Grundpraktikum Physik Teil I (WiSe) Das griechische Alphabet Name Alpha Beta Gamma Delta Epsilon Zeta Eta Theta Iota Kappa Lambda My Ny Xi Omikron Pi Rho Sigma Tau Ypsilon Phi Chi Psi Omega Minuskel α β γ δ ε ζ η θ ι κ λ µ ν ξ o π ρ σ τ υ ϕ χ ψ ω Majuskel A B Γ ∆ E Z H Θ I K Λ M N Ξ O Π P Σ T Y Φ X Ψ Ω Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Fakultät V, Institut für Physik, D-26111 Oldenburg Tel.: 0441-798-3395 Internet: http://physikpraktika.uni-oldenburg.de ©: [email protected] Oktober 2015 Abbildungen auf dem Titelblatt: Oben: KARMANsche Wirbelströmung hinter einem Zylinder von ca. 6 mm Durchmesser. Das Foto zeigt eine Fläche von ca. 2,5 cm × 7 cm. ©: AG Angewandte Optik, Institut für Physik, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg Mitte: KARMANsche Wolkenstrasse hinter der JAN MAYEN Insel (Norwegen), hervorgerufen durch den ca. 2,2 km hohen Vulkan BEERENBERG im Zentrum der Insel. Das Foto zeigt eine Fläche von ca. 365 km × 158 km. ©: NASA; http://photojournal.jpl.nasa.gov/tiff/PIA03448.tif Unten: Strömungswirbel in der Atmosphäre des Planeten Jupiter in der Umgebung des Großen Roten Flecks. Vor dem Jupiter sein Mond Io (Durchmesser 3.643 km), der seinen Schatten auf die Oberfläche des Planeten wirft. ©: NASA; http://ppj-web-3.jpl.nasa.gov/jpegMod/PIA02860_modest.jpg 1 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 1 Reihenfolge der Versuche 2 Allgemeine Hinweise zum Modul Grundpraktikum Physik und zur Protokollführung 3 Zum Aufbau elektrischer Schaltungen und zum Umgang mit Netzgeräten, Vielfachmessgeräten und Funktionsgeneratoren 12 Mechanische Messwerkzeuge 24 Einsatz der Computer im Grundpraktikum Physik 26 Fehler- und Ausgleichsrechnung 40 Oszilloskop und Funktionsgenerator 63 Messung ohmscher Widerstände, Brückenschaltungen und Innenwiderstände von Spannungsquellen 81 Messung von Kapazitäten - Auf- und Entladungen von Kondensatoren 97 Sensoren für Kraft, Druck, Abstand, Winkel und Lichtintensität 114 Kraft, Impuls und Kraftstoß 131 Datenerfassung und -verarbeitung mit dem PC 142 Charakterisierung eines Sender-Empfänger-Systems 158 Trägheitsmoment - Steinerscher Satz 168 Impuls- und Energieerhaltungssatz / Stoßgesetze 175 Erzwungene mechanische Schwingungen 188 Fourieranalyse 204 Oberflächenspannung, Minimalflächen und Kaffeeflecken 217 Viskosität und Reynoldszahlen 230 2 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Reihenfolge der Versuche Termin KW Referat Thema 1 42 Allgemeine Hinweise zum Modul Grundpraktikum Physik, zur Protokollführung und zum Einsatz des Computers. Übungsaufgaben zu Origin und Matlab 2 43 Oszilloskop und Funktionsgenerator 3 44 4 45 5 46 6 47 Kraft, Impuls und Kraftstoß 7 48 Datenerfassung und -verarbeitung mit dem PC 8 49 Charakterisierung eines Sender-Empfänger-Systems 9 50 Trägheitsmoment - Steinerscher Satz 10 51 Impuls- und Energieerhaltungssatz – Stoßgesetze 11 1 Erzwungene mechanische Schwingungen 12 2 Fourieranalyse 13 3 Oberflächenspannung, Minimalflächen und Kaffeeflecken 14 4 Viskosität und Reynoldszahlen Messung ohmscher Widerstände, Brückenschaltungen und Innenwiderstände von Spannungsquellen Messung von Kapazitäten, Auf- und Entladungen von Kondensatoren Sensoren für Kraft, Druck, Abstand, Winkel und Lichtintensität Die ersten Versuche im Grundpraktikum Physik sind dem Kennenlernen von Messgeräten, Funktionsgeneratoren und Sensoren, der Datenerfassung und –verarbeitung mit dem PC und der Durchführung einführender quantitativer Messungen gewidmet. Die in diesen Versuchen behandelten Themen sind nur zum Teil Gegenstand der Vorlesung. Zu ihrem Verständnis sind solide Physikkenntnisse aus der Schule vollkommen ausreichend. Die anschließenden Versuche sind thematisch an den parallel behandelten Vorlesungsstoff gekoppelt. Zu einer am Informationsbrett des Grundpraktikums mitgeteilten Zeit wird ein Open Lab angeboten. Während dieser Zeit sind die Praktikumsräume geöffnet und die Geräte des Praktikums stehen zur Verfügung. Damit soll den Studierenden die Möglichkeit geboten werden, experimentelle Fähigkeiten eigenständig zu vertiefen und zu verbessern. Die Betreuung im Open Lab übernehmen abwechselnd die TutorInnen zusammen mit der Technischen Assistenz. 3 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Allgemeine Hinweise zum Modul Grundpraktikum Physik und zur Protokollführung 1 Zur Bedeutung, Planung und Durchführung physikalischer Experimente Am 23. März 1989 erregte eine Nachricht aus den USA großes Aufsehen in der naturwissenschaftlichen Öffentlichkeit: zwei international anerkannte Wissenschaftler aus dem Bereich der Physikalischen Chemie an der Universität von Utah waren mit der Erklärung vor die Weltpresse getreten, ihnen sei die „kalte Kernfusion“ im Reagenzglas gelungen. Was andere Labore auf der Welt trotz Milliardenaufwandes bis dahin nicht erreicht hatten, die kontrollierte Atomkernverschmelzung mit dem Ziel der Energieerzeugung, sollte nun mit Mitteln möglich gewesen sein, die jedem kleinen Labor zur Verfügung stehen. Rund um den Globus setzten umgehend fieberhafte Aktivitäten ein mit dem Ziel, das beschriebene Experiment nachzumachen. Die beteiligten Wissenschaftler/innen nutzten die internationalen Computernetze, um ihre Messergebnisse auszutauschen, zugehörige theoretische Überlegungen zu diskutieren, zu spekulieren, den Quellen vieler Gerüchte nachzugehen und - leider auch - selber neue Gerüchte in die Welt zu setzen. Nach einigen Wochen war sich die internationale Fachwelt einig: die Ergebnisse des Reagenzglas-Experiments waren nicht reproduzierbar. Damit war das gesamte Experiment wertlos und mit ihm auch die theoretischen Überlegungen, die die beiden Amerikaner zur Deutung ihrer Messergebnisse angestellt hatten. Das geschilderte Beispiel soll die elementarste Anforderung an physikalische Experimente deutlich machen: Die Ergebnisse eines Experiments haben nur dann wissenschaftliche Bedeutung, wenn eine Wiederholung des Experiments unter gleichen Bedingungen überall auf der Welt zum gleichen Resultat führt. Damit ein Experiment diesem Anspruch genügt, muss zunächst der Gegenstand des Experiments, d.h. die dem Experiment zugrunde liegende Fragestellung, klar und eindeutig beschrieben werden. Bei einigen Experimenten geht es darum zu klären, ob eine Theorie (z.B. die der „kalten Fusion“ oder der Existenz von Gravitationswellen) richtig oder falsch ist. Andere Experimente sollen dazu dienen, den algebraischen Zusammenhang zwischen physikalischen Größen quantitativ zu erfassen (z.B. Galileis Versuche zur Bestimmung des Zusammenhanges zwischen Weg und Zeit beim freien Fall) oder Zahlenwerte für physikalische Größen zu ermitteln (z.B. Bestimmung der Masse eines Moleküls mit einem Massenspektrometer). Nach erfolgter Formulierung der Fragestellung ist eine sorgfältige Planung der Durchführung des Experiments erforderlich. Dazu gehört vor allem die Konzeption eines systematischen Versuchsablaufs, die Auswahl geeigneter Messinstrumente und das Kennenlernen des Verhaltens dieser Instrumente unter den geplanten experimentellen Bedingungen. 1 Anschließend folgt der Aufbau des Experiments, die präzise Beschreibung der Versuchsanordnung, die Durchführung der Messungen und die Aufzeichnung der Messdaten sowie der Umgebungsparameter, die die Messergebnisse beeinflussen können. Dabei müssen systematische Fehlerquellen nach bestem Wissen ausgeschlossen und die zufälligen Messfehler quantitativ erfasst werden (siehe Anleitung „Fehler- und Ausgleichsrechnung“). 1 Hier haben übrigens die beiden Amerikaner die nötige Sorgfalt fehlen lassen - mit dem Ergebnis, dass sie gemessene Effekte fälschlicherweise dem Einfluss von Neutronen zugeschrieben haben, die tatsächlich durch eine Erwärmung des Untersuchungsobjektes verursacht worden waren. 4 Die quantitative Auswertung eines unter solchen Bedingungen durchgeführten Experimentes sollte schließlich eine eindeutige und reproduzierbare Antwort auf die Eingangsfrage geben. Ist das Ergebnis dagegen nicht eindeutig und nicht reproduzierbar, so müssen alle Schritte von der Fragestellung bis zur Auswertung noch einmal überprüft werden. Irgendwo wird ein Fehler vorliegen, der beseitigt werden muss. So kann z.B. ein falsches Messgerät gewählt worden sein, dessen Messgenauigkeit oder Messbereich für den erwarteten Effekt gar nicht ausgelegt ist. Oder es hat sich trotz aller Sorgfalt ein systematischer Fehler bei der Messwertaufzeichnung eingeschlichen. Oder es wurde versucht, einen gar nicht existenten Zusammenhang zwischen zwei physikalischen Größen quantitativ zu ermitteln. Ein solches Experiment wird immer zufällig verteilte Ergebnisse liefern. Oder... 2 Die Lernziele im Grundpraktikum Um Experimente in der beschriebenen Weise planen, durchführen und auswerten zu können, bedarf es einiger Erfahrung, die in den verschiedenen aufeinander aufbauenden Praktika im Laufe des Studiums gewonnen werden soll. Dem Grundpraktikum kommt dabei die Aufgabe zu, erste Grundlagen des Experimentierens zu vermitteln und zu üben. Nach erfolgreicher Teilnahme am Grundpraktikum sollen die Studierenden mit den Grundprinzipien des Experimentierens vertraut sein, also - wissen, wie mit einem Experiment der quantitative Zusammenhang zwischen physikalischen Größen bestimmt oder der Zahlenwert für eine physikalische Größe ermittelt werden kann, - ein entsprechendes Experiment beschreiben, planen und durchführen können, - den Unterschied zwischen direkten und indirekten Messverfahren kennen, - gängige Messverfahren sowie Funktion, Gebrauch, Verhalten und Genauigkeit wesentlicher Messgeräte kennen, - Messgeräte überprüfen, justieren und kalibrieren können, - mit den Grundprinzipien computerunterstützter Messdatenerfassung vertraut sein, - Messergebnisse sinnvoll darstellen, auswerten, interpretieren und kritisch bewerten können, - Messunsicherheiten angeben können und mit den Grundlagen der Fehlerrechnung vertraut sein, - Verfahren zur Anpassung von Ausgleichskurven (Fitkurven) an Messdaten kennen, - ein Protokoll über die Durchführung eines Experiments führen können, - die Ergebnisse eines Experiments in einem Vortrag präsentieren können. Darüber hinaus sollen die Studierenden im Praktikum über den Vorlesungsstoff hinaus weitere physikalische Phänomene, Gesetzmäßigkeiten und Methoden kennen lernen, für deren Behandlung in der Vorlesung kein Platz ist. Sie müssen sich also gelegentlich im Rahmen der Praktikumsvorbereitung mit Inhalten auseinandersetzen, die in der Vorlesung bis dahin weder behandelt wurden noch behandelt werden. Deshalb sind die Versuchsanleitungen so gehalten, dass sie mit den üblichen mathematischen und physikalischen Vorkenntnissen der Studierenden in den ersten beiden Semestern verstanden werden können. Wem der Anleitungstext an einigen Stellen zu abstrakt bleibt, dem sind möglicherweise Fotos der Versuchsaufbauten bei der Vorbereitung der Praktika eine Hilfe. Sie finden sich auf den Internetseiten des Grundpraktikums 2. Bei gemeinsamen Themen von Vorlesung und Praktikum wird versucht, beide Veranstaltungen soweit wie möglich zeitlich aufeinander abzustimmen. 3 Durchführung des Praktikums 3.1 Gruppenarbeit Zu Beginn des Semesters bilden die Studierenden Zweiergruppen (Teams), die bis zum Semesterende bestehen bleiben. Innerhalb der Teams muss eine gemeinsame Vorbereitung auf das Praktikum stattfinden, gefolgt von einer gemeinsamen Durchführung der Versuche, einer gemeinsamen Auswertung der Messergebnisse und einer gemeinsamen Protokollierung. Für jeden Teil des Protokolls sind beide Stu2 http://www.uni-oldenburg.de/physik/lehre/praktika/gpr/ 5 dierende verantwortlich. Die Vorbereitung, die Durchführung und das Protokoll werden in der Regel mit einer gemeinsamen Note bewertet. 3.2 Versuchsvorbereitung Die Vorbereitung auf einen Versuch muss vor dem Praktikumstermin anhand der Versuchsanleitung und durch Teilnahme am Begleitseminar geschehen. Die Versuchsanleitungen werden zu Beginn des Semesters ausgehändigt. Sie stehen darüber hinaus als PDF-Dateien auf den Internetseiten des Praktikums zur Verfügung. Es genügt möglicherweise nicht immer, nur die Anleitung durchzulesen. Insbesondere bei ernsthaften Verständnisproblemen muss auch die angegebene Literatur sowie die Vorlesungsmitschrift zur Vorbereitung mit herangezogen werden. Ohne gründliche Vorbereitung ist eine Durchführung der Versuche weder sinnvoll noch möglich. In den Praktikumsräumen steht ein Bücherschrank mit einer Büchersammlung zur Nutzung durch die Studierenden vor Ort zur Verfügung. Die Bücher werden grundsätzlich nicht ausgeliehen. Sie können während der Öffnungszeiten der Praktikumsräume jedoch jederzeit benutzt werden. Die Sammlung enthält neben der in den Anleitungen angegebenen Literatur weitere Lehrbücher, Formelsammlungen und Tabellenwerke, die für die Auswertung der Versuche hilfreich sind. Eine gründliche Versuchsvorbereitung schließt die Vorbereitung von Tabellen mit ein, in die während des Praktikums die Messergebnisse mit dokumentenechtem Stift eingetragen werden. Die vorbereiteten Messwerttabellen werden zu Beginn des Praktikums von den BetreuerInnen abgestempelt und müssen später dem Protokoll beigefügt werden. 3 Mit der Vorbereitung von Tabellen wird vor allem erreicht, dass man sich bereits vor Beginn der Experimente klar macht, welche Messreihen durchzuführen sind und welche Messgrößen für die Auswertung der Experimente zusätzlich benötigt werden. Außerdem wird bei vorbereiteten Messwerttabellen von vornherein vermieden, dass Messergebnisse während des Versuchs zunächst auf Schmierzetteln notiert werden, um anschließend ins „Reine“ übertragen zu werden. Ein solches Vorgehen ist erstens unökonomisch, schafft zweitens die Gefahr von Übertragungsfehlern und führt möglicherweise auch zur Versuchung, Messdaten nachträglich zu „bereinigen“. Ökonomisches Arbeiten bei der Vorbereitung, der Durchführung und der Auswertung der Praktikumsversuche setzt auch voraus, dass die Studierenden über folgende Hilfsmittel verfügen: Versuchsanleitung, Lehrbuch, mathematische Formelsammlung, Taschenrechner mit technisch-wissenschaftlichen Funktionen, Zugang zu Computern (ist für alle Studierenden im Grundpraktikum und im CIP-Raum des Instituts für Physik gewährleistet). 3.3 Versuchsdurchführung Während der Versuchsdurchführung müssen die Messergebnisse direkt in die vorbereiteten Messwerttabellen eingetragen werden. Die Ablesegenauigkeit der Messgeräte muss für die später zu erfolgende Fehleranalyse ebenfalls notiert werden. Schließlich müssen all die Gerätespezifikationen und sonstigen Parameter (z. B. Umgebungstemperatur) notiert werden, die für eine vollständige Versuchsdokumentation und -auswertung im Protokoll erforderlich sind. Der Umfang der Versuche wurde so gewählt, dass auch die Studierenden, die bereits experimentelle Erfahrungen mitbringen, nicht schon nach der Hälfte der vorgesehenen Zeit mit ihren Experimenten fertig 3 Für die Versuche zum Oszilloskop, zur Datenerfassung mit dem PC und zur Fourieranalyse müssen keine Messwerttabellen vorbereitet werden. Für Versuchsteile, in denen Messdaten direkt in Origin-Tabellen eingetragen werden sollen, sind ebenfalls keine Tabellen erforderlich. 6 sind. Das kann zur Folge haben, dass Studierende ohne jegliche experimentelle Erfahrung, insbesondere während der ersten Versuchstermine, aus zeitlichen Gründen nicht immer alle Versuchsteile werden durchführen können. In diesen Fällen gilt: Bei Zeitknappheit lieber einiges gründlich, als alles oberflächlich durchführen! Nutzen Sie das Open Lab, um Ihre experimentellen Fähigkeiten eigenständig zu vertiefen! 4 Protokollführung 4.1 Bedeutung des Protokolls Das Versuchsprotokoll hat die Aufgabe, das gesamte Experiment von der Fragestellung über die Durchführung bis hin zur Auswertung dokumentarisch festzuhalten. Es muss hinsichtlich Inhalt und Form eine Einheit bilden. Es muss von einer fremden, mit der Materie insgesamt vertrauten Person gelesen und verstanden werden können und es muss diese Person prinzipiell in die Lage versetzen, ohne Einholen zusätzlicher Informationen das gleiche Experiment mit den gleichen Geräten jederzeit nachmachen zu können. Protokolle werden nicht nur als „lästige Pflicht“ im Rahmen von Praktika geführt. Das Führen und Archivieren eines Protokollbuchs gehört vielmehr unabdingbar zum Alltag des wissenschaftlichen Arbeitens. Im Zweifelsfall muss ein Protokollbuch als Beleg für erzielte Messergebnisse dienen. Die Fälschungsskandale in der Wissenschaft aus der Vergangenheit, z.B. der Fall des Physikers JAN HENDRIK SCHÖN aus dem Jahre 2002 4, haben Wissenschaftsorganisationen wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) dazu veranlasst, nochmals mit Nachdruck an die Verpflichtung zur Führung von Protokollbüchern und deren Bedeutung zu erinnern 5. 4.2 Inhalt und Aufbau eines Protokolls Ein Praktikumsprotokoll muss o o o in übersichtlicher Gliederung, mit nummerierten Kapitelüberschriften, auf nummerierten Seiten enthalten: 1. 2. 3. 4. Namen, Praktikumsgruppe und Datum der Versuchsdurchführung. Titel des Versuchs. Ein Inhaltsverzeichnis ist nicht erforderlich. Kurze Darstellung des Versuchsgegenstandes in einer Einleitung: was ist Ziel des Versuches, was soll gemessen werden? Dieser Teil des Protokolls sollte nicht länger als ¼ Seite sein. Daran anschließend folgt für jeden Versuchsteil eine Protokollierung gemäß der Punkte 5 - 10: 5. 6. 4 5 Eine kurze Nennung der Aufgabenstellung und Beschreibung der Versuchsdurchführung mit einer Darstellung des Versuchsaufbaus in Form einer Prinzipskizze mit kurzer Erläuterung. Skizzen können z. B. auch aus der Versuchsanleitung oder aus anderen Quellen übernommen werden. In diesem Fall muss die Quelle korrekt zitiert werden, s. Kap. 4.3. Skizzen werden wie andere Grafiken nummeriert und beschriftet (siehe Punkt 8). Beispiel: „Abb. xx: Anordnung zur Messung der Oberflächenspannung mit der Blasendruckmethode.“ Bei Bedarf Dokumentation derjenigen äußeren Versuchsbedingungen, die die Versuchsergebnisse beeinflussen können (z.B. Temperatur bei den Versuchen zur Oberflächenspannung und Viskosität) sowie Dokumentation möglicher Fehlerquellen (z.B. Ablesegenauigkeit von Messgeräten). Siehe z.B. S. Jorda, PHYSIK JOURNAL 1.11 (2002) 7-8. DFG: Vorschläge zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis, Bonn, 1998. 7 7. Tabellarische Darstellung der Ergebnisse von Messreihen. Bei der Spalten- bzw. Zeilenbeschriftung muss die Form „physikalische Größe / Einheit der Größe“ gewählt werden, also z.B. „U / V“ für eine Spannung, „I / A“ für einen Strom, „t / s“ für die Zeit usw. Zur Begründung für diese Notation siehe Kap. 4.3, Punkt 1. Tabellen müssen innerhalb des Protokolls fortlaufend nummeriert und mit kurzen erläuternden Beschriftungen versehen werden, aus denen hervorgeht, was in der Tabelle dargestellt ist. Hier ein Beispiel: d/m ± 10-3 m 0,050 0,045 0,040 0,035 0,030 0,025 0,020 Tab. xx: I / mA ± 10-1 mA 14,8 14,2 13,4 12,6 11,8 10,8 9,8 Spannung U und Strom I als Funktion der Eintauchtiefe d von Kupferelektroden in einen Elektrolyten. Zu jeder Tabelle muss ein Verweis im laufenden Text erfolgen, z.B. in der Form: „Die Messdaten finden sich in Tab. xx“. Grafische Darstellung der Ergebnisse von Messreihen. Jede Grafik muss neben einer fortlaufenden Nummer eine kurze erläuternde Beschriftung enthalten, aus der hervorgeht, was in der Grafik dargestellt ist. Die unabhängige Variable, d.h. die vorgegebene Größe (d in der o. a. Mustertabelle), wird auf der Abszisse dargestellt, die abhängige Größe auf der Ordinate. Die Skaleneinteilung und die Lage der Achsen-Nullpunkte muss so gewählt werden, dass der interessierende Kurvenverlauf gut zu erkennen ist. Die Koordinatenachsen müssen vollständig beschriftet sein. Bei der Achsenbeschriftung gilt das Gleiche wie bei der Spalten- und Zeilenbeschriftung von Tabellen: sie muss in der Form "physikalische Größe / Einheit der Größe" erfolgen. Falls gefordert, müssen Ausgleichskurven und / oder Fehlerbalken eingezeichnet sein. Auch hierzu ein Beispiel: 220 220 200 200 180 180 R/Ω R/Ω 8. U/V ± 10-2 V 1,74 1,77 1,81 1,85 1,89 1,94 2,01 160 140 120 120 0,03 0,04 d/m Abb. xx: 160 140 0,02 0,05 Messdaten Ausgleichsgerade 20 30 40 50 d -1 / m-1 Ohmscher Widerstand R eines Elektrolyten als Funktion der Elektroden-Eintauchtiefe d. Links R über d, rechts linearisierte Darstellung R über 1/d. Die Abstände zwischen den Werten der unabhängigen Variablen müssen so gewählt sein, dass der Verlauf der Messwerte der abhängigen Variablen gut zu erkennen ist. Sie sollen also dort besonders dicht liegen, wo sich im Diagramm „etwas tut“. Das folgende Beispiel der Amplitudenresonanzkurve eines gedämpften harmonischen Oszillators verdeutlicht dies. In der Umgebung der Eigenkreisfrequenz von ω0 ≈ 4,5 Hz wurden die Abstände der unabhängigen Variablen ω1 deutlich kleiner gewählt als außerhalb dieses Bereichs, so dass der Verlauf der Amplitude x0 in der Umgebung von ω0 gut zu erkennen ist: 8 x0 / m 0,2 0,1 0,0 0 5 10 ω1 / Hz 15 Abb. xx: Amplitudenresonanzkurve eines gedämpften harmonischen Oszillators. Die Messpunkte dürfen in der Regel nicht miteinander verbunden werden. Eine gerade Verbindung würde z.B. einen linearen Zusammenhang zwischen den dargestellten Größen in dem von zwei Messwerten begrenzten Bereich suggerieren. Sollte eine Verbindung nötig sein, um den Verlauf der Messwerte besser erkennen zu können, muss die Verbindungslinie an den Messwerten mit sichtbarer Lücke unterteilt werden: 220 200 R/Ω 180 160 140 120 0,02 0,03 0,04 0,05 d/m Abb. xx: Ohmscher Widerstand R eines Elektrolyten als Funktion der Elektroden-Eintauchtiefe d. Zu jeder Grafik muss ein Verweis im laufenden Text erfolgen, z.B. in der Form: „Abb. xx zeigt die grafische Darstellung der Messdaten“. 9. Berechnung von Zahlenwerten für die zu messenden Größen. Für jeden Zahlenwert muss der Fehler (die Messunsicherheit) angegeben werden, der entweder berechnet oder sinnvoll abgeschätzt wird. Einzelheiten dazu und zur Rundung von berechneten Zahlenwerten finden sich in der Anleitung zur „Fehler- und Ausgleichsrechnung“. 10. Interpretation und Bewertung der Versuchsergebnisse anhand eines Vergleichs mit den nach der Theorie erwarteten Ergebnissen bzw. mit Literaturwerten. Dabei ist eine realistische und kritische Bewertung der eigenen Messergebnisse deutlich wichtiger als ein möglichst genaues Treffen eines Zielwertes oder eine möglichst genaue Reproduktion von Literaturwerten. Auf eine Auflistung der benutzten Geräte kann verzichtet werden, da sie in der Anleitung unter „Zubehör“ bei den jeweiligen Versuchen aufgeführt sind. Es reicht daher ein entsprechender Verweis. 4.3 Regeln bei der Abfassung von Protokollen Bei der Abfassung des Protokolls muss man sich von vornherein daran gewöhnen, bestimmte Normen und Gepflogenheiten einzuhalten (siehe z.B. /10/), wie sie später im Studium auch für die Erstellung von Examensarbeiten oder anderen wissenschaftlichen Texten üblich sind: 9 1. Eine physikalische Größe G wird als Produkt aus Zahlenwert {G} mal Einheit [G] dieser Größe angegeben, also (1) G = {G} × [G] Beispiel: eine elektrische Spannung U hat einen Wert von 5 V, es ist also U = 5 V, mit {U} = 5 und [U] = V. 2. Wegen der in Gl. (1) festgelegten Notation werden Tabellenspalten und –zeilen sowie die Achsen von Grafiken in der Form „G / [G]“ beschriftet, also z.B. „U / V“, „d / m“ usw. Der Quotient G / [G] ergibt nämlich gerade den Zahlenwert {G}, der in die Tabelle eingetragen oder an die Teilstriche der Achse geschrieben wird, wie z.B. 5 10 15 20 usw. Angaben der Art „U [V]“ oder „d [m]“ sind formal falsch! 6 Als Einheit [G] einer physikalischen Größe G muss immer die durch das Internationale Einheitensystem (SI: Système Internationale d'Unités) vorgegebene Einheit verwendet werden /10/. Neben den sieben SI-Basiseinheiten für die Länge (Meter, m), die Masse (Kilogramm, kg), die Zeit (Sekunde, s), die Stromstärke (Ampere, A), die Temperatur (Kelvin, K), die Stoffmenge (Mol, mol) und die Lichtstärke (Candela, cd) gibt es abgeleitete SI-Einheiten, die sich immer als Produkt der Basiseinheiten darstellen lassen, also [G ] = m a kgb sc A d K e mol f 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 6 7 cd g mit den zu bestimmenden Exponenten a, b, c, d, e, f und g. Für viele abgeleitete Einheiten sind eigene Namen gebräuchlich, wie z.B. das Pascal (Pa) für den Druck (Pa = kg m-1 s-2), das Volt (V) für die elektrische Spannung (V = kg m2 s-3 A-1) oder das Hertz (Hz) für die Frequenz (Hz = s-1). Die in Deutschland gesetzlich zugelassenen Namen abgeleiteter Einheiten finden sich in /11/. Für die meisten physikalischen Größen gibt es etablierte Symbole bzw. Formelzeichen (z.B. F für die Kraft, ω für die Kreisfrequenz, U für die elektrische Spannung usw.), von denen man nicht ohne wichtigen Grund abweichen sollte. Eine Liste dieser Symbole enthält /7/. Die Symbole physikalischer Größen, also z.B. F, ω und U werden kursiv gesetzt, die zugehörigen Einheiten, im Beispiel N, Hz und V, dagegen gerade. Man schreibt also z.B. F / N, ω / Hz und U / V. Zwischen den Zahlenwert der physikalischen Größe und die Einheit wird ein Leerzeichen gesetzt, also z.B. F = 1,5 N oder U = 5 V. Im Text verwendete Symbole physikalischer Größen müssen grundsätzlich definiert werden. Es muss also z. B. heißen: „...das elektrische Feld E ist durch die Spannung U und den Abstand d gegeben; es gilt: E = U/d “. Bei der Anfertigung von Schaltskizzen sollte man sich an die Vorgaben des Deutschen Instituts für Normen (DIN) halten, die auch in den Versuchsanleitungen angewendet werden. Kopien der entsprechenden DIN-Normen 7 befinden sich im Bücherschrank. Für eine Reihe von Berechnungen benötigt man die Zahlenwerte physikalischer Konstanten. Derzeitige Bestwerte dieser Konstanten findet man in /9/, eine Auswahl davon auf der hinteren Umschlagseite dieses Skriptes. Zu jeder Tabelle und jeder Abbildung muss es einen Hinweis im laufenden Text des Protokolls geben (siehe Hinweise unter Punkt 7 und 8 in Kap. 4.2). Beispiele: „Den prinzipiellen Versuchsaufbau zeigt Abb. 2“ oder „Die Messwerte sind in Tab. 3 aufgelistet und in Abb. 6 grafisch dargestellt“. Werden Grafiken, Tabellen oder Textpassagen aus fremden Quellen (einschließlich Internetseiten!) in das Protokoll übernommen, so muss die Quelle korrekt zitiert werden. Wird beispielsweise eine Abbildung aus dem Skript zum Modul Grundpraktikum Physik, Teil I übernommen, muss am Ende der Abbildungsbeschriftung der Hinweis „(aus /1/)“ erfolgen. Am Ende des Protokolls wird dann angefügt: In Fachzeitschriften werden z.T. andere Arten der Beschriftung verlangt. Leider sind die Regeln nicht einheitlich. So wird z.B. in NATURE, PHYSICAL REVIEW LETTERS und im PHYSIK JOURNAL jeweils eine andere Notation verwendet. Z.B. DIN EN 60617: „Grafische Symbole für Schaltpläne“; siehe auch Text „Zum Aufbau elektrischer Schaltungen…“.in diesem Skript. 