittelwert und Standardabweichung
Im vorigen Kapitel wurde erläutert, dass man unter den dort genannten Annahmen über das Ergebnis
einer einzelnen Messung (einen Messwert) aus einer Messreihe folgende Aussage machen kann:
 Das Ergebnis einer Einzelmessung liegt mit ca. 68 % Wahrscheinlichkeit im Bereich t ± σ.
Für die Praxis stellt sich nun die Frage, wie man t und σ ermittelt. Da man im realen Experiment weder
die Bedingung N → ∞ noch die Bedingung ∆t → 0 einhalten kann, muss man herausfinden, wie man aus
nur endlich vielen Messwerten (einer so genannten Stichprobe) die besten Schätzwerte, kurz: die Bestwerte, für t und σ ausrechnet. Wir verzichten auf die theoretische Herleitung zur Berechnung der Bestwerte und geben im Folgenden nur die Ergebnisse an.
6.1
Mittelwert
Wird eine Messgröße, etwa die Zeit t, N-mal gemessen, so ist der Bestwert für den Mittelwert t , der sich
im Falle N → ∞ ergeben würde, das arithmetische Mittel der Messwerte ti:
(6)
6.2
t =
1
N
N
∑ ti
i= 1
Standardabweichung der Einzelmessung
Als Bestwert für die Standardabweichung σ der Einzelmessung ergibt sich:
(7)
=
σ
 1 N

( ti − t
 N − 1 i∑
1
=


)2 

47
Dies lässt sich plausibel machen: Die Standardabweichung der Einzelmessung stellt ein Maß für die
Streuung der Messwerte ti um den Mittelwert t dar. Die Abweichung 8 eines einzelnen Messwertes ti von
t ist durch die Differenz ti − t gegeben (siehe Abb. 5). Würde man das arithmetische Mittel dieser
Differenzen als Maß für die Streuung ansetzen, so würde sich hierfür als direkte Folge aus der Definition
des Mittelwertes immer ein Wert Null ergeben, da sich positive und negative Differenzen gegenseitig
aufheben. Die Information über die vorhandene Streuung der Messwerte ginge also verloren. Um das zu
verhindern, werden die Differenzen zunächst quadriert:
( ti − t )
2
Dadurch werden alle Größen positiv. Danach wird das arithmetische Mittel dieser Quadrate gebildet und
schließlich daraus die Wurzel gezogen.
Die Tatsache, dass bei Bildung des arithmetischen Mittels nicht durch N, sondern durch N - 1 geteilt wird,
lässt sich aus einer detaillierten statistischen Analyse begründen, die insbesondere auf die Unterschiede
zwischen Stichprobe und Grundgesamtheit eingeht. Wir wollen dies hier jedoch nicht weiter vertiefen,
zumal für großes N die Abweichung zwischen 1/N und 1/(N - 1) nur winzig ist.
14
t5 - t > 0
12
ti / s
10
8
t
t15 - t < 0
6
4
2
0
0
5
10
15
20
25
30
35
i
Abb. 5: Zur Veranschaulichung der Standardabweichung. Aufgetragen sind 32 Messwerte ti der Zeit t
über der Nummer der Messung i. t ist der Mittelwert der ti. Für i = 5 und i = 15 sind die
Abweichungen zwischen ti und t exemplarisch eingezeichnet.
Die Standardabweichung σ der Einzelmessung wird auch als Fehler (Unsicherheit) der Einzelmessung
oder gem. Gl. (7) als mittlerer quadratischer Fehler (engl. rms error, rms = root-mean-square) bezeichnet.
6.3
Standardabweichung des Mittelwertes
In der Praxis ist die Standardabweichung σ der Einzelmessung oftmals nicht die wesentliche Größe. Es
interessiert nämlich nicht so sehr, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein einzelner Messwert im Bereich
t ± σ liegt. Viel wichtiger ist die Frage, wie verlässlich bzw. reproduzierbar der Mittelwert t ist, der
mit einer Messreihe gefunden wurde und der das Messergebnis einer Messung darstellt. Anders ausgedrückt: mit welcher Wahrscheinlichkeit würde das Messergebnis einer weiteren Messreihe, also ein
zweiter Mittelwert, in einem vorgegebenen Intervall um den ersten herum liegen? Um diese Frage beant8
nach /2/ heißt diese Größe Messabweichung.
48
worten zu können, benötigt man analog zur Standardabweichung der Einzelmessung eine Angabe über
die Standardabweichung des Mittelwertes σ t .
Nehmen wir an, wir haben eine Messreihe mit N Messwerten insgesamt M-mal wiederholt, so dass
anschließend M Mittelwerte t j vorliegen (j = 1, 2,..., M). Man kann nun zeigen, dass für M → ∞ die
Häufigkeitskurve dieser Mittelwerte der Messreihen wieder eine Gaußkurve ist mit der Standardabweichung σ t .
In der Praxis wird man die Messreihe nicht M-mal wiederholen wollen, um die Standardabweichung des
Mittelwertes, σ t , zu ermitteln. Vielmehr ist es das Ziel, aus einer Messreihe mit N Messwerten den Bestwert für σ t zu ermitteln. Dieser ergibt sich zu:
(8)
σt
=
σ
=
N
N

1

( ti − t
 N ( N − 1) i∑
=
1


)2 

Damit kann man über den Mittelwert t dieser einen Messreihe, der das Messergebnis darstellt, folgende
Wahrscheinlichkeitsaussage machen:
 Das Messergebnis einer weiteren Messreihe wird mit ca. 68 % Wahrscheinlichkeit im Bereich
t ± σ t liegen.
Ferner gilt:
 Die Standardabweichung σ t des Mittelwertes ist die in Kap. 1 genannte Messunsicherheit, die
zusammen mit dem Messergebnis (dem Mittelwert) als vollständiges Messergebnis einer Messreihe
zur Bestimmung einer Messgröße angegeben wird. Sie wird häufig auch als Fehler des Mittelwertes
bezeichnet.
Man sieht aus Gl. (7), dass mit zunehmender Zahl N der Messwerte die Standardabweichung σ der
Einzelmessung nahezu gleich bleibt. Das erkennt man auch in Abb. 5. Durch Hinzufügen weiterer Messwerte in das Diagramm ändert sich nichts an der Streuung der Messwerte um den Mittelwert.
Dagegen lässt sich aus Gl. (8) ablesen, dass die Standardabweichung σ t des Mittelwertes, also die
Messunsicherheit, mit zunehmendem N immer kleiner wird: Die Messunsicherheit nimmt mit 1/ N ab.
Im Prinzip könnte man sie also beliebig klein machen, wenn nur oft genug gemessen wird. In der Praxis
wird man jedoch nur so oft messen, bis die Messunsicherheit einer vorher festgelegten Genauigkeitsanforderung genügt. Dabei muss jedoch immer N ≥ 4 eingehalten werden, da andernfalls keine Standardabweichung nach Gl. (7) angegeben werden kann. Dies folgt aus statistischen Überlegungen, auf die hier
nicht weiter eingegangen werden kann.
Zusammenfassend lässt sich festhalten:
 Das Ergebnis einer Messreihe wird immer in der Form t ± σ t angegeben.
 Die Messunsicherheit σ t (der Fehler des Mittelwertes) nimmt mit zunehmender Zahl N der Messwerte um den Faktor 1 / N ab.
 Solange keine anderen Angaben gemacht werden, wird ein Messergebnis der Art t = (100,6 ± 1,2) s
immer wie folgt interpretiert: Messergebnis (Mittelwert) 100,6 s, Messunsicherheit (Standardabweichung des Mittelwertes) 1,2 s.
49
6.4
Absoluter und relativer Fehler
Die Größe σ t stellt den absoluten Fehler des Messergebnisses dar, die Größe σ t / t den relativen Fehler, der in der Regel in Prozent angegeben wird. Im Praktikum werden wir uns überwiegend auf die
Angabe absoluter Fehler beschränken.
7
Größtfehler der Einzelmessung
Oftmals kommt es vor, im Praktikum sehr häufig, dass der Wert einer Messgröße a nicht mit Hilfe einer
Messreihe, sondern nur durch eine Einzelmessung bestimmt wird, wie z.B. bei einer Längenmessung. In
diesem Fall wird im Praktikum statt des Mittelwertes das Ergebnis der Einzelmessung und statt der Standardabweichung des Mittelwertes der Größtfehler ∆a angegeben. Dies ist der größtmögliche Fehler, der
bei der Einzelmessung der Größe insgesamt auftreten kann. Er muss nach vernünftigen Überlegungen
abgeschätzt werden. Wird beispielsweise die Länge einer Strecke mit einem Maßstab gemessen, so wird
man bei sorgfältiger Messung die Ablesegenauigkeit des Maßstabs als Größtfehler annehmen. Sie beträgt
z.B. bei einem Metallmaßband 0,5 mm, bei einem Messschieber 0,1 mm oder 0,05 mm und bei einer
Bügelmessschraube 0,01 mm.
8
Genauigkeitsangaben
Die Genauigkeit, mit der ein Messergebnis für die Messgröße a angegeben werden kann, d.h. die Anzahl
der signifikanten Stellen, ist durch die Messunsicherheit limitiert, also durch die Standardabweichung σ a
des Mittelwertes bzw. durch den Größtfehler ∆a einer Einzelmessung.
σ a und ∆a werden im Grundpraktikum auf maximal zwei signifikante Stellen gerundet! 9
Der Mittelwert bzw. der Einzelmesswert ist dann so zu runden, dass seine letzte signifikante Stelle die
gleiche Größenordnung hat wie die letzte signifikante Stelle von σ a bzw. von ∆a.
Dazu Beispiele: Eine durch Rechenoperationen oder die Zahl der Stellen einer elektronischen Uhr vorgetäuschte Genauigkeit der Art t = 90,4671 s ist schlichtweg falsch, wenn der Größtfehler der Zeitmessung
z.B. 1,1 s beträgt. In diesem Fall müsste es (gerundet) richtig heißen: t = (90,5 ± 1,1) s. Ebenso falsch ist
eine Angabe der Art R = (83,62 ± 2,624) Ω; hier müsste es wegen der Beschränkung auf 2 signifikante
Stellen für die Messunsicherheit heißen R = (83,6 ± 2,6) Ω.
Die Signifikanz einer Stelle ist unabhängig von ihrer Größenordnung (Stellung in Bezug auf den Dezimalpunkt). Folgende Angaben enthalten demnach jeweils zwei signifikante Stellen:
18
1,8
0,18
0,018
0,0018
usw.
Das erkennt man besonders deutlich, wenn man zur empfohlenen Darstellung mit Zehnerpotenzen übergeht, also für die genannten Zahlen schreibt:
1,8×101
1,8×100
1,8×10-1
1,8×10-2
1,8×10-3.
Beim Runden stellt sich die Frage, wie mit der Ziffer 5 umzugehen ist. Nehmen wir als Beispiel die Zahl
4,135, die auf zwei Stellen hinter dem Komma gerundet werden soll. Möglich wäre die Rundung auf 4,13
oder auf 4,14. Es gilt die Regel so zu runden, dass die letzte Ziffer der gerundeten Zahl gerade ist. Im
Beispiel würde also auf den Wert 4,14 aufgerundet. Dagegen würde die Zahl 4,125 auf den Wert 4,12
9
Dies bedeutet, dass die Messunsicherheit mit einer Genauigkeit von ca. 1 % angegeben wird. Eine bessere
Genauigkeit ist mit den Geräten im Praktikum nicht zu erreichen!
50
abgerundet. Hinter dieser Regel steckt die Überlegung, dass bei einer Division durch 2 gerundete und
ungerundete Zahl den gleichen gerundeten Zahlenwert ergeben. Für die genannten Beispielen gilt:
9
4,135 : 2 = 2,0675 ≈ 2,07
und ebenso
4,14 : 2 = 2,07
4,125 : 2 = 2,0625 ≈ 2,06
und ebenso
4,12 : 2 = 2,06
Fehlerfortpflanzung, zusammengesetzte Messgrößen
Es kommt häufig vor, dass bei einem Experiment nicht die gemessene Größe (direktes Messergebnis)
selbst interessiert, sondern eine hieraus berechnete Größe (indirektes Messergebnis, s. Kap. 2). Nehmen
wir als Beispiel noch einmal die Schwerebeschleunigung g nach Gl. (1), die von den Messgrößen s und t
abhängt:
g=
2s
t2
Weitere Beispiele sind die Dichte ρ eines Körpers, die eine Funktion der Messgrößen Masse m und
Volumen V ist:
ρ=
(9)
m
V
oder die Kapazität C eines Plattenkondensators im Vakuum, die von den Messgrößen Fläche A und
Abstand d der Platten abhängt. Mit der elektrischen Feldkonstanten ε0 gilt:
(10)
C = ε0
A
d
Für all diese Beispiele wird deutlich, dass der Fehler der gesuchten Größe aus den Fehlern der einzelnen
Messgrößen berechnet werden muss. Wie das geht, wird in den folgenden Kapiteln beschrieben.
9.1
Wahrscheinlichster Fehler einer zusammengesetzten Messgröße
Wird das Messergebnis für eine Messgröße y aus den Messergebnissen für mehrere gaußverteilte Messgrößen berechnet, für die Mittelwerte und Standardabweichungen aus Messreihen gewonnen wurden, so
wird der wahrscheinlichste Fehler für y mit dem gaußschen Fehlerfortpflanzungsgesetz berechnet, das
wir nun formulieren wollen.
Wir wollen annehmen, dass die gesuchte Größe y von den Messgrößen a, b, c, usw. abhängt:
(11)
y = f (a, b, c,...)
Die Messwerte für die Messgrößen a, b, c,... seien gaußverteilt und sollen sich gegenseitig nicht beeinflussen, d. h. im statistischen Sinne unabhängig voneinander sein. Für die Messgrößen mögen Mittelwerte
a , b , c , ... und die Standardabweichungen der Mittelwerte σ a , σ b , σ c , ... vorliegen. Dann ist der Bestwert yB 10 der gesuchten Messgröße y derjenige Wert, der sich ergibt, wenn y aus den Mittelwerten
(Bestwerten) a , b , c , ... berechnet wird:
(12)
10
y B = f ( a , b , c , ...)
Der Index B steht für Bestwert.
51
Das ist plausibel. Die Standardabweichung σ y von yB ist durch das gaußsche FehlerfortpflanzungsgeB
setz (veranschaulicht in Kap. 9.2) gegeben, das lautet:
2
(13)
σ yB =
2
2
 ∂ y 

 ∂ y 

 ∂ y 


 σ a  + 
 σ b  + 
 σ c  + ... :=
 ∂ a  B 
 ∂ b  B 
 ∂ c  B 
∆ya2 + ∆yb2 + ∆yc2 + ...
Die Ausdrücke ∂y/∂a, ∂y/∂b, usw. in Gleichung (13) sind die „partiellen Ableitungen“ von y nach den
Größen a, b, c,.... Sie geben an, wie sich y ändert, wenn man nur a, oder nur b, oder nur c usw. verändern
und die jeweils anderen Größen konstant halten würde. Mathematisch: Man leitet y jeweils nach einer der
Größen a, b, c,... ab und betrachtet die anderen Größen dabei als Konstanten. Der Index B bei den partiellen Ableitungen gibt an, dass man die Zahlenwerte der partiellen Ableitungen jeweils für die Bestwerte (Mittelwerte) a , b , c , ... der Messgrößen a, b, c, ... berechnen muss.
Als Beispiel für die Berechnung von partiellen Ableitungen nehmen wir nochmals Gl. (1) für die
Schwerebeschleunigung g, die von den Größen s und t abhängt. Die partielle Ableitung von g nach s ist:
∂g 2
=
∂s t 2
und die partielle Ableitung von g nach t:
4s
∂g
= − 3
t
∂t
9.2
Veranschaulichung des Fehlerfortpflanzungsgesetzes
Zur Veranschaulichung des Fehlerfortpflanzungsgesetzes betrachten wir als Beispiel erneut die Schwerebeschleunigung g nach Gl. (1). Wir haben es also mit einer Funktion zu tun, die von den zwei Variablen s
und t abhängt. Gl. (11) lautet dann mit y := g, a := s und b := t:
g f=
(14)=
( s, t )
2s
t2
In Abb. 6 ist g als Funktion von s und t in einem 3D-Plot dargestellt, in dem die lineare Abhängigkeit der
Schwerebeschleunigung von s und die reziprok-quadratische Abhängigkeit von t deutlich wird.
Mit Blick auf Abb. 6 betrachten wir die einzelnen Summanden in Gleichung (13) einmal näher und greifen beispielhaft den zweiten heraus: Die zu bestimmende Größe y (hier g) hängt unter anderem von der
Messgröße b (hier t) ab. Ändert sich b, so ändert sich auch y. Die partielle Ableitung ∂y/∂b gibt an, wie
groß diese Änderung ist, d.h. wie groß die Steigung der Funktion y = f(a, b, c,...) als Funktion von b ist,
wenn man die übrigen Größen a, c,... als konstant annimmt. Im betrachteten Beispiel ergibt sich:
(15)
∂y ∂g
4s
:=
= − 3
∂b ∂t
t
Da diese Steigung nicht überall gleich ist (im Beispiel ändert sie sich gem. Gl. (15) mit t-3), ist es sinnvoll,
sie an der Stelle a , b , c , ... (hier s , t ) zu berechnen, die auch für die Berechnung des Bestwertes yB
(hier gB) maßgeblich ist. Deshalb steht in Gl. (13) der Index B: (∂y/∂b)B.
52
Abb. 6: Zur Veranschaulichung des Fehlerfortpflanzungsgesetzes
Nun muss man für den herausgegriffenen Term noch wissen, wie groß die Änderung von yB ist, der durch
den Fehler σ b hervorgerufen wird. Aus den Grundlagen der Differentialrechnung ist bekannt, dass diese
Änderung durch das Differential
(16)
∂ y
∂ g 
4s
∆yb :=
− 3 t
hier: ∆gt =

 sss

 t =
b
t
 ∂ b B
 ∂ t B
gegeben ist. Auf gleiche Weise kann man die Fehler
∂ y
∂ g 
2
∆g s  =
hier:=
 sss
 s
a
s
t2
 ∂ a B
 ∂ s B
(17) =
∆ya : 
(18)
∂ y
∆yc :=

 σc
 ∂ c B
(hier ohne Belang)
usw. bestimmen, die alle zum Gesamtfehler, d.h. zur Standardabweichung σ y von yB beitragen. Es ist
B
daher einleuchtend, sie zur Berechnung von σ y aufzuaddieren. Da jedoch die einzelnen Fehler gem. Gl.
B
(16) - (18) positiv und negativ sein können, können sie sich teilweise oder sogar ganz aufheben und damit
einen zu kleinen Gesamtfehler suggerieren. Um das zu vermeiden, ist es vernünftig, die Einzelfehler
zunächst zu quadrieren (dadurch werden alle Beiträge positiv) und anschließend aus der Summe der Quadrate die Wurzel zu ziehen. Durch diese geometrische (quadratische) Addition der Einzelfehler wird der
Gesamtfehler kleiner als die Summe der Einzelfehler. Damit wird berücksichtigt, dass sich die Einzelfehler der voneinander unabhängigen Größen a, b, c usw. nicht alle gleichsinnig im Endergebnis niederschlagen, sondern sich gegenseitig wenigstens teilweise kompensieren. Man spricht deshalb vom wahrscheinlichsten Fehler.
9.3
Größtfehler einer zusammengesetzten Messgröße
Wir wollen nun den Fall betrachten, dass die Größen a, b, c usw. z. B. keine zufälligen Fehler aufweisen
oder ihre Fehler zum Teil nicht aus Messreihen gewonnen wurden. Letzteres kommt in der Praxis (auch
im Praktikum) recht häufig vor, wenn nämlich Messergebnisse für die Messgrößen a, b, c usw. mindes-
53
tens zum Teil aus Einzelmessungen gewonnen wurden, für die nur die jeweiligen Größtfehler ∆a, ∆b, ∆c
usw. vorliegen.
In einem solchen Fall wird für die zusammengesetzte Messgröße y statt der Standardabweichung nach Gl.
(13) der Größtfehler ∆yB angegeben. Er ergibt sich aus der ungünstigsten, d. h. arithmetischen (linearen)
Addition aller Einzelfehler und ist gegeben durch:
(19)
∆yB =
∂ y
∂ y
∂ y
∆a +
∆b +
∆c + ...:= ∆ya + ∆yb + ∆yc + ...
∂aB
∂bB
∂cB
Dabei sind für die Größen ∆a, ∆b, ∆c,... die Größtfehler bzw. Standardabweichungen einzusetzen.
Bis auf die Betragsstriche stellt Gl. (19) das totale Differential von yB dar.
 Wenn nicht ausdrücklich ein anderer Hinweis erfolgt, soll im Praktikum für zusammengesetzte Messgrößen immer der Größtfehler angegeben werden.
10
Ein konkretes Beispiel
Mit einem so genannten „mathematischen Pendel“ kann die Erdbeschleunigung g bestimmt werden. Das
mathematische Pendel, das sich in der Praxis nur annähernd realisieren lässt, besteht im Idealfall aus einer
punktförmigen Masse, die an einem masselosen Faden derart aufgehängt wird, dass sie ohne äußere Störeinflüsse (insbesondere Reibung) pendeln kann. Für Pendelausschläge um einen kleinen Winkel a unter
ca. 5 ° ist a ≈ sin a ≈ tan a (a im Bogenmaß!) und es gilt in guter Näherung folgender Zusammenhang
zwischen der Schwingungsdauer T des Pendels, der Fadenlänge l und der Erdbeschleunigung g:
(20)
T = 2π
l
g
bzw.
g=
4π 2l
T2
Durch Messung von l und T ist es also möglich, g zu bestimmen. Schon vor Beginn der Messung kann
man sagen, welche systematischen Fehler auftreten werden:
- Entgegen der Theorie ist die Masse nicht punktförmig und der Faden nicht masselos. Welchen Einfluss dies auf die Messung hat, lässt sich nur schwer angeben. Man muss versuchen, durch Verwendung eines sehr dünnen Fadens und einer Masse mit kleiner räumlicher Ausdehnung dem mathematischen Pendel möglichst nahe zu kommen und erwartet, dass die verbleibenden Fehler so klein gegenüber den Messunsicherheiten der Messgrößen l und T sind, dass sie vernachlässigt werden können.
- Das Pendel kann nicht völlig reibungsfrei aufgehängt werden. Man muss sich deshalb bei der Aufhängung so viel Mühe geben, dass der Fehler durch Reibung klein gegenüber den Messunsicherheiten ist.
Bei der Vorbereitung des Experiments muss man darauf achten, dass sowohl die Uhr zur Messung von T
als auch der Maßstab zur Messung von l kalibriert sind, um systematische Fehler durch unzulängliche
Messgeräte auszuschließen. Außerdem muss man die Fadenlänge l so groß wählen, dass die Messung bei
Pendelausschlägen unter ca. 5° erfolgen kann, weil Gleichung (20) nur dann in guter Näherung gilt.
Nach diesen Vorbereitungen kann die Messung beginnen. Es ist bekannt, dass man den Einfluss zufälliger
Fehler auf die Messunsicherheit minimieren kann, wenn möglichst oft gemessen wird. Gleichzeitig
erkennt man, dass eine mehrmalige Messung der Länge l gar nichts bringt. Denn wenn man den Maßstab
sorgfältig anlegt und abliest, ändert sich an dem abgelesenen Wert auch bei mehrmaliger Wiederholung
nichts. Dennoch ist natürlich auch der abgelesene Wert für l mit einem Fehler behaftet: Zum einen hat der
Maßstab selbst trotz Kalibrierung nur eine bestimmte Genauigkeit, zum anderen kann man ihn nur mit
54
einer endlichen Genauigkeit anlegen und ablesen. Das Ergebnis der Längenmessung kann man dann folgendermaßen festhalten:
(21)
l= L ± ∆L ;
z.B.
=
l
( 2,5580 ± 0, 0020 ) m
wobei L der abgelesene Wert und ∆L dessen Größtfehler ist.
Die Periodendauer T wird mit einer Stoppuhr gemessen, deren Gangungenauigkeit vernachlässigbar klein
sei. Das Starten und Stoppen der Uhr hängt von der Reaktionsfähigkeit der BenutzerIn ab und unterliegt
damit zufälligen Schwankungen, deren Einfluss auf die Messunsicherheit des Messergebnisses durch
häufige Messung minimiert werden kann. Nach insgesamt N Messungen, die die Messwerte Ti liefern,
lautet das Ergebnis der Zeitmessung:
(22)
T= T ± σ T ;
z.B.=
T
( 3, 210 ± 0,010) s
wobei T der arithmetische Mittelwert der Messwerte Ti nach Gl. (6) und damit der Bestwert für T ist und
σ T die Standardabweichung des Mittelwertes nach Gl. (8).
Der Bestwert gB für g ist also gem. Gl. (20):
(23)
gB =
4π 2 L
;
T2
gB
im Beispiel=
4π 2 × 2,5580 m
m
=
9,801 2
2
s
( 3, 210 s )
Da L nicht aus einer Messreihe ermittelt wurde, wird nicht die Standardabweichung nach Gl. (13) berechnet, sondern der Größtfehler ∆gB nach Gl. (19). Es ergibt sich:
(24)
∆=
gB
∂ g
∂ g
∆L +
σ
∂ l B
∂ TB T
Zunächst werden die Beträge der partiellen Ableitungen an den Stellen der Bestwerte B ermittelt, hier
also für die Werte L und T :
∂ g
4π 2
4π 2
=
= =
∂ l L,T
T 2 L,T
T2
4π 2
= ...
( 3, 210 s )2
(25)
∂ g
∂ T
L ,T
8π 2l
8π 2 L 8π 2 × 2,5580 m
=
− 3
=
=
=
...
T L,T
T3
( 3, 210 s )3
Gleichung (25) liefert nach Einsetzen der Zahlwerte für L und T zwei Zahlen, die gemäß Gleichung (24)
mit zwei anderen Zahlen, nämlich ∆L und σ T , multipliziert und anschließend addiert werden müssen,
um den gesuchten Wert ∆gB zu erhalten:
55
∆g B
4π 2
8π 2 L
sT
=
∆L +
T2
T3
(26)
=
4π 2
( 3, 210 s )
2
0, 0020 m +
8π 2 × 2,5580 m
( 3, 210 s )
3
0, 010 s = 0,069
m
s2
Bei der Angabe des Zahlenwertes muss die Rundung auf zwei signifikante Stellen beachtet werden.
Zusammengefasst lautet das vollständige Messergebnis:
(27)
g= g B ± ∆g B=
( 9,801 ± 0, 069 )
m
s2
Da in diesem Beispiel bereits ein Literaturwert für g vorliegt, der für die eigene geographische Lage in
geeigneten Tabellenwerken nachschlagen werden kann 11, muss dieser Wert mit dem Messergebnis verglichen werden. Liegt der Literaturwert für g im Bereich gB ± ∆gB, so beendet man das Experiment mit
der Feststellung, dass eine „gute Übereinstimmung im Rahmen der Messgenauigkeit“ erreicht wurde.
Liegt jedoch der Literaturwert außerhalb des Bereichs gB ± ∆gB, so ist die Wahrscheinlichkeit relativ groß,
dass die Messung durch einen systematischen Fehler verfälscht wurde.
Statt des absoluten Fehlers ∆gB des Messergebnisses gB kann man auch den relativen Fehler εg für gB
angeben:
(28)
εg =
∆g B
gB
ε=
g
σ
∆L
+2 T
L
T
also:
(29)
Dieser Gleichung kann man entnehmen, dass sich der relative Fehler von T , σ T / T , doppelt, der relative Fehler von L, ∆L/L, jedoch nur einfach im Ergebnis niederschlägt. Soll dies kompensiert werden, so
darf der relative Fehler von T nur halb so groß werden wie der relative Fehler von L. Das lässt sich durch
eine ausreichende Anzahl von Messungen der Periodendauer immer erreichen (s. Gl. (8)) und sollte
bereits bei der Planung des Experiments berücksichtigt werden.
11
Siehe z.B. http://www.ptb.de/cartoweb3/SISproject.php
56
11
Anhang
11.1 Lineare Regression, Ausgleichsgeraden
11.1.1 Ausgleichsgeraden der Form y = ax + b
Es kommt in der Praxis recht häufig vor, dass zwei Größen x und y linear voneinander abhängen, d.h. sie
sind über eine Geradengleichung miteinander verknüpft: y = ax + b. Ziel der Messung ist es dann oftmals, die Größen a und b zu ermitteln. Nehmen wir als Beispiel den zeitlichen Verlauf der Geschwindigkeit v bei einer gleichmäßig beschleunigten Bewegung: v(t) = at + v0 mit a: Beschleunigung, t: Zeit
und v0: Anfangsgeschwindigkeit. Wir messen v(t) (abhängige Variable) bei bestimmten Vorgabewerten
von t (unabhängige Variable), um einen Wert für die Beschleunigung a und die Anfangsgeschwindigkeit
v0 zu erhalten.
Tragen wir gem. Abb. 7 die Messwerte v(t) über t auf, so erwarten wir, dass die eingezeichneten Messpunkte auf einer Geraden liegen, deren Steigung dem gesuchten Wert für a und deren v-Achsabschnitt
dem gesuchten Wert für v0 entspricht. Wollen wir diese Gerade in das Diagramm der Messwerte einzeichnen, so stellen wir fest, dass es mehrere Steigungen und Achsabschnitte gibt, bei denen die Messwerte mehr oder weniger gut getroffen werden. Welche Parameter sind aber nun die richtigen? Diese
Frage lässt sich wieder nur im Sinne einer Wahrscheinlichkeitsaussage beantworten. Wir wollen die Antwort im Folgenden geben.
Wir kehren zurück zu unserer Funktion y = ax + b. Wie in der Praxis häufig der Fall, geben wir N Werte
der Größe x vor, zu denen wir N Messwerte der Größe y bestimmen. Die Fehler der Vorgabewerte von x
seien zu vernachlässigen, die Fehler der Messwerte von y seien zufällig verteilt. Wir behaupten, dass die
Bestwerte A und B für die Parameter a und b der Geradengleichung dann gefunden wurden, wenn die
Summe der Quadrate der vertikalen Abstände der Messwerte von der durch A und B bestimmten „Ausgleichsgeraden“ minimal ist, wenn also gilt:
N
(30)
∑  yi − ( Axi + B )
2
→ Minimum
i =1
Frage 3:
- Wie lässt sich dieser Ansatz begründen?
Abb. 7: Wo liegt die beste Ausgleichsgerade durch die roten Messwerte?
57
Mit Hilfe der Differentialrechnung lässt sich eine Lösung für die in Gl. (30) dargestellte Forderung relativ
einfach bestimmen. Man findet für A und B (Summation jeweils von 1 bis N):
(31)
A=
N ( ∑ xi yi ) − ( ∑ xi )( ∑ yi )
(32)
B=
( ∑ yi )( ∑ xi2 ) − ( ∑ xi yi )( ∑ xi )
N ( ∑ xi2 ) − ( ∑ xi )2
N ( ∑ xi2 ) − ( ∑ xi )2
Natürlich sind auch diese Bestwerte mit Fehlern behaftet, die wir nun suchen. Die fehlerbehafteten Größen in Gl. (31) und (32) sind die yi. Für die Varianz der yi ergibt sich als Bestwert (s. Gl. (7)):
=
σ y
(33)
2
1
2
( Axi + B − yi )
∑
N −2
wobei die Division durch (N - 2) anstatt durch (N - 1) darauf zurückzuführen ist, dass die Bestwerte A und
B in die Berechnung der Größe σ
2
y
einfließen. Wendet man nun die Fehlerfortpflanzung auf Gl. (31)
und (32) an und setzt für σy Gl. (33) ein, so findet man als Bestwerte für die Standardabweichungen von
A und B (D ist eine in Gl. (36) definierte Hilfsgröße):
(34)
σ A = ND
(35)
σ B = D ∑ xi2
mit
1 ∑ ( Axi + B − yi )
D=
N − 2 N (∑ xi2 ) − (∑ xi ) 2
2
(36)
Im Praktikum wird die Software Origin für diese Berechnungen eingesetzt. Sie liefert die gesuchten
Daten durch ein paar Mausklicks (→ Analyse → Anpassen → Linearer Fit). Rechnen Sie die Parameter von Ausgleichsgeraden niemals „zu Fuß“ aus, das wäre viel zu zeitaufwändig!
11.1.2 Ausgleichsgeraden der Form y = ax + b mit vorgegebenem b
In der Praxis kommt es auch vor, dass Messwerte durch eine lineare Funktion y = ax + b miteinander verknüpft sind, für die der Achsabschnitt b fest vorgegeben ist. Als Beispiel sei das OHMsche Gesetz U = RI
genannt: misst man die Spannung U als Funktion des Stromes I, so ergibt sich als Ausgleichsgerade durch
die Messwerte eine Gerade durch den Ursprung (b = 0) mit der Steigung R. Die Bedingung für die Berechnung des Bestwertes A der Steigung a der Ausgleichsgeraden lautet analog zu Gl. (30) in diesem Fall:
N
(37)
∑[
i =1
2
yi − Axi ] → Minimum
und man findet mit Hilfe der Differentialrechnung für A und mit Hilfe der Fehlerfortpflanzung für σA:
58
(38)
(39)
A=
∑x y
∑x
i
i
2
i
∑( y
σA =
i
− Axi )
2
( N − 2 ) ∑ xi2
Um entsprechende Berechnungen mit Origin durchzuführen, muss im Fenster Lineare Anpassung der
Haken im Feld Fester Schnittpunkt mit der Y-Achse gesetzt und der Zahlenwert für b eingetragen
werden.
11.1.3 Ausgleichsgeraden der Form y = ax + b mit vorgegebenem a
Auch der umgekehrte Fall, in dem die Steigung a der Ausgleichsgeraden fest vorgegeben ist und nur der
Achsabschnitt b der Ausgleichsgeraden gesucht wird, kommt gelegentlich vor. Die Bedingung für die
Berechnung des Bestwertes B von b lautet wieder analog zu Gl. (30):
N
(40)
∑  y − ( ax
i =1
i
i
2
+ B )  → Minimum
wobei diesmal nur B ein freier Parameter für die Bestimmung des Minimums ist. Für B und σB ergibt sich
in diesem Fall:
(41)
B=
∑y
(42)
=
σB
i
− a ∑ xi
N
1
( axi + B − yi )2
∑
N ( N − 2)
Um entsprechende Berechnungen mit Origin durchzuführen, muss im Fenster Lineare Anpassung der
Haken im Feld Feste Steigung gesetzt und der Zahlenwert für a eingetragen werden.
11.2 Linearisierungen
Mit Hilfe recht elementarer mathematischer Umformungen lassen sich oftmals nichtlineare Zusammenhänge von Messgrößen linearisieren, so dass es möglich wird, auch in solchen Fällen die lineare Regression zur Bestimmung von Bestwerten für gesuchte Größen anzuwenden. So wird z.B. aus einem PotenzZusammenhang der Form:
(43)
y = bx a
durch einfaches Logarithmieren der lineare Zusammenhang (Geradengleichung):
(44)
log
log
also
b + a log
y =
x

y
b
y =
b + ax
x
Bei solchen logarithmierten Zusammenhängen muss eines beachtet werden: der Logarithmus einer physikalischen Größe y, die durch das Produkt aus Zahlenwert mal Einheit gegeben ist, lässt sich nicht direkt
bilden, da der Logarithmus einer Einheit keinen Sinn macht. Deshalb müssen solche Größen per Division
durch ihre Einheit zunächst dimensionslos gemacht werden, ehe Umrechnungen der Art Gl. (43) nach Gl.
59
(44) erfolgen dürfen. Dazu ein Beispiel: aus dem ohmschen Widerstand R wird r = R/Ω, aus der Spannung U wird u = U/V, aus der Stromstärke I wird i = I/A und damit aus dem ohmschen Gesetz R = U/I die
modifizierte Form r = u/i, das in logarithmierter Form lautet: log r = log u – log i.
Tragen wir gem. Gl. (44) y über x doppelt-logarithmisch auf (also log y über log x), so erhalten wir als
beste Ausgleichskurve durch die Messwerte eine Gerade mit dem Achsabschnitt log b und der Steigung a.
Die Bestwerte für a und log b dieser Geraden finden wir mit Hilfe der linearen Regression, die wir in
diesem Fall auf Gl. (44) anwenden müssen.
Logarithmieren macht auch aus einem exponentiellen Zusammenhang der Form:
(45)
y = be ax
einen linearen Zusammenhang:
(46)
ln y =
ln b + ax ln e =
ln b + ax
Tragen wir in diesem Fall y über x halb-logarithmisch auf, so erhalten wir auch hier als beste Ausgleichskurve eine Gerade, für deren Achsabschnitt ln b und Steigung a wir mit Hilfe der jetzt auf Gl. (46) angewandten linearen Regression die Bestwerte finden.
Bei Verwendung von Logarithmenpapieren ist zu beachten, dass diese immer für den dekadischen Logarithmus (log, Basis 10) ausgelegt sind. In Gl. (46) haben wir es aber mit dem natürlichen Logarithmus (ln,
Basis e) zu tun. Werden daher Größen auf grafischem Wege einem Diagramm auf Logarithmenpapier
entnommen oder sollen berechnete Größen dort eingetragen werden, müssen sie geeignet umgerechnet
werden (Erinnerung: log x = ln x/ln 10; ln x = log x/log e).
Im Praktikum wird zur Berechnung der Parameter von Ausgleichgeraden in logarithmierten Diagrammen
die Software Origin eingesetzt. Dazu muss im Fenster Lineare Anpassung der Haken im Feld
Scheinbarer Fit 12 gesetzt werden.
Frage 4:
- Das exponentielle Schwächungsgesetz=
I ( x ) I 0 exp ( − µ x ) beschreibt die Schwächung der Intensität
I einer Strahlung beim Durchgang durch eine Materieschicht der Dicke x. I0 ist die Anfangsintensität
der Strahlung an der Stelle x = 0 und µ ein materialabhängiger Abschwächungskoeffizient ([µ] = 1/m).
Skizzieren Sie I(x) in linearer und halblogarithmischer Darstellung (Abszisse x jeweils linear). Wie
lässt sich aus dem halb-logarithmischen Diagramm der Abschwächungskoeffizient µ gewinnen?
11.3 Korrelation
Gelegentlich, wenngleich im Grundpraktikum eher selten, muss untersucht werden, ob ein vermuteter
linearer Zusammenhang zwischen zwei Größen x und y tatsächlich existiert, ob die beiden Größen also
miteinander korreliert sind. Nicht immer sieht man es dem Diagramm der Messwerte an, ob die eingetragenen Messwerte „gut“ auf einer Geraden liegen oder nicht. In jedem Fall stellt sich die Frage: wie „gut“
ist „gut genug“, um die Hypothese, x und y seien miteinander korreliert, nicht verwerfen zu müssen? Die
quantitative Antwort auf diese Frage liefert die Berechnung des Korrelationskoeffizienten r. Er ist gegeben durch:
12
Der Fit heißt scheinbar, weil die Daten im Origin-Arbeitsblatt weiterhin in ihrer ursprünglichen, linearen
Form vorliegen. Nur im Diagramm, das dem Fit zu Grunde gelegt wird, erscheinen die Daten logarithmiert,
wenn für die Skalierung der entsprechenden Achsen als Art „log10“, „log2“ oder „ln“ gewählt wurde.
60
(47)
r=
∑ ( xi − x )( yi − y )
∑ ( xi − x )2 ∑ ( yi − y )2
wobei x und y die arithmetischen Mittelwerte der Messwerte von x und y sind. Der Korrelationskoeffizient kann nur Werte zwischen -1 und +1 annehmen. Für die Beurteilung der Frage, ob zwei Größen miteinander korreliert sind, ist der Betrag von r maßgebend. Für |r| = 1 sind die Größen perfekt miteinander
korreliert, für |r| = 0 sind sie unkorreliert. Für alle Werte dazwischen lassen sich Wahrscheinlichkeitsaussagen machen, die zusätzlich von der Zahl N der durchgeführten Messungen abhängen. Für N = 10 und
|r| ≥ 0,8 ist beispielsweise die Wahrscheinlichkeit P, dass die Größen unkorreliert sind, P = 0,5 %. Aus
Tabelle 1 (Kap. 11.5) können für weitere Kombinationen von N und |r| die zugehörigen Wahrscheinlichkeiten abgelesen werden.
11.4 Fehler gewichteter Mittelwerte
Eine Messgröße h werde in M Messungen (Nr. i = 1,...,M) unter jeweils veränderten Bedingungen gemessen. Das Ergebnis der einzelnen Messungen habe zu den Messergebnissen hi und den Messunsicherheiten
σi geführt.
Ziel ist nun, aus den M Werten hi ein Endergebnis für die gesuchte Größe h zu berechnen. Im einfachsten
Fall wäre dies das arithmetische Mittel der hi. Dabei bliebe jedoch unberücksichtigt, dass die hi unter Umständen recht unterschiedliche Messunsicherheiten σi aufweisen können, weil beispielsweise die erreichbare Messgenauigkeit nicht für alle Messreihen die gleiche war.
In solchen Fällen berechnet man statt des arithmetischen Mittels der hi einen gewichteten Mittelwert hg.
Sind gi die Gewichte, mit denen die Einzelwerte hi bei der Berechnung von hg berücksichtigt werden sollen, so gilt bei Summation von 1 bis M:
(48)
hg =
∑ hi gi
∑ gi
In der Regel wählt man als Gewichte die Reziprokwerte der Varianzen:
(49)
gi =
1
σ i2
Dann erhält man bei Anwendung der Fehlerfortpflanzung auf Gl. (48) für die Messunsichertheit σg des
gewichteten Mittelwertes bei Summation von 1 bis M:
2
(50)
σg
=
 ∂ hg 
=
∑ ∂ h σi 
i



1 
 ∑ 2 
 σi 
−
1
2
Frage 5:
- Wie gelangt man zu diesem Resultat? Was ergibt sich für σg im speziellen Fall gi = const. = 1?
61
11.5 Tabellen
Tabelle 1:
Prozentuale Wahrscheinlichkeit dafür, dass zwei Messgrößen, die N-mal gemessen wurden und einen
Korrelationskoeffizienten |r| ≥ |rb| aufweisen, unkorreliert sind (nach /1/).
|rb|→
0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6
0,7
0,8
0,9
1
N↓
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
25
30
35
40
45
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
94
90
87
85
83
81
80
78
77
76
75
73
72
71
70
69
68
67
63
60
57
54
51
87
80
75
70
67
63
61
58
56
53
51
49
47
46
44
43
41
40
34
29
25
22
19
81
70
62
56
51
47
43
40
37
34
32
30
28
26
24
23
21
20
15
11
8,0
6,0
4,5
74
60
50
43
37
33
29
25
22
20
18
16
14
12
11
10
9,0
8,1
4,8
2,9
1,7
1,1
0,6
67
50
39
31
25
21
17
14
12
9,8
8,2
6,9
5,8
4,9
4,1
3,5
2,9
2,5
1,1
0,5
0,2
0,1
59
40
28
21
15
12
8,8
6,7
5,1
3,9
3,0
2,3
1,8
1,4
1,1
0,8
0,7
0,5
0,2
0,1
51
30
19
12
8,0
5,3
3,6
2,4
1,6
1,1
0,8
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0,1
0,1
41
20
10
5,6
3,1
1,7
1,0
0,5
0,3
0,2
0,1
0,1
29
10
3,7
1,4
0,6
0,2
0,1
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
|rb|→
0
0,05
0,1
0,15
0,2
0,25
0,3
0,35
0,4
0,45
N↓
50
60
70
80
90
100
100
100
100
100
100
100
73
70
68
66
64
62
49
45
41
38
35
32
30
25
22
18
16
14
16
13
9,7
7,5
5,9
4,6
8,0
5,4
3,7
2,5
1,7
1,2
3,4
2,0
1,2
0,7
0,4
0,2
1,3
0,6
0,3
0,1
0,1
0,4
0,2
0,1
0,1
62
Tabelle 2:
Werte der Integrale P(a) über die Gaußfunktion (error-function) als Funktion des Parameters a für beliebige Werte von Mittelwert t und Standardabweichung σ (aus /1/; beachte den Faktor 100 gegenüber Gl.
(5) ff.):
100
P(a ) =
σ 2π
t + aσ
∫
−
e
( t − t )2
2σ 2
t − aσ
Exemplarisch markiert: P(a = 1,00) = 68,27, P(a = 2,00) = 95,45, P(a = 3,00) = 99,73
a
0,0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6
0,7
0,8
0,9
1,0
1,1
1,2
1,3
1,4
1,5
1,6
1,7
1,8
1,9
2,0
2,1
2,2
2,3
2,4
2,5
2,6
2,7
2,8
2,9
3,0
3,5
4,0
4,5
5,0
0,00
0,00
7,97
15,85
23,58
31,08
38,29
45,15
51,61
57,63
63,19
68,27
72,87
76,99
80,64
83,85
86,64
89,04
91,09
92,81
94,26
95,45
96,43
97,22
97,86
98,36
98,76
99,07
99,31
99,49
99,63
99,73
99,95
99,994
99,9993
99,99994
0,01
0,80
8,76
16,63
24,34
31,82
38,99
45,81
52,23
58,21
63,72
68,75
73,30
77,37
80,98
84,15
86,90
89,26
91,27
91,97
94,39
95,56
96,51
97,29
97,91
98,40
98,79
99,09
99,33
99,50
99,64
0,02
1,60
9,55
17,41
25,10
32,55
39,69
46,47
52,85
58,78
64,24
69,23
73,73
77,75
81,32
84,44
87,15
89,48
91,46
93,12
94,51
95,66
96,60
97,36
97,97
98,45
98,83
99,12
99,35
99,52
99,65
0,03
2,39
10,34
18,19
25,86
33,28
40,39
47,13
53,46
39,35
64,76
69,70
74,15
78,13
81,65
84,73
87,40
89,69
91,64
93,28
94,64
95,76
96,68
97,43
98,02
98,49
98,86
99,15
99,37
99,53
99,66
0,04
3,19
11,13
18,97
26,61
34,01
41,08
47,78
54,07
59,91
65,28
70,17
74,57
78,50
81,98
85,01
87,64
89,90
91,81
93,42
94,76
95,86
96,76
97,49
98,07
98,53
98,89
99,17
99,39
99,55
99,67
0,05
3,99
11,92
19,74
27,37
34,73
41,77
48,43
54,67
60,47
65,79
70,63
74,99
78,87
82,30
85,29
87,89
90,11
91,99
93,57
94,88
95,96
96,84
97,56
98,12
98,57
98,92
99,20
99,40
99,56
99,68
0,06
4,78
12,71
20,51
28,12
35,45
42,45
49,07
55,27
61,02
66,29
71,09
75,40
79,23
82,62
85,57
88,12
90,31
92,16
93,71
95,00
96,06
96,92
97,62
98,17
98,61
98,95
99,22
99,42
99,58
99,69
0,07
5,58
13,50
21,28
28,86
36,16
43,13
49,71
55,87
61,57
66,80
71,54
75,80
79,59
82,93
85,84
88,36
90,51
92,33
93,85
95,12
96,15
97,00
97,68
98,22
98,65
98,98
99,24
99,44
99,59
99,70
0,08
6,38
14,28
22,05
29,61
36,88
43,81
50,35
56,46
62,11
67,29
71,99
76,20
79,95
83,24
86,11
88,59
90,70
92,49
93,99
95,23
96,25
97,07
97,74
98,27
98,69
99,01
99,26
99,46
99,60
99,71
0,09
7,17
15,07
22,82
30,35
37,59
44,48
50,98
57,05
62,65
67,78
72,43
76,60
80,29
83,55
86,38
88,82
90,90
92,65
94,12
95,34
96,34
97,15
97,80
98,32
98,72
99,04
99,29
99,47
99,61
99,72
63
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Modul Grundpraktikum Physik – Teil I
Oszilloskop und Funktionsgenerator
Stichworte:
Anode, Kathode, Kathodenstrahlröhre, Elektronenablenkung, Ablenkplatten, Trigger, AC/DC-Kopplung, Gleichspannung, Wechselspannung, Frequenz, Kreisfrequenz, Periode, Amplitude, Phase, Phasendifferenz, Scheitel- und Effektivwert von Wechselspannungen, LISSAJOUS-Figuren, harmonische
Schwingung.
Messprogramm
Darstellung von Signalen eines Funktionsgenerators, Trigger-Level und Trigger-Flanke, zeitlicher
Verlauf der Lichtintensität einer Glüh- und einer Leuchtstofflampe, Scheitel- und Effektivwert der
Netzspannung, Untersuchung eines gedämpften periodischen Spannungssignals, Dauer eines Lichtblitzes, Frequenzstabilität eines Stroboskops, LISSAJOUS-Figuren.
Literatur:
/1/ WALCHER, W.: „Praktikum der Physik“, Teubner Studienbücher Physik, Teubner-Verlag, Stuttgart
/2/ EICHLER, H. J., KRONFELDT, H.-D., SAHM, J.: „Das Neue Physikalische Grundpraktikum“, Springer-Verlag, Berlin u. a.
/3/ GERTHSEN, C. u.a.: „Physik“, Springer-Verlag, Berlin u. a.
1
Einleitung
Das Oszilloskop zählt zu den wichtigen Messinstrumenten in der experimentellen Physik. Mit ihm ist es
möglich, den Verlauf einer elektrischen Spannung Uy als Funktion der Zeit t oder als Funktion einer
Spannung Ux in „Echtzeit“ („Real-Time“) zu beobachten und quantitativ zu vermessen. Der zeitliche
Verlauf aller physikalischen Größen, die mit einem geeigneten Sensor (Messwertaufnehmer, Messgrößenaufnehmer) in eine elektrische Spannung umgewandelt werden können 1, ist mit einem Oszilloskop
darstellbar. Hinsichtlich der Amplitude und Frequenz der messbaren Signale bestehen nur wenige Einschränkungen: Ist man bereit, genügend viel Geld auszugeben, so lässt sich mit ziemlicher Sicherheit ein
Oszilloskop finden, das den gestellten Anforderungen gewachsen ist.
Auch im Grundpraktikum ist das Oszilloskop ein häufig eingesetztes Messgerät. In einigen Versuchen ist
es wesentlicher Bestandteil des Versuchsaufbaus und liefert die quantitativen Daten, die für die Versuchsauswertung benötigt werden. In anderen Versuchen dient es der qualitativen Kontrolle, ob eine
Schaltung richtig aufgebaut wurde und funktionstüchtig ist, ob ein Sensor das richtige Signal liefert usw.
Um die Versuche im Praktikum erfolgreich durchführen zu können, ist daher eine gründliche Kenntnis
des Oszilloskops unabdingbar.
Bis vor einigen Jahren waren vielfach noch Elektronenstrahl-Oszilloskope im Einsatz. Heute sind diese
Geräte überwiegend durch Digital-Speicher-Oszilloskope verdrängt worden. Auch in diesem Versuch und
im Praktikum generell wird mit Digital-Speicher-Oszilloskopen gearbeitet. Dennoch wird im Theorieteil
zunächst kurz das Prinzip des Elektronenstrahl-Oszilloskops dargestellt, da sich einige grundlegende
Funktionsprinzipien von Oszilloskopen damit einfach und anschaulich erklären lassen.
1
Einzelheiten dazu werden im Versuch „Sensoren für Kraft, Druck, ...“ behandelt.
64
2
Theorie
2.1
Elektronenstrahl-Oszilloskop
Abb. 1 zeigt den schematischen Aufbau einer Oszilloskopröhre; die realen Bauformen der einzelnen
Komponenten sind erheblich komplexer (Abb. 2). Die auf Massepotenzial (0 V) liegende Kathode K wird
über eine Heizwendel indirekt so weit aufgeheizt (Heizspannung UH), dass es zur Glühemission von
Elektronen kommt. Im Abstand dA von der Kathode befindet sich die in der Mitte durchbohrte Anode A.
Zwischen K und A wird eine positive Hochspannung UA in der Größenordnung von 1000 V angelegt.
Dadurch entsteht zwischen K und A ein elektrisches Feld EA vom Betrag
(1)
EA =
UA
,
dA
durch das auf die Elektronen mit der Ladung e eine Kraft FA vom Betrag
(2)
FA = e E A
ausgeübt wird. Diese Kraft beschleunigt die Elektronen in Richtung Anode. Nach Durchtritt durch das
Loch in der Anode treffen die Elektronen auf den Leuchtschirm L, wo sie beim Auftreffen abgebremst
werden und den Phosphor des Schirms zur Fluoreszenz anregen. Dadurch entsteht ein sichtbarer Leuchtfleck, dessen Größe mit Hilfe der Spannung UF an der Fokussiereinheit F minimiert werden kann.
Uy
K W F
Ux
A
UH~
- UW
+UA
L
+UF
Abb. 1: Schematischer Aufbau einer Elektronenstrahl-Oszilloskopröhre. Bezeichnungen siehe Text. Die
strichpunktierte grüne Linie gibt schematisch die Bahn der Elektronen im Fall UX = UY = 0 an.
Abb. 2: Foto des hinteren Endes einer Elektronenstrahl-Oszilloskopröhre. Es zeigt die komplexe Struktur der Elektroden zur Formung und Steuerung des Elektronenstrahls. Am Ende der Röhre und
rechts am Röhrenmantel sind die Anschlusskontakte für die verschiedenen Elektroden zu erkennen.
65
VOLTS
/ DIV
MODE
AC
CH1
X
Y1
CH 1
CH 2
CH 1 / CH 2
CH 1 + CH 2
DC
GND
UY
VOLTS
/ DIV
AC
CH2
Y
Y2
DC
TRIGGER
GND
AUTO
LEVEL
CH1
CH2
EXT
TRIG
NORM
EXT
LINE
SLOPE
230 V ~
NETZTEIL
SEC
/ DIV
KIPPGEN.
YT
UX
XY
Abb. 3: Blockschaltbild der wichtigsten Funktionseinheiten eines Oszilloskops. Bezeichnungen siehe
Text und Abb. 4.
BNC-Buchse
- innen: Signalleitung
- außen: Massekontakt
Einheit zur Einstellung von z.B.
- Verstärkungsfaktor in VOLTS/DIV
- Zeitablenkung in SEC/DIV
- Triggerschwelle (LEVEL)
- Triggerflanke (SLOPE)
- Intensität (INTENS)
Verstärker
Schwellwertdiskriminator:
erzeugt Ausgangsimpuls, wenn
Eingangsspannung > Schwellwert
Abb. 4: Erklärung von Blockschaltbild-Elementen.
66
Mithilfe einer negativen Spannung UW zwischen K und dem WEHNELT-Zylinder W kann die Intensität
des Leuchtpunktes variiert werden. Das durch UW hervorgerufene elektrische Feld EW ist zum Feld EA
entgegen gerichtet und bremst die Elektronen. Nur Elektronen ausreichender kinetischer Energie können
die Anode erreichen.
Die X- und Y-Ablenkplatten (blau in Abb. 1) bilden paarweise je einen Plattenkondensator und dienen zur
horizontalen und vertikalen Ablenkung des Elektronenstrahls. Wird an die Y-Ablenkplatten die Ablenkspannung UY angelegt, so entsteht zwischen den Platten bei einem Plattenabstand dY ein elektrisches Feld
EY vom Betrag
(3)
EY =
UY
,
dY
durch das auf die Elektronen während ihres Durchflugs eine Kraft FY vom Betrag
(4)
=
FY e=
EY e
UY
dY
ausgeübt wird. Je nach Vorzeichen und Höhe der Spannung UY werden die Elektronen deshalb mehr oder
weniger stark nach oben oder unten abgelenkt und erreichen den Leuchtschirm in vertikaler Richtung an
einer anderen Stelle. Analoge Überlegungen gelten für die X-Ablenkplatten, mit denen eine Ablenkung
der Elektronen in horizontaler Richtung erreicht werden kann.
Abb. 3 zeigt in einem Blockschaltbild die wichtigsten (nicht alle!) Funktionseinheiten für die Ansteuerung der einzelnen Elemente der Oszilloskopröhre. In Abb. 4 wird die Funktion der Blockschaltbild-Elemente erklärt. Abb. 5 zeigt die Frontansicht der Steuereinheiten eines typischen Elektronenstrahl-Oszilloskops.
Bei dem mit Abb. 3 und Abb. 5 beschriebenen Gerät handelt es sich um ein so genanntes 2-KanalOszilloskop mit zwei Signaleingängen. Die Eingänge sind als BNC-Buchsen ausgelegt und heißen
Kanal 1 (Channel 1; häufig bezeichnet mit CH1 2 oder X oder Y1) und Kanal 2 (CH2 oder Y oder Y2).
Zusätzlich gibt es einen BNC-Eingang für ein externes Triggersignal (EXT INPUT oder EXT TRIG).
In der Stellung DC 3 des Kanal-Eingangsschalters gelangt das jeweilige Eingangssignal direkt auf einen
Eingangsverstärker, in der Schalterstellung AC 4 nur sein Wechselspannungsanteil 5. In der Stellung GND
(Ground) wird der Eingang auf Massepotenzial gelegt.
Mit dem Drehschalter VOLTS/DIV wird der Verstärkungsfaktor des Eingangsverstärkers variiert und
festgelegt, wie viel Volt (VOLTS) des Eingangssignals zu einer Elektronenstrahlablenkung von einer
Längeneinheit (einer DIVision, meistens 1 cm) auf dem Oszilloskopbildschirm führen. Die VOLTS/DIVEinstellung bestimmt also die vertikale Größe eines Signals auf dem Oszilloskopbildschirm. Die horizontale und die vertikale Lage des Oszilloskopbildes wird dagegen über die POSITION-Potentiometer
verändert, über die eine positive oder negative Gleichspannung variabler Größe zu den Ablenkspannungen UY und UX hinzu addiert wird.
2
3
4
5
In der Schriftart ARIAL gesetzte Bezeichnungen entsprechen den Beschriftungen auf der Frontplatte des Oszilloskops.
DC: direct current (Gleichstrom); hier ist mit „DC“ Gleichspannungskopplung gemeint.
AC: alternating current (Wechselstrom); hier ist mit „AC“ Wechselspannungskopplung gemeint.
Einzelheiten zu Gleich- und Wechselspannungssignalen siehe Kapitel „Zum Aufbau elektrischer Schaltungen…“
dieses Skriptes.
67
Abb. 5: Frontansicht der Steuereinheiten des Elektronenstrahl-Oszilloskops TEKTRONIX 2213A (Quelle:
TEKTRONIX-Manual).
2.1.1 XY- und YT-Betrieb
Das Oszilloskop kann je nach Einstellung der Funktionsgruppe MODE in verschiedenen Modi arbeiten:
−
−
−
Im XY-Betrieb wird der Signalverlauf Uy(Ux) dargestellt. Hierzu gelangt das Signal vom Eingang
CH1 (X) über einen Eingangsverstärker als Spannung UX an die X-Ablenkplatten und das Signal vom
Eingang CH2 (Y) über einen Eingangsverstärker als Spannung UY an die Y-Ablenkplatten.
Im YT-Betrieb werden Signale als Funktion der Zeit t dargestellt: Uy1(t), Uy2(t) oder Uy1(t) + Uy2(t).
Hierzu gelangen die Signale von CH1 bzw. von CH2 nach Verstärkung an die Y-Ablenkplatten. Ein
Kippgenerator erzeugt eine Sägezahnspannung mit der Periodendauer td, die als Ablenkspannung UX
für eine periodisch sich wiederholende horizontale Ablenkung des Elektronenstrahls sorgt (s. Abb. 6).
Der Kippgenerator mit zugehörigen Komponenten (u.a. SEC/DIV-Schalter) wird auch als Zeitbasis
oder Time-Base bezeichnet.
Mit dem Zeitablenkschalter (SEC/DIV) wird im YT-Betrieb festgelegt, welche Zeit te der Elektronenstrahl benötigt, um auf dem Oszilloskopschirm in horizontaler Richtung eine Strecke von einer Längeneinheit (1 DIV) zurückzulegen. Bei einer Bildschirmbreite von m DIVisions gilt td = m te.
68
UX
tr
t
td
Abb. 6: Sägezahnspannung des Kippgenerators. Während der Zeit td läuft der Elektronenstrahl mit
gleichmäßiger Geschwindigkeit von links nach rechts, während der Zeit tr läuft er von rechts
nach links an den Bildanfang zurück. Durch Verringerung von UW wird erreicht, dass der Strahl
während des Rücklaufs nicht auf den Leuchtschirm gelangt.
2.1.2 Synchronisierung (Triggerung)
Um auf dem Oszilloskopschirm ein periodisches Signal Uy(t) mit der Periodendauer T als stehendes Bild
darzustellen, muss Uy(t) mit der horizontalen Ablenkspannung UX(t) synchronisiert werden. Dieser Vorgang der Synchronisation heißt Triggerung. Sie wird über die Funktionseinheit Trigger gesteuert. Abb. 7
demonstriert die Triggerung anhand eines Beispiels für den Fall T ≥ td + tr. Der Kippgenerator erzeugt die
nächste Periode von UX(t) erst dann, wenn die Eingangsspannung Uy(t) gleich der Schwellenspannung UL
(TRIGGER LEVEL) ist und die Steigung (SLOPE) von Uy(t) das am Trigger-Schalter SLOPE eingestellte Vorzeichen hat („+“ in dem in Abb. 7 dargestellten Fall). Nur wenn beide Bedingungen erfüllt sind
wird getriggert, d. h. der Elektronenstrahl läuft einmal von links nach rechts über den Oszilloskopschirm
und wartet anschließend am linken Rand auf das nächste Triggerereignis.
Uy
UL
T
t
UX
t
td + tr
Abb. 7: Signaltriggerung. Oben Eingangssignal Uy(t), unten Signal UX(t) des Kippgenerators. UL: Trigger-Level.
Mit den Elementen der Funktionseinheit TRIGGER wird eingestellt, ob das Oszilloskop im oben
beschriebenen NORMal- oder im AUTO-Triggermodus betrieben werden soll:
−
Im NORMal-Modus kann eingestellt werden, auf welches Signal getriggert (synchronisiert) werden
soll. Möglich sind die INTerne Triggerung auf ein an CH1 oder CH2 anliegendes Signal, auf ein
EXTernes Signal, das dem Oszilloskop über die EXT INPUT / TRIG-Buchse zugeführt wird oder auf
die Netzspannung (LINE).
−
Im AUTO-Modus findet eine Triggerung wie im NORMal-Modus statt, falls das Eingangssignal die
Triggerbedingung erfüllt; andernfalls wird die nächste Periode der Sägezahnspannung auch ohne
Triggerung erzeugt. In dieser Betriebsart kann der Elektronenstrahl auch dann sichtbar gemacht werden, wenn der Kanal-Eingangsschalter auf GND steht. In diesem Fall ist Uy(t) = 0, sodass die Triggerbedingung (Uy > UL) für das Loslaufen des Elektronenstrahls gar nicht erfüllt werden kann.
69
Frage 1:
- Was bedeutet es für die Triggerung des Oszilloskops, wenn die TRIGGER-Wahlschalter auf
a) NORM, EXT, „-“,
b) NORM, CH1, „+“
stehen?
Frage 2:
- Auf dem Oszilloskopschirm mögen zwei sinusförmige Spannungsverläufe Uy1(t) und Uy2(t) zu sehen
sein. Wie lassen sich die Periodendauern T, die Frequenzen f und die Kreisfrequenzen ω der Signale
ermitteln? Wie lautet der formelmäßige Zusammenhang zwischen diesen Größen? Wie lassen sich die
Amplituden Uy1,0 und Uy2,0 der Spannungssignale bestimmen?
Frage 3:
- Angenommen, die Signale Uy1(t) und Uy2(t) haben die gleichen Frequenzen, sind jedoch seitlich
gegeneinander versetzt, d. h. phasenverschoben. Wie lässt sich dann der Betrag der Phasenverschiebung ϕ (in Grad) der beiden Signale ermitteln (Formel)?
2.2
Digital-Speicher-Oszilloskop
2.2.1 Grundlagen
Ein Digital-Speicher-Oszilloskop (kurz: Digital-Oszilloskop) ist im Grunde nichts anderes als ein Computer, der neben den üblichen Einheiten wie CPU, internem / externen Speicher, Bussystem und Software
folgende spezielle Komponenten enthält:
−
−
−
Ein Bedienfeld mit Drehknöpfen (z.B. VOLTS/DIV, SEC/DIV, LEVEL,…) und Tasten (z.B. CH1/2
MENU, TRIG MENU, CURSOR,…), s. Abb. 9 und Abb. 10, über die die Steuerung der Software
erfolgt (statt über Tastatur und Maus).
Eine Einheit zur Erfassung und Digitalisierung von Spannungssignalen, die an die BNC-Buchsen
CH1, CH2 und EXTR TRIG angelegt werden.
Einen LCD-Bildschirm zur Anzeige der erfassten Signale, zur Ausgabe von Messwerten und Einstellungsparametern sowie zur Darstellung der Menüs zur Gerätesteuerung (s. Abb. 11, Abb. 12, Abb.
13).
Die analogen Eingangssignale werden mit einem Analog/Digital-Wandler (A/D-Wandler) in digitale
Signale umgewandelt. Details dieses Wandlungsprozesses werden in einem separaten Versuch „Datenerfassung und –verarbeitung mit dem PC...“ behandelt. Deshalb werden im Folgenden nur einige Grundbegriffe erläutert.
Die Umwandlung analog → digital geschieht nicht kontinuierlich, sondern nur zu diskreten, periodisch
angeordneten Zeitpunkten, den so genannten Abtastpunkten (sampling points, Abb. 8). Die Häufigkeit,
mit der ein Signal abgetastet wird, ist durch die Abtastrate oder Abtastfrequenz fa vorgegeben, ihr Kehrwert ist das Abtastintervall Ta. Je höher fa, je kleiner also Ta, desto präziser kann der zeitliche Verlauf
eines Eingangssignals dargestellt werden. Bei den im Praktikum eingesetzten Geräten beträgt fa maximal
1 GHz.
Die höchstmögliche Abtastfrequenz fa bestimmt nach dem Abtasttheorem 6 gleichzeitig die maximale
Frequenz fs eines harmonischen Eingangssignals, die mit einem Digital-Oszilloskop noch erfasst werden
kann. Für eine korrekte Signalerfassung muss die Bedingung
6
Weitere Details zum Abtasttheorem und zum Aliasing werden im späteren Versuch „Fourieranalyse“ behandelt.
70
(5)
fa > 2 fs
erfüllt sein, andernfalls treten Fehler auf (Aliasing).
U
Ta
t
∆U
Abb. 8: Abtastung eines Sinussignals (rot). Die Abtastpunkte (blau) haben den zeitlichen Abstand
Ta = 1/fa voneinander. ∆U gibt die maximale Spannungsdifferenz im dargestellten Signal an.
Um den Spannungswert an einem Abtastpunkt möglichst genau bestimmen zu können, benötigt man
einen A/D-Wandler mit möglichst großer Auflösung, die durch die Zahl n der verfügbaren Bits gegeben
ist. n Bits erlauben eine relative Genauigkeit für Spannungsmessungen von 1/2n. Bei den im Praktikum
eingesetzten Typen ist n = 8, es können also 28 = 256 unterschiedliche Spannungswerte erfasst werden.
Dazu zwei Beispiele:
−
Bei einer Verstärkereinstellung am VOLTS/DIV-Schalter von 1 V/DIV und 8 Divisions in vertikaler
Richtung
können
Eingangssignale
mit
maximalen
Spannungsunterschieden
von
∆U = 1 V/DIV × 8 DIV = 8 V dargestellt werden. Einzelne Spannungswerte können dann mit einer
Genauigkeit (Auflösung) von 8 V/ 28 ≈ 30 mV gemessen werden. Spannungsunterschiede im Eingangsignal, die kleiner als ca. 30 mV sind, können demnach nicht aufgelöst werden.
−
Bei einer Verstärkereinstellung von 20 mV/DIV und 8 Divisions können Eingangssignale mit
maximalen Spannungsunterschieden von ∆U = 20 mV/DIV × 8 DIV = 160 mV dargestellt werden.
Die Auflösung bei der Messung einzelner Spannungswerte beträgt dann 160 mV/ 28 ≈ 0,63 mV.
Für Messungen mit möglichst hoher Auflösung ist es deshalb wichtig, die Eingangssignale über die richtige Einstellung am VOLTS/DIV-Schalter immer soweit zu verstärken, dass sie sich in vertikaler Richtung annähernd über den gesamten Bildschirm erstrecken.
Eine weitere Größe, die die Güte eines Digital-Oszilloskops bestimmt, ist die maximale Zahl N von
Abtastwerten, die gespeichert werden können. Bei den im Praktikum eingesetzten Geräten ist N = 2.500.
Die Darstellung der Messwerte erfolgt auf einem Bildschirm mit z.B. 320 (horizontal) × 240 (vertikal)
Pixeln.
Die Signalspeicherung geschieht bei einem Digital-Oszilloskop kontinuierlich. Im Speicher stehen immer
die letzten N Abtastwerte des Signals zur Verfügung. Die Darstellung der Signale geschieht jedoch nur
dann, wenn eine Triggerung erfolgte. Die kontinuierliche Signalspeicherung hat den Vorteil, dass auch
Signalanteile vor dem Triggerzeitpunkt dargestellt werden können (Vortriggerung, englisch Pre-Triggering). So ist in der Grundeinstellung des Oszilloskops der Zeitpunkt, zu dem die Triggerung ausgelöst
wurde, in der horizontalen Bildmitte zu finden (s. Abb. 11). Mit Hilfe des HORIZONTAL POSITIONKnopfes kann dieser Zeitpunkt nach links und rechts verschoben werden.
71
Abb. 9: Frontansicht des Digital-Oszilloskops TEKTRONIX Typ TDS 220 (Quelle: TEKTRONIX-Manual).
Abb. 10: Frontansicht des Digital-Oszilloskops TEKTRONIX TDS 1012B (Quelle: TEKTRONIX-Manual).
Die Modelle TDS 1012, TDS 1012B und TDS 2012C verfügen über die Möglichkeit der Datenspeicherung auf einer SD-Karte bzw. einem USB-Speicherstick.
72
Abb. 11: Bildschirmfoto des Digital-Speicher-Oszilloskops TEKTRONIX TDS 1012, mit dem eine
sinusförmige Wechselspannung an CH1 gemessen wird. Durch Aktivierung der Funktion
MESSUNG werden am rechten Bildrand der Spitze-Spitze-Wert USS der Spannung (8,16 V)
sowie ihre Frequenz (1,002 kHz) ausgegeben. Unten wird die Einstellung der Parameter
VOLTS/DIV (CH1 2.00V) und SEC/DIV (M 250µs) sowie die Höhe des TRIGGER LEVELs
( 560mV) angezeigt. Das Zeichen
bedeutet Triggerung auf einen Signalabschnitt mit
positiver Steigung (SLOPE). Der nach unten zeigende Pfeil am oberen Bildrand markiert den
Triggerzeitpunkt, der nach links zeigende Pfeil am rechten Bildrand den TRIGGER LEVEL
und der nach rechts zeigende Pfeil am linken Bildrand mit der Ziffer 1 die Lage der 0 V-Linie
(GND) von CH1.
2.2.2 Menüsteuerung
Viele Funktionen des Digital-Oszilloskops werden über Menüs gesteuert. Nach der Betätigung einer
Taste wie CH1 MENU, MESSUNG / MEASURE, ERFASSUNG / ACQUIRE, DISPLAY usw.
erscheint in der rechten Spalte des Bildschirms ein Menü mit fünf untereinander angeordneten Feldern.
Abb. 12 zeigt als Beispiel das Menü nach Betätigung der Taste CH1 MENU. Die Einträge in den einzelnen Feldern lassen sich durch Betätigung der rechts neben den Feldern liegenden Tasten verändern. So
führt beispielsweise eine mehrmalige Betätigung der Taste neben dem Feld Kopplung zur Änderung der
Signalkopplung: DC → AC → GND → DC → AC → GND →… Weitere Menüs sind in Abb. 13
dargestellt.
Abb. 12: Menü auf dem Bildschirm (rechte Spalte) nach Betätigung der Taste CH1 MENU. Rechts daneben die Tasten zur Änderung der Menüauswahl in den einzelnen Feldern.
73
Abb. 13: Menüs nach Betätigung unterschiedlicher Funktionstasten. Von links nach rechts und von oben
nach unten sind dargestellt: Menü DISPLAY (u.a. Umschaltung zwischen YT- und XYBetrieb), Menü TRIGGER, Menü ERFASSUNG und Menü MESSUNG.
2.2.3 Quantitative Messungen
Ein großer Vorteil von Digital-Oszilloskopen gegenüber analogen Geräten besteht in der Möglichkeit, die
gespeicherten Daten geräteintern verrechnen zu können. So können auf einfache Weise Signalmittelwerte,
Spitzenwerte von Signalen, Zeit- und Amplitudendifferenzen, Periodendauern, Signalfrequenzen usw.
gemessen werden.
Zur Messung von Parametern periodischer Signale (Periode, Frequenz, Amplitude usw.) eignet sich das
Menü MESSUNG / MEASURE. Die Ergebnisausgabe erfolgt jeweils am rechten und unteren Rand der
Anzeige. Abb. 11 und Abb. 13 unten rechts zeigen Beispiele.
Nichtperiodische Signale oder einzelne Spannungs- und Zeitwerte lassen sich mithilfe des CURSORMenüs messen (Abb. 14). Mit zwei horizontalen Cursorn (Spannungscursor) lassen sich Spannungswerte
und Spannungsdifferenzen bestimmen, mit zwei vertikalen Cursorn (Zeitcursor) Zeitwerte und Zeitdifferenzen. Die Cursor lassen sich mit Hilfe der POSITION-Knöpfe (Typ TDS 1012) oder mit einem separaten Drehknopf (Typ TDS 1012B / 2012C) verschieben. Die zu den Cursorpositionen gehörenden
Messwerte werden jeweils in Anzeigefeldern am rechten Bildrand ausgegeben.
74
Abb. 14: CURSOR-Menüs. Links zwei Spannungscursor (Typ Amplitude), die die Maxima (CURSOR 1, 100 mV) und die Minima (CURSOR 2, -102 mV) des Signals an CH1 markieren. V
zeigt die Spannungsdifferenz beider Cursorwerte an (202 mV). Rechts zwei Zeitcursor (Typ
Zeit), die den Beginn (CURSOR 1, - 90 s) und das Ende (CURSOR 2, 910 s) einer Periode
des Signals an CH1 markieren. t zeigt die Zeitdifferenz beider Cursorwerte an (1.000 ms).
2.2.4 Speicherung von einmaligen Signalen
Ein weiterer Vorteil von Digital-Oszilloskopen gegenüber analogen Geräten besteht in der Möglichkeit,
einmalige Signale erfassen und speichern zu können. Ein Beispiel für solche Signale sind Spannungsimpulse, die eine Fotodiode nach Bestrahlung mit einem kurzen Lichtblitz ausgibt. Über das TRIGGERMenü kann man die Bedingungen einstellen (PEGEL / LEVEL, FLANKE / SLOPE,…) unter denen eine
einmalige Signalaufzeichnung erfolgen soll. Durch Betätigung der Taste RUN / STOP bzw. SINGLE
SEQ wird das Oszilloskop anschließend in eine Wartestellung versetzt (Anzeige READY in oberer
Menüzeile). Erfüllt das Eingangssignal danach die Triggerbedingungen, erfolgt die Aufzeichnung. Aufgrund der Pre-Triggerung (s. Kap. 2.2.1) ist dann auch der Signalverlauf direkt vor dem Auslösen des
Triggerereignisses sichtbar.
3
Versuchsdurchführung
Zubehör:
Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, 2 Funktionsgeneratoren
(TOELLNER 7401 und AGILENT 33120A / 33220A), Signalformer, Stroboskop, Blitzgerät (METZ 44
AF-1), Fotodetektor (Si-Fotoelement SIEMENS BPY64P), Glühlampe und Leuchtstofflampe in lichtdichtem Kasten, hochohmiger Spannungsteiler 100:1 zur Teilung der Netzspannung.
Hinweise:
Einzelheiten zum Betrieb der zur Verfügung stehenden Geräte, insbesondere der Oszilloskope, müssen
bei Bedarf in den bereitliegenden Gerätehandbüchern nachgelesen werden. Das Erlernen des Umgangs
mit Handbüchern (auch englischsprachigen) gehört mit zu den Lernzielen im Praktikum!
Im Laufe des Studiums wird man immer wieder mit Oszilloskopen arbeiten müssen, die jeweils anders
aussehen und unterschiedlich in ihrer Bedienung sind. Es wäre daher falsch, sich im Praktikum an nur
einen Gerätetyp zu gewöhnen. Im Gegenteil, man sollte im eigenen Interesse häufig zwischen
verschiedenen Modellen wechseln, um genügend Routine beim Umgang mit den Geräten zu erwerben.
Die Versuche werden mit dem Funktionsgenerator (FG) TOELLNER 7401 durchgeführt. Der Funktionsgenerator AGILENT 33120A / 33220A kommt nur im Versuch 3.10 zum Einsatz.
Manchmal kann es hilfreich sein, die AUTOSET-Taste am Oszilloskop zu betätigen. Das Gerät analysiert dann das Eingangssignal und stellt es mit daraus abgeleiteten Einstellungen dar.
75
3.1
Erzeugung eines Punktes
In der Mitte des Bildschirmes soll ein ruhender Punkt erzeugt werden. Dazu muss das Oszilloskop auf
XY-Betrieb (Menü DISPLAY) eingestellt werden. Durch welche Bedienungselemente lässt sich die vertikale und horizontale Lage des Punktes verändern?
3.2
Erzeugung eines vertikalen Striches
Im XY-Betrieb soll in der Mitte des Bildschirms ein vertikaler Strich mit einer Länge von 6 DIVisions
erzeugt werden. Dazu muss ein geeignetes Signal aus dem Funktionsgenerator (Buchse OUTPUT) an den
Y-Kanal gelegt werden. Durch welche Bedienungselemente des Oszilloskops und des Funktionsgenerators lassen sich die Länge und die Lage des Striches beeinflussen? (Alle Möglichkeiten ausprobieren!)
3.3
Ausgangssignale eines Funktionsgenerators
Im YT-Betrieb sollen nacheinander die verschiedenen Ausgangssignale (Sinus-, Dreieck-, Rechtecksignal) des Funktionsgenerators an CH1 dargestellt werden. Variieren Sie die Frequenz, die Amplitude und
den Gleichspannungsanteil (DC-OFFSET) am FG und beobachten Sie die zugehörigen Signaländerungen auf dem Oszilloskop. Um Änderungen bei Variation des Gleichspannungsanteils beobachten zu können, muss am Oszilloskop die DC-Kopplung (CH1/2 MENU) eingestellt sein. Stellen Sie gleichzeitig mit
dem Ausgangssignal des FG das Signal an der Buchse TTL OUT 7 dar. Dokumentieren Sie für alle drei
Signalformen das Ausgangssignal zusammen mit dem TTL-Signal entweder per Handskizze oder mit
einem Bildschirmfoto (siehe Anhang, Kap. 4). Geben Sie den maximalen und minimalen Spannungswert
des TTL-Signals sowie seine Phasenlage relativ zu den Ausgangssignalen (Sinus, Dreieck, Rechteck) an.
3.4
Trigger-Level und Trigger-Flanke
Der Funktionsgenerator (DC-OFFSET OFF) wird an CH1 des Oszilloskops angeschlossen. Auf dem
Schirm wird ein Bild entsprechend Abb. 15 erzeugt, d. h. ein „Sinussignal mit Grundlinie“. Die Amplitude des Sinussignals soll 1 V betragen, die Frequenz 2 kHz und auf dem Schirm soll genau eine Periode
sichtbar sein. Getriggert wird im NORMal-Modus (TRIG MENU), der Triggerzeitpunkt soll am linken
Bildrand liegen.
Abb. 15: Oszilloskopbild eines Sinussignals mit Grundlinie (rot). Jedes Kästchen hat die Größe
1 DIV × 1 DIV.
Das Sinussignal soll am linken Rand nacheinander bei einem Argument (Phasenwinkel) von 0°, 45°, 90°,
135°, 180°, 225° und 270° beginnen, ohne dass die Einstellung der HORIZONTAL POSITION am
Oszilloskop dabei verändert wird. Wie müssen der PEGEL / LEVEL und die FLANKE / SLOPE der
7
Siehe Erläuterungen zu den Ausgangssignalen eines FG im Kapitel „Zum Aufbau elektrischer Schaltungen…“
dieses Skriptes.
76
Triggereinheit dazu eingestellt werden? (Darstellung der Ergebnisse in Tabellenform; Trigger-Level für
die jeweiligen Phasenwinkel ausrechnen, am Oszilloskop einstellen und in die Tabelle eintragen.)
3.5
Quantitative Messung eines Spannungssignals
Mit Hilfe eines Fotodetektors ist es möglich, den zeitlichen Verlauf einer Lichtintensität I(t) in ein dazu
proportionales Spannungssignal U(t) umzuwandeln. Mit dem zur Verfügung stehenden Fotodetektor soll
der zeitliche Verlauf der Lichtintensität einer an das Stromnetz (50 Hz Wechselspannung) angeschlossenen Glühlampe und einer Leuchtstofflampe (Abb. 16) gemessen werden (Frequenz, Amplitude, Signalform (Skizze)). Dabei soll insbesondere auf charakteristische Unterschiede in den Signalen beider Lampen geachtet werden.
Zur Messung wird der Fotodetektor auf die Öffnung des Lampenkastens gelegt und die jeweilige Lampe
eingeschaltet. I(t) enthält einen Gleichanteil IDC und einen deutlich kleineren zeitlich variierenden Anteil
IAC. Nur das zu IAC gehörende Spannungssignal wird auf dem Oszilloskop dargestellt und vermessen.
Frage 4:
- Warum enthält I(t) einen Gleichanteil IDC?
Bei der Messung der Signale wird auffallen, dass sie von einem Rauschsignal kleiner Amplitude überlagert sind. Bei periodischen Signalen lässt sich dieser Rauschanteil durch Mittelwertbildung verringern.
Dazu wählt man die Betriebsart ERFASSUNG / ACQIRE → MITTELWERT, in der die Signale über 4,
16, 64 oder 128 Zeitintervalle der Länge ∆t gemittelt werden können. ∆t entspricht dabei der Breite des
auf dem Bildschirm angezeigten Zeitbereichs: ∆t = 10 × te, wobei te der eingestellte SEC/DIV-Wert ist.
Schalten Sie zwischen den Erfassungsmodi NORMALE ABTASTUNG und MITTELWERT um, variieren Sie die Zahl der Zeitintervalle, über die gemittelt wird und dokumentieren Sie die Änderungen in
den dargestellten Signalen.
Spule
Leuchtstoff
U~
Elektroden
Gas
Glimmstarter
Abb. 16: Blockschaltbild einer Leuchtstofflampe.
Frage 5:
- Abb. 16 zeigt das Blockschaltbild einer Leuchtstofflampe. Wie funktioniert die Lampe prinzipiell?
Worin besteht der wesentliche Unterschied zu einer Glühlampe?
3.6
Scheitel- und Effektivwert der Netzspannung
Mit einem hochohmigen Spannungsteiler wird die Netzspannung im Verhältnis 100:1 auf zwei Widerstände aufgeteilt (Abb. 17; Genauigkeit der Widerstände ± 1 %). 8
8
Zur Vermessung der Netzspannung wird ein Spannungsteiler statt eines Netztransformators benutzt, um die
Form der Netzspannung nicht zu verfälschen.
77
100 R1
Netzspannung
230 V ~
L
R1
CH 1
Abb. 17: Hochohmiger Spannungsteiler zur Teilung der Netzspannung mit Kontrolllämpchen L (rot).
Achtung:
 Beim Anschluss des Spannungsteilers an die Netzspannung muss unbedingt auf richtige Polung
geachtet werden! Bei richtiger Polung leuchtet das rote Kontrolllämpchen L auf, bei falscher Polung
nicht. In diesem Fall muss der Netzstecker umgedreht werden! Keinesfalls darf das Oszilloskop bei
falscher Polung angeschlossen werden!
 Aus Sicherheitsgründen ist ein Einsatz der beschriebenen Spannungsteilerschaltung nur durch
geschultes Personal zulässig (Gefahr der Berührung von Netzspannung bei falschem Einsatz der
Schaltung oder bei Leitungsbruch). Das Kabel am Widerstand R1 darf daher erst angeschlossen werden, nachdem die Schaltung durch eine betreuende Person überprüft wurde!
Über dem kleineren Widerstand R1 wird die Spannung abgegriffen, auf CH1 des Oszilloskops gegeben
und Form, Frequenz und Amplitude gemessen.
Frage 6:
- Wie groß ist die Amplitude (der Scheitelwert) der Netzspannung, wie groß ihr Effektivwert (sinusförmige Netzspannung vorausgesetzt)? Wie groß wäre der Effektivwert einer rechteckförmigen Wechselspannung gleicher Amplitude?
Frage 7:
- Welcher Strom (Effektivwert) fließt durch eine Heizplatte, die mit Wechselstrom betrieben wird und
deren Typenschild die Angabe „230 V / 1,5 kW“ trägt? Wie groß ist der Scheitelwert dieses Stromes?
3.7
Untersuchung eines gedämpften periodischen Spannungssignals
An den Eingang eines Signalformers wird eine Rechteckspannung angelegt (Frequenz 10 kHz, Amplitude
einige V). Dieser Signalformer wird als „Black Box“ behandelt, dessen Funktionsprinzip hier nicht interessiert. Wichtig ist nur, dass am Ausgang des Signalformers ein Spannungssignal vorliegt, dessen Verlauf dem einer gedämpften harmonischen Schwingung entspricht.
Frage 8:
- Der Spannungsverlauf U(t) einer gedämpften harmonischen Schwingung (siehe Abb. 18) mit der
Anfangsamplitude U0, der Kreisfrequenz ω und der Dämpfungskonstanten α lässt sich als Funktion
der Zeit t schreiben als:
(6) U ( t ) = U 0 cos (ω t ) e −α t
Die mit der Zeit abnehmenden Amplituden der Teilschwingungen seien Ui (i = 1, 2, 3,…, s. Abb. 18).
Was für ein Funktionsverlauf ergibt sich, wenn die Ui über i a) linear und b) halblogarithmisch aufgetragen wird? (Die i-Achse soll jeweils linear skaliert sein.)
Das Ausgangssignal des Signalformers wird an CH1 des Oszilloskops angeschlossen. Die Triggerung
und Zeitablenkung des Oszilloskops wird so eingestellt, dass eine gedämpfte Schwingung vollständig und
von einer weiteren der Anfang auf dem Schirm zu sehen ist. Anschließend werden folgende Signaldaten
gemessen:
78
a) Frequenz der gedämpften Schwingung,
b) Spannungsamplituden Ui der ersten 5 Teilschwingungen.
Stellen Sie Ui als Funktion von i grafisch dar (linear und halblogarithmisch) und vergleichen Sie Ihre
Ergebnisse mit den Erwartungen gemäß Frage 8.
1,0
U1
U/ V
0,5
U2
0,0
-0,5
-1,0
0,0
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
t/s
Abb. 18: Gedämpfte harmonische Schwingung gem. Gl. (6). U0 = 1V ist die Anfangsamplitude, U1 und
U2 sind die Amplituden der beiden nachfolgenden Teilschwingungen.
3.8
Frequenzstabilität eines Stroboskops
Die Aufgabe in diesem Versuchsteil besteht darin, quantitative Aussagen über die Frequenzstabilität eines
Stroboskops zu machen, dessen Lichtblitze mit einem Fotodetektor in Spannungsimpulse umgewandelt
werden. Ein Maß für diese Frequenzstabilität ist die maximale Zeitspanne ∆T, um die der Abstand zwischen aufeinander folgenden Stroboskopblitzen mit dem mittleren Impulsabstand T variiert (s. Abb. 19).
∆T
U
1. Impuls (getriggert)
2. Impulse
t
T
t0
Abb. 19: Oszilloskopbild einer zeitlich schwankenden Impulsfolge.
Zur Lösung der angegebenen Aufgabe wird das Oszilloskop im NORMal-Triggermodus auf das Spannungssignal des Fotodetektors getriggert. Das Stroboskop wird bei einer Frequenz von f ≈ 30 Hz betrieben. Die Zeitablenkung wird so eingestellt, dass ein Zeitintervall der Länge t0 ≈ 1,1 T ≈ 1,1 f auf dem
Bildschirm zur Darstellung kommt .
Danach wird der Triggermodus auf Einzelimpulserfassung umgestellt (Taste SINGLE SEQ beim Typ
TDS 1012 / 1012B bzw. Triggermodus SINGLE SHOT beim Typ TDS 210/220). Dadurch wird erreicht,
dass nach Betätigung der RUN/STOP-Taste jeweils ein Impulsverlauf gespeichert und dargestellt wird,
wie er sich nach erfolgter Triggerung ergibt. Vor der Triggerung erscheint im Display READY (das
Oszilloskop wartet auf das Erreichen der Triggerschwelle), nach der Triggerung erscheint STOP. Mit
79
Hilfe der Zeitcursor kann der Impulsabstand T zwischen dem ersten Impuls, auf den getriggert wurde, und
dem zweiten Impuls vermessen werden. Durch mindestens zehnmalige Wiederholung der Messung
(jeweils erneut die RUN/STOP-Taste betätigen) wird ein brauchbarer Schätzwert für das Zeitintervall ∆T
ermittelt und in Relation zum mittleren Impulsabstand T angegeben.
3.9
Dauer eines Lichtblitzes
Mit Hilfe eines Fotodetektors soll die Dauer des Lichtblitzes aus einem Foto-Blitzgerät ermittelt werden
(Taste M am Blitzgerät so oft drücken, bis die LED über 1/64 aufleuchtet). Der Blitz wird aus ca. (0,5 –
1) m auf den Fotodetektor gerichtet und ausgelöst. Das Signal des Fotodetektors wird mit dem Oszilloskop im SINGLE SEQ / SINGLE SHOT-Modus erfasst.
Da die Dauer des Lichtblitzes kurz ist (< 1 ms) und die Lichtintensität des Blitzes schnell ansteigt und
abfällt, muss ein schneller Fotodetektor verwendet werden. Darunter versteht man einen Detektor, der
Lichtimpulse mit kurzer Anstiegs- und Abfallzeit messen kann. Bei dem verwendeten Fotodetektor
erreicht man dies dadurch, dass man die Ausgangskontakte des Fotodetektors mit einem 50 Ω -Widerstand verbindet und die Spannung über diesem Widerstand misst. Man spricht in dem Fall von einem
50 Ω-Abschluss des Detektors 9. Der physikalische Grund für diese Beschaltung wird bei den späteren
Versuchen „Messung von Kapazitäten....“ und „Sensoren...“ klar werden.
Als Dauer des Lichtblitzes soll die 10%-Breite tb des aufgezeichneten Spannungsimpulses angegeben
werden, wie sie in Abb. 20 definiert ist. Eine Skizze bzw. ein Bildschirmfoto (vgl. Kap. 4) des
aufgezeichneten Impulses wird dem Protokoll beigefügt.
U
U0
0,1 U0
tb
t
Abb. 20: Zur Definition der 10%-Breite tb eines Spannungsimpulses U(t) mit der Amplitude U0.
3.10 Lissajous-Figuren
LISSAJOUS-Figuren entstehen durch Überlagerung von zwei sinusförmigen Signalen Ux(t) und Uy(t), die
im XY-Betrieb an die beiden Eingänge des Oszilloskops gelegt werden.
Frage 9:
- Wie sieht eine LISSAJOUS-Figur aus, die durch die Überlagerung zweier Sinussignale mit dem
Amplitudenverhältnis 1:2 und dem Frequenzverhältnis 2:3 entsteht? (Skizze mit Matlab zeichnen.
Die Phasenverschiebung zwischen beiden Signalen zur Zeit t = 0 sei 0.)
Auf dem Oszilloskop sollen LISSAJOUS-Figuren durch die Überlagerung von zwei sinusförmigen Wechselspannungen aus den Funktionsgeneratoren AGILENT und TOELLNER erzeugt werden. Die Figuren
sollen in horizontaler und vertikaler Richtung etwa die gleiche Ausdehnung haben. Der Funktionsgenerator AGILENT wird auf eine feste Frequenz von f1 = 50 Hz eingestellt, am Funktionsgenerator TOELLNER
wird die Frequenz f2 variiert. Es soll versucht werden, möglichst ruhige Bilder für Frequenzen von
9
Ein 50 Ω-Abschluss lässt sich realisieren, indem man auf die BNC-Buchse des Fotodetektors ein T-Stück aufsetzt. An einen Ausgang des T-Stücks schließt man einen 50 Ω-Widerstand an, an den anderen das Verbindungskabel zum Oszilloskop.
80
f2 = (25, 50, 100, 150, 200) Hz zu erzeugen. Die entstehenden Bilder sollen dokumentiert und interpretiert
werden.
Frage 10:
- Was könnte die Ursache dafür sein, dass keine dauerhaft stehenden Bilder erzeugt werden können?
4
Anhang
Um ein Bildschirmfoto des Digital-Oszilloskops auf einem USB-Stick bzw. einer SD-Card zu speichern,
müssen folgende Tastenfolgen gedrückt werden:
Grundeinstellungen (müssen nur einmal vorgenommen werden):
SAVE/RECALL
Dateiformat
Verzeichnis auswählen
→ Aktion
→ TIFF
→ GPRnn 10
→ Bild speichern
→ Verzeichnis wechseln
Bild speichern:
Speichern / PRINT
→ TEKnnnn.TIF
nnnn ist die Bildnummer. Sie wird nach jedem Speichervorgang automatisch um 1 erhöht.
10
nn ist die Gruppennummer; Auswahl mit dem Drehknopf oben links.
81
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Modul Grundpraktikum Physik – Teil I
Messung ohmscher Widerstände, Brückenschaltungen
und Innenwiderstände von Spannungsquellen
Stichworte:
OHMsches Gesetz, KIRCHHOFFsche Gesetze (Knoten- und Maschenregel), Innenwiderstände von
Messgeräten, WHEATSTONEsche Messbrücke, Brückenschaltung, Spannungsquelle, Innenwiderstände
von Spannungsquellen, Klemmenspannung, Dehnungsmessstreifen.
Messprogramm
Widerstandsmessung mit verschiedenen Ohmmetern, Widerstandsbestimmung aus Strom/Spannungsmessung, Wheatstonesche Messbrücke, Innenwiderstand eines Funktionsgenerators, Spezifischer Widerstand von Leitungswasser, Brückenschaltung zur Messung von Widerstandsänderungen.
Literatur:
/1/ SCHENK, W., KREMER, F. (HRSG.): „Physikalisches Praktikum“, Vieweg + Teubner Verlag,
Wiesbaden
/2/ WALCHER, W.: „Praktikum der Physik“, Teubner Studienbücher, Teubner-Verlag, Stuttgart
/3/ EICHLER, H. J., KRONFELDT, H.-D., SAHM, J.: „Das Neue Physikalische Grundpraktikum“, Springer-Verlag, Berlin u.a.
1
Einleitung
Dieser Versuch soll in seinem ersten Teil einen Einblick in die unterschiedlichen Verfahren zur Messung
ohmscher 1 Widerstände geben. Dabei soll insbesondere erkannt werden, inwieweit reale Eigenschaften
von Messgeräten das Ergebnis der Messung beeinflussen und welche Messverfahren im Einzelfall das
beste Resultat liefern.
Im zweiten Teil des Versuches werden die Eigenschaften realer Spannungsquellen untersucht. Dabei geht
es insbesondere um die Frage, wie eine wichtige Kenngröße solcher Spannungsquellen, nämlich ihr Innenwiderstand, gemessen werden kann.
Darüber hinaus wird der spezifische Widerstand von Leitungswasser gemessen und die Linearität des
Zusammenhangs zwischen Widerstands- und Spannungsänderung in einer Brückenschaltung untersucht.
2
Theorie
2.1
Kirchhoffsche Gesetze
Eine wichtige Voraussetzung für die Analyse elektrischer Netzwerke (Schaltungen) ist die Kenntnis der
KIRCHHOFFschen Gesetze 2 (s. Abb. 1).
Das 1. KIRCHHOFFsche Gesetz (Knotenregel) lautet:
Die Summe aller Ströme an einem Verzweigungspunkt (Knoten) ist gleich Null.
1
2
Name nach GEORG SIMON OHM (1789 - 1854)
GUSTAV ROBERT KIRCHHOFF (1824 – 1887)
82
Dabei gilt die Vorzeichenkonvention, dass die hin- und wegfließenden Ströme an einem Verzweigungspunkt mit entgegengesetzten Vorzeichen versehen werden. Ob die hinfließenden Ströme positiv und die
wegfließenden negativ gezählt werden oder umgekehrt, spielt keine Rolle.
I1 , U1
R1
U
+
_
A
R2 I2 , U2
a
R3 I3 , U3
b
B
Abb. 1: Schaltung mit einer Gleichspannungsquelle mit der Klemmenspannung U, den Widerständen
R1,...,R3 sowie zwei Knoten A und B und zwei Maschen a und b.
Auf die Schaltung in Abb. 1 angewendet lautet die Knotenregel an den Knoten A und B:
(1)
A
=
: I1 − I 2 − I 3 0
B
=
: I 2 + I 3 − I1 0
Das 2. KIRCHHOFFsche Gesetz (Maschenregel) lautet:
In einer geschlossenen Schleife (Masche) eines Netzwerkes ist die Summe aller Teilspannungen gleich
null.
Auch bei der Anwendung dieses Gesetzes muss eine Vorzeichenkonvention getroffen werden. Sie lautet:
a) Jeder Spannung wird eine Richtung („Zählpfeil“) zugeordnet, die vom positiven zum negativen
Pol (z.B. der Spannungsquelle) zeigt.
b) Jedem Strom wird eine Richtung („Zählpfeil“) zugeordnet, die die Bewegungsrichtung der
positiven Ladungsträger kennzeichnet, d.h. der Strom fließt per Definition vom positiven zum
negativen Pol. Nach dem ohmschen Gesetz ist die Richtung der Spannung UR über einem
Widerstand R gleich der Richtung des Stromes IR, der durch R fließt und den Spannungsabfall
UR verursacht.
c) Bei der Anwendung der Maschenregel muss ein Umlaufsinn festgelegt werden (im oder gegen
den Uhrzeiger). Spannungen, deren Zählpfeile in Richtung des Umlaufsinns zeigen, werden
positiv, die übrigen negativ gezählt.
Auf die Schaltung in Abb. 1 angewendet lautet die Maschenregel in den Maschen a und b bei einem Umlaufsinn gegen den Uhrzeiger:
(2)
a :=
U − U 2 − U1 0
=
b : U 2 − U3 0
Mit den beiden KIRCHHOFFschen Gesetzen und den zugehörigen Vorzeichenkonventionen lassen sich alle
elektrischen Netzwerke beschreiben, die im Laufe des Grundpraktikums zum Einsatz kommen.
Frage 1:
- Wie lassen sich aus den KIRCHHOFFschen Gesetzen die Formeln für die Parallel- und Serienschaltung
von ohmschen Widerständen herleiten? Wie lauten die entsprechenden Beziehungen?
83
Es ist nicht immer ganz leicht zu erkennen, ob in einem Netzwerk Widerstände und andere Komponenten
parallel oder in Serie geschaltet sind. Bei der Entscheidung können zwei aus den KIRCHHOFFschen Gesetzen abgeleitete Regeln helfen:
 Widerstände liegen parallel, wenn an ihnen die gleiche Spannung abfällt.
 Widerstände liegen in Reihe, wenn sie vom gleichen Strom durchflossen werden.
2.2
Messmethoden für ohmsche Widerstände
2.2.1 Bestimmung des Widerstandes durch Ablesen des Aufdrucks
Abb. 2 zeigt einige handelsübliche Widerstände, die mit unterschiedlichen Arten der Kennzeichnung
(Beschriftung bzw. Farbringe) versehen sind. Im einfachsten Fall kann der Wert eines Widerstandes
direkt abgelesen werden. Dabei sind Beschriftungen üblich wie z.B. „120R“ für 120 Ω, „4R7“ für 4,7 Ω,
„3k3“ für 3,3 kΩ oder „5M6“ für 5,6 MΩ.
Abb. 2: Handelsübliche Widerstände mit unterschiedlichen Arten der Kennzeichnung. Oben Lastwiderstände (Leistung einige W), unten Widerstände für kleine Leistungen (< 1 W).
Ähnlich einfach ist das Ablesen eines bei den meisten Typen aufgedruckten Farbschlüssels. Dieser Farbschlüssel besteht aus Farbringen, die stets so angeordnet sind, dass der 1. Farbring näher an einem Ende
des Widerstandes liegt als der letzte Farbring am anderen Ende. Tabelle 1 gibt an, wie der Wert eines
Widerstandes aus der Farbcodierung bestimmt werden kann.
3 - 4 Ringe
5 – 6 Ringe
Farbe ↓
Schwarz
Braun
Rot
Orange
Gelb
Grün
Blau
Violett
Grau
Weiß
keine
Silber
Gold
*)
1. Ring
1. Ring
1. Ziffer
1
2
3
4
5
6
7
8
9
2. Ring
2. Ring
2. Ziffer
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
3. Ring
3. Ziffer
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
3. Ring
4. Ring
Multiplikator / Ω
1
10
2
10
3
10
4
10
5
10
6
10
7
10
-2*)
10
-1*)
10
wo die Leitfähigkeit von Gold- und Silberlacken stört
Tabelle 1: Farbschlüssel für ohmsche Widerstände.
-2
10
-1
10
4. Ring
5. Ring
Toleranz / %
±1
±2
±5
*)
± 10
± 20
± 10
±5
*)
6. Ring
-6
-1
Temp.-Koeff. / 10 ΩK
± 250
± 100
± 50
± 15
± 25
± 20
± 10
±5
±1
84
Frage 2:
- Wie groß ist der Wert eines Widerstandes mit der Farbcodierung Rot (1. Ring) - Violett - Braun Gold?
- Welche Farbcodierung hat ein Widerstand von (3,9 kΩ ± 10 %)?
2.2.2 Bestimmung des Widerstandes über eine Strom-/Spannungsmessung
Verbindet man die Enden einer idealen Spannungsquelle (s. Kap. 2.3), die die einstellbare Klemmenspannung U liefert, mit den Anschlussdrähten eines Widerstandes R, so fließt durch den Widerstand der Strom
I und es gilt das OHMsche Gesetz:
(3)
R=
U
I
Durch Messung der Spannung U mit einem Voltmeter und des Stromes I mit einem Amperemeter lässt
sich demnach R ermitteln. Zur Durchführung einer solchen Messung bieten sich gem. Abb. 3 zwei
Schaltungen A und B an.
A
U
IA , UA
+
R
_
IA , UA
IR , UR
V
IV , UV
U
+
_
IR , UR
Schaltung A
A
R
V
IV , UV
Schaltung B
Abb. 3: Zwei mögliche Schaltungen zur Messung des Widerstandes R durch eine Strom- und
Spannungsmessung. R ist an eine Gleichspannungsquelle mit der Klemmenspannung U angeschlossen. Der Strom wird mit dem Amperemeter A, die Spannung mit dem Voltmeter V
gemessen.
Stünden ideale Messgeräte zur Verfügung, d.h. ein Amperemeter mit einem verschwindenden Innenwiderstand und ein Voltmeter mit einem unendlich großen Innenwiderstand, so würden beide Schaltungen
das gleiche Ergebnis liefern. Tatsächlich jedoch hat ein Amperemeter einen Innenwiderstand RA > 0 und
ein Voltmeter einen Innenwiderstand RV < ∞. Das führt dazu, dass mit beiden Schaltungen jeweils ein
Wert für den Widerstand R ermittelt wird, der mit einem Fehler ∆R behaftet ist. Wir wollen nun für beide
Schaltungen den relativen Fehler ∆R/R ermitteln.
Sei IA der Strom durch das Amperemeter, IR der Strom durch den Widerstand und IV der Strom durch das
Voltmeter. Sei ferner UA der Spannungsabfall über dem Amperemeter, UR der Spannungsabfall über R
und UV der Spannungsabfall über dem Voltmeter. Dann gilt für die Schaltung A nach der Knotenregel:
(4)
I A − I R − IV =
0
und damit
(5)
I=
I R + IV
A
Der mit dieser Schaltung ermittelte Messwert für den Widerstand, RM, ist gegeben durch
85
(6)
UV
UV
=
I A I R + IV
R=
M
Die Abweichung ∆R vom tatsächlichen Wert R
(7)
R=
UR
IR
ist also:
(8)
∆R = R − RM
Setzen wir Gl. (6) in Gl. (8) ein, so erhalten wir nach einigen Umrechnungen und unter Berücksichtigung
von UV = UR (Maschenregel) für den relativen Fehler bei Benutzung von Schaltung A:
(9)
∆R
R
=
R
R + RV
Für Schaltung B gilt nach der Maschenregel:
(10)
UV − U A − U R =
0
und damit
(11)
U=
U A +UR
V
Der gemessene Widerstand RM ist unter Berücksichtigung von IA = IR:
(12)
R=
M
UV UV U A + U R
= =
= RA + R
IA
IR
IA
Für den tatsächlichen Widerstand R gilt wieder Gl. (7). Setzen wir Gl. (12) in Gl. (8) ein, so erhalten wir
für den relativen Fehler bei Benutzung von Schaltung B:
(13)
∆R
R
= − A
R
R
Frage 3:
- Skizzieren Sie in einem Diagramm den Verlauf des relativen Fehlers als Funktion des Widerstandes R
für Schaltung A und Schaltung B. Ist eine der Schaltungen grundsätzlich besser als die andere? Wenn
nein: wann ist welche Schaltung zu bevorzugen?
- Die beiden Schaltungen heißen auch „stromrichtige“ bzw. „spannungsrichtige“ Schaltung. Welche
Schaltung heißt wie? Warum?
2.2.3 Widerstandsmessung mit einem Ohmmeter
Statt den Widerstand aus einer Strom-/Spannungsmessung zu bestimmen, kann man ihn auch direkt mit
einem Ohmmeter messen. Ein Analog-Ohmmeter (Zeigerinstrument) besteht im einfachsten Fall aus einer
Spannungsquelle (Batterie), an die der Widerstand R angeschlossen wird, einem zu R in Reihe liegenden,
veränderbaren Innenwiderstand Ri und einem Strommesser, mit dem der Strom durch den Widerstand R
bestimmt wird. Dieser Strom führt zu einem Zeigerausschlag, der auf einer geeigneten OHM-Skala abge-
86
lesen wird. Diese Skala verläuft wegen des Zusammenhangs R = U/I umgekehrt proportional zur Stromskala.
Da die Spannungsquelle nicht immer die gleiche Spannung liefert (Alterung der Batterie), muss zu Beginn einer Messung das Ohmmeter durch Veränderung von Ri abgeglichen werden. Dazu werden die
Anschlusskontakte kurzgeschlossen und der Zeigerausschlag mittels einer Stellschraube auf 0 Ω gedreht.
Moderne Digital-Ohmmeter sind anders aufgebaut. Sie sind in der Regel in Vielfachmessgeräte (Multimeter) integriert. Solche Geräte enthalten komplexe elektronische Schaltungen mit integrierten Mikroprozessoren zur Messung der gewünschten Parameter (Strom, Spannung, Widerstand, Frequenz u.v.m.) und
LCD-Elemente zur Messwertanzeige.
2.2.4 Widerstandsmessung mit der Wheatstoneschen Messbrücke
Mit einer WHEATSTONEschen Messbrücke 3 lässt sich der Wert für einen Widerstand R ermitteln, ohne
dass dabei Fehler durch unzulängliche (reale) Messgeräte für Strom, Spannung oder Widerstand entstehen; benötigt wird allerdings ein geeichter Vergleichswiderstand.
Wir betrachten eine WHEATSTONEsche Messbrücke gem. Abb. 4. Ein homogener Widerstandsdraht, in
der Regel aus Konstantan4, mit dem spezifischen Widerstand ρ ([ρ] = Ωm), der Gesamtlänge l = l1 + l2
und der Querschnittsfläche A wird mit dem zu messenden Widerstand R und einem geeichten Vergleichswiderstand R3 wie abgebildet zusammengeschaltet. Die Widerstände der beiden Drahtstücke sind:
l1
l2
=
R1 ρ=
und
R2 ρ
(14)
A
A
An dieses Widerstandsnetzwerk wird die Spannung U angelegt, die einer Gleichspannungsquelle entnommen wird. Mit einem Amperemeter A wird der Strom gemessen, der längs der Verbindung zwischen
dem Punkt P und dem verschiebbaren Abgriffpunkt Q am Widerstandsdraht fließt.
R3
R
P
A
U
+
_
R1
Q
l1
R2
l2
Abb. 4: Wheatstonesche Messbrücke mit Konstantan-Widerstandsdraht (gelb). R (grün) ist der zu messende Widerstand, R3 der Vergleichswiderstand.
Es gibt eine Lage des Abgriffpunktes Q, bei dem zwischen P und Q keine Spannung herrscht und deshalb
kein Strom fließt. In diesem Fall sind die Spannungen über R3 und R1 sowie über R und R2 gleich. Man
nennt die Messbrücke dann „abgeglichen“ und es gilt:
(15)
3
4
R3 R1 l1
= =
R R2 l2
CHARLES WHEATSTONE (1802 – 1875)
Konstantan ist eine Legierung aus ca. 60 % Kupfer und ca. 40 % Nickel, deren spezifischer Widerstand über
einen weiten Temperaturbereich nahezu konstant ist (ρ ≈ 45 × 10-8 Ωm bei 20 °C).
87
und damit
(16)
R = R3
l2
l1
Bei abgeglichener Messbrücke lässt sich demnach der gesuchte Widerstand R durch Messung der Längen
l1 und l2 und in Kenntnis des geeichten Widerstandes R3 aus Gl. (16) ermitteln; Unzulänglichkeiten
elektrischer Messgeräte spielen dann keine Rolle mehr. Das ist der Vorteil dieses Messverfahrens, einer
so genannten Kompensationsmethode.
Frage 4:
- Zeichnen Sie in Abb. 4 sämtliche Stromverzweigungspunkte der nicht abgeglichenen Messbrücke und
die dort fließenden Ströme inkl. Vorzeichen ein.
- Zeichnen Sie in Abb. 4 sämtliche Maschen der nicht abgeglichenen Messbrücke und die in den Maschen herrschenden Spannungen inkl. Vorzeichen ein.
2.2.5 Brückenschaltung zur Messung von Widerstandsänderungen
Brückenschaltungen werden u.a. eingesetzt, um kleine Widerstandsänderungen ∆R in dazu proportionale
Spannungen umzusetzen. Sie sind Standard in vielen Bereichen der Sensor-Messtechnik. Wir betrachten
als Beispiel eine Brückenschaltung mit Dehnungsmessstreifen (DMS). DMS können zum Aufbau von
Kraftsensoren eingesetzt werden. Einen solchen Kraftsensor werden wir im Versuch „Sensoren…“ kennenlernen. Seine theoretischen Grundlagen sollen bereits hier beschrieben werden.
Das Prinzip des DMS besteht darin, dass ein dünner elektrischer Leiter durch Einwirkung einer äußeren
Kraft F in der Länge l gedehnt wird 5, wodurch sich gleichzeitig sein Querschnitt A verringert (Abb. 5).
Dadurch ändert sich sein Widerstand R, der gem. Gl. (14) gegeben ist durch:
(17)
R=ρ
l
A
F
Abb. 5: Schema eines Dehnungsmessstreifens (DMS) auf Metallfolienbasis. Eine dünne Metallfolie
(gelb) ist mäanderförmig auf einer Trägerfolie (grau) aufgebracht, um die effektive Länge des
Leiters bei kleiner Größe des DMS zu vergrößern. Die Trägerfolie wird auf das zu untersuchende Werkstück geklebt und folgt dessen Verformungen bei Einwirkung einer Kraft F.
5
Eine positive Dehnung ist eine Streckung, eine negative eine Stauchung.
88
Für einen Leiter mit kreisförmigem Querschnitt vom Durchmesser d gilt:
(18)
4l
π d2
R=ρ
Durch die Dehnung ändert sich die Länge l des Leiters um ∆l, der Durchmesser d um ∆d und je nach
Material möglicherweise auch der spezifische Widerstand ρ um ∆ρ. Die dadurch hervorgerufene Änderung des ohmschen Widerstandes ist durch das totale Differential ∆R gegeben:
(19)
∆R=
∂R
∂R
∂R
1  4l
4
4l

∆ρ +
∆l +
∆d=
 2 ∆ρ + ρ 2 ∆l − 2 ρ 3 ∆d 
∂ρ
∂l
∂d
d
d
πd

Die relative Widerstandsänderung ist damit:
(20)
∆R ∆ρ ∆l
∆d
=
+
−2
ρ
R
l
d
Die relative Längenänderung ∆l/l ist per Definition die Dehnung ε :
(21)
ε=
∆l
l
Die POISSON-Zahl 6 µ ist per Definition der negative Quotient aus der relativen Querschnittsänderung
∆d/d und der relativen Längenänderung ∆l/l, also:
(22)
∆d
∆d
µ=
− d :=
− d
∆l
ε
l
Wird die Größe ε = ∆l/l in Gl. (20) ausgeklammert und werden Gl. (21) und (22) in Gl. (20) eingesetzt, so
folgt:
(23)
 ∆ρ



∆R
ρ
ε: kε
= 
+ 1 + 2 µ =
R  ε





Der Term in Klammern ist der sogenannte k-Faktor eines DMS. k hängt vom verwendeten Material ab, es
ist z.B. k ≈ 2 für Konstantan und k ≈ 4 für Platin 7. Je größer k, desto größer die relative Widerstandsänderung bei Dehnung.
Mit Hilfe einer Brückenschaltung wird die Widerstandsänderung ∆R in eine Spannung U umgesetzt. Zur
quantitativen Beschreibung der Brückenschaltung betrachten wir die Schaltung in Abb. 6, die analog zur
WHEATSTONEschen Brücke in Abb. 4 aufgebaut ist.
6
7
SIMÉON DENIS POISSON (1781 – 1840)
Für monokristallines Silizium (Si) ist k ≈ 100. DMS auf Si-Basis werden z.B. in Drucksensoren eingesetzt, die
wir im späteren Versuch „Sensoren…“ kennenlernen werden.
89
U1
U3
R3
R1
+
V
R2
-
R4
U2
=U0
U4
Abb. 6: Brückenschaltung zur Messung von kleinen Änderungen des Widerstandes R1 (hier DMS). Mit
dem Voltmeter V wird die Spannung U in der Brückendiagonalen gemessen.
Für den Fall, dass der Innenwiderstand des Voltmeters V gegen unendlich geht, gelten die folgenden
Zusammenhänge:
U3 R 3
U1 R 1
(24)
=
=
U2 R 2
U4 R 4
U1 + U 2 U 0
(25) =
U3 + U 4 U0
=
Durch Kombination von Gl. (24) und (25) folgt:
R1
R3
(26)
=
U1 U=
U3 U0
0
R1 + R 2
R3 + R4
Die Spannung U in der Brückendiagonale ist:
(27)
 R1
R3 
U = U1 − U 3 = U 0 
−
 R 1 + R 2 R 3 + R 4 


Wir betrachten nun den speziellen Fall anfänglich gleicher Widerstände R1,...,R4 von denen einer (R1)
anschließend um den kleinen Betrag ∆R verändert wird. Im Falle einer Brückenschaltung mit einem DMS
wäre R1 dessen Widerstand und ∆R die durch die mechanische Verformung hervorgerufene Änderung. Es
gilt also:
(28)
R 1= R + ∆R
R 2= R 3= R 4 =: R
Damit folgt für die Spannung U aus Gl. (27):


 R + ∆R
 R + ∆R
R 
1  U 0 ∆R  1 
(29)
U U0 
=
−=
=
− 


 U0 
 R + ∆R + R R + R 
 2 R + ∆R 2  2 R  2 + ∆R 
R 

Gl. (29) zeigt, dass der Zusammenhang zwischen U und ∆R nichtlinear ist. Ist jedoch ∆R << R, so gilt:
90
(30)
1
1
≈
∆R 2
2+
R
und damit:
(31)
U≈
U 0 ∆R
4 R
Die Widerstandsänderung ∆R wird demnach in der Umgebung des sogenannten Arbeitspunktes
(∆R << R) annähernd linear in eine Spannung U umgesetzt, deren Höhe durch die Betriebsspannung
(Speisespannung) der Brücke, U0, beeinflusst werden kann.
In der beschriebenen Anordnung wird einer von vier Widerständen der Brücke durch einen DMS ersetzt.
Man spricht in diesem Fall von einer Viertelbrücke. In der Praxis verwendet man in einer Brückenschaltung häufig zwei DMS, deren Widerstände sich durch die Verformung des Messobjektes gegenläufig
ändern (Abb. 7). Man spricht in diesem Fall von einer Halbbrücke. Ein Beispiel ist der Einsatz von zwei
DMS zur Messung von Kräften mit einem Biegestab (Abb. 8), den wir im Versuch „Sensoren...“ genauer
betrachten werden. Die DMS werden so in die Brücke integriert, dass der obere gestreckte DMS den
Widerstand R1 und der untere gestauchte den Widerstand R2 ersetzt. Dann gilt:
(32)
R1= R + ∆R
R2= R − ∆R
R3= R4= R
U1
U3
R3
R1
+
V
R2
U2
-
=U0
R4
U4
Abb. 7: Brückenschaltung mit zwei DMS (Halbbrücke).
Durch Einsetzen von Gl. (32) in Gl. (27) folgt für die Halbbrücke:
(33)
U=
U 0 ∆R
2 R
Diese Gleichung macht die Vorteile der Halbbrücke gegenüber der Viertelbrücke deutlich: Erstens ist der
Zusammenhang zwischen U und ∆R nun linear. Zweitens führt die gleiche Widerstandsänderung ∆R zu
einer doppelt so hohen Ausgangsspannung U. Die Empfindlichkeit der Halbbrücke ist also doppelt so
hoch.
91
F
DMS
Abb. 8: Biegestab (grün) mit zwei DMS (gelb). Der Stab ist links in einem Block (grau) fixiert. Durch
die Kraft F wird der Stab so verformt, dass der obere DMS gestreckt und der untere gestaucht
wird. Eine mechanische Begrenzung (rot) verhindert eine zu starke Biegung des Stabes.
Bei einer Vollbrücke werden alle vier Widerstände durch DMS ersetzt, die sich paarweise (R1/R4 und
R2/R3) gegenläufig ändern. In diesem Fall folgt für die Spannung U:
(34)
U = U0
∆R
R
Es ergibt sich demnach eine nochmals um den Faktor 2 verdoppelte Empfindlichkeit.
2.3
Eigenschaften realer Spannungsquellen
2.3.1 Innenwiderstand realer Spannungsquellen
Eine ideale Spannungsquelle liefert unabhängig von ihrer Belastung (dem von ihr gelieferten Strom) an
ihren Anschlussklemmen eine konstante Klemmenspannung U, die gleich der konstanten Quellenspannung U0 ist. Solche idealen Spannungsquellen lassen sich technisch nicht realisieren. Vielmehr haben wir
es in der Praxis immer mit realen Spannungsquellen wie Batterien, Netzgeräten oder Funktionsgeneratoren zu tun, deren Klemmenspannung mit zunehmender Belastung immer kleiner wird. Um diese Eigenschaft realer Spannungsquellen zu beschreiben, bedienen wir uns eines Modells, bei dem die reale Spannungsquelle durch eine ideale Spannungsquelle G und einen dazu in Reihe liegenden Innenwiderstand Ri
ersetzt wird. Abb. 9 zeigt das entsprechende Ersatzschaltbild. Belasten wir eine solche Spannungsquelle
gem. Abb. 10 mit einem externen Lastwiderstand Rl, so fließt der Laststrom I sowohl durch Rl, als auch
durch Ri. Dieser Strom bewirkt an Ri einen Spannungsabfall IRi, um den die Klemmenspannung U gegenüber der Quellenspannung U0 vermindert wird. Es gilt also:
(35)
U
= U 0 − IRi
I
Ri
Ri
U
U
=U0
G
Abb. 9: Ersatzschaltbild einer unbelasteten realen Spannungsquelle
=U0
Rl
V
G
Abb. 10: Ersatzschaltbild einer realen Spannungsquelle mit Lastwiderstand Rl.
Soll demnach mit einem idealen Voltmeter V in einer Schaltung gem. Abb. 10 die Quellenspannung U0
gemessen werden, muss der Laststrom I gegen Null gehen. Dies wird durch einen großen Lastwiderstand
Rl erreicht.
Ersetzen wir in Gl. (35) den Strom I nach dem OHMschen Gesetz durch U/Rl, so erhalten wir für den Zusammenhang zwischen U und Rl:
92
(36)
U = U0
Rl
Rl + Ri
Dieser Gleichung entnehmen wir insbesondere, dass im Falle Rl = Ri die Klemmenspannung auf die
Hälfte der Quellenspannung absinkt. Wir haben damit eine Möglichkeit, den Innenwiderstand einer realen
Spannungsquelle zu bestimmen.
Frage 5:
- Skizzieren Sie den Verlauf der Klemmenspannung U als Funktion des Lastwiderstandes Rl.
2.3.2 Anpassung eines Verbrauchers an eine reale Spannungsquelle
2.3.2.1 Leistungsanpassung
Beim Anschluss eines elektrischen Verbrauchers an eine Spannungsquelle ist es häufig wünschenswert,
den Innenwiderstand des Verbrauchers so zu dimensionieren, dass der Spannungsquelle die maximale
Leistung entnommen werden kann (Leistungsanpassung; eingesetzt z.B. bei der Übertragung von
Hochfrequenzsignalen 8). Der Innenwiderstand des Verbrauchers ist der Lastwiderstand Rl, mit dem die
Spannungsquelle belastet wird. Die Leistung P, die an diesen Widerstand abgegeben wird, ist gegeben
durch:
(37)
=
P UI
=
U2
Rl
Einsetzen von Gl. (36) in Gl. (37) liefert:
(38)
P = U 02
Rl
( Rl + Ri )2
Die maximale Leistungsentnahme findet statt, wenn der Innenwiderstand des Verbrauchers gleich dem
Innenwiderstand der Spannungsquelle ist, wenn also gilt:
(39)
Rl = Ri
Frage 6:
- Skizzieren Sie den Verlauf von P als Funktion von Rl. Wie gelangt man von Gl. (38) zur Gl. (39)? Wie
groß ist die maximale Leistung, die der Spannungsquelle entnommen werden kann?
2.3.2.2 Spannungsanpassung
Bei der u.a. in der Starkstromtechnik und der Tontechnik angewandten Spannungsanpassung ist es das
Ziel, der Spannungsquelle eine möglichst große Spannung U zu entnehmen. Dies ist nach Gl. (36) der
Fall unter der Bedingung:
(40)
8
Rl >> Ri
Die Leistungsanpassung in der Nachrichtentechnik führt gleichzeitig zur Verhinderung von unerwünschten
Signalreflexionen, die wir im Versuch „Signalübertragung...“ (SoSe) noch genauer untersuchen werden.
93
2.3.2.3 Stromanpassung
Bei der Stromanpassung ist es das Ziel, der Spannungsquelle einen möglichst großen Strom I zu entnehmen. Sie wird z.B. beim Laden von Akkumulatoren verwendet. Nach dem OHMschen Gesetz gilt:
(41)
I=
U0
Ri + Rl
so dass die Bedingung für einen möglichst großen Strom lautet:
(42)
Rl << Ri
In diesem Fall ist der Strom vom Lastwiderstand nahezu unabhängig.
3
Versuchsdurchführung
Zubehör:
Netzgerät (PHYWE (0 – 15 / 0 - 30) V)), Funktionsgenerator (TOELLNER 7401), mehrere Digital-Multimeter, Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, Widerstandsdekade, Schiebewiderstand (Rges ≈ 11,5 Ω), unbekannter Widerstand in Halterung, Box für Brückenschaltung, Kupferplattenpaar in Halterung, Wasserbecken auf höhenverstellbarer Halterung, Metallmaßband, Messschieber, Haushaltstuch-Rolle
Achtung:
Beim Anschluss von Widerständen an Spannungsquellen muss immer darauf geachtet werden, dass
die maximal zulässige Verlustleistung Pmax des Widerstandes nicht überschritten wird
(P = UI = U 2/R < Pmax). Angaben über Pmax der Widerstände finden sich entweder auf den zur Verfügung gestellten Komponenten (z.B. Widerstandsdekade) oder müssen bei der technischen Assistenz
erfragt werden.
Beim Betrieb des Netzgerätes ist darauf zu achten, dass keine ungewollte Strombegrenzung eingestellt
ist.
Die Multimeter vom Typ FLUKE 112 liefern bei Strommessungen nur eine begrenzte Auflösung. Sie
werden deshalb in diesem Versuch nur als Ohmmeter oder Voltmeter eingesetzt, nicht als Amperemeter.
Bei den Multimetern vom Typ MONACOR DMT-3010 brennen bei Fehlbedienung leicht die Sicherungen durch. Deshalb besondere Vorsicht bei ihrem Einsatz!
3.1
Hinweise zu den verwendeten Messgeräten
Die verwendeten Messgeräte verfügen über die Möglichkeit der manuellen und z. T. auch automatischen
Messbereichsumschaltung. Eine Messbereichsumschaltung dient dazu, den Messwert auf der Skala bzw.
der Ziffernanzeige des Messgerätes mit größtmöglicher Genauigkeit anzeigen zu können. Bei einem
Digital-Voltmeter würde eine Spannung von 1,78 V im Messbereich „2 V“ beispielsweise als 1,78 V
angezeigt, im Messbereich „200 V“ jedoch als 2 V.
Bei der Messbereichsumschaltung eines Amperemeters wird parallel zum Innenwiderstand des Gerätes
ein Präzisionswiderstand (Shunt) hinzugeschaltet. Dieser Widerstand ist für die einzelnen Messbereiche
jeweils so bemessen, dass der Strom durch das Amperemeter für alle Messbereiche etwa gleich bleibt.
Analog wird bei der Messbereichsumschaltung eines Voltmeters ein Präzisionswiderstand zum Innenwi-
94
derstand des Gerätes in Serie hinzugeschaltet, der jeweils so bemessen ist, dass an dem Voltmeter für alle
Messbereiche etwa die gleiche Spannung abfällt.
Zu einigen der im Grundpraktikum verwendeten Messgeräte existieren Angaben über die Innenwiderstände bei Strommessungen (RA) und bei Spannungsmessungen (RV), die vom Messbereich abhängen.
Statt eines Innenwiderstandes RA ist oftmals ein Spannungsabfall ∆U angegeben (z.B. 20 mV, 200 mV
usw.). In diesem Fall gilt RA = ∆U / Imax, wobei Imax der maximale Strom im eingestellten Messbereich ist.
Für andere Messgeräte liegen keine Angaben zu RV und/oder RA vor. In diesen Fällen kann davon ausgegangen werden, dass RV so groß (z.B. 10 MΩ) und RA so klein (z.B. 0,5 Ω) ist, dass ihr Einfluss auf das
Messergebnis vernachlässigbar ist.
Angaben über den Gesamtmessfehler eines Messgerätes bzw. über die Genauigkeit eines Messwertes finden sich auf den Geräten oder in den Geräte-Handbüchern. Diese Werte setzen sich üblicherweise aus
zwei Beiträgen zusammen. Der erste, wesentliche Beitrag wird in Prozent des Messwertes angegeben.
Der zweite Beitrag kann z.B. in Prozent des Messbereiches angegeben sein oder in Einheiten der letzten
angezeigten Stelle des Messwertes.
Dazu folgende Beispiele:
1.) Mit dem Messgerät FLUKE Modell 112 wird eine Gleichspannung von 2,348 V im Messbereich
6,000 V gemessen. Für diesen Spannungsmessbereich beträgt die Genauigkeit laut Handbuch:
± (0,7 % des Messwertes + 0,003) V. Für das genannte Beispiel ergibt sich demnach als Genauigkeit
± (0,007 × 2,348 + 0,003) V = ± 0,019 V (gerundet auf 2 signifikante Stellen). Dieser Wert ist gleichzeitig der Größtfehler für den Messwert.
2.) Mit dem Messgerät Agilent U1272A wird eine Gleichspannung von 297,34 mV im Messbereich
300,00 mV gemessen. Für diesen Spannungsmessbereich beträgt die Genauigkeit laut Handbuch:
„0,05 % + 5“. Die Prozentangabe bezieht sich auf den Messwert, die „5“ auf die letzte angezeigte
Stelle (Digit) des Messwertes (hier die 4 für 0,04 mV). Der Größtfehler ist also
± (0,0005 × 297,34 + 0,05) mV = 0,20 V (gerundet auf 2 signifikante Stellen).
3.2
Messung von Widerständen
Mit einigen in Kap. 2.2 dargestellten Verfahren soll der Wert eines unbekannten Widerstandes R (in der
Größenordnung 1 kΩ) einschließlich Größtfehler ermittelt werden. Folgende Schritte sollen dazu der
Reihe nach durchgeführt werden:
a) Messung mit verschiedenen Ohmmetern: Der Wert des Widerstandes R soll mit mindestens fünf Ohmmetern gemessen werden. Es können z. T. auch Ohmmeter gleichen Typs eingesetzt werden.
Jedem Ohmmeter wird eine Nr. j zugeordnet. Vor der Messung müssen die Messgeräte auf den
Messbereich eingestellt werden, der eine möglichst genaue Messung erlaubt. Für jeden Messwert Rj
wird der Größtfehler ∆Rj ermittelt. In einer Grafik werden die Rj inkl. Fehlerbalken über j dargestellt.
b) Strom-/Spannungsmessung: Exemplarisch wird Schaltung A gem. Abb. 3 aufgebaut. Als
Spannungsquelle dient ein Netzgerät, dessen Innenwiderstand für diese Messung vernachlässigt werden kann. Für mindestens 10 verschiedene Spannungen am Netzgerät wird jeweils der Strom mit dem
Amperemeter und die Spannung mit dem Voltmeter gemessen. Dabei muss vorher überlegt werden,
in welchem Bereich die zu messenden Größen liegen und die Messbereiche entsprechend eingestellt
werden.
Für jedes Wertepaar (U, I) wird ein Widerstandswert R = U/I ermittelt. Aus diesen Daten wird
anschließend der Mittelwert R und seine Standardabweichung σ R bestimmt.
Anschließend werden in einer grafischen Darstellung die gemessenen Spannungswerte U über den
gemessenen Stromwerten I aufgetragen und die Größtfehler von U und I jeweils in Form von Fehler-
95
balken eingezeichnet. Die Parameter der Ausgleichsgeraden durch die Messpunkte werden berechnet
und die Ausgleichsgerade wird in das Diagramm eingezeichnet 9. Die Steigung R (± σR) der
Ausgleichsgeraden ist ein guter Schätzwert für den gesuchten Widerstandswert. Dieser Schätzwert
wird mit dem vorher gefundenen Mittelwert R (± σ R ) verglichen und überprüft, ob beide Methoden
der Auswertung vergleichbare Ergebnisse liefern.
c) WHEATSTONEsche Messbrücke: Es wird eine WHEATSTONEsche Messbrücke gem. Abb. 4 aufgebaut. Als Spannungsquelle dient wieder ein Netzgerät, als Kalibrierwiderstand R3 ein Widerstand
einer Widerstandsdekade. Dieser Widerstand wird etwa gleich groß wie der zu messende Widerstand
R gewählt. In diesem Fall gilt nämlich bei abgeglichener Messbrücke l1 ≈ l2 und der Fehler bei der
Bestimmung von R wird minimal. Als Fehler für den mit Gl. (16) berechneten Wert von R wird der
Größtfehler angegeben.
Frage 7:
- Wie lässt sich anschaulich erklären, dass der Fehler bei der Bestimmung von R im Fall l1 ≈ l2 minimal
wird? (Hinweis: Ablesegenauigkeit der Längenskala berücksichtigen!)
Nachdem der Widerstand auf die verschiedenen Arten bestimmt wurde, sollen alle Messergebnisse aus
Kap. 3.2 in einer Grafik analog zu Kap. 3.2 a) dargestellt und miteinander verglichen werden.
3.3
Messung des Innenwiderstandes eines Funktionsgenerators
Mit einer Schaltung gem. Abb. 10 soll der Innenwiderstand (auch Ausgangswiderstand genannt) eines
Funktionsgenerators (FG) bestimmt werden. Das Ersatzschaltbild des Funktionsgenerators besteht aus
einer idealen Spannungsquelle G und dem dazu in Reihe liegenden Innenwiderstand Ri (Größenordnung
50 Ω).
Am Funktionsgenerator wird eine sinusförmige Ausgangsspannung eingestellt (Amplitude UFG ≈ 4 V,
Frequenz ca. 1 kHz) und zunächst ein Lastwiderstand von Rl = 100 kΩ und damit Rl >> Ri angeschlossen
(Widerstandsdekade). Die Spannungsamplitude U über Rl wird mit einem Oszilloskop gemessen, dessen
Innenwiderstand von ca. 1 MΩ unberücksichtigt bleiben kann. Für Rl = 100 kΩ gilt mit hinreichender
Genauigkeit U0 ≈ UFG.
Der Lastwiderstand wird anschließend durch entsprechendes Umschalten der Widerstandsdekade auf
Werte zwischen 1 kΩ und etwa 20 Ω erniedrigt. Für jeden Wert von Rl wird die Spannungsamplitude U
gemessen und anschließend U über Rl aufgetragen. Durch grafische Interpolation 10 der entstehenden
Kurve wird der Wert für Rl gesucht, bei dem U auf die Hälfte von U0 abgesunken ist. Dieser Widerstand
entspricht dem gesuchten Innenwiderstand Ri des Funktionsgenerators (s. Kap. 2.3.1).
Hinweis:
Der maximale Strom, der beim kleinsten Widerstand (20 Ω) fließt, ist Imax = 4 V / 20 Ω = 200 mA. Die
maximale momentane Leistung am Widerstand ist demnach P = U I = 0,8 W und damit unter der
Belastungsgrenze der Widerstandsdekade von 1 W.
3.4
Spezifischer Widerstand von Leitungswasser
Wir betrachten die Anordnung in Abb. 11. Zwei rechteckige Kupferplatten der Breite b sind parallel
zueinander im Abstand l montiert. Sie werden mit einer Höhenverstelleinheit in ein Becken mit gewöhn9
10
Die Berechnung der Parameter der Ausgleichsgeraden und ihre grafische Darstellung erfolgen mit Origin.
Hinweise dazu werden im Begleitseminar gegeben.
Mit „grafischer Interpolation“ ist gemeint: Es wird von Hand eine Ausgleichskurve durch die Messpunkte
gezeichnet. Anschließend wird die Gerade U = U0/2 eingezeichnet und ihr Schnittpunkt mit der Ausgleichskurve
bestimmt. Der R- Wert des Schnittpunktes wird auf der Abszisse abgelesen. Sein Größtfehler ∆R ergibt sich aus
der Ablesegenauigkeit für R.
96
lichem Leitungswasser eingetaucht. Durch Anheben des Beckens lässt sich eine variable Eintauchtiefe d
der Platten in das Wasser erreichen. Ist ρw der spezifische Widerstand des Wassers, so ist der ohmsche
Widerstand Rw des Wassers zwischen den Platten gegeben durch (vgl. Gl. (14)):
(43)
Rw = ρ w
l 1
b d
U~
d
l
Abb. 11: Anordnung zur Messung des spezifischen Widerstandes von Leitungswasser (Amperemeter und
Voltmeter nicht eingezeichnet).
Durch Messung des Stromes I (Amperemeter) bei einer angelegten Spannung U (Voltmeter) zwischen
den Platten (Schaltung A, s. Abb. 3) wird Rw für möglichst viele Werte der Eintauchtiefe d im Bereich
zwischen 50 mm und 20 mm bestimmt Für die einzelnen Werte von U, I und Rw müssen keine Fehler
angegeben werden. Anschließend wird Rw über 1/d aufgetragen. In das Diagramm wird die Ausgleichsgerade eingezeichnet und aus ihrer Steigung der spezifische Widerstand ρw des Leitungswassers inkl.
Größtfehler berechnet (l und b messen!).
Anmerkung:
Um Polarisationseffekte im Wasser zu vermeiden, wird nicht eine Gleichspannung, sondern eine
sinusförmige Wechselspannung ohne Gleichspannungsanteil (DC-Offset am FG ausschalten) an die
Kupferplatten gelegt, die einem Funktionsgenerator entnommen wird (Ueff ≈ 2 V bei d ≈ 50 mm, Frequenz ca. 50 Hz). Auch mit dieser Maßnahme verhält sich das Wasser als Ionenleiter nicht genau so,
wie wir es von einem metallischen Leiter kennen. Beispielsweise nimmt sein Widerstand mit der
Temperatur ab, während er bei metallischen Leitern mit der Temperatur zunimmt. Wir müssen daher
davon ausgehen, dass die Messung nur einen Orientierungswert für ρW liefert. Da überdies ρw je nach
Beschaffenheit des Leitungswassers erheblich streut, wird auf einen Vergleich des Messwertes mit
einem Literaturwert verzichtet. 11
Wegen der Messung mit einer Wechselspannung müssen die Multimeter in den AC-Modus umgeschaltet werden!
3.5
Brückenschaltung zur Messung von Widerstandsänderungen
Es wird eine Brückenschaltung gem. Abb. 6 aufgebaut (R1,...,4 ≈ 100 Ω, U0 ≈ 5 V). R2,…4 sind in eine Box
eingelötet, R1 wird mit einer Widerstandsdekade eingestellt. Die Spannung U in der Brückendiagonalen
wird für etwa 10 Widerstandsänderungen ∆R des Widerstandes R1 im Bereich zwischen ± 1 Ω und ± 10 Ω
gemessen, also für R1 im Bereich (90 – 110) Ω. U wird über ∆R aufgetragen und die Linearität des
Zusammenhangs gem. Gl. (31) überprüft.
11
Der spezifische Widerstand von Leitungswasser bei 20 °C liegt in der Größenordnung von (10 – 20) Ωm. Zum
Vergleich: der spezifische Widerstand von Kupfer bei 20 °C beträgt etwa 1,7 × 10-8 Ωm.
97
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Modul Grundpraktikum Physik – Teil I
Messung von Kapazitäten,
Auf- und Entladungen von Kondensatoren
Stichworte:
Kondensator, Plattenkondensator, Dielektrikum, RC-Glied, Auf- und Entladekurven von Kondensatoren, Phasenverschiebung, KIRCHHOFFsche Gesetze, Ein- und Ausgangswiderstände und –kapazitäten.
Messprogramm
Bestimmung des Eingangswiderstandes eines Oszilloskops aus der Entladekurve eines Kondensators,
Messung der Kapazität von Koaxialkabeln, Messung der relativen Permittivität von PVC, Bestimmung der Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung in einem RC-Glied.
Literatur:
/1/ DEMTRÖDER, W.: „Experimentalphysik 2 – Elektrizität und Optik“, Springer-Verlag, Berlin u.a.
/2/ STÖCKER, H.: „Taschenbuch der Physik“, Harri Deutsch, Frankfurt
/3/ KORIES, R., SCHMIDT-WALTER, H.: „Taschenbuch der Elektrotechnik“, Harri Deutsch, Frankfurt
1
Einleitung
In diesem Versuch werden Messverfahren vorgestellt, mit deren Hilfe die Kapazitäten von Kondensatoren
bestimmt werden können. Zusätzlich wird das Verhalten von Kondensatoren in Wechselstromkreisen
untersucht. In der Experimentalphysikvorlesung des zweiten Semesters werden diese Themen noch ausführlich behandelt. Einfache Grundlagen, wie sie hier dargestellt werden, müssen jedoch frühzeitig
bekannt sein, um das Verhalten von Kondensatoren in elektrischen Schaltungen verstehen zu können, die
im Grundpraktikum zum Einsatz kommen.
2
Theorie
2.1
Kapazität eines Kondensators
Jede Anordnung von zwei elektrischen Leitern, die sich in einem gewissen Abstand voneinander befinden, bildet einen Kondensator. So stellen z.B. zwei nebeneinander liegende Drähte (z.B. Laborkabel)
ebenso einen Kondensator dar, wie zwei zueinander parallele Metallplatten oder ein Draht, der in einem
bestimmten Abstand von einem Drahtgeflecht umgeben ist (Koaxialkabel).
Ub
+
_
A
+ Q0
E
d
- Q0
Abb. 1: Schema eines Plattenkondensators. Bezeichnungen siehe Text.
Betrachten wir exemplarisch einen Kondensator besonders einfacher Bauform, den so genannten Plattenkondensator, bei dem zwei elektrisch leitende Platten mit je der Fläche A im Abstand d parallel zueinander angeordnet sind (Abb. 1). Schließt man einen solchen Kondensator an eine Spannungsquelle mit der
Betriebsspannung Ub an (Klemmenspannung im unbelasteten Zustand), so fließt kurzzeitig ein Ladestrom: die Spannungsquelle zieht Elektronen von der einen Platte ab und bringt sie auf die andere Platte,
98
d.h. sie sorgt für die Verlagerung einer Ladung Q von der einen auf die andere Platte. Durch diese
Ladungsverlagerung wird ein elektrisches Feld E zwischen den Platten aufgebaut, dessen Betrag durch
E = U/d gegeben ist, wobei U die momentane Spannung über dem Kondensator ist. Diese Spannung
erreicht nach einer gewissen Zeit ihr Maximum von U = Ub. Zu diesem Zeitpunkt ist die Aufladung des
Kondensators beendet; die eine Platte trägt dann die Ladung +Q0, die andere die Ladung -Q0.
Ub und Q0 sind zueinander proportional, die Proportionalitätskonstante
(1)
C=
Q0
Ub
heißt Kapazität des Kondensators. Ihre Einheit ist das FARAD F 1:
(2)
[C ]= F=
A ⋅s C
=
V
V
(1 C = 1 COULOMB 2)
Für einen Plattenkondensator im Vakuum ist die Kapazität ausschließlich durch die Geometrie der Anordnung bestimmt. Sie ist zur Plattenfläche A direkt und zum Plattenabstand d umgekehrt proportional:
(3)
C
A
d
Frage 1:
- Wie lässt sich die Proportionalität C ∼ 1/d veranschaulichen? (Hinweis: betrachte das elektrische Feld
E und die Spannung U an einem aufgeladenen Plattenkondensator, der nach dem Aufladen von der
Spannungsquelle getrennt und dessen Platten danach auseinander gezogen werden. Beachte, dass die
Ladung dabei konstant bleibt.)
Mit der Proportionalitätskonstante ε0 gilt dann:
(4)
C = ε0
A
d
(im Vakuum)
ε0 heißt elektrische Feldkonstante (Permittivität des Vakuums). Sie wird aus zwei international festgelegten Konstanten berechnet, nämlich der Lichtgeschwindigkeit c im Vakuum und der magnetischen Feldkonstanten (Permeabilität des Vakuums) m0, und lässt sich daher mit beliebiger Genauigkeit angeben
(siehe hintere Umschlagseite dieses Skriptes). Wir beschränken uns hier auf 4 Stellen:
(5)
ε0 :
=
1
−12 As
8,854
10
=
⋅
Vm
m0 c 2
Bringt man zwischen die Kondensatorplatten einen elektrischen Isolator (Dielektrikum) ein, so erhöht sich
die Kapazität um den Faktor εr ≥ 1:
(6)
C = ε 0ε r
A
d
(in Materie)
εr heißt relative Permittivität (relative Dielektrizitätskonstante), das Produkt ε = ε0εr heißt Permittivität
(Dielektrizitätskonstante). εr ist ein vom verwendeten Isolatormaterial abhängiger dimensionsloser Zah1
2
Nach MICHAEL FARADAY (1791 - 1867)
CHARLES AUGUSTIN DE COULOMB (1736 - 1806)
99
lenwert. Er beträgt z.B. für Luft bei 20° C und Normaldruck (101325 Pa): εr ≈ 1,0006, für Wasser bei
20° C: εr ≈ 81, für Gläser (je nach Art): εr ≈ 5 - 16 und für Keramiken (je nach Art): εr ≈ 50 - 1.000. Im
Vakuum ist εr = 1. 3
Frage 2:
- Wie lässt sich die Erhöhung der Kapazität durch das Dielektrikum anschaulich erklären? (Hinweis:
Schwächung des elektrischen Feldes.)
Handelsübliche Kondensatoren existieren in einer Vielzahl von Bauarten und Bauformen und mit Kapazitäten, die sich über Größenordnungen unterscheiden. Abb. 2 zeigt einige Beispiele.
Abb. 2: Handelsübliche Kondensatoren unterschiedlicher Bauart und Bauform. Die Kapazitäten der
dargestellten Typen variieren zwischen einigen Picofarad (pF) und einigen Mikrofarad (mF).
2.2
Auf- und Entladevorgang am Kondensator
2.2.1 Entladevorgang
Wir wollen zunächst das Entladen eines Kondensators betrachten. Insbesondere interessiert uns, wie
lange der Entladevorgang dauert und wie er zeitlich verläuft. Dazu betrachten wir gemäß Abb. 3 einen
aufgeladenen Kondensator der Kapazität C, der über einen Widerstand R entladen wird. Eine solche
Anordnung heißt RC-Glied. Zu einer beliebigen Zeit t nach Schließen des Schalters S gilt (vgl. Gl. (1)):
(7)
Q(t )= C ⋅ U (t )
S
C
R
Abb. 3: Entladung eines Kondensators über einen Widerstand.
Dabei ist Q(t) die momentane Ladung am Kondensator und U(t) die momentane Spannung über dem
Kondensator. Diese Spannung muss nach der KIRCHHOFFschen Maschenregel gleich der Spannung am
Widerstand R sein, so dass mit dem momentanen Strom I(t) gilt:
3
In einem Wechselstromkreis hängt εr von der Frequenz der angelegten Spannung ab. Die genannten Zahlen sind
Näherungswerte für den Fall kleiner Frequenzen im Bereich unterhalb von 1 kHz.
100
(8)
U (t )= R ⋅ I (t )
Der Strom I(t) wird durch die Abnahme (deshalb ein Minuszeichen) der Kondensatorladung mit der Zeit
verursacht. Es gilt:
(9)
I (t ) = −
dQ(t )
dt
Die Gleichungen (7), (8) und (9) ergeben zusammengefasst die Differentialgleichung der
Kondensatorentladung:
(10)
Q(t ) =
− RC ⋅
dQ(t )
dt
Die Lösung dieser Differentialgleichung unter der Anfangsbedingung Q(t = 0) = Q0 lautet:
(11)
Q(t=
) Q0 ⋅ e
−
t
RC
Das Produkt RC hat die Einheit [RC] = Ω⋅F = (V/A)⋅(As/V) = s. RC stellt also eine Zeit dar, die so genannte Zeitkonstante t. Sie hat folgende Bedeutung: zur Zeit t = t = RC ist die Ladung auf den Wert Q0/e,
also etwa auf das 0,368-fache des ursprünglichen Wertes abgesunken:
(12)
Q0
t=
t=
RC → Q(t ) =
Q(t ) =≈
0,368 ⋅ Q0
e
Für die Zeit t = T (Halbwertszeit), innerhalb derer die Ladung auf die Hälfte des ursprünglichen Wertes
abgesunken ist, gilt:
(13)
Q
Q(t =T ) = 0
2
→ T =ln 2 ⋅ RC ≈ 0, 693 ⋅ RC
Soll ein Entladevorgang experimentell beobachtet werden, ist es einfacher, statt der Abnahme der Ladung
(Gl. (11)) die Abnahme der Spannung über dem Kondensator zu betrachten. Mit Gl. (1) und (7) folgt aus
Gl. (11):
(14)
) U0 ⋅ e
U (t=
−
t
RC
Die Spannungsabnahme, die z.B. mit dem Oszilloskop sehr einfach zu messen ist, hat also den gleichen
zeitlichen Verlauf wie die Ladungsabnahme. Damit ergibt sich aus Gl. (14) eine für die Praxis wichtige
Beziehung zur Messung von Kapazitäten. Wird nämlich die Spannung U(t) zu zwei verschiedenen Zeiten
t1 und t2 gemessen, so gilt (s. Abb. 4):
(15)
U ( t1=
) : U=1 U 0 e
−
U ( t2=
) : U=2 U 0 e
t1
RC
−
t2
RC
101
U
U1
U2
t1
t2
t
Abb. 4: Entladekurve eines Kondensators.
Der natürliche Logarithmus von Gl. (15) liefert 4:
t1
RC
t
ln=
(U 2 ) ln (U 0 ) − 2
RC
ln
=
(U1 ) ln (U 0 ) −
(16)
Daraus folgt:
(17)
U  t − t
ln (U1 ) − ln (U 2 ) = ln  1  = 2 1
RC
 U2 
und schließlich:
(18)
C=
t2 − t1
U
R ln  1 
 U2 
 Auf Basis dieser Gleichung werden in diesem Versuch Kapazitäten gemessen.5
2.2.2 Aufladevorgang
Wir betrachten nun gemäß Abb. 5 die Aufladung eines Kondensators der Kapazität C mit Hilfe einer realen Spannungsquelle. Die reale Spannungsquelle kann als Reihenschaltung einer idealen Spannungsquelle
G mit der Quellenspannung U0 und einem Widerstand R (dem Innenwiderstand der realen Spannungsquelle) betrachtet werden. Nach der Maschenregel gilt zu einem beliebigen Zeitpunkt t nach Schließen
des Schalters S (I(t) ist der Ladestrom):
(19)
4
5
U0 =
U R (t ) + U C (t ) =
R ⋅ I (t ) +
Q(t )
dQ(t ) Q(t )
=
R
+
C
dt
C
Genau genommen müsste es in Gl. (16) ff. ln({U1}) statt ln(U1) usw. heißen, da der Logarithmus nur von einem
Zahlenwert (wie z.B. {U1}), nicht jedoch von einer mit Einheiten behafteten Größe (wie z.B. U1) gebildet werden kann. Zur Vereinfachung der Schreibweise verzichten wir auf die geschweiften Klammern, meinen jedoch in
den entsprechenden Gleichungen immer die Zahlenwerte der Größen.
Auf diesem Prinzip beruht auch die Kapazitätsmessung in vielen Multimetern.
102
Daraus folgt mit Q0 = C U 0 :
(20)
Q(t ) + RC
dQ(t )
− Q0 =
0
dt
Die Lösung dieser Differentialgleichung lautet:
(21)
t
−