10 Literatur /1/ Skript zum Grundpraktikum Physik, Teil I, CvO Universität Oldenburg, Institut für Physik, Oktober 2015 Bei Verwendung von Quellen aus dem Internet muss die Internetadresse in Form der URL (Uniform Resource Locator) und das Datum der Seitenabfrage angegeben werden8, also z.B.: /2/ Physikalisch Technische Bundesanstalt (PTB): „Fragen zur Zeit“, URL: http://www.ptb.de/cms/themenrundgaenge/wegweiser/fragenzurzeit.html, Stand: 24.09.2014 Protokolle, die Grafiken, Tabellen oder Textpassagen aus fremden Quellen enthalten, ohne dass die Quellen zitiert werden, sind Fälschungen und werden mit mangelhaft bewertet. In diesem Zusammenhang wird nachdrücklich auf die Publikation „Gute wissenschaftliche Praxis“ der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg hingewiesen 9 sowie auf einen Artikel in der ZEIT 10. Beim Einsatz von Textverarbeitungssoftware für die Erstellung eines Protokolls gilt als oberster Grundsatz: ein Protokoll lebt in erster Linie von seinem Inhalt und seiner Struktur und nicht von seiner äußeren Form. Man sollte sich daher gut überlegen, ob man die Zeit, die z.B. für das Schreiben von Formeln mit einem Computer benötigt wird, nicht sinnvoller einsetzen kann. Handschriftliche Protokolle oder mit Hand eingesetzte Formeln sind, solange sie lesbar bleiben, völlig ausreichend. Zu guter Letzt noch eine eiserne Regel zum Thema Protokolle: Der jeweils nächste Versuch kann erst durchgeführt werden, wenn das Protokoll vom vorherigen Versuch abgegeben wurde. 5 Literatur Jede Versuchsanleitung enthält eine eigene Literaturliste, in der die Bücher aufgelistet sind, die für die Vorbereitung auf die einzelnen Versuche besonders nützlich sind. Zum generellen Gebrauch im Praktikum sind folgende Bücher empfehlenswert (siehe auch http://www.uni11 oldenburg.de/physik/lehre/praktika/literatur/ ) : /1/ Eichler, H. J., Kronfeldt, H.-D., Sahm, J.: „Das Neue Physikalische Grundpraktikum“, SpringerVerlag, Berlin u.a. /2/ Geschke, D. [Hrsg.]: „Physikalisches Praktikum“, Teubner-Verlag, Stuttgart u.a. /3/ Walcher, W.: „Praktikum der Physik“, Teubner-Verlag, Stuttgart /4/ Gerthsen, C. u.a.: „Physik“, Springer-Verlag, Berlin u.a. /5/ Stöcker, H.: „Taschenbuch der Physik“, Harri Deutsch, Frankfurt (steht auf den Computern im Grundpraktikum auch als HTML-Version zur Verfügung) /6/ Bronstein, I. N., Semendjajew, K. A.; Musiol, G.; Mühling, H.: „Taschenbuch der Mathematik“, Verlag Harri Deutsch, Frankfurt (steht auf den Computern im Grundpraktikum auch als HTMLVersion zur Verfügung) Als Tabellenwerke zum Nachschlagen von Zahlenwerten physikalischer Größen sind besonders geeignet: 8 9 10 11 Für alle URL-Angaben in diesem Skript gilt das Datum 24.09.2014. http://www.uni-oldenburg.de/fileadmin/user_upload/physik/ag/physikpraktika/download/Faltblatt_GWP.pdf „Suchmaschine gegen den Gedankenklau – Universitäten rüsten sich gegen Plagiatoren - und verhängen schwere Strafen.“ DIE ZEIT, 08.02.07; http://zeus.zeit.de/text/2007/07/B-Plagiatskontrolle. Wegen z. T. häufiger Neuausgaben wird an dieser Stelle auf eine Angabe des Erscheinungsjahres verzichtet. Die Erscheinungsdaten der aktuellen Ausgaben finden sich auf den Internetseiten des Grundpraktikums. 11 /7/ Lide, D. R. [Hrsg.]: „CRC Handbook of Chemistry and Physics”, CRC Press, Boca Raton (steht auf den Computern im Grundpraktikum auch als PDF-Version zur Verfügung) /8/ Madelung, O. [Hrsg.]: „Landolt-Börnstein: Zahlenwerte und Funktionen aus Naturwissenschaften und Technik“, Springer-Verlag, Berlin u.a. Derzeitige Bestwerte physikalischer Konstanten (Auswahl s. hintere Umschlagseite dieses Skriptes) findet man in: /9/ Mohr, P. J.; Taylor, B. N.; Nevell, D. B.: "CODATA Recommended Values of the Fundamental Physical Constants: 2010", Rev. Mod. Phys. 84(4), 1527-1605 (2012). Die Daten sind auch über das National Institute of Standards and Technology (NIST) der USA verfügbar: http://physics.nist.gov/cuu/Constants/index.html. Hinweise zur Abfassung wissenschaftlicher Manuskripte sowie eine Zusammenstellung der SI-Basiseinheiten und daraus abgeleiteter Einheiten enthält folgende Broschüre des „Bureau International des Poids et Mesures (BIPM)“ 12: /10/ Bureau International des Poids et Mesures: „The International System of Units (SI)“, 8th Edition, Paris, 2006. (http://www.bipm.org/utils/common/pdf/si_brochure_8_en.pdf) Eine Zusammenstellung der in Deutschland gesetzlich zugelassen Einheiten findet sich in: /11/ Physikalisch Technische Bundesanstalt (PTB) [Hrg.]: „Die gesetzlichen Einheiten in Deutschland“, Faltblatt 2012, Braunschweig, 2012. (http://www.ptb.de/cms/fileadmin/internet/publikationen/Einheiten_deutsch.pdf) 12 Das BIPM wurde am 20.05.1875 von 17 Staaten ins Leben gerufen, mittlerweile sind ihm 51 Staaten beigetreten. Aufgabe des Büros ist die „weltweite Vereinheitlichung von Messungen“. Hauptsitz des Büros ist Paris, die offizielle Sprache des BIPM ist französisch. 12 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Zum Aufbau elektrischer Schaltungen und zum Umgang mit Netzgeräten, Vielfachmessgeräten und Funktionsgeneratoren 1 Einleitung Studierende, die noch nie oder nur wenige Male selbstständig experimentiert haben, haben oftmals Schwierigkeiten bei der Umsetzung einer Schaltungsskizze oder eines Blockschaltbildes in eine reale elektrische Schaltung. Auch der Umgang mit Netzgeräten, Vielfach-Messgeräten und Funktionsgeneratoren bereitet ihnen anfänglich Probleme. Deshalb wird hier eine kurze Einführung gegeben. Zunächst werden die wichtigsten Funktionen der genannten Geräte erläutert. Im Laufe des Grundpraktikums werden sie noch genauer behandelt. Anschließend werden einfache Schaltungsskizzen beschrieben und Fotos der zugehörigen realen Aufbauten gezeigt. Beim Aufbau einer der Schaltungen kommt ein Oszilloskop zum Einsatz, dessen Funktionsweise und Betrieb in einem separaten Praktikumstermin ausführlich behandelt wird. Details der Fotos lassen sich in der PDF-Version dieses Textes möglicherweise besser erkennen; siehe dazu http://physikpraktika.uni-oldenburg.de/download/GPR/pdf/Schaltungen_Multimeter.pdf. 2 Netzgeräte Für viele Versuchsaufbauten im Praktikum werden Gleichspannungen 1 (gelegentlich auch Gleichströme) mit unterschiedlichen Höhen und Vorzeichen benötigt, wie z. B. + 10 V, - 12 V, + 5 V usw. Solche Spannungen können einem Netzgerät 2 entnommen werden. Netzgeräte werden auch als Stromversorgung oder Spannungsversorgung bezeichnet. Abb. 1 zeigt ein Netzgerät der Fa. PHYWE, das im Grundpraktikum zum Einsatz kommt. Es handelt sich um ein Doppel-Netzgerät, da es über zwei separat einstellbare Ausgänge verfügt. Am linken Ausgang können Spannungen zwischen 0 V und 15 V eingestellt werden, der Strom kann dort maximal 5 A betragen. Am rechten Ausgang stehen Spannungen zwischen 0 V und 30 V zur Verfügung bei einem maximalen Strom von 2,5 A. Abb. 1: Netzgerät vom Typ PHYWE. An beiden Ausgängen (jeweils blaue und rote Buchse) ist eine Spannung von ca. 10 V eingestellt. Mit den Drehknöpfen können die Spannung U und der Strom I eingestellt bzw. begrenzt werden. In den meisten Fällen wird im Praktikum für den Betrieb eines Verbrauchers, z. B. eines Fotodetektors, eine bestimmte Spannung benötigt. Diese Spannung wird zunächst ohne angeschlossenen Verbraucher mit 1 2 Englisch DC voltage; DC bedeutet direct current (Gleichstrom). Englisch Power Supply. 13 dem Drehknopf unter der Spannungsanzeige (V) eingestellt. Der eingestellte Wert wird an der Spannungsanzeige überprüft. Anschließend wird der zum selben Ausgang des Netzgeräts gehörende Knopf zur Strombegrenzung an den rechten Anschlag gedreht. Dadurch wird erreicht, dass der später angeschlossene Verbraucher dem Netzgerät so viel Strom entnehmen kann, wie zu seinem Betrieb benötigt wird. Jeder Ausgang des Netzgeräts verfügt über zwei Anschlussbuchsen für gewöhnliche Laborkabel. Das Potential 3 an der blauen Buchse ist immer niedriger als das Potential an der roten Buchse. Vergleicht man den Ausgang des Netzgeräts mit einer Batterie, so entspricht die blaue Buchse dem Kontakt mit der Bezeichnung „-“ und die rote Buchse dem Kontakt mit der Bezeichnung „+“. Das Vorzeichen der Spannung zwischen den beiden Anschlussbuchsen hängt ausschließlich vom gewählten Bezugspunkt ab. Nehmen wir an, am Ausgang des Netzgerätes sei eine Spannung (Potentialdifferenz) von 10 V eingestellt. Wählen wir die rote Buchse als Bezugspunkt, so ist das Potential an der blauen Buchse um 10 V niedriger. Von diesem Bezugspunkt aus betrachtet ist die Spannung also U = – 10 V. Wählen wir dagegen die blaue Buchse als Bezugspunkt, so ist das Potential an der roten Buchse um 10 V höher. Von diesem Bezugspunkt aus betrachtet ist die Spannung also U = + 10 V. Abb. 2 verdeutlicht die Zusammenhänge anhand der Spannungsmessung mit zwei als Voltmeter betriebenen Vielfachmessgeräten (weiteres zu Vielfachmessgeräten in Kap. 4). Abb. 2: Zum Vorzeichen der Spannung aus einem Netzgerät. An dessen linkem Ausgang ist eine Spannung von ca. 10 V eingestellt. Das linke Multimeter (Typ FLUKE) zeigt eine Spannung von – 10,02 V an, das rechte eine Spannung von + 10,01 V 4. Ursache: der Bezugspunkt für die Spannungsmessung (schwarze Buchse COM am Multimeter) ist links mit der roten Buchse des Netzgerätes verbunden (an der das höhere Potential liegt), rechts mit der blauen Buchse (an der das niedrigere Potential liegt). Die gleichen Überlegungen gelten auch für eine Batterie. Eine Blockbatterie mit einer Spannung von 9 V kann demnach, je nach Bezugspunkt, eine Spannung von + 9 V oder - 9 V liefern. 3 4 Das (elektrische) Potential ist eine auf einen festen Bezugspunkt bezogene Spannung. Ein Bezugspunkt kann z.B. die Erde sein, gekennzeichnet mit den Symbolen oder . Hierbei handelt es sich um einen Anschluss (s. Netzgerät in Abb. 2), der elektrisch leitend mit der Erde verbunden ist. Dies kann man z. B. erreichen, indem man einen elektrischen Leiter in die Erde eingräbt und über Kabel mit dem Anschluss verbindet. In Gebäuden findet die Erdung durch einen Fundamenterder statt, an den über eine Potentialausgleichsschiene u.a. der Schutzleiter der Stromversorgung angeschlossen ist. Die Abweichungen der angezeigten Spannungsbeträge um 0,01 V werden durch die beschränkte Messgenauigkeit der Multimeter verursacht. 14 3 Funktionsgeneratoren Funktionsgeneratoren (FG) dienen der Erzeugung von Wechselspannungen 5 mit unterschiedlichen Formen, Amplituden und Frequenzen. Wahlweise können zu diesen Wechselspannungen Gleichspannungen hinzuaddiert werden, man spricht dann von einem DC-Offset. Die gängigste Signalform am Ausgang eines FG ist eine sinusförmige Wechselspannung U(t), die sich mathematisch wie folgt beschreiben lässt: (1)= U ( t ) U 0 sin (ω t ) + U DC Darin bedeuten: t: Zeit U0 : Amplitude f = ω 2π = U DC : 2π : Kreisfrequenz; f : Frequenz, T : Periodendauer T Gleichspannungsanteil (DC-Offset) Abb. 3 zeigt eine solche Wechselspannung zusammen mit anderen typischen Ausgangsspannungen von Funktionsgeneratoren. In Abb. 4 sind die Frontansichten von zwei im Grundpraktikum eingesetzten Funktionsgeneratoren dargestellt. Über Schalter und Drehknöpfe werden die Form (Function: Sinus, Rechteck, Dreieck, Sägezahn), die Frequenz (Freq), die Amplitude (Ampl) und der Gleichspannungsanteil (DC-Offset) des Signals eingestellt. Auf weitere Einstellmöglichkeiten wird im späteren Verlauf des Praktikums eingegangen. Die Ausgabe des Signals erfolgt jeweils über die Buchse Output. Hierbei handelt es sich um eine 2polige BNC-Buchse 6. Der Innenleiter einer solchen Buchse bildet den einen Pol, der äußere Kontakt den zweiten Pol (weiteres dazu in Kap. 5.2). 5 6 Englisch AC voltage; AC bedeutet alternating current (Wechselstrom). BNC ist ursprünglich ein Produktname der Fa. AMPHENOL und steht für „Bayonet NEILL CONCELMAN“ 15 U (t) U (t) U0 UDC t t T U (t) U (t) t U (t) t U (t) High Low t t Abb. 3: Typische Ausgangssignale von Funktionsgeneratoren. Oben links: sinusförmige Wechselspannung ohne DC-Offset. Oben rechts: dito mit DC-Offset. Mitte links: Dreieckspannung. Mitte rechts: Sägezahnspannung. Unten links: Rechteckspannung. Unten rechts: TTL-Signal 7. 7 TTL ist die Abkürzung für Transistor-Transistor-Logik. Ein TTL-Signal ist ein Logiksignal, das nur zwei Spannungswerte U annehmen kann: Low und High. Für ein Ausgangssignal eines Gerätes gilt: Zustand Low wenn 0 V ≤ U < 0,4 V, Zustand High wenn 2,4 V < U ≤ 5,0 V. Für ein Eingangssignal in ein Gerät gilt: Low wenn 0 V ≤ U < 0,8 V, High wenn 2,0 V < U ≤ 5,0 V. Hinweis: Das Signal an der Buchse TTL-OUT des FG TOELLNER 7401 entspricht dieser Norm nicht. 16 Abb. 4: Frontansichten von zwei im Praktikum eingesetzten Funktionsgeneratoren. Oben: AGILENT 33120A, unten: TOELLNER 7401. Beim FG TOELLNER ist die Frequenz f des Ausgangssignals das Produkt aus dem am Schalter FREQ RANGE eingestellten Wert (hier 100 Hz) und dem am Drehknopf FREQUENCY eingestellten Multiplikator (hier 1). Bei der dargestellten Einstellung ist also f = 1 × 100 Hz = 100 Hz. 17 4 Vielfachmessgeräte Vielfachmessgeräte 8 (Abb. 5) können, wie der Name sagt, je nach Schalterstellung zur Messung verschiedener elektrischer Größen eingesetzt werden. Die wichtigsten davon sind (angegeben mit typischen Bezeichnungen auf den Wahlschaltern der Geräte): Gleichspannung: Wechselspannung: Gleichstrom: Wechselstrom: Widerstand: Kapazität: V , DC V V ∼, AC V A , DC A A ∼, AC A Ω Abb. 5: Frontansichten von sechs im Praktikum eingesetzten Multimetern. Oben v. l. n. r.: MONACOR DMT-3010, ABB METRAWATT M2012, FLUKE 112, AGILENT U1251B. Mitte: KONTRON DMM 3021. Unten: AGILENT 34405A. 8 Englisch: Multimeter. Diese Bezeichnung wird auch im Deutschen verwendet. 18 Bei Messung von Wechselspannungen oder Wechselströmen (AC-Messungen) zeigen die Messgeräte jeweils den Effektivwert (Index „eff“) an. Der Effektivwert einer Wechselgröße ist derjenige Wert, den eine Gleichgröße haben müsste, um an einem ohmschen Verbraucher die gleiche elektrische Leistung umzusetzen. Für sinusförmige Signale ohne DC-Offset gilt folgender Zusammenhang zwischen Effektivwert und Amplitude (Index „0“): = U eff (2) = I eff T 1 U0 2 T 1 I0 2 1 = U 2 ( t ) dt ∫ T 0 1 2 = I ( t ) dt T ∫0 Die Spannung des Stromnetzes in Deutschland hat beispielsweise einen Effektivwert von Ueff ≈ 230 V. Dieser Wert ist auf den Typenschildern von Elektrogeräten angegeben. 9 Die zugehörige Amplitude der Netzspannung ist also U 0 ≈ 2 × U eff = 2 × 230 V ≈ 325 V Bei AC-Messungen erhält man nur für Signale mit Frequenzen innerhalb eines bestimmten Intervalls einen korrekten Messwert für den Effektivwert. Außerdem muss die Signalform (Sinus, Dreieck, Rechteck usw.) bei der Interpretation des Messwertes beachtet werden. Detaillierte Informationen dazu findet man in den Handbüchern der Geräte. Vor der Benutzung eines Vielfachmessgerätes muss die zu messende Größe am Wahlschalter eingestellt werden. Erst danach dürfen die Kabel mit den Eingangsbuchsen verbunden werden. Die Eingangsbuchse, deren Potential bei Spannungsmessungen das Bezugspotential bildet, wird je nach Hersteller unterschiedlich bezeichnet. Die gängigsten Bezeichnungen sind: Bezugspotential: COM, COMMON, LO, LOW, 0, ⊥ Die Farbe dieser Buchse ist in der Regel schwarz. Die zweite Buchse, an die bei Spannungsmessungen das Vergleichspotential gelegt wird, trägt gelegentlich die Bezeichnungen: Vergleichspotential: HI, HIGH, + Häufig sind dort jedoch nur die Einheiten der zu messenden Größen angegeben, wie z. B.: V, Ω usw. Die Farbe dieser Buchse ist in der Regel rot. Für Strommessungen wird neben der COM-Buchse eine andere Buchse als für Spannungs- und Widerstandsmessungen benutzt. Diese Buchse, ebenfalls oftmals rot, trägt dann die Beschriftung: Strommessung: mA, A Für hohe Stromstärken bis z. B. 10 A gibt es oftmals separate Anschlussbuchsen. Bei den im Grundpraktikum eingesetzten Multimetern handelt es sich um Digital-Multimeter. Diese Geräte bieten eine Anzeigegenauigkeit, die durch die Zahl der in der Anzeige vorhandenen Stellen (Digits 10) festgelegt ist. Die Stelle ganz links kann dabei üblicherweise nur eine 0 oder eine 1 anzeigen, 9 10 Häufig findet sich auf den Typenschildern noch der veraltete Wert von 220 V. Digit (engl.) = Ziffer. 19 man zählt sie deshalb als halbe Stelle. Beispielsweise ist das Gerät vom Typ AGILENT U1251B ein 4 ½stelliges Multimeter, das vom Typ AGILENT 34405A ein 5 ½ -stelliges. Das bedeutet: Die erste Stelle kann nur 0 oder 1 anzeigen, die übrigen 4 oder 5 Stellen die Ziffern 0 – 9. Neben dem eigentlichen Messwert (Zahlenwert) erscheinen bei manchen Geräten weitere Angaben auf der Anzeige, wie z. B. die Einheit der gemessenen Größe (mA, A, mV,…), der Signaltyp (AC, DC), der Messbereich (100 mV, 100 Ω,…) usw. Bei Widerstandsmessungen liefert ein Multimeter intern einen konstanten Teststrom IT, der von der roten Buchse durch den zu messenden Widerstand zur schwarzen Buchse fließt. Durch interne Messung der Spannung U über dem Widerstand R ergibt sich dann der Anzeigewert zu R = U / IT. Der Teststrom muss möglichst klein sein, um eine Erwärmung des Widerstandes zu vermeiden. Einzelheiten zu Widerstandsmessungen werden im Versuch „Messung ohmscher Widerstände …“ behandelt. Bei Kapazitätsmessungen wird der Kondensator mit einem konstanten Ladestrom IL geladen. Durch Messung der Spannung U über dem Kondensator zu zwei Zeitpunkten t1 und t2 kann die Kapazität C bestimmt werden. Einzelheiten zu Kapazitätsmessungen werden im Versuch „Messung von Kapazitäten …“ behandelt. 5 Exemplarische Schaltungen 5.1 Spannungsteiler Abb. 6 zeigt das Schaltbild eines Spannungsteilers mit den Widerständen R1 und R2, die an eine Gleichspannungsquelle (Netzgerät) mit der Klemmenspannung U angeschlossen sind. Die verwendeten Schaltsymbole werden in Kap. 6 erläutert. Mit einem Amperemeter A wird der Strom durch die Widerstände gemessen, mit dem Voltmeter V die Spannung über dem Widerstand R2. Abb. 7 zeigt ein Foto des realen Aufbaus. Als Widerstände kommen Widerstandsdekaden zum Einsatz, an denen mit Hilfe von Schiebeschaltern die gewünschten Widerstandswerte eingestellt werden können (rechts R1 = (100 + 10) Ω, links R2 = 200 Ω; Genauigkeit jeweils ± 1 %). Zur Strom- und Spannungsmessung werden Multimeter eingesetzt. Die elektrische Verbindung zwischen den Geräten und Komponenten wird mit gewöhnlichen einadrigen Laborkabeln realisiert (blaue und rote Kabel in Abb. 7), die an ihren Enden mit Laborsteckern versehen sind. Die Geräte und Komponenten selber verfügen über Laborbuchsen, die zu diesen Laborsteckern passen. Ist U = 4,8 V die am Netzgerät eingestellte Spannung, so fließt durch die Widerstände ein Strom I von (3) = I U = R 4,8 V ≈ 15,5 mA (110 + 200 ) Ω Dieser Wert wird auf der Anzeige des Amperemeters erwartet. Tatsächlich zeigt das Amperemeter einen Wert von 15,38 mA an. Die Abweichung wird durch die eingeschränkte Genauigkeit der Widerstände aus der Widerstandsdekade, der Spannungseinstellung am Netzgerät und des Messgerätes selber verursacht. Die Spannung U teilt sich auf die Widerstände im Verhältnis (4) auf. Mit U1 R1 110 Ω = = = 0,55 U 2 R2 200 Ω 20 U = U1 + U 2 (5) folgt dann durch Kombination von Gl. (4) und (5) für U2: U2 = (6) U 4,8 V = ≈ 3,10 V R1 1,55 1+ R2 Tatsächlich zeigt das Voltmeter einen Wert von – 3,04 V an. Die Abweichung des Zahlenwertes ist wieder auf die eingeschränkten Genauigkeiten von R1, R2, U und des Messgerätes zurückzuführen. Das negative Vorzeichen rührt daher, dass die COM-Buchse des Messgerätes mit dem höheren Potential am Widerstand R2 (rote Leitung) verbunden ist. =U A R2 R1 V Abb. 6: Blockschaltbild eines Spannungsteilers mit den Widerständen R1 und R2, Gleichspannungsquelle mit Klemmenspannung U, Voltmeter V und Amperemeter A. 5.2 Abb. 7: Realer Aufbau der Schaltung nach Abb. 6. Am Netzgerät ist eine Spannung von ca. 4,8 V eingestellt. Funktionsgenerator und Oszilloskop Abb. 8 zeigt ein Blockschaltbild mit einem Funktionsgenerator FG, der eine sinusförmige Wechselspannung U~ mit einstellbarer Amplitude und Frequenz liefert (z. B. 2 V, 1 kHz). An den Ausgang des Funktionsgenerators wird ein Lastwiderstand R (z. B. 1 kΩ) gelegt. Die Ausgangsspannung des FG bei dieser Belastung wird mit einem Oszilloskop OS gemessen 11. Abb. 9 zeigt ein Foto des realen Aufbaus. Zur elektrischen Verbindung des Funktionsgenerators mit dem Oszilloskop (Abb. 11) und dem Widerstand (Widerstandsdekade) kommen in diesem Fall Koaxialkabel zum Einsatz, die im Laufe des Praktikums noch ausführlicher behandelt werden. Diese Kabel (Abb. 10) verfügen über einen Innenleiter und einen Außenleiter, es handelt sich also um zweiadrige Kabel. Zwischen Innen- und Außenleiter befindet sich ein Isolator, der Außenleiter ist von einem Kunststoffmantel umgeben. An den Enden der Kabel befinden sich BNC-Stecker. Der innere Stift des Steckers ist mit dem Innenleiter, der äußere Metallkörper 11 Einzelheiten zum Oszilloskop werden im Versuch „Oszilloskop und Funktionsgenerator“ behandelt. 21 mit dem Außenleiter des Kabels verbunden. Die Stecker werden mit einem Bajonettverschluss an die zugehörigen BNC-Buchsen von Geräten wie Funktionsgenerator oder Oszilloskop angeschlossen. Um Komponenten wie z. B. Widerstandsdekaden an Koaxialkabel anschließen zu können, gibt es zwei Varianten. Entweder werden Kabel verwendet, die an einer Seite über einen BNC-Stecker und an der anderen Seite über zwei gewöhnliche Laborstecker verfügen (Abb. 9, Verbindung von FG und R), oder man benutzt ein geeignetes Adapterstück (Abb. 10). Mit Hilfe von BNC-T-Stücken (Abb. 10) kann ein Signal gleichzeitig an zwei Koaxialkabel gelegt werden (in Abb. 9 das Ausgangssignal des FG). FG U~ R OS Abb. 8: Blockschaltbild eines Funktionsgenerators FG mit Ausgangs-Wechselspannung U~, Lastwiderstand R und Oszilloskop OS zur Spannungsmessung. Mantel Außenleiter (Geflecht) Abb. 9: Realer Aufbau der Schaltung nach Abb. 8. Isolierung Innenleiter Abb. 10: Oben links: Koaxialkabel schematisch, oben rechts: Koaxialkabel mit BNC-Stecker, unten v. l. n. r.: T-Stück für Koaxialkabel mit BNC-Steckern, Verbindungsstück für Koaxialkabel mit BNC-Steckern, Adapterstück für den Übergang BNC-Stecker → Laborbuchse. 22 Abb. 11: Frontansichten von zwei im Praktikum eingesetzten Oszilloskopen. Oben: Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 210, Unten: Digital-Oszilloskp TEKTRONIX TDS 1012B. 23 6 Anhang Auswahl von Schaltsymbolen nach DIN EN 60617: Spannungsquelle Widerstand Stromquelle Kondensator V Voltmeter Spule A Amperemeter Leitungskreuzung mit Verbindung Erde Leitungskreuzung ohne Verbindung Masse Anschlussbuchse 24 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Mechanische Messwerkzeuge 1 Bügelmessschraube Eine Bügelmessschraube (Abb. 1) dient zur Messung des Außenmaßes eines Körpers mit einer Genauigkeit von 0,01 mm. Der Körper (blau in Abb. 1) wird zwischen den starren Amboss und die verschiebbare Messspindel positioniert. Die Messtrommel wird im Uhrzeigersinn gedreht, bis zwischen Messspindel und Körper noch ein kleiner Spalt besteht. Anschließend wird die Messspindel durch Drehen der Ratsche im Uhrzeigersinn weiter vorgeschoben, bis sie den Körper berührt. Die Ratsche sorgt dafür, dass die Messspindel nur mit einem definierten Drehmoment gegen den Körper gedrückt wird, um dessen Stauchung zwischen Amboss und Messspindel zu vermeiden (Prinzip des Drehmomentschlüssels). Die Ablesung des Messwertes ist in Abb. 1 erläutert 1. Abb. 1: Bügelmessschraube 2. Auf der Messhülse (Skalenstriche vertikal) wird der Messwert bis auf einen halben Millimeter genau abgelesen (untere Teilstriche: ganze Millimeter, obere Teilstriche: halbe Millimeter). Dies ist der Skalenwert, der links neben der Messtrommel gerade noch zu erkennen ist. Auf der Messtrommel (Skalenstriche horizontal) werden die hundertstel Millimeter abgelesen. Abgelesen wird der Wert, der auf der horizontalen Achse der Messhülse liegt. Gemessen wird in diesem Beispiel die Dicke des blauen Quaders. Der angezeigte Messwert beträgt 20,22 mm. 2 Messschieber Ein Messschieber (Abb. 2) dient zur Messung eines Außen-, Innen- oder Tiefenmaßes eines Körpers mit einer Genauigkeit von 0,1 mm oder 0,05 mm. Zur Messung eines Außenmaßes wird der Körper (blau in Abb. 2) zwischen den starren linken und den beweglichen rechten Außenmessschenkel gehalten und der bewegliche Schenkel soweit nach links geschoben, bis beide Schenkel den Körper berühren. Zur Messung eines Innenmaßes wird der Körper zwischen die Innenmessschenkel gehalten und der bewegliche Schenkel soweit nach rechts geschoben, bis beide Schenkel den Körper berühren. Zur Messung eines Tiefenmaßes, z.B. der Tiefe eines Bohrloches, wird der bewegliche Schenkel soweit nach rechts geschoben, bis die Tiefenmessschiene auf den Boden der Bohrung aufstößt und die Messschiene auf dem Rand der Bohrung aufliegt. Die Ablesung des Messwertes ist in Abb. 2 und Abb. 3 erläutert 3. 