RC
(t ) Q0 1 − e
Q
=



S
R
I
C
= U0
G
Abb. 5: Aufladung eines Kondensators über eine reale Spannungsquelle.
Die Zeitkonstante t = RC gibt hier die Zeit an, innerhalb derer sich der Kondensator auf das
(1 - 1/e)-fache seiner maximalen Ladung Q0 aufgeladen hat.
Analog wie bei der Kondensatorentladung können wir für den leichter beobachtbaren Spannungsanstieg
am Kondensator schreiben:
(22)
t 

−
RC

U
(t ) U 0 1 − e
=




Frage 3:
- Stellen Sie mit Matlab den Verlauf von Gl. (14) und (22) im Zeitintervall [0; 5t] für die Werte
R = 1 kΩ, C = 4,7 nF und U0 = 1 V dar.
2.3
Zusammenschaltung mehrerer Kondensatoren
Aus den KIRCHHOFFschen Gesetzen (Knoten- und Maschenregel) lässt sich die Gesamtkapazität einer
Anordnung aus mehreren Kondensatoren berechnen. Für eine Serienschaltung von n Kondensatoren mit
den Kapazitäten Ci gilt (s. Abb. 6 für n = 2):
(23)
n
1
1
=∑
C i =1 Ci
Für eine Parallelschaltung gilt (s. Abb. 7 für n = 2):
n
(24)
C = ∑ Ci
i =1
103
C1 C2
Abb. 6: Serienschaltung von Kondensatoren.
2.4
C2
C1
Abb. 7: Parallelschaltung von Kondensatoren.
Kosinusförmige Anregung eines RC-Gliedes
Wir haben bislang untersucht, wie sich ein Kondensator bei einmaliger Auf- oder Entladung über einen
Widerstand verhält. Um das Verhalten von Kondensatoren in Wechselstromkreisen zu verstehen, wollen
wir nun untersuchen, wie ein RC-Glied, also eine Anordnung aus Widerstand und Kondensator, auf eine
kosinusförmige Anregung reagiert. Dazu betrachten wir eine Anordnung gemäß Abb. 8. Eine ideale
Spannungsquelle liefert die mit der Kreisfrequenz ω variierende Wechselspannung UG(t) 6:
(25)
U G (t ) = U 0 cos(ω t )
R
~ UG(t)
C
Abb. 8: RC-Glied mit kosinusförmiger Anregung.
Analog zu Gl. (19) folgt aus der Maschenregel:
(26)
U G ( t ) = U 0 cos(ω t ) = U R (t ) + U C (t ) = R
dQ(t ) Q(t )
+
dt
C
Daraus folgt:
(27)
Q(t ) + RC
dQ(t )
0
− CU 0 cos(ωt ) =
dt
Unser Ziel ist es, den zeitlichen Verlauf von UC(t) zu bestimmen. Dazu reicht es gem. Gl. (7), den zeitlichen Verlauf von Q(t) zu finden. Aus den Überlegungen aus Kap. 2.2 wissen wir, dass der Kondensator
nicht unendlich schnell aufgeladen oder entladen werden kann. Das bedeutet, dass der Ladungsverlauf
Q(t) dem Spannungsverlauf UG(t) nicht instantan folgen kann, sondern nur mit einer gewissen zeitlichen
Verzögerung. Wir erwarten daher eine Phasenverschiebung ϕ von Q(t) gegenüber UG(t). Zur Lösung der
Differentialgleichung (27) versuchen wir deshalb den Ansatz:
(28)=
Q(t ) Q0 cos(ω t + ϕ )
Durch Einsetzen von Gl. (28) in Gl. (27) müssen wir nun die unbekannten Größen Q0 und ϕ bestimmen.
Nach einiger Rechnung (am einfachsten mit komplexen Größen, s. Anhang in Kap. 4) erhalten wir für die
maximale Ladung Q0 am Kondensator:
(29)
6
Q0 =
CU 0
(ω RC )2 + 1
Natürlich würde der Ansatz UG(t) = U0 sin( ω t) ebenso zum Ziel führen; in der Physik hat sich jedoch die
Schreibweise mit der cos-Funktion eingebürgert.
104
und für die Phasenverschiebung ϕ zwischen Q(t) bzw. UC(t) und UG(t):
(30)=
ϕ arctan(−ω RC )
(31)
bzw.
tan ϕ = −ω RC
Aus Gl. (30) lässt sich ablesen, dass ϕ immer negativ ist. Die Ladung Q(t) hinkt also immer hinter der
Spannung UG(t) her. Für den Grenzfall ω → 0 gilt ϕ ≈ 0° und für den Grenzfall ω → ∞ folgt ϕ = -90°.
Mit dem Zusammenhang:
1
=
tan 2 ϕ + 1
=
cos ϕ
(32)
1
(ω RC ) 2 + 1
erhalten wir durch Einsetzen von Gl. (32) in Gl. (29):
(33)
Q0 = CU 0 cos ϕ
Durch Vergleich von Gl. (1) und (33) sehen wir, dass bei kosinusförmiger Anregung die maximale
Ladung am Kondensator um den Faktor cos ϕ kleiner ist, als bei Aufladung mit einer Gleichspannung
vom Betrag U0. Für den Grenzfall ω → 0 erhalten wir Q0 ≈ CU0 und für den Grenzfall ω → ∞ folgt
Q0 = 0.
Frage 4:
- Wie lassen sich diese Grenzfälle anschaulich verstehen?
Wir wollen nun den zeitlichen Verlauf des Stromes I(t) durch die Masche gemäß Abb. 8 berechnen. Es
gilt:
(34)
I (t ) =
dQ(t )
dt
Einsetzen von Gl. (28) in (34) und Ausführung der Differentiation ergibt:
(35)
π

ω Q0 cos  ω t + ϕ +  =I 0 cos (ω t + θ )
I (t ) =−ω Q0 sin (ω t + ϕ ) =
2

mit der Stromamplitude I0:
I 0 ω=
Q0
(36) =
U0
R2 +
1
(ω C ) 2
und der Phasenverschiebung θ zwischen dem Strom I(t) und der Spannung UG(t):
(37)
θ= ϕ +
π
2
Benutzen wir die Beziehung tan (ϕ + π/2) = -1/tanϕ, so erhalten wir aus Gl. (37) und (31):
105
(38)
tan θ =
1
ω RC
Wir sehen aus Gl. (38), dass im Falle ω → 0 der Strom I(t) der Spannung UG(t) um 90° vorauseilt
(θ ≈ π/2). Im Falle ω → ∞ sind Strom und Spannung dagegen in Phase (θ ≈ 0°). Mit zunehmender Frequenz nimmt daher die Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung von 90° auf 0° ab.
2.5
Impedanz
Die Impedanz (auch Scheinwiderstand) ist ein wichtiger Parameter zur Beschreibung elektrischer Schaltungen. Sie wird in der Experimentalphysikvorlesung im zweiten Semester noch ausführlich behandelt.
Wir werden uns hier deshalb auf wenige Bemerkungen zur Impedanz beschränken.
Die Impedanz Z ist definiert als der Gesamtwiderstand 7, den eine elektrische Schaltung einem Wechselstrom bei einer bestimmten Kreisfrequenz ω entgegen setzt. Es gilt also Z = Z(ω). Die Einheit der Impedanz ist Ohm:
[Z ] =
Ω
Eine Impedanz in einem Wechselstromkreis führt i. Allg. dazu, dass Amplitude und Phasenlage des
Stromes in einer Schaltung beeinflusst werden. Deshalb ist es praktisch, die Impedanz als komplexe
Größe darzustellen:
(39)=
Z Re ( Z ) + i Im ( Z )
Abb. 9 zeigt Z als Zeiger in der komplexen Ebene. Der Realteil von Z ist der ohmsche Widerstand R der
Schaltung, der auch als Wirkwiderstand bezeichnet wird:
(40)
R = Re ( Z )
Der Imaginärteil von Z wird als Reaktanz X (oder Blindwiderstand) bezeichnet 8:
(41)
X = Im ( Z )
Damit kann man für Z nach Gl. (39) auch schreiben:
(42)
Z= R + i X
Der Betrag von Z (d.h. die Länge des Zeigers in Abb. 9) ist gegeben durch:
(43)
=
Z
R2 + X 2
und die Phase, d.h. die Winkelorientierung des Zeigers zur Re-Achse, durch:
(44)
7
8
X

R
ϕ = arctan 
Der Gesamtwiderstand ist i. Allg. kein reiner ohmscher Widerstand!
In einem Wechselstromkreis mit Kondensator C und Spule L hat die Reaktanz X einen von L hervorgerufenen
induktiven und einen durch C hervorgerufenen kapazitiven Beitrag. Mehr dazu im zweiten Semester.
106
Damit kann Z aus Gl. (39) bzw. (42) in Polarform auch geschrieben werden als:
(45)
Z = Z eiϕ
Im
Z
X
ϕ
R
Re
Abb. 9: Impedanz Z als Zeiger in der komplexen Ebene.
In Analogie zum ohmschen Gesetz ist |Z| durch den Quotienten aus Spannungsamplitude U0 und Stromamplitude I0 gegeben. Für das in Kap. 2.4 betrachtete RC-Glied folgt demnach mit I0 nach Gl. (36):
(46)
Z
=
U0
=
I0
R2 +
1
(ω C ) 2
Aus dem Vergleich von Gl. (46) mit Gl. (43) folgt, dass sich Z aus dem ohmschen Widerstand R und der
kapazitiven Reaktanz X = 1/(ω C) zusammensetzt. Im Falle ω → 0 geht 1/(ω C) → ∞, d.h. Z wird vor
allem durch den Kondensator bestimmt, der den Stromkreis in diesem Falle „sperrt“. Für ω → ∞ dagegen
ist die Situation umgekehrt: in diesem Falle geht 1/(ω C) → 0, d.h. der Kondensator „schaltet durch“ und
Z wird vor allem durch den ohmschen Widerstand R bestimmt.
3
Versuchsdurchführung
Zubehör:
Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, Funktionsgenerator
(TOELLNER 7401, Ausgangswiderstand R ≈ 50 Ω), Multimeter (AGILENT 34405A), Netzgerät, Stoppuhr, Widerstandsdekade, Einzelkondensatoren auf Montageplatte (ca. 10 mF, ca. 10 nF), Plattenkondensator (Aluminium; A ≈ 0,20 ⋅ 0,17 m2) mit Dielektrikum (PVC-Platten variabler Dicke,
d ≈ (1, 2, 3) mm), 5 Koaxialkabel unterschiedlicher Länge, Schalter, Metallmaßband, Bandmaß, Messschieber.
Hinweis:
In den folgenden Schaltbildern sind jeweils diejenigen Komponenten rot gezeichnet, deren Größen
(Kapazität oder Widerstand) gemessen werden sollen (Abb. 10 - Abb. 12) oder über denen zu messende Signale abgegriffen werden (Abb. 15). Gestrichelt umrahmt sind jeweils die Ersatzschaltbilder
von Geräten wie Funktionsgenerator oder Oszilloskop, die zur Messung der gesuchten Größen verwendet werden. Neben den Ein- und Ausgangswiderständen und -kondensatoren dieser Geräte ist oftmals noch ein weiterer Kondensator CK im Schaltbild eingezeichnet. CK repräsentiert die Kapazität
aller Kabel, die für den Aufbau der Messanordnung erforderlich sind (Kapazität der Verbindungskabel).
Zwecks Vereinfachung der Darstellung werden wir häufig von der „Eingangskapazität“ CO, der „Verbindungskabelkapazität“ CK, dem Kondensator C usw. sprechen, wenn wir „Kondensatoren mit den
Kapazitäten“ CO, CK oder C usw. meinen.
107
3.1
Bestimmung des Eingangswiderstandes eines Oszilloskops aus der Entladekurve eines Kondensators
Aus der Messung der Entladekurve eines Kondensators mit der Kapazität C soll der Eingangswiderstand
RO eines Oszilloskops bestimmt werden (Abb. 10). Dazu wird C zunächst über den Innenwiderstand RS
einer Spannungsquelle aufgeladen (Netzgerät; Ausgangsspannung ≈ 5 V), anschließend wird C von der
Spannungsquelle getrennt (Schalter S öffnen) und die Entladung von C über RO beobachtet.
S
RS
= U0
CK
Spannungsquelle
C
CO
RO
Oszilloskop
Abb. 10: Ersatzschaltbild für Spannungsquelle, Kondensator C, Verbindungskabel (mit der Kapazität CK)
und Oszilloskop mit dem zu messenden Eingangswiderstand RO.
Die Eingangskapazität CO des Oszilloskops, die Verbindungskabelkapazität CK und die Kondensatorkapazität C liegen parallel zueinander. Wir wählen C >> CO + CK, so dass wir CO und CK vernachlässigen
können (hier C ≈ 10 mF, ausmessen mit Multimeter AGILENT 34405A). Gemäß Gl. (18) wird fünfmal die
Zeitdifferenz ∆t = t2 – t1 mit der Stoppuhr gemessen, innerhalb derer die Spannung U vom Wert U1 auf
den Wert U2 abnimmt (U1 und U2 messen). Aus dem Mittelwert von ∆t wird nach Gl. (18) der
Eingangswiderstand des Oszilloskops inkl. Größtfehler bestimmt. Die Werte für U1 und U2 können dabei
als fehlerfrei angenommen werden.
3.2
Messung von Kapazitäten
3.2.1 Beschreibung des Messverfahrens
Das in Versuch 3.1 benutzte Verfahren zur Messung der Zeitdifferenz ∆t = t2 – t1 ist gut geeignet, wenn
die Zeitkonstante t = RC groß ist. Bei kleinen Zeitkonstanten bietet sich an, den Kondensator periodisch
aufzuladen und wieder zu entladen, und die Zeitdifferenz ∆t = t2 – t1 durch direkte Beobachtung einer
Entladekurve mit einem Oszilloskop zu messen. Die periodische Auf- und Entladung lässt sich erreichen,
indem man den Kondensator an einen Funktionsgenerator (FG) anschließt, der eine periodische Rechteckspannung UFG mit der Amplitude U0 liefert (z.B. U0 = 4 V). Der FG wirkt dann wie eine Spannungsquelle mit eingebautem „elektronischen Schalter“. Abb. 11 zeigt das zugehörige Ersatzschaltbild.
Der Vergleich mit Abb. 10 zeigt zwei Unterschiede:
a) Neben der Kapazität der Verbindungskabel (CK), der Eingangskapazität des Oszilloskops (CO) und
der zu messenden Kondensatorkapazität C muss die „Ausgangskapazität“ 9 CF des FG berücksichtigt
werden. Diese drei Kapazitäten bilden zusammen die Gesamtkapazität CA der Messanordnung:
(47)
9
CA = CO + CK + CF
Ein reales Rechtecksignal aus einem FG hat niemals Flanken mit der Steigung ∞. Vielmehr ähnelt z.B. die fallende Flanke der Entladekurve eines Kondensators mit der Kapazität CF. Diese Größe wird hier im Sinne eines
Ersatzschaltbildes als Ausgangskapazität bezeichnet.
108
b) Der FG als „elektronischer Schalter“ trennt nicht die Spannungsquelle mit dem Innenwiderstand RF
(≈ 50 Ω) vom Stromkreis (wie der Schalter S in Abb. 10), sondern sorgt lediglich für eine periodische
Umladung der Kondensatoren CA und C. 10 Wegen RF << RO erfolgt diese Umladung über RF. RF
bestimmt demnach mit CA und C die Zeitkonstante t des RC-Gliedes. Gl. (18) lautet in diesem Fall:
t −t
CA + C = 2 1
U
RF ln  1 
 U2 
(48)
RF
CF
UFG
FG
CK
C
CO
RO
Oszilloskop
Abb. 11: Ersatzschaltbild für Funktionsgenerator FG, Verbindungskabel (mit der Kapazität CK), zu
messender Kapazität C und Oszilloskop. Weitere Bezeichnungen siehe Text.
Gl. (48) bietet die Möglichkeit, durch Messung von ∆t = t2 – t1 sowie von U1 und U2 eine unbekannte
Kapazität C zu bestimmen, wenn die Größen RF und CA bekannt sind.
Für die im Praktikum eingesetzten Funktionsgeneratoren ist RF = (50 ± 2) Ω. Damit ergibt sich eine kleine
Zeitkonstante t der Kondensatorentladung, die zu einer kleinen und damit schlecht messbaren Zeitdifferenz ∆t = t2 - t1 führt. Deshalb wird gem. Abb. 12 ein zusätzlicher Widerstand RD ≈ 1 kΩ aus einer Widerstandsdekade zu RF in Reihe geschaltet, um einen Gesamtwiderstand von
(49)
R=
RF + RD
G
zu erreichen und die Zeitdifferenz ∆t entsprechend zu vergrößern. Aus Gl. (48) wird dann:
(50)
t −t
CA + C = 2 1
U
RG ln  1 
 U2 
Daraus folgt für die gesuchte Größe C:
(51)
=
C
10
t2 − t1
− CA
U
RG ln  1 
 U2 
Für die Messung ist es unbedeutend, ob der Kondensator aufgeladen und anschließend entladen wird, oder ob er,
wie hier, periodisch umgeladen wird. Auf das Zeitverhalten hat dies keinen Einfluss.
109
RD
RF
CF
UFG
FG
CK
C
CO
RO
Oszilloskop
Abb. 12: Schaltung aus Abb. 11 mit zusätzlich eingefügtem Widerstand RD.
Abb. 13: Realer Aufbau der Schaltung aus Abb. 12. Links der Funktionsgenerator, rechts das Oszilloskop. In der Mitte die Widerstandsdekade mit dem Widerstand RD. RD liegt zwischen den beiden
schwarzen Anschlussbuchsen der Widerstandsdekade. Die gelbe Buchse ist ein Stützkontakt
ohne elektrische Verbindung zu RD. In der Kabelverbindung zwischen Oszilloskop und Widerstandsdekade befindet sich ein BNC-T-Stück, an das der Kondensator mit der zu messenden
Kapazität C angeschlossen wird.
3.2.2 Vorbereitende Messung
Um mit Hilfe von Gl. (51) eine unbekannte Kapazität C bestimmen zu können, muss neben RG auch die
Gesamtkapazität CA der Messanordnung bekannt sein. Um diese Größe zu messen, wird die Schaltung
nach Abb. 12 mit C = 0 (d.h. ohne die zu messende Kapazität C) aufgebaut. An einem Punkt der Schaltung wird ein BNC-T-Stück eingefügt (Abb. 13), an das für die späteren Versuchsteile die jeweils zu messende Kapazität C angeschlossen werden kann. Anschließend wird CA mit Hilfe von Gl. (50) bestimmt.
Dazu wird auf dem Oszilloskop die Entladekurve für CA dargestellt und die Zeitdifferenz ∆t = t2 – t1
gemessen, innerhalb derer die Spannung von U1 nach U2 sinkt. Zur Messung dieser Größen kann das
Digital-Oszilloskop in der Betriebsart → Erfassung → Mittelwert betrieben werden. In diesem Modus
wird der Einfluss des Rauschens auf das Messergebnis minimiert.
Zur Berechnung des Größtfehlers von CA können U1 und U2 als fehlerfrei angenommen werden. Für RG
kann entsprechend der Genauigkeit der Widerstandsdekade ein Größtfehler von 0,01 × RG verwendet
werden.
Nach diesen Vorbereitungen kann die Messung unbekannter Kapazitäten C erfolgen, die zusätzlich in den
Aufbau eingebracht werden.
Hinweis:
Gl. (18) bzw. Gl. (51) gelten für den Fall, dass sich ein aufgeladener Kondensator mit der
Anfangsspannung U0 auf die Endspannung 0 V entlädt. Die Spannungswerte U1 und U2 sind in diesem
110
Fall für alle Werte der Zeit t positiv. Wird an den Kondensator jedoch eine Rechteckspannung mit der
Amplitude U0 gelegt, so beträgt die Maximalspannung + U0 und die Minimalspannung - U0 (Abb. 14,
linke Ordinate). Es ergibt sich demnach eine Umladekurve, in der die Spannung auch negativ werden
kann. Dann können die Gl. (18) und (51) nicht angewendet werden, da die Logarithmusfunktion nur
für positive Werte ihres Arguments definiert ist.
U
+U0
2U0
U1
U0
0
U2
-U0
t1
t2
0
t
Abb. 14: Umladekurve am Kondensator beim Anlegen einer Rechteckspannung der Amplitude U0
ohne DC-Offset (linke Ordinate). Der gleiche zeitliche Verlauf ergibt sich für eine Rechteckspannung mit Amplitude U0 und DC-Offset U0 (rechte Ordinate, blau). Die horizontalen
Linien symbolisieren die Skalenstriche am Oszilloskop.
Dieses Problem lässt sich lösen, wenn man berücksichtigt, dass der zeitliche Verlauf des Umladevorgangs vom Spannungswert + U0 auf den Spannungswert - U0 identisch ist mit dem zeitlichen Verlauf
der Entladung eines Kondensators, dessen Anfangsspannung 2 U0 und dessen Endspannung 0 V
beträgt (Abb. 14, rechte Ordinate). Wird demnach zu allen am Oszilloskop abgelesenen
Spannungswerten die Amplitude U0 addiert, sind U1 und U2 immer positiv und die Gl. (18) und (51)
wieder anwendbar.
Voraussetzung für dieses Vorgehen ist, dass die Rechteckspannung keinen Gleichspannungsanteil enthält (DC-Offset am FG auf OFF) und dass ihre Amplitude U0 bekannt ist. U0 muss also einmal
gemessen werden. Um das Ablesen der Spannungswerte am Oszilloskop zu erleichtern ist es außerdem empfehlenswert, das Spannungssignal symmetrisch um den mittleren horizontalen Skalenstrich
auf dem Bildschirm anzuordnen („0“ in Abb. 14, linke Ordinate). Dann können U1 und U2 mit Hilfe
der Skalenstriche am Oszilloskop bestimmt werden und die Messung von ∆t kann mit den Zeitcursorn
erfolgen.
3.2.3 Bestimmung der Kapazität von Koaxialkabeln
In diesem Versuchsteil soll die Kapazität C von Koaxialkabeln gemessen werden, die neben den bereits
vorhandenen (Koaxial-)Kabelverbindungen mit der Gesamt-Kapazität CK zusätzlich in den Aufbau eingebracht werden. Am einfachsten lässt sich dies erreichen, indem die zusätzlichen Kabel an das oben
erwähnte BNC-T-Stück (Abb. 13) angeschlossen werden. C liegt dann parallel zu CA.
Fünf Koaxialkabel unterschiedlicher Länge L ≥ 1 m (messen!) werden nacheinander an das BNC-T-Stück
angeschlossen. Für jedes dieser Kabel werden die Größen U1, U2, t1 und t2 gemessen und die Kapazität C
nach Gl. (51) berechnet. Auf eine Fehlerangabe für die einzelnen Werte von C kann verzichtet werden.
Als Endergebnis soll der Mittelwert der Koaxialkabel-Kapazität pro Meter inkl. Standardabweichung des
Mittelwertes angegeben und mit dem Sollwert für ein Koaxialkabel vom Typ RG 58 C/U (101 pF/m)
verglichen werden.
111
3.2.4 Bestimmung der relativen Permittivität von PVC
Nach dem gleichen Verfahren wie unter Kap. 3.2.3 beschrieben soll die Kapazität eines Plattenkondensators gemessen werden, zwischen dessen Platten sich das Dielektrikum PVC befindet. Ziel ist es, aus einer
Reihe von Kapazitätsmessungen bei Variation der Dicke d des Dielektrikums die relative Permittivität εr
von PVC zu bestimmen.
Der Plattenkondensator besteht aus zwei gleich großen Aluminiumplatten der Fläche A, zwischen denen
sich eine PVC-Platte gleicher Fläche und der Dicke d befindet. Der Kondensator wird zusätzlich und
parallel zu den bereits vorhandenen Verbindungskabeln zwischen Funktionsgenerator und Oszilloskop
geschaltet. Der Anschluss des Plattenkondensators an das BNC-T-Stück erfolgt über ein Koaxialkabel,
das einseitig mit Laborsteckern versehen ist 11. Eine der Aluminiumplatten wird auf den Labortisch gelegt
und mit dem „Minuspol“ des Funktionsgenerators (Außenkontakt der BNC-Buchse) verbunden. Auf
diese Platte wird die PVC-Platte und darauf die zweite Aluminiumplatte gelegt, die mit dem anderen Pol
des Funktionsgenerators verbunden wird.
Die Messung wird für PVC-Plattendicken mit d ≈ (3, 4, 5, 6) mm durchgeführt (d mit dem Messschieber
messen, A mit dem Metallmaßband). Für jede Dicke wird C bestimmt (Gl. (51)). Zur weiteren Analyse
wird C über 1/d aufgetragen. Aus der Steigung der Ausgleichsgeraden kann εr bestimmt (Gl. (6)) und mit
dem Literaturwert verglichen werden. 12
3.3
Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung in einem RC-Glied
Mit einer Anordnung gemäß Abb. 15 soll die Phasenverschiebung θ zwischen der kosinusförmigen Ausgangsspannung UFG des Funktionsgenerators und dem Auf- und Entladestrom I des Kondensators in
Abhängigkeit von der Kreisfrequenz ω gemessen werden. Für diesen Versuchsteil können die Innenwiderstände und Ein- und Ausgangskapazitäten von Funktionsgenerator und Oszilloskop vernachlässigt
werden.
C
RF
V1
R
~ UFG
V2
FG
Abb. 15: Anordnung zur Messung der Phasenverschiebung θ zwischen UG(t) und I(t) in einem RC-Glied.
Die Ausgangsspannung UFG des Funktionsgenerators kann direkt mit dem Oszilloskop gemessen werden
(symbolisiert durch das „Voltmeter“ V1 in Abb. 15). Der Strom I wird über einen kleinen Umweg gemessen: I erzeugt an R einen Spannungsabfall UR = RI, der mit I in Phase ist und der ebenfalls mit dem
Oszilloskop gemessen werden kann (V2 in Abb. 15).
Die Messung von θ erfolgt für ein RC-Glied mit R ≈ 1 kΩ und C ≈ 10 nF (beide Größen mit Multimeter
AGILENT 34405A ausmessen) bei den Frequenzen f = (1, 5, 10, 20, 30, 40, 50, 100) kHz. Die Amplitude
von UFG soll ca. 5 V bei f = 10 kHz betragen.
11
12
Dieses zusätzliche Anschlusskabel erhöht die Kabelkapazität CK des Aufbaus. Deshalb muss vor Anschluss des
Plattenkondensators an dieses Kabel die Gesamtkapazität CA der Messanordnung neu bestimmt werden.
Literaturwert nach /3/: εr = 3,1 ... 3,5 (ohne Frequenzangabe).
112
θ wird mit Größtfehler über ω aufgetragen. In das gleiche Diagramm werden auch die theoretisch erwarteten Werte für θ eingetragen und mit den experimentell gefunden Werten verglichen.
Praktische Hinweise:
- Bei der Versuchsdurchführung ist zu beachten, dass die Reaktanz X = 1/(ωC) des Kondensators eine
Funktion von ω ist, die Spannungsamplituden also ebenfalls mit ω variieren.
- Die Phasenverschiebung θ lässt sich am besten durch Messung der Zeitdifferenz ∆t der Nulldurchgänge der beiden Spannungen UFG(t) und UR(t) bestimmen (vgl. Versuch „Oszilloskop...“).
- Beachten Sie beim Anschluss der Kabel zur Messung von UFG(t) und UR(t), dass die Außenkontakte
der BNC-Buchsen des Oszilloskops auf gleichem Potential liegen! Folglich gilt das auch für die
Außenkontakte der BNC-Stecker an den Koaxialkabeln!
Frage 5:
- Wie groß ist die Phasenverschiebung zwischen der Spannung am Kondensator (UC) und dem Strom I?
Wie ließe sich diese Phasenverschiebung messen?
4
Anhang
Durch Rechnung mit komplexen Größen ist die Herleitung von Gl. (29) und Gl. (30) recht einfach. Der
Ansatz in Gl. (25) bzw. (28) lautet in komplexer Schreibweise:
(52)
U G (t ) = U 0 eiω t
(53)
i ω t +ϕ)
Q ( t ) = Q0 e (
Durch Einsetzen beider Gleichungen in Gl. (26) und Ausführen der Differentiation erhalten wir nach
Division durch e
iω t
:
(54)
=
U 0 iω RQ0 eiϕ +
1
Q0 eiϕ
C
Daraus folgt:
(55)
Q0 ei ϕ =
U0
1
+ iω R
C
Die linke Seite von Gl. (55) ist eine übliche Darstellungsform (Polarform) einer komplexen Zahl z mit
dem Betrag (Modul) |z| und dem Phasenwinkel (Argument) ϕ:
−ϕ
z : z eiϕ =
hier: z Q=
Q0
=
(56)
0 e , z
Der Betrag von z ist gegeben durch:
(57)
z =
z z∗
wobei z* die zu z konjugiert komplexe Zahl ist, die man durch Wechsel des Vorzeichens vor der imaginären Einheit i erhält (i → -i bzw. –i → i). Für den Betrag Q0 ergibt sich demnach:
113
U 02
=
1
2
+ (ω R )
2
C
U0
U0
=
1
1
+ iω R
− iω R
C
C
Q0
=
(58)
U 0C
1 + (ω RC )
2
Dies ist das Ergebnis aus Gl. (29).
Für die Berechnung des Phasenwinkels benutzen wir eine zweite übliche Darstellungsform komplexer
Zahlen, nämlich
(59)
z=
Re ( z ) + i Im ( z ) :=
α + iβ
wobei α der Realteil (Re) und β der Imaginärteil (Im) von z ist. Aus diesen Größen lässt sich der Phasenwinkel ϕ berechnen als
(60)
β
a
ϕ = arctan 
 + π
 − π

a < 0 ∧ β ≥ 0

a < 0 ∧ β < 0
⇔
⇔
Um Gl. (60) anwenden zu können, müssen wir Gl. (55) in die Form der Gl. (59) bringen, also Real- und
Imaginärteil voneinander trennen. Dazu müssen wir i aus dem Nenner beseitigen, wozu wir den Bruch
passend erweitern. Aus Gl. (55) wird dann:
(61)
Q0 ei ϕ
1

U0
U 0  − iω R 
U0 ω R
C

C
=
=
−i
α + iβ
:=
1
1
1
 1

2 2
2 2
+
+
ω
ω
R
R
 + iω R   − iω R 
2
C2
C
 C
 C
Aus Gl. (61) können wir α und β ablesen:
(62)
α=
U0
C
1
+ ω2 R2
C2
β= −
U0 ω R
1
+ ω2 R2
C2
Dabei ist zu beachten, dass in der Definitionsgleichung (59) ein Pluszeichen steht. Das negative Vorzeichen vor dem i in Gl. (61) gehört demnach mit zum Imaginärteil β . Setzen wir Gl. (62) in Gl. (60) ein, so
erhalten wir:
β 
a 
(63)=
ϕ arctan
=
  arctan ( − ω RC )
Dies ist das Ergebnis aus Gl. (30).
114
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Modul Grundpraktikum Physik – Teil I
Sensoren für Kraft, Druck, Abstand, Winkel und Lichtintensität
Stichworte:
Sensor, Messwertaufnehmer, Linearität, Ansprechzeit, Messbereich, Auflösung, Rauschen, Dehnungsmessstreifen, piezoresistiver Effekt, Triangulation, HALL-Effekt, Halbleiter, pn-Übergang.
Messprogramm:
Kalibrierung eines Kraft- und eines Drucksensors, Abstandsmessung mit einem Laser-Distanzsensor,
Messung eines Übersetzungsverhältnisses mit einem Winkelsensor, Linearität des Ausgangssignals
einer Fotodiode, Messung der Leistung von Laserlicht, Messung der Geschwindigkeit einer Fingerbewegung.
Literatur:
/1/ NIEBUHR, J.; LINDNER, G.: „Physikalische Messtechnik mit Sensoren“, Oldenbourg Industrieverlag, München
/2/ SCHANZ, G. W.: „Sensoren“, Hüthig-Verlag, Heidelberg
/3/ HAUS, J.: „Optical Sensors“, Wiley-VCH, Weinheim
1
Einleitung
Als Sensoren bezeichnet man Messwertaufnehmer (auch Messgrößenaufnehmer), mit denen eine physikalische oder chemische Größe quantitativ erfasst werden kann. In den meisten Fällen wird der Wert w
der Größe in eine elektrische Spannung U oder einen elektrischen Strom I umgesetzt. Durch eine Kalibrierung wird die Kalibrierfunktion U(w) bzw. I(w) bestimmt, mit der man aus einem gemessenen Spannungs- oder Stromwert auf den zugehörigen Wert der Größe schließen kann. Zur Kalibrierung eines
Kraftsensors wird z.B. der Sensor unterschiedlichen, aber bekannten Kräften Fi ausgesetzt und jeweils die
zugehörige Spannung Ui gemessen. Anschließend wird Ui über Fi aufgetragen und mit Hilfe eines Fits
eine Kalibrierkurve durch die Messdaten gelegt.
Wichtige Kenngrößen von Sensoren sind:
 Linearität: Oftmals besteht ein linearer Zusammenhang zwischen dem tatsächlichen Wert der Größe
w und dem Ausgangssignal des Sensors, z.B. der Spannung U. Dann gilt:
=
U k w + U0