1 2 3 Siehe auch http://www.messmittelonline.de/Buegelmessschraube/seite1.htm Abbildung nach http://www.messmittelonline.de/ Siehe auch http://www.messmittelonline.de/Messschieber/seite1.htm 25 Abb. 2: Messschieber2 zur Messung von Außenmaßen (Beispiel: blauer Quader), Innenmaßen und Tiefenmaßen. Auf der Messschiene werden die ganzen Millimeter abgelesen (nächster Skalenwert links neben der „0“ des Nonius, hier 75 mm). Auf dem Nonius erfolgt die Ablesung des Nachkommawertes (Abb. 3). Abb. 3: Vergrößerte Darstellung des Nonius aus Abb. 2. Im abgebildeten Modell beträgt die Messgenauigkeit 0,05 mm. Zur Ablesung des Nachkommawertes wird der Teilstrich auf dem Nonius gesucht, der mit einem Teilstrich auf der Messschiene auf einer Linie liegt. Im Beispiel ist das bei 0,75 mm der Fall. Der zusammengesetzte Messwert für den blauen Quader aus Abb. 2 beträgt demnach 75,75 mm. 26 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Einsatz der Computer im Grundpraktikum Physik 1 Zum Umgang mit den Computern im Grundpraktikum Die Computer im Grundpraktikum können und sollen von den Studierenden für alle Aufgaben genutzt werden, die im Zusammenhang mit den Praktikumsversuchen stehen. Eine kurze Einführung in ihre Benutzung wird während des ersten Praktikumstermins gegeben. Studierenden ohne ausreichende Kenntnisse im Umgang mit Computern wird empfohlen, möglichst bald an entsprechenden Kursen teilzunehmen (Windows, Textverarbeitung (Word oder LaTeX), Tabellenkalkulation (Excel), Präsentation (Powerpoint), eine Programmiersprache). 1.1 Anmelden am Computer Die Computer im Grundpraktikum (Betriebssystem Windows 7) sind Teil (Clients) der WindowsDomäne gpr. Zur Anmeldung ist die Angabe eines Benutzernamens, des zugehörigen Passworts und die Auswahl der Domäne erforderlich. Der Benutzername ist gprnn 1, wobei „nn“ für die Nummer der Praktikumsgruppe laut Veranstaltungsverzeichnis steht (01, 02, 03, ...), also z. B. gpr01, gpr02,…. Das Passwort wird vor Ort mitgeteilt. Der Domänenname ist gpr. 1.2 Arbeitsverzeichnis auf den PCs im Praktikum und im Hochschulnetz Auf den Computern steht nach dem Anmelden das Arbeitsverzeichnis (Laufwerk) O:\ zur Verfügung. Im Windows-Explorer (Dateimanager) erscheint dieses Arbeitsverzeichnis unter dem Eintrag gprnn (\\gpr00.gpr.physik.uni-oldenburg.de\gprdaten$) (O:). Es handelt sich dabei um ein Verzeichnis auf dem Server gpr00 der Domäne gpr. Jedes 2er-Team (also z. B. Müller und Meier) legt dort bei der ersten Anmeldung sein eigenes Unterverzeichnis an. Als Verzeichnisname werden die Nachnamen gewählt, also z. B. O:\Mueller_Meier. Eigene Daten dürfen nur in diesem persönlichen Verzeichnis gespeichert werden! In diesem Verzeichnis muss im Laufe des Semesters eine Struktur mit Unterordnern angelegt werden, in denen später die Daten zu einzelnen Versuchen abgelegt werden, also: o O:\Mueller_Meier o Uebungen_Origin o Oszilloskop o Fehlerrechnung o Widerstaende o Kapazitaeten o … Vermeiden Sie Umlaute und Leerzeichen in den Namen von Ordnern und Dokumenten. Dadurch verhindern Sie, dass es zu Problemen kommt, wenn Sie auf ein anderes Betriebssystem wechseln. 1 Für Studierende der Umweltwissenschaften sind die Benutzernamen uwibnn (Modul Physik I) oder uwiann (Modul Physik II). 27 Alle Mitglieder einer Praktikumsgruppe „nn“ haben im gesamten Verzeichnis O:\ die Berechtigung zum Lesen und Schreiben und damit auch zum Löschen von Daten. Dauerhafte Datensicherheit kann also nicht gewährleistet werden. Um persönliche Daten dauerhaft zu sichern, sollten sie deshalb auf einem eigenen USB-Speicherstick oder in einem persönlichen Verzeichnis im Hochschulnetz gespeichert werden. Ein solches Verzeichnis wird von der Abteilung IT-Dienste 2 der Universität für alle Studierenden automatisch angelegt. Näheres dazu erfährt man bei der Abteilung IT-Dienste und über die Person, die die Computer im CIP-Raum 3 des Instituts für Physik betreut. 1.3 Laufwerksverknüpfungen Nach dem Anmelden an einem PC im Grundpraktikum stehen neben dem Arbeitsverzeichnis (O:) zwei weitere voreingestellte Laufwerksverknüpfungen zur Verfügung: P: Q: Lexika$ (\\gpr00.gpr.physik.uni-oldenburg.de) MatlabSkripte$ (\\gpr00.gpr.physik.uni-oldenburg.de) Unter P: finden sich Lexika und Handbücher, die durch Klick auf die Dateien index.html oder start.htm oder start.bat geöffnet werden können. Eine Liste der verfügbaren Lexika und Handbücher ist unter http://www.uni-oldenburg.de/physik/lehre/praktika/literatur/ zu finden. Unter Q: sind Matlab-Skripte abgelegt, die im Laufe des Praktikums benötigt werden. Einzelheiten dazu sind den entsprechenden Versuchsanleitungen zu entnehmen. 1.4 Drucker im Praktikum Im Grundpraktikum steht ein Netzwerkdrucker (HP LaserJet 4300 PS, schwarz/weiß) zur Verfügung. Der Drucker kann zum Ausdruck der Dokumente genutzt werden, die im Rahmen des Grundpraktikums erstellt werden. 1.5 Verbindung mit O: vom CIP-Raum aus Wenn von einem PC im CIP-Raum aus auf das Arbeitsverzeichnis O: im Grundpraktikum zugegriffen werden soll, muss dort beim ersten Mal eine Laufwerksverknüpfung zu O: hergestellt werden. Dazu wie folgt vorgehen (hier exemplarisch beschrieben für den Benutzernamen gpr01): Rechter Mausklick auf Start → Windows Explorer → Extras (obere Menüleiste 4) → Netzwerklaufwerk verbinden. Alternativ: Rechtsklick auf → Computer → Netzwerklaufwerk verbinden. Im erscheinenden Fenster eintragen: o o o o o o 2 3 4 Laufwerk: O: Pfad: \\gpr00.gpr.physik.uni-oldenburg.de\gprdaten$\gpr01 Haken setzen unter „Verbindung bei Anmeldung wieder herstellen“ Haken setzen unter „Verbindung mit anderen Anmeldeinformationen herstellen“ Fertig stellen Benutzername: gpr\gpr01 Passwort: s. 1.1. Haken setzen unter „Anmeldedaten speichern“ http://www.uni-oldenburg.de/itdienste/ Im CIP-Raum des Instituts für Physik (W2 2-249) stehen den Studierenden mehrere Computer zur Verfügung. Einzelheiten dazu unter http://www.uni-oldenburg.de/physik/cip/. Sollte die Menüzeile nicht sichtbar sein: → Organisieren → Layout → Menüleiste. 28 1.6 Verbindung mit dem Drucker im Praktikum vom CIP-Raum aus Um vom CIP-Raum aus den Drucker im Praktikum nutzen zu können, muss er am CIP-Arbeitsplatz einmal der Druckerliste hinzugefügt werden. Dazu sind folgende Schritte nötig (hier exemplarisch für den Nutzer gpr01): o o o o o o o 1.7 Start → Geräte und Drucker Drucker hinzufügen Einen Netzwerkdrucker … hinzufügen Klick auf „Der gesuchte Drucker ist nicht aufgeführt“ Haken setzen bei „Freigegebene Drucker über den Namen auswählen“ Im Feld eintragen: \\gpr00.gpr.physik.uni-oldenburg.de\HP LaserJet 4300 PS (drei Leerzeichen im Druckernamen beachten!) Benutzername: gpr\gpr01 Passwort: s. 1.1. Schutz vor Computer-Viren Die Studierenden im Grundpraktikum können für die Sicherung ihrer eigenen Daten USB-Speichersticks verwenden. Dabei ist sicherzustellen, dass keine Computer-Viren auf die PCs übertragen werden. Im Zweifelsfall muss der Datenträger vor Verwendung mit der Antivirensoftware Sophos überprüft werden. 2 Auswahl der zur Verfügung stehenden Software Neben den Windows-Standardprogrammen sind übliche Programme zur Textverarbeitung (Word), zur Tabellenkalkulation (Excel), zur Präsentation (Powerpoint) und Internetbrowser (Firefox) auf den Computern im Grundpraktikum verfügbar. Darüber hinaus stehen die Programme Origin und Matlab zur Verfügung. Sie sind für die Datenaufnahme, Datenanalyse und Datenvisualisierung sowie für allgemeine Funktionsberechnungen und Darstellungen von Funktionsgraphen besonders geeignet und im technisch-wissenschaftlichen Bereich weit verbreitet. Beide Programme sind auch auf den Computern im CIP-Raum des Instituts für Physik verfügbar. Eine Nutzung auf dem eigenen PC ist ebenfalls möglich. Informationen dazu finden sich hier: http://www.uni-oldenburg.de/physik/lehre/praktika/origin/ (Origin) http://www.uni-oldenburg.de/physik/lehre/praktika/matlab/ (Matlab). Die folgenden Kurzanleitungen können und sollen keine Handbücher ersetzen, sondern lediglich Einstiegshinweise geben, die für die Lösung der jeweiligen exemplarischen Aufgaben ausreichend sind. Weitere Hinweise werden vor Ort gegeben. Bei den folgenden Beschreibungen wird vorausgesetzt, dass grundlegende Kenntnisse im Umgang mit Windows-Programmen vorhanden sind. 29 3 Origin Das Programm Origin (Version 8G, SP 6) wird im Praktikum eingesetzt, um Messdaten in Tabellen einzugeben, Berechnungen mit den Daten durchzuführen, grafische Darstellungen der Daten zu erzeugen, Parameter von Ausgleichsgeraden durch Messwerte zu berechnen (lineare Regression) und nichtlineare Funktionsfits durchzuführen. Die in Kap. 3.3.3 beschriebenen Punkte werden erst im späteren Verlauf des Praktikums benötigt. Es wird daher empfohlen, zu gegebener Zeit erneut einen Blick in diesen Text zu werfen. 5 3.1 Start von Origin, Grundeinstellungen Nach dem Start von Origin erscheint eine Bildschirmoberfläche ähnlich wie in Abb. 1 dargestellt. Die Anzahl und die Position geöffneter Fenster und Symbolleisten hängen von den persönlichen Einstellungen ab. Über → Ansicht bzw. → Ansicht → Symbolleisten lassen sich die Einstellungen den individuellen Bedürfnissen anpassen. 6 In dem Startfenster erscheint, ähnlich wie beim Programm EXCEL, ein Fenster mit einem leeren Arbeitsblatt (Sheet1) einer Arbeitsmappe (Book1). In dieses Arbeitsblatt werden die Messdaten eingetragen, aus denen anschließend Diagramme erzeugt werden. Möglicherweise werden später weitere Arbeitsblätter und Diagramme, Notizen, Berechnungen usw. ergänzt. All diese Daten werden von Origin zu einem Projekt zusammengefasst, das als Ganzes in einer Datei mit der Endung .opj (origin project) abgespeichert wird: → Datei → Projekt speichern. Das in Abb. 1 unten dargestellte Fenster des Projekt-Explorers enthält eine Übersicht aller zu einem Projekt gehörenden Daten. Es lässt sich wie folgt sichtbar machen: → Ansicht → Projekt Explorer Die Lage und Größe des Fensters kann wie üblich eingestellt werden. Über das Menü → Hilfe → Sprache ändern → Help → Change Language bzw. kann zwischen der deutschen und englischen Sprachversion von Origin umgeschaltet werden. 5 6 Weitere Unterlagen zu Origin (Getting Started, Tutorials, Help,…) finden sich im Download-Bereich der Seite http://www.originlab.com/. Die Lage einer Symbolleiste (oben, unten, seitlich) kann, wie bei Windows-Programmen üblich, verändert werden, indem die Symbolleiste bei gedrückter linker Maustaste an die gewünschte Position gezogen wird. 30 Abb. 1: Bildschirmoberfläche nach dem Starten des Programms Origin. 3.2 Einstellung des Dezimalzeichens Version 8 von Origin erlaubt die Umschaltung zwischen einer deutschen und englischen Sprachversion. Dadurch kann es zu Mehrdeutigkeiten bei der Interpretation des Dezimaltrennzeichens (Dezimalkomma bzw. Dezimalpunkt) kommen, die u.U. zu scheinbar unerklärlichen Fehlern führen. Um solche Probleme zu vermeiden, dürfen bei Verwendung von Origin nicht die Regions- und Sprachoptionen aus Windows übernommen werden, sondern es muss explizit der Dezimalpunkt als Trennzeichen eingestellt werden. Diese Einstellung erfolgt gem. Abb. 2 über → Hilfsmittel → Optionen → Zahlenformat → Trennzeichen→ 1,000.0 Trennzeichen für ASCII-Import→ 1,000.0 Der Punkt in der Angabe 1,000.0 ist das Dezimaltrennzeichen, das Komma nur eine visuelle Hilfe zur Hervorhebung von Tausender-Blöcken (englische Notation). Abb. 2: Einstellung des Dezimalpunktes als Dezimaltrennzeichen. 31 3.3 Beispielaufgaben Kap. 3.3.3 widmet sich der linearen Regression. Es kann zunächst übersprungen werden. Es wird bei der Behandlung der „Fehler- und Ausgleichsrechnung“ benötigt. 3.3.1 Grafische Darstellung von Messdaten Ziel: Eingabe von X-Werten (X), einem dazugehörigen Satz von Y-Werten (Y1), Fehlern zu diesen Y1-Werten (FY1) und einem zweiten Satz von Y-Werten (Y2) zu denselben X-Werten. Anschließend grafische Darstellung dieser Werte inkl. Fehlerbalken für die Y1-Werte. (1) (2) (3) (4) Nach dem Start von Origin erscheint die Oberfläche eines neuen Projektes (Abb. 1). Auf der Projektoberfläche ist ein Arbeitsblatt (Worksheet) der Arbeitsmappe Book1 geöffnet, in das die Daten eingegeben werden können (analog zu einer Excel-Tabelle). Statt manueller Eingabe in das Arbeitsblatt können Daten auch aus Dateien mit fremden Formaten (Excel, ASCII,...) importiert oder per cut&paste eingefügt werden. Die Arbeitsblatt-Tabelle hat zunächst 2 Spalten 7: A(X) und B(Y), wobei A und B die Bezeichnungen der Spalten sind und die Buchstaben in Klammern angeben, ob es sich um Abszissen-Werte (X) oder Ordinaten-Werte (Y) handelt. Weitere Spalten für die Fehlerangabe zu Y (FY1) und den zweiten Datensatz mit Y-Werten (Y2) erhält man durch: → Spalte → Spalten hinzufügen. Die Dateneingabe erfolgt unter Verwendung des Dezimalpunktes (s. Kap. 3.2). In den gelb unterlegten Zellen der Zeile Langname wird die Beschriftung für die Daten der jeweiligen Spalte eingetragen. Abb. 3 (links) zeigt das Arbeitsblatt nach Eintrag der Daten. Abb. 3: Origin-Arbeitsblatt in der Arbeitsmappe Book1 nach Eintrag der Daten (links) und nach Festlegung des Datentyps in den Spalten (rechts). (5) Zur Erstellung eines Diagramms aus den eingegebenen Daten ist festzulegen, welche Spalte welchen Datentyp enthält. Dazu jeweils die gesamte Spalte markieren (Mausklick auf den Kopf der Spalte), dann rechter Mausklick, danach → Setzen Als. Zur Auswahl stehen: → → → → Als X setzen Als Y setzen Y-Fehlerbalken X-Fehlerbalken. Durch diese Festlegung ändert sich die Spaltenbeschriftung gem. Abb. 3 (rechts): C(yEr±) 8 bedeutet z. B., dass in Spalte C Y-Fehlerwerte stehen. 7 8 englisch column, in Origin abgekürzt mit col. „Er“ von „error“ (Fehler). 32 (6) Anschließend die Spalten mit den zu zeichnenden Daten markieren. Da hier alle Daten gezeichnet werden sollen, müssen alle Spalten markiert werden. Danach → Zeichnen → Symbol → Punktdiagramm. Durch Wahl von Punktdiagramm werden nur Datenpunkte gezeichnet, ohne Verbindungslinien, die in der Regel physikalisch unsinnig sind. (7) Das Diagramm wird in ein neues Fenster (Graph1) gezeichnet, das damit zum aktiven Fenster wird. Dadurch ergeben sich z.T. andere Einstellungen in der Hauptmenüleiste (Abb. 4), als wenn das Arbeitsblatt das aktive Fenster ist (Abb. 1). (8) Die Symbole für die Datenpunkte lassen sich nach Doppelklick auf die Symbole ändern. Im sich öffnenden Fenster muss zunächst unter → Gruppe → Modus Bearbeiten der Wert Unabhängig eingestellt werden. Danach können unter → Symbole diverse Eigenschaften (Größe, Form, Farbe) für die einzelnen Datensätze unabhängig voneinander eingestellt werden. Es wird empfohlen, möglichst offene statt gefüllter Symbole zu verwenden, da dadurch z. B. kleine Fehlerbalken besser erkannt werden können. (9) Alle Textfenster in einem Diagramm sind nach Anklicken frei verschiebbar. (10) Die Achsenbeschriftung, die Achsenskalierung, die Art der Achse (linear, logarithmisch, ...), Gitterlinien usw. lassen sich über ein Fenster einstellen, das sich nach einem Doppelklick auf die entsprechende Achse öffnet. (11) Funktionsgraphen können einem Diagramm wie folgt hinzugefügt werden: Klick auf das Diagrammfenster, das dadurch zum aktiven Fenster wird. Dann → Grafik → Funktionsgraph hinzufügen. Im sich öffnenden Fenster kann die Funktion eingeben werden. Abb. 4: Origin-Fenster nach Zeichnen eines Diagramms (Graph1). Die Fehler zu den Y1-Werten (schwarze Kreise) werden als Fehlerbalken (rote Linien) dargestellt. 3.3.2 Berechnungen mit Tabellendaten Berechnungen mit den eingegebenen Daten können wie folgt durchgeführt werden: Arbeitsblatt durch Anklicken zum aktiven Fenster machen, dann eine leere Spalte (in den folgenden Beispielen C, D oder E) markieren, anschließend 33 → Spalte → Spaltenwerte errechnen In das nun erscheinende obere Textfenster (Abb. 5 links) wird die gewünschte Rechenoperation eingetragen. 1. Beispiel: In Spalte E soll das (elementweise) Produkt der Spalten A und B erscheinen. In das Textfenster trägt man demnach col(A)*col(B) ein (Abb. 5 links), anschließend → OK. 2. Beispiel: In Spalte C soll der Sinus von der Differenz der Werte in den Spalten B und A erscheinen. Der Eintrag im Textfenster muss dann lauten: sin(col(B)-col(A)), → OK. Abb. 5: Textfenster zum Eintrag von Rechenoperationen (links) und zusätzliches Skriptfenster (rechts, unten) zur Definition von Parametern. Häufig müssen Berechnungen durchgeführt werden, bei denen neben den Zahlenwerten aus einzelnen Spalten auch Zahlenwerte physikalischer Größen wie z.B. die Erdbeschleunigung g, ein Widerstand R, eine Kapazität C usw. benötigt werden. Dann ist es praktisch, wenn diese Zahlenwerte einmal definiert (festgelegt) werden können und für alle späteren Berechnungen innerhalb desselben Projektes zur Verfügung stehen. Solche Definitionen können in einem Skriptfenster vorgenommen werden. Dazu wird dieses Fenster zunächst durch Klick auf den nach unten gerichteten Doppelpfeil (Abb. 5 links, unten rechts) sichtbar gemacht. Danach trägt man im unteren Skriptfenster (Abb. 5 rechts) die gewünschten Definitionen ein. Jede Definition wird mit einem Semikolon und der Eingabetaste abgeschlossen. Dazu folgendes Beispiel: 3. Beispiel: In Spalte D soll die Differenz aus dem Produkt der Spalten A und B, dividiert durch Spalte C, und der Erdbeschleunigung g erscheinen, die im Skriptfenster mit g=9.8133 definiert wird. Der Eintrag im Textfenster muss dann lauten: col(A)*col(B)/col(C) - g, → OK. 3.3.3 Lineare Regression Eine lineare Regression („linearer Fit“), d. h. die Berechnung einer Ausgleichsgeraden y = a + bx durch Datenpunkte, die in einem Diagramm dargestellt wurden, wird wie folgt durchgeführt: Klick auf das Diagrammfenster, das dadurch zum aktiven Fenster wird. Anschließend Klick auf einen Datenpunkt, der zu dem Datensatz gehört, für den eine Ausgleichsgerade berechnet werden soll (hier ein Punkt aus dem 34 Datensatz (X,Y1)). Danach → Analyse → Anpassen → Linearer Fit 9. Es öffnet sich ein Fenster Lineare Anpassung, in dem eine Vielzahl von Parametern eingestellt werden kann. Nur die Wichtigsten werden hier erwähnt: (1) Der Wert im Fenster Neu berechnen sollte auf Auto gesetzt werden. Dadurch erfolgt eine automatische Neuberechnung aller Parameter der linearen Regression nach Änderung von Daten. (2) Im Feld Fit Optionen → Fehler als Gewichtung → Keine Gewichtung (vorerst). (3) Für eine Berechnung der Steigung b und des Ordinatenabschnitts a der Ausgleichsgeraden im Feld Fit Optionen keine Haken setzen. Hinweis: Für eine Berechnung nur der Steigung b der Ausgleichsgeraden (wenn der Ordinatenabschnitt a fest vorgegeben ist): Haken bei Fester Schnittpunkt mit der Y-Achse setzen, Ordinatenabschnitt a festlegen. Für eine Berechnung nur des Ordinatenabschnitts a der Ausgleichsgeraden (wenn also die Steigung der Geraden fest vorgegeben ist): Haken bei Feste Steigung setzen, Steigungswert b festlegen. (4) Im Feld Angepasstes Kurvendiagramm unter → X-Datentyp → Bereich die Einstellung Ausweiten auf gesamten Achsenbereich wählen. Die übrigen Einstellungen können beibehalten werden. (5) Nach Klick auf OK wird der lineare Fit durchgeführt. Im Diagrammfenster erscheinen die Ausgleichsgerade und eine Tabelle mit den Ergebnissen des linearen Fits (Abb. 6). Nach Doppelklick auf die Tabelle kann sie, wie üblich, den eigenen Bedürfnissen angepasst werden. Abb. 6: Origin-Diagrammfenster nach Durchführung eines linearen Fits durch die X/Y1-Wertepaare. (6) Nach Durchführung des linearen Fits werden in der Arbeitsmappe Book1 automatisch zwei weitere Arbeitsblätter ergänzt, in denen die Ergebnisse des linearen Fits (Blatt FitLinear1) und eine Wertetabelle zu der Ausgleichsgeraden (Blatt FitLinearCurves1) ausgegeben werden (Abb. 7). 9 Wenn bereits einmal ein linearer Fit durchgeführt wurde, muss gewählt werden, ob alte Einstellungen übernommen werden sollen, oder ob ein neues Dialogfenster geöffnet werden soll. 35 Abb. 7: Origin-Arbeitsmappe nach Durchführung eines linearen Fits. (7) Neben den Größen a und/oder b werden im Ergebnisfenster die Zahl N der für den Fit benutzten Datenpunkte (Wertepaare) und der Korrelationskoeffizient R ausgegeben. Die übrigen Parameter sind im Grundpraktikum vorerst unbedeutend. Andere Verfahren zur Berechnung von Ausgleichskurven („Fit“) durch Datenpunkte, z. B. nichtlineare Funktionsfits, wie sie unter → Analyse → Anpassen zur Verfügung stehen, werden im Grundpraktikum erst später benötigt. Auf sie wird zu gegebener Zeit eingegangen. 3.3.4 Lineare Regression in logarithmischen Diagrammen Durch Logarithmierung lassen sich bestimmte nichtlineare Zusammenhänge linearisieren. Beispielsweise wird aus dem Exponentialzusammenhang y = a eb x durch Anwendung des natürlichen Logarithmus (Basis e) ln= y ln a + b x Trägt man also in einem halblogarithmischen Diagramm y über x auf (Ordinate logarithmisch), so ergibt sich eine lineare Darstellung: eine Gerade mit der Steigung b und dem Ordinatenabschnitt ln a. Ebenso wird aus dem Potenzgesetz y = a xb durch Logarithmieren (Basis 10) log = y log a + b log x Trägt man demnach in einem doppeltlogarithmischen Diagramm y über x auf (Ordinate und Abszisse logarithmisch), so ergibt sich ebenfalls eine lineare Darstellung: eine Gerade mit der Steigung b und dem Ordinatenabschnitt log a. Für eine lineare Regression durch derart linearisierte Daten muss unter → Analyse → Anpassen → Linearer Fit unter Fit Optionen der Haken bei Scheinbarer Fit gesetzt werden. Der Fit erfolgt dann durch die linearisierten Daten, wie sie im Diagramm erscheinen. 36 4 Matlab Das Programm Matlab wird im Praktikum eingesetzt, um Zahlenwerte mathematischer Funktionen zu berechnen und grafisch darzustellen, Berechnungen mit vektoriellen Größen durchzuführen (z. B. beim Versuch „Impuls- und Energieerhaltungssatz“) und Messdaten über geeignete Hardware in den Computer einzulesen und darzustellen. Dies stellt nur einen sehr bescheidenen Ausschnitt der vielfältigen Möglichkeiten dar, die Matlab bietet, der für die Arbeit im Grundpraktikum jedoch zunächst ausreichend ist. 10 Die folgenden Bemerkungen sind wichtig, um die Lösung der Aufgabe aus Kap. 4.1 verstehen zu können. Matlab steht für matrix laboratory. Damit wird deutlich, dass Matlab ein Werkzeug zur Rechnung mit Matrizen (zur Matrizenalgebra) ist. Eine Matrix besteht aus m × n Zahlen, die in einem zweidimensionalen Schema mit m Zeilen und n Spalten angeordnet sind; man spricht auch von einer (m,n) Matrix (Abb. 8). Im einfachsten Fall ist m = n = 1, die Matrix enthält dann nur ein Element und stellt somit nur eine einzelne Zahl (einen Skalar) dar. Im nächst einfachen Fall enthält die Matrix nur eine Zeile oder nur eine Spalte, sie stellt dann einen Zeilen- oder Spaltenvektor dar. a a b c a b c a b c d e f g h i Abb. 8: V. l. n. r: schematische Darstellung von Skalar, Zeilenvektor mit 3 Komponenten, Spaltenvektor mit 3 Komponenten, Matrix mit 3 × 3 Elementen. In einer Programmiersprache stellen üblicherweise z. B. A und B zwei Variablen dar, die jeweils eine Zahl repräsentieren und deren Produkt C = A × B eine neue Zahl C ergibt. In Matlab dagegen stellen die Variablen A und B im Allgemeinen Matrizen dar, deren Produkt A × B eine neue Matrix C ergibt. Sollen demnach z. B. zwei Zeilenvektoren A = [1 2 3] und B = [4 5 6] elementweise miteinander multipliziert werden, um den Zeilenvektor C = [1×4 2×5 3×6] zu erzeugen, so darf man in Matlab nicht schreiben C = A × B. Das ergäbe nach den Gesetzen der Matrizenalgebra auch keinen Sinn, denn es lassen sich nur Matrizen miteinander multiplizieren, bei denen die Spaltenzahl der ersten Matrix mit der Zeilenzahl der zweiten identisch ist. Für eine elementweise Multiplikation muss man vielmehr schreiben: C = A . × B. Aus dem Operator „ד wird also der Operator „ . ד, wenn elementweise Multiplikation gemeint ist, die im genannten Beispiel zu dem Ergebnis C = [4 10 18] führt. Analog dazu gibt es die Operatoren für die elementweise Division („ ./“) und das elementweise Potenzieren („ .^“). Dazu ein einfaches Beispiel. Für die x-Werte 1, 2, 3, 4 sollen die Funktionen = = y1 sin( x) und y2 x sin( x) berechnet werden. Dazu schreibt man die x-Werte zunächst in einen Zeilenvektor x. In Matlab-Syntax lautet der entsprechende Befehl: x = [1, 2, 3, 4] Mit Hilfe von y1 = sin(x) wird aus dem Zeilenvektor x der Zeilenvektor y1 berechnet, der vier Funktionswerte für die vier x-Werte enthält: y1 = 0.8415 10 0.9093 0.1411 -0.7568 Eine Kurzanleitung für Matlab („Primer“) ist zu finden unter: http://www.mathworks.com/access/helpdesk/help/pdf_doc/matlab/getstart.pdf 37 Für die Berechnung der Funktion y2 schreibt man: y2 = x .* y1 oder direkt y2 = x .* sin(x) Der Punkt vor dem Multiplikationszeichen (*) sorgt dafür, dass eine elementweise Multiplikation der Zeilenvektoren x und y1 bzw. x und sin(x) stattfindet und das Ergebnis einen neuen Zeilenvektor y2 mit ebenfalls vier Elementen ergibt: y2 = 0.8415 1.8186 0.4234 -3.0272 Alles Weitere im Umgang mit Matlab ist „learning by doing“, wie aus der Lösung der folgenden Aufgabe hoffentlich deutlich wird. 4.1 Exemplarische Aufgabe Zeichnen Sie ein Spannungssignal U als Funktion der Zeit t, das eine gedämpfte harmonische Schwingung darstellt: (1)= U (t ) U 0 sin (ω t + ϕ ) e −α t mit der Amplitude U0 = 2 V, der Kreisfrequenz ω = 2π f, der Frequenz f = 0,5 Hz, der Anfangsphase ϕ = π/5 und der Dämpfungskonstanten α = 1/(4T ) (T = 2π/ω ist die Periodendauer der Schwingung) im Zeitbereich zwischen t = 0 s und t = 15 s. 4.2 (1) (2) (3) (4) (5) Hinweise zur Lösung Starten des Programms durch Doppelklick auf das Matlab-Icon. Nach dem Start erscheint ein Fenster gem. Abb. 9. Sollte das Startfenster anders aussehen, kann es durch → Layout → Default in die Form aus Abb. 9 gebracht werden. Das Fenster enthält in der Mitte das „Command Window“, in das Matlab-Befehle direkt eingegeben werden können. Rechts oben erscheint das Fenster „Workspace“, in dem alle benutzen Variablen aufgelistet werden. In dem darunter liegenden Fenster „Command History“ erscheinen alle Befehle, die in das „Command Windows“ eingegeben wurden. Das linke Fenster „Current Folder“ zeigt den Inhalt des aktuellen Arbeitsverzeichnisses an, das in der Pfad-Zeile ausgewählt wurde. Statt Matlab-Befehle direkt in das „Command Window“ einzugeben, ist es praktischer, sie zunächst in eine Textdatei, das so genannte „m-File“ (oder „Matlab-Script-File“, Endung „.m“) zu schreiben. Durch → New Script öffnet sich das Fenster des Matlab Editors, in das die Befehle zur Lösung der Aufgabe eingetragen werden können. Abb. 10 zeigt das Editor-Fenster mit diesen Befehlen und zusätzlichen Kommentaren. Nach Ende der Eingabe erfolgt ein Klick auf das Symbol (Save and Run) in der "Toolbar-Zeile" des Editor-Fensters. Das m-File wird dadurch zunächst unter einem einzugebenden Namen, z. B. O:\Mueller_Meier\Uebungen_Matlab\Gedaempfte_Schwingung.m gespeichert. Anschließend werden die Befehle aus dem Script-File Gedaempfte_Schwingung.m nacheinander ausgeführt. In diesem Beispiel wird die gesuchte Funktion berechnet und in einem separaten Fenster „Figure 1“ grafisch dargestellt (Abb. 11). 38 Abb. 9: Bildschirmoberfläche nach Starten des Programms Matlab. Abb. 10: Matlab Editor Fenster mit Befehlen für das Berechnen und Zeichnen der Funktion aus Gl. (1). 39 Abb. 11: Grafische Darstellung der Funktion aus Gl. (1) im „Figure“ Fenster. Auf die kursive Darstellung der physikalischen Größen U und t wird in diesem Beispiel verzichtet. 40 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Fehler- und Ausgleichsrechnung Stichworte: Messgröße, Messwert, Messergebnis, Messunsicherheit, systematische und zufällige Fehler, absolute und relative Fehler, Häufigkeitsverteilung, Dichtefunktion, Gaußkurve, Mittelwert, Standardabweichung, Varianz, mittlerer quadratischer Fehler, Größtfehler, Fehlerfortpflanzungsgesetz, lineare Regression. Literatur: /1/ BIPM 1: „Evaluation of measurement data — Guide to the expression of uncertainty in measurement” (GUM), 2008 http://www.bipm.org/utils/common/documents/jcgm/JCGM_100_2008_E.pdf /2/ DIN 1319-3 2: „Grundlagen der Messtechnik - Teil 3: Auswertung von Messungen einer einzelnen Messgröße, Messunsicherheit“, 1996 /3/ DIN 1319-4: „Grundlagen der Messtechnik - Teil 4: Auswertung von Messungen, Messunsicherheit“, 1999 /4/ NIST 3 Technical Note 1297: „Guidelines for Evaluating and Expressing the Uncertainty of NIST Measurement Results”, 1994 (http://physics.nist.gov/Pubs/guidelines/TN1297/tn1297s.pdf) /5/ TAYLOR, J. R.: „Fehleranalyse“, VCH Verlagsgesellschaft mbH, Weinheim /6/ YOUNG, H. D.: „Statistical Treatment of Experimental Data“, McGraw-Hill, New York u.a. 1 Einleitung In einem Hörsaal wird ein Experiment zur Bestimmung der Erdbeschleunigung g durchgeführt. Eine Kugel wird in einem Magnethalter gehalten. Nach dem Einschalten des Magneten fällt die Kugel und trifft auf eine Plattform. Für das Durchfallen der Strecke s benötigt sie die Zeit t. Durch Messung der Messgrößen s und t lässt sich die Messgröße g bestimmen: (1) g= 2s t2 Die Apparatur sei so gebaut, dass beim Loslassen der Kugel und beim Auftreffen auf die Plattform jeweils ein Lichtblitz ausgelöst wird. Der Zeit t zwischen den beiden Lichtblitzen wird von den Studierenden im Hörsaal mit einer Stoppuhr gemessen. Niemand wird erwarten, dass alle die gleiche Zeit messen. Die einzelnen Messwerte werden voneinander abweichen. Das liegt zum einen an der individuellen Reaktionsfähigkeit der Studierenden, zum anderen an Gang- oder Kalibrierunterschieden zwischen den einzelnen Stoppuhren. Ebenso kommt es zu unterschiedlichen Messwerten, wenn mehrere Personen die Strecke s messen, denn das Anlegen und Ablesen des Maßstabs wird individuell unterschiedlich sein. Hinzu kommt, dass der Maßstab selbst nur eine begrenzte Kalibriergenauigkeit aufweist. Daraus ergeben sich folgende Fragen: 1 2 3 BIPM: Bureau International des Poids et Mesures DIN: Deutsches Institut für Normung e.V. NIST: National Institute of Standards and Technology des United States Department of Commerce - Technology Administration. 41 (1) (2) (3) Welche Werte sollen für s und t zur Berechnung von g in Gl. (1) eingesetzt werden? Wie berücksichtigt man die Tatsache, dass die einzelnen Messwerte für s und t voneinander abweichen und dass die Messgeräte nur über eine begrenzte Genauigkeit verfügen? Wie verlässlich ist der Wert für g, den man aus den Messwerten errechnet? Die Antworten auf diese Fragen lauten: Zu (1): Aus den einzelnen Messwerten muss nach festgelegten Regeln jeweils ein Messergebnis für s und t ausgerechnet werden. Die Messergebnisse für s und t werden in Gl. (1) eingesetzt und liefern ein Messergebnis für g. Zu (2): Zu den Messergebnissen für s und t müssen nach festgelegten Regeln Messunsicherheiten ausgerechnet werden. Diese Messunsicherheiten liefern ein statistisches Maß für die Abweichungen der einzelnen Messwerte voneinander. Sie sind so bemessen, dass eine weitere Messung von s oder t mit einer definierten Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis liefert, das jeweils innerhalb des Intervalls Messergebnis ± Messunsicherheit liegt. Zu (3): Aus den Messergebnissen und Messunsicherheiten für s und t muss nach festgelegten Regeln eine Messunsicherheit für g ausgerechnet werden. Eine weitere Messung von g nach dem gleichen Messverfahren wird dann mit einer definierten Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis liefern, das innerhalb des Intervalls Messergebnis ± Messunsicherheit liegt. Beide Größen zusammen bilden schließlich das vollständige Messergebnis für die Messung der Größe g. Die oben erwähnten Regeln haben internationale Gültigkeit. Sie sind für alle denkbaren Anwendungen in etlichen Normen und Anleitungen sehr ausführlich beschrieben (siehe z.B. /1/ - /4/). Darüber hinaus gibt es eine Reihe von umfangreichen Büchern, die sich diesem Thema widmen (z.B. /5/und /6/). Es würde den Rahmen dieser Anleitung sprengen, wenn diese Regeln hier im Detail wieder gegeben würden. Wir werden uns deshalb darauf beschränken, einige Grundlagen darzustellen und das Handwerkszeug bereitzustellen, das im Praktikum für die Berechnung von Messergebnissen und Messunsicherheiten benötigt wird. 2 Direkte und indirekte Messung Im betrachteten Beispiel lassen sich die Messgrößen s und t direkt messen, nämlich mit einem Maßstab und einer Stoppuhr. Man spricht in einem solchen Fall von einem direkten Messverfahren. Die Messgröße g wird in dem Beispiel indirekt gemessen, nämlich über den Umweg der Messung von s und t, aus deren Messergebnissen ein Messergebnis für g gewonnen wird. In einem solchen Fall spricht man von einem indirekten Messverfahren. 3 Hinweis zur Nomenklatur Nach /2/ soll im Kontext der Messung einer Messgröße von Messergebnis und Messunsicherheit gesprochen werden. Im physikalischen Alltag hat sich dies jedoch bislang wenig durchgesetzt. Vielmehr wird statt des Begriffs Messunsicherheit vielfach der Begriff Fehler verwendet. Deshalb ist auch eher von Fehlerrechnung die Rede, als von Berechnung von Messunsicherheiten. Oder von Fehlerbalken statt von Balken der Messunsicherheit. Wir werden in diesem Text beide Begriffe, Fehler und Messunsicherheit, verwenden. 42 4 Mögliche Fehlerarten 4.1 Systematische Fehler Systematische Fehler entstehen bei einer Messung z.B. durch unvollkommene Messgeräte, durch unvermeidbare Umwelteinflüsse auf die Messung oder auch durch Wahl eines ungeeigneten Messverfahrens. Wir wollen dies an einigen Beispielen aus dem Praktikum verdeutlichen: (1) Unvollkommene Messgeräte: Hierzu zählen z.B. ein Oszilloskop mit dejustierter Zeitablenkeinheit, ein Vielfachmessgerät mit Nullpunktfehler, eine dejustierte elektronische Waage, usw. Das Unangenehme an diesen Mängeln ist, dass man sie zum Teil während der Messung nicht erkennt. Im Gegenteil: der abgelesene Messwert (z.B. 27,5 µs, 147 Ω, 5,389 g) täuscht die Genauigkeit vor, die man von Geräten dieses Typs erwartet. Es besteht also eigentlich kein Grund, das Ergebnis zu bezweifeln. (2) Einfluss der Umwelt: Ein Beispiel dafür ist die Temperaturabhängigkeit von Messgeräten. In der Regel sind diese Abhängigkeiten quantitativ bekannt. Man kann sie dann den Gerätehandbüchern entnehmen und bei der Auswertung der Messung berücksichtigen. (3) Ungeeignete Messverfahren: Wenn man die Masse eines Magneten mit einer elektronischen Waage bestimmen will, merkt man schnell, dass das Messergebnis offensichtlich unsinnig ist. Da das Magnetfeld auf die Mechanik der Waage einwirkt, ist das Messverfahren ungeeignet; man muss eine andere Waage benutzen. Erheblich schwieriger ist es beispielsweise zu beurteilen, ob der innerhalb einer elektrischen Schaltung gemessene Strom in unzulässiger Weise durch die Beschaltung und den Innenwiderstand des Messgeräts beeinflusst wird. Hier sieht man dem Messergebnis nicht auf den ersten Blick an, ob es „richtig“ oder „falsch“ ist. Man kann sich also i.Allg. nicht darauf verlassen, dass man schon merkt, wenn man das falsche Messverfahren einsetzt. Vielmehr muss bereits bei der Planung des Experiments gründlich überlegt werden, welches Messverfahren geeignet ist. Systematische Fehler lassen sich niemals völlig ausschließen. Sie beeinflussen das Messergebnis in einer ganz bestimmten Art und Weise - hinter den Fehlern steckt „System“. Das bedeutet insbesondere, dass man den Einfluss dieser Fehler auf das Messergebnis auch durch häufige Wiederholung der Messung nicht verringern kann. Ist jedoch das Ausmaß des systematischen Fehlers bekannt (z.B. der Nullpunktfehler eines Ohmmeters, der Temperaturgang eines Verstärkers oder der Kalibrierfehler eines Drucksensors), kann man ihn bei der Angabe des Messergebnisses berücksichtigen. 4.2 Zufällige Fehler Zufällige Fehler beeinflussen das Ergebnis einer Messung auf eine unvorhersehbare und unkontrollierbare, eben auf rein zufällige Art und Weise. Ursachen für zufällige Fehler, wie sie im Praktikum auftreten, können z.B. sein: (1) Die Zufälligkeit, mit der ein Naturprozess abläuft, wie z.B. der radioaktive Zerfall oder die Emission von Photonen aus einer Lichtquelle. Sie führt z.B. dazu, dass die während einer Messzeit t gemessene Anzahl von Ereignissen zufällig schwankt. (2) Die Stoppuhr, die je nach Reaktionszeit mal zu früh, mal zu spät gedrückt wird. (3) Der Maßstab oder der Messschieber, an dem mal ein zu großer, mal ein zu kleiner Wert abgelesen wird. (4) Das elektronische Rauschen eines Messverstärkers, das zu Schwankungen der Ausgangsspannung führt. Zufällige Fehler führen immer dazu, dass das Messergebnis mal in der einen, mal in der anderen Richtung vom „wahren“ Wert abweicht (zum Begriff des „wahren“ Wertes siehe Kap. 5). Wird die Messung mehrmals wiederholt, halten sich die Abweichungen in beiden Richtungen die Waage. Wäre das nicht der Fall, so wären die beobachteten Fehler nicht rein zufällig. 43 Die Konsequenzen aus dieser Aussage lassen sich so zusammenfassen: liegen keine Erfahrungen mit einem bestimmten Messverfahren vor, so sagt ein einziger Messwert im Prinzip gar nichts aus. Der Messwert kann zufällig mehr oder weniger stark nach oben oder unten vom „wahren“ Wert abweichen. Erst durch häufige Wiederholung der Messung oder aufgrund zurückliegender Erfahrungen mit dem Messverfahren bekommt man ein Gefühl dafür, um welchen Wert herum einzelne Messwerte schwanken und man kann beurteilen, welche Aussagekraft in einem solchen Messwert steckt. In den nächsten Kapiteln werden diese Zusammenhänge quantitativ mit Hilfe von Formeln beschrieben. 5 Die Häufigkeitsverteilung von Messwerten Wir wollen annehmen, dass eine Messgröße, etwa die Zeit t, die ein Körper braucht, um von A nach B zu gelangen, N-mal gemessen wurde 4. Es liegen also N Messwerte vor, die nach den Gesetzen des Zufalls voneinander abweichen. Die Frage ist: welche dieser Messwerte kommen dem „wahren“ Wert am nächsten? Um diese Frage zu beantworten, muss man untersuchen, ob bestimmte Messwerte deutlich häufiger vorkommen als andere, und wenn ja welche. Denn man darf mit Recht erwarten, dass es diese häufigsten, d.h. wahrscheinlichsten Messwerte sind, die dem „wahren“ Wert am nächsten kommen. Man teilt deshalb die N Messwerte, die im Bereich zwischen tmin und tmax liegen, in j Klassen mit der Klassenbreite ∆t ein und ordnet der Klasse i (i = 1, 2,..., j) den Messwertbereich (2) tmin + ( i − 1) ∆t ≤ t < tmin + i∆t zu 5. Jeder Klasse i wird eine Zeit ti zugeordnet, die der Mitte des jeweiligen Zeitintervalls entspricht. Nun wird für jede Klasse i die Zahl der Messwerte pro ∆t, n(ti), die in dieser Klasse liegen, in Form eines Balkens über der zugehörigen Zeit ti aufgetragen. Man erhält auf diese Weise ein Balkendiagramm, dem man entnehmen kann, wie häufig die einzelnen Messwerte vorgekommen sind (Abb. 1). Abb. 1: Häufigkeitskurve von Messwerten. Die Breite eines Zeitintervalls (Balkens) ist ∆t. 4 5 Abb. 2: Häufigkeitskurve (Dichtefunktion) der Gauß- oder Normalverteilung (Gaußkurve). Die folgenden Überlegungen gelten gleichermaßen für jede physikalische Messgröße. Die Größe t (Zeit) dient hier nur als Beispiel. Dazu ein Beispiel: Die Messwerte mögen im Bereich zwischen tmin = 20,4 s und tmax = 22,3 s liegen, die Ablesegenauigkeit der Uhr betrage 0,1 s. Die Messwerte werden daher in insgesamt j = (22,3 - 20,4)/0,1 = 19 Klassen eingeteilt, die jeweils ein Zeitintervall von ∆t = 0,1 s Breite repräsentieren. 44 Die Einhüllende dieses Diagramms, n(ti), heißt Häufigkeitskurve der Messwerte. Entsprechend ihrer Definition ist der Flächeninhalt unter der Häufigkeitskurve immer gleich der Gesamtzahl der Messwerte N. Frage 1: - Welche Einheit hat die Größe n(ti) im gewählten Beispiel? Wie lautet die (sehr einfache!) Beziehung zwischen der Messwerthäufigkeit pro ∆t, n(ti), und der Zahl der Messwerte in einer Klasse, m(ti)? - Wie lautet die Gleichung zur Berechnung von N aus der Häufigkeitskurve n(ti)? Die Erfahrung lehrt, und die auf CARL FRIEDRICH GAUß (Abb. 3) zurückgehende Theorie kann das begründen, dass für N → ∞ und ∆t → 0 (und damit ti → t) die Häufigkeitskurve n(t) für Messwerte, die unabhängig voneinander gewonnen wurden und die mit zufälligen Fehlern behaftet sind, eine ganz charakteristische Form hat: Die Form einer Gaußschen Glockenkurve oder kurz Gaußkurve (Abb. 2). Man spricht dann auch davon, dass die Messwerte gaußverteilt oder normalverteilt seien. Abb. 3: CARL FRIEDRICH GAUß (1777 - 1855) 6 Der Flächeninhalt unter der Gaußkurve ist wiederum gleich der Gesamtzahl der Messwerte N. Es ist jedoch üblich, ihn auf den Wert 1 zu normieren. Wie weiter unten noch erläutert wird, bringt man damit zum Ausdruck, dass die Wahrscheinlichkeit, einen Messwert im gesamten Wertebereich von -∞ bis +∞ zu finden, gleich 1 ist 7. Der Verlauf der auf den Flächeninhalt 1 normierten Gaußkurve ist gegeben durch: (3) n (t ) = 1 e σ 2π − ( t − t )2 2σ 2 ∞ mit ∫ n(t )dt = 1 −∞ wobei t der Mittelwert und σ die Standardabweichung der Gaußkurve ist. Das Quadrat der Standardabweichung, σ 2, heißt Varianz. An den Stellen t = t ± σ hat die Gaußkurve ihre Wendepunkte. Die Größen t und σ haben große praktische Bedeutung: 6 7 Bildquelle: GELLERT, W. et al. [Eds.]: „Kleine Enzyklopädie Mathematik“, VEB Bibliographisches Institut, Leipzig, 1969 Im betrachteten Beispiel ist die Zeit t die Messgröße, deren realer Wertebereich nur im Intervall 0 ≤ t ≤ ∞ liegen kann. Formal gesehen erscheint es dann falsch oder mindestens unsinnig, den Wertebereich bis nach - ∞ auszudehnen. Jedoch ist in der Praxis der Anteil des Integrals aus Gl. (3) im Bereich - ∞ ≤ t < 0 so klein (≈ 0), dass er vernachlässigt werden kann. Deshalb werden aus Gründen der mathematischen Vereinfachung die Grenzen des Wertebereiches auf ± ∞ festgelegt. 45 - Der Mittelwert t ist der Wert, bei dem n(t) ein Maximum hat. Dieser Wert würde also bei einer Messreihe mit unendlich vielen Einzelmessungen am häufigsten vorkommen. Er stellt somit das wahrscheinlichste Ergebnis der Messung dar. Mit anderen Worten: eine Messreihe liefert nie einen wahren, sondern immer nur einen wahrscheinlichsten Wert. - Die Standardabweichung σ ist ein Maß für die Streuung der Messwerte um den Mittelwert t . Je größer die Streuung, je größer also σ, desto breiter wird die Häufigkeitskurve (bei gleich bleibendem Flächeninhalt), umso weniger deutlich hebt sich also ein Messwert von den übrigen ab. Frage 2: - Berechnen und zeichnen Sie mit Hilfe von Matlab n(t) gem. Gl. (3) im Zeitintervall 121,5 s ≤ t ≤ 123,5 s für t = 122,5 s sowie a) σ = 0,1 s und b) σ = 0,2 s. Stellen Sie beide Kurven in einem Diagramm dar (Matlab-Befehl hold on). Gl. (3) lautet in Matlab-Notation: n = (1/(sigma*sqrt(2*pi)))*exp(- ((t - t_quer).^2)/(2*sigma^2)) Wir wollen nun so tun, als ob wir unser Experiment so durchgeführt hätten, dass die Bedingungen N → ∞ und ∆t → 0 annähernd erfüllt waren, dass also die Häufigkeitskurve für die Messwerte näherungsweise durch eine Gaußkurve gem. Gl. (3) gegeben ist. Dann kann man durch Integration von n(t) ausrechnen (man muss also nicht zählen!), wie viele Messwerte z.B. in dem Zeitintervall [ t − σ , t + σ ] , also im Bereich t ± σ liegen: Wir wissen, dass alle N Messwerte im Zeitintervall [-∞, +∞] liegen müssen. Aufgrund der Normierung des Flächeninhalts unter der Gaußkurve auf den Wert 1 (s. Gl. (3)) bedeutet das: ∞ (4) ∫ n(t )dt = 1 N 100 % aller Messwerte, −∞ Für das gesuchte Intervall [ t - σ, t + σ] ergibt sich: t +σ t +σ − 1 = n(t )dt ∫ e (5) ∫ t −σ t − σ σ 2π ( t − t )2 2σ 2 dt ≈ 0, 683 0, 683 N 68,3% aller Messwerte. Wer dies nachrechnen möchte, sei gewarnt: das Integral über die Gaußkurve gem. Gl. (3) lässt sich nicht analytisch, sondern nur numerisch lösen! Es ist in Tabelle 2 (Kap. 11.5) angegeben. Ist also die Häufigkeitskurve der Messwerte durch eine Gaußkurve gegeben (wovon wir in der Praxis fast immer ausgehen werden), so liegen immer rund 68,3 % aller Messwerte im Bereich t ± σ (Abb. 4). Für den Bereich t ± 2σ erhält man immer einen Wert von rund 95,5 % (Abb. 4), für den Bereich t ± 3σ immer einen Wert von rund 99,7 %. Im Laborjargon heißt es dann häufig: 68 % aller Messwerte liegen im 1σ-Bereich um den Mittelwert, 95 % im 2σ-Bereich und 99 % im 3σ-Bereich. In der Praxis lassen sich die Bedingungen N → ∞ und ∆t → 0 natürlich nicht einhalten. Dadurch wird der Bereich größer, in dem z.B. 68,3 % aller Messwerte liegen. t ± σ ist in diesem Fall durch t ± pσ zu ersetzen, wobei der Wert der Größe p ≥ 1 von N abhängt und sich mit Hilfe der Statistik berechnen lässt (z.B. p = 1,32 für N = 3, p = 1,15 für N = 5, p = 1,06 für N = 10 und p → 1 für N → ∞). Für die Auswertung von Messungen im Praktikum werden wir das jedoch nicht berücksichtigen. 46 Abb. 4: Flächenanteile unter einer Gaußkurve mit der auf 1 normierten Gesamtfläche. Oben: Flächenanteil im Bereich t ± σ, unten: Flächenanteil im Bereich t ± 2σ. 6 Mittelwert und Standardabweichung Im vorigen Kapitel wurde erläutert, dass man unter den dort genannten Annahmen über das Ergebnis einer einzelnen Messung (einen Messwert) aus einer Messreihe folgende Aussage machen kann: Das Ergebnis einer Einzelmessung liegt mit ca. 68 % Wahrscheinlichkeit im Bereich t ± σ. Für die Praxis stellt sich nun die Frage, wie man t und σ ermittelt. Da man im realen Experiment weder die Bedingung N → ∞ noch die Bedingung ∆t → 0 einhalten kann, muss man herausfinden, wie man aus nur endlich vielen Messwerten (einer so genannten Stichprobe) die besten Schätzwerte, kurz: die Bestwerte, für t und σ ausrechnet. Wir verzichten auf die theoretische Herleitung zur Berechnung der Bestwerte und geben im Folgenden nur die Ergebnisse an. 6.1 Mittelwert Wird eine Messgröße, etwa die Zeit t, N-mal gemessen, so ist der Bestwert für den Mittelwert t , der sich im Falle N → ∞ ergeben würde, das arithmetische Mittel der Messwerte ti: (6) 6.2 t = 1 N N ∑ ti i= 1 Standardabweichung der Einzelmessung Als Bestwert für die Standardabweichung σ der Einzelmessung ergibt sich: (7) = σ 1 N ( ti − t N − 1 i∑ 1 = )2 47 Dies lässt sich plausibel machen: Die Standardabweichung der Einzelmessung stellt ein Maß für die Streuung der Messwerte ti um den Mittelwert t dar. Die Abweichung 8 eines einzelnen Messwertes ti von t ist durch die Differenz ti − t gegeben (siehe Abb. 5). Würde man das arithmetische Mittel dieser Differenzen als Maß für die Streuung ansetzen, so würde sich hierfür als direkte Folge aus der Definition des Mittelwertes immer ein Wert Null ergeben, da sich positive und negative Differenzen gegenseitig aufheben. Die Information über die vorhandene Streuung der Messwerte ginge also verloren. Um das zu verhindern, werden die Differenzen zunächst quadriert: ( ti − t ) 2 Dadurch werden alle Größen positiv. Danach wird das arithmetische Mittel dieser Quadrate gebildet und schließlich daraus die Wurzel gezogen. Die Tatsache, dass bei Bildung des arithmetischen Mittels nicht durch N, sondern durch N - 1 geteilt wird, lässt sich aus einer detaillierten statistischen Analyse begründen, die insbesondere auf die Unterschiede zwischen Stichprobe und Grundgesamtheit eingeht. Wir wollen dies hier jedoch nicht weiter vertiefen, zumal für großes N die Abweichung zwischen 1/N und 1/(N - 1) nur winzig ist. 14 t5 - t > 0 12 ti / s 10 8 t t15 - t < 0 6 4 2 0 0 5 10 15 20 25 30 35 i Abb. 5: Zur Veranschaulichung der Standardabweichung. Aufgetragen sind 32 Messwerte ti der Zeit t über der Nummer der Messung i. t ist der Mittelwert der ti. Für i = 5 und i = 15 sind die Abweichungen zwischen ti und t exemplarisch eingezeichnet. Die Standardabweichung σ der Einzelmessung wird auch als Fehler (Unsicherheit) der Einzelmessung oder gem. Gl. (7) als mittlerer quadratischer Fehler (engl. rms error, rms = root-mean-square) bezeichnet. 6.3 Standardabweichung des Mittelwertes In der Praxis ist die Standardabweichung σ der Einzelmessung oftmals nicht die wesentliche Größe. Es interessiert nämlich nicht so sehr, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein einzelner Messwert im Bereich t ± σ liegt. Viel wichtiger ist die Frage, wie verlässlich bzw. reproduzierbar der Mittelwert t ist, der mit einer Messreihe gefunden wurde und der das Messergebnis einer Messung darstellt. Anders ausgedrückt: mit welcher Wahrscheinlichkeit würde das Messergebnis einer weiteren Messreihe, also ein zweiter Mittelwert, in einem vorgegebenen Intervall um den ersten herum liegen? Um diese Frage beant8 nach /2/ heißt diese Größe Messabweichung. 48 worten zu können, benötigt man analog zur Standardabweichung der Einzelmessung eine Angabe über die Standardabweichung des Mittelwertes σ t . Nehmen wir an, wir haben eine Messreihe mit N Messwerten insgesamt M-mal wiederholt, so dass anschließend M Mittelwerte t j vorliegen (j = 1, 2,..., M). Man kann nun zeigen, dass für M → ∞ die Häufigkeitskurve dieser Mittelwerte der Messreihen wieder eine Gaußkurve ist mit der Standardabweichung σ t . In der Praxis wird man die Messreihe nicht M-mal wiederholen wollen, um die Standardabweichung des Mittelwertes, σ t , zu ermitteln. Vielmehr ist es das Ziel, aus einer Messreihe mit N Messwerten den Bestwert für σ t zu ermitteln. Dieser ergibt sich zu: (8) σt = σ = N N 1 ( ti − t N ( N − 1) i∑ = 1 )2 Damit kann man über den Mittelwert t dieser einen Messreihe, der das Messergebnis darstellt, folgende Wahrscheinlichkeitsaussage machen: Das Messergebnis einer weiteren Messreihe wird mit ca. 68 % Wahrscheinlichkeit im Bereich t ± σ t liegen. Ferner gilt: Die Standardabweichung σ t des Mittelwertes ist die in Kap. 1 genannte Messunsicherheit, die zusammen mit dem Messergebnis (dem Mittelwert) als vollständiges Messergebnis einer Messreihe zur Bestimmung einer Messgröße angegeben wird. Sie wird häufig auch als Fehler des Mittelwertes bezeichnet. Man sieht aus Gl. (7), dass mit zunehmender Zahl N der Messwerte die Standardabweichung σ der Einzelmessung nahezu gleich bleibt. Das erkennt man auch in Abb. 5. Durch Hinzufügen weiterer Messwerte in das Diagramm ändert sich nichts an der Streuung der Messwerte um den Mittelwert. Dagegen lässt sich aus Gl. (8) ablesen, dass die Standardabweichung σ t des Mittelwertes, also die Messunsicherheit, mit zunehmendem N immer kleiner wird: Die Messunsicherheit nimmt mit 1/ N ab. Im Prinzip könnte man sie also beliebig klein machen, wenn nur oft genug gemessen wird. In der Praxis wird man jedoch nur so oft messen, bis die Messunsicherheit einer vorher festgelegten Genauigkeitsanforderung genügt. Dabei muss jedoch immer N ≥ 4 eingehalten werden, da andernfalls keine Standardabweichung nach Gl. (7) angegeben werden kann. Dies folgt aus statistischen Überlegungen, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann. Zusammenfassend lässt sich festhalten: Das Ergebnis einer Messreihe wird immer in der Form t ± σ t angegeben. Die Messunsicherheit σ t (der Fehler des Mittelwertes) nimmt mit zunehmender Zahl N der Messwerte um den Faktor 1 / N ab. Solange keine anderen Angaben gemacht werden, wird ein Messergebnis der Art t = (100,6 ± 1,2) s immer wie folgt interpretiert: Messergebnis (Mittelwert) 100,6 s, Messunsicherheit (Standardabweichung des Mittelwertes) 1,2 s. 49 6.4 Absoluter und relativer Fehler Die Größe σ t stellt den absoluten Fehler des Messergebnisses dar, die Größe σ t / t den relativen Fehler, der in der Regel in Prozent angegeben wird. Im Praktikum werden wir uns überwiegend auf die Angabe absoluter Fehler beschränken. 