wobei k der Kalibrierfaktor ist und U0 die Ausgangspannung des Sensors im Falle w = 0. Die Kalibrierkurve ist in diesem Fall eine Gerade, der Sensor arbeitet linear. Ist U0 = 0, so besteht eine Proportionalität zwischen U und w. Dies ist der Idealfall für einen Sensor.
Ansprechzeit: Die Ansprechzeit gibt an, innerhalb welcher Zeit eine Änderung der Größe w zu einer
entsprechenden Änderung des Ausgangssignals führt.
Messbereich: Der Messbereich gibt den Wertebereich der Größe w an, der innerhalb festgelegter
Fehlergrenzen zu einer mit der Kalibrierfunktion beschreibbaren Änderung des Ausgangssignals
führt.
Auflösung: Die Auflösung ist die kleinste Änderung der Größe w, die zu einer eindeutig messbaren
Änderung des Ausgangssignals führt.
Rauschen: Unter Rauschen versteht man die inhärenten, zufälligen Schwankungen des Ausgangssignals eines Sensors. Eine wesentliche Quelle für das Rauschen vieler Sensoren ist die Elektronik,
die zur Erzeugung des Ausgangssignals eingesetzt wird.
115
Seit es möglich ist, Sensoren in kompakter bzw. miniaturisierter Bauform herzustellen, oder gar in IC’s 1
zu integrieren, haben sie in der modernen Messtechnik und in der industriellen Fertigung eine große Verbreitung gefunden. In diesem Versuch werden Sensoren für Kraft, Druck in Gasen, Abstand, Winkel und
Lichtleistung bzw. Lichtintensität behandelt.
2
Theorie
2.1
Kraftsensor auf Basis eines Biegestabes
Mit den im Grundpraktikum eingesetzten Kraftsensoren wird eine mechanische Kraft vom Betrag F in ein
Spannungssignal U umgesetzt, das sich mit F linear ändert. Als Sensor dient ein Biegestab (s. Abb. 1).
DMS
F
Abb. 1: Links: Prinzip der Kraftmessung mit einem Biegestab (grün), der links in einem Block (grau)
fixiert ist. Die Gewichtskraft F = G eines angehängten Gewichtes (blau) verursacht eine Biegung des Stabes, die mit Dehnungsmessstreifen (DMS, gelb) gemessen wird. Die mechanischen
Begrenzungen (rot) verhindern eine Überdehnung des Stabes durch zu große Kräfte.
Rechts: Blick in das Gehäuse eines im Grundpraktikum eingesetzten Kraftsensors. Die auf den
Biegestab aufgeklebten DMS sind so dünn, dass sie kaum erkennbar sind. Die Kabel sind die
Anschlussleitungen der DMS. Sie führen zur Anschlussbuchse links oben, an die der Messverstärker angeschlossen wird.
DMS
R
+
U
-
=Ub
R
DMS
Abb. 2: Halbbrücke mit zwei DMS gleichen Typs und zwei gleichen Widerständen R. Ein DMS wird
gedehnt, der andere gestaucht. Ub ist die Betriebsspannung der Brücke, U die Ausgangsspannung, die mit einem Messverstärker weiter verstärkt wird.
Durch die Kraft F wird der einseitig gehaltene Stab elastisch verformt, es gilt das HOOKEsche Gesetz 2.
Oben findet eine Dehnung des Stabes statt, unten eine Stauchung. Dehnung und Stauchung sind propor1
2
IC: Integrated Circuit. Eine in einem Kunststoffgehäuse eingeschlossene integrierte elektronische Schaltung.
ROBERT HOOKE (1635 – 1703)
116
tional zu F = |F|. Sie werden mit Dehnungsmessstreifen (DMS) in zu F proportionale Änderungen des
elektrischen Widerstandes der DMS umgesetzt. Die DMS sind zu einer Halbbrücke (Abb. 2) zusammen
geschaltet 3. An eine Brückendiagonale wird die Betriebsspannung Ub angelegt, über der anderen
Diagonalen wird die Ausgangsspannung U gemessen. Da diese Spannung sehr klein ist (mV-Bereich),
wird sie mit einem Messverstärker verstärkt, der gleichzeitig auch die Betriebsspannung Ub liefert. Die
Ausgangsspannung des Messverstärkers, UM, ändert sich linear mit F.
2.2
Drucksensor auf Basis des piezoresistiven Effektes
Für die Messung von Druckänderungen in Gasen steht ein Drucksensor des Typs SENSORTECHNICS
HCLA12X5DB zur Verfügung. Es handelt sich dabei um einen Halbleiterdrucksensor, der auf dem piezoresistiven Effekt basiert. Darunter versteht man die Änderung des elektrischen Widerstandes eines Materials (hier p-Silizium, p-Si; zur Bezeichnung vgl. Kap. 2.5.1) unter dem Einfluss mechanischer Spannungen. Abb. 3 (links) zeigt den schematischen Aufbau eines solchen Sensors. In der Mitte einer gasdichten
Kammer befindet sich eine Si-Membran von einigen Mikrometern Dicke, die die Kammer gasdicht in
zwei Hälften teilt. Die obere Hälfte der Kammer wird über einen Schlauchanschluss mit einem Gasvolumen vom Druck p1 verbunden, die untere mit einem Gasvolumen vom Druck p2. Bei einer Druckdifferenz
∆p = p2 – p1 wölbt sich die Membran in Richtung der Kammer mit dem niedrigeren Druck. Am Rande der
Membran sind piezoresistive Si-Elemente angebracht, auf die infolge der Membranwölbung Kräfte ausgeübt werden. Diese führen zur Dehnung und damit zu einer Widerstandsänderung des Materials 4, die mit
Hilfe einer in dem Sensor integrierten Brückenschaltung in ein Spannungssignal gewandelt wird. Mit
einer ebenfalls bereits im Sensor enthaltenen integrierten Schaltung wird dieses Signal weiter verstärkt.
Am Ausgang des Drucksensors steht schließlich eine Spannung U zur Verfügung, die sich linear mit der
Druckdifferenz ∆p ändert. 5
p1
Anschlusskontakt
("Bonding Pad")
Si-Membran
p2
Piezoresistives
Si-Element
Abb. 3: Links: Schematische Darstellung eines piezoresistiven Drucksensors zur Messung eines
Differenzdruckes ∆p = p2 – p1.
Rechts: Blick in das Gehäuse des im Grundpraktikum eingesetzten Drucksensors. Innen rechts
befindet sich auf einer kleinen Platine der in einen IC integrierte Sensor. Rechts außen sind die
Schlauchanschlüsse zu erkennen (p1 = p-, p2 = p+).
3
4
5
Vgl. Versuch „Messung ohmscher Widerstände…“.
Der Effekt ist der Widerstandsänderung eines metallischen DMS bei Dehnung vergleichbar. Die mit einer
bestimmten Dehnung einhergehende Widerstandsänderung ist jedoch bei einem piezoresistiven Material erheblich größer als bei einem metallischen DMS. Für Metalle ist k = 2 – 4, für Si ist k ≈ 100 (vgl. Versuch „Messung
ohmscher Widerstände…“).
Die elektrische Verbindung (engl. Bond) zwischen der integrierten Schaltung und den piezoresistiven Elementen
erfolgt über dünne Bonddrähte, die an den Bonding Pads angeschlossen sind.
117
2.3
Abstandssensor auf Basis der Triangulation
Zur Abstandsmessung wird ein Laserdistanzsensor eingesetzt (Typ BAUMER OADM 12U6460/S35), der
nach dem Prinzip der Triangulation arbeitet (s. Abb. 4 links).
d
CCD q
B
p
E
A
LD
L
s
a
O
C
Abb. 4: Links: Funktionsprinzip eines nach dem Prinzip der Triangulation arbeitenden Laserdistanzsensors (schematisch). Tatsächlich können Objektiv L und CCD-Zeile gegenüber der Horizontalen
verkippt sein, um innerhalb des Messbereiches des Sensors Verzerrungen bei der Abbildung des
Objektpunktes C zu minimieren.
Rechts: Foto des im Grundpraktikum eingesetzten Laserdistanzsensors. Rechts unten befindet
sich das Anschlusskabel, über das die Betriebsspannung zugeführt und das Ausgangssignal
abgeleitet wird.
Aus einer Laserdiode gelangt ein kollimierter, dünner Laserstrahl auf die Oberfläche eines Objektes O,
deren Abstand zur Bezugsebene E im Sensor gemessen werden soll. In einem bekannten seitlichen
Abstand d vom Austritt des Laserstrahls befindet sich der Mittelpunkt eines Objektivs L. Mit diesem
Objektiv wird das vom Punkt C auf dem Objekt gestreute Licht auf eine CCD-Zeile abgebildet 6. Es entsteht ein Bildpunkt A, der vom rechten Rand der CCD-Zeile um die Strecke q entfernt ist. Der Abstand q
variiert mit der Entfernung s zwischen E und O. Für das Dreieck ABC (daher der Name Triangulation)
gilt:
(1)
tan a =
d +q
s
Außerdem gilt mit der Entfernung p zwischen der Mittenebene der Linse und der Frontseite der CCDZeile (Ebene E):
(2)
tan a =
q
p
Daraus folgt:
(3)
d +q q
=
s
p
→
s=
(d + q) p
q
In Kenntnis der Geräteparameter d und p lässt sich somit durch Messung der Größe q die Entfernung s
bestimmen.
6
CCD: Charged Coupled Device. Eine CCD-Zeile besteht aus einer zeilenförmigen Anordnung von z.B. 128 oder
512 (oder mehr) kleinen Fotodetektoren (Pixeln), die jeweils eine Breite von wenigen Mikrometern haben.
118
Das Signal der CCD-Zeile wird von einem Mikroprozessor ausgelesen, der daraus die Größe q bestimmt
und mit den bekannten geometrischen Daten d und p in ein Spannungssignal ULDS umrechnet, das sich
mit s linear ändert. Dieses Signal steht am Ausgang des Laserdistanzsensors zur Verfügung.
2.4
Winkelsensor auf Basis des HALL-Effektes
Für die Messung des Drehwinkels einer Achse wird ein Winkelsensor (Typ TWK-ELEKTRONIK PBA 12)
eingesetzt, der auf dem HALL 7-Effekt basiert. Wir werden seine Funktion hier nur schematisch beschreiben. Eine detaillierte Behandlung des Hall-Effektes ist Vorlesungen späterer Semester vorbehalten.
Wir betrachten gem. Abb. 5 einen Quader aus einem geeigneten Halbleitermaterial (grau), der in vertikaler Richtung von einem Magnetfeld B (blau) durchsetzt ist und in horizontaler Richtung von einem Strom
I durchflossen wird. Im mikroskopischen Bild wird der Strom durch den Transport positiver und negativer Ladungsträger mit der Ladung ± q verursacht, die sich mit den Driftgeschwindigkeiten ± v bewegen.
Aus der Schule ist bekannt, dass auf bewegte Ladungen in einem Magnetfeld die LORENTZkraft 8 F wirkt,
die gegeben ist durch:
(4)
=
F q v×B
B
I
UH
Abb. 5: Zur schematischen Darstellung des Hall-Effektes. Bezeichnungen siehe Text.
Die Lorentzkraft bewirkt, dass sich in einer Anordnung gem. Abb. 5 die positiven Ladungsträger nach
oben und die negativen Ladungsträger nach unten bewegen. In Folge dessen entsteht zwischen den Kontakten (schwarz) eine Hall-Spannung UH, für die gilt:
(5)
UH  B
Aus Gl. (4) ist ersichtlich, dass der Betrag der Kraft F von dem Winkel a zwischen v und B abhängt. Es
gilt:
(6)
F q=
v B sin α q v B⊥
=
wobei Β⊥ die Komponente von B ist, die senkrecht auf v steht. Mit einer Änderung der Kraft F geht eine
proportionale Änderung der Hall-Spannung einher. Es gilt:
(7)
U H  B⊥
Gl. (7) bildet die Basis für den im Versuch eingesetzten Winkelsensor, dessen Funktionsprinzip schematisch in Abb. 6 dargestellt ist.
Auf der Achse, deren Winkelstellung a gemessen werden soll, ist ein kleiner Permanentmagnet (rot/grün)
montiert. Bei Drehung der Achse dreht sich das von ihm erzeugte Magnetfeld B um den gleichen Winkel.
Dieses Feld durchsetzt zwei 9 Hall-Sonden H1 und H2. Je nach Orientierung von B liefern H1 und H2
7
8
9
EDWIN H. HALL (1855 – 1938)
HENDRIK A. LORENTZ (1853 – 1928)
Zwei Hall-Sonden sind erforderlich, um das Vorzeichen einer Winkeländerung eindeutig bestimmen zu können.
119
unterschiedliche Hall-Spannungen, aus denen mit einem ASIC 10 die Ausgangspannung U des Winkelsensors erzeugt wird, die proportional zum Winkel a ist.
H2
a H1
SN
ASIC
U
Abb. 6: Schematischer Aufbau des im Versuch eingesetzten Winkelsensors. Bezeichnungen siehe Text.
2.5
Fotodetektoren
Fotodetektoren dienen zur Detektion von Licht. Messbare Größen sind die Lichtleistung PL mit der Einheit W (Watt) bzw. die Lichtintensität IL mit der Einheit W/m2. Aus der Vielzahl verschiedener Fotodetektoren wollen wir uns hier auf die Fotodiode beschränken. Sie wandelt die Größen PL bzw. IL in einen
elektrischen Strom I um, der sich linear mit PL bzw. IL ändert. Bei Bedarf kann ein Strom-Spannungswandler den Strom I in eine dazu proportionale elektrische Spannung U konvertieren.
Für ein detailliertes Verständnis der Funktion einer Fotodiode sind Kenntnisse aus dem Bereich der Festkörperphysik und Halbleiterphysik erforderlich, die erst in späteren Semestern erarbeitet werden. Deshalb
beschränken wir uns hier auf eine kurze Beschreibung der Grundlagen ihres Aufbaus und ihrer Funktionsweise.
2.5.1 Si-Halbleiter und pn-Übergang
Fotodioden werden überwiegend aus kristallinem Silizium (Si), einem Halbleiter, hergestellt. In reinem
(intrinsischem) Si ist jedes vierwertige Si-Atom von vier gleichen Nachbarn umgeben und mit diesen in
kovalenter Bindung verbunden (Abb. 7). Alle vier äußeren Elektronen des Si sind damit räumlich fixiert.
Si
Si
Si
Si
Si
Si
Si
Si
Si
Si
Si
Si
Abb. 7: Kristallstruktur von reinem Si. Die blauen Kreise stellen schematisch die an der kovalenten
Bindung beteiligten Elektronen dar.
Durch Dotierung von reinem Si mit fünfwertigen Atomen (Donatoren) entsteht n-Silizium (Abb. 8 links),
ein n-Halbleiter11. Für die kovalente Bindung des Donatoratoms mit den vier Si-Nachbarn werden nur
vier Elektronen benötigt, das fünfte Elektron (negativer n-Ladungsträger) ist deshalb nur sehr schwach an
den Rumpf des Donatoratoms gebunden. Es ist daher im Material nahezu frei beweglich.
Durch Dotierung von reinem Si mit dreiwertigen Atomen (Akzeptoren) entsteht p-Silizium (Abb. 8
rechts), ein p-Halbleiter. In der kovalenten Bindung des Akzeptoratoms mit den vier Si-Nachbarn fehlt
10
11
Ein ASIC ist eine anwenderspezifische integrierte Schaltung (Application Specific Integrated Circuit).
Die typische Dotierungskonzentration in Silizium, das für den Bau von Fotodioden verwendet wird, liegt in der
Größenordnung von 1015 - 1017 Fremdatomen/cm3. Reines Si enthält ca. 0,5 × 1023 Si-Atome/cm3.
120
ein Elektron. Dadurch entsteht ein Loch, das sich wie ein positiver Ladungsträger verhält (p-Ladungsträger). Dieses Loch kann ein Elektron aus seiner Umgebung einfangen. Das eingefangene Elektron hinterlässt ein neues Loch, das wiederum ein Umgebungselektron einfangen kann usw. Auf diese Weise kann
das Loch durch das Material wandern, es ist beweglich.
Si
Si
Si
Si
Si
Si
Si
Si
Si
Si
As
Si
Si
Si
B
Si
p
n
Si
Si
Si
Si
Si
Si
Si
Si
Abb. 8: Links: Kristallstruktur von n-Si, in dem einige vierwertige Si-Atome durch fünfwertige Atome
ersetzt sind, hier Arsen (As). Das fünfte Valenzelektron des As bildet einen beweglichen nLadungsträger.
Rechts: Kristallstruktur von p-Si, in dem einige vierwertige Si-Atome durch dreiwertige Atome
ersetzt sind, hier Bor (B). Das fehlende Valenzelektron des B, ein sogenanntes Loch, bildet
einen beweglichen p-Ladungsträger.
Bringt man einen p- und einen n-Halbleiter zusammen, so entsteht ein pn-Übergang (Abb. 9). In der Kontaktregion gibt es große Konzentrationsunterschiede der n- und p-Ladungsträger. Deshalb diffundieren
Löcher aus dem p-Si in das n-Si und rekombinieren dort mit den im Überschuss vorhandenen Elektronen.
Ebenso diffundieren Elektronen aus dem n-Si in das p-Si und rekombinieren dort mit den im Überschuss
vorhandenen Löchern. Dadurch entsteht eine von beweglichen Ladungsträgern entleerte Zone (depletion
zone), die sogenannte Sperrschicht S. In dieser Schicht lassen die diffundierten Elektronen positiv ionisierte Donatoren zurück, die diffundierten Löcher negativ ionisierte Akzeptoren (Abb. 10). Diese Ionen
heißen Raumladungen, sie erzeugen in der Sperrschicht (Raumladungszone) ein elektrisches Feld E
(built-in-Feld).
-
p-Si
n-Si
Abb. 9:
Entstehung eines pn-Übergangs durch
Kontakt zwischen zwei Schichten aus p-Si
und n-Si. In der Übergangszone kommt es
zur Diffusion von n-Ladungsträgern (blau)
in das p-Si und von p-Ladungsträgern (rot)
in das n-Si.
+
+
+
+
E
Abb. 10:
Nach Diffusion der p- und n-Ladungsträger
bleiben in der n-Schicht positiv ionisierte
Donatoren ⊕ zurück, in der p-Schicht negativ
ionisierte Akzeptoren (-). Es entsteht eine
Sperrschicht S (gelb), in der die Raumladungen ein elektrisches Feld E erzeugen. Die
realen Breitenverhältnisse der p-, n- und
Sperrschicht weichen von diesem Prinzipbild
erheblich ab.
121
2.5.2 Funktionsprinzip einer Fotodiode
Wir betrachten eine Fotodiode auf Basis eines pn-Übergangs gem. Abb. 10. Die Bestrahlung der Fotodiode mit Licht führt zur Absorption von Photonen. Deren Energie reicht aus, um im Silizium ElektronLoch-Paare durch inneren Fotoeffekt zu erzeugen. Dabei werden Elektronen aus dem Valenz- ins Leitungsband gehoben und hinterlassen im Valenzband ein Loch. Die Zahl der erzeugten Elektron-LochPaare ist proportional zur Zahl der absorbierten Photonen und damit zur Leistung PL bzw. Intensität IL des
einfallenden Lichtes.
Die Erzeugung von Elektron-Loch-Paaren findet im p-Bereich, im n-Bereich und in der Sperrschicht der
Fotodiode statt. Die in der Sperrschicht erzeugten Ladungsträger können durch das dort herrschende
elektrische Feld E direkt räumlich getrennt und beschleunigt werden (Abb. 11). Ladungsträger, die in der
p- und n-Schicht erzeugt wurden, müssen vor ihrer Rekombination durch Diffusion in die Sperrschicht
gelangen, bevor sie dort beschleunigt werden können.
Photon
p
n
S
E
Abb. 11: Erzeugung eines Elektron-Loch-Paares, hier durch Absorption eines Photons in der Sperrschicht
S einer Fotodiode. Durch das elektrische Feld E werden die Ladungsträger (Elektron und Loch)
getrennt und beschleunigt.
Verbindet man die Anschlusskontakte der p- und n-Schicht miteinander (Abb. 12 links und Mitte), so
fließt ein Fotostrom I, der sich aus einem Driftstrom (Photonenabsorption in der Sperrschicht) und einem
Diffusionsstrom (Photonenabsorption außerhalb der Sperrschicht) zusammensetzt und der sich linear mit
der Leistung PL bzw. Intensität IL des einfallenden Lichtes ändert. Dies ist die einfachste Betriebsart einer
Fotodiode 12.
A
p S n
K
I
I
- +
Us
I
Abb. 12: Links: schematische Darstellung einer pn-Fotodiode, deren Bestrahlung mit Licht zu einem
Fotostrom I führt. Schwarz: Anschlusskontakte der p-Schicht (Anode A) und der n-Schicht
(Kathode K). Mitte: zugehöriges Schaltbild. Der senkrechte Strich des Diodensymbols symbolisiert die Kathode K. Rechts: Schaltbild einer Fotodiode mit Sperrspannung US.
Häufig werden Fotodioden mit einer von außen angelegten Sperrspannung US zwischen Anode und
Kathode betrieben, die im Bereich einiger Volt liegt (Abb. 12 rechts). Dadurch wird die Sperrschicht S
verbreitert. Dies führt zu einer Verringerung ihrer Kapazität C (Analogie zum → Plattenkondensator).
Außerdem wird durch US die elektrische Feldstärke E in der Sperrschicht vergrößert, wodurch die
Ladungsträger stärker beschleunigt werden. Beide Effekte führen zu einer Verringerung der Zeitkonstante
τ = RC 13 des Ausgangssignals der Fotodiode bis hinunter in den 10 ns-Bereich. Damit lassen sich auch
schnelle Änderungen von Lichtleistungen bzw. Lichtintensitäten registrieren.
12
13
Bei dieser Betriebsart wird oft auch von einem Fotoelement statt von einer Fotodiode gesprochen.
R ist der für das Zeitverhalten maßgebliche Widerstand in der äußeren Beschaltung der Fotodiode.
122
2.5.3 Technische Realisierung einer Fotodiode
Zur Herstellung einer Fotodiode startet man gem. Abb. 13 (links) mit einem Stück n-Typ-Si (bulk-Material), das einige (10 – 100) µm dick ist. Auf das Material bringt man eine Maske aus SiO2 auf. Die Maske
begrenzt die lichtempfindliche Fläche der Fotodiode auf den Bereich, der frei von SiO2 ist. Anschließend
lässt man von oben durch Diffusion oder Ionen-Implantation dreiwertige Atome in das bulk-Material
eindringen, bis sich durch diese Dotierung in einer dünnen Schicht (Dicke im Bereich 1 µm), der pSchicht, ein Überschuss an p-Ladungsträgern gebildet hat. Zwischen dieser p-Schicht und dem n-Material
bildet sich eine ebenfalls dünne Sperrschicht S aus (Dicke ebenfalls im µm-Bereich). Schließlich werden
die p- und n-Schicht mit metallischen Anschlusskontakten versehen (Abb. 13 links und rechts) und die
Frontseite der Fotodiode bei Bedarf mit einer Antireflexschicht (AR) überzogen. Den Abschluss nach
außen bildet in der Regel ein Schutzglas (G).
AR
SiO2
A
G
p
S
n
K
Abb. 13: Links: Schematische Darstellung einer Si-Fotodiode im Querschnitt. Die Antireflexschicht (AR)
ist grün gezeichnet, die metallischen Anschlusskontakte schwarz. G ist ein Schutzglas.
Mitte: Foto einer Fotodiode (SIEMENS BPW 34) mit nach außen gebogenen Lötkontakten. Auf
der schwarzen lichtempfindlichen Fläche befindet sich unten rechts der Anschlusskontakt der
Anode A, der mit dem rechten Lötkontakt verbunden ist. Die „Fahne“ am linken Lötkontakt
markiert diesen als Anschlusskontakt der Kathode K.
Rechts: Vergrößerter Ausschnitt der Frontseite der Fotodiode unter dem Mikroskop. Unten
rechts auf der schwarzen lichtempfindlichen Fläche befindet sich der Anoden-Kontakt von ca.
0,25 × 0,25 mm2 Größe mit einem Gold-Anschlussdraht (Bond-Draht) von ca. 25 µm Durchmesser. Der Draht ist rechts mit dem nach außen geführten Anoden-Lötkontakt verbunden. Der
äußere Rand und Teile des Golddrahtes erscheinen unscharf, da auf die Ebene des AnodenKontaktes scharf gestellt wurde.
105
100
4
80
103
Srel / %
a / cm-1
10
102
101
100
0.4
60
40
20
0.5
0.6
0.7
0.8
λ / µm
0.9
1.0
1.1
0
0.4
0.5
0.6
0.7
0.8
0.9
1.0
1.1
λ / µm
Abb. 14: Links: Absorptionskoeffizient a von Silizium als Funktion der Wellenlänge λ (Datenquelle: A.
M. GREEN, Solar Energy Materials & Solar Cells 92 (2008) 1305–1310).
Rechts: Relative spektrale Empfindlichkeit Srel der Fotodiode SIEMENS BPW 34 als Funktion
der Wellenlänge λ. (Datenquelle: SIEMENS-Datenblatt.)
123
Als spektrale Empfindlichkeit Sλ einer Fotodiode bei der Wellenlänge λ ist der Quotient aus Fotostrom I
und eingestrahlter Lichtleistung PL definiert:
Sλ
(8)
I
=
mit
[ Sλ ] A/W
PL
Je größer die Wellenlänge λ des Lichtes ist, mit dem die Fotodiode beleuchtet wird, desto kleiner ist der
Absorptionskoeffizient a (Abb. 14 links) und desto größer demnach die Eindringtiefe der Photonen.
Kurzwelliges Licht wird zum großen Teil bereits im Schutzglas, der äußeren Antireflexschicht oder in der
p-Schicht absorbiert, langwelliges zum großen Teil erst in der n-Schicht. Je weiter entfernt von der Sperrschicht die Photonenabsorption stattfindet, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ladungsträger
in die Sperrschicht diffundieren können, bevor sie rekombinieren. Solche Photonen können deshalb nur
zu einem geringeren Teil zum Fotostrom beitragen. Insgesamt ergibt sich damit eine von λ abhängige
spektrale Empfindlichkeit der Fotodiode, die nach oben durch die Bandlücke des Halbleitermaterials
begrenzt ist (ca. 1,1 µm für Si). Abb. 14 (rechts) zeigt als Beispiel die relative spektrale Empfindlichkeit
Srel(λ) der im Praktikum eingesetzten Fotodiode.
3
Versuchsdurchführung
Achtung:
Beim Umgang mit Laserlicht muss darauf geachtet werden, dass weder der Laserstrahl direkt, noch reflektierte Strahlen in die Augen gelangen. Es besteht die Gefahr der Netzhautzerstörung durch lokal
extrem hohe Intensitäten! Der Laserstrahl muss daher immer in einer Höhe unter ca. 1,2 m gehalten
werden!
Zubehör:
Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, Digital-Multimeter
(AGILENT U1251B und FLUKE 112), 3 Netzgeräte (PHYWE (0 - 15 / 0 - 30) V), Kraftsensor (U-OL)
mit Messverstärker (U-OL), Gewichtssatz, Aluminium-Ring, Laborwaage, Drucksensor
(SENSORTECHNICS HCLA12X5DB) auf Grundplatte mit Absperrhähnen an Stativ, ERLENMEYER-Kolben mit geschliffenem Stopfen auf Tisch, U-Rohr-Manometer (Wasserfüllung) mit Halterung und
Ableseskala, Becherglas auf Scherentisch, Schlauchmaterial, Laserdistanzsensor (BAUMER OADM
12U6460/S35), Feder mit Stange und Kugel an Stativ, Becherglas mit Glycerin/Wasser-Gemisch
(190 ml Wasser auf 1000 ml Glycerin), Grundplatte mit Winkelsensor (TWK-ELEKTRONIK PBA 12)
und Handrad, Fotodiode SIEMENS BPW 34, Lochrasterplatine (8 × 5 cm2) zur Montage der Fotodiode
mit Zubehör (50 Ω-Widerstand, Kabel, Isolierband, Lötzinn), Lötstation, Abisolierzange, Abgreifklemmen, Helium-Neon-Laser auf Dreieckschiene, Polarisationsfilter in THORLABS-Drehhalterung, UHalter für Fotodiode, Reiter.
Hinweis:
Ausgewählte Kenndaten der eingesetzten Sensoren finden sich in Tab. 1 im Anhang (Kap. 4).
3.1
Kalibrierung eines Kraftsensors
Der an einem Stativ aufgehängte Kraftsensor soll mit Hilfe eines Gewichtssatzes kalibriert werden.
Zunächst wird der Kraftsensor mit dem Messverstärker verbunden, mit dem die Brückenspannung U auf
die Spannung UM verstärkt wird. Der Messverstärker wird über ein Netzgerät mit Betriebsspannung versorgt, die Dämpfung wird eingeschaltet. Für mindestens 5 Gewichte G im Bereich (0 - 100) mN wird die
Ausgangsspannung UM des Messverstärkers mit einem Voltmeter gemessen. Zur Berechnung von G = mg
aus den Massen m der Gewichte wird für die Erdbeschleunigung g der Wert für Oldenburg verwendet:
g = 9,8133 m/s2, der ebenso wie m als fehlerfrei angenommen wird 14. Anschließend wird UM über G
14
Wert nach http://www.ptb.de/cartoweb3/SISproject.php; der Fehler von 2×10-5 m/s2 wird vernachlässigt.
124
aufgetragen und die Kalibrierkurve ermittelt. Da der Sensor linear arbeitet, ist die Kalibrierkurve eine
Gerade, deren Parameter mit Hilfe der linearen Regression bestimmt werden.
Schließlich wird ein Aluminiumring, der in einem späteren Versuch zur Messung der Oberflächenspannung eingesetzt wird, an den Kraftsensor gehängt und die zugehörige Ausgangsspannung UM des Messverstärkers gemessen. Mit Hilfe der Kalibrierkurve wird daraus die Gewichtskraft G und die Masse m des
Rings bestimmt. Der Größtfehler von m ergibt sich aus dem Größtfehler von UM, die Fehler der Parameter
der Ausgleichsgeraden können vernachlässigt werden. Die Masse m wird zusätzlich mit einer Laborwaage ermittelt (Fehler vernachlässigbar). Beide Messwerte werden miteinander verglichen.
3.2
Kalibrierung eines Drucksensors
Der Drucksensor wird kalibriert, indem zwischen seinen beiden Schlauchanschlüssen definierte Druckdifferenzen ∆p eingestellt werden und jeweils die zugehörige Ausgangsspannung U gemessen wird.
Der Schlauchanschluss mit der Kennzeichnung „-“ bleibt offen. Er steht dadurch in direktem Kontakt mit
der Umgebungsluft. Der Anschluss mit der Kennzeichnung „+“ wird mit dem Gasvolumen verbunden,
dessen Überdruck ∆p im Vergleich zum Umgebungsdruck gemessen werden soll. Für einen linearen
Betrieb des Sensors muss bei dieser Betriebsart ∆p ≥ 0 sein, d.h. der Druck am „+“-Eingang muss immer
größer sein als der Druck am „-“-Eingang. Die maximal zulässige Druckdifferenz beträgt
∆p = + 1,25 × 103 Pa, die bei einer Versorgungsspannung des Sensors von + 5 V (Netzgerät) in ein Spannungssignal von U = U0 + 2 V umgesetzt wird (U0 = 2,25 V) 15. Die Druckdifferenz ∆p = 0 Pa erzeugt
eine Spannung von U = U0 + 0 V = U0. Für Druckdifferenzen zwischen 0 Pa und 1,25 × 103 Pa ergeben
sich Ausgangspannungen im Bereich U0 ≤ U ≤ U0 + 2 V 16.
Die für die Kalibrierung des Sensors benötigten Druckdifferenzen lassen sich mit einer Anordnung gem.
Abb. 15 einstellen. Das Luftvolumen in einem luftdicht verschlossenen ERLENMEYER-Kolben E ist über
ein Leitungs- und Schlauchsystem mit dem Drucksensor D und einem U-Rohr-Manometer M verbunden
(Hahn H1 geöffnet, Hahn H2 geschlossen). Der Druck p in diesem Volumen kann durch Variation des
Wasserstandes in E verändert werden. Diese Variation erfolgt durch Heben oder Senken eines mit Wasser
gefüllten Vorratsgefäßes V mit Hilfe eines Scherentisches S. V und E sind über einen beidseitig in das
Wasser eintauchenden Schlauch miteinander verbunden. Die Differenz zwischen dem Druck p in E und
dem Umgebungsluftdruck pL,
∆p = p − pL
(9)
kann mit Hilfe des U-Rohr-Manometers gemessen werden. Sie ist bei einer Höhendifferenz hm im Manometer gegeben durch:
(10)
∆p =ρ m hm g
wobei ρm die Dichte der Flüssigkeit im Manometer (hier Wasser) und g die Erdbeschleunigung ist (g wie
in Kap. 3.1). Für die Dichte ρm von Wasser im Temperaturbereich von (20 ± 2) °C kann ein als fehlerfrei
angenommener Wert von 998 kg/m3 verwendet werden.
Frage 1:
Wie groß darf hm höchstens sein, damit die maximale Druckdifferenz des Sensors nicht überschritten
wird?
15
16
Man könnte den Sensor auch so betreiben, dass der Anschluss „+“ in Kontakt mit der Umgebungsluft steht und
am Anschluss „-“ ein Unterdruck herrscht. Die maximale Druckdifferenz wäre in diesem Fall
∆p = - 1,25 × 103 Pa, die in ein Spannungssignal von U = U0 - 2 V umgesetzt wird.
U0 und U variieren mit der Betriebsspannung (nominell 5 V). Eine einmal eingestellte Spannung darf deshalb
während der Messung nicht verändert werden.
125
Für mindestens 5 verschiedene Druckdifferenzen (zugehörige Höhen hm ausmessen) wird die Ausgangsspannung U des Drucksensors D mit einem Voltmeter gemessen. U wird über ∆p (Gl. (10)) aufgetragen.
Für ∆p werden Fehlerbalken eingezeichnet, die sich aus dem Größtfehler der Höhen hm ergeben. Schließlich wird die Kalibrierkurve ermittelt und eingezeichnet. Da der Sensor linear arbeitet, ist die Kalibrierkurve eine Gerade, deren Parameter mit Hilfe der linearen Regression bestimmt werden.
Hinweis zum Rauschen:
Das elektronische Rauschen des Drucksensors (s. Tab. 1 im Anhang (Kap. 4)) führt zu Schwankungen
der Ausgangsspannung U, die sich mit Hilfe der Kalibrierkurve in ein Rauschen des Drucksignals
umrechnen lassen. Dieses Rauschen liegt unterhalb der Fluktuationen in den Druckwerten nach
Gl.(10), die sich aus der beschränkten Ablesegenauigkeit der Höhendifferenz hm ergeben. Es kann deshalb bei den durchzuführenden Messungen vernachlässigt werden.
M
hm
H1
Wasser
pL
H2
-+
D
Luft,
Druck p
V
E
Wasser
S
Abb. 15: Anordnung zur Einstellung von Druckdifferenzen ∆p > 0 gegenüber dem Umgebungsluftdruck
pL. Einzelheiten siehe Text.
3.3
Abstandsmessung mit einem Laser-Distanzsensor
Mit einem Laser-Distanzsensor (Typ BAUMER OADM 12U6460/S35) soll das zeitliche Verhalten einer
gedämpften harmonischen Schwingung untersucht werden. Gesucht sind die Kreisfrequenz ω der
Schwingung und die Dämpfungskonstante a. Zur Messung beider Größen wird wie folgt vorgegangen.
An einer Feder ist gem. Abb. 16 über eine Stange S eine Kugel K befestigt, die zur Dämpfung ihrer
Bewegung in ein Becherglas B mit einem Glycerin-Wasser-Gemisch eintaucht. Die Stange S wird um
einige Zentimeter nach unten ausgelenkt und dann losgelassen (Messbereich des Sensors beachten, s.
Tab. 1 im Anhang (Kap. 4)). Kugel und Stange führen danach eine gedämpfte harmonische Oszillation
aus. Die Auslenkung aus der Ruhelage, x, lässt sich als Funktion der Zeit t durch folgende Gleichung
beschreiben:
(11)
x ( t ) = x0 e −α t cos (ω t )
Darin ist x0 die Anfangsamplitude (d.h. die anfängliche Auslenkung der Kugel), ω die Kreisfrequenz der
Schwingung und a die Dämpfungskonstante. Zum Zeitpunkt des Loslassens der Stange sei t = 0.
126
LDS
Feder
s
R
S
K
B
Abb. 16: Messung des Verlaufs einer gedämpften harmonischen Schwingung mit einem Laserdistanzsensor LDS.
Die Auslenkung x(t) wird mit dem Laserdistanzsensor in ein Spannungssignal U(t) umgesetzt. Dazu ist an
der Stange S eine Reflektorscheibe R angebracht, auf die der Laserstrahl des Sensors gerichtet wird. Die
Ausgangsspannung des Sensors ist gegeben durch:
=
U ( t ) U 0 e −α t cos (ω t ) + U DC
(12)
Dabei ist UDC ein Gleichspannungsanteil, der vom Abstand zwischen dem Laserdistanzsensor LDS und
der Reflektorscheibe R in der Ruhelage der Kugel abhängt (s. Abb. 17).
7.0
6.5
U1
6.0
U2
U/ V
5.5
5.0
4.5
4.0
3.5
3.0
0.0
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
t/s
Abb. 17: Exemplarische Darstellung des Ausgangssignals des Laserdistanzsensors gem. Gl. (12). In diesem Beispiel ist U0 = 2 V und UDC = 5 V. Die Spannungen Ui werden zu den Zeitpunkten ti
gemessen (hier t0 = 0 s, t1 = 0,2 s, t2 = 0,4 s,…).
U(t) wird mit einem Digital-Oszilloskop im SINGLE-SEQ-Modus aufgezeichnet. Aus der aufgezeichneten Kurve wird mit Hilfe der Zeit-Cursor die Frequenz f der gedämpften Schwingung ermittelt und
daraus ω berechnet. Zur Bestimmung der Dämpfungskonstante a werden die Amplituden Ui der Teilschwingungen zu den Zeiten ti (i = 0, 1, 2, …) mit Hilfe der Spannungs-Cursor gemessen (Abb. 17). Für
Ui und ti müssen keine Fehler angegeben werden. Ui wird über ti in einem halblogarithmischen Diagramm
dargestellt (Ui auf logarithmischer Achse). Wird für die Skalierung der Ordinate der natürliche Logarithmus verwendet, entspricht a der Steigung der Ausgleichsgeraden durch die Messwerte 17.
17
Hinweise zur linearen Regression in (halb)-logarithmischen Diagrammen im Kap. „Einsatz der Computer im
Grundpraktikum Physik“ beachten („scheinbarer Fit“ bzw. „Apparent Fit“).
127
Durch Kalibrierung des Sensors ist es möglich, den Spannungsverlauf U(t) in die Größe x(t) umzurechnen.
Frage 2:
Wie müsste man vorgehen, um eine Kalibrierkurve zu erstellen?
Wegen des linearen Zusammenhangs zwischen U(t) und x(t) ergäbe sich für x(t) ein zu U(t) analoger
Funktionsverlauf. Deshalb soll hier auf die Kalibrierung und Umrechnung verzichtet werden.
Frage 3:
Wie ließe sich aus dem Verlauf von x(t) die Geschwindigkeit v(t) und die Beschleunigung a(t) gewinnen?
3.4
Messung eines Übersetzungsverhältnisses mit einem Winkelsensor
Auf einer Grundplatte sind gem. Abb. 18 ein Handrad H und ein Winkelsensor W befestigt. Auf der
Drehachse des Winkelsensors ist eine Scheibe mit einem O-Ring montiert, der gegen den Rand des Handrades drückt. Die Ausgangsspannung U des Winkelsensors ändert sich bei einer vollständigen Umdrehung der Achse des Winkelsensors linear zwischen Umin (ca. 0 V) und Umax (ca. 5 V).
Das Handrad wird einmal von β = 0° auf β = 360° (also um 2π) gedreht. Dadurch dreht sich W um den
Winkel a > 2π. Durch Messung von Umin, Umax, Uβ = 0°, Uβ = 360° mit einem Voltmeter sowie der Zahl n der
während der Änderung von β stattfindenden Spannungssprünge von Umax nach Umin wird das Übersetzungsverhältnis V = a/2π zwischen der Drehung des Handrades und der Drehung von W bestimmt. Eine
Fehlerangabe für V ist nicht nötig.
a
W
H
β
O-Ring
Abb. 18: Winkelsensor W mit O-Ring, der an den Rand eines Handrades H drückt. Bei Drehung des
Handrades um den Winkel β dreht sich der O-Ring und damit die Achse von W um den Winkel
a.
U
Umax
Uβ = 360°
Uβ = 0°
Umin
0°
360° β
Abb. 19: Ausgangsspannung U des Winkelsensors bei Drehung des Handrades aus Abb. 18 um β = 360°
(exemplarisch!). In der Handrad-Stellung β = 0° steht die Achse des Winkelsensors an beliebiger Winkelposition, bei der der Winkelsensor die Spannung Uβ = 0° ausgibt.
128
3.5
Messungen mit einer Fotodiode
3.5.1 Linearität des Ausgangssignals einer Fotodiode
Ziel der Messung ist die Überprüfung des linearen Zusammenhangs zwischen dem Fotostrom einer Fotodiode und der einfallenden Lichtintensität.
Die Fotodiode vom Typ Siemens BPW 34 18 (Abb. 13) wird auf das obere Ende einer Lochrasterplatine
gelötet. Für die Anode und die Kathode werden Anschlusskabel hergestellt, an den Enden verzinnt und
angelötet. An den freien Kabelenden werden Abgreifklemmen angeschlossen, über die der Anschluss der
Fotodiode an ein Amperemeter (AGILENT U1251B) mit Hilfe von Laborkabeln erfolgt. Das untere Ende
der Platine wird mit Isolierband umwickelt und in einem U-Halter befestigt.
Zur Überprüfung der Linearität der Fotodiode muss sie mit Licht unterschiedlicher Intensität IL beleuchtet
werden. Unterschiedliche Lichtintensitäten sind mit einem Laser und einem idealen Polarisationsfilter
(kurz: Polfilter) einfach herzustellen. Wir verwenden einen Helium-Neon-Laser (λ ≈ 633 nm), der linear
polarisiertes Licht emittiert, d.h. das elektrische Feld E der Lichtwelle schwingt nur in einer Richtung.
Dieses Licht wird durch einen drehbaren Polfilter geschickt, der die Eigenschaft hat, nur eine Richtung
des E-Feldes einer Lichtwelle durchzulassen. Ist P die Durchlassrichtung des Polfilters, E die Richtung
des elektrischen Feldes der auf den Filter einfallenden Lichtwelle und a der Winkel zwischen E und P, so
wird nur die Komponenten Et von E durchgelassen, die parallel zu P liegt. Diese Komponente ist nach
Abb. 20:
(13)
Et = E cos α
Die Intensität einer Lichtwelle ist bis auf einen Proportionalitätsfaktor k durch das Quadrat ihrer Amplitude E = |E| gegeben. Ist IL die Intensität des Laserlichtes, so folgt demnach für die vom Polfilter durchgelassene Intensität IP gem. Gl. (13) das Gesetz von MALUS 19:
(14)
=
I P k=
Et2 k E 2 cos 2 =
(αα
) I L cos 2 ( )
Durch Drehung des Polfilters um den Winkel a lassen sich demnach hinter dem Polfilter unterschiedliche
Lichtintensitäten IP einstellen.
P
E
a
Et
Abb. 20: Durchgang einer linear polarisierten Lichtwelle mit dem elektrischen Feldvektor E durch einen
Polfilter mit der Durchlassrichtung P.
18
19
BPW 34 ist eine PIN-Fotodiode, die etwas anders aufgebaut ist als eine in dieser Anleitung beschriebene pnFotodiode. Auf die Einzelheiten des Unterschieds beider Typen soll hier nicht weiter eingegangen werden, da er
für die hier durchzuführenden Versuche nicht relevant ist.
ETIENNE LOUIS MALUS (1775–1812). Die Absorption des Polfilters, die für E || P gemessen werden kann,
wird hier nicht berücksichtigt.
129
Hinter den auf einer Dreieckschiene stehenden Laser wird der Polfilter P und dahinter die Fotodiode FD
montiert. Die Fotodiode wird so ausgerichtet, dass der Laserstrahl sie mittig trifft.
Zunächst muss die Orientierung von E der vom Laser emittierten Lichtwelle gefunden werden. Dazu wird
der Strom I der Fotodiode bei Änderung der Winkelstellung P des Polfilters gemessen. I ist minimal,
wenn E und P orthogonal zueinander stehen. In dieser Stellung ist a = 90°. Auf der Winkelskala des Polfilters wird dann ein Wert β angezeigt. Da die Orientierung des Lasers in seiner Halterung beliebig sein
kann, ist i. A. β ≠ a.
Anschließend wird der Verschluss des Lasers geschlossen und der Dunkelstrom ID der Fotodiode gemessen. Danach wird der Verschluss wieder geöffnet und der Fotostrom I für verschiedene Winkel a gemessen (a = (0, 10, 20,…,90)°), die sich mit Hilfe der Winkelskala am Polfilter einstellen lassen. Die Stromdifferenz
(15)
Iα= I − I D
ist proportional zur Lichtintensität IP. Ia wird über cos2(a) aufgetragen und mit Hilfe der linearen Regression eine Ausgleichsgerade eingezeichnet. Anhand der Verteilung der Messpunkte um die Ausgleichsgerade lässt sich die Linearität der Fotodiode beurteilen. Zufällige Streuungen der Messpunkte um die Ausgleichsgerade sind auf die realen Eigenschaften des Polfilters zurückzuführen, systematische Abweichungen würden auf ein nichtlineares Verhalten der Fotodiode hindeuten.
3.5.2 Messung der Leistung von Laserlicht
Für die verwendete Fotodiode BPW 34 kann die spektrale Empfindlichkeit Sλ bei der Wellenlänge
λ = 850 nm aus dem Datenblatt entnommen werden. Es ist S850 nm = 0,62 A/W (ohne Fehlerangabe). In
Kenntnis der relativen spektralen Empfindlichkeit Srel für λ = 633 nm (Abb. 14 rechts) kann daraus die
spektrale Empfindlichkeit Sλ für die Wellenlänge des Laserlichtes (λ ≈ 633 nm) bestimmt werden:
(16)
S633 nm = S850 nm
S rel ( 633 nm )
100
S rel in %
Zur Messung der Leistung PL des Laserlichtes wird der Polfilter aus dem Versuchsaufbau entfernt, die
Fotodiode direkt mit dem Licht des Lasers bestrahlt und der Fotostrom I633 nm gemessen. Anschließend
wird der Verschluss des Lasers geschlossen und der Dunkelstrom ID gemessen. Die Differenz
I = I633 nm - ID ist der Nettostrom, der für die Bestimmung von PL nach Gl. (8) benötigt wird. Für die
Berechnung des Fehlers von PL ist nur der Ablesefehler für Srel zu berücksichtigen. Zusätzlich zum
Messwert wird die Nummer des verwendeten Lasers angegeben.
3.5.3 Messung der Geschwindigkeit einer Fingerbewegung
Im folgenden Experiment soll gemessen werden, wie schnell ein waagerecht ausgestreckter Finger um ca.
(30 – 40)° nach unten bewegt werden kann – einem Klaviervirtuosen gelingt das sicher deutlich schneller
als anderen Menschen. Dazu wird die Fingerspitze über den Laserstrahl gehalten und der Finger (nicht die
Hand) dann schnellstmöglich nach unten bewegt. Dabei unterbricht die Fingerspitze den Laserstrahl. Die
Zeitdauer der Unterbrechung wird mit der Fotodiode gemessen und soll als Maß für die Schnelligkeit
dienen. Der Einfluss der Fingerdicke bleibt unberücksichtigt.
Die Messung soll mit einem Digitaloszilloskop im SINGLE-SEQ-Modus erfolgen. Dazu muss zum
einen der Fotostrom I in eine Spannung U umgeformt werden. Dies lässt sich im einfachsten Fall dadurch
realisieren, dass I durch einen Widerstand R fließt, über dem die Spannung U = RI abgegriffen werden
130
kann 20. Zum anderen muss die Fotodiode mit einer Sperrspannung US betrieben werden, damit die
Zeitkonstante reduziert wird (vgl. Kap. 2.5.2). Dies ist Voraussetzung für die Messung schneller
Änderungen der Lichtintensität. Abb. 21 zeigt das zugehörige Schaltbild.
Zum Aufbau der Schaltung nach Abb. 21 wird der Widerstand R ≈ 50 Ω mit auf die Lochrasterplatine
gelötet und mit einem Anschlusskabel versehen. Die Sperrspannung soll Us = 10 V betragen. Anschließend erfolgt die beschriebene Messung für den Zeigefinger und den Ringfinger der rechten und linken
Hand.
Frage 4:
Ergeben sich signifikante Unterschiede?
R
- +
Us
U
Abb. 21: Beschaltung einer Fotodiode zur Messung schneller Änderungen der Lichtintensität IL als Funktion der Zeit t. Der zeitliche Verlauf der Spannung, U(t) ~ IL(t), kann mit einem Digital-Oszilloskop aufgezeichnet werden.
4
Anhang
Größe
Typ
Messbereich
Kraft
U-OL
227/10
Auflösung
Ansprechzeit
Rauschen
(0 – 100) mN
< 0,5 ms
± 0,7 mV
(0 – 1250) Pa
0,5 ms
± 4 mV
SENSORTECHNICS
Druck
HCLA
12X5DB
BAUMER
Abstand
OADM
12U6460/S35
TWKELEKTRONIK
PBA 12
Winkel
Lichtleistung
Tab. 1:
20
21
22
23
SIEMENS
BPW 34
(16 – 120) mm
(0,002 –
0,12) mm 21
< 0,9 ms
< ± 5 mV
(0 – 360)°
0,35°
< 0,4 ms
< 0,5°
20 ns
22
NEP 23
4,1 × 10-14
W/Hz-1/2
Ausgewählte Kenndaten der eingesetzten Sensoren soweit verfügbar bzw. angebbar.
In der fortgeschrittenen Messtechnik wird für die Strom/Spannungswandlung üblicherweise ein sogenannter
Transimpedanzverstärker auf Basis eines Operationsverstärkers eingesetzt. Entsprechende Komponenten werden
in Teil II des Grundpraktikums behandelt.
Je kleiner der Abstand zwischen LDS und Messobjekt, desto besser die Auflösung.
Abhängig von der Beschaltung.
NEP: noise equivalent power = rauschäquivalente Strahlungsleistung.
131
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Modul Grundpraktikum Physik – Teil I
Kraft, Impuls und Kraftstoß
Stichworte:
Kraft, Federkraft, HOOKEsches Gesetz, NEWTONsche Axiome, Impuls, Kraftstoß, harmonische
Schwingung, Abstandsgesetz für Kräfte
Messprogramm:
Kalibrierung eines Kraftsensors, Kraft und Auslenkung bei einer harmonischen Schwingung, Anziehungskraft zwischen zwei Magneten, Kraftstoß und Impulsänderung bei einem elastischen Stoß auf
einer Luftkissenbahn.
Literatur:
/1/ DEMTRÖDER, W.: „Experimentalphysik 1 – Mechanik“, Springer-Verlag, Berlin u.a.
/2/ MESCHEDE, D. [Hrsg.]: "Gerthsen Physik", Springer, Berlin
1
Einleitung
Dieser Versuch ist vor allem der quantitativen Messung von Kräften gewidmet. Im ersten Teil wird der
Zusammenhang zwischen Kraft und Auslenkung bei einer mechanischen, harmonischen Schwingung
untersucht. Der zweite Teil widmet sich dem Abstandsgesetz bei der Kraftwirkung zwischen zwei Magneten. Im dritten und letzten Teil geht es um den Zusammenhang zwischen Kraft und Impuls bzw. Kraftstoß.
2
Theorie
2.1
Harmonische Schwingung: Kraft und Auslenkung
Wir betrachten eine Anordnung gem. Abb. 1, wie wir sie in ähnlicher Form bereits im Versuch „Sensoren
für Kraft…“ kennen gelernt haben. An einem Kraftsensor S hängt eine Feder FE. Am unteren Ende der
Feder ist über eine Stange ST eine Kugel K befestigt. Zusätzlich ist an der Stange eine Reflektorscheibe R
montiert.
LDS
S
FE
R
ST
K
F0
0
x0
x
Abb. 1: Anordnung zur Messung der Kraft und der Auslenkung bei einer harmonischen Schwingung.
Bezeichnungen siehe Text.
132
In der Ruhelage der Kugel sind die nach unten gerichtete Gewichtskraft von ST, K und R und die nach
oben gerichtete Federkraft im Gleichgewicht. Der Mittelpunkt der Kugel befindet sich dann in der Ruhelage bei x = 0. Durch eine zusätzliche senkrecht nach unten gerichtete Kraft F0 wird die Kugel um die
Strecke x0 nach unten ausgelenkt 1. Zur Zeit t = 0 wird die Kugel losgelassen und durch die Zugkraft F der
Feder nach oben beschleunigt. Für F gilt nach dem HOOKEschen Gesetz mit der Federkonstanten D:
F = − D x0
(1)
Anschließend führt die Kugel eine harmonische Schwingung in x-Richtung aus. Die Auslenkung aus der
Ruhelage, x(t), die mit einem Laser-Distanzsensor LDS gemessen werden kann, wird unter Vernachlässigung von Reibungseffekten durch folgende Gleichung beschrieben 2:
x ( t ) = x0 cos (ω t )
(2)
Darin ist ω die Kreisfrequenz der Schwingung, die gegeben ist durch:
ω=
(3)
D
m
m ist die für die Schwingung maßgebliche Masse, für die gilt:
m = mK + mST + mR +
(4)
1
mFE
3
mK, mST, mR und mFE sind die Massen der Kugel, der Stange, der Reflektorscheibe und der Feder 3.
Die Geschwindigkeit v(t) der Kugel erhält man durch Differentiation von x(t) nach der Zeit:
v ( t ) = − x0 ω sin (ω t )
(5)
Die Beschleunigung a(t) erhält man durch Differentiation der Geschwindigkeit nach der Zeit:
a ( t ) = − x0 ω 2 cos (ω t )
(6)
Damit folgt für die Kraft F(t), die die Feder auf m ausübt:
F (t ) =
m a (t ) =
− m x0 ω 2 cos (ω t ) =
− F0 cos (ω t )
(7)
mit
(8)
F0 = m x0 ω 2
Frage 1:
- Die Kraft F(t) hat je nach Lage x(t) der Kugel ein positives oder negatives Vorzeichen. In welchem
Bereich wirkt die Feder als Zugfeder bzw. als Druckfeder?
1
2
3
Da F0 und alle weiteren betrachteten Kräfte nur in x-Richtung wirken, reicht eine Beschreibung mit skalaren
Größen.
Eine detaillierte mathematische Beschreibung der Schwingung erfolgt im späteren Versuch „Erzwungene
mechanische Schwingungen“.
Der Zusammenhang nach Gl. (4) wird im späteren Versuch „Erzwungene mechanische Schwingungen“ erläutert.
133
In der Ruhelage der Kugel misst der Kraftsensor S die Gewichtskraft G von FE, ST, R und K. Wird die
Kugel aus der Ruhelage mit der Kraft F0 nach unten gezogen, misst S nach dem 3. NEWTONschen
Axiom 4 actio = reactio die Kraft
FS =G + F0 =G − F ( t =0 )
(9)
mit F(t) nach Gl. (7). Nach dem Loslassen der Kugel misst S die Kraft
(10)
FS ( t =
) G − F (t )
Nach Abzug von G liefert S also F(t) nach Gl. (7) mit umgekehrtem Vorzeichen.
2.2
Abstandsgesetz für magnetische Kraft
Die Gravitationskraft FG zwischen zwei Massen m1 und m2 im Abstand r ist bekanntlich durch das
NEWTONsche Gravitationsgesetz gegeben:
(11)
FG = G
m1 m2
rˆ
r2
Dabei ist G die Gravitationskonstante und r̂ der Einheitsvektor in Richtung der Verbindungslinie der
Mittelpunkte beider Massen 5. Da die Kraft mit dem Quadrat des Abstandes r abnimmt, spricht man von
einem 1/r2-Gesetz.
Auch das COULOMB-Gesetz, das die Kraft FE zwischen zwei elektrischen Ladungen q1 und q2 im Vakuum
beschreibt, ist ein 1/r2-Gesetz. Es lautet:
(12)
FE =
1 q1 q2
rˆ
4πε 0 r 2
wobei ε0 die elektrische Feldkonstante ist und r und r̂ analog zum Gravitationsgesetz definiert sind. Für
Ladungen mit ungleichen Vorzeichen ergibt sich eine anziehende Kraft, für Ladungen mit gleichen Vorzeichen eine abstoßende Kraft.
Auch für die Kraft zwischen zwei Magneten gilt unter bestimmten Bedingungen ein 1/r2 Gesetz. Wir
betrachten dazu gem. Abb. 2 zwei Stabmagneten, deren Längen groß gegenüber ihren Durchmessern sind.
Die „Stärke“ solcher Magnete kann man unter dieser Voraussetzung durch Polstärken P beschreiben, die
mit unterschiedlichen Vorzeichen am Nord- und Südpol des jeweiligen Magneten herrschen und als
punktförmig angenommen werden können 6. Die Kraft zwischen zwei Magneten wird dann durch folgendes Gesetz beschrieben, das auch als COULOMBgesetz für Magnete bezeichnet wird:
(13)
FM =
µ0 P1 P2
rˆ
4π r 2
4
ISAAC NEWTON (1643 – 1727)
5
Streng genommen gilt Gl. (11) nur für punktförmige Massen im Abstand r. Bei annähernd kugelförmigen Massen mit symmetrischer Massenverteilung um den Mittelpunkt (z.B. beim System Erde und Mond) ergibt sich
jedoch der gleiche Zusammenhang. r beschreibt dann den Abstand beider Mittelpunkte.
Die magnetische Polstärke P wird in der Literatur unterschiedlich definiert. Hier ist die Größe mit der Einheit
[P] = A m gemeint.
6
134
µ0 ist die magnetische Feldkonstante und r und r̂ sind wiederum analog zum Gravitationsgesetz definiert.
Bei ungleichnamigen Polen ist die Kraft anziehend, bei gleichnamigen abstoßend.
P2
P1
r
Abb. 2: Zum Abstandsgesetz für magnetische Kräfte. P1 und P2 sind die Polstärken der Magnete, deren
Längen groß gegenüber ihren Durchmessern sind. r ist der Abstand beider Magnete, der zwischen den Polen gemessen wird.
2.3
Impuls und Kraftstoß
Der Bewegungszustand eines Körpers der Masse m, der sich geradlinig mit gleichförmiger Geschwindigkeit v bewegt, wird mit dem Impuls
(14)
p = mv
beschrieben. Nach dem 1. NEWTONschen Axiom ist eine Änderung des Impulses nur möglich, wenn eine
Kraft F auf den Körper einwirkt. Die durch F bewirkte zeitliche Änderung des Impulses ist nach dem 2.
NEWTONschen Axiom gegeben durch
(15)
F=
dp
dt
Gl. (15) kann man auch in der Form
(16)
dp = F dt
schreiben. Sie besagt, dass eine Kraft F, die während der Zeit dt auf einen Körper einwirkt, eine Impulsänderung dp verursacht. Das Produkt F dt wird auch als Kraftstoß bezeichnet. E gilt also:
Kraftstoß = Impulsänderung
K2
v1'
α
K1
v1
Abb. 3: Zum elastischen Stoß zweier Körper K1 und K2.
Wir betrachten nun gem. Abb. 3 den elastischen Stoß eines Körpers K1 der Masse m1 mit einem ruhenden
Körper K2, dessen Masse m2 sehr viel größer als m1 ist. K1 möge sich anfänglich geradlinig mit der
Geschwindigkeit v1 auf K2 zu bewegen (v2 = 0) und unter dem Winkel α auf K2 auftreffen. Nach dem
'
Stoß bewegt sich K1 mit der Geschwindigkeit v1 von K2 fort, wobei der Strich (‘) hier und i. F. Größen
135
nach dem Stoß kennzeichnet. Im Fall m2 → ∞, der hier betrachtet werden soll, gilt v 2 → 0 . Der Impuls
von K1 vor und nach dem Stoß ist demnach:
'
(17)
p1 = m1 v1
p1' = m1 v1'
mit v1 ≈ v1' . Die kinetische Energie von K1 ist also vor und nach dem Stoß nahezu gleich:
(18)
2
1
1
2
m1 v1 ≈ m1 v1'
2
2
Auf K2 wird unter den genannten Voraussetzungen praktisch keine kinetische Energie übertragen.
Die Impulsänderung, die K1 durch den Stoß erfährt, ist
(19)
∆p = p1' − p1 = m1 ( v1' − v1 )
Sie muss gleich dem Impuls sein, den K2 aufnimmt:
(20)
∆p = p '2 = m2 v '2
Gl. (20) ist nicht im Widerspruch zur Tatsache, dass K2 bei dem Stoß wegen v2' → 0 praktisch keine
kinetische Energie aufnimmt. Dies erkennt man gut aus dem Zusammenhang zwischen kinetischer Energie und Impuls:
p '2 2
1
=
m2 v '2 2
2
2 m2
Ekin,2
(21) =
Für m2 → ∞ geht die kinetische Energie demnach auch bei endlichem Impuls p '2 gegen Null.
Die Impulsänderung ∆p von K1 muss dem gesamten (integralen) Kraftstoß entsprechen, den K2 beim
Stoßprozess auf K1 ausübt. Dieser Kraftstoß ist nach Gl. (16) gegeben durch:
t
(22)
∆p =
∫ F ( t ) dt
0
Hierbei ist F(t) die während der Dauer t des Stoßes wirkende Kraft. Sie sorgt zunächst für die Abbremsung von K1 von der Geschwindigkeit v1 auf die Geschwindigkeit 0 und anschließend zu seiner Beschleu'
nigung auf die Geschwindigkeit v1 . Zum anschaulichen Verständnis des Stoßvorgangs kann man sich K2
als Feder vorstellen, die zunächst von K1 zusammengedrückt wird, bis seine Geschwindigkeit 0 ist, und
'
die sich anschließend wieder entspannt und dabei K1 auf die Geschwindigkeit v1 beschleunigt.
136
3
Versuchsdurchführung
Zubehör:
Kraftsensor auf DMS-Prinzip (Messbereich (0 – 5) N), Messverstärker für Kraftsensor, Gewichtssatz
zur Kalibrierung des Kraftsensors, 2 Netzgeräte (PHYWE (0 - 15 / 0 - 30) V), Digital-Oszilloskop
TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, Feder mit Kugel, Stange und Reflektorscheibe,
Laserdistanzsensor (BAUMER OADM 12U6460/S35), Stabmagnete in Al-Halterungen mit Haltestangen, PVC-Abstandsstück, Führung für Stabmagnet, Verschiebetisch, Luftkissenbahn, Schlitten für
Luftkissenbahn mit Blende und Al-Würfeln, Gabellichtschranke (BETA-SENSORIK GLS-30BP/R),
Haken für Kraftsensor, Stativ auf Grundplatte, Stativstangen, Stativsäule, Kreuzverbinder, Messschieber.
3.1
Kalibrierung des Kraftsensors
Der in den folgenden Versuchen eingesetzte Kraftsensor arbeitet nach dem gleichen Prinzip wie der Sensor, der im Versuch „Sensoren für Kraft…“ eingesetzt wurde. Beide Sensoren unterscheiden sich lediglich
in ihrem Messbereich (hier: 5 N, vormals 100 mN). Die Kalibrierung des Sensors erfolgt mit mindestens
fünf Massestücken im Bereich m ≈ (50 – 500) g.
Die Ausgangsspannung U des Kraftsensors 7 wird mit dem Oszilloskop 8 gemessen. U wird über G = mg
aufgetragen, wobei für die Erdbeschleunigung g der Wert von g = 9,8133 m/s2 verwendet wird, der als
fehlerfrei angenommen werden kann. Durch die Daten wird eine Ausgleichsgerade gelegt, deren Parameter für die spätere Umrechnung von Spannung in Kraft verwendet werden.
3.2
Kraft und Auslenkung bei einer harmonischen Schwingung
Mit einer Anordnung gem. Abb. 1 sollen die Kraft F(t) und die Auslenkung x(t) bei einer harmonischen
Schwingung gemessen werden. Zunächst werden die Massen der Feder und des Systems
Stange/Reflektorscheibe/Kugel durch Wiegen bestimmt. Anschließend werden alle Komponenten wie in
Abb. 1 an den Kraftsensor S gehängt, der an ein Stativ montiert wird. Am selben Stativ ist auch der
Laser-Distanzsensor LDS befestigt. Seine Höhe wird so justiert, dass die Reflektorscheibe bei der zu
messenden Schwingung innerhalb seines Messbereiches bleibt. Anschließend wird die Kugel mit der
Hand etwa 20 mm möglichst senkrecht nach unten ausgelenkt und losgelassen.
Die Ausgangsspannung des LDS, ULDS(t), und die Ausgangsspannung des Kraftsensors, US(t), werden mit
einem Speicheroszilloskop aufgezeichnet, das auf ULDS getriggert wird. Die Zeitablenkung des Oszilloskops wird so eingestellt, dass 5 – 10 Perioden der Schwingung auf dem Bildschirm sichtbar sind. Nach
dem Einschwingen wird im single-sequence-Modus ein typischer Schwingungsvorgang gespeichert und
als Bildschirmfoto dem Protokoll beigefügt.
Mit Hilfe der Zeitcursor wird die Periodendauer der Schwingung bestimmt und daraus die Kreisfrequenz
ω berechnet. Die Amplituden (Index 0) von ULDS(t) und US(t) einer ausgewählten Teilschwingung werden
mit Hilfe der Spannungscursor gemessen:
(23)
U LDS,0 =
(U LDSmax − U LDS,min ) / 2
U S ,0 =
(U S,max − U S,min ) / 2
Mit dem als fehlerfrei angenommenen Kalibrierfaktor k des LDS für Spannungsdifferenzen,
k = 0, 0962 V/mm
7
8
Der Einfachheit halber wird hier und i. F. der Begriff „Ausgangsspannung des Kraftsensors“ verwendet, wenn
die Ausgangsspannung des mit dem eigentlichen Kraftsensor verbundenen Messverstärkers gemeint ist.
Da bei den folgenden Messungen die Spannung U jeweils mit dem Oszilloskop gemessen wird, erfolgt auch hier
die Messung von U mit dem Oszilloskop statt mit einem Multimeter, um Differenzen in den Messwerten durch
unterschiedliche Kalibrierungen von Oszilloskop und Multimeter zu vermeiden.
137
und den Daten aus der Kalibrierfunktion des Kraftsensors können aus beiden Größen aus Gl. (23) die
Schwingungsamplitude x0 und die Kraft F0 berechnet werden. Anschließend wird überprüft, ob der so
gewonnene Messwert für F0 mit dem Wert übereinstimmt, der sich aus den Messwerten für m, x0 und ω
nach Gl. (8) ergibt.
3.3
Anziehungskraft zwischen zwei Magneten
Mit einer Anordnung gem. Abb. 4 soll die Gültigkeit des Abstandsgesetzes für die Anziehungskraft zwischen zwei Magneten nach Gl. (13) überprüft werden. Beide Magnete sind in Al-Hülsen gefasst, die auf
Stangen geschraubt werden. Zunächst wird nur der obere Magnet mit der Polstärke P1 zusammen mit der
Stange an einen Kraftsensor S gehängt. Eine reibungsarme Führung A beschränkt seine Bewegung auf die
senkrechte Richtung. Die Ausgangsspannung US,0 des Kraftsensors wird gemessen. Sie entspricht der
Spannung für den Fall r → ∞, wird also ausschließlich durch die Gewichtskraft G von Stange und
Magnet verursacht. Aus US,0 wird mit den Daten der Kalibrierfunktion G berechnet und später von allen
anderen gemessenen Kräften subtrahiert.
ST
S
A
V
P1
P2
r
Abb. 4: Anordnung zur Messung der Anziehungskraft zwischen zwei Magneten mit den Polstärken P1
und P2. Alle Komponenten sind an einem gemeinsamen Stativ ST befestigt, das eine exakt senkrechte Montage erlaubt. Übrige Bezeichnungen siehe Text.
Anschließend wird der untere Magnet mit der Polstärke P2 mit einer Stange auf einem Verschiebetisch V
montiert, mit dem er in senkrechter Richtung bewegt werden kann. Zunächst wird er so justiert, dass die
Längsachsen beider Magnete exakt übereinander liegen. Danach wird mit einem PVC-Abstandsstück
(Länge l ≈ 20 mm, messen) ein definierter Abstand l zwischen beiden Magneten eingestellt. Die zugehörige Skalenposition des Verschiebetisches wird notiert und als s = l definiert. Anschließend wird der Verschiebetisch in die Skalenposition s = 10 mm gebracht und US(s) bestimmt 9. Danach wird s in Schritten
von ca. 0,5 mm Länge bis auf etwa s = 2 mm verringert und dabei jeweils wieder US(s) gemessen.
Die Werte von US(s) werden mit den Daten der Kalibrierfunktion in Kräfte F(s) umgerechnet. Nach
Subtraktion von G erhält man daraus die Kräfte FM(s), die durch die magnetische Anziehung verursacht
werden:
(24)
9
FM=
(s) F (s) − G
Beispiel: Es sei l = 20,1 mm. Bei diesem Abstand zwischen P1 und P2 werde am Verschiebetisch V die
Skalenposition 74,5 mm abgelesen. Dieser Wert wird als s = l = 20,1 mm definiert. Anschließend soll V in die
Position s = 10 mm gebracht werden. An seiner Skala muss demnach ein Wert von (74,5 – 10,1) mm = 64,4 mm
eingestellt werden.
138
Jede Kraft F, die auf den Biegebalken im Kraftsensor wirkt, führt gem. Abb. 5 am Angriffspunkt Q von F
zu einer kleinen Auslenkung d des Balkens in Richtung von F. d(F) lässt sich in guter Näherung durch ein
Polynom 2. Ordnung beschreiben:
(25)
d (=
F ) a1 F + a2 F 2
Die Parameter a1 und a2 sind den Unterlagen am Arbeitsplatz zu entnehmen. Unter Berücksichtigung der
Auslenkung d gilt für den tatsächlichen Abstand r zwischen den beiden Magneten bei einer Position s am
Verschiebetisch:
(26)
r= s − d
FM wird doppelt-logarithmisch über r aufgetragen (Origin). In das Diagramm wird eine Ausgleichsgerade durch die Messdaten für r > 5 mm mit der festen Steigung -2 eingezeichnet (Daten für r < 5 mm
maskieren). Bei Gültigkeit des nach Gl. (13) erwarteten 1/r2-Gesetzes müssten alle Messwerte auf dieser
Geraden liegen. Für kleine Abstände r wird sich jedoch eine deutliche Abweichung der Messwerte von
der Ausgleichsgeraden ergeben. Der Grund dafür ist, dass bei kleinen r die Annahme punktförmiger Polstärken P nicht mehr gerechtfertigt ist.
Frage 2:
- Ab welchem Abstand r ist in guter Näherung eine 1/r2-Abhängigkeit gegeben?
Q
d
F
Abb. 5: Verformung des Biegebalkens im Kraftsensor bei Einwirkung einer Kraft F, die am Punkt Q
angreift. Q wird durch F um die Strecke d ausgelenkt.
3.4
Elastischer Stoß auf einer Luftkissenbahn
Auf einer Luftkissenbahn LK (Abb. 6), auf der sich ein aufgesetzter Schlitten nahezu reibungsfrei bewegen kann, soll der Zusammenhang Kraftstoß = Impulsänderung bei einem elastischen Stoß quantitativ
untersucht werden. Da alle Bewegungen längs der Achse der Luftkissenbahn ablaufen, ist gem. Abb. 3
α = 0° und es reicht eine Betrachtung der skalaren Größen Geschwindigkeit (v) und Impuls (p).
LS
B
T
K2
AW
K1
LK
S
P
H
L
A
Abb. 6: Anordnung zur Messung von Impuls und Kraftstoß beim elastischen Stoß auf einer Luftkissenbahn LK. K1: Schlitten mit Blende B und zwei Al-Würfeln AW. S: Kraftsensor mit Spitze P an
Halterung H. T: Stahlträger-Unterbau für LK mit Stellfuß A. L: Länge des Messbereiches. LS:
Gabellichtschranke.
139
Der Schlitten K1 mit der Masse m1 wird mit der Hand auf die Geschwindigkeit v1 beschleunigt. Er bewegt
sich anschließend auf den Kraftsensor S zu, der über eine starre Halterung H mit dem massiven Stahlträger-Unterbau T von LK verbunden ist. Durch diesen Aufbau sind die in Kap. 2.3 definierten Bedingungen
'
für den Stoßpartner K2 (bestehend aus S, H und T), nämlich m2  ∞ und damit v2  0, gewährleistet.
Die während des Stoßes zwischen K1 und K2 wirkende Kraft F(t) wird mit dem Kraftsensor S gemessen
und mit Hilfe eines Speicheroszilloskops aufgezeichnet.
Auf dem Schlitten ist mittig eine Blende B der Breite d angebracht, die beim Durchlaufen einer Gabellichtschranke LS diese für die Dauer tLS unterbricht. Durch Messung von d (Messschieber), tLS (Speicheroszilloskop) und m1 (Laborwaage) lassen sich somit die Geschwindigkeiten und Impulse von K1 vor und
nach dem Stoß bestimmen.
Hinweise zur Durchführung:
- Um eine präzise Messung von F(t) zu ermöglichen, ist der Kraftsensor mit einer Spitze P versehen, die
einen annähernd punktförmigen Kontakt mit einem am Schlitten montierten Aluminiumwürfel AW
ermöglicht10. Vor Beginn der Messung muss der Sensor so ausgerichtet werden, dass der Würfel von
der Spitze mittig getroffen wird.
- Um zu verhindern, dass der Schlitten nach dem Anstoßen auf der Bahn weiter beschleunigt oder
gebremst wird, ist eine exakt waagerechte Ausrichtung der Bahn erforderlich. Diese lässt sich nicht
über ihre gesamte Länge erreichen, wohl aber über eine Strecke von L  (10 – 15) cm Länge zwischen
LS und S, die für die Durchführung der Messung ausreichend ist. Die Ausrichtung der Bahn erfolgt
ausschließlich über das Verstellen des drehbaren Fußes A am Stahlträger. Bei eingeschalteter Luftzufuhr muss A so justiert werden, dass der aufgesetzte Schlitten im Bereich L nicht beschleunigt wird.
- Der Schlitten K1 darf nur so stark beschleunigt werden, dass F(t) immer kleiner als 5 N bleibt, da
andernfalls der Messbereich des Kraftsensors verlassen wird. Die Geschwindigkeit v1 des Schlittens
darf also nicht zu groß und damit tLS nicht zu klein werden. tLS > 120 ms ist ein guter Orientierungswert.
Abb. 7: Oszilloskopbild der Signale der Gabellichtschranke LS (CH1, oben) und des Kraftsensors S
(CH2, unten).
Abb. 7 zeigt ein typisches Oszilloskopbild nach einem Stoßvorgang. An CH1, auf den getriggert wird,
wurden die Signale ULS der Gabellichtschranke beim Hin- und Rücklauf des Schlittens erfasst, an CH2
das Signal US des Kraftsensors. Ein Bildschirmfoto des Oszilloskopbildes wird dem Protokoll beigefügt.
10
Der Schlitten muss beidseitig mit gleichen Al-Würfeln versehen werden, um eine symmetrische Massenverteilung zu gewährleisten.
140
Zur Auswertung der Signale werden sie zunächst auf einer Compact-Flash-Karte oder einem USB-Stick
(je nach Gerätetyp) gespeichert und anschließend in das ASCII-Format konvertiert. Einzelheiten dazu
siehe Anhang (Kap. 0). Anschließend können diese Dateien in Origin importiert und dort weiter ausgewertet werden.
Die Impulsbreiten tLS der Signale der Gabellichtschranke für den hin- und rücklaufenden Schlitten werden
entweder mit Hilfe der Zeitcursor am Oszilloskops bestimmt oder in Origin mit Hilfe des Tools
Datenkoordinaten (Data Reader) ermittelt. Die gesamte Impulsänderung des Schlittens gem.
Gl. (19) kann dann wie folgt berechnet werden:
(27)
∆ p=
 1
1 
p1 + p1' = m1 d 
+ ' 
 tLS tLS 
Für die Berechnung des Größtfehlers der Impulsänderung können m1 und d als fehlerfrei angenommen
werden.
Zur Messung des Kraftstoßes wird das Integral in Gl. (22) durch eine Summe ersetzt:
(28)
=
∆p
∑ F ( t ) ∆t
i
i
Dabei sind F(ti) die diskreten Messwerte des Kraftsensors zu den Zeitpunkten ti (Abtastpunkte des Oszilloskops), die sich mit Hilfe der Kalibrierfunktion aus den aufgezeichneten Spannungswerten US(ti)
berechnen lassen. Die Summe über die F(ti) lässt sich mit dem Origin-Tool Spaltenstatistik
einfach ermitteln 11. ∆t ist der konstante Zeitabstand zwischen zwei aufeinander folgenden Messwerten zu
den Zeiten ti und ti+1, der sich aus der eingestellten Zeitablenkung am Oszilloskop (x SEC/DIV) und der
Zahl der aufgezeichneten Messwerte (2.500) ergibt:
(29) =
Dt 10 DIV × ( x SEC/DIV ) / 2500
Es ist schwierig, Beginn und Ende des Kraftstoßes und damit seine Dauer t exakt zu bestimmen. Deshalb
wird die Summe nach Gl. (28) nicht über t, sondern über das gesamte aufgezeichnete Zeitintervall gebildet, d. h. über alle mit dem Oszilloskop aufgezeichneten 2.500 Messwerte. Dabei ist folgendes beachten:
Außerhalb des Zeitintervalls t sollte F(ti) = 0 sein. Tatsächlich kann dort jedoch durch einen kleinen Offset im Kraftsignal und durch elektronisches Rauschen F(ti) ≠ 0 sein und somit bei Summation über viele ti
einen erheblichen Fehler verursachen. Deshalb wird zunächst der Mittelwert F0 des Kraftsignals über das
Zeitintervall gebildet werden, das sicher vor Beginn des Stoßes liegt 12. Anschließend wird dieser Wert F0
von allen Messwerten F(ti) subtrahiert und erst danach die Summe nach Gl. (28) gebildet.
Um die Berechnung des Größtfehlers des Kraftstoßes nicht zu aufwändig zu machen, kann für jeden einzelnen Kraftwert F(ti) ein Größtfehler von 5 mN angenommen und der Größtfehler von ∆t vernachlässigt
werden.
Abschließend wird überprüft, ob die Impulsänderung nach Gl. (27) dem Kraftstoß nach Gl. (28) entspricht. Die Ursachen möglicher Abweichungen beider Größen werden diskutiert.
11
12
Im Menü Spaltenstatistik Haken bei Summe setzen.
Zellen in der Spalte mit den Werten für F(ti) markieren, für die ti vor dem Beginn des Stoßes liegt. Dann →
Spaltenstatistik, dort Haken bei Mittelwert setzen.
141
4
Anhang
Zur Speicherung von Daten des Oszilloskops auf USB-Stick oder Compact-Flash-Karte und anschließende Konvertierung in ASCII-Daten sind folgende Schritte erforderlich:
Am Oszilloskop werden zu Beginn einmalig folgende Tasten gedrückt:
Grundeinstellungen:
SAVE/RECALL
Taste DRUCKEN
Verzeichnis wählen
→ Aktion
→ Alle speichern
→ Speichert alles
→ GPRnn auswählen → Verzeichnis wechseln → Zurück
Speichern:
SAVE / PRINT
Nach Betätigung der SAVE / PRINT–Taste werden vier Dateien im Unterverzeichnis ALLnnnn gespeichert, wobei nnnn eine fortlaufende Nummer ist (beginnend bei 0000), die bei jeder Betätigung der Taste
SAVE / PRINT um 1 erhöht wird. Die vier Dateien sind:
FnnnnTEK.SET
FnnnnTEK.TIF
FnnnnCH1.CSV
FnnnnCH2.CSV
ASCII-Datei mit Betriebsparametern des Oszilloskops
Bilddatei mit Bildschirmfoto
Daten von CH1 (u.a. Spannung U1 als Funktion der Zeit t)
Daten von CH2 (u.a. Spannung U2 als Funktion der Zeit t)
Für die quantitative Auswertung sind nur die beiden letzten Dateien von Bedeutung, die im CSV-Format
vorliegen. 13 Mithilfe des zur Verfügung gestellten Matlab-Skriptes GPRTools.m, dort Option
Tektronix CSV to ASCII, werden aus diesen Dateien die Signalverläufe U1(t) für CH1 und U2(t)
für CH2 extrahiert, in das ASCII-Format umgewandelt und anschließend im Verzeichnis ALLnnnn unter
folgenden Namen gespeichert:
FnnnnCH1_all.txt
FnnnnCH2_all.txt
Spalte 1: t, Spalte 2: U1(t) für CH1
Spalte 1: t, Spalte 2: U2(t) für CH2
Diese Daten können über Datei → Import → … in Origin importiert werden.
13
CSV ist die Abkürzung für character separated values. Dies bedeutet, dass einzelne Einträge in der Datei
(Zahlenwerte, Zeichenketten,…) durch ein definiertes Zeichen (englisch: character) voneinander getrennt sind.
Hier ist das Komma das Trennzeichen.
142
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Modul Grundpraktikum Physik – Teil I
Datenerfassung und -verarbeitung mit dem PC
Stichworte:
Kontinuierliche und diskrete Signale, Abtastung, Abtastrate, Abtastfrequenz, Auflösung, Analog/Digital-Wandlung, Wägeverfahren, Multiplexing, Dualzahlen, Bit, Digit.
Messprogramm:
Erstellung eines MATLAB-Skriptes zur Datenerfassung mit einer AD-Karte, Bestimmung der
Auflösung einer AD-Karte, Messung von Wechselspannungen, Kalibrierung eines Drucksensors,
Messung von zeitlichen Druckänderungen.
Literatur:
/1/ Kose, V. [Hrsg.]; Wagner, S. [Hrsg.]: "Kohlrausch - Praktische Physik Bd. 3", Teubner, Stuttgart,
1996
1
Einleitung
Bei vielen physikalischen Experimenten muss die Änderung des Wertes einer physikalischen Größe G als
Funktion der Zeit t erfasst werden. Solche Größen können z.B. sein: Druck p, Temperatur T, Strahlungsintensität I, Kraft F, Beschleunigung a u.v.m. Zur Erfassung von G(t) dienen Sensoren, die den Wert von
G(t) z.B. in ein Spannungssignal U(t) umsetzen (vgl. Versuch „Sensoren...“).
Für die Aufzeichnung von U(t) kamen früher so genannte XT-Schreiber zum Einsatz, die den zeitlichen
Verlauf von U(t) auf Papier festhielten. Heute werden stattdessen PCs mit Messwerterfassungskarten 1
(i.F. MEK) eingesetzt, mit denen der Verlauf von U(t) digital registriert wird.
In diesem Versuch sollen die wichtigsten Eigenschaften solcher Messwerterfassungskarten und eine zu
ihrer Steuerung benötigte Software (hier exemplarisch Matlab mit der Data Acquisition Toolbox) kennengelernt werden.
2
Grundlagen der Messwerterfassung
2.1
Kontinuierliche und diskrete Signale
Mit einer Messwerterfassungskarte wird ein analoges Spannungssignal U(t) in eine Zeitreihe von Zahlenwerten N(i), i ∈  , überführt, die mit dem PC weiter verarbeitet werden können. Das Signal U(t) ist
gem. Abb. 1 (oben) im Allgemeinen weder auf bestimmte Spannungswerte, noch auf bestimmte Zeitwerte
beschränkt. Man spricht deshalb von einem zeit- und wertkontinuierlichen Signal.
Auch mit sehr schnellen (und damit teuren) elektronischen Komponenten einer Messwerterfassungskarte
ist die Erfassung (Abtastung) von Spannungswerten U(t) nur zu diskreten Zeitpunkten ti im Abstand
(1)
1
∆t = ti − ti − 1
i ∈ } \ {0}
Eine Messwerterfassungskarte ist eine Einsteckkarte für einen PC, die sämtliche für ihre Funktion erforderlichen
elektronischen Komponenten enthält und über den Systembus (die Gesamtheit der Daten-, Adress- und Steuerleitungen) mit der übrigen Hardware im PC kommunizieren kann.
143
möglich. Die Größe ∆t heißt Abtastintervall, ihr Reziprokwert
(2)
R
=
1
=
[ R ] s−1
∆t
heißt Abtastrate oder Abtastfrequenz und wird in Samples 2/s oder nur in 1/s angegeben. Je größer R, desto
besser ist die zeitliche Auflösung der Signalerfassung.
In der Praxis wird oftmals mit beschränkter Abtastrate gearbeitet, um die zu speichernde Datenmenge zu
reduzieren. Die Frage, wie groß R gewählt werden muss, um einen Signalverlauf korrekt erfassen zu können, wird im späteren Versuch „Fourieranalyse“ noch detailliert untersucht werden.
Aufgrund der Beschränkung ∆t > 0 und damit R < ∞ entsteht durch die Abtastung von U(t) ein zeitdiskretes Signal U(ti), wie es in Abb. 1 (Mitte) dargestellt ist. Statt Datenpunkten werden in dem Diagramm
zum Zweck der besseren Sichtbarkeit vertikale Striche gezeichnet, deren Längen dem jeweiligen Spannungswert U(ti) entsprechen.
U (t)
t
U (ti)
∆t
N (i)
ti
∆U
ti
Abb. 1: Wandlung eines wert- und zeitkontinuierlichen Spannungssignals U(t) (oben) in ein zeitdiskretes Signal U(ti) (Mitte) und eine wert- und zeitdiskrete Zahlenfolge N(i) (unten).
2
Sample (engl. = Probe) steht hier für Abtastwert.
144
Die Wandlung eines analogen Spannungswertes U(ti) in einen Zahlenwert N(i) mit Hilfe eines Analog/Digital-Wandlers (A/D-Wandler, s. Kap. 2.2) einer Messwerterfassungskarte ist nicht mit beliebiger
Genauigkeit möglich, sondern durch die Auflösung A des A/D-Wandler beschränkt. A wird in Bit angegeben:
(3)
=
A m Bit,
m∈
Für jede Messwerterfassungskarte ist die messbare Eingangsspannung auf ein Intervall der Breite
=
U e U max − U min
(4)
beschränkt. Bei der A/D-Wandlung stehen für dieses Spannungsintervall m Bit und damit 2m Zahlenwerte
im Bereich zwischen N = 0 und N = 2m – 1 zur Verfügung. Die Differenz zweier Spannungswerte, deren
zugeordnete Zahlenwerte sich gerade um 1 (1 Digit 3)unterscheiden, ist demnach
U
∆U =m e
2 −1
(5)
Diese Größe wird ebenfalls als Auflösung der A/D-Wandlung bezeichnet. Da ∆U > 0, wird aus dem zeitdiskreten Signal in Abb. 1 (Mitte) durch die A/D-Wandlung ein zeit- und wertdiskretes Signal wie in
Abb. 1 (unten).
Innerhalb eines maximalen Spannungsbereiches (z.B. ± 10 V) kann Ue oftmals per Software auf ein kleineres Intervall beschränkt werden (s. Tab. 1). Wenn man weiß, dass das Eingangssignal innerhalb dieses
Intervalls liegt, kann man dadurch die Auflösung der A/D-Wandlung verbessern.
Dazu ein Beispiel. Ist das eingestellte Spannungsintervall ± 10 V, so ist Ue = 20 V und damit nach Gl. (5)
(jeweils auf 4 signifikante Stellen gerundet): ∆U = 0,07813 V für m = 8 und ∆U = 0,0003052 V für
m = 16. Wird das Spannungsintervall auf ± 0,5 V begrenzt, so ist Ue = 1 V und man erreicht bei gleicher
Zahl von Bits eine bessere Auflösung: ∆U = 0,003906 V für m = 8 und ∆U = 0,00001526 V für m = 16.
2.2
Prinzip der A/D-Wandlung
Analog/Digital-Wandler (engl. Analog-Digital-Converter, ADC) arbeiten nach unterschiedlichen Prinzipien. Ein in der Messdatenerfassung häufig eingesetztes Wandlungsverfahren ist das so genannte Wägeverfahren, das nach dem Prinzip der sukzessiven Approximation arbeitet. Dieses Verfahren ist in Abb. 2
schematisch dargestellt.
Zu Beginn werden alle m Bit des Wandlers auf 0 gesetzt. Danach wird das höchstwertige Bit (most significant bit, MSB) mit der „Nummer“ m und der Wertigkeit 2m-1 probeweise auf 1 gesetzt. Eine im A/DWandler enthaltene Spannungsquelle generiert anschließend eine Spannung UD mit dem Wert
(6)
=
U D k=
2m −1
[k ] V
wobei k ein von Ue abhängiger Proportionalitätsfaktor ist. Mit einem Komparator wird danach überprüft:
(7)
3
U ( ti ) ≥ U D ?
Digit (engl.) = Ziffer.
145
Falls ja:
• bleibt Bit Nr. m auf 1 gesetzt,
• wird Bit Nr. m-1 ebenfalls auf 1 gesetzt,
• generiert die interne Spannungsquelle eine neue Spannung UD mit dem Wert
(
(8) =
U D k 2m −1 + 2m − 2
)
Falls nein:
• wird Bit Nr. m auf 0 zurück gesetzt,
• wird Bit Nr. m-1 auf 1 gesetzt,
• generiert die interne Spannungsquelle eine neue Spannung UD mit dem Wert
(9)
U D = k 2m − 2
Bits auf 0, da UD > U(ti)
UD
U(ti)
8 7 6 5 4 3 2 1
27 26 25 24 23 22 21 20
0 1 1 1 0 0 1 1
MSB
LSB
N
115
Bit-Nr.
Wertigkeit
Zustand
Abb. 2: Prinzip der A/D-Wandlung nach dem Wägeverfahren für einen A/D-Wandler mit m = 8 Bit. Für
die vom AD-Wandler generierten Spannungswerte UD (rot), die größer als die Eingangsspannung U(ti) (blau) sind, werden die entsprechenden Bits auf 0 gesetzt. Im Beispiel sind das die
Bits mit den Wertigkeiten 27, 23 und 22. Die übrigen Bits werden auf 1 gesetzt, da für die zugehörigen Spannungswerte UD < U(ti) gilt.
Anschließend wird die Gültigkeit von Gl. (7) mit der Spannung UD aus Gl. (8) bzw. (9) erneut überprüft
und je nach Ergebnis mit Bit Nr. m-1 so verfahren wie vorher mit Bit Nr. m.
Analoge Schritte werden solange durchgeführt, bis das niedrigstwertige Bit (least significant bit, LSB)
mit der Nummer 1 und der Wertigkeit 20 erreicht ist. Auf diese Weise können durch schrittweise Annäherung (sukzessive Approximation) zwischen U(ti) und UD die Werte 0 oder 1 der einzelnen Bits bestimmt
werden.
Im Beispiel aus Abb. 2 wird dem Spannungswert U(ti) (blau) auf diese Weise die Binärzahl 011 100 11
zugeordnet, die der Dezimalzahl N = 115 entspricht. Wenn wir annehmen, dass Ue = 10 V ist, muss die
Binärzähl 111 111 11 (entsprechend N = 255) dem Spannungswert 10 V zugeordnet sein, d.h. es muss für
diesen Wert von Ue gelten:
k=
10
V
255
146
Die Binärzahl 011 100 11 aus Abb. 2 entspricht daher unter dieser Voraussetzung dem Spannungswert
U = k N = k × 115 ≈ 4,51 V.
Für jeden Wandlungsvorgang wird eine bestimmte Zeit tw benötigt, die linear mit der Zahl m der Bits
ansteigt. Für das Abtastintervall ∆t aus Gl. (1) muss daher gelten ∆t ≥ tw. tw bestimmt demnach den
minimalen zeitlichen Abstand zweier aufeinander folgenden Abtastungen und damit die maximale
Abtastrate Rmax:
(10)
Rmax =
1
tw
Das beschriebene Wägeverfahren funktioniert nur, wenn sich U(ti) während der Zeit tw nicht merklich
ändert. Vor der Aufzeichnung eines Signals U(t) mit einer Messwerterfassungskarte muss daher sicher
gestellt sein, dass U(t) über Zeitintervalle der Breite tw als annähernd konstant angenommen werden kann.
2.3
Multiplexing
In der Regel verfügen Messwerterfassungskarten über mehrere Signaleingänge (Kanäle, engl. Channel),
von denen je nach Anwendung M verwendet werden. In den meisten Fällen steht auf den Karten jedoch
nur ein A/D-Wandler zur Verfügung. Die Abtastung der M Eingangssignale muss dann im so genannten
Multiplexing-Betrieb erfolgen. Dabei wird zunächst das Signal an Kanal 1 abgetastet, danach mit zeitlicher Verzögerung um jeweils tw das Signal an Kanal 2, das Signal an Kanal 3 usw., bis Kanal M erreicht
ist. Nach Ablauf der Zeit ∆t beginnt der Vorgang mit dem Signal an Kanal 1 von neuem. Das hat zur
Folge, dass die maximale Abtastrate Rmax sich in diesem Fall auf Rmax/M pro Kanal reduziert.
Da tw die minimale Zeitdifferenz zwischen zwei Abtastungen ist, ist eine wirklich gleichzeitige Abtastung
von zwei oder mehr Signalen im Multiplexing-Betrieb nicht möglich. In der Praxis ist jedoch die Zeitdifferenz tw oftmals so klein, dass sie gegenüber der Zeit, innerhalb der sich die Eingangssignale merklich
ändern, vernachlässigt werden kann.
Ein Beispiel soll dies verdeutlichen (Abb. 3). Zwei Signale U1(t) und U2(t) sollen „gleichzeitig“ mit einer
Abtastrate von R = 1 kHz erfasst werden. Der zeitliche Abstand aufeinander folgender Abtastwerte von
U1 und U2 soll demnach ∆t = 1 ms betragen. Der A/D-Wandler der Messwerterfassungskarte erlaube eine
maximale Abtastrate von Rmax = 250.000 s-1, der minimale zeitliche Abstand zwischen zwei Abtastungen
ist demnach tw = 4 µs. Der erste Wert von Signal U1(t) werde zur Zeit t = 0 erfasst, der erste Wert von
Signal U2(t) wird dann zur Zeit t = tw aufgenommen. Zur Zeit t = ∆t erfolgt die Erfassung des zweiten
Wertes von U1(t), zur Zeit t = ∆t + tw die Erfassung des zweiten Wertes von U2(t) usw. Da tw << ∆t kann
in diesem Beispiel in guter Näherung von „gleichzeitiger“ Erfassung gesprochen werden.
U(t)
U1
∆t
tw
0
U2
t
Abb. 3: Zur „gleichzeitigen“ Erfassung von zwei Spannungssignalen U1(t) und U2(t) mit einer
Messwerterfassungskarte im Multiplexingbetrieb. Einzelheiten siehe Text.
147
2.4
Anschlussarten für Spannungssignale
Die Kanäle einer Messwerterfassungskarte können üblicherweise unterschiedlich beschaltet werden. Im
einfachsten Betriebsmodus, dem Single-Ended-Modus (SE-Modus, auch grounded-source-Modus: GS),
werden alle M Eingangsspannungen Uj(t) (j = 1,…,M) auf die Gehäusemasse (ground) der MEK bezogen,
s. Abb. 4, links 4. Dieser Modus hat zwei Nachteile:
1. Fluktuationen im Potential der Gehäusemasse beeinflussen die gemessene Potentialdifferenz zwischen dem Anschlusskontakt j und der Gehäusemasse.
2. Alle Eingangsspannungen Uj müssen über ein gemeinsames Bezugspotential verfügen, wie z. B.
in Abb. 5 (links) die Spannungen U1 und U2 mit der Gehäusemasse als Bezugspotential.
DI / FS
SE / GS
U
U
Gehäuse
Abb. 4: Links: SE-Signalanschluss der Spannungsquelle U mit der Gehäusemasse der
Messwerterfassungskarte (⊥) als Bezugspotential (grounded source, GS).
Rechts: DI-Signalanschluss der Spannungsquelle U ohne Bezug auf ein Potential der Messwerterfassungskarte (floating source, FS).
U
L1
U
L2
L0
R1
R2
R1
R2
R3
R4
U1
U2
U1
U2
U3
U4
Abb. 5: Spannungsquelle U mit angeschlossenen Widerständen Rj und Verbrauchern Lj.
Links: Teilspannungen Uj mit gemeinsamem Bezugspotential (Masse).
Rechts: Teilspannungen ohne gemeinsames Bezugspotential.
In rot sind Voltmeter gezeichnet, mit denen die Teilspannungen gemessen werden können.
Verfügen die Eingangsspannungen Uj über kein gemeinsames Bezugspotential 5, wie z.B. die
Teilspannungen Uj über den Widerständen eines Spannungsteilers gem. Abb. 5 rechts, muss der Differential-Betriebsmodus (DI-Modus, auch floating-source-Modus: FS) verwendet werden (Abb. 4 rechts). In
diesem Modus werden für jeden Kanal die Potentialdifferenzen zwischen je zwei separaten Anschlusskontakten erfasst. Die Vorteile dieses Modus sind:
4
5
Dies ist äquivalent zur Messung von zwei Spannungen mit einem Zwei-Kanal-Oszilloskop, bei dem die
Außenkontakte der BNC-Buchsen auf gleichem Potential liegen.
Solche Signale heißen auch Floating Source (FS)-Signale. Der Name rührt daher, dass es kein gemeinsames,
festes (fixed) Bezugspotential gibt. Vielmehr können die Potentiale beider Anschlüsse bei gleichbleibender
Potentialdifferenz (Spannung) variieren (floaten). Beispiel: eine Potentialdifferenz von (5 V - 0 V) = 5 V führt
zum gleichen Messergebnis wie die Differenz (100 V – 95 V) oder (1.000 V – 995 V).
148
1. Gleichsinnige Potentialfluktuationen 6 an den beiden Anschlusskontakten eines Kanals wirken
sich nicht auf das gemessene Signal aus, da nur die Potentialdifferenz U zwischen den Anschlusskontakten gemessen wird.
2. Die Eingangsspannungen Uj können unterschiedliche Bezugspotentiale haben, es existiert kein
gemeinsames Bezugspotential.
Der DI-Modus hat jedoch auch einen Nachteil. Da jeder DI-Eingang zwei separate Anschlüsse auf der
Messwerterfassungskarte benötigt, ist die Zahl der DI-Eingange nur halb so groß wie die der SE-Eingänge.
3
Kenngrößen von Messwerterfassungskarten
Im Grundpraktikum werden Messwerterfassungskarten des Herstellers NATIONAL INSTRUMENTS (NI)
eingesetzt. Die wichtigsten Kenngrößen dieser Karten sind in Tab. 1 zusammengefasst. Abb. 6 zeigt
exemplarisch ein Foto der Karte NI PCI 6221.
Kenngröße
A/D-Wandler-Typ
Zahl der Eingänge
Maximale Abtastrate Rmax / s-1
Auflösung A / Bit
Eingangskopplung
Eingangswiderstand / GΩ
Eingangskapazität / pF
Eingangsspannungsbereich / V
(einstellbar per Software)
Tab. 1:
NI PCI 6014
sukzessive Approximation
16 SE / 8 DI
200.000
16
DC
100
100
NI PCI 6221
sukzessive Approximation
16 SE / 8 DI
250.000
16
DC
10
100
± 0,05, ± 0,5, ± 5, ± 10
± 0,2, ± 1, ± 2, ± 10
Kenngrößen von Messwerterfassungskarten, die im Grundpraktikum zum Einsatz kommen.
Abb. 6: Foto der Messwerterfassungskarte NI PCI 6221 (Quelle: NI).
Neben der A/D-Wandlung können die Messwerterfassungskarten auch zur D/A-Wandlung eingesetzt
werden. Damit ist es möglich, im Computer generierte Signale in analoge Spannungssignale umzusetzen,
6
Potentialfluktuationen können z.B. durch Einstreuungen in die Verbindungskabel verursacht werden, mit denen
ein Sensor an die Messwerterfassungskarte angeschlossen wird.
149
die an einem Analog-Ausgang der Karte zur Verfügung stehen. Diese Option wird jedoch im Grundpraktikum vorerst nicht benötigt und soll deshalb hier nicht weiter beschrieben werden.
4
MATLAB-Software zur Steuerung von Messwerterfassungskarten
Im Grundpraktikum wird die Software Matlab mit der Data Acquisition Toolbox zur Steuerung der unter Kap. 3 genannten NI-Messwerterfassungskarten eingesetzt. Die Schnittstelle zwischen dem
Betriebssystem des PC (Windows XP) und der Matlab-Software bildet die Treibersoftware NIDAQmx.
Im Folgenden wird beschrieben, mit welchen Matlab-Kommandos ein Spannungssignal über eine NIMEK in den PC eingelesen, verarbeitet und gespeichert werden kann. Alle Matlab-Kommandos (die mit
>> beginnen) und die zugehörigen Ausgaben im Command-Window sind in der Schriftart Courier
gesetzt, Kommentare dazu in der Schriftart des Fließtextes (Times Roman).
>> clear
Matlab-Workspace löschen.
>> close('all','hidden')
Alle Figure-Fenster schließen.
>> HW=daqhwinfo;
daqhwinfo steht für data acquisition hardware
information: Informationen über die im PC enthaltene Data Acquisition Hardware auslesen und
in der Struktur 7 (structure) HW speichern; HW
enthält mehrere Felder (fields).
>> HW.InstalledAdaptors
Inhalt des Feldes „InstalledAdaptors“ der Struktur HW abfragen. In diesem Feld stehen die
Matlab-Namen der im PC vorhandenen Messwerterfassungskomponenten.
ans =
'nidaq'
'parallel'
'winsound'
NI-MEK
Parallel-Schnittstelle des PC
Soundkarte des PC
>> NI=daqhwinfo('nidaq');
Information über die NI-MEK auslesen und in
der Struktur NI speichern.
>> NI.BoardNames
Inhalt des Feldes „BoardNames“ der Struktur NI
abfragen. In diesem Feld steht die Typenbezeichnung der NI-MEK, hier „PCI 6221“.
ans =
'PCI-6221'
>> NI.InstalledBoardIds
ans =
'Dev1'
>> AI=analoginput('nidaq','Dev1');
7
Näheres zu Strukturen siehe Anhang (Kap. 6).
Inhalt des Feldes „InstalledBoardIds“ abfragen.
In diesem Feld steht die Matlab-Identifikation
(ID) der NI-MEK, hier „Dev1“ (Device 1).
Analog-Input-Objekt AI generieren. AI stellt
nach Generierung die Verbindung zwischen
Matlab und der MEK her.
150
>> addchannel(AI,0);
Eingangskanal 0 der MEK mit dem AnalaogInput-Objekt AI verbinden. Der Eingangsspannungsbereich ist auf ± 10 V voreingestellt.
>> R=1000;
Abtastrate R wählen, hier z.B. 1000 / s.
>> set(AI,'SampleRate',R);
R (‚SampleRate‘) auf der Messwerterfassungskarte einstellen.
>> N=1000;
Zahl N der einzulesenden Spannungswerte wählen, hier z.B. N = 1000.
>> set(AI,'SamplesPerTrigger',N);
N (‚SamplesPerTrigger‘) auf der Messwerterfassungskarte einstellen.
>> start(AI)
Messung starten.
>> [U,t]=getdata(AI);
Spannungs- und zugehörige Zeitwerte aus dem
PC-Speicher 8 auslesen und in die Spaltenvektoren U und t schreiben.
>> U_Mean = mean(U)
Mittelwert Umean der Elemente von U berechnen
und im Command-Window ausgeben.
U_Mean = ...
>> sigma_U = std(U)
Standardabweichung σU der Elemente von U
berechnen und im Command-Window ausgeben.
sigma_U = ...
>> sigma_U_Mean = std(U)/sqrt(N)
sigma_U_Mean = ...
Standardabweichung σ U des Mittelwertes der
Elemente von U berechnen und im CommandWindow ausgeben.
>> Daten(:,1)=t;
>> Daten(:,2)=U;
Spaltenvektoren U und t für die Datenspeicherung in die (N,2)-Matrix „Daten“ kopieren.
Spalte 1: t, Spalte 2: U.
>> save('MD.dat','Daten','-ascii');
Matrix „Daten“ in Ascii-Datei „MD.dat“ speichern. Diese Datei kann nach Origin importiert
werden, um eine grafische Darstellung von U(t)
zu erzeugen.
>> plot(t,U)
U über t zeichnen, um einen ersten Überblick
über die Messdaten zu erhalten.
Input-Objekt löschen.
AI aus Workspace löschen.
>> delete(AI);
>> clear AI;
Statt die genannten Kommandos Zeile für Zeile in das Command-Window von Matlab einzutippen, ist
es praktischer, die Befehle in ein Matlab -Skript-File (m-File) einzutragen, das File zu speichern und
8
Die eingelesenen Daten werden zunächst in einem FIFO- (First-In-First-Out)- Speicher auf der MEK gespeichert
(Größe des FIFO-Speichers für die MEK Typ NI PCI 6014: 512 Messwerte, Typ NI PCI 6221: 4096 Messwerte). Vom FIFO-Speicher werden sie in den Speicher des PC übertragen. Diese Übertragung geschieht über
eine direkte Verbindung zwischen der MEK und dem PC-Speicher ohne Beteiligung der CPU per Direct
Memory Access, DMA.
151
anschließend zu starten. Einzelheiten dazu sind im Kapitel „Einsatz der Computer…“ dieses Skriptes
beschrieben.
Wenn man weiß, dass im PC eine NI-MEK mit der Matlab-Bezeichnung ‚nidaq’ installiert ist und die
Matlab -Identifikation der MEK ‚Dev1’ ist, können einige der oben genannten Kommandos übersprungen werden. In diesem Fall würde es reichen, folgende Zeilen in das m-File einzutragen:
clear
close('all','hidden')
AI=analoginput('nidaq','Dev1');
addchannel(AI,0);
R=1000;
set(AI,'SampleRate',R);
N=1000;
set(AI,'SamplesPerTrigger',N);
start(AI)
[U,t]=getdata(AI);
U_Mean = mean(U)
sigma_U = std(U)
sigma_U_Mean = std(U)/sqrt(N)
Daten(:,1)=t;
Daten(:,2)=U;
save('MD.dat','Daten','-ascii');
plot(t,U);
delete(AI);
clear AI;
Wenn das m-File mit unterschiedlichen Werten von R und N mehrfach ausgeführt werden soll, um verschiedene Spannungsverläufe zu erfassen (wie im späteren Experiment), ist es praktisch, die Variablen R
und N sowie die Bezeichnung der Datei, in der die Daten gespeichert werden sollen, nicht jedes Mal im
m-File zu ändern, sondern diese Variablen nach Start des Skriptes über das Command-Window abzufragen und einzugeben. Dazu wird der input-Befehl verwendet. Die Zeilen
R=1000;
N=1000;
...
save('MD.dat','Daten','-ascii');
im m-File müssen dann durch folgende Zeilen ersetzt werden:
R=input
(' Abtastrate R in Hz:
');
N=input
(' Anzahl N der Abtastpunkte: ');
...
Name=input (' Dateiname mit Endung .dat: ','s') 9;
save(Name,'Daten','-ascii');
Nach jedem input-Befehl wird der Text in Klammern im Command-Window ausgegeben und auf eine
Eingabe über die Tastatur gewartet. Jede Eingabe wird mit der Return-Taste (↵) abgeschlossen.
9
Das ‚s’ bewirkt, dass die eingelesenen Zeichen als Text-Variable (Typ character) übergeben werden.
152
5
Versuchsdurchführung
Zubehör:
Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, Digital-Multimeter
(AGILENT U1251B / U1272A), Funktionsgenerator (AGILENT 33120A / 33220A), PC mit Messwerterfassungskarte (NATIONAL INSTRUMENTS PCI 6014 oder PCI 6221) und zugehörigem BNC-Adapter
(NATIONAL INSTRUMENTS BNC-2120), Blockbatterie 9 V mit Anschlussklemmen, Netzgerät (PHYWE
(0 - 15 / 0 - 30) V), Drucksensor (SENSORTECHNICS HCLA12X5DB) auf Grundplatte mit Absperrhähnen an Stativ, ERLENMEYER-Kolben mit geschliffenem Stopfen auf Tisch, U-Rohr-Manometer
(Wasserfüllung) mit Halterung und Ableseskala, Becherglas auf Scherentisch, Schlauchmaterial, Luftballon, Papiertuchrolle.
5.1
Inbetriebnahme des PC und der Messwerterfassungskarte
Vor dem Einschalten des PC vergewissere man sich, dass der BNC-Adapter vom Typ NI BNC-2120
(Abb. 7) mit der Messwerterfassungskarte im PC verbunden ist. Im eingeschalteten Zustand darf das
Verbindungskabel nicht gesteckt oder gezogen werden! Nach dem Einschalten einloggen mit dem
bekannten Nutzernamen und Passwort in der Domäne gpr.
Abb. 7: Links: Foto des BNC-Adapters vom Typ NI BNC-2120. Rechts: Skizze der Anschlusskontakte
desselben Adapters (Quelle: NI).
153
Der BNC-Adapter ermöglicht einen einfachen Anschluss der zu messenden Signale an die MEK mit Hilfe
von Koaxialkabeln. Er verfügt über 8 differentielle DI-Eingänge (Bezeichnung je nach Kartentyp
ACH 0,…, ACH 7 oder AI 0,…, AI 7). Der Anschluss der Signalquellen (Batterie, Netzgerät, Drucksensor) erfolgt in diesem Versuch grundsätzlich nur an der BNC-Buchse ACH 0 bzw. AI 0.
Der Schiebeschalter über der BNC-Buchse von ACH 0 bzw. AI 0 muss auf „BNC“ stehen, der EingangsWahl-Schalter für die verwendete BNC-Buchse auf FS („floating source“, s. Kap. 2.4).
Der maximale Eingangsspannungsbereich der Messwerterfassungskarte beträgt ± 10 V; er darf nicht
überschritten werden. Zur Kontrolle werden deshalb alle Eingangssignale der Messwerterfassungskarte
gleichzeitig am Oszilloskop dargestellt.
5.2
Start von MATLAB
Matlab wird durch Doppelklick auf das entsprechende Icon gestartet. In der Matlab-Menüzeile „Current Directory“ wird der Pfad O:\Persoenliches_Verzeichnis eingestellt.
Mit den unter Kap. 4 beschriebenen Kommandos wird die Bezeichnung (InstalledAdaptors), der
Typ
(BoardNames)
und
die
Matlab-Identifikation
(InstalledBoardIDs)
der
Messwerterfassungskarte ermittelt.
Anschließend wird ein m-File geschrieben, mit dessen Hilfe Spannungssignale eingelesen, verarbeitet und
gespeichert werden können. Das m-File wird im persönlichen Verzeichnis gespeichert.
5.3
Messung einer Gleichspannung und Ermittlung der Auflösung
Eine 9 V-Blockbatterie wird mit dem Eingangskanal der MEK und parallel mit einem Multimeter verbunden. Die Spannung wird in den PC eingelesen (R = 100 s-1 und N = 100 sind gute Orientierungswerte)
und aus den N Messwerten Ui werden der Mittelwert und die Standardabweichung der Einzelmessung
bestimmt. Die ermittelten Werte werden mit dem Messwert am Multimeter und seinem Größtfehler verglichen.
Die Ui werden mit Origin über i aufgetragen. Der Grafik kann man entnehmen, dass sich die Ui nur um
ganzzahlige Vielfache eines Spannungswertes ∆U unterscheiden. ∆U wird bestimmt und mit der nach Gl.
(5) erwarteten Auflösung der MEK verglichen. Dabei müssen hinreichend viele Stelle angegeben werden.
5.4
Messung von Wechselspannungen
Mit einem Funktionsgenerator (FG) wird eine sinusförmige Wechselspannung ohne Gleichspannungsanteil (Frequenz 50 Hz, Amplitude 2 V) generiert. Der Ausgang des FG wird mit dem Eingangskanal der
MEK und parallel mit dem Digital-Oszilloskop und dem Multimeter verbunden. Die Spannung wird in
den PC eingelesen (R = 1000 s-1 und N = 1000 sind gute Orientierungswerte) und ihr Spitze-Spitze-Wert
Uss sowie ihr Effektivwert Ueff bestimmt. Fehlerangaben sind für beide Größen nicht erforderlich.
Uss ist in guter Näherung durch die Differenz zwischen Maximum und Minimum der eingelesenen N
Spannungswerte Ui gegeben. In Matlab-Notation lautet die entsprechende Gleichung:
U_ss = max(U) - min(U)
Ueff ist gegeben durch:
(11)
U eff =
1
N
N
∑U
i =1
2
i
154
bzw. in Matlab-Notation:
U_eff = sqrt(sum(U.^2)/N)
(vgl. Kapitel „Zum Aufbau elektrischer Schaltungen…“ dieses Skriptes). Dieser Wert heißt im englischen
Sprachraum auch rms-Wert. rms steht für root mean square, zu Deutsch Wurzel aus Mittelwert der Quadrate.
Der Wert Uss wird mit dem Messwert am Oszilloskop verglichen, der Wert Ueff mit dem am Multimeter
angezeigten Wert sowie mit der theoretischen Erwartung. Beide Geräte müssen so eingestellt werden
(V/DIV am Oszilloskop, Messbereich am Multimeter), dass Uss bzw. Ueff mit best möglicher Auflösung
gemessen werden können.
Die gleichen Messungen werden mit einer Rechteckspannung gleicher Frequenz und Amplitude wiederholt.
5.5
Messung von Druckdifferenzen
Für die Messung von Druckänderungen in Gasen steht ein Drucksensor des Typs HCLA12X5DB zur
Verfügung, der bereits im Versuch „Sensoren...“ kennengelernt wurde. Einzelheiten zu seiner Funktionsweise und zu seinem Betrieb sind dem zugehörigen Skript zu entnehmen.
5.5.1 Kalibrierung des Drucksensors
Der Drucksensor wird kalibriert, indem zwischen den beiden Anschlussstutzen definierte Druckdifferenzen ∆p eingestellt werden und jeweils die zugehörige Ausgangsspannung U gemessen wird. Definierte
Druckdifferenzen lassen sich mit einer Anordnung gem. Abb. 8 einstellen, die bereits im Skript zum
Versuch „Sensoren...“ beschrieben wurde (Hahn H1 geöffnet, Hahn H2 geschlossen). Die Druckdifferenz
(12)
∆p = p − pL
ist bei einer Höhendifferenz hm im Manometer gegeben durch:
(13)
∆p =ρ m hm g
wobei ρm die Dichte der Flüssigkeit im Manometer (hier Wasser) und g die Erdbeschleunigung ist. Für g
wird der Wert für Oldenburg verwendet: g = 9,8133 m/s2, der als fehlerfrei angenommen wird 10. Für die
Dichte ρm von Wasser im Temperaturbereich von (20 ± 2) °C kann ein ebenfalls als fehlerfrei angenommener Wert von 998 kg/m3 verwendet werden.
Für mindestens 10 verschiedene Höhen hm (ausmessen) wird die Ausgangsspannung des Drucksensors D
mit dem PC gemessen (R = 100 s-1 und N = 100 sind gute Orientierungswerte). Aus den Messdaten für die
einzelnen Höhen werden jeweils der Mittelwert und die Standardabweichung des Mittelwertes berechnet.
Am praktischsten ist es, wenn diese Daten gleich in ein Origin-Worksheet eingetragen werden.
Schließlich wird U nach Gl. (13) über ∆p aufgetragen und die Parameter der Ausgleichsgeraden werden
bestimmt. Mit Hilfe der Parameter dieser Kalibrierkurve können nachfolgend die Ausgangsspannungen
des Drucksensors in Druckdifferenzen umgerechnet werden.
10
Wert nach http://www.ptb.de/cartoweb3/SISproject.php; der Fehler von 2×10-5 m/s2 wird vernachlässigt.
155
M
hm
H1
Wasser
B
pL
H2
-+
D
Luft,
Druck p
V
E
Wasser
S
Abb. 8: Anordnung zur Einstellung von Druckdifferenzen ∆p > 0 gegenüber dem Umgebungsluftdruck
pL. Einzelheiten siehe Text und Skript zum Versuch „Sensoren...“.
5.5.2 Messung von zeitlichen Druckänderungen
Zur Messung von zeitlichen Druckänderungen wird in der Anordnung gem. Abb. 8 neben dem Hahn H1
auch der Hahn H2 geöffnet, um eine Verbindung zwischen dem Ballon B und dem Luftvolumen in E herzustellen. Durch Anheben des Becherglases V wird zunächst ein Überdruck in B hergestellt. Danach wird
der Ballon einmal zügig zusammen gedrückt und anschließend losgelassen. Das Zusammendrücken darf
nur so erfolgen, dass die maximale Druckdifferenz am Sensor (∆p = + 1,25 × 103 Pa) nicht überschritten
wird und dass der Druck am „+“-Anschluss des Drucksensors immer oberhalb des Drucks in der Umgebungsluft bleibt. Letzteres ist sicher gestellt, solange der Wasserstand im rechten Schenkel des U-Rohres
höher bleibt als der im linken Schenkel.
Der zeitliche Verlauf der Druckdifferenz bei und nach dem Zusammendrücken des Ballons soll solange
aufgezeichnet werden, bis der Wasserstand im Manometer seine Ausgangsstellung wieder stabil erreicht
hat. Diese Messung wird zweimal durchgeführt.
Die aufgezeichneten Werte der Ausgangsspannung des Drucksensors werden mit den Kalibrierdaten aus
Kap. 5.5.1 in Druckdifferenzen umgerechnet. Die Ergebnisse werden in Diagrammen ∆p(t) dargestellt
und interpretiert.
6
Anhang: Definition einer Struktur in Matlab
Eine Struktur (engl. structure) in Matlab ist ein mit einem eigenen Namen bezeichneter zusammenhängender Speicherbereich. Dieser Speicherbereich ist unterteilt in Felder (engl. fields). Die Felder können
von unterschiedlicher Größe sein. Ein Feld kann nur ein einzelnes Element enthalten (z.B. einen einzelnen
Zahlenwert), aber auch mehrere Elemente, die in Form eines Vektors oder einer Matrix angeordnet sind11.
Die in den Elementen der Felder gespeicherten Daten können von unterschiedlichem Datentyp (engl. data
type, in Matlab auch class) sein. Es können Zeichen (Datentyp character), ganze Zahlen (Datentyp
integer), reelle Zahlen (Datentyp single oder double) usw. sein. Jedes Feld und jedes Element
wird mit einem eigenen Namen versehen.
11
Darüber hinaus kann ein Feld auch seinerseits eine Struktur sein, die wiederum in Strukturen, Felder oder Elemente untergliedert sein kann usw.
156
Ein Beispiel soll die Zusammenhänge verdeutlichen. Wir bilden eine Struktur mit dem Namen student.
Darin sollen die Felder nachname, vorname, matrikelnr, faecher und semester enthalten sein. Das Feld
faecher soll mehrere Elemente a, b, c enthalten, die übrigen Felder jeweils nur ein Element. Zur Speicherung von Daten in den einzelnen Elementen dienen folgende Matlab-Kommandos (der Punkt ist das
Trennzeichen zwischen Struktur und Feld bzw. Feld und Element):
>>
>>
>>
>>
>>
>>
>>
student.nachname =
student.vorname =
student.matrikelnr =
student.faecher.a =
student.faecher.b =
student.faecher.c =
student.semester =
'Mueller';
'Hans';
123456;
'Physik';
'Mathematik';
'Chemie';
8;
Da es sich beim Nachnamen, Vornamen usw. um Zeichenketten (character strings, Datentyp character) handelt, müssen die Angaben in Hochkommata gesetzt werden.
Nach Eingabe aller Daten kann man sich durch das Kommando
>> student
anzeigen lassen, wie Matlab diese Struktur gespeichert hat:
student =
nachname:
vorname:
matrikelnr:
faecher:
semester:
'Mueller'
'Hans'
123456
[1x1 struct]
8
Da das Feld faecher mehrere Elemente enthält, wird es seinerseits als Struktur (struct) angezeigt. Um
die Einträge im Feld faecher anzuzeigen, muss das Kommando
>> student.faecher
eingegeben werden. Die Matlab-Ausgabe ist dann:
ans =
a: 'Physik'
b: 'Mathematik'
c: 'Chemie'
Abb. 9 zeigt eine schematische grafische Darstellung der Struktur student. Für weitere Details wird auf
das Matlab-Handbuch verwiesen.
157
student
nachname
Mueller
vorname
Hans
matrikelnr
123456
faecher
semester
a
Physik
b
Mathematik
c
Chemie
8
Abb. 9: Schematische Darstellung einer Struktur in Matlab.
158
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Modul Grundpraktikum Physik – Teil I
Charakterisierung eines Sender-Empfänger-Systems
Stichworte:
Mikrowellen, Transversalwellen, ebene Wellen, Kugelwellen, stehende Welle, Richtcharakteristik,
Reflexions- und Brechungsgesetz, Brechzahl, Polarisation.
Messprogramm:
Eigenschaften eines Sender-Empfänger-Systems für Mikrowellen, Messung der Entfernungsabhängigkeit und der Richtcharakteristik, Brechzahl von PVC für Mikrowellen, Reflexion von Mikrowellen an
einer Metallplatte und einem Drahtgitter, Polarisation von Mikrowellen.
Literatur:
/1/ DEMTRÖDER, W.: „Experimentalphysik 2 – Elektrizität und Optik“, Springer-Verlag, Berlin u.a.
/2/ EICHLER, H. J., KRONFELDT, H.-D., SAHM, J.: „Das Neue Physikalische Grundpraktikum“, Springer-Verlag, Berlin u.a.
1
Einleitung
Im Laufe des Physikstudiums werden Sie verschiedene Sender-Empfänger-Systeme kennenlernen, wie
z.B. das System Lichtquelle / Fotodetektor in der Optik oder das System Lautsprecher / Mikrophon in der
Akustik. Solche Systeme werden i. Allg. durch mehrere Kenngrößen beschrieben. Ziel dieses Versuches
ist es, anhand der Vermessung der Eigenschaften eines Sender-Empfänger-Systems für Mikrowellen 1
einige solcher Kenngrößen kennenzulernen. Im Einzelnen soll untersucht werden,
- ob und wenn ja wie die Intensität der abgestrahlten Welle mit zunehmender Entfernung vom Sender
abnimmt (Entfernungsabhängigkeit),
- in welcher geometrischen Form (z.B. strahl-, kugel- oder keulenförmig) die Abstrahlung der Welle
erfolgt (Richtcharakteristik),
- an welchen Strukturen die Welle reflektiert wird (Reflexionsgesetz),
- ob die Welle beim Übergang Luft → PVC gebrochen wird (Brechungsgesetz und Brechzahl),
- ob die Welle linear polarisiert ist.
Das System besteht aus einem Mikrowellensender und einem dazu passenden Empfänger. Beide Komponenten werden als „Black-Boxes“ behandelt, „schwarze Kästen“ also, die eine bestimmte Funktion erfüllen (Welle aussenden und Intensität der Welle detektieren), deren detaillierter Aufbau für den Versuch
jedoch unbedeutend ist und auf den deshalb auch nicht weiter eingegangen wird.
Zur Auswertung einiger Teilaufgaben des Versuchs werden grundlegende Kenntnisse aus dem Bereich
der Optik benötigt, die aus der Schule bekannt sein sollten: Reflexion, Brechung, stehende Welle. Im
späteren Verlauf des Grundpraktikums werden diese Themen noch ausführlich behandelt, nachdem sie in
der Vorlesung erarbeitet wurden.
1
Mikrowellen sind elektromagnetische Wellen im Frequenzbereich zwischen ca. 300 MHz und ca. 300 GHz.
159
2
Versuchsdurchführung
Zubehör:
Mikrowellensender (Typ I mit Gunn-Diode MICROSEMI MO86751A, P ≈ 10 mW, λ ≈ 28,5 mm; Typ
II mit Gunn-Diode CL 8650 8927 (Hersteller unbekannt), P ≈ 15 mW, λ ≈ 27,5 mm), Mikrowellenempfänger (HEWLETT PACKARD X424A), 2 Dreieckschienen (Längen 1,5 m und 0,5 m), Gelenk für
Dreieckschienen mit Winkelskala und Zeiger, Winkelsensor (TWK ELEKTRONIK PBA 12), 3 Netzgeräte (PHYWE (0 – 15 / 0 – 30) V), Multimeter (AGILENT U1272A oder U1251B), Digital-Oszilloskop
TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, PVC-Platte, Al-Blech, Drahtgitter, Verschiebetisch (100 mm) mit Motor und Laserdistanzsensor (BAUMER OADM 12U6460/S35),
2 Impedanzwandler, PC mit Messwerterfassungskarte (NATIONAL INSTRUMENTS PCI 6014 oder PCI
6221) und zugehörigem BNC-Adapter (NATIONAL INSTRUMENTS BNC-2120), Metallmaßband (Länge
1 m), Stativmaterial.
2.1
Inbetriebnahme von Sender und Empfänger
Zu Beginn der Versuche muss die Handhabung von Sender und Empfänger kennen gelernt werden. Dazu
wird eine Anordnung gem. Abb. 1 aufgebaut. Sender S und Empfänger E werden auf einer ca. 1,5 m
langen Dreieckschiene montiert, auf gleiche Höhe eingestellt und mittig zur Achse A im Abstand
d = 5 cm voneinander angeordnet. Als Abstand d ist die Entfernung zwischen den Vorderkanten der
Trichter von Sender und Empfänger definiert.
d
E
S
= UQ
D
ϕ
A
O
Abb. 1: Schematische Anordnung des an eine Spannungsquelle UQ angeschlossenen Senders S und des
zugehörigen Empfängers E. E wird über ein Koaxialkabel mit dem Oszilloskop O und/oder
einer Messwerterfassungskarte verbunden, der Außenleiter des Kabels wird geerdet. A ist die
Verbindungsachse von S und E. Für einige Versuche werden S und E auf einer Dreieckschiene
montiert, für andere auf zwei Dreieckschienen, die mit einem Drehgelenk mit der Drehachse D
verbunden sind. d ist der Abstand zwischen S und E, ϕ deren Winkelorientierung. Der Winkel ϕ
wird mit einem Winkelsensor gemessen, der aus dem Versuch „Sensoren…“ bekannt ist.
Der Sender wird an eine Gleichspannungsquelle UQ angeschlossen, die vorher auf 10 V Ausgangsspannung eingestellt wird (Überprüfung mit Multimeter). Er emittiert dann eine Mikrowelle konstanter Leistung P mit der Wellenlänge λ (P und λ siehe Zubehör).
Der Empfänger wird über ein Koaxialkabel mit einem Oszilloskop O (DC-Ankopplung) und/oder einer
Messwerterfassungskarte (MEK) verbunden. Er misst die Intensität I der einfallenden Mikrowelle.
Darunter versteht man den zeitlichen Mittelwert der Energie einer Welle pro Zeit und Fläche. Die Einheit
der Intensität ist also [I] = J s-1 m-2 = W m-2. Dem hochfrequenten Verlauf des elektrischen Feldes E der
Mikrowelle (Frequenz ca. 10,5 GHz 2) kann der Detektor nicht direkt folgen. 3
Der Empfänger ist so gebaut, dass er die Intensität I der empfangenen Welle in ein negatives Spannungssignal U umsetzt: I ~ -U. Für die folgenden Versuche ist nur der Betrag |U| der Spannung maßgeblich.
2
3
Zum Vergleich die Frequenzen anderer Mikrowellen: Digital-Satelliten-TV ca. 12 GHz, Mikrowellenherd ca.
2,5 GHz.
Dies ist analog zu einem Fotodetektor, der ebenfalls nur Lichtintensitäten messen kann, nicht jedoch den zeitlichen Verlauf des elektrischen Feldes einer Lichtwelle im Frequenzbereich von 1014 Hz.
160
Hinweise:
- Um einer möglichen Zerstörung der im Empfänger enthaltenen Halbleiterdiode durch elektrostatische
Entladungen vorzubeugen, wird der Außenleiter des Koaxialkabels geerdet (Verbindung mit der
Erdungsbuchse (
) in der Laborzeile oder am Netzgerät ( )).
- Da die Mikrowellen z.T. auch an den handelnden Personen gestreut und reflektiert werden, müssen
alle folgenden Messungen jeweils unter gleichen Umgebungsbedingungen (gleicher Standort der Personen usw.) durchgeführt werden.
2.2
Entfernungsabhängigkeit
Zunächst wird die Entfernungsabhängigkeit gemessen. Dazu werden gem. Abb. 1 Sender und Empfänger
auf der ca. 1,5 m langen Dreieckschiene aufgebaut und die Spannung U am Empfänger mit dem Oszilloskop in Abhängigkeit vom Abstand d gemessen (5 cm ≤ d ≤ 1 m). Bei Veränderung von d wird eine
Oszillation des Empfangssignals auftreten, die dem entfernungsabhängigen Signalverlauf überlagert ist.
Diese Oszillation (Periodenlänge λ/2) wird dadurch verursacht, dass ein Teil der abgestrahlten Welle am
Empfänger reflektiert wird, mit der abgestrahlten Welle interferiert und eine stehende Welle bildet. Da
die Amplitude der reflektierten Welle deutlich kleiner ist als die der abgestrahlten Welle, bildet sich eine
stehende Welle mit schwacher Modulation aus (s. Abb. 2).
Abb. 2: Räumlicher Verlauf der Intensität I in einer stehenden Welle, die durch Interferenz von zwei
ebenen, gegenläufigen Mikrowellen mit der Wellenlänge λ = 30 mm entsteht 4. Blau: Intensitätsverlauf für den Fall, dass die Amplitude E der hinlaufenden Welle (Ea) gleich der Amplitude der
reflektierten Welle (Er) ist: Er = Ea. Rot: Er = 0,2 Ea. Schwarz: Er = 0. Maxima und Minima der
Intensität haben jeweils einen Abstand von λ/2. „a.u.“ steht für arbitrary units (beliebige Einheiten).
Bei der Messung der Entfernungsabhängigkeit muss darauf geachtet werden, dass die Messpunkte immer
bei den Abständen di liegen, bei denen der Betrag des Empfangssignals, |U|, jeweils maximal ist. Der
Abstand der Messpunkte soll 2λ betragen. Ist ein Messpunkt eingestellt, kann mit Hilfe der Funktion
Messung → Mittelwert des Digital-Oszilloskops der Messwert für U abgelesen werden. Für U muss
kein Fehler angegeben werden. Der Größtfehler für di ergibt sich aus der eingeschränkten Genauigkeit,
mit der die Lage der Messpunkte bestimmt werden kann.
Zur Auswertung wird |U| über d (mit Größtfehler ∆d) einmal halblogarithmisch (|U| auf logarithmischer
Achse) und einmal doppeltlogarithmisch aufgetragen. In die Diagramme werden zusätzlich die Kurven
eingezeichnet, die sich für folgende Fälle ergeben würden:
4
Die Intensität I einer elektromagnetischen Welle ist proportional zum Quadrat der Amplitude E des elektrischen
Feldes der Welle: I ~ E2.
161
a) Der Sender emittiert einen scharf begrenzten Strahl, der zwischen S und E nicht abgeschwächt wird:
=
U U=
const. mit der Anfangsspannung |U0|.
0
b) Wie a), aber mit exponentieller Schwächung durch Absorption zwischen S und E: U = U 0 e −α d mit
dem Abschwächungskoeffizienten α.
c) Der Sender emittiert eine Kugelwelle, die zwischen S und E keine Abschwächung durch Absorption
erfährt: U = U 0 k / d 2 . k ist ein Skalierungsfaktor, der so gewählt werden muss, dass |U| = |U0| für
d → 0.
Durch Vergleich des Verlaufes der Messdaten mit den theoretisch erwarteten Verläufen nach a) bis c) soll
entschieden werden, in welcher Art die Wellenausbreitung stattfindet. Für die Darstellung der theoretischen Kurven sind für α, k und |U0| passende Werte einzusetzen, so dass der jeweils erwartete Kurvenverlauf gut zu erkennen ist. Um nicht zu falschen Schlussfolgerungen zu gelangen, müssen die Messergebnisse zur Richtcharakteristik (Kap. 2.3) mit berücksichtigt werden!
2.3
Richtcharakteristik
Zur Messung der Richtcharakteristik wird der Sender auf der langen Dreieckschiene so montiert, dass die
Vorderkante seines Trichters gerade in der Drehachse D liegt (Abb. 1). Der Empfänger wird auf einer
zweiten, ca. 0,5 m langen Dreieckschiene in ca. 40 cm Abstand hinter der Drehachse angeordnet. Beide
Schienen sind über ein Drehgelenk miteinander verbunden. Der Winkel ϕ kann auf einer Winkelskala
abgelesen und gleichzeitig mit Hilfe eines Winkelsensors gemessen werden, der bereits aus dem Versuch
„Sensoren…“ bekannt ist. Bei der Einstellung der Entfernung zwischen E und D muss darauf geachtet
werden, dass das Empfangssignal |U| bei einem Winkel von ϕ = 180° ein Maximum aufweist. Der Winkel
ϕ = 180° wird eingestellt, indem die Dreieckschienen mit Hilfe eines angelegten Metallmaßbands längs
der gemeinsamen Achse A ausgerichtet werden.
Durch Drehung des Armes mit dem Empfänger E wird der Winkel von ϕ = 150° auf ϕ = 210° erhöht.
Während der Drehung werden die Ausgangsspannung des Winkelsensors, UW, und die Spannung U am
Empfänger gemessen und mit einer MEK aufgezeichnet (s.u. Hinweise zur Datenaufnahme mit der
MEK). Anschließend wird mit Hilfe von Origin |U| als Funktion von ϕ (aus UW berechnet) in einem
Polardiagramm 5 dargestellt (vgl. Abb. 3). Für |U| und ϕ müssen keine Fehler angegeben werden. Wegen
der Vielzahl der aufgenommenen Daten wird das Polardiagramm als Liniendiagramm statt als Punktdiagramm dargestellt. Zusätzlich werden in das Diagramm die Kurven eingezeichnet, die sich in den Fällen
a) und c) ergeben würden.
Hinweise zur Datenaufnahme mit der MEK
Die Messung und Aufzeichnung der Spannung UW des Winkelsensors und der Spannung U am Empfänger erfolgt mit Hilfe einer Messwerterfassungskarte (MEK) im PC auf analoge Weise wie beim Versuch
„Datenerfassung und -verarbeitung mit dem PC…“. UW und U werden aus Gründen der Signalanpassung
jeweils über einen Impedanzwandler 6 an die Buchsen ACH 0 und ACH 1 bzw. AI 0 und AI 1 der MEK
angeschlossen. Das aus dem Versuch „Datenerfassung…“ bekannte Matlab-m-File muss erweitert werden, um gleichzeitig beide Signale erfassen zu können. In das m-File wird eine weitere Zeile (rot markiert) eingefügt, um zusätzlich zu Kanal Nr. 0 einen zweiten Kanal Nr. 1 zur Datenaufnahme bereit zu
stellen:
5
6
Zur Erzeugung eines Polardiagramms mit Origin: → Zeichnen → Spezialisiert → Polar… (englische Version:
→ Plot → Specialized → Polar…).
Aufbau und Funktion von Impedanzwandlern werden im späteren Versuch „Operationsverstärker“ (SoSe)
behandelt.
162
addchannel(AI,0);
addchannel(AI,1);
(Kanal 0: UW)
(Kanal 1: U)
Eine Abtastrate von R = 100/s ist ausreichend. Mit dem bekannten Befehl
[UG,t]=getdata(AI);
werden die Daten nach Ende der Messung ausgelesen. UG enthält die Spannungswerte aus beiden Kanälen in Form einer (N, 2)-Matrix mit N Zeilen und 2 Spalten, wobei N die Zahl der eingelesen Messwerte
ist. In der ersten Spalte stehen die Messwerte von Kanal 0, also die Werte von UW, in der zweiten Spalte
die Messwerte von Kanal 1, also die Werte von U. Die Daten für die Zeit t werden für die weitere Auswertung nicht benötigt.
Die Daten für UW und U werden in einer ASCII-Datei (hier: MD.dat) gespeichert, um sie später mit
Origin weiter verarbeiten zu können:
save('MD.dat','UG','-ascii')
Einen ersten Überblick über den Verlauf von U als Funktion von UW erhält man mit dem Plot-Befehl:
plot (UG(:,1),UG(:,2))
(Durch den Doppelpunkt werden alle Daten aus Spalte 1
bzw. alle Daten aus Spalte 2 selektiert).
Hinweis zur Vermeidung von Störspannungen:
Für diesen Versuchsteil müssen die Ground-Leitungen (0 V) der Spannungsversorgungen für Impedanzwandler und Winkelsensor mit der Erdungsbuchse ( ) der Netzgeräte verbunden werden, um
Störspannungen durch sogenannte Brummschleifen zu vermeiden.
Abb. 3: Beispiel eines Polardiagramms für die Funktion r(α) = 1 + cosα (rote Kurve). Der Winkel α
läuft gegen den Uhrzeigersinn. Für jeden Winkel α wird der Funktionswert r(α) als Abstand
vom Zentrum des Diagramms dargestellt (für α = 15° exemplarisch durch blauen Strich markiert).
163
2.4
Brechung
Ziel des Teilversuchs ist die Bestimmung eines Orientierungswertes für die Brechzahl nPVC von PVC für
die verwendete Mikrowelle 7. Dazu folgender theoretischer Hintergrund:
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit von elektromagnetischen Wellen hängt von der Brechzahl n des Mediums ab, das die Wellen durchlaufen. Im Vakuum ist n = 1; die Wellen breiten sich hier mit der Vakuumlichtgeschwindigkeit c aus. c ist eine Naturkonstante (vgl. hintere Umschlagseite dieses Skriptes). In
Medien (Index M) mit n > 1 ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit geringer. Es gilt:
(1)
cM =
c
nM
Im Vakuum gilt folgender Zusammenhang zwischen der Ausbreitungsgeschwindigkeit c, der Wellenlänge
λ und der Frequenz ν einer elektromagnetischen Welle:
(2)
c = λν
In einem Medium mit nM > 1 gilt analog:
(3)
cM = λM ν
Ausbreitungsgeschwindigkeit und Wellenlänge werden im Medium kleiner, die Frequenz der Welle bleibt
unverändert. Die Kombination von Gl. (1) bis (3) ergibt:
(4)
c
λ
= λ=
Mnn
nM
nM
Für Luft ist nM ≈ 1 und damit cM ≈ c und λM ≈ λ .
Die Verkürzung der Wellenlänge in einem Medium mit nM > 1 kann man ausnutzen, um die Brechzahl
nM zu messen. Dazu betrachten wir gem. Abb. 4 oben einen Ausschnitt der bereits aus Kap. 2.2 bekannten stehenden Welle. Zwischen S und E befindet sich Luft mit nLuft ≈ 1 . Auf einer Strecke der Länge L
bilden sich M Intensitätsmaxima, die jeweils den Abstand λ/2 voneinander haben. Es gilt also:
(5)
L=M
λ
2
Nun bringen wir gem. Abb. 4 unten eine Platte der Dicke D zwischen S und E ein. Die Brechzahl des
Plattenmaterials sei nM > 1 . Dadurch wird die Wellenlänge in der Platte verringert:
(6)
7
λM =
λ
nM
In der folgenden Beschreibung wird vorausgesetzt, dass sich die Mikrowelle wie eine ebene Welle ausbreitet.
Dies ist nach den Ergebnissen aus Kap. 2.3 jedoch nicht der Fall. Außerdem wird die Messung durch Streuung
und Reflexion der Mikrowelle an umgebenden Materialien beeinflusst. Deshalb ist eine präzise Bestimmung von
nPVC mit der verwendeten Versuchsanordnung nicht möglich. Die Messung liefert jedoch einen brauchbaren
Orientierungswert.
164
und die Zahl der Intensitätsmaxima längs der Strecke L um m erhöht. Es gilt:
(7)
D
λM
+
a
λ
= M +m
2
2
L
D
a
l
Abb. 4: Stehende Wellen zwischen S und E. Oben für den Fall, dass sich zwischen S und E Luft befindet. Unten für den Fall, dass in die Luft zwischen S und E eine Platte der Dicke D mit der
Brechzahl nM eingebracht wird, wodurch die Intensitätsmaxima im Bereich a zur Platte hin verschoben werden. Übrige Bezeichnungen siehe Text.
Die Erhöhung der Zahl der Intensitätsmaxima um m geht außerhalb der Platte mit einem Versatz der
Maxima um die Strecke l einher, für den gilt:
(8)
l=m
l
2
Außerdem gilt gem. Gl. (5):
(9)
L= D+a= M
λ
2
Durch Einsetzen von M aus Gl. (9) in Gl. (7) und mit Gl. (6) und (8) folgt:
(10)
2 nM D
2 a 2 ( D + a) 2 l
+=
+
llll
Damit folgt für nM :
(11)
nM =
D+l
D
Durch Messung von D und l lässt sich also nM bestimmen. Die beschriebene Methode ist allerdings nur
eindeutig, solange m < 1. Dies ist gleichbedeutend mit l < λ/2. Gem. Gl. (11) bedeutet dies:
(12) =
l D ( nM − 1) <
l
2
165
und damit
(13)
D<
λ
2 ( nM − 1)
In diesem Versuch soll die Brechzahl von PVC, nPVC , für eine Mikrowelle mit λ ≈ 28,5 mm bzw.
λ ≈ 27,5 mm mit Hilfe von Gl. (11) bestimmt werden. Sie liegt in der Größenordnung von nPVC ≈ 1,6.
Damit folgt für beide Werte von λ: D < 23 mm. Gearbeitet wird mit D ≈ 10 mm.
Zur Messung von l gehen wir wie folgt vor: S und E werden auf den beiden Dreieckschienen symmetrisch
zur Drehachse D in d0 = 500 mm Entfernung voneinander aufgebaut. Der Empfänger wird auf einen
motorgetriebenen Verschiebetisch V montiert, mit dem er längs der Achse A um 100 mm in Richtung S
verschoben werden kann (Abb. 5). Der Motor wird mit einer Gleichspannung betrieben. Die Höhe der
Spannung (maximal 24 V) steuert die Geschwindigkeit der Verschiebung, die Polarität ihre Richtung
(vor / zurück). An beiden Enden des Verschiebetisches befinden sich Mikroschalter, die den Motor stoppen, sobald der jeweilige Anschlag erreicht ist.
sB
sA
A
D
LDS
E
S
V
d0
Abb. 5: Anordnung von Sender S und Empfänger E, der sich auf einem Verschiebetisch V befindet. Mit
dem Tisch kann E von der rechten bis zur linken Anschlagposition vorgefahren oder von der
linken bis zur rechten Anschlagposition zurückgefahren werden. sA und sB sind in den
Anschlagpositionen die jeweiligen Abstände zwischen dem LDS und der Grundplatte, auf der E
montiert ist.
An dem Verschiebetisch ist ein Laser-Distanzsensor LDS montiert, der bereits aus dem Versuch „Sensoren…“ bekannt ist. Seine Ausgangsspannung UL ändert sich linear mit Verschiebung von E. Der Sensor
wird kalibriert, indem für beide Anschlagpositionen die Abstände sA und sB (Definition gem. Abb. 5) und
die zugehörigen Ausgangspannungen ULA und ULB gemessen werden. Befindet sich E während der Verschiebung an beliebiger Position zwischen den beiden Anschlagpositionen, so gilt für den momentanen
Abstand s des Empfängers von der rechten Anschlagposition:
=
s
(14)
(U ( s ) − U ) Us
B
L
LA
LB
− sA
− U LA
und damit für den maßgeblichen Abstand d zwischen S und E:
(15)
=
d d0 − s D
Der Motor wird an der rechten Anschlagposition gestartet und bis zur linken Anschlagposition in Richtung S vorgefahren. Während der Verschiebung werden die Spannung UL und die Spannung U an E mit
Hilfe der Messwerterfassungskarte gemessen und gespeichert (analog zum Vorgehen wie bei den Messungen zu Kap. 2.3).
166
Anschließend wird die Messung mit eingebrachter PVC-Platte der Dicke D0 (mit Messschieber messen)
zwischen S und E wiederholt. Die Platte wird mittig zur Drehachse D montiert. Um zu verhindern, dass
Signalreflexionen an der Platte die Messung stören, wird die Platte unter einem Winkel von α = 45° zur
Achse A ausgerichtet. Die Mikrowelle legt dann in dem PVC die Strecke
(16)
D = D0 / cos (α )
zurück 8. Danach wird der Motor an der linken Anschlagposition gestartet und zur rechten Anschlagposition zurückgefahren. Während der Verschiebung werden wiederum UL und U aufgezeichnet und
anschließend gespeichert.
Aus beiden Datensätzen werden mit Hilfe von Origin und den Gleichungen (14) und (15) zunächst die
Abstände d berechnet. Anschließend wird für beide Datensätze jeweils |U| über d in einem Diagramm
dargestellt. Mit Hilfe des Origin-Tools „Datenkoordinaten / Data Reader“ 9 kann in beiden
Kurven die Position eines ausgewählten Intensitätsmaximums und daraus deren Versatz l bestimmt werden. Aus den Werten für l und D wird schließlich die Brechzahl nPVC bestimmt.
Hinweis zur Vermeidung von Störspannungen:
Für diesen Versuchsteil müssen die Ground-Leitungen (0 V) der Spannungsversorgungen für Impedanzwandler und Laser-Distanzsensor mit der Erdungsbuchse ( ) der Netzgeräte verbunden werden,
um Störspannungen durch sogenannte Brummschleifen zu vermeiden.
2.5
Polarisation
In einer linear polarisierten Mikrowelle oszilliert das elektrische Feld E der Welle in nur einer Raumrichtung (z.B. in y-Richtung, s. Abb. 6). Trifft eine solche Welle auf ein Drahtgitter, dessen Stäbe in gleicher Richtung angeordnet sind, werden Ströme in den Stäben induziert, die wie HERTZsche Dipolstrahler
wirken. Die von diesen Dipolen abgestrahlte Welle ist gegenüber der einlaufenden Welle um 180° phasenverschoben. Hinter dem Gitter kommt es deshalb zu destruktiver Interferenz zwischen der durchgehenden Ursprungswelle und der abgestrahlten Welle. Ein hinter dem Gitter platzierter Empfänger wird
also allenfalls ein sehr schwaches Signal messen.
Vor dem Gitter interferiert die von den Dipolen nach hinten abgestrahlte Welle mit der einlaufenden
Welle. Steht das Gitter wie beim Versuch zur Reflexion (Kap. 2.6.2) schräg zur einfallenden Welle, so
kann sich die nach hinten abgestrahlte (reflektierte) Welle ohne Interferenz mit der einfallenden Welle
ausbreiten.
Trifft die linear polarisierte Welle auf ein Gitter, dessen Stäbe senkrecht zur Polarisationsrichtung der
Welle angeordnet sind, können wegen des geringen Durchmessers der Stäbe keine nennenswerten Ströme
induziert werden. In diesem Fall tritt also keine von HERTZschen Dipolen abgestrahlte Welle auf, so dass
die ursprüngliche Welle das Gitter nahezu ungestört durchdringen kann.
Zur Untersuchung der Polarisationseigenschaften der im Versuch verwendeten Mikrowelle werden S und
E im Abstand d ≈ 5 cm (ϕ = 180°) voneinander aufgebaut. Zwischen S und E wird ein Drahtgitter gehalten, dessen Stäbe einmal vertikal und einmal horizontal ausgerichtet sind. Für jede Staborientierung wird
die Spannung U am Empfänger mit dem Oszilloskop gemessen.
Frage 1:
- Ist die Welle linear polarisiert? Wenn ja: in welcher Richtung?
8
Näherung für eine ebene Welle.
9
Das grafische Symbol des Tools Datenkoordinaten / Data Reader ist
.
167
y
E
t
Abb. 6: Wechselwirkung einer linear polarisierten Welle E mit einem Drahtgitter, dessen dünne Stäbe in
Richtung der Polarisationsrichtung der Welle orientiert sind.
2.6
Reflexion
2.6.1 Reflexion an einer Metallplatte
Zur Messung der Reflexion an einer Metallplatte MP (Al-Blech) werden S und E jeweils in ca. 20 cm Abstand von der Drehachse montiert und der Winkel zwischen S und E auf ϕ = 90° eingestellt (Abb. 7). Die
Metallplatte wird so montiert, dass die Drehachse D in ihrer Oberfläche liegt. Der Winkel γ wird nun in
acht Schritten von je 3° beginnend bei γ = 35° erhöht und für jeden Winkel die Spannung U am Empfänger mit dem Oszilloskop gemessen. Für U muss kein Fehler angegeben werden. Der Größtfehler für γ
ergibt sich aus der eingeschränkten Genauigkeit, mit der γ eingestellt werden kann. |U| wird über γ (mit
Größtfehler ∆γ) aufgetragen und mit Hilfe einer Ausgleichskurve durch die Messdaten der Winkel maximaler Reflexion bestimmt. Als Ausgleichskurve dient ein Polynom 2. Grades, das mit Hilfe von Origin
berechnet und gezeichnet wird. 10
S
γ
D
ϕ = 90°
MP
E
Abb. 7: Anordnung zur Messung der Reflexion an einer Metallplatte MP. S und E sind unter dem Winkel ϕ = 90° angeordnet, der Winkel γ wird variiert.
Frage 2:
Gilt das Reflexionsgesetz?
2.6.2 Reflexion an einem Drahtgitter
Die gleiche Messung wie unter 2.6.1 wird mit einem Drahtgitter wiederholt, dessen Stäbe senkrecht
orientiert sind. Die Messdaten |U(γ)| werden mit in das unter Kap. 2.6.1 erstellte Diagramm eingetragen.
Zur Interpretation der Messergebnisse wird auf die Anmerkungen zur Polarisation im Kap. 2.5 verwiesen.
10
Polynomfit mit Origin: → Analyse → Anpassen → Polynomieller Fit → Dialog öffnen… (englische Version:
→ Analysis → Fitting → Fit Polynomial → Open Dialog…).
168
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Modul Grundpraktikum Physik – Teil I
Trägheitsmoment - Steinerscher Satz
Stichworte:
Rotationsbewegung, Winkelgeschwindigkeit, Winkelbeschleunigung, Trägheitsmoment, Drehmoment, Drehimpuls, STEINERscher Satz
Messprogramm:
Messung des Trägheitsmomentes einer Kreisscheibe, Bestimmung der Lage der Schwerpunktachse
eines unregelmäßig geformten Körpers.
Literatur:
/1/ EICHLER, H. J., KRONFELDT, H.-D., SAHM, J.: „Das Neue Physikalische Grundpraktikum“, Springer-Verlag, Berlin u.a.
1
Einleitung
Ziel dieses Versuches ist es, das Verständnis für die Analogie zwischen Translations- und Rotationsbewegung zu vertiefen. Dazu wird ein Versuchsaufbau verwendet, mit dem Trägheitsmomente von Körpern
bezüglich beliebiger Achsen gemessen werden können.
Anhand von Tabelle 1 soll zunächst an die einander entsprechenden Größen der Translations- und
Rotationsbewegung erinnert werden.
Translationsbewegung
Name
Ortsvektor
Geschwindigkeit
Beschleunigung
Symbol
dr
dt
dv
a=
dt
v=
m
Impuls
p = mv
Kraft
=
F m=
a
Einheit Name
m
r
Masse
Rotationsbewegung
Winkel 1
m s-1
Winkelgeschwindigkeit 1
m s-2
Winkelbeschleunigung 1
kg
Trägheitsmoment 2
kg m s-1 Drehimpuls
dp
dt
N
Drehmoment
Symbol
Einheit
ϕ
1
dϕ
dt
dω
dt
I = ∫ R 2dm
ω=
L = Iω
L =r × p = m r × v
dω dL
T
=
I=
dt
dt
T= r×F
s-1
s-2
kg m2
kg m2 s-1
Nm
Tabelle 1: Zum Vergleich von Translations- und Rotationsbewegung.
1
2
Die Richtungen der axialen Vektoren ϕ, ω und dω/dt zeigen per Definition in Richtung der Drehachse. Hinsichtlich des Vorzeichens gilt die Rechte-Hand-Regel: zeigen die gekrümmten Finger in Richtung der Drehbewegung, so zeigt der Daumen in Richtung von ϕ, ω und dω/dt. Polare Vektoren (gewöhnliche Vektoren) wie z.B.
die für Ort (r) und Geschwindigkeit (v) ändern ihr Vorzeichen bei einer Punktspiegelung des Koordinatensystems, axiale Vektoren (auch Pseudovektoren genannt) dagegen nicht.
R ist der Abstand eines Massenelementes dm von der Drehachse.
169
2
Theorie
Wir betrachten gem. Abb. 1 eine Drehscheibe D vom Radius r, um die ein feiner Faden gewickelt ist. Der
Faden ist über eine Umlenkrolle R mit einer Masse m verbunden. Durch den Stift T eines Haltemagneten
B wird die Drehscheibe arretiert. Nach Schließen des Schalters S fließt ein Strom aus der Spannungsquelle U durch den Spulendraht des Haltemagneten. Durch das dadurch entstehende Magnetfeld wird der
Stift T zurückgezogen und die Drehscheibe freigegeben. Die fallende Masse m sorgt danach für eine beschleunigte Drehbewegung der Scheibe um die Drehachse H.
H
ω
F
r
R
D
B
T
m
S =U
l
Abb. 1: Drehscheibe zur Messung von Trägheitsmomenten. Bezeichnungen siehe Text.
Wir suchen eine Gleichung, mit der wir aus bekannten oder messbaren Größen das Trägheitsmoment ID
der Drehscheibe berechnen können. Dazu stellen wir zunächst die Bewegungsgleichung für die Rotationsbewegung der Drehscheibe auf. Sie hat in diesem Fall eine sehr einfache Form: die Drehscheibe
erfährt durch das Drehmoment r × F die Winkelbeschleunigung dω/dt. In Analogie zum NEWTONschen
Gesetz F = m a gilt also (siehe Tabelle 1):
(1)
r×F =
ID
dω
dt
Daraus folgt aufgrund der gewählten Geometrie (r ⊥ F) für die Beträge:
(2)
F=
I D dω
r dt
In dieser Gleichung müssen wir F und dω /dt durch bekannte oder messbare Größen ersetzen. Um einen
Ausdruck für dω /dt zu finden, betrachten wir zunächst die Bewegung der Masse m. Sie möge für das
Durchfallen der Strecke l die Zeit t benötigen. Dann gilt für ihre Beschleunigung a:
(3)
a=
2l
t2
Aufgrund der Verbindung von m mit der Drehscheibe über den Faden muss dies auch die Tangentialbeschleunigung eines Massepunktes am Rande der Drehscheibe sein. Für einen solchen Punkt gilt daher
aufgrund des bekannten Zusammenhangs zwischen Tangential- und Winkelbeschleunigung mit Gl. (3):
170
(4)
d ω a 2l
= =
d t r r t2
Einsetzen von Gl. (4) in Gl. (2) ergibt:
2l
r t
(5) =
F I=
ID
D 2 2
a
r2
Wir benötigen nun noch eine Beziehung für die nicht direkt messbare Kraft F, die die Drehscheibe
beschleunigt. Dazu schauen wir uns die Kräftebilanz für die Anordnung an. Die beschleunigende
Gewichtskraft G = mg (g: Erdbeschleunigung) muss die Masse m beschleunigen, Reibungskräfte an
Umlenkrolle R und Drehscheibe D überwinden sowie die Umlenkrolle und die Drehscheibe in beschleunigte Rotation versetzen. Hierfür sind folgende Kräfte erforderlich:
Fm :
FRR :
FR :
FRD:
F:
Beschleunigungskraft für m
Reibungskraft an der Umlenkrolle
Beschleunigungskraft für die Umlenkrolle
Reibungskraft an der Drehscheibe
Beschleunigungskraft für die Drehscheibe
Es gilt also:
(6)
G = mg = Fm + FRR + FR + FRD + F
Die Kraft, die m beschleunigt, Fm = ma, ist also erheblich kleiner als die Gewichtskraft G = mg.
Der Einfachheit halber wollen wir nun annehmen, dass Reibungskraft und Beschleunigungskraft an der
Umlenkrolle durch eine Kraft ersetzt werden können, die zur Translationsbeschleunigung einer Ersatzmasse me (hier: me ≈ 2,2 g) aufgewendet werden müsste:
(7)
FR + FRR :=
me a
Damit folgt für die gesuchte Kraft F aus Gl. (6):
(8)
F = mg − (m + me )a − FRD
Setzen wir diese Gleichung in Gl. (5) ein, so erhalten wir:
(9)
mg − (m + me )a= I D
a
+ FRD
r2
Der besseren Lesbarkeit wegen führen wir eine Kraft
(10)
FE := mg − (m + me )a
mit den messbaren Größen m und a und den bekannten Größen me und g ein, so dass Gleichung (9) die
Form erhält:
(11) =
FE I D
a
+ FRD
r2
171
In dieser Gleichung zur Bestimmung von ID stört uns noch die unbekannte und nicht direkt messbare
Größe FRD. Nehmen wir jedoch an, dass es sich bei der Reibung an der Drehscheibe um eine von der
Geschwindigkeit unabhängige trockene Roll- und Gleitreibung handelt (so genannte COULOMB-Reibung),
die nur von der Masse der Drehscheibe inkl. aufgelegter Körper abhängt, dann kann FRD als zeitunabhängige Konstante behandelt werden. Gl. (11) stellt in diesem Fall eine einfache Geradengleichung der Form
(12)
=
y cx + b
dar, mit
a
=
,
c I=
b FRD
D,
r2
(13)
=
y F=
x
E,
Tragen wir also gem. Gl. (11) bei konstantem r für verschiedene beschleunigende Massen m die zugehörige Größe FE (Gl. (10)) über a/r2 auf (mit a nach Gl. (3)), so ergibt sich eine Gerade mit der Steigung ID.
Wir haben damit, auch ohne die Größe FRD zu kennen, einen Weg gefunden, um das Trägheitsmoment
der Drehscheibe zu messen.
Wir wollen nun den Fall betrachten, dass auf die Drehscheibe zusätzlich ein Körper aufgelegt wird. Ist IK
das Trägheitsmoment dieses Körpers (Masse mK) bei Drehung um eine seiner Schwerpunktachsen
(Hauptachsen) und fällt diese Schwerpunktachse C mit der Drehachse H der Drehscheibe zusammen, so
ist das Gesamt-Trägheitsmoment I der Anordnung Drehscheibe/Körper:
(14)
=
I ID + IK
Verlaufen die Achsen H und C im Abstand s zueinander parallel, so gilt nach dem STEINERschen Satz 3:
(15)
I = I D + I K + mK s 2
Gl. (11) lautet dann:
(16)
=
FE I
a
+ FRD
r2
Daraus folgt mit Gl. (3):
(17)
I=
( FE − FRD )
r2
r2 2
=
F
−
F
( E RD ) t
a
2l
Wir können diesen Zusammenhang benutzen, um die Lage einer zur Drehachse der Drehscheibe parallel
verlaufenden Schwerpunktachse eines beliebig geformten Körpers zu bestimmen, der auf der Drehscheibe
aufliegt. Dazu gehen wir folgendermaßen vor: Gemäß Gl. (15) wird I minimal für s = 0, d.h. wenn die
Schwerpunktachse des Körpers und die Drehachse der Drehscheibe zusammenfallen. Ein Minimum für I
ist nach Gl. (17) gleichbedeutend mit einem Minimum für die Fallzeit t bzw. für t2. Verschieben wir also
den Körper auf der Drehscheibe (variieren also s), so muss die Fallzeit t bei einer bestimmten Körperposition ein Minimum aufweisen. Die zugehörige Funktion t = f(s), die dieses Verhalten beschreibt, wollen wir nun bestimmen. Dazu setzen wir Gl. (15) in Gl. (17) ein, lösen nach t2 auf und erhalten für t als
Funktion von s:
3
JAKOB STEINER (1796 - 1863)
172
=
t2
(18)
( I D + I K ) 2l + 2l mk
s2
2
2
− FRD ) r
− FRD ) r
( FE (
( FE (
(
((
 (
((