7 Größtfehler der Einzelmessung Oftmals kommt es vor, im Praktikum sehr häufig, dass der Wert einer Messgröße a nicht mit Hilfe einer Messreihe, sondern nur durch eine Einzelmessung bestimmt wird, wie z.B. bei einer Längenmessung. In diesem Fall wird im Praktikum statt des Mittelwertes das Ergebnis der Einzelmessung und statt der Standardabweichung des Mittelwertes der Größtfehler ∆a angegeben. Dies ist der größtmögliche Fehler, der bei der Einzelmessung der Größe insgesamt auftreten kann. Er muss nach vernünftigen Überlegungen abgeschätzt werden. Wird beispielsweise die Länge einer Strecke mit einem Maßstab gemessen, so wird man bei sorgfältiger Messung die Ablesegenauigkeit des Maßstabs als Größtfehler annehmen. Sie beträgt z.B. bei einem Metallmaßband 0,5 mm, bei einem Messschieber 0,1 mm oder 0,05 mm und bei einer Bügelmessschraube 0,01 mm. 8 Genauigkeitsangaben Die Genauigkeit, mit der ein Messergebnis für die Messgröße a angegeben werden kann, d.h. die Anzahl der signifikanten Stellen, ist durch die Messunsicherheit limitiert, also durch die Standardabweichung σ a des Mittelwertes bzw. durch den Größtfehler ∆a einer Einzelmessung. σ a und ∆a werden im Grundpraktikum auf maximal zwei signifikante Stellen gerundet! 9 Der Mittelwert bzw. der Einzelmesswert ist dann so zu runden, dass seine letzte signifikante Stelle die gleiche Größenordnung hat wie die letzte signifikante Stelle von σ a bzw. von ∆a. Dazu Beispiele: Eine durch Rechenoperationen oder die Zahl der Stellen einer elektronischen Uhr vorgetäuschte Genauigkeit der Art t = 90,4671 s ist schlichtweg falsch, wenn der Größtfehler der Zeitmessung z.B. 1,1 s beträgt. In diesem Fall müsste es (gerundet) richtig heißen: t = (90,5 ± 1,1) s. Ebenso falsch ist eine Angabe der Art R = (83,62 ± 2,624) Ω; hier müsste es wegen der Beschränkung auf 2 signifikante Stellen für die Messunsicherheit heißen R = (83,6 ± 2,6) Ω. Die Signifikanz einer Stelle ist unabhängig von ihrer Größenordnung (Stellung in Bezug auf den Dezimalpunkt). Folgende Angaben enthalten demnach jeweils zwei signifikante Stellen: 18 1,8 0,18 0,018 0,0018 usw. Das erkennt man besonders deutlich, wenn man zur empfohlenen Darstellung mit Zehnerpotenzen übergeht, also für die genannten Zahlen schreibt: 1,8×101 1,8×100 1,8×10-1 1,8×10-2 1,8×10-3. Beim Runden stellt sich die Frage, wie mit der Ziffer 5 umzugehen ist. Nehmen wir als Beispiel die Zahl 4,135, die auf zwei Stellen hinter dem Komma gerundet werden soll. Möglich wäre die Rundung auf 4,13 oder auf 4,14. Es gilt die Regel so zu runden, dass die letzte Ziffer der gerundeten Zahl gerade ist. Im Beispiel würde also auf den Wert 4,14 aufgerundet. Dagegen würde die Zahl 4,125 auf den Wert 4,12 9 Dies bedeutet, dass die Messunsicherheit mit einer Genauigkeit von ca. 1 % angegeben wird. Eine bessere Genauigkeit ist mit den Geräten im Praktikum nicht zu erreichen! 50 abgerundet. Hinter dieser Regel steckt die Überlegung, dass bei einer Division durch 2 gerundete und ungerundete Zahl den gleichen gerundeten Zahlenwert ergeben. Für die genannten Beispielen gilt: 9 4,135 : 2 = 2,0675 ≈ 2,07 und ebenso 4,14 : 2 = 2,07 4,125 : 2 = 2,0625 ≈ 2,06 und ebenso 4,12 : 2 = 2,06 Fehlerfortpflanzung, zusammengesetzte Messgrößen Es kommt häufig vor, dass bei einem Experiment nicht die gemessene Größe (direktes Messergebnis) selbst interessiert, sondern eine hieraus berechnete Größe (indirektes Messergebnis, s. Kap. 2). Nehmen wir als Beispiel noch einmal die Schwerebeschleunigung g nach Gl. (1), die von den Messgrößen s und t abhängt: g= 2s t2 Weitere Beispiele sind die Dichte ρ eines Körpers, die eine Funktion der Messgrößen Masse m und Volumen V ist: ρ= (9) m V oder die Kapazität C eines Plattenkondensators im Vakuum, die von den Messgrößen Fläche A und Abstand d der Platten abhängt. Mit der elektrischen Feldkonstanten ε0 gilt: (10) C = ε0 A d Für all diese Beispiele wird deutlich, dass der Fehler der gesuchten Größe aus den Fehlern der einzelnen Messgrößen berechnet werden muss. Wie das geht, wird in den folgenden Kapiteln beschrieben. 9.1 Wahrscheinlichster Fehler einer zusammengesetzten Messgröße Wird das Messergebnis für eine Messgröße y aus den Messergebnissen für mehrere gaußverteilte Messgrößen berechnet, für die Mittelwerte und Standardabweichungen aus Messreihen gewonnen wurden, so wird der wahrscheinlichste Fehler für y mit dem gaußschen Fehlerfortpflanzungsgesetz berechnet, das wir nun formulieren wollen. Wir wollen annehmen, dass die gesuchte Größe y von den Messgrößen a, b, c, usw. abhängt: (11) y = f (a, b, c,...) Die Messwerte für die Messgrößen a, b, c,... seien gaußverteilt und sollen sich gegenseitig nicht beeinflussen, d. h. im statistischen Sinne unabhängig voneinander sein. Für die Messgrößen mögen Mittelwerte a , b , c , ... und die Standardabweichungen der Mittelwerte σ a , σ b , σ c , ... vorliegen. Dann ist der Bestwert yB 10 der gesuchten Messgröße y derjenige Wert, der sich ergibt, wenn y aus den Mittelwerten (Bestwerten) a , b , c , ... berechnet wird: (12) 10 y B = f ( a , b , c , ...) Der Index B steht für Bestwert. 51 Das ist plausibel. Die Standardabweichung σ y von yB ist durch das gaußsche FehlerfortpflanzungsgeB setz (veranschaulicht in Kap. 9.2) gegeben, das lautet: 2 (13) σ yB = 2 2 ∂ y ∂ y ∂ y σ a + σ b + σ c + ... := ∂ a B ∂ b B ∂ c B ∆ya2 + ∆yb2 + ∆yc2 + ... Die Ausdrücke ∂y/∂a, ∂y/∂b, usw. in Gleichung (13) sind die „partiellen Ableitungen“ von y nach den Größen a, b, c,.... Sie geben an, wie sich y ändert, wenn man nur a, oder nur b, oder nur c usw. verändern und die jeweils anderen Größen konstant halten würde. Mathematisch: Man leitet y jeweils nach einer der Größen a, b, c,... ab und betrachtet die anderen Größen dabei als Konstanten. Der Index B bei den partiellen Ableitungen gibt an, dass man die Zahlenwerte der partiellen Ableitungen jeweils für die Bestwerte (Mittelwerte) a , b , c , ... der Messgrößen a, b, c, ... berechnen muss. Als Beispiel für die Berechnung von partiellen Ableitungen nehmen wir nochmals Gl. (1) für die Schwerebeschleunigung g, die von den Größen s und t abhängt. Die partielle Ableitung von g nach s ist: ∂g 2 = ∂s t 2 und die partielle Ableitung von g nach t: 4s ∂g = − 3 t ∂t 9.2 Veranschaulichung des Fehlerfortpflanzungsgesetzes Zur Veranschaulichung des Fehlerfortpflanzungsgesetzes betrachten wir als Beispiel erneut die Schwerebeschleunigung g nach Gl. (1). Wir haben es also mit einer Funktion zu tun, die von den zwei Variablen s und t abhängt. Gl. (11) lautet dann mit y := g, a := s und b := t: g f= (14)= ( s, t ) 2s t2 In Abb. 6 ist g als Funktion von s und t in einem 3D-Plot dargestellt, in dem die lineare Abhängigkeit der Schwerebeschleunigung von s und die reziprok-quadratische Abhängigkeit von t deutlich wird. Mit Blick auf Abb. 6 betrachten wir die einzelnen Summanden in Gleichung (13) einmal näher und greifen beispielhaft den zweiten heraus: Die zu bestimmende Größe y (hier g) hängt unter anderem von der Messgröße b (hier t) ab. Ändert sich b, so ändert sich auch y. Die partielle Ableitung ∂y/∂b gibt an, wie groß diese Änderung ist, d.h. wie groß die Steigung der Funktion y = f(a, b, c,...) als Funktion von b ist, wenn man die übrigen Größen a, c,... als konstant annimmt. Im betrachteten Beispiel ergibt sich: (15) ∂y ∂g 4s := = − 3 ∂b ∂t t Da diese Steigung nicht überall gleich ist (im Beispiel ändert sie sich gem. Gl. (15) mit t-3), ist es sinnvoll, sie an der Stelle a , b , c , ... (hier s , t ) zu berechnen, die auch für die Berechnung des Bestwertes yB (hier gB) maßgeblich ist. Deshalb steht in Gl. (13) der Index B: (∂y/∂b)B. 52 Abb. 6: Zur Veranschaulichung des Fehlerfortpflanzungsgesetzes Nun muss man für den herausgegriffenen Term noch wissen, wie groß die Änderung von yB ist, der durch den Fehler σ b hervorgerufen wird. Aus den Grundlagen der Differentialrechnung ist bekannt, dass diese Änderung durch das Differential (16) ∂ y ∂ g 4s ∆yb := − 3 t hier: ∆gt = sss t = b t ∂ b B ∂ t B gegeben ist. Auf gleiche Weise kann man die Fehler ∂ y ∂ g 2 ∆g s = hier:= sss s a s t2 ∂ a B ∂ s B (17) = ∆ya : (18) ∂ y ∆yc := σc ∂ c B (hier ohne Belang) usw. bestimmen, die alle zum Gesamtfehler, d.h. zur Standardabweichung σ y von yB beitragen. Es ist B daher einleuchtend, sie zur Berechnung von σ y aufzuaddieren. Da jedoch die einzelnen Fehler gem. Gl. B (16) - (18) positiv und negativ sein können, können sie sich teilweise oder sogar ganz aufheben und damit einen zu kleinen Gesamtfehler suggerieren. Um das zu vermeiden, ist es vernünftig, die Einzelfehler zunächst zu quadrieren (dadurch werden alle Beiträge positiv) und anschließend aus der Summe der Quadrate die Wurzel zu ziehen. Durch diese geometrische (quadratische) Addition der Einzelfehler wird der Gesamtfehler kleiner als die Summe der Einzelfehler. Damit wird berücksichtigt, dass sich die Einzelfehler der voneinander unabhängigen Größen a, b, c usw. nicht alle gleichsinnig im Endergebnis niederschlagen, sondern sich gegenseitig wenigstens teilweise kompensieren. Man spricht deshalb vom wahrscheinlichsten Fehler. 9.3 Größtfehler einer zusammengesetzten Messgröße Wir wollen nun den Fall betrachten, dass die Größen a, b, c usw. z. B. keine zufälligen Fehler aufweisen oder ihre Fehler zum Teil nicht aus Messreihen gewonnen wurden. Letzteres kommt in der Praxis (auch im Praktikum) recht häufig vor, wenn nämlich Messergebnisse für die Messgrößen a, b, c usw. mindes- 53 tens zum Teil aus Einzelmessungen gewonnen wurden, für die nur die jeweiligen Größtfehler ∆a, ∆b, ∆c usw. vorliegen. In einem solchen Fall wird für die zusammengesetzte Messgröße y statt der Standardabweichung nach Gl. (13) der Größtfehler ∆yB angegeben. Er ergibt sich aus der ungünstigsten, d. h. arithmetischen (linearen) Addition aller Einzelfehler und ist gegeben durch: (19) ∆yB = ∂ y ∂ y ∂ y ∆a + ∆b + ∆c + ...:= ∆ya + ∆yb + ∆yc + ... ∂aB ∂bB ∂cB Dabei sind für die Größen ∆a, ∆b, ∆c,... die Größtfehler bzw. Standardabweichungen einzusetzen. Bis auf die Betragsstriche stellt Gl. (19) das totale Differential von yB dar. Wenn nicht ausdrücklich ein anderer Hinweis erfolgt, soll im Praktikum für zusammengesetzte Messgrößen immer der Größtfehler angegeben werden. 10 Ein konkretes Beispiel Mit einem so genannten „mathematischen Pendel“ kann die Erdbeschleunigung g bestimmt werden. Das mathematische Pendel, das sich in der Praxis nur annähernd realisieren lässt, besteht im Idealfall aus einer punktförmigen Masse, die an einem masselosen Faden derart aufgehängt wird, dass sie ohne äußere Störeinflüsse (insbesondere Reibung) pendeln kann. Für Pendelausschläge um einen kleinen Winkel a unter ca. 5 ° ist a ≈ sin a ≈ tan a (a im Bogenmaß!) und es gilt in guter Näherung folgender Zusammenhang zwischen der Schwingungsdauer T des Pendels, der Fadenlänge l und der Erdbeschleunigung g: (20) T = 2π l g bzw. g= 4π 2l T2 Durch Messung von l und T ist es also möglich, g zu bestimmen. Schon vor Beginn der Messung kann man sagen, welche systematischen Fehler auftreten werden: - Entgegen der Theorie ist die Masse nicht punktförmig und der Faden nicht masselos. Welchen Einfluss dies auf die Messung hat, lässt sich nur schwer angeben. Man muss versuchen, durch Verwendung eines sehr dünnen Fadens und einer Masse mit kleiner räumlicher Ausdehnung dem mathematischen Pendel möglichst nahe zu kommen und erwartet, dass die verbleibenden Fehler so klein gegenüber den Messunsicherheiten der Messgrößen l und T sind, dass sie vernachlässigt werden können. - Das Pendel kann nicht völlig reibungsfrei aufgehängt werden. Man muss sich deshalb bei der Aufhängung so viel Mühe geben, dass der Fehler durch Reibung klein gegenüber den Messunsicherheiten ist. Bei der Vorbereitung des Experiments muss man darauf achten, dass sowohl die Uhr zur Messung von T als auch der Maßstab zur Messung von l kalibriert sind, um systematische Fehler durch unzulängliche Messgeräte auszuschließen. Außerdem muss man die Fadenlänge l so groß wählen, dass die Messung bei Pendelausschlägen unter ca. 5° erfolgen kann, weil Gleichung (20) nur dann in guter Näherung gilt. Nach diesen Vorbereitungen kann die Messung beginnen. Es ist bekannt, dass man den Einfluss zufälliger Fehler auf die Messunsicherheit minimieren kann, wenn möglichst oft gemessen wird. Gleichzeitig erkennt man, dass eine mehrmalige Messung der Länge l gar nichts bringt. Denn wenn man den Maßstab sorgfältig anlegt und abliest, ändert sich an dem abgelesenen Wert auch bei mehrmaliger Wiederholung nichts. Dennoch ist natürlich auch der abgelesene Wert für l mit einem Fehler behaftet: Zum einen hat der Maßstab selbst trotz Kalibrierung nur eine bestimmte Genauigkeit, zum anderen kann man ihn nur mit 54 einer endlichen Genauigkeit anlegen und ablesen. Das Ergebnis der Längenmessung kann man dann folgendermaßen festhalten: (21) l= L ± ∆L ; z.B. = l ( 2,5580 ± 0, 0020 ) m wobei L der abgelesene Wert und ∆L dessen Größtfehler ist. Die Periodendauer T wird mit einer Stoppuhr gemessen, deren Gangungenauigkeit vernachlässigbar klein sei. Das Starten und Stoppen der Uhr hängt von der Reaktionsfähigkeit der BenutzerIn ab und unterliegt damit zufälligen Schwankungen, deren Einfluss auf die Messunsicherheit des Messergebnisses durch häufige Messung minimiert werden kann. Nach insgesamt N Messungen, die die Messwerte Ti liefern, lautet das Ergebnis der Zeitmessung: (22) T= T ± σ T ; z.B.= T ( 3, 210 ± 0,010) s wobei T der arithmetische Mittelwert der Messwerte Ti nach Gl. (6) und damit der Bestwert für T ist und σ T die Standardabweichung des Mittelwertes nach Gl. (8). Der Bestwert gB für g ist also gem. Gl. (20): (23) gB = 4π 2 L ; T2 gB im Beispiel= 4π 2 × 2,5580 m m = 9,801 2 2 s ( 3, 210 s ) Da L nicht aus einer Messreihe ermittelt wurde, wird nicht die Standardabweichung nach Gl. (13) berechnet, sondern der Größtfehler ∆gB nach Gl. (19). Es ergibt sich: (24) ∆= gB ∂ g ∂ g ∆L + σ ∂ l B ∂ TB T Zunächst werden die Beträge der partiellen Ableitungen an den Stellen der Bestwerte B ermittelt, hier also für die Werte L und T : ∂ g 4π 2 4π 2 = = = ∂ l L,T T 2 L,T T2 4π 2 = ... ( 3, 210 s )2 (25) ∂ g ∂ T L ,T 8π 2l 8π 2 L 8π 2 × 2,5580 m = − 3 = = = ... T L,T T3 ( 3, 210 s )3 Gleichung (25) liefert nach Einsetzen der Zahlwerte für L und T zwei Zahlen, die gemäß Gleichung (24) mit zwei anderen Zahlen, nämlich ∆L und σ T , multipliziert und anschließend addiert werden müssen, um den gesuchten Wert ∆gB zu erhalten: 55 ∆g B 4π 2 8π 2 L sT = ∆L + T2 T3 (26) = 4π 2 ( 3, 210 s ) 2 0, 0020 m + 8π 2 × 2,5580 m ( 3, 210 s ) 3 0, 010 s = 0,069 m s2 Bei der Angabe des Zahlenwertes muss die Rundung auf zwei signifikante Stellen beachtet werden. Zusammengefasst lautet das vollständige Messergebnis: (27) g= g B ± ∆g B= ( 9,801 ± 0, 069 ) m s2 Da in diesem Beispiel bereits ein Literaturwert für g vorliegt, der für die eigene geographische Lage in geeigneten Tabellenwerken nachschlagen werden kann 11, muss dieser Wert mit dem Messergebnis verglichen werden. Liegt der Literaturwert für g im Bereich gB ± ∆gB, so beendet man das Experiment mit der Feststellung, dass eine „gute Übereinstimmung im Rahmen der Messgenauigkeit“ erreicht wurde. Liegt jedoch der Literaturwert außerhalb des Bereichs gB ± ∆gB, so ist die Wahrscheinlichkeit relativ groß, dass die Messung durch einen systematischen Fehler verfälscht wurde. Statt des absoluten Fehlers ∆gB des Messergebnisses gB kann man auch den relativen Fehler εg für gB angeben: (28) εg = ∆g B gB ε= g σ ∆L +2 T L T also: (29) Dieser Gleichung kann man entnehmen, dass sich der relative Fehler von T , σ T / T , doppelt, der relative Fehler von L, ∆L/L, jedoch nur einfach im Ergebnis niederschlägt. Soll dies kompensiert werden, so darf der relative Fehler von T nur halb so groß werden wie der relative Fehler von L. Das lässt sich durch eine ausreichende Anzahl von Messungen der Periodendauer immer erreichen (s. Gl. (8)) und sollte bereits bei der Planung des Experiments berücksichtigt werden. 11 Siehe z.B. http://www.ptb.de/cartoweb3/SISproject.php 56 11 Anhang 11.1 Lineare Regression, Ausgleichsgeraden 11.1.1 Ausgleichsgeraden der Form y = ax + b Es kommt in der Praxis recht häufig vor, dass zwei Größen x und y linear voneinander abhängen, d.h. sie sind über eine Geradengleichung miteinander verknüpft: y = ax + b. Ziel der Messung ist es dann oftmals, die Größen a und b zu ermitteln. Nehmen wir als Beispiel den zeitlichen Verlauf der Geschwindigkeit v bei einer gleichmäßig beschleunigten Bewegung: v(t) = at + v0 mit a: Beschleunigung, t: Zeit und v0: Anfangsgeschwindigkeit. Wir messen v(t) (abhängige Variable) bei bestimmten Vorgabewerten von t (unabhängige Variable), um einen Wert für die Beschleunigung a und die Anfangsgeschwindigkeit v0 zu erhalten. Tragen wir gem. Abb. 7 die Messwerte v(t) über t auf, so erwarten wir, dass die eingezeichneten Messpunkte auf einer Geraden liegen, deren Steigung dem gesuchten Wert für a und deren v-Achsabschnitt dem gesuchten Wert für v0 entspricht. Wollen wir diese Gerade in das Diagramm der Messwerte einzeichnen, so stellen wir fest, dass es mehrere Steigungen und Achsabschnitte gibt, bei denen die Messwerte mehr oder weniger gut getroffen werden. Welche Parameter sind aber nun die richtigen? Diese Frage lässt sich wieder nur im Sinne einer Wahrscheinlichkeitsaussage beantworten. Wir wollen die Antwort im Folgenden geben. Wir kehren zurück zu unserer Funktion y = ax + b. Wie in der Praxis häufig der Fall, geben wir N Werte der Größe x vor, zu denen wir N Messwerte der Größe y bestimmen. Die Fehler der Vorgabewerte von x seien zu vernachlässigen, die Fehler der Messwerte von y seien zufällig verteilt. Wir behaupten, dass die Bestwerte A und B für die Parameter a und b der Geradengleichung dann gefunden wurden, wenn die Summe der Quadrate der vertikalen Abstände der Messwerte von der durch A und B bestimmten „Ausgleichsgeraden“ minimal ist, wenn also gilt: N (30) ∑ yi − ( Axi + B ) 2 → Minimum i =1 Frage 3: - Wie lässt sich dieser Ansatz begründen? Abb. 7: Wo liegt die beste Ausgleichsgerade durch die roten Messwerte? 57 Mit Hilfe der Differentialrechnung lässt sich eine Lösung für die in Gl. (30) dargestellte Forderung relativ einfach bestimmen. Man findet für A und B (Summation jeweils von 1 bis N): (31) A= N ( ∑ xi yi ) − ( ∑ xi )( ∑ yi ) (32) B= ( ∑ yi )( ∑ xi2 ) − ( ∑ xi yi )( ∑ xi ) N ( ∑ xi2 ) − ( ∑ xi )2 N ( ∑ xi2 ) − ( ∑ xi )2 Natürlich sind auch diese Bestwerte mit Fehlern behaftet, die wir nun suchen. Die fehlerbehafteten Größen in Gl. (31) und (32) sind die yi. Für die Varianz der yi ergibt sich als Bestwert (s. Gl. (7)): = σ y (33) 2 1 2 ( Axi + B − yi ) ∑ N −2 wobei die Division durch (N - 2) anstatt durch (N - 1) darauf zurückzuführen ist, dass die Bestwerte A und B in die Berechnung der Größe σ 2 y einfließen. Wendet man nun die Fehlerfortpflanzung auf Gl. (31) und (32) an und setzt für σy Gl. (33) ein, so findet man als Bestwerte für die Standardabweichungen von A und B (D ist eine in Gl. (36) definierte Hilfsgröße): (34) σ A = ND (35) σ B = D ∑ xi2 mit 1 ∑ ( Axi + B − yi ) D= N − 2 N (∑ xi2 ) − (∑ xi ) 2 2 (36) Im Praktikum wird die Software Origin für diese Berechnungen eingesetzt. Sie liefert die gesuchten Daten durch ein paar Mausklicks (→ Analyse → Anpassen → Linearer Fit). Rechnen Sie die Parameter von Ausgleichsgeraden niemals „zu Fuß“ aus, das wäre viel zu zeitaufwändig! 11.1.2 Ausgleichsgeraden der Form y = ax + b mit vorgegebenem b In der Praxis kommt es auch vor, dass Messwerte durch eine lineare Funktion y = ax + b miteinander verknüpft sind, für die der Achsabschnitt b fest vorgegeben ist. Als Beispiel sei das OHMsche Gesetz U = RI genannt: misst man die Spannung U als Funktion des Stromes I, so ergibt sich als Ausgleichsgerade durch die Messwerte eine Gerade durch den Ursprung (b = 0) mit der Steigung R. Die Bedingung für die Berechnung des Bestwertes A der Steigung a der Ausgleichsgeraden lautet analog zu Gl. (30) in diesem Fall: N (37) ∑[ i =1 2 yi − Axi ] → Minimum und man findet mit Hilfe der Differentialrechnung für A und mit Hilfe der Fehlerfortpflanzung für σA: 58 (38) (39) A= ∑x y ∑x i i 2 i ∑( y σA = i − Axi ) 2 ( N − 2 ) ∑ xi2 Um entsprechende Berechnungen mit Origin durchzuführen, muss im Fenster Lineare Anpassung der Haken im Feld Fester Schnittpunkt mit der Y-Achse gesetzt und der Zahlenwert für b eingetragen werden. 11.1.3 Ausgleichsgeraden der Form y = ax + b mit vorgegebenem a Auch der umgekehrte Fall, in dem die Steigung a der Ausgleichsgeraden fest vorgegeben ist und nur der Achsabschnitt b der Ausgleichsgeraden gesucht wird, kommt gelegentlich vor. Die Bedingung für die Berechnung des Bestwertes B von b lautet wieder analog zu Gl. (30): N (40) ∑ y − ( ax i =1 i i 2 + B ) → Minimum wobei diesmal nur B ein freier Parameter für die Bestimmung des Minimums ist. Für B und σB ergibt sich in diesem Fall: (41) B= ∑y (42) = σB i − a ∑ xi N 1 ( axi + B − yi )2 ∑ N ( N − 2) Um entsprechende Berechnungen mit Origin durchzuführen, muss im Fenster Lineare Anpassung der Haken im Feld Feste Steigung gesetzt und der Zahlenwert für a eingetragen werden. 11.2 Linearisierungen Mit Hilfe recht elementarer mathematischer Umformungen lassen sich oftmals nichtlineare Zusammenhänge von Messgrößen linearisieren, so dass es möglich wird, auch in solchen Fällen die lineare Regression zur Bestimmung von Bestwerten für gesuchte Größen anzuwenden. So wird z.B. aus einem PotenzZusammenhang der Form: (43) y = bx a durch einfaches Logarithmieren der lineare Zusammenhang (Geradengleichung): (44) log log also b + a log y = x y b y = b + ax x Bei solchen logarithmierten Zusammenhängen muss eines beachtet werden: der Logarithmus einer physikalischen Größe y, die durch das Produkt aus Zahlenwert mal Einheit gegeben ist, lässt sich nicht direkt bilden, da der Logarithmus einer Einheit keinen Sinn macht. Deshalb müssen solche Größen per Division durch ihre Einheit zunächst dimensionslos gemacht werden, ehe Umrechnungen der Art Gl. (43) nach Gl. 59 (44) erfolgen dürfen. Dazu ein Beispiel: aus dem ohmschen Widerstand R wird r = R/Ω, aus der Spannung U wird u = U/V, aus der Stromstärke I wird i = I/A und damit aus dem ohmschen Gesetz R = U/I die modifizierte Form r = u/i, das in logarithmierter Form lautet: log r = log u – log i. Tragen wir gem. Gl. (44) y über x doppelt-logarithmisch auf (also log y über log x), so erhalten wir als beste Ausgleichskurve durch die Messwerte eine Gerade mit dem Achsabschnitt log b und der Steigung a. Die Bestwerte für a und log b dieser Geraden finden wir mit Hilfe der linearen Regression, die wir in diesem Fall auf Gl. (44) anwenden müssen. Logarithmieren macht auch aus einem exponentiellen Zusammenhang der Form: (45) y = be ax einen linearen Zusammenhang: (46) ln y = ln b + ax ln e = ln b + ax Tragen wir in diesem Fall y über x halb-logarithmisch auf, so erhalten wir auch hier als beste Ausgleichskurve eine Gerade, für deren Achsabschnitt ln b und Steigung a wir mit Hilfe der jetzt auf Gl. (46) angewandten linearen Regression die Bestwerte finden. Bei Verwendung von Logarithmenpapieren ist zu beachten, dass diese immer für den dekadischen Logarithmus (log, Basis 10) ausgelegt sind. In Gl. (46) haben wir es aber mit dem natürlichen Logarithmus (ln, Basis e) zu tun. Werden daher Größen auf grafischem Wege einem Diagramm auf Logarithmenpapier entnommen oder sollen berechnete Größen dort eingetragen werden, müssen sie geeignet umgerechnet werden (Erinnerung: log x = ln x/ln 10; ln x = log x/log e). Im Praktikum wird zur Berechnung der Parameter von Ausgleichgeraden in logarithmierten Diagrammen die Software Origin eingesetzt. Dazu muss im Fenster Lineare Anpassung der Haken im Feld Scheinbarer Fit 12 gesetzt werden. Frage 4: - Das exponentielle Schwächungsgesetz= I ( x ) I 0 exp ( − µ x ) beschreibt die Schwächung der Intensität I einer Strahlung beim Durchgang durch eine Materieschicht der Dicke x. I0 ist die Anfangsintensität der Strahlung an der Stelle x = 0 und µ ein materialabhängiger Abschwächungskoeffizient ([µ] = 1/m). Skizzieren Sie I(x) in linearer und halblogarithmischer Darstellung (Abszisse x jeweils linear). Wie lässt sich aus dem halb-logarithmischen Diagramm der Abschwächungskoeffizient µ gewinnen? 11.3 Korrelation Gelegentlich, wenngleich im Grundpraktikum eher selten, muss untersucht werden, ob ein vermuteter linearer Zusammenhang zwischen zwei Größen x und y tatsächlich existiert, ob die beiden Größen also miteinander korreliert sind. Nicht immer sieht man es dem Diagramm der Messwerte an, ob die eingetragenen Messwerte „gut“ auf einer Geraden liegen oder nicht. In jedem Fall stellt sich die Frage: wie „gut“ ist „gut genug“, um die Hypothese, x und y seien miteinander korreliert, nicht verwerfen zu müssen? Die quantitative Antwort auf diese Frage liefert die Berechnung des Korrelationskoeffizienten r. Er ist gegeben durch: 12 Der Fit heißt scheinbar, weil die Daten im Origin-Arbeitsblatt weiterhin in ihrer ursprünglichen, linearen Form vorliegen. Nur im Diagramm, das dem Fit zu Grunde gelegt wird, erscheinen die Daten logarithmiert, wenn für die Skalierung der entsprechenden Achsen als Art „log10“, „log2“ oder „ln“ gewählt wurde. 60 (47) r= ∑ ( xi − x )( yi − y ) ∑ ( xi − x )2 ∑ ( yi − y )2 wobei x und y die arithmetischen Mittelwerte der Messwerte von x und y sind. Der Korrelationskoeffizient kann nur Werte zwischen -1 und +1 annehmen. Für die Beurteilung der Frage, ob zwei Größen miteinander korreliert sind, ist der Betrag von r maßgebend. Für |r| = 1 sind die Größen perfekt miteinander korreliert, für |r| = 0 sind sie unkorreliert. Für alle Werte dazwischen lassen sich Wahrscheinlichkeitsaussagen machen, die zusätzlich von der Zahl N der durchgeführten Messungen abhängen. Für N = 10 und |r| ≥ 0,8 ist beispielsweise die Wahrscheinlichkeit P, dass die Größen unkorreliert sind, P = 0,5 %. Aus Tabelle 1 (Kap. 11.5) können für weitere Kombinationen von N und |r| die zugehörigen Wahrscheinlichkeiten abgelesen werden. 11.4 Fehler gewichteter Mittelwerte Eine Messgröße h werde in M Messungen (Nr. i = 1,...,M) unter jeweils veränderten Bedingungen gemessen. Das Ergebnis der einzelnen Messungen habe zu den Messergebnissen hi und den Messunsicherheiten σi geführt. Ziel ist nun, aus den M Werten hi ein Endergebnis für die gesuchte Größe h zu berechnen. Im einfachsten Fall wäre dies das arithmetische Mittel der hi. Dabei bliebe jedoch unberücksichtigt, dass die hi unter Umständen recht unterschiedliche Messunsicherheiten σi aufweisen können, weil beispielsweise die erreichbare Messgenauigkeit nicht für alle Messreihen die gleiche war. In solchen Fällen berechnet man statt des arithmetischen Mittels der hi einen gewichteten Mittelwert hg. Sind gi die Gewichte, mit denen die Einzelwerte hi bei der Berechnung von hg berücksichtigt werden sollen, so gilt bei Summation von 1 bis M: (48) hg = ∑ hi gi ∑ gi In der Regel wählt man als Gewichte die Reziprokwerte der Varianzen: (49) gi = 1 σ i2 Dann erhält man bei Anwendung der Fehlerfortpflanzung auf Gl. (48) für die Messunsichertheit σg des gewichteten Mittelwertes bei Summation von 1 bis M: 2 (50) σg = ∂ hg = ∑ ∂ h σi i 1 ∑ 2 σi − 1 2 Frage 5: - Wie gelangt man zu diesem Resultat? Was ergibt sich für σg im speziellen Fall gi = const. = 1? 61 11.5 Tabellen Tabelle 1: Prozentuale Wahrscheinlichkeit dafür, dass zwei Messgrößen, die N-mal gemessen wurden und einen Korrelationskoeffizienten |r| ≥ |rb| aufweisen, unkorreliert sind (nach /1/). |rb|→ 0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1 N↓ 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 25 30 35 40 45 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 94 90 87 85 83 81 80 78 77 76 75 73 72 71 70 69 68 67 63 60 57 54 51 87 80 75 70 67 63 61 58 56 53 51 49 47 46 44 43 41 40 34 29 25 22 19 81 70 62 56 51 47 43 40 37 34 32 30 28 26 24 23 21 20 15 11 8,0 6,0 4,5 74 60 50 43 37 33 29 25 22 20 18 16 14 12 11 10 9,0 8,1 4,8 2,9 1,7 1,1 0,6 67 50 39 31 25 21 17 14 12 9,8 8,2 6,9 5,8 4,9 4,1 3,5 2,9 2,5 1,1 0,5 0,2 0,1 59 40 28 21 15 12 8,8 6,7 5,1 3,9 3,0 2,3 1,8 1,4 1,1 0,8 0,7 0,5 0,2 0,1 51 30 19 12 8,0 5,3 3,6 2,4 1,6 1,1 0,8 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0,1 0,1 41 20 10 5,6 3,1 1,7 1,0 0,5 0,3 0,2 0,1 0,1 29 10 3,7 1,4 0,6 0,2 0,1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 |rb|→ 0 0,05 0,1 0,15 0,2 0,25 0,3 0,35 0,4 0,45 N↓ 50 60 70 80 90 100 100 100 100 100 100 100 73 70 68 66 64 62 49 45 41 38 35 32 30 25 22 18 16 14 16 13 9,7 7,5 5,9 4,6 8,0 5,4 3,7 2,5 1,7 1,2 3,4 2,0 1,2 0,7 0,4 0,2 1,3 0,6 0,3 0,1 0,1 0,4 0,2 0,1 0,1 62 Tabelle 2: Werte der Integrale P(a) über die Gaußfunktion (error-function) als Funktion des Parameters a für beliebige Werte von Mittelwert t und Standardabweichung σ (aus /1/; beachte den Faktor 100 gegenüber Gl. (5) ff.): 100 P(a ) = σ 2π t + aσ ∫ − e ( t − t )2 2σ 2 t − aσ Exemplarisch markiert: P(a = 1,00) = 68,27, P(a = 2,00) = 95,45, P(a = 3,00) = 99,73 a 0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 1,8 1,9 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 2,7 2,8 2,9 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 0,00 0,00 7,97 15,85 23,58 31,08 38,29 45,15 51,61 57,63 63,19 68,27 72,87 76,99 80,64 83,85 86,64 89,04 91,09 92,81 94,26 95,45 96,43 97,22 97,86 98,36 98,76 99,07 99,31 99,49 99,63 99,73 99,95 99,994 99,9993 99,99994 0,01 0,80 8,76 16,63 24,34 31,82 38,99 45,81 52,23 58,21 63,72 68,75 73,30 77,37 80,98 84,15 86,90 89,26 91,27 91,97 94,39 95,56 96,51 97,29 97,91 98,40 98,79 99,09 99,33 99,50 99,64 0,02 1,60 9,55 17,41 25,10 32,55 39,69 46,47 52,85 58,78 64,24 69,23 73,73 77,75 81,32 84,44 87,15 89,48 91,46 93,12 94,51 95,66 96,60 97,36 97,97 98,45 98,83 99,12 99,35 99,52 99,65 0,03 2,39 10,34 18,19 25,86 33,28 40,39 47,13 53,46 39,35 64,76 69,70 74,15 78,13 81,65 84,73 87,40 89,69 91,64 93,28 94,64 95,76 96,68 97,43 98,02 98,49 98,86 99,15 99,37 99,53 99,66 0,04 3,19 11,13 18,97 26,61 34,01 41,08 47,78 54,07 59,91 65,28 70,17 74,57 78,50 81,98 85,01 87,64 89,90 91,81 93,42 94,76 95,86 96,76 97,49 98,07 98,53 98,89 99,17 99,39 99,55 99,67 0,05 3,99 11,92 19,74 27,37 34,73 41,77 48,43 54,67 60,47 65,79 70,63 74,99 78,87 82,30 85,29 87,89 90,11 91,99 93,57 94,88 95,96 96,84 97,56 98,12 98,57 98,92 99,20 99,40 99,56 99,68 0,06 4,78 12,71 20,51 28,12 35,45 42,45 49,07 55,27 61,02 66,29 71,09 75,40 79,23 82,62 85,57 88,12 90,31 92,16 93,71 95,00 96,06 96,92 97,62 98,17 98,61 98,95 99,22 99,42 99,58 99,69 0,07 5,58 13,50 21,28 28,86 36,16 43,13 49,71 55,87 61,57 66,80 71,54 75,80 79,59 82,93 85,84 88,36 90,51 92,33 93,85 95,12 96,15 97,00 97,68 98,22 98,65 98,98 99,24 99,44 99,59 99,70 0,08 6,38 14,28 22,05 29,61 36,88 43,81 50,35 56,46 62,11 67,29 71,99 76,20 79,95 83,24 86,11 88,59 90,70 92,49 93,99 95,23 96,25 97,07 97,74 98,27 98,69 99,01 99,26 99,46 99,60 99,71 0,09 7,17 15,07 22,82 30,35 37,59 44,48 50,98 57,05 62,65 67,78 72,43 76,60 80,29 83,55 86,38 88,82 90,90 92,65 94,12 95,34 96,34 97,15 97,80 98,32 98,72 99,04 99,29 99,47 99,61 99,72 63 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Oszilloskop und Funktionsgenerator Stichworte: Anode, Kathode, Kathodenstrahlröhre, Elektronenablenkung, Ablenkplatten, Trigger, AC/DC-Kopplung, Gleichspannung, Wechselspannung, Frequenz, Kreisfrequenz, Periode, Amplitude, Phase, Phasendifferenz, Scheitel- und Effektivwert von Wechselspannungen, LISSAJOUS-Figuren, harmonische Schwingung. Messprogramm Darstellung von Signalen eines Funktionsgenerators, Trigger-Level und Trigger-Flanke, zeitlicher Verlauf der Lichtintensität einer Glüh- und einer Leuchtstofflampe, Scheitel- und Effektivwert der Netzspannung, Untersuchung eines gedämpften periodischen Spannungssignals, Dauer eines Lichtblitzes, Frequenzstabilität eines Stroboskops, LISSAJOUS-Figuren. Literatur: /1/ WALCHER, W.: „Praktikum der Physik“, Teubner Studienbücher Physik, Teubner-Verlag, Stuttgart /2/ EICHLER, H. J., KRONFELDT, H.-D., SAHM, J.: „Das Neue Physikalische Grundpraktikum“, Springer-Verlag, Berlin u. a. /3/ GERTHSEN, C. u.a.: „Physik“, Springer-Verlag, Berlin u. a. 1 Einleitung Das Oszilloskop zählt zu den wichtigen Messinstrumenten in der experimentellen Physik. Mit ihm ist es möglich, den Verlauf einer elektrischen Spannung Uy als Funktion der Zeit t oder als Funktion einer Spannung Ux in „Echtzeit“ („Real-Time“) zu beobachten und quantitativ zu vermessen. Der zeitliche Verlauf aller physikalischen Größen, die mit einem geeigneten Sensor (Messwertaufnehmer, Messgrößenaufnehmer) in eine elektrische Spannung umgewandelt werden können 1, ist mit einem Oszilloskop darstellbar. Hinsichtlich der Amplitude und Frequenz der messbaren Signale bestehen nur wenige Einschränkungen: Ist man bereit, genügend viel Geld auszugeben, so lässt sich mit ziemlicher Sicherheit ein Oszilloskop finden, das den gestellten Anforderungen gewachsen ist. Auch im Grundpraktikum ist das Oszilloskop ein häufig eingesetztes Messgerät. In einigen Versuchen ist es wesentlicher Bestandteil des Versuchsaufbaus und liefert die quantitativen Daten, die für die Versuchsauswertung benötigt werden. In anderen Versuchen dient es der qualitativen Kontrolle, ob eine Schaltung richtig aufgebaut wurde und funktionstüchtig ist, ob ein Sensor das richtige Signal liefert usw. Um die Versuche im Praktikum erfolgreich durchführen zu können, ist daher eine gründliche Kenntnis des Oszilloskops unabdingbar. Bis vor einigen Jahren waren vielfach noch Elektronenstrahl-Oszilloskope im Einsatz. Heute sind diese Geräte überwiegend durch Digital-Speicher-Oszilloskope verdrängt worden. Auch in diesem Versuch und im Praktikum generell wird mit Digital-Speicher-Oszilloskopen gearbeitet. Dennoch wird im Theorieteil zunächst kurz das Prinzip des Elektronenstrahl-Oszilloskops dargestellt, da sich einige grundlegende Funktionsprinzipien von Oszilloskopen damit einfach und anschaulich erklären lassen. 1 Einzelheiten dazu werden im Versuch „Sensoren für Kraft, Druck, ...“ behandelt. 64 2 Theorie 2.1 Elektronenstrahl-Oszilloskop Abb. 1 zeigt den schematischen Aufbau einer Oszilloskopröhre; die realen Bauformen der einzelnen Komponenten sind erheblich komplexer (Abb. 2). Die auf Massepotenzial (0 V) liegende Kathode K wird über eine Heizwendel indirekt so weit aufgeheizt (Heizspannung UH), dass es zur Glühemission von Elektronen kommt. Im Abstand dA von der Kathode befindet sich die in der Mitte durchbohrte Anode A. Zwischen K und A wird eine positive Hochspannung UA in der Größenordnung von 1000 V angelegt. Dadurch entsteht zwischen K und A ein elektrisches Feld EA vom Betrag (1) EA = UA , dA durch das auf die Elektronen mit der Ladung e eine Kraft FA vom Betrag (2) FA = e E A ausgeübt wird. Diese Kraft beschleunigt die Elektronen in Richtung Anode. Nach Durchtritt durch das Loch in der Anode treffen die Elektronen auf den Leuchtschirm L, wo sie beim Auftreffen abgebremst werden und den Phosphor des Schirms zur Fluoreszenz anregen. Dadurch entsteht ein sichtbarer Leuchtfleck, dessen Größe mit Hilfe der Spannung UF an der Fokussiereinheit F minimiert werden kann. Uy K W F Ux A UH~ - UW +UA L +UF Abb. 1: Schematischer Aufbau einer Elektronenstrahl-Oszilloskopröhre. Bezeichnungen siehe Text. Die strichpunktierte grüne Linie gibt schematisch die Bahn der Elektronen im Fall UX = UY = 0 an. Abb. 2: Foto des hinteren Endes einer Elektronenstrahl-Oszilloskopröhre. Es zeigt die komplexe Struktur der Elektroden zur Formung und Steuerung des Elektronenstrahls. Am Ende der Röhre und rechts am Röhrenmantel sind die Anschlusskontakte für die verschiedenen Elektroden zu erkennen. 65 VOLTS / DIV MODE AC CH1 X Y1 CH 1 CH 2 CH 1 / CH 2 CH 1 + CH 2 DC GND UY VOLTS / DIV AC CH2 Y Y2 DC TRIGGER GND AUTO LEVEL CH1 CH2 EXT TRIG NORM EXT LINE SLOPE 230 V ~ NETZTEIL SEC / DIV KIPPGEN. YT UX XY Abb. 3: Blockschaltbild der wichtigsten Funktionseinheiten eines Oszilloskops. Bezeichnungen siehe Text und Abb. 4. BNC-Buchse - innen: Signalleitung - außen: Massekontakt Einheit zur Einstellung von z.B. - Verstärkungsfaktor in VOLTS/DIV - Zeitablenkung in SEC/DIV - Triggerschwelle (LEVEL) - Triggerflanke (SLOPE) - Intensität (INTENS) Verstärker Schwellwertdiskriminator: erzeugt Ausgangsimpuls, wenn Eingangsspannung > Schwellwert Abb. 4: Erklärung von Blockschaltbild-Elementen. 66 Mithilfe einer negativen Spannung UW zwischen K und dem WEHNELT-Zylinder W kann die Intensität des Leuchtpunktes variiert werden. Das durch UW hervorgerufene elektrische Feld EW ist zum Feld EA entgegen gerichtet und bremst die Elektronen. Nur Elektronen ausreichender kinetischer Energie können die Anode erreichen. Die X- und Y-Ablenkplatten (blau in Abb. 1) bilden paarweise je einen Plattenkondensator und dienen zur horizontalen und vertikalen Ablenkung des Elektronenstrahls. Wird an die Y-Ablenkplatten die Ablenkspannung UY angelegt, so entsteht zwischen den Platten bei einem Plattenabstand dY ein elektrisches Feld EY vom Betrag (3) EY = UY , dY durch das auf die Elektronen während ihres Durchflugs eine Kraft FY vom Betrag (4) = FY e= EY e UY dY ausgeübt wird. Je nach Vorzeichen und Höhe der Spannung UY werden die Elektronen deshalb mehr oder weniger stark nach oben oder unten abgelenkt und erreichen den Leuchtschirm in vertikaler Richtung an einer anderen Stelle. Analoge Überlegungen gelten für die X-Ablenkplatten, mit denen eine Ablenkung der Elektronen in horizontaler Richtung erreicht werden kann. Abb. 3 zeigt in einem Blockschaltbild die wichtigsten (nicht alle!) Funktionseinheiten für die Ansteuerung der einzelnen Elemente der Oszilloskopröhre. In Abb. 4 wird die Funktion der Blockschaltbild-Elemente erklärt. Abb. 5 zeigt die Frontansicht der Steuereinheiten eines typischen Elektronenstrahl-Oszilloskops. Bei dem mit Abb. 3 und Abb. 5 beschriebenen Gerät handelt es sich um ein so genanntes 2-KanalOszilloskop mit zwei Signaleingängen. Die Eingänge sind als BNC-Buchsen ausgelegt und heißen Kanal 1 (Channel 1; häufig bezeichnet mit CH1 2 oder X oder Y1) und Kanal 2 (CH2 oder Y oder Y2). Zusätzlich gibt es einen BNC-Eingang für ein externes Triggersignal (EXT INPUT oder EXT TRIG). In der Stellung DC 3 des Kanal-Eingangsschalters gelangt das jeweilige Eingangssignal direkt auf einen Eingangsverstärker, in der Schalterstellung AC 4 nur sein Wechselspannungsanteil 5. In der Stellung GND (Ground) wird der Eingang auf Massepotenzial gelegt. Mit dem Drehschalter VOLTS/DIV wird der Verstärkungsfaktor des Eingangsverstärkers variiert und festgelegt, wie viel Volt (VOLTS) des Eingangssignals zu einer Elektronenstrahlablenkung von einer Längeneinheit (einer DIVision, meistens 1 cm) auf dem Oszilloskopbildschirm führen. Die VOLTS/DIVEinstellung bestimmt also die vertikale Größe eines Signals auf dem Oszilloskopbildschirm. Die horizontale und die vertikale Lage des Oszilloskopbildes wird dagegen über die POSITION-Potentiometer verändert, über die eine positive oder negative Gleichspannung variabler Größe zu den Ablenkspannungen UY und UX hinzu addiert wird. 2 3 4 5 In der Schriftart ARIAL gesetzte Bezeichnungen entsprechen den Beschriftungen auf der Frontplatte des Oszilloskops. DC: direct current (Gleichstrom); hier ist mit „DC“ Gleichspannungskopplung gemeint. AC: alternating current (Wechselstrom); hier ist mit „AC“ Wechselspannungskopplung gemeint. Einzelheiten zu Gleich- und Wechselspannungssignalen siehe Kapitel „Zum Aufbau elektrischer Schaltungen…“ dieses Skriptes. 67 Abb. 5: Frontansicht der Steuereinheiten des Elektronenstrahl-Oszilloskops TEKTRONIX 2213A (Quelle: TEKTRONIX-Manual). 2.1.1 XY- und YT-Betrieb Das Oszilloskop kann je nach Einstellung der Funktionsgruppe MODE in verschiedenen Modi arbeiten: − − − Im XY-Betrieb wird der Signalverlauf Uy(Ux) dargestellt. Hierzu gelangt das Signal vom Eingang CH1 (X) über einen Eingangsverstärker als Spannung UX an die X-Ablenkplatten und das Signal vom Eingang CH2 (Y) über einen Eingangsverstärker als Spannung UY an die Y-Ablenkplatten. Im YT-Betrieb werden Signale als Funktion der Zeit t dargestellt: Uy1(t), Uy2(t) oder Uy1(t) + Uy2(t). Hierzu gelangen die Signale von CH1 bzw. von CH2 nach Verstärkung an die Y-Ablenkplatten. Ein Kippgenerator erzeugt eine Sägezahnspannung mit der Periodendauer td, die als Ablenkspannung UX für eine periodisch sich wiederholende horizontale Ablenkung des Elektronenstrahls sorgt (s. Abb. 6). Der Kippgenerator mit zugehörigen Komponenten (u.a. SEC/DIV-Schalter) wird auch als Zeitbasis oder Time-Base bezeichnet. Mit dem Zeitablenkschalter (SEC/DIV) wird im YT-Betrieb festgelegt, welche Zeit te der Elektronenstrahl benötigt, um auf dem Oszilloskopschirm in horizontaler Richtung eine Strecke von einer Längeneinheit (1 DIV) zurückzulegen. Bei einer Bildschirmbreite von m DIVisions gilt td = m te. 68 UX tr t td Abb. 6: Sägezahnspannung des Kippgenerators. Während der Zeit td läuft der Elektronenstrahl mit gleichmäßiger Geschwindigkeit von links nach rechts, während der Zeit tr läuft er von rechts nach links an den Bildanfang zurück. Durch Verringerung von UW wird erreicht, dass der Strahl während des Rücklaufs nicht auf den Leuchtschirm gelangt. 2.1.2 Synchronisierung (Triggerung) Um auf dem Oszilloskopschirm ein periodisches Signal Uy(t) mit der Periodendauer T als stehendes Bild darzustellen, muss Uy(t) mit der horizontalen Ablenkspannung UX(t) synchronisiert werden. Dieser Vorgang der Synchronisation heißt Triggerung. Sie wird über die Funktionseinheit Trigger gesteuert. Abb. 7 demonstriert die Triggerung anhand eines Beispiels für den Fall T ≥ td + tr. Der Kippgenerator erzeugt die nächste Periode von UX(t) erst dann, wenn die Eingangsspannung Uy(t) gleich der Schwellenspannung UL (TRIGGER LEVEL) ist und die Steigung (SLOPE) von Uy(t) das am Trigger-Schalter SLOPE eingestellte Vorzeichen hat („+“ in dem in Abb. 7 dargestellten Fall). Nur wenn beide Bedingungen erfüllt sind wird getriggert, d. h. der Elektronenstrahl läuft einmal von links nach rechts über den Oszilloskopschirm und wartet anschließend am linken Rand auf das nächste Triggerereignis. Uy UL T t UX t td + tr Abb. 7: Signaltriggerung. Oben Eingangssignal Uy(t), unten Signal UX(t) des Kippgenerators. UL: Trigger-Level. Mit den Elementen der Funktionseinheit TRIGGER wird eingestellt, ob das Oszilloskop im oben beschriebenen NORMal- oder im AUTO-Triggermodus betrieben werden soll: − Im NORMal-Modus kann eingestellt werden, auf welches Signal getriggert (synchronisiert) werden soll. Möglich sind die INTerne Triggerung auf ein an CH1 oder CH2 anliegendes Signal, auf ein EXTernes Signal, das dem Oszilloskop über die EXT INPUT / TRIG-Buchse zugeführt wird oder auf die Netzspannung (LINE). − Im AUTO-Modus findet eine Triggerung wie im NORMal-Modus statt, falls das Eingangssignal die Triggerbedingung erfüllt; andernfalls wird die nächste Periode der Sägezahnspannung auch ohne Triggerung erzeugt. In dieser Betriebsart kann der Elektronenstrahl auch dann sichtbar gemacht werden, wenn der Kanal-Eingangsschalter auf GND steht. In diesem Fall ist Uy(t) = 0, sodass die Triggerbedingung (Uy > UL) für das Loslaufen des Elektronenstrahls gar nicht erfüllt werden kann. 69 Frage 1: - Was bedeutet es für die Triggerung des Oszilloskops, wenn die TRIGGER-Wahlschalter auf a) NORM, EXT, „-“, b) NORM, CH1, „+“ stehen? Frage 2: - Auf dem Oszilloskopschirm mögen zwei sinusförmige Spannungsverläufe Uy1(t) und Uy2(t) zu sehen sein. Wie lassen sich die Periodendauern T, die Frequenzen f und die Kreisfrequenzen ω der Signale ermitteln? Wie lautet der formelmäßige Zusammenhang zwischen diesen Größen? Wie lassen sich die Amplituden Uy1,0 und Uy2,0 der Spannungssignale bestimmen? Frage 3: - Angenommen, die Signale Uy1(t) und Uy2(t) haben die gleichen Frequenzen, sind jedoch seitlich gegeneinander versetzt, d. h. phasenverschoben. Wie lässt sich dann der Betrag der Phasenverschiebung ϕ (in Grad) der beiden Signale ermitteln (Formel)? 2.2 Digital-Speicher-Oszilloskop 2.2.1 Grundlagen Ein Digital-Speicher-Oszilloskop (kurz: Digital-Oszilloskop) ist im Grunde nichts anderes als ein Computer, der neben den üblichen Einheiten wie CPU, internem / externen Speicher, Bussystem und Software folgende spezielle Komponenten enthält: − − − Ein Bedienfeld mit Drehknöpfen (z.B. VOLTS/DIV, SEC/DIV, LEVEL,…) und Tasten (z.B. CH1/2 MENU, TRIG MENU, CURSOR,…), s. Abb. 9 und Abb. 10, über die die Steuerung der Software erfolgt (statt über Tastatur und Maus). Eine Einheit zur Erfassung und Digitalisierung von Spannungssignalen, die an die BNC-Buchsen CH1, CH2 und EXTR TRIG angelegt werden. Einen LCD-Bildschirm zur Anzeige der erfassten Signale, zur Ausgabe von Messwerten und Einstellungsparametern sowie zur Darstellung der Menüs zur Gerätesteuerung (s. Abb. 11, Abb. 12, Abb. 13). Die analogen Eingangssignale werden mit einem Analog/Digital-Wandler (A/D-Wandler) in digitale Signale umgewandelt. Details dieses Wandlungsprozesses werden in einem separaten Versuch „Datenerfassung und –verarbeitung mit dem PC...“ behandelt. Deshalb werden im Folgenden nur einige Grundbegriffe erläutert. Die Umwandlung analog → digital geschieht nicht kontinuierlich, sondern nur zu diskreten, periodisch angeordneten Zeitpunkten, den so genannten Abtastpunkten (sampling points, Abb. 8). Die Häufigkeit, mit der ein Signal abgetastet wird, ist durch die Abtastrate oder Abtastfrequenz fa vorgegeben, ihr Kehrwert ist das Abtastintervall Ta. Je höher fa, je kleiner also Ta, desto präziser kann der zeitliche Verlauf eines Eingangssignals dargestellt werden. Bei den im Praktikum eingesetzten Geräten beträgt fa maximal 1 GHz. Die höchstmögliche Abtastfrequenz fa bestimmt nach dem Abtasttheorem 6 gleichzeitig die maximale Frequenz fs eines harmonischen Eingangssignals, die mit einem Digital-Oszilloskop noch erfasst werden kann. Für eine korrekte Signalerfassung muss die Bedingung 6 Weitere Details zum Abtasttheorem und zum Aliasing werden im späteren Versuch „Fourieranalyse“ behandelt. 70 (5) fa > 2 fs erfüllt sein, andernfalls treten Fehler auf (Aliasing). U Ta t ∆U Abb. 8: Abtastung eines Sinussignals (rot). Die Abtastpunkte (blau) haben den zeitlichen Abstand Ta = 1/fa voneinander. ∆U gibt die maximale Spannungsdifferenz im dargestellten Signal an. Um den Spannungswert an einem Abtastpunkt möglichst genau bestimmen zu können, benötigt man einen A/D-Wandler mit möglichst großer Auflösung, die durch die Zahl n der verfügbaren Bits gegeben ist. n Bits erlauben eine relative Genauigkeit für Spannungsmessungen von 1/2n. Bei den im Praktikum eingesetzten Typen ist n = 8, es können also 28 = 256 unterschiedliche Spannungswerte erfasst werden. Dazu zwei Beispiele: − Bei einer Verstärkereinstellung am VOLTS/DIV-Schalter von 1 V/DIV und 8 Divisions in vertikaler Richtung können Eingangssignale mit maximalen Spannungsunterschieden von ∆U = 1 V/DIV × 8 DIV = 8 V dargestellt werden. Einzelne Spannungswerte können dann mit einer Genauigkeit (Auflösung) von 8 V/ 28 ≈ 30 mV gemessen werden. Spannungsunterschiede im Eingangsignal, die kleiner als ca. 30 mV sind, können demnach nicht aufgelöst werden. − Bei einer Verstärkereinstellung von 20 mV/DIV und 8 Divisions können Eingangssignale mit maximalen Spannungsunterschieden von ∆U = 20 mV/DIV × 8 DIV = 160 mV dargestellt werden. Die Auflösung bei der Messung einzelner Spannungswerte beträgt dann 160 mV/ 28 ≈ 0,63 mV. Für Messungen mit möglichst hoher Auflösung ist es deshalb wichtig, die Eingangssignale über die richtige Einstellung am VOLTS/DIV-Schalter immer soweit zu verstärken, dass sie sich in vertikaler Richtung annähernd über den gesamten Bildschirm erstrecken. Eine weitere Größe, die die Güte eines Digital-Oszilloskops bestimmt, ist die maximale Zahl N von Abtastwerten, die gespeichert werden können. Bei den im Praktikum eingesetzten Geräten ist N = 2.500. Die Darstellung der Messwerte erfolgt auf einem Bildschirm mit z.B. 320 (horizontal) × 240 (vertikal) Pixeln. Die Signalspeicherung geschieht bei einem Digital-Oszilloskop kontinuierlich. Im Speicher stehen immer die letzten N Abtastwerte des Signals zur Verfügung. Die Darstellung der Signale geschieht jedoch nur dann, wenn eine Triggerung erfolgte. Die kontinuierliche Signalspeicherung hat den Vorteil, dass auch Signalanteile vor dem Triggerzeitpunkt dargestellt werden können (Vortriggerung, englisch Pre-Triggering). So ist in der Grundeinstellung des Oszilloskops der Zeitpunkt, zu dem die Triggerung ausgelöst wurde, in der horizontalen Bildmitte zu finden (s. Abb. 11). Mit Hilfe des HORIZONTAL POSITIONKnopfes kann dieser Zeitpunkt nach links und rechts verschoben werden. 71 Abb. 9: Frontansicht des Digital-Oszilloskops TEKTRONIX Typ TDS 220 (Quelle: TEKTRONIX-Manual). Abb. 10: Frontansicht des Digital-Oszilloskops TEKTRONIX TDS 1012B (Quelle: TEKTRONIX-Manual). Die Modelle TDS 1012, TDS 1012B und TDS 2012C verfügen über die Möglichkeit der Datenspeicherung auf einer SD-Karte bzw. einem USB-Speicherstick. 72 Abb. 11: Bildschirmfoto des Digital-Speicher-Oszilloskops TEKTRONIX TDS 1012, mit dem eine sinusförmige Wechselspannung an CH1 gemessen wird. Durch Aktivierung der Funktion MESSUNG werden am rechten Bildrand der Spitze-Spitze-Wert USS der Spannung (8,16 V) sowie ihre Frequenz (1,002 kHz) ausgegeben. Unten wird die Einstellung der Parameter VOLTS/DIV (CH1 2.00V) und SEC/DIV (M 250µs) sowie die Höhe des TRIGGER LEVELs ( 560mV) angezeigt. Das Zeichen bedeutet Triggerung auf einen Signalabschnitt mit positiver Steigung (SLOPE). Der nach unten zeigende Pfeil am oberen Bildrand markiert den Triggerzeitpunkt, der nach links zeigende Pfeil am rechten Bildrand den TRIGGER LEVEL und der nach rechts zeigende Pfeil am linken Bildrand mit der Ziffer 1 die Lage der 0 V-Linie (GND) von CH1. 