K1
K2
oder in übersichtlicherer Schreibweise mit den Hilfsgrößen K1 und K2:
(19)
2
t=
K1 + K 2 s 2
Frage 1:
- Was für eine Funktion (Kurve) stellt Gl. (19) dar? (Hinweis: Kegelschnitte)
Zur experimentellen Bestimmung der Lage der gesuchten Schwerpunktachse C mit Hilfe von Gl. (19)
gehen wir folgendermaßen vor: Auf der Drehscheibe geben wir ein Koordinatensystem XY vor, dessen
Ursprung wir in die Drehachse H legen (s. Abb. 2). Längs der y-Achse versehen wir die Drehscheibe mit
einer Lochreihe. Auf dem Körper, für den wir die Lage der Schwerpunktachse suchen, bringen wir an
beliebiger Stelle P einen Stift an. Stift und Lochreihe sind so ausgelegt, dass wir den Körper in y-Richtung auf der Drehscheibe verschieben können, ohne seine Orientierung bezüglich des
Koordinatensystems XY dabei zu ändern (s. Anmerkung am Ende von Kap. 3.2).
Nach dem Auflegen des Körpers auf die Drehscheibe habe der Punkt P (also der Stift) die Koordinaten
(0, yP). Für den Abstand s der Schwerpunktachse C von der Drehachse H gilt dann:
(20)
s=
∆x 2 + ( yP − ∆y )
2
y
Probekörper
P
y
yP
C
s
H
x
x
Abb. 2: Drehscheibe (gelb) mit Probekörper (weiß, Aufsicht). H ist die Drehachse, C die Schwerpunktachse des Probekörpers 4 und P der Punkt der Fixierung des Probekörpers in der vertikalen
Lochreihe auf der Drehscheibe. s ist der Abstand zwischen C und H.
Gemäß Gl. (19) hat die Fallzeit t für die beschleunigende Masse m dann ein Minimum, wenn s minimal
ist, was nach Gl. (20) bei festem ∆x für yP = ∆y der Fall ist.
4
Beachte, dass die weiße Fläche die Aufsicht auf den Probekörper darstellt. Deshalb muss C nicht im Schwerpunkt der weißen Fläche liegen.
173
Verschieben wir demnach den Körper in y-Richtung auf der Drehscheibe und tragen wir jeweils die Fallzeit t über der Verschiebung yP auf, so können wir durch Minimumsuche in der entstehenden Kurve die
Größe ∆y bestimmen. Auf analoge Weise lässt sich die Größe ∆x finden und wir können, ausgehend von
dem willkürlich gewählten Punkt P, die Lage der gesuchten Schwerpunktachse angeben.
3
Versuchsdurchführung
Zubehör:
Drehscheibe auf Dreifuß, 5 Beschleunigungsgewichte (m = (1,00 ± 0,01) g) mit Teller (m gemäß Aufdruck, Fehler vernachlässigbar), Messingkreisscheibe mit Haltestiften, unregelmäßig geformter Probekörper mit Haltestiften, Netzgerät (PHYWE (0 - 15 / 0 - 30) V), Magnethalter, Stativmaterial für Magnethalter, Schalter, Lichtschranke, elektronischer Universalzähler, Digital-Oszilloskop TEKTRONIX
TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, Präzisionswasserwaage (Genauigkeit 0,1 mm auf 1 m),
Waage, Metallmaßstab, Messschieber, Bremsstäbchen, Faden
Achtung:
Die Drehscheiben haben sehr empfindliche Präzisionslager, die bei unsachgemäßer Behandlung zerstört werden können. Drehscheiben nur vorsichtig mit dem Finger bewegen! Durch rechtzeitiges Abbremsen darauf achten, dass der Faden sich nicht im Lager verfängt! Abbremsen der Scheiben nur mit
dem bereitliegenden Bremsstäbchen!
Hinweis:
Vor Praktikumsbeginn wurden die Drehscheiben von der technischen Assistenz mit Hilfe einer Präzisionswasserwaage exakt waagerecht ausgerichtet.
3.1
Trägheitsmoment einer Kreisscheibe
Das Trägheitsmoment IK einer Messing-Kreisscheibe (Radius rK, Masse mK) bei Drehung um ihre Symmetrieachse C (Abb. 3) soll mit einer Anordnung gem. Abb. 1 bestimmt werden. Es berechnet sich gem.
Gl. (14) zu:
(21)
IK= I − ID
Um IK zu erhalten, muss mit Hilfe von Gl. (11) zunächst das Trägheitsmoment der leeren Drehscheibe
(ID) und anschließend mit Hilfe von Gl. (16) das Trägheitsmoment von Drehscheibe und Messingscheibe
zusammen (I) bestimmt werden. Dazu wird
a) für die leere Drehscheibe
b) für die Drehscheibe mit zentrisch aufgelegter Messingscheibe
für 5 verschiedene Beschleunigungsgewichte die Fallzeit t (Mittelwert aus jeweils mindestens 4 Einzelmessungen) für eine vorgegebene Fallstrecke l (ausmessen!) gemessen. Die Fallzeit wird mit einem elektronischen Universalzähler gemessen. Der Zähler wird durch den Impuls gestartet, mit dem der Stift des
Magnethalters zurückgezogen wird, der die Drehscheibe zunächst in der Ausgangsposition hält. Der
Stoppimpuls für den Zähler wird durch eine Lichtschranke geliefert, durch die die Beschleunigungsgewichte am Ende der Strecke l fallen.
ω
rK
C
Abb. 3: Drehung einer Kreisscheibe mit Radius rK und Masse mK um ihre Symmetrieachse C.
174
Anschließend werden gem. Gl. (11) bzw. Gl. (16) für a) und b) in einem Diagramm jeweils FE über a/r2
aufgetragen und die Ausgleichsgeraden berechnet (r vorsichtig mit dem Metallmaßband messen) 5. Auf
eine Fehlerrechnung für die einzelnen Werte von FE und a/r2 kann verzichtet werden. Aus den
Parametern der Ausgleichsgeraden werden die Reibungskräfte FRD an der Drehscheibe sowie die
Trägheitsmomente ID und I inkl. Fehler berechnet und daraus das Trägheitsmoment IK gem. Gl. (21),
ebenfalls inkl. Fehler.
Frage 2:
- Wie lässt sich aus der Beziehung I = R 2 dm (siehe Kap. 1) das Trägheitsmoment I einer Kreis-
∫
scheibe mit der Masse mK und dem Radius rK bei Drehung um ihre Symmetrieachse C (s. Abb. 3) berechnen? Wie groß ist das theoretisch erwartete Trägheitsmoment für die benutzte Messingkreisscheibe (rK und mK messen!)? Woher rühren gegebenenfalls Abweichungen zwischen Theorie und Experiment?
3.2
Bestimmung der Lage einer Schwerpunktachse eines unregelmäßig geformten Körpers
Gemäß der bei Gl. (18) - (20) gegebenen Erläuterungen soll die Lage einer zur Drehachse H parallel
verlaufenden Schwerpunktachse C eines unregelmäßig geformten Probekörpers bestimmt werden. Dazu
wird der am Körper montierte Stift nacheinander in 10 verschiedene Löcher der Lochreihe auf der yAchse der Drehscheibe eingesteckt und jeweils die Koordinate yP bestimmt 6. Für jede Position wird für
eine Masse m jeweils die mittlere Fallzeit t (Mittelwert aus 4 Einzelmessungen) für eine vorgegebene
Fallstrecke l gemessen. Anschließend wird t inkl. Fehlerbalken (Standardabweichung des Mittelwertes)
über yP aufgetragen und grafisch der Wert ∆y ermittelt, bei dem t ein Minimum hat.
Alternativ kann die Lage des Minimums von t über einen nichtlinearen Funktionsfit 7 gewonnen werden.
Als Zielfunktion dient dabei gem. Gl. (19):
(22) =
t
K1 + K 2 ( yP − ∆y )
2
mit den Fitparametern K1, K2 und ∆y. Dieser Fit liefert direkt den Wert yP = ∆y, für den die Fallzeit t
minimal ist.
Auf analoge Weise ließe sich ∆x bestimmen und mit Hilfe beider Größen die Lage des Schwerpunktes C
in der xy-Ebene relativ zum Punkt P angeben. Wir wollen es aus Zeitgründen jedoch bei der Messung des
Abstandes ∆y zwischen P und C belassen.
Anmerkung:
Um zu gewährleisten, dass sich die Orientierung des Probekörpers beim Verschieben längs der yAchse nicht ändert, sind an dem Körper zwei Haltestifte angebracht. Es muss daher vorab festgelegt
werden, welcher der beiden Stifte den Ort des Punktes P markieren soll.
5
6
7
Die Beschleunigung a liegt in der Größenordnung von 10-2 ms-2 und ist damit klein gegenüber g. Für FE nach Gl.
(10) ergeben sich deshalb für die Fälle a) und b) nur kleine Unterschiede.
Der Abstand zweier Löcher auf der Drehscheibe beträgt 10 mm (fehlerfrei).
Nichtlineare Funktionsfits werden in Teil II des Grundpraktikums im SoSe behandelt, siehe
http://physikpraktika.uni-oldenburg.de/download/GPR/pdf/Nichtlineare_Fits.pdf. Die Anwendung hier ist
freiwillig.
175
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Modul Grundpraktikum Physik – Teil I
Impuls- und Energieerhaltungssatz
Stoßgesetze
Stichworte:
Impulserhaltung, Energieerhaltung, elastische, inelastische und vollkommen inelastische Stöße, Stoßgesetze, Laborsystem, Schwerpunktsystem, Streuwinkel
Messprogramm:
Messung von Geschwindigkeiten auf der Grundlage der Impulserhaltung, Analyse von schiefen elastischen Stößen auf einem Luftkissentisch.
Literatur:
/1/ ALONSO, M., FINN, E. J.: „Fundamental University Physics, Vol. 1: Mechanics“, Addison-Wesley
Publ. Comp., Reading (Mass.) u.a.
/2/ STÖCKER, H.: „Taschenbuch der Physik“, Harri Deutsch, Frankfurt
/3/ GERTHSEN, C. u.a.: „Physik“, Springer-Verlag, Berlin u.a.
1
Einleitung
Im Folgenden sind zwei Versuche beschrieben, die zum Verständnis des Impuls- und Energieerhaltungssatzes beitragen sollen. Insbesondere soll deutlich werden, dass der Erhalt des Impulses (Vektor, dessen
Betrag proportional zur Geschwindigkeit ist) und der Erhalt der kinetischen Energie (Skalar, der proportional zum Quadrat der Geschwindigkeit ist) zwei völlig unterschiedliche Dinge sind.
2
Versuch I:
erhaltung
Messung von Geschwindigkeiten auf der Grundlage der Impuls-
Sollen große Geschwindigkeiten kleiner Körper im Labor direkt gemessen werden, so ist dafür ein recht
großer und entsprechend teurer apparativer Aufwand erforderlich. Einfache Lichtschranken, wie sie im
Praktikum verwendet werden, reagieren beispielsweise zu langsam, als dass sie für solche Messungen
eingesetzt werden könnten. Vielmehr würden Fotodetektoren benötigt, die über ein „schnelles Ansprechverhalten“ verfügen, d. h. Impulse mit großer Flankensteilheit liefern, die von entsprechend „schnellen“
elektronischen Zählern oder Speicher-Oszilloskopen weiter verarbeitet werden müssten. Da solche Geräte
im Praktikum nicht zur Verfügung stehen, müssen wir uns eines Tricks bedienen: Die schnelle Bewegung
des kleinen Körpers wird in die langsame Bewegung eines großen Körpers umgesetzt. Im folgenden
Versuch wird dieses Verfahren eingesetzt, um die Mündungsgeschwindigkeit von Luftgewehrkugeln zu
bestimmen. 1
2.1
Theorie
Eine Kugel der Masse m fliege mit der Geschwindigkeit v auf einen ruhenden Klotz der Masse M
(Abb. 1). Die Kugel bewege sich auf der Verbindungslinie der Schwerpunkte von Kugel und Klotz; beide
treffen also zentral aufeinander. Der Klotz sei so beschaffen, dass nach dem Stoß Kugel und Klotz mit der
1
Da wir das Luftgewehr weniger als Waffe, sondern vielmehr als Jahrmarktsartikel ansehen, ist sein Einsatz im
Praktikum vertretbar, zumal es der billigste Apparat ist, mit dem ausreichend hohe und hinreichend reproduzierbare Geschwindigkeiten erzeugt werden können.
176
gemeinsamen Geschwindigkeit u weiterfliegen. Es handelt sich demnach um einen total inelastischen
Stoß.
Frage 1:
- Was kennzeichnet einen elastischen, was einen inelastischen, was einen total inelastischen Stoß?
Der Impulserhaltungssatz kann in diesem Fall des zentralen Stoßes in skalarer Form geschrieben werden:
(1)
mv
= ( M + m)u
Mit Berücksichtigung der beim inelastischen Stoß in Verformung und Wärme umgesetzten Energie D
lautet der Energieerhaltungssatz:
(2)
1 2 1
mv = ( M + m)u 2 + D
2
2
Frage 2:
- Wie sähen Impuls- und Energieerhaltungssatz im Falle eines elastischen Stoßes aus?
Aus Gleichung (1) kann die gesuchte Geschwindigkeit v ermittelt werden, wenn M, m und u bekannt sind.
M und m lassen sich durch einfache Wägung ermitteln. Um u zu bestimmen, muss man eine möglichst
reibungsarme Bewegung des Klotzes erreichen, etwa durch Verwendung einer Luftkissenbahn. Wir wollen jedoch einen weniger aufwändigen Weg gehen: Der Klotz wird an einem langen Faden der Länge l
aufgehängt, so dass er nach dem Stoß Pendelbewegungen ausführt (Abb. 1). Vernachlässigen wir
Reibungseffekte, so ist die maximale kinetische Energie des Klotzes gleich seiner maximalen potentiellen
Energie, also:
a/2
l
h
a/2
M
u
v
m
s
Abb. 1: Zentraler Stoß zwischen einer Kugel (rot) der Masse m und Geschwindigkeit v und einem
Pendelkörper (beige) der Masse M, der nach dem Stoß die Ruhelage mit der Geschwindigkeit u
verlässt. Übrige Bezeichnungen siehe Text.
(3)
1
( M + m)u 2 =( M + m) gh
2
Dabei ist u die Geschwindigkeit, mit der der Klotz die Ruhelage verlässt, h die maximale vertikale Auslenkung des Klotzes aus der Ruhelage und g die Erdbeschleunigung.
Für kleine Pendelausschläge um den Winkel a ist tana ≈ a und es gilt gem. Abb. 1:
177
(4)
a h a
tan =
≈
2 s 2
wobei s die maximale horizontale Auslenkung des Körpers aus der Ruhelage ist. Für l >> s gilt ferner:
(5)
s
l
α≈
Setzen wir Gl. (4) und Gl. (5) in Gl. (3) ein, so erhalten wir:
(6)
u2 ≈
g 2
s
l
Für die Schwingungsdauer T des Pendels benutzen wir den für kleine Auslenkungswinkel a geltenden
Zusammenhang:
(7)
T = 2π
l
g
Lösen wir Gl. (7) nach g/l auf und setzen das Ergebnis in Gl. (6) ein, so erhalten wir:
(8)
u≈
2π
s
T
Schließlich setzen wir Gl. (8) in Gl. (1) ein und erhalten die gesuchte Beziehung zur Bestimmung der
Geschwindigkeit v aus den Messgrößen m, M, s und T:
M + m 2π
⋅
s
m
T
(9)
v≈
2.2
Versuchsdurchführung
Zubehör:
Luftgewehr in justierbarer Halterung, Schutzvorrichtung, Justierstab, Luftgewehrkugeln, bifilar aufgehängter Pendelkörper, U-Schiene mit Skalierung und verschiebbarem Stäbchen zur Messung des horizontalen Pendelausschlags, Stativ, Stoppuhr, Laborwaage, Folie, Tesafilm, doppelseitiges Klebeband.
 Bei diesem Versuch muss mit größter Vorsicht gearbeitet werden. Immer darauf achten, dass niemand
in die Schussbahn gerät! Bei geöffnetem Gewehr niemals den Abzug betätigen! Vor Auslösung des
ersten Schusses BetreuerIn informieren!
Zunächst werden die mittlere Kugelmasse m aus der Wägung von 10 Kugeln und die Masse M des Pendelkörpers bestimmt.
Anschließend wird das Gewehr mit Hilfe eines in den Lauf einschiebbaren Justierstabes so ausgerichtet,
dass die Kugeln den Pendelkörper in der Mitte treffen. Nur dann ist ein zentraler Stoß gewährleistet.
Andernfalls würde der Pendelkörper zusätzliche Dreh- und Kippbewegungen ausführen und Gl. (9) würde
nicht mehr gelten. Die Gewehrmündung soll ca. 15 cm Abstand vom ruhenden Pendelkörper haben. Auf
der gegenüberliegenden Pendelkörperseite wird ebenfalls mittig eine U-Schiene mit verschiebbarem
Stäbchen zur Messung des Maximalausschlags s angebracht. Die Schiene wird so montiert, dass Pendelausschläge von bis zu 10 cm gemessen werden können. Nun wird 15-mal geschossen und jeweils der
Maximalausschlag s inkl. Größtfehler ∆s sowie die Schwingungsdauer T gemessen. T wird mit der
178
Stoppuhr als Mittelwert über je 10 Schwingungsperioden ermittelt, der Größtfehler ∆T wird aus der
Genauigkeit der Zeitmessung (Drücken der Stoppuhr) abgeschätzt.
Bei dem beschriebenen Vorgehen nähme die Masse M des Pendelkörpers bei jedem Schuss um m zu, wir
hätten es also bei jedem Schuss mit anderen Versuchsbedingungen zu tun. Wir werden dies dadurch
umgehen, dass wir die noch nicht verschossenen Kugeln jeweils auf den Pendelkörper auflegen (Fixierung mit doppelseitigem Klebeband symmetrisch um die Mittenachse) und somit die Masse des Pendelkörpers konstant halten. Gl. (9) lautet dann:
(10)
v≈
M + 15 m 2π
⋅
s
m
T
Nach Gl. (7) würde es prinzipiell reichen, T einmal zu messen, da l sich von Schuss zu Schuss nicht
ändert. Um mögliche Fehler, z.B. durch falsche Zählung der Schwingungsperioden u.a. zu vermeiden,
soll T dennoch bei jedem Schuss bestimmt werden.
Für jeden Schuss (Nr. i) wird die Geschwindigkeit vi inkl. Größtfehler ∆vi berechnet. vi wird mit Fehlerbalken über i aufgetragen. Der Mittelwert v und seine Standardabweichung werden berechnet und in
Form horizontaler Linien mit in das Diagramm eingetragen.
Abschließend werden die kinetischen Energien vor und nach dem Stoß berechnet (Gl. (2)). Für v wird der
Mittelwert v verwendet. u wird mit Gl. (8) bestimmt, wobei für s und T die Mittelwerte aus den
Einzelwerten si und Ti eingesetzt werden.
Frage 3:
- Wie lässt sich das Ergebnis mit Hilfe von Gl. (2) interpretieren? Um was für einen Stoß handelt es sich
demnach?
3
Versuch II: Schiefe elastische Stöße auf einem Luftkissentisch
Nachdem wir uns im ersten Versuch mit zentralen Stößen beschäftigt haben, bei denen die stoßenden
Körper in direkten mechanischen Kontakt getreten sind, wollen wir nun schiefe elastische Stöße unter
dem Einfluss von magnetischen Wechselwirkungskräften betrachten, bei denen die Körper sich nicht
berühren. Berührungslose Stöße zwischen Teilchen unter dem Einfluss von Wechselwirkungskräften
spielen in der Atom-, Kern- und Teilchenphysik eine große Rolle. Wir wollen sie auf einem Luftkissentisch simulieren.
3.1
Theorie
Wir betrachten gem. Abb. 2 vom Ursprung eines ruhenden Koordinatensystems XY aus zwei Körper mit
den Massen m1 und m2, die sich mit den Geschwindigkeiten v1 und v2 unter beliebigem Winkel aufeinander zubewegen (schiefer Stoß, dadurch gekennzeichnet, dass sich die Schwerpunkte der beiden Körper
nicht längs einer gemeinsamen Linie bewegen).
Der Impuls- und der Energieerhaltungssatz lassen sich im Koordinatensystem XY recht einfach hinschreiben. Sollen jedoch zusätzlich Aussagen über Streuwinkel (s.u.) gemacht werden, wird die Rechnung
deutlich einfacher, wenn man in ein Koordinatensystem XsYs übergeht, dessen Ursprung im gemeinsamen
Schwerpunkt S der beiden Körper liegt. Ein solches Koordinatensystem heißt Schwerpunktsystem. Der
Index „ s “ wird im Folgenden für alle Größen im Schwerpunktsystem verwendet.
Vom Koordinatensystem XY aus betrachtet bewegt sich der Schwerpunkt S und damit das Koordinatensystem XsYs mit der Geschwindigkeit:
179
(11)
u=
m1 v1 + m2 v 2
m1 + m2
Hat ein Körper im Schwerpunktsystem XsYs die Geschwindigkeit vs, so lässt sich seine Geschwindigkeit v
im Koordinatensystem XY durch einfache Vektoraddition berechnen:
(12)
=
v vs + u
und damit:
(13)
v s= v − u
Von XsYs aus betrachtet haben m1 und m2 vor dem Stoß folgende Geschwindigkeiten:
m2
m1 + m2
(14)
v s 1 = v1 − u = ( v1 − v 2 )
(15)
v s 2 =v 2 − u =− ( v1 − v 2 )
m1
m1 + m2
Die Geschwindigkeiten sind also im Schwerpunktsystem immer entgegengesetzt gerichtet.
y
ys
v1
u
m1
v2
S
m2
xs
x
Abb. 2: Schiefer Stoß der Massen m1 und m2 im Koordinatensystem XY. Übrige Bezeichnungen siehe
Text.
Durch Multiplikation der Geschwindigkeiten mit den Massen erhalten wir aus Gl. (14) und (15) für die
Impulse vor dem Stoß im Schwerpunktsystem:
(16)
(17)
=
p s 1 µ ( v1 − v 2 )
− µ ( v1 − v 2 )
ps2 =
wobei wir der Einfachheit halber die reduzierte Masse µ eingeführt haben:
180
(18)
m=
m1m2
m1 + m2
Die Impulse sind im Schwerpunktsystem demnach ebenfalls immer entgegengesetzt gerichtet und darüber
hinaus betragsmäßig gleich (Abb. 3). Es gilt:
(19)
ps 1 = ps 2
oder in anderer Schreibweise
ps 1 = ps 2
Aus Gl. (16), (17) und (19) folgt:
(20)
ps 1 + ps 2 =
0
Aus Gründen der Impulserhaltung muss Gl. (20) auch nach dem Stoß gelten (wir werden im folgenden
den Hochindex „´“ für alle Größen nach dem Stoß benutzen). Damit folgt:
(21)
p′s 1 + p′s 2 =
0
bzw.
(22)
p′s 1 = p′s 2
oder in anderer Schreibweise
ps′ 1 = ps′ 2
ys
ps1
p's2
xs
p's1
ps2
Abb. 3: Impulsverlauf beim elastischen Stoß zweier Körper im Schwerpunktsystem XsYs. Die Impulse
vor dem Stoß (grün) und nach dem Stoß (rot) sind paarweise entgegengesetzt gerichtet und von
gleichem Betrag.
Betrachten wir nun den elastischen Stoß. Er ist durch die Erhaltung der kinetischen Energie gekennzeichnet:
(23)
1
1
1
1
m1vs 12 + m2vs 2 2 = m1vs′ 12 + m2vs′ 2 2
2
2
2
2
Gl. (23) lässt sich mit den Beträgen der Impulse auch in dieser Form schreiben:
(24)
p s 12
m1
+
ps 2 2
m2
=
ps′ 12
m1
+
ps′ 2 2
m2
181
Setzen wir Gl. (19) und (22) in Gl. (24) ein, so sehen wir, dass in diesem Fall zusätzlich die Impulsbeträge im Schwerpunktsystem vor und nach dem Stoß gleich sein müssen:
(25)
′
p=
p=
p=
ps′ 2
s1
s2
s1
Das wiederum bedeutet für die Beträge der Geschwindigkeiten:
′
(26)
=
vs 1 v=
vs 2 vs′ 2
s1
Der Streuwinkel θ ist per Definition der Winkel zwischen dem Impulsvektor (oder Geschwindigkeitsvektor) eines Körpers vor und nach dem Stoß. In unserem Falle gilt im Schwerpunktsystem für θs gemäß
Abb. 4:
θs
sin
(27) =
2
v 's 1 − v s 1
=
2 v 's 1
v 's 2 − v s 2
2 v 's 2
Diese Gleichung darf nicht in dem Sinne missverstanden werden, dass mit ihr a priori eine Berechnung
des Streuwinkels θs möglich wäre. Das würde die Kenntnis der Richtung der Impulse bzw. Geschwindigkeiten nach dem Stoß voraussetzen. Diese Richtung ist jedoch z.B. von der genauen Form der Körper
und ihrer Lage beim Stoß abhängig und daher i. Allg. nicht exakt vorhersehbar. (Das heißt nicht, dass es
nicht eine Reihe von idealisierten Spezialfällen gibt, in denen eine Berechnung möglich ist.)
p'1
θ
vs1
p1
θs
v's1
φ
θ s/2
v's1
p'2
vs1
Abb. 4: Zur Definition des Streuwinkels θs
zwischen den Geschwin-digkeitsvektoren vor (grün) und nach (rot)
dem Stoß im Schwerpunktsystem.
Abb. 5: Zur Definition der Streuwinkel θ und φ
der Impulsvektoren vor (grün) und nach
(rot) dem Stoß im XY-Koordi-natensystem (Sonderfall p2 = 0).
Die Berechnung des Streuwinkels θ im Koordinatensystem XY ist wesentlich komplizierter. Wir wollen
uns auf den einfachen Spezialfall des schiefen, elastischen Stoßes beschränken, bei dem der eine Körper
vor dem Stoß in Ruhe ist (v2 = 0; s. Abb. 5). Der Impulserhaltungssatz liefert dann:
(28)
p=
p1′ + p′2
1
bzw.
′2 p1 − p1′
p=
Bilden wir das Quadrat vom rechten Term in Gl. (28), so erhalten wir
(29)
p2′ = ( p1 − p1′ ) = p1 + p1′ − 2 p1 p1′ cos θ
und damit
2
2
2
2
182
p + p1′ − p2′
θ = arccos 1
2 p1 p1′
2
(30)
2
2
Abschließend betrachten wir im Koordinatensystem XY den Winkel φ zwischen den Geschwindigkeitsoder Impulsvektoren der beiden Körper nach dem Stoß für den Fall v2 = 0 und zusätzlich m1 = m2. Für die
Impulserhaltung gilt wieder Gl. (28):
(31)
p=
p1′ + p′2
1
und damit
(32)
p12 = ( p1′ + p′2 ) = p1′2 + p2′ 2 + 2p1′p′2
2
Aus dem Energieerhaltungssatz folgt in diesem Fall für den elastischen Stoß:
(33)
p=
p1′ + p2′
1
2
2
2
Gl. (32) und (33) zusammen ergeben die Bedingung
(34)=
2 p1′p′2 2=
p1′ p2′ cos φ 0
Diese Gleichung ist für φ = 90° erfüllt. Die Geschwindigkeits- bzw. Impulsvektoren der beiden Körper
nach dem Stoß stehen in diesem Fall (m1 = m2, v2 = 0) also senkrecht aufeinander.
3.2
Versuchsdurchführung
Zubehör:
Luftkissentisch mit Zubehör (Gebläse, Pucks), Stroboskoplampe, Fotodetektor, Digital-Oszilloskop
TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, Digital-Kamera NIKON D90, Kabelauslöser für
Digital-Kamera, PC mit Bildverarbeitungs-Software Photoshop, Stativmaterial, Wasserwaage,
Laborwaage, Becherglas, Metallmaßband
Achtung:
Die Pucks dürfen auf dem Tisch grundsätzlich nur bei eingeschalteter Luftzufuhr bewegt werden! Vor
Versuchsbeginn wurde der Luftkissentisch durch die technische Assistenz so ausgerichtet, dass aufgesetzte Pucks in dem Bereich, in dem gemessen werden soll, keine Beschleunigung erfahren.
Auf einem Luftkissentisch, auf dem spezielle Pucks sich nahezu reibungsfrei bewegen können, wollen
wir den schiefen, elastischen Stoß zwischen zwei sich abstoßenden, magnetischen Pucks untersuchen, und
zwar
a) für den Fall m1 ≈ m2, v2 ≈ 0 und
b) für den Fall m1 ≠ m2, v1 ≠ 0, v2 ≠ 0
Um die Bahn der Pucks verfolgen und später quantitativ auswerten zu können, wird der Versuchsablauf
unter Stroboskopbeleuchtung mit einer Digital-Kamera fotografiert. Abb. 6 zeigt ein Beispiel. Aus
räumlichen Gründen muss die Aufnahme über einen Spiegel erfolgen. Hierdurch kommt es zu Verzerrungen bei der Abbildung, die später korrigiert werden.
183
Abb. 6: Beispiel der Aufnahme von Puckbewegungen auf dem Luftkissentisch unter
Stroboskopbeleuchtung für den Fall b). Links sind die Hände der Person zu erkennen, die die
Pucks gestartet hat.
Die Kamera wird wie folgt eingestellt:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
Kleiner Drehschalter: ON
Großer Drehschalter: M (manueller Modus)
Schiebeschalter am Objektiv: M (manueller Modus)
Belichtungszeit: Bulb (Belichtung erfolgt so lange, wie der Auslöser gedrückt wird)
Blende: ca. F5.6
Empfindlichkeit: ISO 400
Bildgröße: M (3216 x 2136 Pixel)
Bildqualität: Fine
Vergrößerung (Zoom): großer Drehring am Objektiv auf 18 (Minimum)
Scharfstellung: kleiner Drehring am Objektiv
Die Einstellungen 2 - 10 wurden vor Versuchsbeginn von der technischen Assistenz vorgenommen. Sie
dürfen nicht verändert werden.
Die Stroboskoplampe wird auf die weiße Wand hinter dem Luftkissentisch gerichtet, so dass der Tisch
durch das diffus gestreute Licht indirekt beleuchtet wird. Im Sucher der Kamera soll der Tisch möglichst
gleichmäßig ausgeleuchtet erscheinen. Gegebenenfalls muss dazu die Ausrichtung der Stroboskoplampe
verändert werden.
Die Frequenz der Stroboskoplampe muss dem Versuchsablauf derart angepasst werden, dass die verschiedenen Puckpositionen auf dem Kamerabild später deutlich zu unterscheiden sind. Sie wird mit Hilfe
eines Fotodetektors und eines Digital-Oszilloskops gemessen, da sie für die quantitative Auswertung der
Versuchsdaten benötigt wird. Die Massen der Pucks werden auf der Laborwaage gewogen (großes
Becherglas unterstellen, da die Magnetfelder der Pucks andernfalls die Waage beeinflussen!).
Die Pucks werden per Hand gestartet; im Fall a) muss der zweite Puck bis zum Start des ersten Pucks
gegebenenfalls vorsichtig festgehalten werden. Zur Aufzeichnung der Puckbahnen wird der Kabelauslöser der Kamera gedrückt und festgehalten. Ca. 1 s später (Auslöseverzögerung der Kamera) werden die
Pucks gestartet. Der Kabelauslöser wird wieder losgelassen, kurz bevor die Pucks die Tischränder erreichen.
Für den Fall a) und b) soll je eine gelungene Aufnahme quantitativ ausgewertet werden. Dazu wird die
Kamera über ein USB-Kabel mit dem PC verbunden. Die Bilder sind anschließend unter NIKON
D90\DCIM\... zu finden und werden von dort in das persönliche Verzeichnis O:\GPRxx\Name übertragen. Anschließend werden sie von der Kamera gelöscht.
Vor der weiteren Auswertung müssen die Bilder zunächst entzerrt werden (s.o.). Dies geschieht mit Hilfe
des Matlab-Skriptes GPRTools, dort Option Equalize Image. Anschließend werden die x/yKoordinaten der Puckpositionen auf den Bildern z.B. mit dem Programm Photoshop ermittelt: im
Fenster Navigator des Programms (gegebenenfalls öffnen mit → Fenster → Navigator) werden unter
184
Info die aktuellen Koordinaten des Mauszeigers in Bildschirmeinheiten (Pixel-Nummern) angezeigt 2.
Alternativ kann auch das Programm Microsoft Photo Editor genutzt werden, bei dem die Pixelkoordinaten in der unteren Statuszeile angezeigt werden.
Mit Hilfe des Abbildungsmaßstabs M,
=
M
(35)
Bildgröße
Pixel
=
; [M ]
Objektgröße
m
lassen sich die Bildschirmkoordinaten (in Pixeln) in Tischkoordinaten (in m) umrechnen. Zur Bestimmung von M wird der Durchmesser eines Pucks mit dem Messschieber gemessen und auf dem Bild in
Pixeln ermittelt.
Für die Auswertung der Experimente sollen die Impulsvektoren der Pucks als Spaltenvektoren vor und
nach dem Stoß angegeben werden, also in der Form:
(36)
 px 
p= 
 py 
Zusätzlich soll ein Vektordiagramm angelegt werden, in das die Impulse vor und nach dem Stoß sowie
ihre Summen eingezeichnet werden (siehe Anhang, Kap. 4).
Um die Auswertung nicht zu aufwändig zu machen, kann hier auf eine Fehlerrechnung verzichtet werden.
Es reicht eine plausible Abschätzung der Größtfehler für die einzelnen Impulskomponenten.
Anhand eines Beispiels wollen wir zeigen, dass die Versuchsauswertung mit Hilfe des Programms Matlab sehr einfach ist. Nehmen wir an, die Mitte von Puck 1 (Masse m1 = 0,2 kg) habe vor dem Stoß zur
Zeit t die Bildschirmkoordinaten x11 = 210, y11 = 320 (s. Abb. 7). n Stroboskopblitze später, also zur Zeit
t + nT (T: Periodendauer des Stroboskops, hier sei T = 0,1 s und n = 1) seien die Koordinaten des Mittelpunktes von Puck 1 x12 = 345, y12 = 275. Eine Länge von l = 0,1 m auf dem Tisch möge einer Anzahl von
L = 350 Pixeln entsprechen. Der Abbildungsmaßstab ist demnach:
M=
L 350 Pixel
=
l
0,1 m
In Matlab wird ein neues M-File geöffnet. Zunächst werden dort die Versuchsparameter in SI-Einheiten
eingegeben (Erinnerung: das Semikolon am Ende der Zeile verhindert die Ausgabe im CommandWindow von Matlab):
T = 0.1;
n = 1;
m1 = 0.2;
M = 350/0.1;
x11 = 210;
y11 = 320;
x12 = 345;
y12 = 275;
2
Sollte die Anzeige nicht in Pixelnummern erfolgen, muss wie folgt vorgegangen werden. Mauszeiger im Navigator-Fenster auf Navigator → rechte Maustaste → Bedienfeldvoreinstellungen → Maßeinheiten und Lineale →
Maßeinheiten Lineale → Pixel → OK.
185
y
Pos. 1
y11
Pos. 2
y12
r11
r12
x11
x12
x
Abb. 7: Definition von Größen zur Kennzeichnung der Position von Puck 1 zum Zeitpunkt t (Pos. 1)
und zum Zeitpunkt t + nT (Pos. 2). r11 und r12 sind die Ortsvektoren zur Beschreibung der
Puckposition.
Nun berechnen wir die Ortsvektoren der beiden Positionen von Puck 1 vor dem Stoß. r11 ist der Ortsvektor zur Zeit t, r12 der Ortsvektor zur Zeit t + nT. Die Ortsvektoren geben wir als Spaltenvektoren an
(Matlab-Notation: [x-Komponente; y-Komponente]) und lassen sie auf dem Bildschirm ausgeben (deshalb kein Semikolon am Zeilenende):
r11 = [x11;y11]/M
r12 = [x12;y12]/M
Daraus ergibt sich der Impulsvektor p1 für Puck 1 vor dem Stoß ebenfalls als Spaltenvektor:
p1 = m1*(r12 - r11)/(n*T)
In Zahlen ergibt sich für das genannte Beispiel:
 0,0771 
-1
p1 = 
 kg m s
-0,0257