2.2.2 Menüsteuerung Viele Funktionen des Digital-Oszilloskops werden über Menüs gesteuert. Nach der Betätigung einer Taste wie CH1 MENU, MESSUNG / MEASURE, ERFASSUNG / ACQUIRE, DISPLAY usw. erscheint in der rechten Spalte des Bildschirms ein Menü mit fünf untereinander angeordneten Feldern. Abb. 12 zeigt als Beispiel das Menü nach Betätigung der Taste CH1 MENU. Die Einträge in den einzelnen Feldern lassen sich durch Betätigung der rechts neben den Feldern liegenden Tasten verändern. So führt beispielsweise eine mehrmalige Betätigung der Taste neben dem Feld Kopplung zur Änderung der Signalkopplung: DC → AC → GND → DC → AC → GND →… Weitere Menüs sind in Abb. 13 dargestellt. Abb. 12: Menü auf dem Bildschirm (rechte Spalte) nach Betätigung der Taste CH1 MENU. Rechts daneben die Tasten zur Änderung der Menüauswahl in den einzelnen Feldern. 73 Abb. 13: Menüs nach Betätigung unterschiedlicher Funktionstasten. Von links nach rechts und von oben nach unten sind dargestellt: Menü DISPLAY (u.a. Umschaltung zwischen YT- und XYBetrieb), Menü TRIGGER, Menü ERFASSUNG und Menü MESSUNG. 2.2.3 Quantitative Messungen Ein großer Vorteil von Digital-Oszilloskopen gegenüber analogen Geräten besteht in der Möglichkeit, die gespeicherten Daten geräteintern verrechnen zu können. So können auf einfache Weise Signalmittelwerte, Spitzenwerte von Signalen, Zeit- und Amplitudendifferenzen, Periodendauern, Signalfrequenzen usw. gemessen werden. Zur Messung von Parametern periodischer Signale (Periode, Frequenz, Amplitude usw.) eignet sich das Menü MESSUNG / MEASURE. Die Ergebnisausgabe erfolgt jeweils am rechten und unteren Rand der Anzeige. Abb. 11 und Abb. 13 unten rechts zeigen Beispiele. Nichtperiodische Signale oder einzelne Spannungs- und Zeitwerte lassen sich mithilfe des CURSORMenüs messen (Abb. 14). Mit zwei horizontalen Cursorn (Spannungscursor) lassen sich Spannungswerte und Spannungsdifferenzen bestimmen, mit zwei vertikalen Cursorn (Zeitcursor) Zeitwerte und Zeitdifferenzen. Die Cursor lassen sich mit Hilfe der POSITION-Knöpfe (Typ TDS 1012) oder mit einem separaten Drehknopf (Typ TDS 1012B / 2012C) verschieben. Die zu den Cursorpositionen gehörenden Messwerte werden jeweils in Anzeigefeldern am rechten Bildrand ausgegeben. 74 Abb. 14: CURSOR-Menüs. Links zwei Spannungscursor (Typ Amplitude), die die Maxima (CURSOR 1, 100 mV) und die Minima (CURSOR 2, -102 mV) des Signals an CH1 markieren. V zeigt die Spannungsdifferenz beider Cursorwerte an (202 mV). Rechts zwei Zeitcursor (Typ Zeit), die den Beginn (CURSOR 1, - 90 s) und das Ende (CURSOR 2, 910 s) einer Periode des Signals an CH1 markieren. t zeigt die Zeitdifferenz beider Cursorwerte an (1.000 ms). 2.2.4 Speicherung von einmaligen Signalen Ein weiterer Vorteil von Digital-Oszilloskopen gegenüber analogen Geräten besteht in der Möglichkeit, einmalige Signale erfassen und speichern zu können. Ein Beispiel für solche Signale sind Spannungsimpulse, die eine Fotodiode nach Bestrahlung mit einem kurzen Lichtblitz ausgibt. Über das TRIGGERMenü kann man die Bedingungen einstellen (PEGEL / LEVEL, FLANKE / SLOPE,…) unter denen eine einmalige Signalaufzeichnung erfolgen soll. Durch Betätigung der Taste RUN / STOP bzw. SINGLE SEQ wird das Oszilloskop anschließend in eine Wartestellung versetzt (Anzeige READY in oberer Menüzeile). Erfüllt das Eingangssignal danach die Triggerbedingungen, erfolgt die Aufzeichnung. Aufgrund der Pre-Triggerung (s. Kap. 2.2.1) ist dann auch der Signalverlauf direkt vor dem Auslösen des Triggerereignisses sichtbar. 3 Versuchsdurchführung Zubehör: Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, 2 Funktionsgeneratoren (TOELLNER 7401 und AGILENT 33120A / 33220A), Signalformer, Stroboskop, Blitzgerät (METZ 44 AF-1), Fotodetektor (Si-Fotoelement SIEMENS BPY64P), Glühlampe und Leuchtstofflampe in lichtdichtem Kasten, hochohmiger Spannungsteiler 100:1 zur Teilung der Netzspannung. Hinweise: Einzelheiten zum Betrieb der zur Verfügung stehenden Geräte, insbesondere der Oszilloskope, müssen bei Bedarf in den bereitliegenden Gerätehandbüchern nachgelesen werden. Das Erlernen des Umgangs mit Handbüchern (auch englischsprachigen) gehört mit zu den Lernzielen im Praktikum! Im Laufe des Studiums wird man immer wieder mit Oszilloskopen arbeiten müssen, die jeweils anders aussehen und unterschiedlich in ihrer Bedienung sind. Es wäre daher falsch, sich im Praktikum an nur einen Gerätetyp zu gewöhnen. Im Gegenteil, man sollte im eigenen Interesse häufig zwischen verschiedenen Modellen wechseln, um genügend Routine beim Umgang mit den Geräten zu erwerben. Die Versuche werden mit dem Funktionsgenerator (FG) TOELLNER 7401 durchgeführt. Der Funktionsgenerator AGILENT 33120A / 33220A kommt nur im Versuch 3.10 zum Einsatz. Manchmal kann es hilfreich sein, die AUTOSET-Taste am Oszilloskop zu betätigen. Das Gerät analysiert dann das Eingangssignal und stellt es mit daraus abgeleiteten Einstellungen dar. 75 3.1 Erzeugung eines Punktes In der Mitte des Bildschirmes soll ein ruhender Punkt erzeugt werden. Dazu muss das Oszilloskop auf XY-Betrieb (Menü DISPLAY) eingestellt werden. Durch welche Bedienungselemente lässt sich die vertikale und horizontale Lage des Punktes verändern? 3.2 Erzeugung eines vertikalen Striches Im XY-Betrieb soll in der Mitte des Bildschirms ein vertikaler Strich mit einer Länge von 6 DIVisions erzeugt werden. Dazu muss ein geeignetes Signal aus dem Funktionsgenerator (Buchse OUTPUT) an den Y-Kanal gelegt werden. Durch welche Bedienungselemente des Oszilloskops und des Funktionsgenerators lassen sich die Länge und die Lage des Striches beeinflussen? (Alle Möglichkeiten ausprobieren!) 3.3 Ausgangssignale eines Funktionsgenerators Im YT-Betrieb sollen nacheinander die verschiedenen Ausgangssignale (Sinus-, Dreieck-, Rechtecksignal) des Funktionsgenerators an CH1 dargestellt werden. Variieren Sie die Frequenz, die Amplitude und den Gleichspannungsanteil (DC-OFFSET) am FG und beobachten Sie die zugehörigen Signaländerungen auf dem Oszilloskop. Um Änderungen bei Variation des Gleichspannungsanteils beobachten zu können, muss am Oszilloskop die DC-Kopplung (CH1/2 MENU) eingestellt sein. Stellen Sie gleichzeitig mit dem Ausgangssignal des FG das Signal an der Buchse TTL OUT 7 dar. Dokumentieren Sie für alle drei Signalformen das Ausgangssignal zusammen mit dem TTL-Signal entweder per Handskizze oder mit einem Bildschirmfoto (siehe Anhang, Kap. 4). Geben Sie den maximalen und minimalen Spannungswert des TTL-Signals sowie seine Phasenlage relativ zu den Ausgangssignalen (Sinus, Dreieck, Rechteck) an. 3.4 Trigger-Level und Trigger-Flanke Der Funktionsgenerator (DC-OFFSET OFF) wird an CH1 des Oszilloskops angeschlossen. Auf dem Schirm wird ein Bild entsprechend Abb. 15 erzeugt, d. h. ein „Sinussignal mit Grundlinie“. Die Amplitude des Sinussignals soll 1 V betragen, die Frequenz 2 kHz und auf dem Schirm soll genau eine Periode sichtbar sein. Getriggert wird im NORMal-Modus (TRIG MENU), der Triggerzeitpunkt soll am linken Bildrand liegen. Abb. 15: Oszilloskopbild eines Sinussignals mit Grundlinie (rot). Jedes Kästchen hat die Größe 1 DIV × 1 DIV. Das Sinussignal soll am linken Rand nacheinander bei einem Argument (Phasenwinkel) von 0°, 45°, 90°, 135°, 180°, 225° und 270° beginnen, ohne dass die Einstellung der HORIZONTAL POSITION am Oszilloskop dabei verändert wird. Wie müssen der PEGEL / LEVEL und die FLANKE / SLOPE der 7 Siehe Erläuterungen zu den Ausgangssignalen eines FG im Kapitel „Zum Aufbau elektrischer Schaltungen…“ dieses Skriptes. 76 Triggereinheit dazu eingestellt werden? (Darstellung der Ergebnisse in Tabellenform; Trigger-Level für die jeweiligen Phasenwinkel ausrechnen, am Oszilloskop einstellen und in die Tabelle eintragen.) 3.5 Quantitative Messung eines Spannungssignals Mit Hilfe eines Fotodetektors ist es möglich, den zeitlichen Verlauf einer Lichtintensität I(t) in ein dazu proportionales Spannungssignal U(t) umzuwandeln. Mit dem zur Verfügung stehenden Fotodetektor soll der zeitliche Verlauf der Lichtintensität einer an das Stromnetz (50 Hz Wechselspannung) angeschlossenen Glühlampe und einer Leuchtstofflampe (Abb. 16) gemessen werden (Frequenz, Amplitude, Signalform (Skizze)). Dabei soll insbesondere auf charakteristische Unterschiede in den Signalen beider Lampen geachtet werden. Zur Messung wird der Fotodetektor auf die Öffnung des Lampenkastens gelegt und die jeweilige Lampe eingeschaltet. I(t) enthält einen Gleichanteil IDC und einen deutlich kleineren zeitlich variierenden Anteil IAC. Nur das zu IAC gehörende Spannungssignal wird auf dem Oszilloskop dargestellt und vermessen. Frage 4: - Warum enthält I(t) einen Gleichanteil IDC? Bei der Messung der Signale wird auffallen, dass sie von einem Rauschsignal kleiner Amplitude überlagert sind. Bei periodischen Signalen lässt sich dieser Rauschanteil durch Mittelwertbildung verringern. Dazu wählt man die Betriebsart ERFASSUNG / ACQIRE → MITTELWERT, in der die Signale über 4, 16, 64 oder 128 Zeitintervalle der Länge ∆t gemittelt werden können. ∆t entspricht dabei der Breite des auf dem Bildschirm angezeigten Zeitbereichs: ∆t = 10 × te, wobei te der eingestellte SEC/DIV-Wert ist. Schalten Sie zwischen den Erfassungsmodi NORMALE ABTASTUNG und MITTELWERT um, variieren Sie die Zahl der Zeitintervalle, über die gemittelt wird und dokumentieren Sie die Änderungen in den dargestellten Signalen. Spule Leuchtstoff U~ Elektroden Gas Glimmstarter Abb. 16: Blockschaltbild einer Leuchtstofflampe. Frage 5: - Abb. 16 zeigt das Blockschaltbild einer Leuchtstofflampe. Wie funktioniert die Lampe prinzipiell? Worin besteht der wesentliche Unterschied zu einer Glühlampe? 3.6 Scheitel- und Effektivwert der Netzspannung Mit einem hochohmigen Spannungsteiler wird die Netzspannung im Verhältnis 100:1 auf zwei Widerstände aufgeteilt (Abb. 17; Genauigkeit der Widerstände ± 1 %). 8 8 Zur Vermessung der Netzspannung wird ein Spannungsteiler statt eines Netztransformators benutzt, um die Form der Netzspannung nicht zu verfälschen. 77 100 R1 Netzspannung 230 V ~ L R1 CH 1 Abb. 17: Hochohmiger Spannungsteiler zur Teilung der Netzspannung mit Kontrolllämpchen L (rot). Achtung: Beim Anschluss des Spannungsteilers an die Netzspannung muss unbedingt auf richtige Polung geachtet werden! Bei richtiger Polung leuchtet das rote Kontrolllämpchen L auf, bei falscher Polung nicht. In diesem Fall muss der Netzstecker umgedreht werden! Keinesfalls darf das Oszilloskop bei falscher Polung angeschlossen werden! Aus Sicherheitsgründen ist ein Einsatz der beschriebenen Spannungsteilerschaltung nur durch geschultes Personal zulässig (Gefahr der Berührung von Netzspannung bei falschem Einsatz der Schaltung oder bei Leitungsbruch). Das Kabel am Widerstand R1 darf daher erst angeschlossen werden, nachdem die Schaltung durch eine betreuende Person überprüft wurde! Über dem kleineren Widerstand R1 wird die Spannung abgegriffen, auf CH1 des Oszilloskops gegeben und Form, Frequenz und Amplitude gemessen. Frage 6: - Wie groß ist die Amplitude (der Scheitelwert) der Netzspannung, wie groß ihr Effektivwert (sinusförmige Netzspannung vorausgesetzt)? Wie groß wäre der Effektivwert einer rechteckförmigen Wechselspannung gleicher Amplitude? Frage 7: - Welcher Strom (Effektivwert) fließt durch eine Heizplatte, die mit Wechselstrom betrieben wird und deren Typenschild die Angabe „230 V / 1,5 kW“ trägt? Wie groß ist der Scheitelwert dieses Stromes? 3.7 Untersuchung eines gedämpften periodischen Spannungssignals An den Eingang eines Signalformers wird eine Rechteckspannung angelegt (Frequenz 10 kHz, Amplitude einige V). Dieser Signalformer wird als „Black Box“ behandelt, dessen Funktionsprinzip hier nicht interessiert. Wichtig ist nur, dass am Ausgang des Signalformers ein Spannungssignal vorliegt, dessen Verlauf dem einer gedämpften harmonischen Schwingung entspricht. Frage 8: - Der Spannungsverlauf U(t) einer gedämpften harmonischen Schwingung (siehe Abb. 18) mit der Anfangsamplitude U0, der Kreisfrequenz ω und der Dämpfungskonstanten α lässt sich als Funktion der Zeit t schreiben als: (6) U ( t ) = U 0 cos (ω t ) e −α t Die mit der Zeit abnehmenden Amplituden der Teilschwingungen seien Ui (i = 1, 2, 3,…, s. Abb. 18). Was für ein Funktionsverlauf ergibt sich, wenn die Ui über i a) linear und b) halblogarithmisch aufgetragen wird? (Die i-Achse soll jeweils linear skaliert sein.) Das Ausgangssignal des Signalformers wird an CH1 des Oszilloskops angeschlossen. Die Triggerung und Zeitablenkung des Oszilloskops wird so eingestellt, dass eine gedämpfte Schwingung vollständig und von einer weiteren der Anfang auf dem Schirm zu sehen ist. Anschließend werden folgende Signaldaten gemessen: 78 a) Frequenz der gedämpften Schwingung, b) Spannungsamplituden Ui der ersten 5 Teilschwingungen. Stellen Sie Ui als Funktion von i grafisch dar (linear und halblogarithmisch) und vergleichen Sie Ihre Ergebnisse mit den Erwartungen gemäß Frage 8. 1,0 U1 U/ V 0,5 U2 0,0 -0,5 -1,0 0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 t/s Abb. 18: Gedämpfte harmonische Schwingung gem. Gl. (6). U0 = 1V ist die Anfangsamplitude, U1 und U2 sind die Amplituden der beiden nachfolgenden Teilschwingungen. 3.8 Frequenzstabilität eines Stroboskops Die Aufgabe in diesem Versuchsteil besteht darin, quantitative Aussagen über die Frequenzstabilität eines Stroboskops zu machen, dessen Lichtblitze mit einem Fotodetektor in Spannungsimpulse umgewandelt werden. Ein Maß für diese Frequenzstabilität ist die maximale Zeitspanne ∆T, um die der Abstand zwischen aufeinander folgenden Stroboskopblitzen mit dem mittleren Impulsabstand T variiert (s. Abb. 19). ∆T U 1. Impuls (getriggert) 2. Impulse t T t0 Abb. 19: Oszilloskopbild einer zeitlich schwankenden Impulsfolge. Zur Lösung der angegebenen Aufgabe wird das Oszilloskop im NORMal-Triggermodus auf das Spannungssignal des Fotodetektors getriggert. Das Stroboskop wird bei einer Frequenz von f ≈ 30 Hz betrieben. Die Zeitablenkung wird so eingestellt, dass ein Zeitintervall der Länge t0 ≈ 1,1 T ≈ 1,1 f auf dem Bildschirm zur Darstellung kommt . Danach wird der Triggermodus auf Einzelimpulserfassung umgestellt (Taste SINGLE SEQ beim Typ TDS 1012 / 1012B bzw. Triggermodus SINGLE SHOT beim Typ TDS 210/220). Dadurch wird erreicht, dass nach Betätigung der RUN/STOP-Taste jeweils ein Impulsverlauf gespeichert und dargestellt wird, wie er sich nach erfolgter Triggerung ergibt. Vor der Triggerung erscheint im Display READY (das Oszilloskop wartet auf das Erreichen der Triggerschwelle), nach der Triggerung erscheint STOP. Mit 79 Hilfe der Zeitcursor kann der Impulsabstand T zwischen dem ersten Impuls, auf den getriggert wurde, und dem zweiten Impuls vermessen werden. Durch mindestens zehnmalige Wiederholung der Messung (jeweils erneut die RUN/STOP-Taste betätigen) wird ein brauchbarer Schätzwert für das Zeitintervall ∆T ermittelt und in Relation zum mittleren Impulsabstand T angegeben. 3.9 Dauer eines Lichtblitzes Mit Hilfe eines Fotodetektors soll die Dauer des Lichtblitzes aus einem Foto-Blitzgerät ermittelt werden (Taste M am Blitzgerät so oft drücken, bis die LED über 1/64 aufleuchtet). Der Blitz wird aus ca. (0,5 – 1) m auf den Fotodetektor gerichtet und ausgelöst. Das Signal des Fotodetektors wird mit dem Oszilloskop im SINGLE SEQ / SINGLE SHOT-Modus erfasst. Da die Dauer des Lichtblitzes kurz ist (< 1 ms) und die Lichtintensität des Blitzes schnell ansteigt und abfällt, muss ein schneller Fotodetektor verwendet werden. Darunter versteht man einen Detektor, der Lichtimpulse mit kurzer Anstiegs- und Abfallzeit messen kann. Bei dem verwendeten Fotodetektor erreicht man dies dadurch, dass man die Ausgangskontakte des Fotodetektors mit einem 50 Ω -Widerstand verbindet und die Spannung über diesem Widerstand misst. Man spricht in dem Fall von einem 50 Ω-Abschluss des Detektors 9. Der physikalische Grund für diese Beschaltung wird bei den späteren Versuchen „Messung von Kapazitäten....“ und „Sensoren...“ klar werden. Als Dauer des Lichtblitzes soll die 10%-Breite tb des aufgezeichneten Spannungsimpulses angegeben werden, wie sie in Abb. 20 definiert ist. Eine Skizze bzw. ein Bildschirmfoto (vgl. Kap. 4) des aufgezeichneten Impulses wird dem Protokoll beigefügt. U U0 0,1 U0 tb t Abb. 20: Zur Definition der 10%-Breite tb eines Spannungsimpulses U(t) mit der Amplitude U0. 3.10 Lissajous-Figuren LISSAJOUS-Figuren entstehen durch Überlagerung von zwei sinusförmigen Signalen Ux(t) und Uy(t), die im XY-Betrieb an die beiden Eingänge des Oszilloskops gelegt werden. Frage 9: - Wie sieht eine LISSAJOUS-Figur aus, die durch die Überlagerung zweier Sinussignale mit dem Amplitudenverhältnis 1:2 und dem Frequenzverhältnis 2:3 entsteht? (Skizze mit Matlab zeichnen. Die Phasenverschiebung zwischen beiden Signalen zur Zeit t = 0 sei 0.) Auf dem Oszilloskop sollen LISSAJOUS-Figuren durch die Überlagerung von zwei sinusförmigen Wechselspannungen aus den Funktionsgeneratoren AGILENT und TOELLNER erzeugt werden. Die Figuren sollen in horizontaler und vertikaler Richtung etwa die gleiche Ausdehnung haben. Der Funktionsgenerator AGILENT wird auf eine feste Frequenz von f1 = 50 Hz eingestellt, am Funktionsgenerator TOELLNER wird die Frequenz f2 variiert. Es soll versucht werden, möglichst ruhige Bilder für Frequenzen von 9 Ein 50 Ω-Abschluss lässt sich realisieren, indem man auf die BNC-Buchse des Fotodetektors ein T-Stück aufsetzt. An einen Ausgang des T-Stücks schließt man einen 50 Ω-Widerstand an, an den anderen das Verbindungskabel zum Oszilloskop. 80 f2 = (25, 50, 100, 150, 200) Hz zu erzeugen. Die entstehenden Bilder sollen dokumentiert und interpretiert werden. Frage 10: - Was könnte die Ursache dafür sein, dass keine dauerhaft stehenden Bilder erzeugt werden können? 4 Anhang Um ein Bildschirmfoto des Digital-Oszilloskops auf einem USB-Stick bzw. einer SD-Card zu speichern, müssen folgende Tastenfolgen gedrückt werden: Grundeinstellungen (müssen nur einmal vorgenommen werden): SAVE/RECALL Dateiformat Verzeichnis auswählen → Aktion → TIFF → GPRnn 10 → Bild speichern → Verzeichnis wechseln Bild speichern: Speichern / PRINT → TEKnnnn.TIF nnnn ist die Bildnummer. Sie wird nach jedem Speichervorgang automatisch um 1 erhöht. 10 nn ist die Gruppennummer; Auswahl mit dem Drehknopf oben links. 81 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Messung ohmscher Widerstände, Brückenschaltungen und Innenwiderstände von Spannungsquellen Stichworte: OHMsches Gesetz, KIRCHHOFFsche Gesetze (Knoten- und Maschenregel), Innenwiderstände von Messgeräten, WHEATSTONEsche Messbrücke, Brückenschaltung, Spannungsquelle, Innenwiderstände von Spannungsquellen, Klemmenspannung, Dehnungsmessstreifen. Messprogramm Widerstandsmessung mit verschiedenen Ohmmetern, Widerstandsbestimmung aus Strom/Spannungsmessung, Wheatstonesche Messbrücke, Innenwiderstand eines Funktionsgenerators, Spezifischer Widerstand von Leitungswasser, Brückenschaltung zur Messung von Widerstandsänderungen. Literatur: /1/ SCHENK, W., KREMER, F. (HRSG.): „Physikalisches Praktikum“, Vieweg + Teubner Verlag, Wiesbaden /2/ WALCHER, W.: „Praktikum der Physik“, Teubner Studienbücher, Teubner-Verlag, Stuttgart /3/ EICHLER, H. J., KRONFELDT, H.-D., SAHM, J.: „Das Neue Physikalische Grundpraktikum“, Springer-Verlag, Berlin u.a. 1 Einleitung Dieser Versuch soll in seinem ersten Teil einen Einblick in die unterschiedlichen Verfahren zur Messung ohmscher 1 Widerstände geben. Dabei soll insbesondere erkannt werden, inwieweit reale Eigenschaften von Messgeräten das Ergebnis der Messung beeinflussen und welche Messverfahren im Einzelfall das beste Resultat liefern. Im zweiten Teil des Versuches werden die Eigenschaften realer Spannungsquellen untersucht. Dabei geht es insbesondere um die Frage, wie eine wichtige Kenngröße solcher Spannungsquellen, nämlich ihr Innenwiderstand, gemessen werden kann. Darüber hinaus wird der spezifische Widerstand von Leitungswasser gemessen und die Linearität des Zusammenhangs zwischen Widerstands- und Spannungsänderung in einer Brückenschaltung untersucht. 2 Theorie 2.1 Kirchhoffsche Gesetze Eine wichtige Voraussetzung für die Analyse elektrischer Netzwerke (Schaltungen) ist die Kenntnis der KIRCHHOFFschen Gesetze 2 (s. Abb. 1). Das 1. KIRCHHOFFsche Gesetz (Knotenregel) lautet: Die Summe aller Ströme an einem Verzweigungspunkt (Knoten) ist gleich Null. 1 2 Name nach GEORG SIMON OHM (1789 - 1854) GUSTAV ROBERT KIRCHHOFF (1824 – 1887) 82 Dabei gilt die Vorzeichenkonvention, dass die hin- und wegfließenden Ströme an einem Verzweigungspunkt mit entgegengesetzten Vorzeichen versehen werden. Ob die hinfließenden Ströme positiv und die wegfließenden negativ gezählt werden oder umgekehrt, spielt keine Rolle. I1 , U1 R1 U + _ A R2 I2 , U2 a R3 I3 , U3 b B Abb. 1: Schaltung mit einer Gleichspannungsquelle mit der Klemmenspannung U, den Widerständen R1,...,R3 sowie zwei Knoten A und B und zwei Maschen a und b. Auf die Schaltung in Abb. 1 angewendet lautet die Knotenregel an den Knoten A und B: (1) A = : I1 − I 2 − I 3 0 B = : I 2 + I 3 − I1 0 Das 2. KIRCHHOFFsche Gesetz (Maschenregel) lautet: In einer geschlossenen Schleife (Masche) eines Netzwerkes ist die Summe aller Teilspannungen gleich null. Auch bei der Anwendung dieses Gesetzes muss eine Vorzeichenkonvention getroffen werden. Sie lautet: a) Jeder Spannung wird eine Richtung („Zählpfeil“) zugeordnet, die vom positiven zum negativen Pol (z.B. der Spannungsquelle) zeigt. b) Jedem Strom wird eine Richtung („Zählpfeil“) zugeordnet, die die Bewegungsrichtung der positiven Ladungsträger kennzeichnet, d.h. der Strom fließt per Definition vom positiven zum negativen Pol. Nach dem ohmschen Gesetz ist die Richtung der Spannung UR über einem Widerstand R gleich der Richtung des Stromes IR, der durch R fließt und den Spannungsabfall UR verursacht. c) Bei der Anwendung der Maschenregel muss ein Umlaufsinn festgelegt werden (im oder gegen den Uhrzeiger). Spannungen, deren Zählpfeile in Richtung des Umlaufsinns zeigen, werden positiv, die übrigen negativ gezählt. Auf die Schaltung in Abb. 1 angewendet lautet die Maschenregel in den Maschen a und b bei einem Umlaufsinn gegen den Uhrzeiger: (2) a := U − U 2 − U1 0 = b : U 2 − U3 0 Mit den beiden KIRCHHOFFschen Gesetzen und den zugehörigen Vorzeichenkonventionen lassen sich alle elektrischen Netzwerke beschreiben, die im Laufe des Grundpraktikums zum Einsatz kommen. Frage 1: - Wie lassen sich aus den KIRCHHOFFschen Gesetzen die Formeln für die Parallel- und Serienschaltung von ohmschen Widerständen herleiten? Wie lauten die entsprechenden Beziehungen? 83 Es ist nicht immer ganz leicht zu erkennen, ob in einem Netzwerk Widerstände und andere Komponenten parallel oder in Serie geschaltet sind. Bei der Entscheidung können zwei aus den KIRCHHOFFschen Gesetzen abgeleitete Regeln helfen: Widerstände liegen parallel, wenn an ihnen die gleiche Spannung abfällt. Widerstände liegen in Reihe, wenn sie vom gleichen Strom durchflossen werden. 2.2 Messmethoden für ohmsche Widerstände 2.2.1 Bestimmung des Widerstandes durch Ablesen des Aufdrucks Abb. 2 zeigt einige handelsübliche Widerstände, die mit unterschiedlichen Arten der Kennzeichnung (Beschriftung bzw. Farbringe) versehen sind. Im einfachsten Fall kann der Wert eines Widerstandes direkt abgelesen werden. Dabei sind Beschriftungen üblich wie z.B. „120R“ für 120 Ω, „4R7“ für 4,7 Ω, „3k3“ für 3,3 kΩ oder „5M6“ für 5,6 MΩ. Abb. 2: Handelsübliche Widerstände mit unterschiedlichen Arten der Kennzeichnung. Oben Lastwiderstände (Leistung einige W), unten Widerstände für kleine Leistungen (< 1 W). Ähnlich einfach ist das Ablesen eines bei den meisten Typen aufgedruckten Farbschlüssels. Dieser Farbschlüssel besteht aus Farbringen, die stets so angeordnet sind, dass der 1. Farbring näher an einem Ende des Widerstandes liegt als der letzte Farbring am anderen Ende. Tabelle 1 gibt an, wie der Wert eines Widerstandes aus der Farbcodierung bestimmt werden kann. 3 - 4 Ringe 5 – 6 Ringe Farbe ↓ Schwarz Braun Rot Orange Gelb Grün Blau Violett Grau Weiß keine Silber Gold *) 1. Ring 1. Ring 1. Ziffer 1 2 3 4 5 6 7 8 9 2. Ring 2. Ring 2. Ziffer 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 3. Ring 3. Ziffer 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 3. Ring 4. Ring Multiplikator / Ω 1 10 2 10 3 10 4 10 5 10 6 10 7 10 -2*) 10 -1*) 10 wo die Leitfähigkeit von Gold- und Silberlacken stört Tabelle 1: Farbschlüssel für ohmsche Widerstände. -2 10 -1 10 4. Ring 5. Ring Toleranz / % ±1 ±2 ±5 *) ± 10 ± 20 ± 10 ±5 *) 6. Ring -6 -1 Temp.-Koeff. / 10 ΩK ± 250 ± 100 ± 50 ± 15 ± 25 ± 20 ± 10 ±5 ±1 84 Frage 2: - Wie groß ist der Wert eines Widerstandes mit der Farbcodierung Rot (1. Ring) - Violett - Braun Gold? - Welche Farbcodierung hat ein Widerstand von (3,9 kΩ ± 10 %)? 