Analog lassen sich der Impuls von Puck 2 vor dem Stoß (p2) und die Impulse beider Pucks nach dem Stoß
(p1’ und p2’) berechnen (in Matlab schreiben wir z. B. p1s für p1’, wobei „s“ für „Strich“ steht).
Daraus ergeben sich die Gesamtimpulse vor und nach dem Stoß (p und p’):
p = p1 + p2
ps = p1s + p2s
und es lässt sich einfach überprüfen, ob die Impulsdifferenz ∆p null ist:
delta_p = p - ps
Um zu überprüfen, ob im Versuchsteil a) die Impulse p1’ und p2’ senkrecht aufeinander stehen, berechnet
man ihr Skalarprodukt (hier sk genannt) mit dem Matlab-Befehl dot:
sk = dot(p1s,p2s)
Für einen Winkel von φ = 90° zwischen beiden Vektoren muss sk = 0 sein. Weicht der Wert des Skalarproduktes von Null ab, lässt sich φ aus dem Wert für sk berechnen, denn es gilt bekanntlich für das
Skalarprodukt:
186
(37)
sk = p1' p '2 = p1' p '2 cos φ
und damit
(38)

sk
φ = arccos  ' '
 p1 p 2





Der Betrag eines Vektors (seine „Norm“) wird in Matlab mit der Funktion norm berechnet. Gl. (38) lautet daher in Matlab-Notation:
(38)
phi = acos(sk/(norm(p1s)*norm(p2s)))
Nachdem alle Eingaben getätigt wurden, wird das M-File gespeichert (z.B. unter dem Namen impuls.m
im Pfad O:\GPRxx\Mueller_Meier\Impulserhaltung\) und anschließend über das Matlab-CommandWindow mit dem Befehl run impuls gestartet. Alternativ lässt sich das Speichern und Starten auch
durch Klick auf das Symbol
(Save and Run) im Matlab-Editor-Fenster durchführen.
Frage 4:
- Ist der Impulserhaltungssatz jeweils erfüllt? Bleibt die kinetische Energie in beiden Fällen erhalten?
Wie lassen sich mögliche Abweichungen erklären?
- Der Streuwinkel φ wird nur für den Fall a) bestimmt. Wie groß ist er? Stimmt das Ergebnis mit den
theoretischen Erwartungen nach Gl. (34) überein? Falls nein - was könnten die Ursachen sein?
4
Anhang
2D-Vektordiagramme lassen sich mit Matlab mit Hilfe des Befehls quiver einfach zeichnen. Der
Befehl hat das Format quiver(a,b,u,v,s). Dabei sind a und b die Koordinaten des Startpunktes des
Vektors, u und v seine x- und y-Komponenten und s ein Skalierungsfaktor Abb. 8 zeigt als Beispiel ein
Matlab-Skript zur Erzeugung des Impulsdiagramms aus Abb. 9 mit den Vektoren p1 und p2 und deren
Summe p.
clear
close('all','hidden')
% Example: momenta before the collision
p1=[1;1.5];
% Nomenclature: [x-component;y-component]. Arbitrary units (a.u.)
p2=[-0.5;1];
p=p1+p2;
% Sum of momenta before the collision
figure
% Plot momentum p1 without scaling (s=0), colour blue ('b')
s=0;
quiver(0,0,p1(1),p1(2),s,'b')
axis([-3 3 -3 3]); axis square
% Set axis range and axis aspect ratio 1:1
hold on
% Plot momenta p2, p in the same diagram in black ('k') and red ('r')
quiver(p1(1),p1(2),p2(1),p2(2),s,'k')
quiver(0,0,p(1),p(2),s,'r')
hold off
set(gca,'FontName','times','FontSize',16)
% Set axis font and fontsize
grid on
xlabel ('{\itp_x} / a.u.');
ylabel ('{\itp_y} / a.u.');
legend('{\itp}_1','{\itp}_2','\itp')
Abb. 8: Matlab-Skript zur Erzeugung des Impulsdiagramms aus Abb. 9.
187
Abb. 9: Beispiel eines mit Matlab gezeichneten Vektordiagramms.
188
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Modul Grundpraktikum Physik – Teil I
Erzwungene mechanische Schwingungen
Stichworte:
HOOKEsches Gesetz, harmonische Schwingung, harmonischer Oszillator, Eigenfrequenz, gedämpfter
harmonischer Oszillator, Resonanz, Amplitudenresonanz, Energieresonanz, Resonanzkurven
Messprogramm:
Messung der Amplitudenresonanzkurve und der Phasenkurve für starke und schwache Dämpfung.
Literatur:
/1/ DEMTRÖDER, W.: „Experimentalphysik 1 – Mechanik und Wärme“, Springer-Verlag, Berlin u.a.
/2/ TIPLER, P. A.: „Physik“, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg u.a.
1
Einleitung
Ziel dieses Versuches ist es, an einem einfachen mechanischen Modell die Eigenschaften eines so
genannten „harmonischen Oszillators“ zu studieren. Solche harmonischen Oszillatoren werden uns in verschiedenen Teilgebieten der Physik wieder begegnen, so z.B. in der Elektrodynamik (siehe Versuch
„Elektromagnetischer Schwingkreis“) und der Atomphysik. Auf das Verständnis dieses Versuches, insbesondere die Bedeutung der Amplitudenresonanz- und Phasenkurven sollte daher größter Wert gelegt werden.
2
Theorie
2.1
Ungedämpfter harmonischer Oszillator
Wir betrachten eine Anordnung gem. Abb. 1, bei der eine Kugel der Masse mK vertikal (x-Richtung) an
einer Feder aufgehängt ist. Reibungseffekte seien zunächst vernachlässigt. In der Ruhelage der Kugel
herrscht Gleichgewicht zwischen der nach unten gerichteten Gewichtskraft und der nach oben gerichteten
rücktreibenden Federkraft; der Kugelmittelpunkt befinde sich dann in der Stellung x = 0. Eine Auslenkung der Kugel um x aus der Gleichgewichtslage führt zu einer zu x proportionalen rücktreibenden Federkraft FR, die x entgegen gerichtet ist:
(1)
FR − − x
Bezeichnen wir die Proportionalitätskonstante (Elastizitäts- oder Federkonstante oder Richtgröße) mit D,
so wird aus Gl. (1) das bekannte HOOKEsche Gesetz 1:
(2)
FR = − D x
Nach dem Auslenken und Loslassen der Kugel führt die rücktreibende Kraft zu einer Beschleunigung a
der Kugel. Nach dem zweiten NEWTONschen Gesetz
(3)
1
FR = mK a
ROBERT HOOKE (1635 – 1703)
189
folgt daher in Kombination mit Gl. (2):
(4)
mK a = mK
d2 x
= mK 
x= −D x
d t2
(t: Zeit)
wobei die drei linken Terme lediglich verschiedene Schreibweisen des Zusammenhangs Kraft = Masse ×
Beschleunigung darstellen.
Gl. (4) ist die wichtige Differentialgleichung (DGL, auch Bewegungsgleichung genannt), mit der alle
Systeme beschrieben werden können, die auf eine Auslenkung aus der Ruhe- oder Gleichgewichtslage
mit einer rücktreibenden Kraft reagieren, die proportional zur Größe der Auslenkung ist. Solche Systeme
werden uns in den verschiedenen Gebieten der Physik immer wieder begegnen.
-x
0
mk
+x
Abb. 1: Masse/Feder-System.
Uns interessiert, welche Bewegung die Kugel ausführt, wenn sie einmal aus der Ruhelage ausgelenkt und
losgelassen wird, wobei die Anfangsgeschwindigkeit v der Kugel zum Zeitpunkt des Loslassens null sein
möge. Wir suchen also die Funktion x(t), die eine Lösung der Differentialgleichung (4) unter der Bedingung v(t = 0) = 0 ist. Für die Funktion muss gelten, dass sie, bis auf Vorfaktoren, gleich ihrer zweiten
zeitlichen Ableitung sein muss. Wir versuchen deshalb die Lösung mit einer Funktion x(t), die eine so
genannte harmonische Schwingung (harmonische Oszillation) beschreibt:
(5) =
x ( t ) x0 cos (ω t + ϕ )
Dabei ist x0 die Amplitude, (ω t + ϕ) die Phase, ϕ die Anfangsphase und ω die Eigenkreisfrequenz der
Schwingung (vgl. Abb. 2). Durch Einsetzen von Gl. (5) in Gl. (4) und Ausführung der zweimaligen
Differentiation nach der Zeit t erhalten wir:
(6)
− mK ω 2 x0 cos (ω t + ϕ ) =
− D x0 cos (ω t + ϕ )
Daraus folgt der Wert für ω, für den Gl. (5) eine Lösung von Gl. (4) ist:
(7) =
ω
D
=: ω0
mK
Die Kugel führt demnach nach dem Loslassen Schwingungen mit der Eigenkreisfrequenz ω0 durch. Da
wir Reibungsfreiheit vorausgesetzt hatten, bleibt die Amplitude x0 der Schwingung konstant. Sowohl x0
als auch die Anfangsphase ϕ sind freie Parameter, die so gewählt werden müssen, dass Gl. (5) dem zu be-
190
schreibenden Vorgang „angepasst“ ist, d.h. dass Gl. (5) die beobachtete Bewegung mit richtiger Amplitude und Anfangsphase wiedergibt.
Gleichung (7) gilt nur für den Fall, dass die Masse der Feder, mF , gegenüber der Masse mK der Kugel
vernachlässigbar ist. Ist dies nicht der Fall, so müssen wir berücksichtigen, dass nach dem Auslenken und
Loslassen der Feder deren einzelne Massenelemente ebenfalls mitschwingen. Die Schwingungsamplitude
dieser Massenelemente ist jedoch unterschiedlich: sie nimmt vom Wert null am Aufhängepunkt der Feder
bis auf den Wert x0 am Ende der Feder zu. Eine genaue Rechnung 2 zeigt, dass das Mitschwingen der
einzelnen Massenelemente mit unterschiedlicher Amplitude gleichbedeutend ist mit dem Mitschwingen
eines Drittels der gesamten Federmasse mit der Amplitude x0. Die korrekte Gleichung für die Eigenkreisfrequenz der Feder lautet daher:
(8)
=
ω0
D
=:
1
mK + mF
3
D
m
1
mit =
m : mK + mF
3
Im durchzuführenden Versuch ist die Kugel nicht direkt an der Feder befestigt, sondern mit Hilfe einer
Stange S2, an der sich außerdem eine Reflektorplatte R befindet (Abb. 8). In diesem Fall muss mK in Gl.
(8) durch die Gesamtmasse
(9)
mG = mK + mS + mR
ersetzt werden, wobei mS und mR die Massen von S2 und R sind.
Ein Beispiel soll die dargestellten Zusammenhänge verdeutlichen. Wir betrachten gem. Abb. 1 eine Kugel
der Masse mK = 0,11 kg, die mit Stange und Reflektorplatte (mS + mR = 0,07 kg) an einer Feder mit der
Federkonstanten D = 28 kg/s2 und der Masse mF = 0,02 kg hängt. Die Kugel wird um eine Strecke
x0 = 0,05 m nach unten aus der Ruhelage ausgelenkt. Anschließend lassen wir die Kugel los, woraufhin
sie Schwingungen mit der Amplitude x0 und der Eigenfrequenz f0 = ω0/(2π) ≈ 1,9 Hz durchführt (Gl. (8)).
Beginnen wir mit der Aufzeichnung der Bewegung x(t) der Kugel zu einem Zeitpunkt, bei der die Kugel
gerade Ihren Maximalausschlag nach oben erreicht hat, so „beginnt“ der Cosinus gem. Gl. (5) bei einer
Anfangsphase von ϕ = π = 180° (Vorzeichenfestlegung von x in Abb. 1 beachten!). Diese Situation ist in
Abb. 2 dargestellt.
x (t)
x0
ϕ / ω0
T
t
Abb. 2: Zur Definition von Amplitude x0, Periodendauer T = 2π/ω0 und Anfangsphase ϕ einer harmonischen Schwingung. Zur Darstellung der Phase ϕ auf der t-Achse muss sie durch ω0 dividiert
werden.
2
Siehe z.B. ALONSO, M., FINN, E. J.: „Fundamental University Physics, Vol. 1: Mechanics“, Addison-Wesley
Publishing Company, Reading (Mass.) u.a.
191
Ein System wie die betrachtete Anordnung (auch Masse/Feder-System genannt), das harmonische
Schwingungen ausführt, heißt harmonischer Oszillator. Kennzeichen eines harmonischen Oszillators ist
eine zur Auslenkung proportionale rücktreibende Kraft, die auf eine typische Bewegungsgleichung der
Form (4) mit einer Lösung der Form (5) führt. Ebenso kennzeichnend für den harmonischen Oszillator ist
der parabolische Verlauf seiner potentiellen Energie Ep als Funktion des Ortes (Abb. 3):
(10)
Ep =
1
D x2
2
Ep
- x0
+ x0
x
Abb. 3: Verlauf der potentiellen Energie Ep als Funktion der Auslenkung x beim harmonischen Oszillator.
2.2
Gedämpfter harmonischer Oszillator
Wir betrachten nun den realistischeren Fall eines Masse/Feder-Systems unter dem Einfluss von Reibung.
Wir werden von dem einfachen Fall ausgehen, dass in dem System zusätzlich zur rücktreibenden Kraft
FR = -Dx eine zur Geschwindigkeit v proportionale Reibungskraft Fb wirkt, für die wir schreiben können:
(11)
Fb =
−bv =
−b
dx
dt
Dabei ist b eine Reibungskonstante, die die Stärke der Reibung angibt.
Frage 1:
- Welche Einheit hat b? Warum steht in Gl. (11) ein Minuszeichen?
In diesem Fall nimmt die Bewegungsgleichung (4) die Form an:
(12)
m
d2 x
dx
=
−D x − b
2
dt
dt
Üblicherweise wird diese Differentialgleichung in der Form:
(13)
d2 x b d x D
+
+ x=
0
d t2 m d t m
geschrieben. Auch hier interessiert uns wieder, welche Bewegung die Kugel durchführt, wenn sie einmal
aus der Ruhelage ausgelenkt und dann losgelassen wird, wobei die Anfangsgeschwindigkeit der Kugel
zum Zeitpunkt des Loslassens wieder Null sein möge. Wir suchen also wiederum die Funktion x(t), die
die Differentialgleichung (13) unter der Voraussetzung v(t = 0) = 0 löst. Da wir hier als Folge der Dämp-
192
fung eine mit der Zeit abnehmende Amplitude der Schwingung erwarten, versuchen wir einen Lösungsansatz, bei dem die Amplitude exponentiell mit der Zeit abfällt (vgl. Abb. 4):
(14)
=
x x0 e −α t cos (ω t + ϕ )
(α : Dämpfungskonstante)
x (t)
x0
e− α t
t
Abb. 4: Gedämpfte harmonische Schwingung.
Wir setzen Gl. (14) in Gl. (13) ein, führen die Differentiationen aus und finden, dass Gl. (14) dann eine
Lösung von Gl. (13) darstellt, wenn für die Parameter α und ω gilt:
(15)
α=
(16) =
ω
b
2m
und
ω0 2 − 
b 

 2m 
2
Wir wollen dieses Ergebnis nun interpretieren. Zunächst halten wir fest, dass die Amplitude der Schwingung umso schneller abfällt, je größer die Dämpfungskonstante (der Abklingkoeffizient) α ist. Bei gleich
bleibender Masse bedeutet das gem. Gl. (15), dass die Schwingung um so rascher an Amplitude verliert,
je größer die Reibungskonstante b ist - das ist plausibel.
Aus Gl. (16) können wir ablesen, wie sich die Kreisfrequenz ω dieser gedämpften harmonischen Schwingung mit der Reibungskonstanten b ändert. Wir betrachten folgende unterschiedliche Fälle:
(i) b = 0
→
ω = ω0
Im Falle verschwindender Reibung (b = 0) liegt der in Kap. 2.1 diskutierte Fall des ungedämpften
harmonischen Oszillators vor. Die Kugel führt eine periodische Schwingung mit der Eigenkreisfrequenz ω0 durch.
(ii) (b/(2m))2 = ω02
→
ω=0
Dies ist der Fall so genannter „kritischer Dämpfung“, bei dem die Kugel gerade keine periodische
Schwingung mehr durchführt, er heißt deshalb aperiodischer Grenzfall. Die Kugel kehrt lediglich
längs einer exponentiellen Bahn in ihre Ausgangslage zurück (s. Anmerkung).
193
(iii) (b/(2m))2 > ω02
→
ω imaginär
In diesem Fall so genannter „überkritischer Dämpfung“ gibt es ebenfalls keine periodische Schwingung, er heißt aperiodischer Fall oder Kriechfall. Die Kugel kehrt auch hier lediglich in ihre Ausgangslage zurück, allerdings mit zusätzlicher Dämpfung, d.h. langsamer (s. Anmerkung).
(iv) 0 < b < 2mω0
→
ω < ω0
Dieser allgemeinste Fall, der so genannte Schwingfall, führt zu einer periodischen Schwingung mit
einer Kreisfrequenz ω nach Gl. (16), die etwas kleiner ist als die Eigenkreisfrequenz ω0 des
ungedämpften harmonischen Oszillators.
Anmerkung:
Unter den hier diskutierten Bedingungen (v(t = 0) = 0) gibt es keinen wesentlichen Unterschied zwischen dem aperiodischen Grenzfall und dem aperiodischen Fall oder Kriechfall: In beiden Fällen
kehrt die Kugel längs einer exponentiellen Bahn in ihre Ausgangslage zurück; beim Kriechfall gibt es
lediglich eine höhere Dämpfung. Anders ist die Situation im Fall v(t = 0) ≠ 0. Lassen wir nämlich die
Kugel nicht einfach los, sondern geben wir ihr zusätzlich durch Anstoßen eine bestimmte Anfangsgeschwindigkeit, so ist es beim aperiodischen Grenzfall möglich, dass die Kugel einmal über ihre
Ruhelage hinweg schwingt und erst danach längs einer exponentiellen Bahn in die Ruhelage zurückkehrt. Beim Kriechfall dagegen findet ein solches Überschwingen nicht statt. Die Kugel kehrt hier
immer nur längs einer exponentiellen Bahn in ihre Ruhelage zurück. Eine detaillierte Rechnung
(Lösung der DGL (13) unter den Bedingungen (ii) und (iii)) bestätigt diese Zusammenhänge.
2.3
Erzwungene harmonische Schwingungen
In Kap. 2.1 und 2.2 haben wir jeweils betrachtet, wie sich die Kugel bewegt, wenn wir sie einmal aus der
Ruhelage auslenken und dann loslassen. Wir wollen jetzt untersuchen, welche Bewegung die Kugel
durchführt, wenn das System einer sich periodisch ändernden, externen Kraft Fe ausgesetzt ist (Abb. 5),
für die gelten möge:
(17)
Fe = F1 sin (ω1 t )
F1 ist die Amplitude der externen Kraft und ω1 ihre Kreisfrequenz. Das Vorzeichen wählen wir so, dass
nach unten gerichtete Kräfte positiv und nach oben gerichtete Kräfte negativ gezählt werden.
-x
0
m
Fe
+x
Abb. 5: Anregung eines Masse/Feder-Systems mit externer Kraft Fe. m ist die Masse gem. Gl. (8) und
(9).
Die externe Kraft Fe wirkt zusätzlich auf die Feder. Die Bewegungsgleichung nimmt daher die Form an
(s. Gl. (12) und (13)):
194
(18)
m
d2 x
dx
=
− D x−b
+ Fe
2
dt
dt
und damit
(19)
d2 x b d x D
1
+
+ x=
F1 sin (ω1 t )
2
m dt m
m
dt
Wir erwarten, dass die Bewegung der Kugel nach einer gewissen Einschwingzeit, d.h. nach Beendigung
des Einschwingvorgangs, mit der gleichen Frequenz erfolgt wie die Änderung der externen Kraft. Für
eine andere Frequenz gäbe es keine plausible Erklärung. Allerdings ist eine Phasenverschiebung φ zwischen der anregenden Kraft und der Auslenkung der Kugel denkbar. Schließlich können wir davon ausgehen, dass nach Beendigung des Einschwingvorgangs die Schwingungsamplitude konstant bleibt, da
dem System von außen immer wieder neue Energie zugeführt wird. Mit diesen Überlegungen versuchen
wir folgenden Lösungsansatz für die Differentialgleichung (19):
(20)
=
x x0 sin (ω 1 t + φ )
Dabei ist φ die Phasenverschiebung zwischen der Auslenkung x(t) und der externen Kraft Fe. Für φ < 0
hinkt die Auslenkung der anregenden Kraft hinterher. Durch Einsetzen von Gl. (20) in Gl. (19) finden
wir, dass Gl. (20) dann eine Lösung von Gl. (19) darstellt, wenn für die Amplitude x0 und die Phasenverschiebung φ gilt (Herleitung s. Anhang Kap. 4):
(21)
F1
m
x0 =
(ω
2
0
−ω1
)
2 2
ω b
+ 1 
 m 
2


 ω 02 − ω 12  π
φ arctan 
=
(22)
 −
 ω1b  2
m


Im Gegensatz zu den in Kap. 2.1 und 2.2 diskutierten Fällen sind die Amplitude x0 und die Phase φ hier
nicht mehr frei wählbare Parameter, sondern durch die Größen F1, ω1, m, b und ω02 = D / m eindeutig
bestimmt.
Aus Gleichung (21) sehen wir, dass die Amplitude der Kugelschwingung, die so genannte Resonanzamplitude, von der Frequenz der anregenden Kraft abhängt. Tragen wir x0 über ω1 auf, so erhalten wir die
so genannte Amplitudenresonanzkurve. Abb. 6 (oben) zeigt einige typische Amplitudenresonanzkurven
für unterschiedliche Werte der Reibungskonstanten b. Im stationären Fall, d.h. für ω1 = 0, ergibt sich aus
Gl. (21) die aus dem HOOKEschen Gesetz bekannte Amplitude
(23)
x0 (ω=
0=
) : x=
1
00
F1
D
Dies ist der Betrag, um den die Kugel ausgelenkt wird, wenn an ihr eine konstante Kraft F1 angreift. Setzt
man F1 aus Gl. (23) in Gl. (21) ein, so erhält man für die Resonanzamplitude x0:
195
(24)
x00 D
x0 =
m
(ω
2
0
−ω
)
2 2
1
ω b
+ 1 
 m 
2
Abb. 6: Amplitudenresonanzkurven (oben) und Phasenkurven (unten) für einen gedämpften harmonischen Oszillator (F1 = 0,1 N, m = 0,1 kg, D = 2 kg/s2, b in kg/s).
Die Lage des Maximums von x0 als Funktion von ω1 finden wir aus der Bedingung dx0/dω1 = 0. Aus Gl.
(24) folgt dann:
(25)
=
x0 x0,max
für
=
ω1
ω 02 −
b2
2m 2
Das Maximum der Amplitudenresonanzkurve liegt also außer im Fall b = 0 nicht bei der Eigenkreisfrequenz ω 0, sondern bei etwas kleineren Kreisfrequenzen ω 1 < ω 0.
Im unteren Teil von Abb. 6 sind die so genannten Phasenkurven dargestellt, die den Verlauf der Phasenverschiebung φ als Funktion der Kreisfrequenz ω1 angeben. Aus Gl. (22) folgt, dass φ immer negativ ist,
d.h. die Kugelauslenkung hinkt der anregenden Kraft außer im Fall ω1 = 0 immer hinterher.
Wir wollen nun noch einige Spezialfälle diskutieren:
196
(i) Im Falle ω1 << ω0 ist bei „nicht zu großem“ b die Amplitude x0 ≈ F1/D, d.h. unabhängig von b. Die
Amplitudenresonanzkurve verläuft dann im Bereich kleiner Anregungsfrequenzen annähernd horizontal und die Phasenverschiebung φ geht gegen 0: φ ≈ 0°. Die Kugelbewegung folgt also nahezu
direkt der anregenden Kraft.
(ii) Im Resonanzfall (ω1 gem. Gl. (25)) ist die Amplitude maximal und gegeben durch:
x0,max =
F1
b2
b ω −
4m 2
2
0
Je kleiner b, desto größer wird x0,max; für b → 0 geht x0,max → ∞. Die Kugelauslenkung hinkt in diesem Fall der anregenden Kraft um 90° hinterher (φ = - π/2).
(iii) Im Falle ω1 >> ω0 ist x0 ≈ F1/(mω12), die Amplitude sinkt also mit 1/ω12. Die Phasenverschiebung
beträgt in diesem Fall φ = - π, d.h. die Kugelauslenkung hinkt der anregenden Kraft um 180° hinterher.
Aus den Amplitudenresonanzkurven und den unter (i) - (iii) diskutierten Spezialfällen lässt sich das
Dämpfungsverhalten eines Masse-Feder-Systems ablesen, beispielsweise eines schwingungsisolierten
Tisches, wie er in optischen Präzisionsexperimenten häufig eingesetzt wird. Die Eigenfrequenzen solcher
Tische liegen typischerweise im Bereich um 1 Hz. Hat eine externe Störung (z.B. Gebäudeschwingung)
eine sehr niedrige Frequenzen (ω1 → 0), wird die Amplitude der Störung ungedämpft auf den Tisch
übertragen, in der Umgebung der Eigenkreisfrequenz (ω1 ≈ ω0) wird sie (ungewollt) verstärkt, aber im
Bereich höherer Frequenzen (ω1 >>ω0) wird sie stark gedämpft.
Abb. 7: Amplitudenresonanzkurven für verschiedene Massen m (in kg) bei gleichen übrigen Parametern
(F1 = 0,1 N, D = 2 kg/s2, b = 0,1 kg/s).
197
Durch Änderung der Masse m lässt sich das Dämpfungsverhalten eines solchen Systems beeinflussen.
Abb. 7 zeigt, dass durch eine Vergrößerung von m bei gleichen übrigen Parametern die Eigenkreisfrequenz erniedrigt und die Dämpfung für Frequenzen oberhalb der Eigenkreisfrequenz deutlich vergrößert
werden kann. Schwingungsisolierte Tische haben deshalb oftmals große Massen im Bereich 103 kg.
Abschließend wollen wir überlegen, bei welcher Frequenz der maximale Energieübertrag vom anregenden System auf das schwingende System stattfindet. Da wir wissen, dass maximale kinetische Energie
gleichbedeutend ist mit maximaler Geschwindigkeit, berechnen wir zunächst den zeitlichen Verlauf der
Geschwindigkeit v der Kugel unter Benutzung von Gl. (20):
(26)
v=
dx
= ω 1 x 0 cos (ω 1 t + φ ) := v 0 cos (ω 1 t + φ )
dt
Für die Geschwindigkeit v0 gilt demnach mit Gl. (24):
ω 1 x00 D
(27) =
v0 ω=
1 x0
m
(ω
2
1
−ω
)
2 2
0
ω b
+ 1 
 m 
2
und damit:
(28)
v0 =
x00 D
2

D
2
 m ω 1 −
 + b
ω1 

v0 wird maximal, wenn der Nenner aus Gl. (28) minimal wird, d.h. wenn gilt (für b ≠ 0):
(29)
m ω1 −
D
ω1
= 0
→
v 0 = v0,max
Daraus folgt:
(30)
ω1 =
D
=ω 0
m
→
v 0 =v0,max
Die Geschwindigkeit und damit auch die kinetische Energie wird demnach dann maximal (anders als die
Resonanzamplitude!), wenn das System mit seiner Eigenkreisfrequenz ω 0 angeregt wird. Man nennt
diesen Fall daher auch den Fall der Energieresonanz, bei dem das anregende System die maximale Energie auf das schwingende System übertragen kann.
Frage 2:
- Wie sieht der typische Verlauf von Energieresonanzkurven (~ v02 (ω1 ) ) aus? Zeichnen Sie mit Hilfe
von Matlab in einem Diagramm den prinzipiellen Verlauf von v02 (ω1 ) für die Fälle b ≈ 0, b = b1
und b = b2 (analog zu Abb. 6).
198
3
Versuchsdurchführung
Zubehör:
Feder (D = (22,7 ± 0,5) kg/s2, mF = (0,0575 ± 10-4) kg), Kugel an Aufhängestange mit Reflektorplatte
(mG auswiegen), Anregungssystem an Stativ mit Motor und Lichtschranke, elektronische Drehzahlregelung für Motor, Laserdistanzsensor (Typ BAUMER OADM 12U6460/S35, Messbereich
(16 - 120) mm), Netzteile (PHYWE (0 – 15 / 0 – 30) V) für Motor, Lichtschranke und Laserdistanzsensor, 2 Gläser mit unterschiedlicher Glycerin/Wassermischung (b ≈ 0,7 kg/s für die zähere
Mischung bei T = 20° C), Tisch zur Aufnahme der Gläser, Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012
/ 1012B / 2012C / TBS 1102B.
3.1
Beschreibung der Versuchsanordnung
Die Versuche werden an einer Anordnung gem. Abb. 8 durchgeführt. Sie ermöglicht die berührungslose
Messung von Amplitudenresonanzkurven und Phasenkurven. Wir wollen zunächst die Versuchsanordnung beschreiben, bevor in Kap. 3.2 die eigentlichen Messaufgaben dargestellt werden.
An einer Feder ist mit Hilfe einer Stange S2 eine Kugel K der Masse mK aufgehängt, die zur Dämpfung
ihrer Bewegung in einen Glasbehälter B eintaucht, der mit einer Glycerin/Wassermischung gefüllt ist. An
der Stange ist eine Reflektorscheibe R befestigt. Auf diese Scheibe trifft ein Laserstrahl aus einem Laserdistanzsensor LDS, dessen Funktionsweise aus dem Versuch „Sensoren…“ bekannt ist. Der Sensor liefert
ein Spannungssignal ULDS(t), das sich mit der Entfernung s zwischen LDS und R linear ändert.
Die Feder ist mit einer zweiten Stange S1, die in einer Stangenführung F läuft, über ein Gelenk G1 mit
einer Pleuelstange P verbunden, die wiederum über ein Gelenk G2 auf einer Drehscheibe D befestigt ist.
Mit einem Antriebsmotor kann die Scheibe mit der Kreisfrequenz ω 1 gedreht werden. Dadurch wird der
Aufhängepunkt der Feder in eine periodische Vertikalbewegung versetzt und somit auf die Feder eine
periodische Kraft Fe(t) ausgeübt. Nach Beendigung des Einschwingvorgangs führt die Kugel zusammen
mit S2 und R ebenfalls eine periodische Vertikalbewegung mit der Amplitude x0 aus. Der Laserdistanzsensor liefert dann ein periodisches Spannungssignal ULDS(t) mit der Amplitude U0 ~ x0 und einem
Gleichanteil UDC, der vom Abstand s zwischen LDS und R in der Ruhelage der Kugel abhängt. Die Periodendauer T von ULDS ist gegeben durch:
(31)
T=
2π
ω1
Durch Variation von ω1 lässt sich somit die Amplitudenresonanzkurve U0(ω1) messen, aus der mit Hilfe
des Kalibrierfaktors k des Laserdistanzsensors für Spannungsdifferenzen,
(32)
k = 0,0962 V/mm
die gesuchte Amplitudenresonanzkurve x0(ω1) gewonnen werden kann. k kann als fehlerfrei angenommen
werden.
Die Messung der Phasenkurve, d.h. der Phasenverschiebung φ zwischen der Anregungskraft Fe(t) und der
Auslenkung x(t) der Kugel als Funktion der Kreisfrequenz ω1 lässt sich folgendermaßen durchführen:
Mit Hilfe eines Markierungsstiftes M sowie der Lichtschranke LS, die von M unterbrochen wird, wird
immer dann ein Spannungsimpuls ULS(t) erzeugt, wenn der Aufhängepunkt der Feder seine oberste
Position erreicht hat (Zeitpunkt t1 in Abb. 9).
199
M
ω1
LS
G2
D
P
G1
S1
LDS
F
Feder
s
R
S2
B
K
Abb. 8: Skizze des verwendeten Versuchsaufbaus.
T
U
ULS
ULDS
t1
t2
t
Abb. 9: Zeitlicher Verlauf der Ausgangsspannungen der Lichtschranke LS (ULS) und des Laserdistanzsensors LDS (ULDS). Zeitpunkt t1: Aufhängepunkt der Feder in oberster Position, Anregungskraft Fe(t) minimal. Zeitpunkt t2: Kugel in oberster Position, x(t) und ULDS minimal.
200
Zu diesem Zeitpunkt hat die Anregungskraft Fe(t) = md2x/dt2 ihr Minimum (Vorzeichen gem. Abb. 5
beachten). Zu einem späteren Zeitpunkt t2 möge die Kugel (nicht der Aufhängepunkt der Feder!) ihre
oberste Position und damit die Auslenkung x(t) ihr Minimum (- x0) erreichen (auch hier Vorzeichen gem.
Abb. 5 beachten). In dieser Position ist die Entfernung s zwischen LDS und R und damit auch ULDS(t)
minimal. Die Phasenverschiebung φ zwischen Fe(t) und x(t) ist dann (s. Abb. 9):
(33)
φ=−
t 2 − t1
T
2π := −
∆t
2π = − ∆t ω1
T
Durch Variation von ω1 lässt sich somit die Phasenkurve φ (ω1) messen.
In der Praxis werden für jede eingestellte Kreisfrequenz ω1 mit Hilfe eines Oszilloskops gleichzeitig die
Amplitude U0(ω1) und die Zeitdifferenz ∆t(ω1) gemessen.
Abschließend noch eine Anmerkung zum zeitlichen Verlauf der Anregungskraft Fe(t). Offensichtlich entspricht dieser bis auf eine konstante Phasenverschiebung dem zeitlichen Verlauf der vertikalen Bewegung
des Gelenkes G1, d.h. des Aufhängepunktes der Feder. Diese Bewegung wollen wir durch die Größe y(t)
beschreiben (Abb. 10).
ω1
r
θ
l
D
y
y
G1
S1
Abb. 10: Definition von Größen zur Berechnung der Bewegung des Gelenkes G1 (vgl. Abb. 8).
Ist die Pleuelstange der Länge l im Abstand r von der Drehachse auf der Scheibe montiert, so gilt:
(34)=
y r cos θ + l cosy
und
(35)
r sin θ = l sinψψ
→ sin =
r
sin θ
l
Mit
(36)
r2 2
cosψψ
=−
1 sin
=−
1 2 sin θ
l
2
und
(37)
θ = ω1 t
201
folgt schließlich:
(
)
(
y r cos ω 1 t + l 2 − r 2 sin 2 ω 1 t
(38)=
)
Der rein harmonischen Bewegung (r cos(ω 1 t)) ist also noch eine Störung (Wurzelterm in Gl. (38))
überlagert, die leider auch zeitabhängig ist und damit die Bewegung anharmonisch macht. Die Anregungskraft Fe(t) verläuft also ebenfalls nicht rein harmonisch. Wählen wir jedoch l >> r, so wird
l2 >> r2sin2(ω 1 t) und damit √(...) ≈ l. Wir haben es dann statt mit einer zeitabhängigen Störung nur noch
mit der additiven Konstanten l zu tun, die die „Harmonie“ jedoch nicht mehr stört.
3.2
Amplitudenresonanzkurve und Phasenkurve für starke und schwache Dämpfung
Mit der Anordnung gem. Abb. 8 soll für eine Kugel mit Haltestange S1 und Reflektorplatte R und eine
Feder mit bekannten D und mF (Daten siehe Zubehör) für zwei verschieden große Dämpfungen (Gläser
mit unterschiedlichen Glyzerin/Wassergemischen) jeweils die Amplitudenresonanzkurve x0(ω 1) und die
Phasenkurve φ(ω 1) im Frequenzbereich f1 = ω 1/2π zwischen 0 Hz und ca. 5 Hz gemessen werden.
Die Pleuelstange P des Anregungssystems wird im zweiten Loch von innen auf der Scheibe angebracht
Die anharmonische Störung gem. Gl. (38) kann in diesem Fall vernachlässigt werden.
Die Ausgangssignale der Lichtschranke (ULS) und des Laserdistanzsensors (ULDS) werden auf einem
Digital-Oszilloskop dargestellt, das auf das Signal ULS getriggert wird. Die Periodendauer T von ULS und
der Spitze-Spitze-Wert (USS = 2 U0) von ULDS werden mit Hilfe der Funktion MESSUNG / MEASURE am
Oszilloskop ermittelt. Aus diesen Größen können die Kreisfrequenz ω1 und die Amplitude U0 bzw. x0
bestimmt werden.
Mit Hilfe der ZEIT-CURSOR wird die Zeitdifferenz ∆t = t2 – t1 gemessen (s. Abb. 9), aus der die
Phasenverschiebung φ gem. Gl. (33) berechnet werden kann.
Hinweis:
Um einen möglichst gleichmäßigen Lauf der Kreisscheibe zu erreichen, muss die Drehscheibe gegen
den Uhrzeigersinn laufen. Aus dem gleichen Grund muss zur Einstellung der Motordrehzahl im Frequenzbereich zwischen 0 Hz und ca. 1,5 Hz ein elektronischer Drehzahlregler (Betriebsspannung
12 V) benutzt werden, der zwischen Netzgerät und Motor geschaltet wird. Bei Frequenzen über 1,5 Hz
kann der Motor direkt an das Netzgerät angeschlossen und die Drehzahl über die Betriebsspannung
geregelt werden (Spannung langsam von 0 V auf max. 12 V erhöhen).
Für beide Glycerin/Wassergemische wird für möglichst viele (mindestens 20) verschiedene Werte von
ω 1, insbesondere in der Nähe der Resonanzfrequenz, jeweils nach Beendigung des Einschwingvorgangs
die Periodendauer T, die Amplitude U0 (ω 1) und die Zeitdifferenz ∆t gemessen.
Die Amplitude U0 für den Fall ω 1 → 0 wird bestimmt, indem die Motorachse bei ausgeschaltetem Motor
per Hand in die Positionen „Pleuelstange oben“ und „Pleuelstange unten“ gedreht und jeweils die zugehörige Spannung ULDS gemessen wird.
Für beide Gemische wird x0 über ω1 in einem Diagramm und φ über ω1 ebenfalls in einem Diagramm
aufgetragen. Die Größtfehler von x0 und φ werden in Form von Fehlerbalken mit eingezeichnet (Fehler
aus den Schwankungen der Werte für USS und T am Oszilloskop abschätzen). Danach werden „frei Hand“
Ausgleichskurven durch die Messwerte gezeichnet und die Form der Kurven mit den theoretischen Erwartungen verglichen.
202
Anmerkung:
In der Nähe der Eigenkreisfrequenz kann die Messung bei kleiner Dämpfung schwierig werden, weil
sich große Amplituden einstellen und die Feder (möglicherweise auch das Stativ) in unkontrollierte
Bewegung gerät oder die Kugel gar auf dem Boden des Becherglases aufschlägt. In diesem Fall muss
das System von Hand gedämpft und rasch zum nächsten Frequenzwert übergegangen werden.
4
Anhang: Berechnung der Resonanzamplitude und der Phasenverschiebung
Wir wollen zeigen, dass die Resonanzamplitude x0 und die Phasenverschiebung φ mit wenigen einfachen
Rechenschritten berechnet werden kann, wenn wir zur komplexen Schreibweise übergehen. Gl.(19) lautet
in komplexer Schreibweise:
(39)
d2 x b d x D
1
iω t
+
+ x=
F1 e 1
2
m dt m
m
dt
Analog zu Gl. (20) wählen wir als komplexen Lösungsansatz:
i (ω 1 t + φ )
iω t
=
x x=
x0 e 1 ei φ
(40)
0 e
Einsetzen von Gl. (40) in Gl. (39) ergibt nach Ausführen der Differentiation und Division durch e
(41)
−ω
2
1
x0 ei φ + i ω 1
iω1 t
:
b
D
F1
x0 ei φ + x0 ei φ =
m
m
m
Mit der Definition der Eigenkreisfrequenz ω 0 gem. Gl. (8) folgt daraus:
F1
m
(42)
: z
=
x0 ei φ =
b
2
2
ω 0 − ω 1 + iω 1
m
Wie bereits im Versuch „Messung von Kapazitäten…“ dargestellt, ist Gl. (42) eine Darstellungsform einer
komplexen Zahl z, deren Betrag |z| = x 0 durch z z * gegeben ist, wobei z* die zu z konjugiert komplexe
Zahl ist. Damit folgt:
(43) =
x0
=
z z∗



ω

F1
m
2
0
−ω
2
1


b 
+ iω 1   ω
m 
F1
m
2
0
−ω
2
1


b
− iω 1 
m
woraus sich durch einfaches Ausmultiplizieren Gl. (21) ergibt.
Für die Berechnung des Phasenwinkels benutzen wir wiederum (vgl. Versuch „Messung von Kapazitäten…“) die zweite Darstellungsform komplexer Zahlen, nämlich z = α + iβ, wobei α der Realteil und β
der Imaginärteil von z ist. Aus diesen Größen lässt sich der Phasenwinkel φ bekanntlich berechnen als
(44)
β
a
φ = arctan 
 + π
 − π

⇔
⇔
a < 0 ∧ β ≥ 0

a < 0 ∧ β < 0
203
Um Gl. (42) in die Form α + iβ zu bringen, erweitern wir den Bruch mit dem konjugiert komplexen Nenner:
(45)
x0 ei φ
F1  2
b
2
F1
F
b
ω 02 − ω 12 ) − i 1 ω 1
 ω 0 − ω 1 − iω 1 
(
m
m
m
m
= m
2
b
b
 2



2
2
2
ω b
2
 ω 0 − ω 1 + iω 1   ω 0 − ω 1 − iω 1 
(ω 02 − ω 12 ) +  m1 
m 
m



Hieraus können wir die Größen α und β ablesen:
(46)
F1
(ω 02 − ω 12 )
m
α=
2
 ω1 b 
2
2 2
(ω 0 − ω 1 ) +  m 


F1
b
ω1
m
m
b= −
2
 ω1 b 
2
2 2
(ω 0 − ω 1 ) +  m 


und
woraus durch Einsetzen in Gl. (44) folgt:
(47)
ω1b 



m
φ= arctan  −
−π
2
2  {
ω
ω
−
0
1




Mit
(48)
1 π
arctan
=
( − y ) arctan   −
 y 2
folgt daraus schließlich Gl. (22).
⇔
ω 1 >ω
0
}
204
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Modul Grundpraktikum Physik – Teil I
Fourieranalyse
Stichworte:
FOURIERreihe (trigonometrische Reihe), FOURIERkoeffizienten, FOURIERanalyse (FOURIERzerlegung,
harmonische Analyse), Amplitudenspektrum, Phasenspektrum, lineare Systeme, Übertragungsfunktion, Grund- und Oberschwingungen, EULERsche Formeln, Abtasttheorem.
Messprogramm:
Aliasing bei Verletzung des Abtasttheorems, Spektren von Fotodetektorsignalen, Spektren von Schallsignalen, Spektrum eines Schwebungssignals und eines amplitudenmodulierten Signals, Spektren von
Rechteck-, Sägezahn- und Dreieckssignal, Gibbsches Phänomen.
Literatur:
/1/ HÄNSEL, H., NEUMANN, W.: „Physik - Mechanik und Wärmelehre“, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg u.a.
/2/ BRACEWELL, R. N.: „The Fourier Transform and its Applications“, McGraw-Hill, London u.a. (für
Fortgeschrittene)
/3/ EICHLER, H. J., KRONFELDT, H.-D., SAHM, J.: „Das Neue Physikalische Grundpraktikum“, Springer-Verlag, Berlin u.a.
1
Einleitung
Die FOURIERanalyse (nach JEAN-BAPTISTE-JOSEPH DE FOURIER, Abb. 1) ist ein wichtiges Werkzeug im
Bereich der Signalanalyse und -verarbeitung. Mit ihrer Hilfe kann ausgerechnet werden, aus welchen
harmonischen Signalen 1 unterschiedlicher Amplitude, Frequenz und Phasenlage ein periodisches Signal
zusammengesetzt ist. Im Folgenden beschränken wir uns auf die Analyse sogenannter Zeitsignale. Das
sind Signale wie z.B. eine Spannung U(t) oder ein Strom I(t), die sich mit der Zeit t ändern. Formal lassen
sich die folgenden Überlegungen jedoch auch auf Signale übertragen, bei denen sich eine physikalische
Größe mit dem Ort ändert, wie etwa die Intensität I(x) von Licht längs der Ortskoordinate x.
Abb. 1: JEAN-BAPTISTE-JOSEPH DE FOURIER (1768-1830) 2
1
2
Mit harmonischen Signalen sind in diesem Text sinusförmige Signale gemeint.
Quelle: GELLERT, W. et al. [Eds.]: „Kleine Enzyklopädie Mathematik“, VEB Bibliographisches Institut,
Leipzig, 1969
205
Wir wollen als Beispiel für eine Anwendung der FOURIERanalyse ihre Bedeutung in der Systemtheorie
zur Beschreibung des Verhaltens linearer Systeme herausgreifen. Die Theorie linearer Systeme hat in der
Physik eine große praktische Bedeutung. Mit ihr kann das Verhalten vieler physikalischer Systeme beschrieben werden, ohne im Einzelnen wissen zu müssen, wie diese Systeme im Inneren aufgebaut sind.
Wir behandeln diese Systeme als „Kästen“ unbekannten Inhalts („Black-Boxes“), von denen wir wissen,
dass sie auf ein bestimmtes Eingangssignal e(t) mit einem bestimmten Ausgangssignal E(t) antworten:
Eingang
→
e(t)
Ausgang
lineares System
→
E(t)
Lineare Systeme erfüllen die Bedingung der Linearität (daher der Name): Eine Summe von Eingangssignalen führt zu einer entsprechenden Summe von Ausgangssignalen:
Eingang
(1)
f (t ) = ∑ e j (t ) →
Ausgang
lineares System
→
F (t ) = ∑ E j (t )
j
j
Beispiele solcher linearer Systeme sind:
- in der Akustik:
- in der Optik:
- in der Elektrotechnik:
das System Mikrophon → Verstärker → Lautsprecher,
das System Objektiv → Bildaufnehmer,
das System Sender → Nachrichtenübertragungsstrecke → Empfänger.
Nach dem FOURIER-Theorem, auf das wir in Kap. 2 noch detailliert eingehen werden, kann ein periodisches Signal, also auch ein periodisches Eingangssignal f(t) eines linearen Systems, durch eine unendliche Summe harmonischer Signale hn(t) ( n ∈ } \ {0} ) mit unterschiedlichen Kreisfrequenzen ωn dargestellt werden, die sich in ihren Amplituden cn und Phasen fn unterscheiden können, aber nicht müssen:
∞
(2)
∞
f (t ) =
c0 + ∑ hn (t ) =
c0 + ∑ cn sin( ωnt + fn )
(c0: Konstante 3)
n 1=
n 1
=
Harmonische Signale werden von linearen Systemen unverzerrt übertragen, d.h. sie ändern bei der Übertragung allenfalls ihre Amplitude und Phasenlage, nicht jedoch ihre Form. Wir treffen nun die Annahme,
dass wir wissen, wie ein System auf harmonische Eingangssignale unterschiedlicher Frequenz reagiert,
dass wir also zu jedem harmonischen Eingangssignal hn(t) die Amplitude und Phasenlage des zugehörigen harmonischen Ausgangssignals Hn(t) kennen.
Verändert das System die Amplituden aller harmonischen Eingangssignale unabhängig von ihrer Frequenz in gleicher Weise (z.B. Verstärkung um den Faktor 2) und werden alle harmonischen Eingangssignale um mπ ( m ∈  ) in der Phase verschoben, so haben wir es mit einem idealen System zu tun. Aus
der Linearität des Systems (Gl. (1)) folgt dann sofort, dass ein periodisches Eingangssignal f(t), das sich
nach dem FOURIER-Theorem in eine unendliche Summe harmonischer Signale zerlegen lässt 4, unverzerrt
durch das System übertragen wird. Das Ausgangssignal F(t) ist gegenüber dem Eingangssignal f(t) lediglich um einen konstanten Faktor (z.B. 2) verstärkt worden, es hat jedoch seine Form beibehalten.
3
4
c0 stellt den zeitunabhängigen Gleichanteil von f(t) dar, der zum Informationsgehalt des Signals nichts beiträgt.
Bei Formulierungen dieser Art ist in diesem Text der Gleichanteil des Signals (c0 in Gl. (2)) immer mit
eingeschlossen.
206
Reale Systeme verhalten sich in der Regel anders. Bei ihnen kommt es je nach Frequenz ωn eines harmonischen Eingangssignals zu unterschiedlichen Verstärkungen V(ωn) und zu unterschiedlichen Phasenverschiebungen ∆f(ωn) und damit zu einer Verzerrung des Ausgangssignals F(t) gegenüber dem Eingangssignal f(t).
V(ωn) heißt Amplituden-Übertragungsfunktion oder Amplitudenspektrum oder Frequenzgang und ∆f(ωn)
Phasen-Übertragungsfunktion oder Phasenspektrum des Systems. Beide Funktionen zusammen beschreiben das so genannte Frequenzverhalten realer Systeme.
Wir gehen nun entsprechend unserer obigen Annahme davon aus, dass dieses Frequenzverhalten für ein
von uns untersuchtes System bekannt ist. In der Praxis ist dies oft der Fall, z.B. weil der Hersteller des
Systems entsprechende Daten mitgeliefert hat. Abb. 2 zeigt beispielsweise die Amplituden-Übertragungsfunktion einer PC-Soundkarte. Ihr können wir entnehmen, dass die Karte nur im Frequenzbereich zwischen etwa ν = 200 Hz und ν = 10 kHz gute Übertragungseigenschaften hat, weil sie dort harmonische
Signale unabhängig von ihrer Frequenz gleichmäßig verstärkt (V(ν) = const.). Außerhalb dieses
Frequenzbereichs werden die Ein- und Ausgangssignale dagegen frequenzabhängig gedämpft, was
zwangsläufig zu einer Signalverzerrung führt, falls das Eingangssignal f(t) harmonische Komponenten
mit entsprechenden Frequenzen enthält.
In Kenntnis des Frequenzverhaltens eines linearen Systems können wir für ein periodisches Eingangssignal f(t) berechnen, wie das Ausgangssignal F(t) aussehen wird. Wir müssen dazu lediglich wissen, aus
welchen harmonischen Signalen hn(t) das Signal f(t) gemäß dem FOURIER-Theorem zusammengesetzt ist.
Dann können wir für jedes dieser Signale hn(t) unter Kenntnis von V(ωn) und ∆f(ωn) das zugehörige
Ausgangssignal Hn(t) angeben und anschließend die Hn(t) zum Ausgangssignal F(t) aufaddieren.
Die hierfür erforderliche Berechnung der Parameter (Amplitude, Phase, Frequenz) der harmonischen
Signale, in die sich ein periodisches Signal zerlegen lässt, heißt FOURIERzerlegung oder FOURIERanalyse
oder harmonische Analyse und ist Gegenstand dieses Versuches.
10
10
V / dB
0
0
-10
-10
20
50
100 200
500
1k
2k
5k
10k 20k
ν / Hz
Abb. 2: Amplituden-Übertragungsfunktionen einer PC-Soundkarte (YAKUMO Soundcard 16 MCD);
blaue Kurve: für Wiedergabe, rote Kurve für Aufnahme. 5
5
Verstärkungen werden in der Messtechnik häufig in der logarithmischen Größe Dezibel (dB) angegeben.
Einzelheiten dazu werden im Versuch „Operationsverstärker“ im SoSe behandelt. Eine Verstärkung um x dB
entspricht einer linearen Verstärkung um den Faktor 10x/20.
207
2
Theorie
Im Folgenden werden wir auf mathematische Beweise verzichten, die in der angegebenen Literatur nachgelesen werden können, und uns auf die Darstellung der für den Versuch benötigten Zusammenhänge
beschränken.
2.1
Fourierreihe und Fourierkoeffizienten
Nach dem bereits in der Einleitung erwähnten FOURIER-Theorem lässt sich ein periodisches Signal f(t)
mit der Periodendauer T durch einen Gleichanteil und eine unendliche Summe harmonischer Signale darstellen, deren Kreisfrequenzen jeweils ganzzahlige Vielfache von ω0 = 2π/T sind. Man nennt diese harmonischen Signale mit den Kreisfrequenzen
(3)
=
n ω0 : ωn ; n ∈ } \ {0}
Oberschwingungen zur Grundschwingung mit der Grundkreisfrequenz ω0 und bezeichnet die Summendarstellung als trigonometrische Reihe oder FOURIERreihe. Sie ist gegeben durch:
∞
(4)
f (t ) =
c0 + ∑  an cos ( nω0t ) + bn sin ( nω0t ) 
n= 1
Die Größen c0, an = a(nω0) und bn = b(nω0) heißen FOURIERkonstanten oder FOURIERkoeffizienten. Ihre
Bestimmung ist Gegenstand der FOURIERanalyse. Man findet nach kurzer Rechnung (s. z.B. /1/), dass sie
sich aus dem Signal f(t) wie folgt berechnen lassen:
(5)
c0 =
1
T
T
2
∫T f ( t ) dt
−
2
T
2
(6)
an
2
=
f (t ) cos ( nω0t ) dt n 1, 2, 3, ...
T ∫T
−
2
T
2
(7)
bn
2
=
f (t )sin ( nω0t ) dt n 1, 2, 3, ...
T ∫T
−
2
Die Konstante c0 ist der Mittelwert (Gleichanteil) des Signals f(t). Stellt f(t) z.B. eine zeitlich oszillierende
Spannung U(t) dar, entspricht c0 dem Gleichspannungsanteil (DC-Anteil) des Signals.
Die Darstellung der FOURIERreihe gem. Gl. (4) lässt sich vereinfachen, wenn man folgenden Zusammenhang benutzt:
(8)
an cos ( nω0t ) + bn sin ( nω0t ) =cn sin( nω0t + φn )
208
mit
=
cn
(9)
an2 + bn2
und
(10)
 an 

 bn 
φn = arctan 
Damit wird aus Gl. (4) die so genannte spektrale Darstellung der FOURIERreihe:
∞
(11)
f (t ) =
c0 + ∑ cn sin( n ω 0 t + f n )
n= 1
Ein periodisches Signal f(t) kann somit nach seiner FOURIERanalyse durch die Größen
(12)
c0
: Gleichanteil (Mittelwert des Signals f(t), s. Gl. (5))
cn = cn (nω0) : Amplitudenspektrum
fn = fn (nω0) : Phasenspektrum
beschrieben werden. 6
Abb. 3: Oben (rot): anharmonisches, aber periodisches Signal f(t) mit der Periode T = 1 (in beliebigen
Einheiten) mit seinen harmonischen Komponenten h1(t) (Mitte, blau) und h2(t) (unten, blau).
6
Die grafische Darstellung von cn über ωn heißt Amplitudenspektrum. Die grafische Darstellung von an über ωn
heißt Kosinusspektrum; die Darstellung von bn über ωn heißt Sinusspektrum.
209
Zwei Beispiele sollen die Verhältnisse verdeutlichen.
Das erste Beispiel zeigt einen recht einfachen Fall. In Abb. 3 ist oben ein anharmonisches, aber periodisches Signal f(t) = h1(t) + h2(t) mit der Periodendauer T = 1 (in beliebigen Einheiten) dargestellt. Es ist
zusammengesetzt aus den beiden darunter abgebildeten harmonischen Signalen: der Grundschwingung
h1(t) mit der Amplitude c1 = 0,5 (in beliebigen Einheiten), der Kreisfrequenz ω1 = 1×ω0 = 2π/T und der
Phase f1 = π sowie der ersten Oberschwingung h2(t) mit der gleichen Amplitude c2 = 0,5, der Kreisfrequenz ω2 = 2×ω0 und der Phase f2 = π/2. Eine FOURIERanalyse des Signals f(t) würde demnach liefern:
Gleichanteil:
c0
Amplitudenspektrum: c1 = c1(ω0)
c2 = c2(2ω0)
cm = cm(mω0)
Phasenspektrum:
f1 = f1(ω0)
f2 = f2(2ω0)
fm = fm(mω0)
=0
= 0,5
= 0,5
=0
=π
= π/2
=0
∀m≥3
∀m≥3
Das Amplituden- und das Phasenspektrum, also cn(ωn) und fn(ωn), sind in Abb. 4 dargestellt.
fn
π
π/2
cn
0,5
ω0 2ω0 3ω0 4ω0 ωn
ω0 2ω0 3ω0 4ω0 ωn
Abb. 4: Amplitudenspektrum (links) und Phasenspektrum (rechts) des in Abb. 3 oben dargestellten
Signals. In solchen Diagrammen werden üblicherweise statt Datenpunkten senkrechte Spektrallinien gezeichnet, die von der Abszisse bis zum jeweiligen Ordinatenwert reichen.
Deutlich komplexer ist die in Abb. 5 dargestellte Situation. Oben links ist ein anharmonisches, aber periodisches Signal f(t) mit der Periodendauer T = 1 (in beliebigen Einheiten) gezeigt, rechts daneben die
Grundschwingung mit der Kreisfrequenz ω1 = 1ω0 = 2π/T sowie darunter vier Oberschwingungen mit den
Kreisfrequenzen ωn = nω0, n = 2, 3, 4, 5, die alle unterschiedliche Amplituden und Phasenlagen haben.
Eine FOURIERanalyse würde hier den Gleichanteil c0 = 0 sowie fünf Werte cn für das Amplitudenspektrum und fünf Werte fn für das Phasenspektrum liefern.
Frage 1:
- Versuchen Sie der Abb. 5 auf grafischem Wege die nötigen Daten zu entnehmen, um das Amplitudenund Phasenspektrum analog zu Abb. 4 zu skizzieren. Kontrollieren Sie mit Hilfe von Matlab, ob Ihre
Analyse richtig ist.
210
Abb. 5: Anharmonisches, periodisches Signal f(t) (oben links, rot) mit seinen fünf harmonischen
Komponenten (oben rechts sowie Mitte und unten, blau). Abszisse: t, Ordinate: f(t) bzw. hn(t),
Periodendauer T = 1 (t und f(t) in beliebigen Einheiten)
2.2
Abtastung und Abtasttheorem
Wir wissen nun, wie man die FOURIERkoeffizienten a0, an und bn und daraus die Größen c0, cn und fn,
also das Amplituden- und Phasenspektrum für periodische Signale f(t) berechnen kann. In der Praxis tritt
an dieser Stelle ein Problem auf: Bei den zu untersuchenden Signalen handelt es sich in der Regel nicht
um analytisch bekannte Signale, sondern um Messsignale mit kompliziertem zeitlichen Verlauf, die z.B.
mit einer Messwerterfassungskarte in einem Computer aufgezeichnet wurden. Solche Aufzeichnungsverfahren liefern zu den äquidistanten Zeitpunkten ti (Zeitabstand ∆t) diskrete Funktionswerte yi = f(ti) 7. Man
spricht dann auch davon, dass das Signal f(t) mit der Abtastkreisfrequenz ωa = 2π/∆t an den Stellen ti
abgetastet wurde. Die FOURIERanalyse eines so abgetasteten Signals lässt sich natürlich nur näherungsweise durchführen - denn auch das Signal selber ist ja nur näherungsweise (nämlich nur an den Stellen ti)
bekannt. Wie eine FOURIERanalyse in einem solchen Fall durchgeführt wird, soll im Folgenden dargestellt werden.
Nehmen wir an, von dem Signal f(t) lägen 2m Messwerte (Abtastwerte) yi (i = 0, 1,..., 2m-1) zu den äquidistanten Zeitpunkten ti vor. Dann erhalten wir für die FOURIERkoeffizienten:
(13)
7
c0 =
1 2m− 1
∑ yi
2m i = 0
Siehe Versuch „Datenerfassung und -verarbeitung mit dem PC...“.
211
(14)
(15)
an =
1
m
bn =
1
m
2m− 1
∑
i= 0
2m− 1
∑
i= 0
 2π n i 
yi cos 
 n = 1, 2,..., m
 2m 
 2π n i 
yi sin 

 2m 
n = 1, 2,..., m-1
Aus 2m unabhängigen Funktionswerten gewinnen wir demnach m Koeffizienten an, (m - 1) Koeffizienten
bn und eine Konstante c0, zusammen also m + (m - 1) + 1 = 2m unabhängige FOURIERkoeffizienten. Dies
ist vom Standpunkt des Informationsgehalts her auch verständlich: durch bloße Rechnung geht weder
Informationsgehalt verloren, noch kommt neuer hinzu.
Die Frage, wie viel Funktionswerte man mindestens benötigt, um mit Hilfe der Gl. (13) - (15) die
Kreisfrequenz ω s einer im Signal f(t) enthaltenen harmonischen Schwingung sicher bestimmen zu können, klärt das so genannte Abtasttheorem (Samplingtheorem, SHANNON-Theorem8). Es besagt, dass eine
Kreisfrequenz ω s dann noch sicher detektiert werden kann, wenn für die Abtastkreisfrequenz ωa gilt:
(16)
ωa > 2 ωs
Abtasttheorem
Mit anderen Worten: Die Kreisfrequenz ω s eines harmonischen Signals kann nur dann sicher bestimmt
werden, wenn für das Signal mehr als 2 Abtastwerte pro Periode vorliegen. Wird die Bedingung aus der
Ungleichung (16) verletzt, wird ein Signal mit der Kreisfrequenz ω s also „unterabgetastet“, so kommt es
zu falschen Resultaten (Aliasing-Effekten). Die FOURIERanalyse liefert in diesem Fall die falsche
Kreisfrequenz ω f :
(17)
ω=
ωa −ωs
f
Das Signal mit der Kreisfrequenz ω s taucht demnach im Amplitudenspektrum unter dem „falschem
Namen“ ω f auf, daher die Bezeichnung „Alias“. Für ωs ≤ ωa ≤ 2ωs erscheint es im Spektrum gespiegelt
an der Achse ω = ωa/2.
Ist die Abtastkreisfrequenz ωa vorgegeben, so kann ein harmonisches Signal gem. Gl. (16) nur dann richtig abgetastet werden, wenn für seine Kreisfrequenz gilt:
(18)
ωs <
ωa
2
Die Kreisfrequenz ωa/2 heißt NYQUIST-Frequenz 9.
Bei Einhaltung des Abtasttheorems bestimmt die Länge 2 m ∆t des Zeitintervalls, über das das Messsignal abgetastet wurde, die Frequenzauflösung ∆f, d.h. die Genauigkeit, mit der Signalfrequenzen bestimmt
werden können:
(19)
∆f 
1
2 m ∆t
Dieser Aspekt der FOURIERanalyse kann jedoch im Grundpraktikum nicht weiter vertieft werden.
8
9
CLAUDE ELWOOD SHANNON (1916 - 2001).
HARRY NYQUIST (1889 - 1976).
212
2.3
Praktische Hinweise
Die Berechnungen der FOURIERkoeffizienten bzw. des Amplituden- und Phasenspektrums sind recht aufwändig. Heute können sie jedoch selbst von Personal Computern sehr schnell durchgeführt werden und
im Falle großer Datenmengen lässt sich die Berechnung durch Einsatz spezieller Prozessoren noch
beschleunigen.
Es ist noch gar nicht so lange her, dass hier mühsame Handarbeit geleistet werden musste. So findet man
in einem Mathematikhandbuch aus dem Jahr 1969 den Hinweis (GELLERT, W. u.a. [Hrsg.]: „Kleine Enzyklopädie Mathematik“, VEB Bibliographisches Institut, Leipzig, 1969):
„Ein geübter Rechner braucht bei Benutzung einer elektrischen Rechenmaschine und unter Verwendung spezieller Rechenschemata zur Durchführung dieser harmonischen Analyse mit 12 Punkten etwa
1/2 Stunde, mit 24 Punkten etwa 2 Stunden, mit 36 Punkten etwa 6 Stunden und mit 72 Punkten etwa
16 Stunden... Eine mittelschnelle elektronische Rechenmaschine bewältigt die Rechnung für 36 Punkte
in etwa 2 Minuten. Die Zeit, die erforderlich ist, um das Ergebnis auszudrucken, ist meist länger als
die Rechenzeit.“
Im vorliegenden Praktikumsversuch wird die FOURIERanalyse mit einigen 100 bis einigen 1000 Punkten
durchgeführt. Halten Sie sich also schon mal die Semesterferien frei - oder setzen Sie den bereitstehenden
PC ein, dann werden Sie ohne Probleme an einem Nachmittag fertig!
In der Praxis ist man häufig nur daran interessiert zu erfahren, welche Amplituden die harmonischen Signale haben, die in einem periodischen Messsignal enthalten sind. Die Phasenlage der einzelnen Beiträge
ist oftmals unwichtig. Mit anderen Worten: das Amplitudenspektrum ist meistens von erheblich größerer
praktischer Bedeutung als das Phasenspektrum. Auch bei den durchzuführenden Versuchen werden wir
uns deshalb auf die Interpretation der Amplitudenspektren beschränken.
Hat man ein nicht-periodisches Signal f(t) vorliegen, das nur in einem Zeitintervall der Länge τ definiert
ist (z.B. ein Spannungsimpuls aus einem Fotodetektor), so kann man sich das Signal formal links und
rechts des Intervalls periodisch fortgesetzt denken (mit der „Periode“τ) und es ebenfalls mit einer
FOURIERreihe darstellen. Zwar werden durch eine so berechnete FOURIERreihe gem. Gl. (4) auch
Funktionswerte außerhalb des Definitionsintervalls τ dargestellt, diese können jedoch für die weiteren
Betrachtungen einfach ignoriert werden.
3
Versuchsdurchführung
Zubehör:
Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, PC mit Messwerterfassungskarte (NATIONAL INSTRUMENTS 6014 PCI oder 6221 PCI) und zugehörigem BNC-Adapter
(NATIONAL INSTRUMENTS BNC-2120), 2 Funktionsgeneratoren (TOELLNER 7401 und AGILENT
33120A / 33220A), Additionsverstärker, Fotodiode mit integriertem Verstärker und Lochblende
(Durchmesser 1 mm), AC-Filter für Fotodiode, Glühlampe und Leuchtstofflampe in lichtdichtem
Kasten, Mikrophon mit Vorverstärker, Stimmgabel, Netzgerät (PHYWE (0 - 15 / 0 - 30) V).
3.1
Allgemeine Hinweise
3.1.1
Inbetriebnahme der Messwerterfassungskarte
Die Eingangs-Wahl-Schalter auf der Steckplatine der Messwerterfassungskarte müssen auf FS (Floating
Source) stehen. Der Anschluss der Signalquellen (Funktionsgenerator, Mikrophonverstärker usw.) erfolgt
grundsätzlich nur an die BNC-Buchse des Eingangskanals 0 (ACH 0 bzw. AI 0); der Schiebeschalter über
der BNC-Buchse von ACH 0 bzw. AI 0 muss auf BNC stehen.
213
3.1.2
Eingangsspannungsbereich der Messwerterfassungskarte
Der maximale Eingangsspannungsbereich der Messwerterfassungskarte beträgt ± 10 V; er darf nicht
überschritten werden. Zur Kontrolle werden deshalb alle Eingangssignale der Messwerterfassungskarte
gleichzeitig am Oszilloskop dargestellt.
3.1.3
Software
Die folgenden Versuche werden mit Hilfe der MATLAB-Skripte Fourieranalyse.m bzw. Rekonstruktion.m durchgeführt (Skripte verfügbar unter Q:). Die Skripte melden sich mit
selbsterklärenden Fenstern. Textausgaben der Skripte, wie z.B. Tabellen mit Amplituden und Frequenzen
von FOURIERkomponenten, erscheinen im Command Window. Sie können dort markiert und per „Copy
and Paste“ in andere Anwendungen übernommen werden (z. B. Word, Notepad-Editor u.a.).
3.1.4
Ausdruck und Speicherung von Grafiken
Die erzeugten Grafiken (Matlab Figures) können über → File → Print auf dem Drucker im Grundpraktikum ausgedruckt werden. Über → File → Save as kann eine Speicherung in verschiedenen gängigen Grafikformaten erfolgen.
Details von Grafiken können mit Hilfe der Zoom-Funktion im Figure-Fenster vergrößert werden.
3.2
Abtasttheorem
Mit Hilfe des AGILENT-Funktionsgenerators wird ein sinusförmiges Zeitsignal U(t) ohne DC-Anteil mit
einer Frequenz von 140 Hz und einer Amplitude von 4 V erzeugt (Kontrolle der Einstellungen am Oszilloskop) und an den Eingang ACH 0 bzw. AI 0 der Messwerterfassungskarte gelegt. Mit Hilfe des Programms Fourieranalyse werden bei Abtastfrequenzen von (1.000, 500, 300, 200, 150, 120) Hz
jeweils 1.000 Abtastwerte eingelesen und FOURIERanalysiert. Die Ergebnisse (Zeitsignale und Amplitudenspektren) werden ausgedruckt bzw. gespeichert.
Frage 2:
- Wie lassen sich die Ergebnisse unter Berücksichtigung von Gl. (16) bis (18) interpretieren?
3.3
Spektren der Signale eines Fotodetektors
Beim Praktikumsversuch zum Oszilloskop haben wir gesehen, dass der zeitliche Verlauf der Lichtintensität einer am normalen Stromnetz betriebenen Glühlampe anders aussieht, als der Lichtintensitätsverlauf
für eine Leuchtstofflampe. Diesen qualitativen Befund wollen wir nun quantitativ untersuchen. Dazu wird
eine Fotodiode zunächst mit dem Licht einer mit Netzspannung betriebenen Glühlampe und anschließend
mit dem Licht einer ebenfalls mit Netzspannung betriebenen Leuchtstofflampe beleuchtet. Durch eine
passende Lochblende vor der Fotodiode wird verhindert, dass das Ausgangssignal des Fotodiodenverstärkers (Zeitsignal U(t)) übersteuert. Mit Hilfe des bereitliegenden AC-Filters wird der Gleichspannungsanteil aus dem jeweiligen Signal herausgefiltert (Kontrolle am Oszilloskop) und das Signal anschließend an
den Eingang ACH 0 bzw. AI 0 der Messwerterfassungskarte gelegt. Mit Hilfe des Programms Fourieranalyse werden von beiden Signalen bei einer Abtastfrequenz von 5 kHz jeweils 5.000 Abtastwerte eingelesen und FOURIERanalysiert. Die Ergebnisse (Zeitsignale und Amplitudenspektren) werden
ausgedruckt bzw. gespeichert.
Frage 3:
- Worin unterscheiden sich die Zeitsignale, worin ihre Amplitudenspektren? (Angaben über die absoluten Amplituden der spektralen Anteile sind nicht von Bedeutung.)
214
3.4
Spektren von mit einem Mikrophon aufgezeichneten Schallwellen
Zunächst soll die Grundfrequenz einer Stimmgabelschwingung ermittelt werden. Dazu wird die Stimmgabel angeschlagen und die von ihr erzeugte Schallwelle mit Hilfe eines Mikrophons aufgezeichnet,
indem das untere Ende der Stimmgabel auf das Mikrophon aufgesetzt wird. Das Ausgangssignal des
Mikrophons wird mit dem bereitliegenden Verstärker verstärkt und dessen Ausgangssignal (Zeitsignal
U(t)) an den Eingang ACH 0 bzw. AI 0 der Messwerterfassungskarte gelegt. Mit Hilfe des Programms
Fourieranalyse werden bei einer Abtastfrequenz von 5 kHz 10.000 Abtastwerte eingelesen und
FOURIERanalysiert. Das Ergebnis (Zeitsignal und Amplitudenspektrum) wird ausgedruckt bzw. gespeichert.
Frage 4:
- Entspricht das Amplitudenspektrum den musikalischen Erwartungen?
Im zweiten Schritt wird versucht, den von der Stimmgabel erzeugten Ton (das a’) zunächst nachzusingen
und anschließend nachzusummen. Für beide Fälle sollen die akustischen Signale mit dem Mikrophon
aufgezeichnet werden und anschließend eine Auswertung wie bei der Stimmgabelschwingung erfolgen.
Frage 5:
- Worin unterscheiden sich die Ergebnisse von denen der Stimmgabelschwingung?
3.5
Spektrum eines Schwebungssignals
Mit Hilfe eines Additionsverstärkers werden die Sinussignale zweier Funktionsgeneratoren (AGILENT und
TOELLNER) addiert. Der eine Generator wird bei 104 Hz, Amplitude 1 V, kein DC-Anteil betrieben, der
andere bei 108 Hz, Amplitude 0,75 V, kein DC-Anteil (Einstellungen mit dem Digital-Oszilloskop kontrollieren). Das Ausgangssignal des Additionsverstärkers (Zeitsignal U(t)) wird an den Eingang ACH 0
bzw. AI 0 der Messwerterfassungskarte gelegt und gleichzeitig mit dem Oszilloskop beobachtet. Mit
Hilfe des Programms Fourieranalyse werden bei einer Abtastfrequenz von 2 kHz 10.000 Abtastwerte eingelesen und FOURIERanalysiert. Das Ergebnis (Zeitsignal und Amplitudenspektrum) wird ausgedruckt bzw. gespeichert und der Verlauf des Amplitudenspektrums interpretiert.
3.6
Spektrum eines amplitudenmodulierten Signals
Wir betrachten ein harmonisches Spannungssignal U(t) der Form
(20)
U ( t ) = U T sin (ωT t )
mit der Amplitude UT und der Kreisfrequenz ωΤ. Wird zu der konstanten Amplitude UT dieses Signals ein
zeitabhängiges Signal UM(t) hinzu addiert, so erhält man ein amplitudenmoduliertes Signal 10:
(21)
U=
( t ) UT + U M ( t )  sin (ωT t )
Das Signal aus Gl. (20) heißt Trägersignal und ωT heißt Trägerkreisfrequenz.
Im einfachsten Fall ist UM(t) ein harmonisches Signal mit der Kreisfrequenz ωM und der Amplitude UM0.
Dann folgt:
10
Das Prinzip der Amplitudenmodulation (amplitude modulation, AM) wird z. B. zur Signalübertragung beim
Lang-, Mittel- und Kurzwellenrundfunk eingesetzt. Der heutige Standard im Ultrakurzwellen-(UKW)-Bereich ist
die Frequenzmodulation (frequency modulation, FM).
215
(22)
U=
( t ) UT + U M 0 sin (ωM t )  sin (ωT t )
Diese Gleichung lässt sich umformen zu:
(23)
U=
( t ) UT sin (ωT t ) +
UM 0
cos ( (ωT − ωM ) t ) − cos ( (ωT + ωM ) t ) 
2 
Frage 6:
- Skizzieren Sie das Amplitudenspektrum des Signals U(t) nach Gl. (23) für den Fall UT = 2UM0 = 1 V,
ωT /2π = 750 kHz und ωM /2π = 15 kHz.
Mit dem AGILENT-Funktionsgenerator wird ein amplitudenmoduliertes Signal gem. Gl. (22) mit folgenden Parametern generiert: UT = 2 V, ωT /2π = 1 kHz, UM0 = 1 V, ωM /2π = 200 Hz (beachte Fußnote 11!).
Das Signal (Zeitsignal U(t)) wird an den Eingang ACH 0 bzw. AI 0 der Messwerterfassungskarte gelegt
und gleichzeitig mit dem Oszilloskop beobachtet. Mit Hilfe des Programms Fourieranalyse werden
bei einer Abtastfrequenz von 10 kHz 10.000 Abtastwerte eingelesen und FOURIERanalysiert. Das
Ergebnis (Zeitsignal und Amplitudenspektrum) wird ausgedruckt bzw. gespeichert. Der Verlauf des
Amplitudenspektrums wird mit den Erwartungen nach Gl. (23) verglichen.
3.7
Spektrum eines Rechtecksignals, Gibbssches Phänomen
Das Rechtecksignal eines Funktionsgenerators (Zeitsignal U(t); Amplitude 4 V, Frequenz 50 Hz, kein
DC-Anteil) wird an den Eingang ACH 0 bzw. AI 0 der Messwerterfassungskarte gelegt. Mit Hilfe des
Programms Rekonstruktion werden bei einer Abtastfrequenz von 10 kHz 10.000 Abtastwerte
eingelesen und FOURIERanalysiert. Das Ergebnis (Zeitsignal und Amplitudenspektrum) wird ausgedruckt
bzw. gespeichert und der Verlauf des Amplitudenspektrums wird mit den theoretischen Erwartungen
verglichen.
Zu diesem Vergleich gehört auch eine tabellarische Gegenüberstellung der erwarteten und gemessenen
Amplituden für die 10 Spektralkomponenten mit den größten Amplituden.
Hinweis:
Darstellungen der FOURIERanalyse eines Rechtecksignals finden sich in nahezu jedem Physiklehrbuch
oder z.B. im „Taschenbuch der Mathematik“ oder in den Online-Nachschlagwerken von WOLFRAM
RESEARCH (siehe http://www.uni-oldenburg.de/physik/lehre/praktika/literatur/). Die für den Vergleich
benötigten Messdaten werden im Command-Fenster von Matlab ausgegeben und können von dort in
eine eigene Anwendung kopiert werden.
Anschließend wird das Zeitsignal durch schrittweise Addition seiner FOURIERkomponenten rekonstruiert
(FOURIERsynthese). Auf diese Weise kann anschaulich gezeigt werden, wie das ursprüngliche Rechtecksignal Stück für Stück aus seinen FOURIERkomponenten zusammengesetzt werden kann, wenn bei der
Rekonstruktion immer mehr Oberschwingungen zur Grundschwingung hinzuaddiert werden. Das Ergebnis der Rekonstruktion wird ausgedruckt bzw. gespeichert.
Bei der Betrachtung des rekonstruierten Rechtecksignals wird auffallen, dass es zu Über- und Unterschwingern kommt. Dieser Effekt heißt GIBBSsches Phänomen 12. Es tritt immer dann auf, wenn das
eingelesene Signal eine Unstetigkeit aufweist, wie das Rechtecksignal an den Stellen des Übergangs vom
unteren zum oberen bzw. vom oberen zum unteren Signalpegel (s. Abb. 6). Die Überschwinger selbst
11
12
Diese Parameter wurden in dem Funktionsgenerator in seinem internen Speicher „1“ abgelegt. Sie können
abgerufen werden durch Betätigung der Taste RECALL; im Display erscheint zunächst die Angabe RECALL 0
mit blinkender 0. Durch Betätigung der Taste ∧ wird die 0 auf 1 erhöht und danach die ENTER-Taste betätigt.
Der Funktionsgenerator gibt nun an der OUTPUT-Buchse das gewünschte Signal aus.
JOSIAH WILLARD GIBBS (1839 - 1903)
216
heißen GIBBSsche Höcker oder GIBBSsche Überschwinger. Je größer die Zahl N der Oberschwingungen
ist, die zur Synthese des Rechtecksignals verwendet werden, desto enger rücken die Extrema der Überund Unterschwinger zusammen, ihre Amplituden bleiben für große N jedoch gleich. Eine genaue, aber
aufwändige Rechnung ergibt, dass der größte Überschwinger eine Höhe von ca. 9 % der Amplitude des
Rechtecksignals hat, während die Höhe des größten Unterschwingers etwa 4,8 % der Amplitude beträgt.
Abb. 6: GIBBSsches Phänomen bei der FOURIERsynthese eines Rechtecksignals mit einer Amplitude von
1 V und einer Periodendauer von 2 s. Links N = 50, rechts N = 100.
3.8
Spektrum eines Sägezahnsignals und eines Dreiecksignals
Der unter Kap. 3.7 beschriebene Versuch wird mit einem Sägezahnsignal und anschließend mit einem
Dreiecksignal wiederholt (Amplitude der Signale jeweils 4 V, Frequenz 50 Hz, kein DC-Anteil; Abtastfrequenz 10 kHz, 10.000 Abtastwerte). Das Zeitsignal und das Amplitudenspektrum werden jeweils
ausgedruckt bzw. gespeichert und der Verlauf der Amplitudenspektren mit den theoretischen Erwartungen verglichen. Darstellungen der Fourieranalyse beider Signale findet man ebenfalls in den unter Kap.
3.7 genannten Quellen.
Abschließend werden beide Signale aus ihren Spektren rekonstruiert, die Ergebnisse der Rekonstruktion
werden ausgedruckt bzw. gespeichert.
Frage 7:
- Bei welchem der Signale macht sich das GIBBSsche Phänomen bemerkbar und warum?
217
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Modul Grundpraktikum Physik – Teil I
Oberflächenspannung, Minimalflächen und Kaffeeflecken
Stichworte:
VAN DER WAALS-Kräfte, spezifische Oberflächenenergie, Oberflächenspannung, Minimalflächen,
Kapillarität, Kontaktwinkel, Kohäsion, Adhäsion, Abreißmethode, Blasendruckmethode.
Messprogramm:
Beobachtung von Minimalflächen, Beobachtung des Stofftransports bei der Verdunstung eines Flüssigkeitstropfens, Messung der Oberflächenspannung mit der Abreißmethode und der Blasendruckmethode, Innendruck in Gasblasen.
Literatur:
/1/ DEMTRÖDER, W.: „Experimentalphysik 1 - Mechanik und Wärme“, Springer-Verlag, Berlin u.a.
/2/ EICHLER, H. J., KRONFELDT, H.-D., SAHM, J.: „Das Neue Physikalische Grundpraktikum“, Springer-Verlag, Berlin u.a.
/3/ WALCHER, W.: „Praktikum der Physik“, Teubner Studienbücher, Teubner-Verlag, Stuttgart
1
Einleitung
Viele werden sich noch an das Experiment aus der Kindheit erinnern, bei dem eine Stecknadel auf eine
Wasseroberfläche gelegt wurde und nicht versank. Oder an die Beobachtung von Insekten, die über die
Wasseroberfläche eines Teiches laufen können, ohne einzusinken. Beide Erscheinungen sind Folge der
Oberflächenspannung von Flüssigkeiten, um deren quantitative Messung es in diesem Versuch geht.
2
Theorie
Zwischen den Molekülen im Innern einer Flüssigkeit herrschen verschiedene Wechselwirkungskräfte, vor
allem die VAN DER WAALS-Kräfte elektrostatischen Ursprungs. Diese Wechselwirkungskräfte haben eine
sehr kurze Reichweite im Bereich von 10-9 m und bewirken den Zusammenhalt der Moleküle untereinander (Kohäsionskräfte). Sie sind deutlich größer als die Wechselwirkungskräfte, die zwischen den Flüssigkeitsmolekülen und den Molekülen eines über der Flüssigkeitsoberfläche liegenden Gases (z. B. Luft)
auftreten (Adhäsionskräfte). Das führt zu der in Abb. 1 dargestellten Situation: Auf die Moleküle im
Innern der Flüssigkeit wirken gleich große Kräfte in alle Raumrichtungen, die sich in ihren Wirkungen
gegenseitig aufheben, die resultierende Kraft FR ist null. In einer dünnen Schicht an der Oberfläche der
Flüssigkeit verbleibt jedoch eine resultierende, ins Innere der Flüssigkeit gerichtete Kraft FR ≠ 0, die auf
der Flüssigkeitsoberfläche senkrecht steht.
Soll die Oberfläche der Flüssigkeit vergrößert werden, indem Flüssigkeitsmoleküle aus dem Innern der
Flüssigkeit an die Oberfläche gebracht werden, so muss gegen diese Kraft FR Arbeit geleistet werden; die
potentielle Energie der Moleküle wird erhöht. Hieraus lässt sich sofort ein wichtiger Schluss ziehen: da
ein Gleichgewichtszustand durch ein Minimum an potentieller Energie gekennzeichnet ist, nehmen Flüssigkeitsoberflächen ohne Einwirkung äußerer Kräfte Minimalflächen ein. Eindrucksvolle Minimalflächen
lassen sich einfach demonstrieren, indem z.B. unterschiedlich geformte Draht- oder Kunststoffgestelle in
Seifenwasser eingetaucht und anschließend herausgezogen werden. Die sich dabei ausbildenden Seifenhautlamellen zwischen den Drähten bzw. Stegen stellen Minimalflächen dar.
218
Luft
Flüssigkeit
FR ≠0
FR =0
Abb. 1: Zur Entstehung der Oberflächenspannung von Flüssigkeiten, hier an der Grenzfläche zwischen
einer Flüssigkeit und Luft. FR: resultierende Kraft auf Flüssigkeitsmolekül.
Die zur Vergrößerung der Flüssigkeitsoberfläche um den Betrag ∆A erforderliche Arbeit sei ∆W. Der
Quotient beider Größen,
(1)
w =
∆W
∆A
heißt spezifische Oberflächenenergie oder Oberflächenenergiedichte, ihre Einheit ist [w] = J/m2.
Fg
Kraftmesser
L
σ
s
h
F
∆s
Abb. 2: Zur Definition der Oberflächenspannung.
Metallring
Flüssigkeitslamelle
Flüssigkeit
Abb. 3: Messung der Oberflächenspannung mit
der Abreißmethode.
Abb. 2 zeigt eine mögliche Anordnung zur Messung der spezifischen Oberflächenenergie. Zwischen den
Schenkeln eines dünnen, U-förmigen Drahtbügels (grau) mit der Breite L gleitet ein verschiebbarer Draht
(gelb), der sich anfänglich im Abstand s vom oberen Rand des Bügels befindet. Zwischen Bügel und
Draht befinde sich eine Flüssigkeitsoberfläche mit der Fläche 2 A = 2 L s , beispielsweise eine Seifenhautlamelle (Faktor 2 wegen Vorder- und Rückseite der Oberfläche). Durch Einwirkung einer Kraft F
wird der verschiebbare Draht um die kleine Strecke ∆s verschoben und damit die Oberfläche um
∆A = 2L∆s vergrößert. Die dazu erforderliche Arbeit ∆W ist mit F = |F|:
(2)
∆W = F ∆s
Mit Gl. (1) folgt daraus für die spezifische Oberflächenenergie
(3)
=
w
∆W
F ∆s
F
=
=
∆A 2 L∆s 2 L
219
Berücksichtigt man die Vektoreigenschaft der Kraft F, so erhält man die vektorielle Größe Oberflächenspannung σ :
σ =
(4)
−
F
2L
mit der Einheit [σ] = N/m = J/m2 1. Wie aus Abb. 2 ersichtlich, ist die Oberflächenspannung tangential
zur Oberfläche gerichtet. Der Betrag der Oberflächenspannung, σ = |σ|, ist identisch mit der spezifischen
Oberflächenenergie w: w = σ. In der Praxis gebräuchlich ist der Begriff der „Oberflächenspannung“ für
den Betrag σ ; so werden auch wir ihn im Folgenden verwenden.
2.1
Messung der Oberflächenspannung mit der Abreißmethode
Eine häufig verwendete Anordnung zur Messung der Oberflächenspannung von Flüssigkeiten gegen Luft
zeigt Abb. 3. Ein dünnwandiger zylindrischer Ring mit dem Radius r, der Wanddicke d und der Masse m
wird an einen Kraftmesser gehängt und in die Flüssigkeit eingetaucht. Anschließend wird der Ring durch
Absenken des Flüssigkeitsbehälters aus der Flüssigkeit herausgezogen. Dadurch entsteht zwischen Ring
und Flüssigkeitsoberfläche eine Flüssigkeitslamelle. Um den Ring in der Höhe h zu halten, ist die Kraft
F(h) erforderlich. Wir wollen annehmen, dass wir den Ring, ausgehend von der Höhe h, gerade noch um
ein kleines Stück ∆h bis auf die Höhe h0 aus der Flüssigkeit herausziehen können, ohne dass die Lamelle
sich einschnürt und schließlich abreißt. Die hierfür erforderliche Arbeit ist
(5)
∆W
= F ( h0 ) ∆ h ,
durch die die Lamellenoberfläche um
(6)
∆A = 2 × 2 π r ∆h
vergrößert wird. Damit ergibt sich für die Oberflächenspannung:
(7)
=
σ
F ( h0 ) ∆h
F ( h0 )
∆W
=
=
∆A 2 × 2 π r ∆h
4π r
Mit Hilfe dieser Abreißmethode lässt sich durch Messen der maximalen Kraft F := F(h0), bei der die
Lamelle sich noch nicht einschnürt und schließlich abreißt und des Ringradius r die Oberflächenspannung
σ von Flüssigkeiten gegen Luft bestimmen. Dabei ist zu beachten, dass der Kraftmesser die Gesamtkraft
Fg
(8)
F=
g
F + mg
anzeigt, wobei m die Masse des Ringes einschließlich Halterung und g die Erdbeschleunigung ist. Die in
Gl. (7) einzusetzende Kraft F ist also:
(9)
1
=
F Fg − mg
Im Gegensatz zur Oberflächenspannung mit der Einheit N/m ist eine mechanische Spannung, z.B. die auf einen
Stab wirkende Zugspannung, als Kraft F pro Fläche A definiert, also σ = F/A mit der Einheit [σ] = N/m2.
220
Soweit die Theorie. In der Praxis muss der mit Gl. (7) ermittelte Wert noch mit einem Korrekturfaktor f
multipliziert werden, den wir hier ohne Herleitung angeben und als fehlerfrei annehmen 2:
(10)
f =
0, 725 +
0,3607
d
σ + 0, 04534 − 0,839
2
r
r rg
Dabei ist σ der Rohwert der Oberflächenspannung aus Gl. (7) und r die Dichte der Flüssigkeit. Der korrigierte Wert σk der Oberflächenspannung ist dann:
(11)
σk = f σ
2.2
Messung der Oberflächenspannung mit der Blasendruckmethode
Eine andere Methode zur Messung der Oberflächenspannung ist in Abb. 4 dargestellt. Eine spitz
angeschliffene Kapillare K mit kleinem Innenradius r taucht senkrecht in eine Flüssigkeit ein (Eintauchtiefe h), deren Oberflächenspannung gegen Luft gemessen werden soll. Die Kapillare ist über einen
Schlauch mit einer Anordnung zur Änderung des Luftdruckes verbunden, die bereits aus dem Versuch
„Sensoren...“ bekannt ist. Der Luftdruck in der Kapillare kann mit dem Drucksensor D gemessen werden.
M
hm
H1
Wasser
pL
H2
K
B
-+
D
Luft,
Druck p
h
V
E
Wasser
S
Abb. 4: Aufbau zur Messung der Oberflächenspannung mit der Blasendruckmethode. Einzelheiten siehe
Versuch „Sensoren...“.
Um die Luft bis zur Öffnung der Kapillare zu treiben, muss zunächst der hydrostatische Gegendruck pF in
der Flüssigkeit überwunden werden, der durch
(12)
pF = ρ gh
gegeben ist, wobei r die Dichte der Flüssigkeit und g die Erdbeschleunigung ist. Wird der Luftdruck in K
weiter erhöht, so bildet sich an der Öffnung der Kapillare langsam eine in die Flüssigkeit gewölbte Luftblase vom Radius R aus (Abb. 5), deren Innendruck antiproportional zu R ist. Mit zunehmendem Druck
2
nach KOSE, V. [Hrsg.]; WAGNER, S. [Hrsg.]: "KOHLRAUSCH - Praktische Physik Bd. 1", Teubner, Stuttgart,
1996
221
wird die Luft weiter aus der Kapillare getrieben und der Radius R der Luftblase demnach immer kleiner.
Im Falle R = r ist der Radius minimal und der Druck in der dann halbkugelförmigen Blase maximal. Nach
Überschreiten dieses Druckes wird die Blase größer und löst sich schließlich von der Kapillare. Der
Druck in der Kapillare bricht kurzzeitig zusammen und der Vorgang der Blasenbildung beginnt von
neuem.
Luftzufuhr
2r
R >> r
R>r
R=r
R>r
Abb. 5: Luftblasen (grau, Radius R) an der Öffnung einer in Flüssigkeit eingetauchten Kapillare vom
Radius r. Die gestrichelten Linien markieren die gedachte Form einer freien Blase mit Radius R.
Sei ∆p der Überdruck gegenüber dem hydrostatischen Druck an der Kapillaröffnung, bei dem der Druck
in den Blasen maximal und ihr Radius gleich r ist. Ist rm die Dichte der Flüssigkeit im Manometer (hier
Wasser) und hm die im Manometer angezeigte Höhe, so gilt für ∆p:
(13)
=
∆p
h) g
( ρρ
m hm −
Damit lässt sich die Oberflächenspannung näherungsweise wie folgt berechnen:
(14)
2
r ∆p 
2r r g
1  rr g  
1 −
σ =
−

 
2 
3∆p
6  ∆p  


Gleichung (14) stellt eine Näherungslösung dar, auf deren Herleitung wir verzichten wollen, da sie nicht
leicht nachzuvollziehen ist. An ihr haben schließlich so berühmte Physiker wie ERWIN SCHRÖDINGER,
einer der Begründer der Quantenmechanik, mitgewirkt! 3
Für kleine Kapillarradien r fallen die beiden letzten Glieder in Gl. (14) (Korrekturterme) nicht ins
Gewicht und wir können schreiben:
(15)
3
σ ≈
r ∆p
2
Vgl. E. SCHRÖDINGER: „Notiz über den Kapillardruck in Gasblasen“, Ann. Phys. 46.4 (1915) 413 - 418.
222
Der Vorteil dieser Blasendruckmethode gegenüber der Abreißmethode ist der, dass hier die Oberflächenspannung jeweils an einer frischen Oberfläche, nämlich der der Gasblase in der Flüssigkeit, gemessen
wird. Verunreinigungen der Flüssigkeitsoberfläche durch die umgebende Luft, die bei der Abreißmethode
zu Fehlern führen können, fallen hier also nicht ins Gewicht.
2.3
Physik in Kaffeeflecken
Gibt man einen Tropfen einer Flüssigkeit auf eine feste glatte Oberfläche, z.B. Wasser auf Glas, so stellt
sich bei nicht vollständiger Benetzung zwischen Flüssigkeit und Oberfläche ein bestimmter Kontaktwinkel ein, der durch die Eigenschaften der beteiligten Materialien, insbesondere durch die Oberflächenspannung der Flüssigkeit, bestimmt wird. Durch kleine Defekte in der Oberfläche kann der Rand des Tropfens
auf der Oberfläche fixiert werden. Enthält die Flüssigkeit einen gelösten Stoff, wie z.B. Kaffee in Wasser,
erfolgt die Fixierung des Tropfenrandes durch den gelösten Stoff selber, tritt also auch bei „perfekten“
Oberflächen auf 4. Die Fixierung des Tropfenrandes hat zur Folge, dass der Tropfen beim Verdampfen der
Flüssigkeit seine radiale Ausdehnung beibehält. Deshalb muss Flüssigkeit, die am Rand verdampft, aus
der Tropfenmitte nachgeliefert werden. Dies führt in dem Tropfen zu einer nach außen gerichteten
„kapillaren Strömung“ (Abb. 6), mit der der gelöste Stoff ständig an den Tropfenrand transportiert wird.
Nach vollständigem Abtrocknen des Tropfens befindet sich also am Tropfenrand deutlich mehr Kaffee als
im Innern. Der innen helle Kaffeefleck ist demnach von einem dunklen Rand umgeben.
Abb. 6: Links: Radiale kapillare Strömung in einem Flüssigkeitstropfen auf einer Glasoberfläche 5. Die
Strömung wurde durch Mehrfachbelichtung von kleinen Mikrokugeln (Durchmesser 1 µm)
sichtbar gemacht, die der Flüssigkeit beigemischt wurden. Rechts: getrockneter Kaffeefleck,
dessen höhere Kaffeedichte am Rand durch eine solche Strömung verursacht wird.
4
5
Vgl. R. D. Deegan: „Pattern formation in drying drops“, Phys. Rev. E 61.1 (2000) 475 - 485
Vgl. R. D. Deegan: „Capillary flow as the cause of ring stains from dried liquid drops“, Nature 389 (1997) 827 –
829.
223
3
Versuchsdurchführung
Zubehör:
Ring (r = 25,52 mm, d = 0,25 mm, jeweils fehlerfrei) mit Aufhängung, höhenverstellbare Plattform,
Kraftsensor auf DMS-Prinzip (U-OL, Messbereich 100 mN), Messverstärker für Kraftsensor (U-OL),
Gewichtssatz zur Kalibrierung des Kraftsensors, Kapillare (Innendurchmesser d = (2,07 ± 0,01) mm)
in Halterung an Höhenverstelleinheit (Ablesegenauigkeit 0,02 mm), Drucksensor (SENSORTECHNICS
HCLA12X5DB) auf Grundplatte mit Absperrhähnen an Stativ, ERLENMEYER-Kolben mit geschliffenem Stopfen auf Tisch, U-Rohr-Manometer (Wasserfüllung) mit Halterung und Ableseskala, Bechergläser, Scherentisch, Schlauchmaterial, Thermometer (Genauigkeit 0,1 °C), destilliertes Wasser, Seifenlauge, Kunststoffgestelle, Glasrohrgestell mit zwei Eintrittsöffnungen und zwei Austrittsöffnungen,
Objektträger, Zahnstocher, Aluminiumplatte, Rotwein, Ethanolbad, Bad mit destilliertem Wasser, Fön,
Stickstoffflasche, Haushaltstuchrolle, Netzgerät (PHYWE (0 - 15 / 0 - 30) V), PC mit Messwerterfassungskarte (NATIONAL INSTRUMENTS PCI 6014 oder PCI 6221) und zugehörigem BNC-Adapter
(NATIONAL INSTRUMENTS BNC-2120).
3.1
Minimalflächen
Zielgröße
Skizzieren Sie bei der Vorbereitung auf den Versuch Ihre Erwartungen hinsichtlich der Minimalflächen,
die sich nach Eintauchen und Herausziehen der bereitliegenden Kunststoffgestelle 6 in Seifenlauge ergeben. Vergleichen Sie Ihre Erwartungen mit den experimentell gefundenen Minimalflächen. Beachten Sie,
dass sich neben dem globalen (absoluten) Minimum auch so genannte lokale Minima einstellen können
(Abb. 7).
globales Minimum
lokales Minimum
Parameter
Abb. 7: Globales Minimum einer Zielgröße als Funktion eines Parameters. Neben dem globalen Minimum existieren viele lokale Minima, von denen eines exemplarisch markiert ist.
3.2
Rotweinflecken
Geben Sie einige Tropfen Rotwein auf einen Objektträger. Ziehen Sie die Tropfen mit einem Zahnstocher
in interessante Formen und beobachten Sie, wie sich im Laufe des Praktikums durch Verdampfen der
Flüssigkeit die Fruchtfleischkonzentration innerhalb der Tropfen verändert. Um das Verdampfen der
Flüssigkeit zu beschleunigen, werden die Objektträger auf eine dünne Aluminiumplatte und dann auf den
Heizkörper gelegt.
3.3
Messung der Oberflächenspannung mit der Abreißmethode
Die Oberflächenspannung von destilliertem Wasser gegen Luft soll mit Hilfe einer Anordnung gem. Abb.
3 gemessen werden. Als Kraftsensor kommt ein Biegestab zum Einsatz, der bereits aus dem Versuch
„Sensoren…“ bekannt ist.
6
Fotos der Gestelle finden Sie auf den Internetseiten des GPR.
224
Hinweise:
- Die Haltefäden am Ring wurden vor Versuchsbeginn von der technischen Assistenz so justiert, dass
der Ring waagerecht hängt. Änderungen an diesen Einstellungen nur nach Rücksprache mit der technischen Assistenz oder der/dem Betreuer/in!
- Der Ring darf auf keinen Fall mit den bloßen Händen angefasst werden, da sich sonst Fett- und
Schweißrückstände bilden, die die Messergebnisse verfälschen. Halten des Ringes deshalb nur an den
Haltefäden!
Zunächst wird der an einem Stativ aufgehängte Kraftsensor mit Hilfe eines Gewichtssatzes kalibriert. Für
mindestens fünf Gewichtskräfte G im Bereich (0 – 100) mN wird die Ausgangsspannung UM des Messverstärkers (Dämpfung ein) gemessen. Die Messung erfolgt mit Hilfe einer Datenerfassungskarte im PC 7
unter Einsatz des MATLAB-Skriptes DatenEinlesen.m (verfügbar unter Q:). Dabei handelt es sich um
eine umfangreichere und mit mehr Komfort zu bedienende Version des Skriptes, das beim Versuch
„Datenerfassung und –verarbeitung mit dem PC...“ zum Einsatz kam. Die grafische Oberfläche, die das
Skript generiert, ist selbsterklärend.
UM wird über G = mg aufgetragen und durch lineare Regression wird eine Kalibrierkurve (Ausgleichsgerade) ermittelt. Für g wird der Wert für Oldenburg verwendet: g = 9,8133 m/s2, der als fehlerfrei angenommen wird 8.
Der Ring wird gereinigt (in Ethanol schwenken und mit destilliertem Wasser abspülen; anschließend
mindestens eine Minute in destilliertes Wasser eintauchen und schwenken, trocknen mit Fön), an dem
Kraftsensor befestigt und sein Gewicht G bestimmt (UM messen, Umrechnung in G mit Hilfe der Kalibrierkurve).
Anschließend wird ein Becherglas mit destilliertem Wasser auf die höhenverstellbare Plattform gestellt
und soweit angehoben, dass der untere Rand des Ringes etwa 5 mm tief in das Wasser eintaucht. In dieser
Position soll der Ring zu Beginn der Messreihe einige Minuten gehalten werden, um eine gute Benetzung
mit dem Wasser zu gewährleisten. Die Temperatur des Wassers wird direkt vor der Messung bestimmt;
der Temperaturfühler muss vor der Messung gereinigt werden (in destilliertes Wasser eintauchen und
schwenken).
Die Plattform wird nun langsam und vorsichtig (ruckfrei) nach unten bewegt, bis die Lamelle abreißt.
Während dieses Vorgangs wird die Ausgangsspannung UM des Messverstärkers bei einer Abtastfrequenz
von 0,5 kHz im PC aufgezeichnet. Die Zahl der aufzunehmenden Messwerte richtet sich nach der Dauer
des Experiments. 10.000 Messwerte, entsprechend einer Messzeit von 20 s, sind ein guter Anfangswert.
Nach Ende der Datenaufnahme werden die Daten im ASCII-Format gespeichert (Button Save Data)
und anschließend nach Origin importiert. Dort erfolgt die Umrechnung der Ausgangsspannungen UM(t)
des Kraftsensors in ein Kraftsignal F(t) mit den Daten der Kalibrierfunktion. Die Parameter der Kalibrierfunktion (Ausgleichsgerade) können dabei als fehlerfrei angenommen werden. F(t) wird grafisch dargestellt und die maximale Kraft Fg vor dem Abreißen der Lamelle abgelesen. Abb. 8 zeigt einen typischen
Verlauf von F(t). Zum Ablesen der Maximalkraft kann das Origin-Tool „Datenkoordinaten“
(„Data Reader“) 9 verwendet werden.
Die Messung wird mindestens fünfmal durchgeführt. Dem Protokoll wird eine exemplarische Kraftkurve
beigefügt. Für jeden Messwert von Fg wird mit Hilfe der Gl. (7) bis (11) die Oberflächenspannung σ von
Wasser berechnet. Eine Fehlerangabe für jeden einzelnen Wert von σ ist nicht erforderlich. Die für die
7
8
9
Eingangs-Wahl-Schalter auf „FS“, Anschluss der Signalquelle an BNC-Buchse des Eingangskanals 0 (ACH 0
bzw. AI 0). Schiebeschalter über der BNC-Buchse von ACH 0 bzw. AI 0 auf BNC.
Wert nach http://www.ptb.de/cartoweb3/SISproject.php; der Fehler von 2×10-5 m/s2 wird vernachlässigt.
Das grafische Symbol des Tools Datenkoordinaten (Data Reader) ist
.
225
Berechnung des Korrekturfaktors (Gl. (10)) benötigte Dichte r des Wassers ist als Funktion der Temperatur im Anhang 4.1 angegeben.
Schließlich wird der Mittelwert von σ und seine Standardabweichung berechnet und mit dem Literaturwert für Wasser verglichen (Gl. (18) im Anhang 4.2).
2,2
Fg
F / a.u.
2,0
1,8
1,6
1,4
0
5
10
t / a.u.
Abb. 8: Exemplarischer Verlauf der Kraft F als Funktion der Zeit t bei der Bestimmung der
Oberflächenspannung nach der Abreißmethode. Fg ist die maximale Kraft vor Abreißen der
Lamelle. Die gepunkteten roten Linien markieren den Bereich des Größtfehlers ± ∆Fg von Fg,
der durch das Rauschen des Kraftsensors gegeben ist. „a.u.“ steht für arbitrary units (beliebige
Einheiten).
3.4
Messung der Oberflächenspannung mit der Blasendruckmethode
Die Oberflächenspannung von destilliertem Wasser gegen Luft soll mit Hilfe einer Anordnung gem. Abb.
4 gemessen werden. Im U-Rohr des Manometers befindet sich Wasser, dem zur besseren Benetzung des
U-Rohrs einige Tropfen Spülmittel zugesetzt sind. Das Becherglas B wird gereinigt, indem es mehrfach
mit destilliertem Wasser ausgespült und anschließend bis etwa 1 cm unter der Oberkante mit destilliertem
Wasser gefüllt wird. Die Temperatur des Wassers wird gemessen. Vor der Messung wird der Temperaturfühler gereinigt (wie in Kap. 3.3 beschrieben).
Die Kapillare wird in die Halterung eingesetzt, senkrecht ausgerichtet und mit Hilfe der Höhenverstelleinheit h = 30 mm tief in das destillierte Wasser eingetaucht. Die Position der Höhenverstelleinheit, bei der
die Kapillare gerade in die Flüssigkeit eintaucht, lässt sich durch gleichzeitige Beobachtung der Kapillarenöffnung und ihres Spiegelbildes im Wasser auf ± 0,05 mm genau bestimmen, so dass auch die Eintauchtiefe h mit der gleichen Genauigkeit eingestellt werden kann.
Hinweis:
Die Kapillare wurde vor Versuchsbeginn von der technischen Assistenz mit Ethanol gereinigt,
anschließend mit destilliertem Wasser durchgespült und in einem Stickstoffstrom getrocknet. Sie darf
im Metallbereich auf keinen Fall mit bloßen Händen angefasst werden, da sich sonst Fett- und
Schweißrückstände bilden, die die Messergebnisse verfälschen. Anfassen der Kapillare deshalb nur an
dem oberen PVC-Halter!
Zunächst wird der Drucksensor kalibriert. Das geschieht nach dem gleichen Verfahren wie es in den Versuchen „Sensoren…“ und „Datenerfassung und –verarbeitung mit dem PC...“ kennen gelernt wurde.
226
Während der Kalibrierung wird der Verbindungshahn zwischen dem Luftreservoir im ERLENMEYERkolben und der Kapillare geschlossen, der Verbindungshahn zum U-Rohr-Manometer geöffnet. Für mindestens fünf Höhendifferenzen hm im Manometer im Bereich (0 – 80) mm wird die Ausgangsspannung U des
Drucksensors gemessen, der Druck p(hm) berechnet, U über p aufgetragen und die Ausgleichsgerade
durch die Daten berechnet.
Die Messung der Ausgangsspannung des Sensors erfolgt wie bei der Abreißmethode (Kap. 3.3) mit Hilfe
einer Datenerfassungskarte im PC unter Einsatz des MATLAB-Skriptes DatenEinlesen.m.
Nach Abschluss der Kalibrierung wird der Hahn zum U-Rohr-Manometer geschlossen und der zur
Kapillare geöffnet. Der Scherentisch S unter dem Vorratsgefäß V wird anschließend langsam und vorsichtig (möglichst ruckfrei) solange nach oben bewegt, bis Gasblasen aus der Kapillare austreten. Während dieses Vorgangs wird die Ausgangsspannung des Drucksensors bei einer Abtastfrequenz von 1 kHz
im PC aufgezeichnet. Auch bei dieser Messung richtet sich die Zahl der aufzunehmenden Messwerte nach
der Dauer des Experiments. 20.000 Messwerte (entsprechend 20 s) sind ein guter Anfangswert.
Nach Ende der Datenaufnahme werden die Daten im ASCII-Format gespeichert (Button Save Data)
und anschließend in Origin importiert. Dort erfolgt die Umrechnung der Ausgangsspannungen U(t) des
Drucksensors in ein Drucksignal p(t) mit den Daten der Kalibrierfunktion. Die Parameter der Kalibrierfunktion (Ausgleichsgerade) können dabei als fehlerfrei angenommen werden. p(t) wird grafisch dargestellt und der maximale Druck pm direkt vor dem Abreißen der Blasen abgelesen. Abb. 9 zeigt einen typischen Verlauf von p(t). Zum Ablesen des Maximaldruckes kann wiederum das Origin-Tool „Datenkoordinaten“ („Data Reader“) verwendet werden.
pm
p / a.u.
3,4
3,2
0
5
10
15
t / a.u.
Abb. 9: Exemplarischer Verlauf des Druckes p als Funktion der Zeit t bei der Bestimmung der Oberflächenspannung nach der Blasendruckmethode. pm ist der maximale Druck vor Abreißen der Blasen. Die gepunkteten roten Linien markieren den Bereich des Größtfehlers ± ∆pm von pm, der
durch das Rauschen des Drucksensorsignals gegeben ist. Die Welligkeit des Druckanstiegs wird
durch ungleichmäßiges Anheben des Scherentisches verursacht.
Die Messung wird insgesamt mindestens fünfmal durchgeführt. Dem Protokoll wird eine exemplarische
Druckkurve beigefügt. Aus den Daten für pm wird der Mittelwert pm und seine Standardabweichung
berechnet. Aus pm , der Eintauchtiefe h sowie den Literaturdaten für g und r wird der Überdruck ∆p inkl.
Größtfehler gem. Gl. (13) bestimmt:
227
(16)
∆p =
h ) g = pm − hg
( ρρρ
m hm −
r wird aus Gl. (17) (Anhang 4.1) berechnet und als fehlerfrei angenommen. Für g wird der Wert für
Oldenburg verwendet: g = 9,8133 m/s2, der ebenfalls als fehlerfrei angenommen wird. Die einzigen
Größen, die den Größtfehler der Druckdifferenz ∆p bestimmen, sind demnach der Größtfehler ∆h von h
und die Standardabweichung von pm .
Schließlich wird die Oberflächenspannung σ gem. Gl. (14) berechnet. Der Größtfehler von σ wird mit
Hilfe der Näherungslösung aus Gl. (15) bestimmt. Das Ergebnis wird mit dem Literaturwert (Gl. (18))
sowie mit dem Messwert nach der Abreißmethode verglichen.
3.5
Innendruck in Gasblasen
Ein Glasrohrgestell gem. Abb. 10 wird mit den beiden Austrittsöffnungen in Seifenlauge getaucht und
anschließend herausgezogen. Durch Luftzufuhr an den Eintrittsöffnungen und geeignetes Öffnen und
Schließen der Hähne können an den beiden Austrittsöffnungen zwei unterschiedlich große Seifenblasen
aufgeblasen werden. Anschließend wird der Verbindungshahn zwischen beiden Blasen geöffnet.
Frage 1:
- Welche Blase wächst zu Lasten der anderen und warum? (Hinweis: beachte Gl. (15))
- Wie groß ist der Innendruck p in einer Gasblase vom Radius r, die von einer Seifenhautlamelle
(Oberflächenspannung der Seifenlösung: σ) umgeben ist? 10
Abb. 10: Glasrohrgestell zur Demonstration des Innendruckes in Gasblasen.
10
Hinweis: Bei einer Luftblase in Wasser gibt es eine Grenzfläche zwischen Luft und Wasser. Bei einer Seifenblase gibt es zwei Grenzflächen zwischen der Seifenlauge und Luft.
228
4
Anhang
4.1
Dichte von Wasser
Die Temperaturabhängigkeit der Dichte r von Wasser lässt sich durch folgendes Polynom beschreiben
(T in °C, Gültigkeitsbereich: -20°C < T < 110°C) 11:
(17)
 0,99975 + 8,42492 ⋅ 10-5 {T } -8,82693 ⋅ 10-6 {T }2
ρ 10 ⋅ 
=
 + 5,91004 ⋅ 10-8 {T }3 - 2,05642 ⋅ 10-10 {T }4

3
 kg

 m3

Der Verlauf dieser Funktion ist in Abb. 11 dargestellt.
1,01
1,00
r / 103 kg m-3
0,99
0,98
0,97
0,96
0,95
-40
-20
0
20
40
60
80
100
120
T / °C
Abb. 11: Dichte von Wasser als Funktion der Temperatur.
4.2
Oberflächenspannung von Wasser
Die Temperaturabhängigkeit der Oberflächenspannung σ von Wasser gegen Luft lässt sich durch
folgendes Polynom beschreiben (T in °C, Gültigkeitsbereich: 0°C < T < 100°C)11:
(18)
 0,07569 -1,49944 ⋅ 10-4 {T } + 1,97712 ⋅ 10-7 {T }2
σ =
 - 8,34217 ⋅ 10-9 {T }3 + 4,57847 ⋅ 10-11 {T }4


N
m

Der Verlauf dieser Funktion ist in Abb. 12 dargestellt.
11
Polynomfit an Daten aus WEAST, R. C. [Ed.]: „CRC Handbook of Chemistry and Physics“, 56th Ed., CRC
Press, Boca Raton; Fehler vernachlässigbar.
229
0,076
0,074
0,072
σ / N m-1
0,070
0,068
0,066
0,064
0,062
0,060
0,058
0
20
40
60
80
100
T / °C
Abb. 12: Oberflächenspannung σ von Wasser gegen Luft als Funktion der Temperatur T.
230
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Modul Grundpraktikum Physik – Teil I
Viskosität und Reynoldszahlen
Stichworte:
Reibung, Reibungskraft, Auftrieb, Viskosität, laminare und turbulente Strömung, REYNOLDSzahl,
STOKESsches Gesetz, BERNOULLIsches Gesetz, HAGEN-POISEUILLEsches Gesetz
Messprogramm:
Messung der Viskosität mit der Kugelfallmethode, Messung der kinematischen Viskosität mit dem
Kapillarviskosimeter, Bestimmung der REYNOLDSzahl für den Übergang von laminarer zu turbulenter
Rohrströmung.
Literatur:
/1/ DEMTRÖDER, W.: „Experimentalphysik 1 - Mechanik und Wärme“, Springer-Verlag, Berlin u.a.
/2/ SCHENK, W., KREMER, F. (Hrsg.): „Physikalisches Praktikum“, Vieweg + Teubner Verlag,
Wiesbaden
/3/ WALCHER, W.: „Praktikum der Physik“, Teubner Studienbücher, Teubner-Verlag, Stuttgart
1
Einleitung
Das NEWTONsche Gesetz „Kraft proportional Beschleunigung“ scheint vielen alltäglichen Erfahrungen zu
widersprechen. Betrachtet man beispielsweise die Bewegung von Körpern unter dem Einfluss von Reibung, so trifft die Beschreibung „Kraft proportional Geschwindigkeit“ eher zu: um etwa beim Radfahren
eine konstante Geschwindigkeit einzuhalten, muss dauernd Kraft aufgewendet werden. Will man dauerhaft schneller fahren, muss man dauerhaft schneller treten, was dauernd mehr Kraft erfordert.
Tatsächlich lassen sich viele mechanische Abläufe, bei denen Reibung eine Rolle spielt, mit dem Ansatz
„Kraft ~ Geschwindigkeit“ befriedigend beschreiben. Das gilt z.B. für den Einfluss der Reibung auf das
Fallen von Kugeln in Flüssigkeiten oder Gasen. Zwei wichtige Beispiele für solche Fallvorgänge sind das
Absetzen von Staubteilchen oder Wassertröpfchen (Nebel) aus der Luft und die Bewegung winziger
Öltröpfchen, wie sie im MILLIKANschen Versuch zur Bestimmung der Elementarladung zur Anwendung
kommen.
Dieser Versuch hat zum Ziel, aus der Beobachtung solcher Fallvorgänge und der Strömung von Flüssigkeiten durch Kapillaren die Viskosität einer Flüssigkeit zu bestimmen. Außerdem wird der Übergang von
einer laminaren in eine turbulente Strömung untersucht und die zugehörige REYNOLDSzahl bestimmt.
2
Theorie
2.1
Bestimmung der Viskosität mit der Kugelfallmethode nach Stokes
Wir betrachten gemäß Abb. 1 eine Kugel vom Radius r, die mit der Geschwindigkeit v durch eine unendlich ausgedehnte Flüssigkeit gezogen wird. Um die Kugel zu bewegen, müssen Reibungskräfte überwunden werden. Sie rühren daher, dass die direkt an die Kugel angrenzende Flüssigkeitsschicht an der Kugel
haftet und folglich mitbewegt werden muss. Die mitbewegte Schicht reißt die ihr benachbarte Flüssigkeitsschicht mit, diese reißt wiederum ihre Nachbarschicht mit usw. Im Ergebnis entsteht infolge dieser
Reibung um die Kugel herum eine Flüssigkeitsströmung, deren Geschwindigkeit mit größer werdendem
Abstand quer zur Kugel abnimmt.
231
2r
V
Abb. 1: Bewegung einer Kugel durch eine Flüssigkeit.
Aus den NAVIER-STOKES-Gleichungen 1, mit denen Bewegungen von Flüssigkeiten beschrieben werden
können, lässt sich die Reibungskraft FR berechnen, die die Flüssigkeit einer Bewegung der Kugel mit der
Geschwindigkeit v entgegensetzt. Da die Vektoren FR und v längs der gleichen Achse orientiert sind,
reicht im Folgenden eine Betrachtung ihrer Beträge FR und v. Nach einer komplizierten Rechnung, die
erst in höheren Semestern nachvollzogen werden kann, ergibt sich, dass die Reibungskraft FR zur
Geschwindigkeit v und zum Kugelradius r proportional ist:
(1)
FR  v
FR  r
und dass gilt:
(2)
FR = 6πη rv
Die Konstante η heißt Viskosität (auch Koeffizient der inneren Reibung oder dynamische Zähigkeit). Ihre
SI-Einheit ist [η] = kg/(m⋅s) = N⋅s/m2 = Pa⋅s. Die alte CGS-Einheit, die noch in vielen Tabellenwerken
gebräuchlich ist, ist das POISE 2 (1 POISE = 1 p = 1 g/(cm⋅s)).
Gl. (2) ist das so genannte STOKESsche Gesetz. Es beschreibt die Bewegung der Kugel jedoch nur dann
richtig, wenn die durch die Kugelbewegung erzeugte Flüssigkeitsströmung laminar ist. Eine laminare
Strömung liegt dann vor, wenn die einzelnen Flüssigkeitsschichten glatt übereinander gleiten, also nicht
untereinander verwirbeln. Anschaulich bedeutet dies, dass sich glatte, zusammenhängende Stromlinien
um die Kugel herum ausbilden (Abb. 2). Im Gegensatz dazu spricht man von turbulenter Strömung, wenn
die Flüssigkeitsschichten untereinander verwirbeln. In diesem Fall ergeben sich verwirbelte Stromlinien
(Abb. 3; siehe auch Abbildungen auf dem Titelblatt dieses Praktikumskriptes) und die aufzuwendende
Kraft wird oft proportional zu v2:
(3)
FR  v 2
Mit Hilfe der dimensionslosen REYNOLDSzahl 3 Re lässt sich abschätzen, ob eine Strömung laminar oder
turbulent verläuft. Sie ist gegeben durch:
(4)
Re =
ρ vl
η
Dabei ist ρ die Dichte der Flüssigkeit und l eine für den betrachteten Strömungvorgang charakteristische
Länge. In unserem Fall entspricht l dem Durchmesser der Kugel; im Falle einer Strömung durch ein Rohr
(vgl. Gl. (36)) entspricht l dem Rohrdurchmesser.
1
2
3
CLAUDE LOUIS MARIE HENRI NAVIER (1785 – 1836); GEORGE GABRIEL STOKES (1819 – 1903).
JEAN-LOUIS MARIE POISEUILLE (1799 – 1869).
OSBORN REYNOLDS (1842 – 1912)
232
Abb. 2: Laminare Strömung um eine
Kugel.
Abb. 3: Turbulente Strömung um eine Kugel. Links
schematisch, rechts Originalaufnahme von
LUDWIG PRANDTL (1875 – 1953) 4.
Die REYNOLDSzahl hat eine anschauliche physikalische Bedeutung: sie ist proportional zum Quotienten
aus der kinetischen Energie Ek eines Volumenteilchens mit der Kantenlänge l und der Reibungsenergie
ER, die beim Verschieben des Teilchens um die Strecke l „verbraucht“ wird. Für das Beispiel eines kugelförmigen Flüssigkeitsteilchens (Masse m, Geschwindigkeit v, Dichte ρ, Durchmesser l) ergibt sich als
kinetische Energie:
(5) =
Ek
1
1
=
m v2
ρ π l 3 v2
2
12
Die Reibungsenergie ist das Produkt aus Reibungskraft (Gl. (2) mit r = l/2) und Strecke l:
(6)
ER = 3 π η v l 2
Der Quotient beider Größen ergibt bis auf die Konstante 1/36 die REYNOLDSzahl aus Gl. (4).
Eine Strömung verläuft laminar bei „kleinen“ und turbulent bei „großen“ REYNOLDSzahlen 5. Dabei sind
die Begriffe „klein“ und „groß“ jedoch nur als relative Angaben zu verstehen. Was „klein“ und was
„groß“ ist, ist stark abhängig vom betrachteten Experiment. So verlaufen z.B. Rohrströmungen laminar
für REYNOLDSzahlen Re < 2.000 - 2.500. Für fallende Kugeln in Flüssigkeiten muss Re < 0,2 sein /3/,
damit die Strömung nicht turbulent wird und das STOKESsche Gesetz gültig bleibt.
FA
FR
G
Abb. 4: Wirkende Kräfte auf eine fallende Kugel.
4
5
Quelle: PHYSIK JOURNAL 3.10 (2004) 31-37
Die Bedingungen für laminare oder turbulente Strömungen sind nach neueren Erkenntnissen erheblich komplexer, als in diesem Text und in gängigen Lehrbüchern dargestellt, siehe z.B. B. HOF et al: „Finite lifetime of turbulence in shear flows“, Nature 443 (2006) 59-62. Hierauf kann im Rahmen des Grundpraktikums jedoch nicht
eingegangen werden.
233
Wir betrachten nun das Fallen einer Kugel mit der Masse m, dem Radius r und dem Volumen V in einer
unendlich ausgedehnten Flüssigkeit mit der Dichte ρF und der Viskosität η. Auf die Kugel wirken drei
Kräfte (Abb. 4), die alle in vertikaler Richtung orientiert sind. Deshalb reicht die Betrachtung ihrer
Beträge. Die Kräfte sind die nach unten gerichtete Gewichtskraft G = mg (g: Erdbeschleunigung), die
nach oben gerichtete Auftriebskraft FA = ρFVg und die ebenfalls nach oben gerichtete Reibungskraft (Gl.
(2)) FR = 6πηrv. Die resultierende Kraft F ist also:
(7)
F =G − FA − FR
Diese Kraft F beschleunigt die Kugel nach unten auf zunächst immer größer werdende Geschwindigkeiten v. Mit v wächst jedoch auch FR, so dass F immer kleiner und schließlich gleich null wird. Von diesem
Zeitpunkt an gilt:
(8)
F =G − FA − FR =0
Die Kugel fällt von nun an mit der konstanten Geschwindigkeit v0.
Frage 1:
- Wie bewegt sich eine Gasblase, die am Boden eines Wasserglases freigesetzt wird (z. B. eine CO2Blase in einem Glas mit Mineralwasser)?
Setzen wir G, FA und FR mit v = v0 in Gl. (8) ein, so erhalten wir:
(9)
0
mg − r F Vg − 6πη rv0 =
Wir setzen nun noch m = ρKV (mit ρK : Dichte des Kugelmaterials) sowie V =
4 3
πr und erhalten damit
3
aus Gleichung (9):
(10)
4 3
πr g ( rr
0
K − F ) − 6πη rv0 =
3
Lösen wir diese Gleichung nach η auf, so erhalten wir
(11)
2
9
η = r2g
( rr
K − F)
v0
Aus Gl. (11) folgt eine einfache Möglichkeit zur indirekten Messung von η, wenn ρK und ρF bekannt
sind: Man lässt Kugeln vom Radius r in der zu untersuchenden Flüssigkeit fallen und misst ihre Fallgeschwindigkeit v0 nach Erreichen des Zustands F = 0.
Dabei taucht ein Problem auf: In der Regel haben wir es nicht mit unendlich ausgedehnten Flüssigkeiten
zu tun, sondern beispielsweise mit Zylindern vom Radius R, in denen das Fallen der Kugeln beobachtet
wird. In diesen Fällen muss die zusätzliche Reibung der von der Kugel mitgerissenen Flüssigkeit an der
Zylinderwand berücksichtigt werden. Sie führt dazu, dass die gemessene Geschwindigkeit vm kleiner ist
als die Geschwindigkeit v0 im Falle der unendlich ausgedehnten Flüssigkeit. Da die Abweichung zwischen v0 und vm vor allem durch das Verhältnis der Querschnittsflächen von Kugel und Zylinder bestimmt
ist, kann näherungsweise gesetzt werden:
(12)
r
vm ≈ v0 − k  
R
2
234
wobei k ein experimentell zu bestimmender Korrekturfaktor ist 6. Damit folgt:
2
(13)
r
v0 ≈ vm + k  
R
2.2
Bestimmung der Viskosität mit einem Kapillarviskosimeter nach UBBELOHDE
Durch eine senkrecht stehende Kapillare vom Radius r0 strömt eine Flüssigkeit. Die Zeit ∆t, die ein Flüssigkeitsvolumen V benötigt, um durch die Kapillare zu fließen, wird durch die Viskosität η der Flüssigkeit bestimmt. Je größer η, desto größer ∆t. Nach diesem einfachen Prinzip arbeiten Kapillarviskosimeter.
Abb. 5 zeigt ein solches Kapillarviskosimeter nach UBBELOHDE, das in Kap. 3.2 und im Anhang 4.4 noch
näher beschrieben wird.
2
3
1
G
M1
V
B
M2
l
2r0
D
H
Abb. 5: Kapillarviskosimeter nach UBBELOHDE. Durch die Kapillare (rot) mit Radius r0 und Länge l
strömt während der Zeit ∆t das Volumen V. Weitere Bezeichnungen siehe Kap. 3.2 und Anhang
4.4.
Die exakte Herleitung des quantitativen Zusammenhangs zwischen η und ∆t erfordert einigen Aufwand.
Die Herleitung ist im Anhang 4.4 dargestellt. Hier geben wir nur das Ergebnis wieder:
6
Gl. (13) ist ein für die verwendete Versuchsanordnung empirisch gefundenes Gesetz. Die vielfach verwendete
Korrektur nach LADENBURG (siehe z.B. /2/) liefert für diese Versuchsanordnung deutlich schlechtere Ergebnisse.
235
(14)
=
η K ρ ∆t
Hierbei ist ρ die Dichte der Flüssigkeit und K eine Apparatekonstante des verwendeten Viskosimeters, in
die u.a. das durchgeflossene Volumen V eingeht (Abb. 5).
Für die kinematische Viskosität υ = η/ρ mit der Einheit [υ] = m2/s erhält man:
(15)
υ= K ∆t
In Gl. (14) und (15) ist noch eine Korrektur anzubringen. Wenn nämlich die Flüssigkeit aus dem breiten
Vorratsgefäß B (Abb. 5) des Kapillarviskosimeters in die enge Kapillare eintritt, muss sie nach dem
BERNOULLIschen Gesetz 7 beschleunigt werden. Die dazu erforderliche Arbeit führt zu einem kleinen
Druckverlust, der eine Vergrößerung der Auslaufzeit ∆t bewirkt. Von den gemessenen Zeiten ∆t sind
daher Korrekturzeiten tk abzuziehen (HAGENBACHsche Korrektur), die von den Herstellern der
UBBELOHDE-Viskosimeter als Apparatekonstanten mitgeliefert werden. Die endgültige Gleichung zur
Bestimmung der kinematischen Viskosität lautet daher:
(16)
υ= K ( ∆t − tk )
2.3
Laminare und turbulente Rohrströmung
Abb. 6 zeigt eine Anordnung, mit der der Übergang von einer laminaren in eine turbulente Strömung in
einem zylindrischen Rohr untersucht werden kann 8. Ein langes Plexiglasrohr vom Innendurchmesser d
wird von einer Flüssigkeit, hier Wasser, durchströmt. Das Wasser fließt aus einem Tank in das Rohr.
Durch einen Zulauf (Wasserhahn) strömt Wasser in den Tank nach. Ein Überlauf sorgt dafür, dass der
Wasserstand im Tank konstant bleibt, so dass am Einlauf in das Rohr immer der gleiche Druck herrscht.
Ein Flies sorgt für eine Beruhigung des Wasserzulaufs. Mit einem Hahn H1 am Ende des Rohres kann die
Strömungsgeschwindigkeit v reguliert werden.
Zusätzlich zu dem Wasser aus dem Tank gelangt gleichzeitig ein dünner Strahl mit eingefärbtem Wasser
durch eine Düse mittig in das Rohr. Die Durchflussmenge durch die Düse kann mit einem Hahn H2 variiert werden. Der Strahl ist bei kleiner Strömungsgeschwindigkeit v als glatter Stromfaden in dem Rohr zu
sehen. Wird die Strömungsgeschwindigkeit durch Öffnen des Hahns H1 langsam erhöht, beginnt der
Stromfaden ab einer bestimmten Geschwindigkeit vt zu verwirbeln und zeigt damit den Übergang von
einer laminaren in eine turbulente Strömung an. Durch Messen der Wasserdurchflussmenge pro Zeit bei
dieser Stellung des Hahns H1 kann die Strömungsgeschwindigkeit vt bestimmt und die zugehörige
REYNOLDSzahl Re berechnet werden:
(17)
Re =
ρ w vt d
ηw
Dabei sind ρw und ηw die Dichte und Viskosität des Wassers.
Einzelheiten zur quantitativen Beschreibung der Wasserströmung durch ein Rohr sind im Anhang 4.3
dargestellt.
7
8
DANIEL BERNOULLI (1700 – 1782).
Nach Empfehlung von A. HEIDER, DEUTSCHES ZENTRUM FÜR LUFT- UND RAUMFAHRT (DLR), Göttingen.
236
Farbe
Überlauf
H2
Zulauf
H1
Ablauf
d
Düse
Flies
Ablauf
Abb. 6: Anordnung zur Untersuchung des Übergangs von einer laminaren zu einer turbulenten Strömung in einem Rohr vom Innendurchmesser d. Einzelheiten siehe Text.
3
Versuchsdurchführung
Zubehör:
6 Glaszylinder mit unterschiedlichen Durchmessern in justierbarem Gestell mit Wasserwaage, Stopfen
für die Zylinder mit mittig angebrachtem Loch, 2 l Behälter mit Glyzerin-Wasser-Gemisch, Stahlkugeln (ca. 100 Stück mit d ≈ 2 mm), Pinzette, Analysenwaage (Genauigkeit 0,001 g), Laborwaage
(Genauigkeit 0,01 g), Bügelmessschraube, Messschieber, Stoppuhr, Thermometer (Genauigkeit
0,1 °C), Magnet, UBBELOHDE-Viskosimeter (K ≈ 10-8 m2/s2) in Halterung und Wasserbad, Saugschlauch, Ethanol, Strömungsrohr (d = (12,10 ± 0,05) mm) in Halterung mit Wassertank, Wasser mit
Lebensmittelfarbe, Messzylinder (100 ml und 1000 ml), Eimer, Feudel, Papiertuchrolle.
3.1
Messung der Viskosität eines Glyzerin-Wasser-Gemisches mit der Kugelfallmethode
Hinweise:
- Die Mischungsverhältnisse der Glyzerin-Wasser-Gemische sind bei den einzelnen Versuchsaufbauten
nicht identisch. Da die Viskosität empfindlich vom Mischungsverhältnis und der Temperatur abhängt
(s. Kap. 4.1 und 4.2), muss jede Praktikumsgruppe den gesamten Versuch bei möglichst konstanter
Raumtemperatur mit dem Gemisch aus einem Vorratsbehälter durchführen!
- Der Arbeitsplatz muss sauber verlassen werden!
Mit einer Anordnung gemäß Abb. 7 soll die Fallbewegung von Stahlkugeln (d = 2r ≈ 2 mm) in einem
Glyzerin-Wasser-Gemisch mit dem Ziel untersucht werden, die Viskosität des Gemisches nach Gl. (11)
zu bestimmen. Um den Einfluss der Reibungseffekte an der Gefäßwand quantifizieren zu können (s. Gl.
(13)), kommen Glaszylinder mit unterschiedlichem Radius R zum Einsatz.
Zur Vorbereitung des Versuches müssen zunächst folgende Größen bestimmt werden:
(a) Dichte ρF des Gemisches durch Wägung eines mit einem Messzylinder ermittelten Volumens auf der
Laborwaage.
(b) Mittlerer Radius r der Kugeln durch Messung des Durchmessers von mindestens 10 Kugeln mit der
Bügelmessschraube und anschließender Mittelwertbildung.
(c) Dichte ρK des Kugelmaterials durch Wägung von n Kugeln (n ≥ 100) auf der Analysenwaage.
237
(d) Radien R der verwendeten Glaszylinder durch Messung der Innendurchmesser mit dem Messschieber.
(e) Temperatur des Gemisches. Da die Viskosität stark temperaturabhängig ist, macht die Angabe eines
Messergebnisses nur Sinn bei gleichzeitiger Angabe der Temperatur des Gemisches. Raumtemperatur
während des Versuchs so konstant wie möglich halten!
2R
2r
vm
s
Abb. 7: Messanordnung zum Kugelfallversuch in Flüssigkeiten. Die Kugeln vom Radius r fallen durch
den oberen durchbohrten Stopfen (grau). Dadurch soll gewährleistet werden, dass sie möglichst
zentral in die Flüssigkeit (beige) fallen, die sich in einem Zylinder mit dem Innenradius R befindet.
Nach diesen Vorbereitungen wird das Glyzerin-Wasser-Gemisch vorsichtig in sechs Glaszylinder mit
unterschiedlichen Radien R eingefüllt (Blasenbildung vermeiden! Flüssigkeitspegel muss unter der
Unterkante der Stopfen bleiben!). Anschließend werden die Zylinder im Gestell fixiert (Kunststoffschrauben vorsichtig festdrehen) und die Grundplatte des Gestells wird mit Hilfe einer integrierten Wasserwaage waagerecht ausgerichtet. Die Zylinder stehen dann senkrecht. Danach lässt man je 10 Kugeln
zentral in die Zylinder fallen; zur Zentrierung wird ein passender, in der Mitte durchbohrter Stopfen
benutzt (Abb. 7). Mit der Stoppuhr bestimmt man die Fallzeit t für eine Fallstrecke s, die durch die beiden
horizontal angeordneten Haltebleche der Zylinder festgelegt ist (s mit dem Messschieber messen). Der
Beginn der Fallstrecke (also das obere Halteblech) liegt einige cm unter der Flüssigkeitsoberfläche.
Frage 2:
- Warum darf die Fallstrecke nicht an der Flüssigkeitsoberfläche beginnen?
Frage 3:
- Warum ist es wichtig, dass die Kugeln zentral in die Zylinder fallen?
Für jeden Glaszylinder wird die Sinkgeschwindigkeit
(18)
vm =
s
t
bestimmt, wobei t der Mittelwert der gemessenen Fallzeiten für die je 10 Kugeln ist. Anschließend wird
vm über (r/R)2 aufgetragen (mit Fehlerbalken für vm) und eine Ausgleichsgerade durch die Messdaten
gezeichnet. Der Schnittpunkt der Geraden mit der vm-Achse ergibt die gesuchte Geschwindigkeit v0 für
eine unendlich ausgedehnte Flüssigkeit (R → ∞).
238
Mit den experimentell gewonnenen Daten v0, r, ρK und ρF sowie der Erdbeschleunigung für Oldenburg
(g = 9,8133 m/s2, Fehler vernachlässigbar 9) wird die Viskosität η des Glyzerin-Wasser-Gemisches nach
Gl. (11) bestimmt und mit den Angaben aus Tab. 1 (Kap. 4.1) verglichen.
Nach Ende der Messung wird die Flüssigkeit vorsichtig (erneut Blasenbildung vermeiden!) aus den Glaszylindern durch ein Sieb in das Vorratsgefäß zurück gegossen, um die Kugeln aufzufangen. Die in den
Zylindern verbleibenden Kugeln werden mit einem Magneten herausgeholt. Die Kugeln werden in
Wasser gereinigt und mit Haushaltspapier getrocknet.
3.2
Messung der kinematischen Viskosität mit dem Kapillarviskosimeter
Mit einem Kapillarviskosimeter nach UBBELOHDE soll die kinematische Viskosität von Ethanol bei
Raumtemperatur bestimmt werden. Das Viskosimeter befindet sich in einem großen Wasserbad, das für
die Dauer des Versuchs für eine konstante Temperatur (messen!) innerhalb der Kapillare sorgt. Von der
technischen Assistenz wurde das Viskosimeter vor Versuchsbeginn senkrecht ausgerichtet und das Vorratsgefäß H über das Rohr 1 (s. Abb. 5) zu etwa ¾ mit Ethanol gefüllt.
Rohr 3 wird mit dem Finger verschlossen. Mit Hilfe eines an Rohr 2 angeschlossenen Saugschlauches
wird die Flüssigkeit in Rohr 2 so weit hoch gesaugt, bis das Vorlaufgefäß G gefüllt ist. Anschließend
werden Rohr 2 und 3 geöffnet und die Zeit ∆t gemessen, in der der Flüssigkeitsspiegel von der Marke M1
bis zur Marke M2 absinkt. Anschließend wird die Messung dreimal wiederholt. Aus den Messdaten und
den bereitliegenden Apparatekonstanten K und tk wird die kinematische Viskosität υ von Ethanol bei der
im Wasserbad herrschenden Temperatur bestimmt und mit dem Literaturwert verglichen.
3.3
Bestimmung der REYNOLDSzahl für den Übergang von laminarer zu
turbulenter Rohrströmung
Mit einer Anordnung nach Abb. 6 soll die REYNOLDSzahl für den Übergang von einer laminaren in eine
turbulente Rohrströmung bestimmt werden. Zunächst wird der Tankzulauf (Wasserhahn) so weit geöffnet, dass der Wasserstand das Niveau der oberen Kante des Überlaufs während des Versuches gerade
nicht unterschreitet. Der Schlauch am Ablauf des Rohres wird in das Abflussbecken gelegt. Der Hahn H1
am Ende des Rohres wird langsam geöffnet, bis Wasser am Rohrende abfließt. Bei kleiner Strömungsgeschwindigkeit ist die Rohrströmung laminar. Anschließend wird der Hahn H2 so weit geöffnet, dass in
dem Rohr ein dünner, glatter Stromfaden sichtbar wird. Danach wird der Hahn H1 langsam weiter bis zu
der Stellung geöffnet, bei der die laminare in eine turbulente Rohrströmung umschlägt. Dies erkennt man
daran, dass der Stromfaden zu „zittern“ beginnt.
Um die Strömungsgeschwindigkeit v bei dieser Stellung des Hahnes H1 zu messen, wird für eine mit der
Stoppuhr zu messende Zeit ∆t ein Messzylinder unter den Abflussschlauch des Rohres gehalten und das
ablaufende Wasser aufgefangen. Aus dem während der Zeit ∆t aufgefangenen Wasservolumen V, dem
Innendurchmesser d des Rohres sowie der Dichte 10 und der Viskosität η des Wassers (s. Anhang 4.2)
lässt sich v und damit schließlich die gesuchte REYNOLDSzahl Re bestimmen.
9
10
Wert nach http://www.ptb.de/cartoweb3/SISproject.php; der Fehler von 2×10-5 m/s2 wird vernachlässigt.
Zur temperaturabhängigen Dichte von Wasser siehe Versuch „Oberflächenspannung...“.
239
4
Anhang
4.1
Viskosität von Glycerin
Glyzerin 11 (C3H8O3) ist hygroskopisch, d.h. wasseranziehend. Lässt man es längere Zeit offen stehen, so
nimmt es aus der Umgebungsluft Feuchtigkeit auf, d.h. es entsteht ein Gemisch, dessen Wassergehalt im
Laufe der Zeit zunimmt. Dieses Gemisch hat eine andere Viskosität als reines Glyzerin. Zur Orientierung
seien für eine Temperatur von 20° C einige Daten genannt:
C3H8O3
Gew.-%
100
96
92
88
84
80
H2O
Gew.-%
0
4
8
12
16
20
η/
kg m-1s-1
1,76
0,761
0,354
0,130
0,071
0,048
Tab. 1: Viskosität von Glyzerin/Wasser- Gemischen bei 20°C 12.
Darüber hinaus ist die Viskosität stark temperaturabhängig. Für reines Glycerin gilt bei T = 20 °C:
η = 1,76 kg/(m s) (s.o.) und bei T = 25 °C: η = 0,934 kg/(m s) 13
4.2
Viskosität von Wasser
Abb. 8 zeigt die Viskosität η von Wasser als Funktion der Temperatur T. Der Verlauf der Daten lässt sich
im Temperaturbereich zwischen 10 °C und 35 °C in guter Näherung durch ein Polynom 4. Grades
beschreiben (T in °C) 12:
(19)
11
12
13
1,77721 - 0,05798 {T } + 0,00125 {T }2
η ≈
3
4
5
 -1,66039 ⋅ 10-{T } + 9,814 ⋅ 10 8 {T }


kg
 10-3

ms

Weitere gebräuchliche Eigennamen von Glycerin sind Glycerol, Propan-1,2,3-triol u.a. Die Struktur wird durch
C3H5(OH)3 beschrieben.
Daten nach: WEAST, R. C. [Ed.]: „CRC Handbook of Chemistry and Physics”, 56th Ed., CRC Press, Boca Raton, 1975 - 1976. Alle Daten ohne Fehlerangaben.
LIDE, D. R. [Ed.]: "CRC Handbook of Chemistry and Physics on CD-ROM", Taylor & Francis, Boca Raton,
FL, 2006. Daten ohne Fehlerangaben.
240
1,4
1,3
η / 10-3 kg m-1 s-1
1,2
1,1
1,0
0,9
0,8
0,7
0,6
10
20
30
40
T / °C
Abb. 8: Viskosität η von Wasser als Funktion der Temperatur T.
4.3
Laminare Rohrströmung
In diesem Anhang wird dargestellt, wie die Strömungsgeschwindigkeit v und ihr laterales Profil v(r) in
einem zylindrischen Rohr quantitativ berechnet werden kann. 14
Eine ideale Flüssigkeit ist inkompressibel und frei von inneren Reibungskräften. Wir betrachten gem.
Abb. 9 eine solche Flüssigkeit, die durch ein sich verjüngendes horizontales Rohr strömt. Aus der Inkompressibilität der Flüssigkeit folgt, dass der Volumenstrom (durchströmendes Volumen pro Zeit) an jeder
Stelle des Rohres gleich sein muss. Sind A1 die Querschnittsfläche des Rohres und v1 die Strömungsgeschwindigkeit im Rohr auf der linken Seite und A2 und v2 die entsprechenden Größen auf der rechten
Seite, so bedeutet dies:
(20)
A=
A=
const.
1 v1
2 v2
∆V
A1
A2
F1
F2
p2
p1
∆x2
∆x 1
Abb. 9: Strömung durch ein sich verjüngendes horizontales Rohr. Bezeichnungen siehe Text.
14
r ist der laterale Abstand von der Längsachse des Rohres.
241
Gl. (20) heißt Kontinuitätsgleichung.
Um ein Flüssigkeitsvolumen ∆V in der linken Rohrseite um ∆x1 nach rechts zu bewegen, muss durch den
links herrschenden statischen Druck p1 die Arbeit W1 verrichtet werden:
(21)
W1 = F1 ∆x1 = p1 A1∆x1 = p1∆V
Die erforderliche Arbeit W2 zur Bewegung des gleichen Volumens ∆V durch die rechte Rohrseite gegen
den statischen Druck p2 ist gegeben durch:
(22)
W2 = F2 ∆x2 = p2 A2 ∆x2 = p2 ∆V
Aus dem Energieerhaltungssatz folgt, dass die Arbeitsdifferenz W1 - W2 zu einer Zunahme der kinetischen
Energie der Flüssigkeit (Dichte ρ) im rechten Teil des Rohres führen muss. Sind m die Masse und v1, v2
die Geschwindigkeiten der Volumina ∆V, so folgt:
(23)
W1 − W2 = p1 ∆V − p2 ∆V =
1
1
1
1
m v22 − m v12 = ρ ∆V v22 − ρ ∆V v12
2
2
2
2
Nach Division durch ∆V und Umsortieren der Terme folgt schließlich:
(24)
1
1
1
p1 + ρ v12 =+
p2
ρ v22 :=
p + ρ v2 =
const.
2
2
2
Dies ist das BERNOULLIsche Gesetz. Es besagt, dass unter den genannten Annahmen die Summe aus statischem Druck p und Staudruck ½ρv2 an jeder Stelle des Rohres konstant sein muss.
Für ein senkrecht statt horizontal stehendes Rohr muss der von der Höhe h abhängige hydrostatische
Druck ρgh mit berücksichtigt werden (g ist die Erdbeschleunigung). Dann lautet das BERNOULLIsche
Gesetz:
(25)
1
p + ρ v 2 + ρ gh =
const.
2
In einem horizontalen Rohr mit konstantem Durchmesser, das von einer idealen Flüssigkeit durchströmt
wird, sind Druck und Strömungsgeschwindigkeit im gesamten Rohr konstant. Bei einer realen Flüssigkeit
mit der Viskosität η treten jedoch Reibungskräfte zwischen Flüssigkeit und Rohrmantel und zwischen
den benachbarten Flüssigkeitsschichten auf. Diese Reibungskräfte bewirken, dass der Druck längs des
Rohres abnimmt und die Strömungsgeschwindigkeit entlang des Rohrquerschnitts, also in lateraler Richtung variiert. Sie muss am Rohrrand null sein (denn dort haftet eine Grenzschicht der Flüssigkeit an der
Wand) und in der Mitte ihren maximalen Wert annehmen.
Zur quantitativen Beschreibung des transversalen Geschwindigkeitsprofils einer laminaren Rohrströmung
betrachten wir gem. Abb. 10 ein zylindrisches Rohr mit der Länge l und dem Radius r0, das in z-Richtung
von einer realen Flüssigkeit durchströmt wird. Innerhalb dieser Strömung betrachten wir einen koaxialen
Flüssigkeitszylinder mit dem Radius r und der Mantelfläche A = 2πrl. Nach dem NEWTONschen Reibungsgesetz ist die Reibungskraft FR zwischen diesem Flüssigkeitszylinder und der angrenzenden Flüssigkeitsschicht proportional zur Mantelfläche A und zum Geschwindigkeitsgefälle dv/dr; die Proportionalitätskonstante ist die Viskosität η. Es gilt also:
dv
dr
(26) =
FR η=
A
2π r l η
dv
dr
242
r0
F
z
r
p2
p
1
l
Abb. 10: Zylindrisches Rohr mit koaxialem Flüssigkeitszylinder vom Radius r. Links herrscht der Druck
p1, rechts der Druck p2. Übrige Bezeichnungen siehe Text.
Im stationären Fall (zeitlich konstante Strömungsgeschwindigkeit) muss die Reibungskraft FR für einen
Flüssigkeitszylinder mit dem Radius r gerade gleich der treibenden Kraft F sein, die durch das Druckgefälle ∆p = p1 - p2 verursacht wird, also:
(27)
F= π r 2 ∆p= 2π r l η
dv
dr
Daraus erhalten wir
(28)
d v ∆p
=
r
d r 2η l
bzw.
(29)
dv =
∆p
r dr
2η l
und schließlich durch Integration unter der Randbedingung v(r0) = 0 das gesuchte Geschwindigkeitsprofil
v(r):
(30)
=
v(r )
∆p 2 2
( r0 − r ) ;
4η l
0 ≤ r ≤ r0
Das transversale Geschwindigkeitsprofil für eine laminare Strömung durch ein Rohr ist also parabolisch
(s. Abb. 11).
Zur Berechnung des Volumens V, das innerhalb der Zeit ∆t durch ein Rohr mit dem Radius r0 strömt,
betrachten wir zunächst das Volumen dV, das innerhalb von ∆t durch einen Hohlzylinder mit dem Innenradius r und dem Außenradius r + dr (s. Abb. 12) fließt. Dieser Hohlzylinder hat die Grundfläche A und
die Länge ∆l. Der Volumenstrom ist bei kleinem dr demnach gegeben durch:
(31)
dV A ∆l
∆l
= = 2π r dr
∆t
∆t
∆t
243
0,0
0,2
v(r) / b.E.
0,4
0,6
0,8
1,0
-1,0
-0,8
-0,6
-0,4
-0,2
0,0
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
r / r0
Abb. 11: Links: Berechnetes parabolisches Geschwindigkeitsprofil einer laminaren Strömung durch ein
zylindrisches Rohr mit dem Radius r0. Rechts: Visualisierung eines parabolischen Geschwindigkeitsprofils in einem zylindrischen Plexiglasrohr (Durchmesser ca. 1 cm) mit Hilfe von eingefärbtem Kleister. 15
Da sich die Flüssigkeit gleichförmig (d.h. ohne Beschleunigung) durch das Rohr bewegt, gilt für die
Geschwindigkeit:
(32)
v=
∆l
∆t
Damit wird aus Gl. (31) unter Verwendung von Gl. (30):
dV
∆t
(33)
r dr v(r ) 2π r
= 2π
=
∆p 2 2
( r0 − r ) dr
4η l
A
dr
r
∆l
Abb. 12: Zur Definition geometrischer Größen eines Hohlzylinders.
Aus dieser Gleichung lässt sich durch Integration das Gesamtvolumen V berechnen, das innerhalb der Zeit
∆t durch das Rohr mit dem Radius r0 fließt:
15
Bildquelle: T. GREVE: „Aufbau und physikalische Betrachtung eines Durchlaufreaktors zur Hydrothermalen
Karbonisierung“, Diplomarbeit, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Institut für Physik, AG Turbulenz,
Windenergie und Stochastik (TWiST), 2009.
244
r
π∆ p 0 2 2
r0 − r r dr
2η l ∫0
V
∆t
=
(34)
(
)
und damit
(35)
V=
π ∆p ∆t 4
r0
8η l
Dies ist das HAGEN-POISEUILLEsche Gesetz16 für laminare Strömungen. Diese liegen vor, wenn die
REYNOLDSzahl Re, die in diesem Fall durch
(36)
Re=
r v 2 r0
η
(ρ: Dichte der Flüssigkeit; v : Mittelwert der Strömungsgeschwindigkeit
nach Gl. (30))
gegeben ist, kleiner als ca. 2.000 - 2.500 ist.
4.4
Kapillarviskosimeter
In diesem Anhang wird die Herleitung von Gl. (14) dargestellt.
Mit Hilfe des HAGEN-POISEUILLEschen Gesetzes (Gl. (35)) kann man die Viskosität von Flüssigkeiten
bestimmen. Dazu bedient man sich so genannter Kapillarviskosimeter. Abb. 5 zeigt ein
Kapillarviskosimeter nach UBBELOHDE. Durch eine Kapillare mit dem Radius r0 und der Länge l lässt
man aus einem Vorratsbehälter B, vor dem sich ein Vorlaufgefäß G befindet, ein definiertes Flüssigkeitsvolumen V strömen, das durch das zwischen den Marken M1 und M2 eingeschlossene Volumen gegeben
ist. Durch Messung der Zeitdifferenz ∆t, in der der Flüssigkeitsspiegel von M1 nach M2 sinkt, lässt sich
dann aus Gl. (35) die Viskosität η bestimmen:
(37)
=
η
π ∆p r04
∆t
8lV
Die Druckdifferenz ∆p ist in diesem Fall gegeben durch den hydrostatischen Druck:
(38)
∆p (t ) =
ρ g h(t )
(ρ: Dichte der Flüssigkeit; g: Erdbeschleunigung)
Dabei ist h(t) die Höhendifferenz zwischen dem momentanen Stand des Flüssigkeitsspiegels im
Vorratsgefäß B und dem unteren Ende der Kapillare. Dass dieses Ende der Kapillare die Referenzhöhe
bildet, erreicht man durch einen Trick: das Belüftungsrohr 3 (s. Abb. 5) sorgt dafür, dass im oben
kugelförmig ausgebildeten Auslaufgefäß D Luftdruck herrscht. Dadurch läuft die Flüssigkeit in Form
eines dünnen Films an der Innenwand von D ab.
Infolge der Zeitabhängigkeit der Höhe h(t) (sinkender Flüssigkeitsspiegel) ist auch ∆p(t) zeitabhängig.
Man kann h(t) jedoch durch einen geeigneten Mittelwert ersetzen. Diese mittlere Höhe h ist gegeben
durch:
16
GOTTHILF HEINRICH LUDWIG HAGEN (1797 – 1884)
245
(39)
1
h=
∆t
∆t
∫ h(t ) dt
0
Damit folgt aus Gl. (37):
(40)
h
=
π r g h r04
∆t
8lV
Die Größe
(41)
K=
π g h r04
8lV
ist eine Apparatekonstante und auf den Viskosimetern eingraviert ([K] = m2/s2; meistens in mm2/s2 angegeben). Damit ergibt sich für die Viskosität die einfache Beziehung aus Gl. (14):
=
η K ρ ∆t
246
Empfohlene Werte ausgewählter physikalischer Konstanten (Stand 2010)
Konstante
Atomare Masseeinheit
Symbol
u
Wert
1,660 538 921 (73)⋅10-27
Einheit
kg
Avogadro-Konstante
NA
6,022 141 29 (27)⋅1023
mol-1
Boltzmann-Konstante
k
1,380 6488 (13)⋅10-23
J/K
Elektrische Feldkonstante: 1/(µ0c2)
ε0
8,854 187 817...⋅10-12 As/(Vm)
Elementarladung
e
Faraday-Konstante
F
Gravitationskonstante
G
Lichtgeschwindigkeit im Vakuum
c
1,602 176 565 (35)⋅10
-19
96 485,3365 (21)
6,673 84 (80)⋅10-11 m3/(s2kg)
2,99792458⋅108
m/s
exakt
Vs/(Am)
exakt
Molare Gaskonstante
R
Plancksche Konstante
h
6,626 069 57(29)⋅10-34
Js
Ruhemasse des Elektrons
me
9,109 382 91(40)⋅10-31
kg
mn
1,674 927 351 (74)⋅10
-27
kg
1,672 621 777 (74)⋅10
-27
kg
Ruhemasse des Protons
mp
Standard-Erdbeschleunigung
g
exakt
C/mol
µ0
Ruhemasse des Neutrons
Bemerkung
As
Magnetische Feldkonstante: 4π⋅10
-7
1
1,256 637 061…⋅10
-6
8,314 4621 (75) J/(mol K)
9,80665
m/s2
exakt (Definition)
Die in Klammern stehenden Zahlen geben die einfache Standardabweichung in Einheiten der letzten Dezimalen an.
Präfixe
Faktor
-1
10
-2
10
-3
10
-6
10
-9
10
1
10
-12
10
-15
10
-18
10
-21
10
-24
Name
deci
centi
Symbol
d
c
milli
m
micro
µ
nano
pico
femto
atto
zepto
yocto
n
p
f
a
z
y
Faktor
Name
Symbol
10
1
deka
da
10
2
hecto
h
10
3
kilo
k
10
6
mega
M
10
9
giga
G
10
12
tera
T
10
15
peta
P
10
18
exa
E
10
21
zetta
Z
10
24
yotta
Y
Quelle: Mohr, P. J.; Taylor, B. N.; Nevell, D. B.: "CODATA Recommended Values of the Fundamental Physical
Constants: 2010", Rev. Mod. Phys. 84(4), 1527-1605 (2012). Siehe auch:
http://physics.nist.gov/cuu/Constants/index.html.
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