2.2.2 Bestimmung des Widerstandes über eine Strom-/Spannungsmessung Verbindet man die Enden einer idealen Spannungsquelle (s. Kap. 2.3), die die einstellbare Klemmenspannung U liefert, mit den Anschlussdrähten eines Widerstandes R, so fließt durch den Widerstand der Strom I und es gilt das OHMsche Gesetz: (3) R= U I Durch Messung der Spannung U mit einem Voltmeter und des Stromes I mit einem Amperemeter lässt sich demnach R ermitteln. Zur Durchführung einer solchen Messung bieten sich gem. Abb. 3 zwei Schaltungen A und B an. A U IA , UA + R _ IA , UA IR , UR V IV , UV U + _ IR , UR Schaltung A A R V IV , UV Schaltung B Abb. 3: Zwei mögliche Schaltungen zur Messung des Widerstandes R durch eine Strom- und Spannungsmessung. R ist an eine Gleichspannungsquelle mit der Klemmenspannung U angeschlossen. Der Strom wird mit dem Amperemeter A, die Spannung mit dem Voltmeter V gemessen. Stünden ideale Messgeräte zur Verfügung, d.h. ein Amperemeter mit einem verschwindenden Innenwiderstand und ein Voltmeter mit einem unendlich großen Innenwiderstand, so würden beide Schaltungen das gleiche Ergebnis liefern. Tatsächlich jedoch hat ein Amperemeter einen Innenwiderstand RA > 0 und ein Voltmeter einen Innenwiderstand RV < ∞. Das führt dazu, dass mit beiden Schaltungen jeweils ein Wert für den Widerstand R ermittelt wird, der mit einem Fehler ∆R behaftet ist. Wir wollen nun für beide Schaltungen den relativen Fehler ∆R/R ermitteln. Sei IA der Strom durch das Amperemeter, IR der Strom durch den Widerstand und IV der Strom durch das Voltmeter. Sei ferner UA der Spannungsabfall über dem Amperemeter, UR der Spannungsabfall über R und UV der Spannungsabfall über dem Voltmeter. Dann gilt für die Schaltung A nach der Knotenregel: (4) I A − I R − IV = 0 und damit (5) I= I R + IV A Der mit dieser Schaltung ermittelte Messwert für den Widerstand, RM, ist gegeben durch 85 (6) UV UV = I A I R + IV R= M Die Abweichung ∆R vom tatsächlichen Wert R (7) R= UR IR ist also: (8) ∆R = R − RM Setzen wir Gl. (6) in Gl. (8) ein, so erhalten wir nach einigen Umrechnungen und unter Berücksichtigung von UV = UR (Maschenregel) für den relativen Fehler bei Benutzung von Schaltung A: (9) ∆R R = R R + RV Für Schaltung B gilt nach der Maschenregel: (10) UV − U A − U R = 0 und damit (11) U= U A +UR V Der gemessene Widerstand RM ist unter Berücksichtigung von IA = IR: (12) R= M UV UV U A + U R = = = RA + R IA IR IA Für den tatsächlichen Widerstand R gilt wieder Gl. (7). Setzen wir Gl. (12) in Gl. (8) ein, so erhalten wir für den relativen Fehler bei Benutzung von Schaltung B: (13) ∆R R = − A R R Frage 3: - Skizzieren Sie in einem Diagramm den Verlauf des relativen Fehlers als Funktion des Widerstandes R für Schaltung A und Schaltung B. Ist eine der Schaltungen grundsätzlich besser als die andere? Wenn nein: wann ist welche Schaltung zu bevorzugen? - Die beiden Schaltungen heißen auch „stromrichtige“ bzw. „spannungsrichtige“ Schaltung. Welche Schaltung heißt wie? Warum? 2.2.3 Widerstandsmessung mit einem Ohmmeter Statt den Widerstand aus einer Strom-/Spannungsmessung zu bestimmen, kann man ihn auch direkt mit einem Ohmmeter messen. Ein Analog-Ohmmeter (Zeigerinstrument) besteht im einfachsten Fall aus einer Spannungsquelle (Batterie), an die der Widerstand R angeschlossen wird, einem zu R in Reihe liegenden, veränderbaren Innenwiderstand Ri und einem Strommesser, mit dem der Strom durch den Widerstand R bestimmt wird. Dieser Strom führt zu einem Zeigerausschlag, der auf einer geeigneten OHM-Skala abge- 86 lesen wird. Diese Skala verläuft wegen des Zusammenhangs R = U/I umgekehrt proportional zur Stromskala. Da die Spannungsquelle nicht immer die gleiche Spannung liefert (Alterung der Batterie), muss zu Beginn einer Messung das Ohmmeter durch Veränderung von Ri abgeglichen werden. Dazu werden die Anschlusskontakte kurzgeschlossen und der Zeigerausschlag mittels einer Stellschraube auf 0 Ω gedreht. Moderne Digital-Ohmmeter sind anders aufgebaut. Sie sind in der Regel in Vielfachmessgeräte (Multimeter) integriert. Solche Geräte enthalten komplexe elektronische Schaltungen mit integrierten Mikroprozessoren zur Messung der gewünschten Parameter (Strom, Spannung, Widerstand, Frequenz u.v.m.) und LCD-Elemente zur Messwertanzeige. 2.2.4 Widerstandsmessung mit der Wheatstoneschen Messbrücke Mit einer WHEATSTONEschen Messbrücke 3 lässt sich der Wert für einen Widerstand R ermitteln, ohne dass dabei Fehler durch unzulängliche (reale) Messgeräte für Strom, Spannung oder Widerstand entstehen; benötigt wird allerdings ein geeichter Vergleichswiderstand. Wir betrachten eine WHEATSTONEsche Messbrücke gem. Abb. 4. Ein homogener Widerstandsdraht, in der Regel aus Konstantan4, mit dem spezifischen Widerstand ρ ([ρ] = Ωm), der Gesamtlänge l = l1 + l2 und der Querschnittsfläche A wird mit dem zu messenden Widerstand R und einem geeichten Vergleichswiderstand R3 wie abgebildet zusammengeschaltet. Die Widerstände der beiden Drahtstücke sind: l1 l2 = R1 ρ= und R2 ρ (14) A A An dieses Widerstandsnetzwerk wird die Spannung U angelegt, die einer Gleichspannungsquelle entnommen wird. Mit einem Amperemeter A wird der Strom gemessen, der längs der Verbindung zwischen dem Punkt P und dem verschiebbaren Abgriffpunkt Q am Widerstandsdraht fließt. R3 R P A U + _ R1 Q l1 R2 l2 Abb. 4: Wheatstonesche Messbrücke mit Konstantan-Widerstandsdraht (gelb). R (grün) ist der zu messende Widerstand, R3 der Vergleichswiderstand. Es gibt eine Lage des Abgriffpunktes Q, bei dem zwischen P und Q keine Spannung herrscht und deshalb kein Strom fließt. In diesem Fall sind die Spannungen über R3 und R1 sowie über R und R2 gleich. Man nennt die Messbrücke dann „abgeglichen“ und es gilt: (15) 3 4 R3 R1 l1 = = R R2 l2 CHARLES WHEATSTONE (1802 – 1875) Konstantan ist eine Legierung aus ca. 60 % Kupfer und ca. 40 % Nickel, deren spezifischer Widerstand über einen weiten Temperaturbereich nahezu konstant ist (ρ ≈ 45 × 10-8 Ωm bei 20 °C). 87 und damit (16) R = R3 l2 l1 Bei abgeglichener Messbrücke lässt sich demnach der gesuchte Widerstand R durch Messung der Längen l1 und l2 und in Kenntnis des geeichten Widerstandes R3 aus Gl. (16) ermitteln; Unzulänglichkeiten elektrischer Messgeräte spielen dann keine Rolle mehr. Das ist der Vorteil dieses Messverfahrens, einer so genannten Kompensationsmethode. Frage 4: - Zeichnen Sie in Abb. 4 sämtliche Stromverzweigungspunkte der nicht abgeglichenen Messbrücke und die dort fließenden Ströme inkl. Vorzeichen ein. - Zeichnen Sie in Abb. 4 sämtliche Maschen der nicht abgeglichenen Messbrücke und die in den Maschen herrschenden Spannungen inkl. Vorzeichen ein. 2.2.5 Brückenschaltung zur Messung von Widerstandsänderungen Brückenschaltungen werden u.a. eingesetzt, um kleine Widerstandsänderungen ∆R in dazu proportionale Spannungen umzusetzen. Sie sind Standard in vielen Bereichen der Sensor-Messtechnik. Wir betrachten als Beispiel eine Brückenschaltung mit Dehnungsmessstreifen (DMS). DMS können zum Aufbau von Kraftsensoren eingesetzt werden. Einen solchen Kraftsensor werden wir im Versuch „Sensoren…“ kennenlernen. Seine theoretischen Grundlagen sollen bereits hier beschrieben werden. Das Prinzip des DMS besteht darin, dass ein dünner elektrischer Leiter durch Einwirkung einer äußeren Kraft F in der Länge l gedehnt wird 5, wodurch sich gleichzeitig sein Querschnitt A verringert (Abb. 5). Dadurch ändert sich sein Widerstand R, der gem. Gl. (14) gegeben ist durch: (17) R=ρ l A F Abb. 5: Schema eines Dehnungsmessstreifens (DMS) auf Metallfolienbasis. Eine dünne Metallfolie (gelb) ist mäanderförmig auf einer Trägerfolie (grau) aufgebracht, um die effektive Länge des Leiters bei kleiner Größe des DMS zu vergrößern. Die Trägerfolie wird auf das zu untersuchende Werkstück geklebt und folgt dessen Verformungen bei Einwirkung einer Kraft F. 5 Eine positive Dehnung ist eine Streckung, eine negative eine Stauchung. 88 Für einen Leiter mit kreisförmigem Querschnitt vom Durchmesser d gilt: (18) 4l π d2 R=ρ Durch die Dehnung ändert sich die Länge l des Leiters um ∆l, der Durchmesser d um ∆d und je nach Material möglicherweise auch der spezifische Widerstand ρ um ∆ρ. Die dadurch hervorgerufene Änderung des ohmschen Widerstandes ist durch das totale Differential ∆R gegeben: (19) ∆R= ∂R ∂R ∂R 1 4l 4 4l ∆ρ + ∆l + ∆d= 2 ∆ρ + ρ 2 ∆l − 2 ρ 3 ∆d ∂ρ ∂l ∂d d d πd Die relative Widerstandsänderung ist damit: (20) ∆R ∆ρ ∆l ∆d = + −2 ρ R l d Die relative Längenänderung ∆l/l ist per Definition die Dehnung ε : (21) ε= ∆l l Die POISSON-Zahl 6 µ ist per Definition der negative Quotient aus der relativen Querschnittsänderung ∆d/d und der relativen Längenänderung ∆l/l, also: (22) ∆d ∆d µ= − d := − d ∆l ε l Wird die Größe ε = ∆l/l in Gl. (20) ausgeklammert und werden Gl. (21) und (22) in Gl. (20) eingesetzt, so folgt: (23) ∆ρ ∆R ρ ε: kε = + 1 + 2 µ = R ε Der Term in Klammern ist der sogenannte k-Faktor eines DMS. k hängt vom verwendeten Material ab, es ist z.B. k ≈ 2 für Konstantan und k ≈ 4 für Platin 7. Je größer k, desto größer die relative Widerstandsänderung bei Dehnung. Mit Hilfe einer Brückenschaltung wird die Widerstandsänderung ∆R in eine Spannung U umgesetzt. Zur quantitativen Beschreibung der Brückenschaltung betrachten wir die Schaltung in Abb. 6, die analog zur WHEATSTONEschen Brücke in Abb. 4 aufgebaut ist. 6 7 SIMÉON DENIS POISSON (1781 – 1840) Für monokristallines Silizium (Si) ist k ≈ 100. DMS auf Si-Basis werden z.B. in Drucksensoren eingesetzt, die wir im späteren Versuch „Sensoren…“ kennenlernen werden. 89 U1 U3 R3 R1 + V R2 - R4 U2 =U0 U4 Abb. 6: Brückenschaltung zur Messung von kleinen Änderungen des Widerstandes R1 (hier DMS). Mit dem Voltmeter V wird die Spannung U in der Brückendiagonalen gemessen. Für den Fall, dass der Innenwiderstand des Voltmeters V gegen unendlich geht, gelten die folgenden Zusammenhänge: U3 R 3 U1 R 1 (24) = = U2 R 2 U4 R 4 U1 + U 2 U 0 (25) = U3 + U 4 U0 = Durch Kombination von Gl. (24) und (25) folgt: R1 R3 (26) = U1 U= U3 U0 0 R1 + R 2 R3 + R4 Die Spannung U in der Brückendiagonale ist: (27) R1 R3 U = U1 − U 3 = U 0 − R 1 + R 2 R 3 + R 4 Wir betrachten nun den speziellen Fall anfänglich gleicher Widerstände R1,...,R4 von denen einer (R1) anschließend um den kleinen Betrag ∆R verändert wird. Im Falle einer Brückenschaltung mit einem DMS wäre R1 dessen Widerstand und ∆R die durch die mechanische Verformung hervorgerufene Änderung. Es gilt also: (28) R 1= R + ∆R R 2= R 3= R 4 =: R Damit folgt für die Spannung U aus Gl. (27): R + ∆R R + ∆R R 1 U 0 ∆R 1 (29) U U0 = −= = − U0 R + ∆R + R R + R 2 R + ∆R 2 2 R 2 + ∆R R Gl. (29) zeigt, dass der Zusammenhang zwischen U und ∆R nichtlinear ist. Ist jedoch ∆R << R, so gilt: 90 (30) 1 1 ≈ ∆R 2 2+ R und damit: (31) U≈ U 0 ∆R 4 R Die Widerstandsänderung ∆R wird demnach in der Umgebung des sogenannten Arbeitspunktes (∆R << R) annähernd linear in eine Spannung U umgesetzt, deren Höhe durch die Betriebsspannung (Speisespannung) der Brücke, U0, beeinflusst werden kann. In der beschriebenen Anordnung wird einer von vier Widerständen der Brücke durch einen DMS ersetzt. Man spricht in diesem Fall von einer Viertelbrücke. In der Praxis verwendet man in einer Brückenschaltung häufig zwei DMS, deren Widerstände sich durch die Verformung des Messobjektes gegenläufig ändern (Abb. 7). Man spricht in diesem Fall von einer Halbbrücke. Ein Beispiel ist der Einsatz von zwei DMS zur Messung von Kräften mit einem Biegestab (Abb. 8), den wir im Versuch „Sensoren...“ genauer betrachten werden. Die DMS werden so in die Brücke integriert, dass der obere gestreckte DMS den Widerstand R1 und der untere gestauchte den Widerstand R2 ersetzt. Dann gilt: (32) R1= R + ∆R R2= R − ∆R R3= R4= R U1 U3 R3 R1 + V R2 U2 - =U0 R4 U4 Abb. 7: Brückenschaltung mit zwei DMS (Halbbrücke). Durch Einsetzen von Gl. (32) in Gl. (27) folgt für die Halbbrücke: (33) U= U 0 ∆R 2 R Diese Gleichung macht die Vorteile der Halbbrücke gegenüber der Viertelbrücke deutlich: Erstens ist der Zusammenhang zwischen U und ∆R nun linear. Zweitens führt die gleiche Widerstandsänderung ∆R zu einer doppelt so hohen Ausgangsspannung U. Die Empfindlichkeit der Halbbrücke ist also doppelt so hoch. 91 F DMS Abb. 8: Biegestab (grün) mit zwei DMS (gelb). Der Stab ist links in einem Block (grau) fixiert. Durch die Kraft F wird der Stab so verformt, dass der obere DMS gestreckt und der untere gestaucht wird. Eine mechanische Begrenzung (rot) verhindert eine zu starke Biegung des Stabes. Bei einer Vollbrücke werden alle vier Widerstände durch DMS ersetzt, die sich paarweise (R1/R4 und R2/R3) gegenläufig ändern. In diesem Fall folgt für die Spannung U: (34) U = U0 ∆R R Es ergibt sich demnach eine nochmals um den Faktor 2 verdoppelte Empfindlichkeit. 2.3 Eigenschaften realer Spannungsquellen 2.3.1 Innenwiderstand realer Spannungsquellen Eine ideale Spannungsquelle liefert unabhängig von ihrer Belastung (dem von ihr gelieferten Strom) an ihren Anschlussklemmen eine konstante Klemmenspannung U, die gleich der konstanten Quellenspannung U0 ist. Solche idealen Spannungsquellen lassen sich technisch nicht realisieren. Vielmehr haben wir es in der Praxis immer mit realen Spannungsquellen wie Batterien, Netzgeräten oder Funktionsgeneratoren zu tun, deren Klemmenspannung mit zunehmender Belastung immer kleiner wird. Um diese Eigenschaft realer Spannungsquellen zu beschreiben, bedienen wir uns eines Modells, bei dem die reale Spannungsquelle durch eine ideale Spannungsquelle G und einen dazu in Reihe liegenden Innenwiderstand Ri ersetzt wird. Abb. 9 zeigt das entsprechende Ersatzschaltbild. Belasten wir eine solche Spannungsquelle gem. Abb. 10 mit einem externen Lastwiderstand Rl, so fließt der Laststrom I sowohl durch Rl, als auch durch Ri. Dieser Strom bewirkt an Ri einen Spannungsabfall IRi, um den die Klemmenspannung U gegenüber der Quellenspannung U0 vermindert wird. Es gilt also: (35) U = U 0 − IRi I Ri Ri U U =U0 G Abb. 9: Ersatzschaltbild einer unbelasteten realen Spannungsquelle =U0 Rl V G Abb. 10: Ersatzschaltbild einer realen Spannungsquelle mit Lastwiderstand Rl. Soll demnach mit einem idealen Voltmeter V in einer Schaltung gem. Abb. 10 die Quellenspannung U0 gemessen werden, muss der Laststrom I gegen Null gehen. Dies wird durch einen großen Lastwiderstand Rl erreicht. Ersetzen wir in Gl. (35) den Strom I nach dem OHMschen Gesetz durch U/Rl, so erhalten wir für den Zusammenhang zwischen U und Rl: 92 (36) U = U0 Rl Rl + Ri Dieser Gleichung entnehmen wir insbesondere, dass im Falle Rl = Ri die Klemmenspannung auf die Hälfte der Quellenspannung absinkt. Wir haben damit eine Möglichkeit, den Innenwiderstand einer realen Spannungsquelle zu bestimmen. Frage 5: - Skizzieren Sie den Verlauf der Klemmenspannung U als Funktion des Lastwiderstandes Rl. 2.3.2 Anpassung eines Verbrauchers an eine reale Spannungsquelle 2.3.2.1 Leistungsanpassung Beim Anschluss eines elektrischen Verbrauchers an eine Spannungsquelle ist es häufig wünschenswert, den Innenwiderstand des Verbrauchers so zu dimensionieren, dass der Spannungsquelle die maximale Leistung entnommen werden kann (Leistungsanpassung; eingesetzt z.B. bei der Übertragung von Hochfrequenzsignalen 8). Der Innenwiderstand des Verbrauchers ist der Lastwiderstand Rl, mit dem die Spannungsquelle belastet wird. Die Leistung P, die an diesen Widerstand abgegeben wird, ist gegeben durch: (37) = P UI = U2 Rl Einsetzen von Gl. (36) in Gl. (37) liefert: (38) P = U 02 Rl ( Rl + Ri )2 Die maximale Leistungsentnahme findet statt, wenn der Innenwiderstand des Verbrauchers gleich dem Innenwiderstand der Spannungsquelle ist, wenn also gilt: (39) Rl = Ri Frage 6: - Skizzieren Sie den Verlauf von P als Funktion von Rl. Wie gelangt man von Gl. (38) zur Gl. (39)? Wie groß ist die maximale Leistung, die der Spannungsquelle entnommen werden kann? 2.3.2.2 Spannungsanpassung Bei der u.a. in der Starkstromtechnik und der Tontechnik angewandten Spannungsanpassung ist es das Ziel, der Spannungsquelle eine möglichst große Spannung U zu entnehmen. Dies ist nach Gl. (36) der Fall unter der Bedingung: (40) 8 Rl >> Ri Die Leistungsanpassung in der Nachrichtentechnik führt gleichzeitig zur Verhinderung von unerwünschten Signalreflexionen, die wir im Versuch „Signalübertragung...“ (SoSe) noch genauer untersuchen werden. 93 2.3.2.3 Stromanpassung Bei der Stromanpassung ist es das Ziel, der Spannungsquelle einen möglichst großen Strom I zu entnehmen. Sie wird z.B. beim Laden von Akkumulatoren verwendet. Nach dem OHMschen Gesetz gilt: (41) I= U0 Ri + Rl so dass die Bedingung für einen möglichst großen Strom lautet: (42) Rl << Ri In diesem Fall ist der Strom vom Lastwiderstand nahezu unabhängig. 3 Versuchsdurchführung Zubehör: Netzgerät (PHYWE (0 – 15 / 0 - 30) V)), Funktionsgenerator (TOELLNER 7401), mehrere Digital-Multimeter, Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, Widerstandsdekade, Schiebewiderstand (Rges ≈ 11,5 Ω), unbekannter Widerstand in Halterung, Box für Brückenschaltung, Kupferplattenpaar in Halterung, Wasserbecken auf höhenverstellbarer Halterung, Metallmaßband, Messschieber, Haushaltstuch-Rolle Achtung: Beim Anschluss von Widerständen an Spannungsquellen muss immer darauf geachtet werden, dass die maximal zulässige Verlustleistung Pmax des Widerstandes nicht überschritten wird (P = UI = U 2/R < Pmax). Angaben über Pmax der Widerstände finden sich entweder auf den zur Verfügung gestellten Komponenten (z.B. Widerstandsdekade) oder müssen bei der technischen Assistenz erfragt werden. Beim Betrieb des Netzgerätes ist darauf zu achten, dass keine ungewollte Strombegrenzung eingestellt ist. Die Multimeter vom Typ FLUKE 112 liefern bei Strommessungen nur eine begrenzte Auflösung. Sie werden deshalb in diesem Versuch nur als Ohmmeter oder Voltmeter eingesetzt, nicht als Amperemeter. Bei den Multimetern vom Typ MONACOR DMT-3010 brennen bei Fehlbedienung leicht die Sicherungen durch. Deshalb besondere Vorsicht bei ihrem Einsatz! 3.1 Hinweise zu den verwendeten Messgeräten Die verwendeten Messgeräte verfügen über die Möglichkeit der manuellen und z. T. auch automatischen Messbereichsumschaltung. Eine Messbereichsumschaltung dient dazu, den Messwert auf der Skala bzw. der Ziffernanzeige des Messgerätes mit größtmöglicher Genauigkeit anzeigen zu können. Bei einem Digital-Voltmeter würde eine Spannung von 1,78 V im Messbereich „2 V“ beispielsweise als 1,78 V angezeigt, im Messbereich „200 V“ jedoch als 2 V. Bei der Messbereichsumschaltung eines Amperemeters wird parallel zum Innenwiderstand des Gerätes ein Präzisionswiderstand (Shunt) hinzugeschaltet. Dieser Widerstand ist für die einzelnen Messbereiche jeweils so bemessen, dass der Strom durch das Amperemeter für alle Messbereiche etwa gleich bleibt. Analog wird bei der Messbereichsumschaltung eines Voltmeters ein Präzisionswiderstand zum Innenwi- 94 derstand des Gerätes in Serie hinzugeschaltet, der jeweils so bemessen ist, dass an dem Voltmeter für alle Messbereiche etwa die gleiche Spannung abfällt. Zu einigen der im Grundpraktikum verwendeten Messgeräte existieren Angaben über die Innenwiderstände bei Strommessungen (RA) und bei Spannungsmessungen (RV), die vom Messbereich abhängen. Statt eines Innenwiderstandes RA ist oftmals ein Spannungsabfall ∆U angegeben (z.B. 20 mV, 200 mV usw.). In diesem Fall gilt RA = ∆U / Imax, wobei Imax der maximale Strom im eingestellten Messbereich ist. Für andere Messgeräte liegen keine Angaben zu RV und/oder RA vor. In diesen Fällen kann davon ausgegangen werden, dass RV so groß (z.B. 10 MΩ) und RA so klein (z.B. 0,5 Ω) ist, dass ihr Einfluss auf das Messergebnis vernachlässigbar ist. Angaben über den Gesamtmessfehler eines Messgerätes bzw. über die Genauigkeit eines Messwertes finden sich auf den Geräten oder in den Geräte-Handbüchern. Diese Werte setzen sich üblicherweise aus zwei Beiträgen zusammen. Der erste, wesentliche Beitrag wird in Prozent des Messwertes angegeben. Der zweite Beitrag kann z.B. in Prozent des Messbereiches angegeben sein oder in Einheiten der letzten angezeigten Stelle des Messwertes. Dazu folgende Beispiele: 1.) Mit dem Messgerät FLUKE Modell 112 wird eine Gleichspannung von 2,348 V im Messbereich 6,000 V gemessen. Für diesen Spannungsmessbereich beträgt die Genauigkeit laut Handbuch: ± (0,7 % des Messwertes + 0,003) V. Für das genannte Beispiel ergibt sich demnach als Genauigkeit ± (0,007 × 2,348 + 0,003) V = ± 0,019 V (gerundet auf 2 signifikante Stellen). Dieser Wert ist gleichzeitig der Größtfehler für den Messwert. 2.) Mit dem Messgerät Agilent U1272A wird eine Gleichspannung von 297,34 mV im Messbereich 300,00 mV gemessen. Für diesen Spannungsmessbereich beträgt die Genauigkeit laut Handbuch: „0,05 % + 5“. Die Prozentangabe bezieht sich auf den Messwert, die „5“ auf die letzte angezeigte Stelle (Digit) des Messwertes (hier die 4 für 0,04 mV). Der Größtfehler ist also ± (0,0005 × 297,34 + 0,05) mV = 0,20 V (gerundet auf 2 signifikante Stellen). 3.2 Messung von Widerständen Mit einigen in Kap. 2.2 dargestellten Verfahren soll der Wert eines unbekannten Widerstandes R (in der Größenordnung 1 kΩ) einschließlich Größtfehler ermittelt werden. Folgende Schritte sollen dazu der Reihe nach durchgeführt werden: a) Messung mit verschiedenen Ohmmetern: Der Wert des Widerstandes R soll mit mindestens fünf Ohmmetern gemessen werden. Es können z. T. auch Ohmmeter gleichen Typs eingesetzt werden. Jedem Ohmmeter wird eine Nr. j zugeordnet. Vor der Messung müssen die Messgeräte auf den Messbereich eingestellt werden, der eine möglichst genaue Messung erlaubt. Für jeden Messwert Rj wird der Größtfehler ∆Rj ermittelt. In einer Grafik werden die Rj inkl. Fehlerbalken über j dargestellt. b) Strom-/Spannungsmessung: Exemplarisch wird Schaltung A gem. Abb. 3 aufgebaut. Als Spannungsquelle dient ein Netzgerät, dessen Innenwiderstand für diese Messung vernachlässigt werden kann. Für mindestens 10 verschiedene Spannungen am Netzgerät wird jeweils der Strom mit dem Amperemeter und die Spannung mit dem Voltmeter gemessen. Dabei muss vorher überlegt werden, in welchem Bereich die zu messenden Größen liegen und die Messbereiche entsprechend eingestellt werden. Für jedes Wertepaar (U, I) wird ein Widerstandswert R = U/I ermittelt. Aus diesen Daten wird anschließend der Mittelwert R und seine Standardabweichung σ R bestimmt. Anschließend werden in einer grafischen Darstellung die gemessenen Spannungswerte U über den gemessenen Stromwerten I aufgetragen und die Größtfehler von U und I jeweils in Form von Fehler- 95 balken eingezeichnet. Die Parameter der Ausgleichsgeraden durch die Messpunkte werden berechnet und die Ausgleichsgerade wird in das Diagramm eingezeichnet 9. Die Steigung R (± σR) der Ausgleichsgeraden ist ein guter Schätzwert für den gesuchten Widerstandswert. Dieser Schätzwert wird mit dem vorher gefundenen Mittelwert R (± σ R ) verglichen und überprüft, ob beide Methoden der Auswertung vergleichbare Ergebnisse liefern. c) WHEATSTONEsche Messbrücke: Es wird eine WHEATSTONEsche Messbrücke gem. Abb. 4 aufgebaut. Als Spannungsquelle dient wieder ein Netzgerät, als Kalibrierwiderstand R3 ein Widerstand einer Widerstandsdekade. Dieser Widerstand wird etwa gleich groß wie der zu messende Widerstand R gewählt. In diesem Fall gilt nämlich bei abgeglichener Messbrücke l1 ≈ l2 und der Fehler bei der Bestimmung von R wird minimal. Als Fehler für den mit Gl. (16) berechneten Wert von R wird der Größtfehler angegeben. Frage 7: - Wie lässt sich anschaulich erklären, dass der Fehler bei der Bestimmung von R im Fall l1 ≈ l2 minimal wird? (Hinweis: Ablesegenauigkeit der Längenskala berücksichtigen!) Nachdem der Widerstand auf die verschiedenen Arten bestimmt wurde, sollen alle Messergebnisse aus Kap. 3.2 in einer Grafik analog zu Kap. 3.2 a) dargestellt und miteinander verglichen werden. 3.3 Messung des Innenwiderstandes eines Funktionsgenerators Mit einer Schaltung gem. Abb. 10 soll der Innenwiderstand (auch Ausgangswiderstand genannt) eines Funktionsgenerators (FG) bestimmt werden. Das Ersatzschaltbild des Funktionsgenerators besteht aus einer idealen Spannungsquelle G und dem dazu in Reihe liegenden Innenwiderstand Ri (Größenordnung 50 Ω). Am Funktionsgenerator wird eine sinusförmige Ausgangsspannung eingestellt (Amplitude UFG ≈ 4 V, Frequenz ca. 1 kHz) und zunächst ein Lastwiderstand von Rl = 100 kΩ und damit Rl >> Ri angeschlossen (Widerstandsdekade). Die Spannungsamplitude U über Rl wird mit einem Oszilloskop gemessen, dessen Innenwiderstand von ca. 1 MΩ unberücksichtigt bleiben kann. Für Rl = 100 kΩ gilt mit hinreichender Genauigkeit U0 ≈ UFG. Der Lastwiderstand wird anschließend durch entsprechendes Umschalten der Widerstandsdekade auf Werte zwischen 1 kΩ und etwa 20 Ω erniedrigt. Für jeden Wert von Rl wird die Spannungsamplitude U gemessen und anschließend U über Rl aufgetragen. Durch grafische Interpolation 10 der entstehenden Kurve wird der Wert für Rl gesucht, bei dem U auf die Hälfte von U0 abgesunken ist. Dieser Widerstand entspricht dem gesuchten Innenwiderstand Ri des Funktionsgenerators (s. Kap. 2.3.1). Hinweis: Der maximale Strom, der beim kleinsten Widerstand (20 Ω) fließt, ist Imax = 4 V / 20 Ω = 200 mA. Die maximale momentane Leistung am Widerstand ist demnach P = U I = 0,8 W und damit unter der Belastungsgrenze der Widerstandsdekade von 1 W. 3.4 Spezifischer Widerstand von Leitungswasser Wir betrachten die Anordnung in Abb. 11. Zwei rechteckige Kupferplatten der Breite b sind parallel zueinander im Abstand l montiert. Sie werden mit einer Höhenverstelleinheit in ein Becken mit gewöhn9 10 Die Berechnung der Parameter der Ausgleichsgeraden und ihre grafische Darstellung erfolgen mit Origin. Hinweise dazu werden im Begleitseminar gegeben. Mit „grafischer Interpolation“ ist gemeint: Es wird von Hand eine Ausgleichskurve durch die Messpunkte gezeichnet. Anschließend wird die Gerade U = U0/2 eingezeichnet und ihr Schnittpunkt mit der Ausgleichskurve bestimmt. Der R- Wert des Schnittpunktes wird auf der Abszisse abgelesen. Sein Größtfehler ∆R ergibt sich aus der Ablesegenauigkeit für R. 96 lichem Leitungswasser eingetaucht. Durch Anheben des Beckens lässt sich eine variable Eintauchtiefe d der Platten in das Wasser erreichen. Ist ρw der spezifische Widerstand des Wassers, so ist der ohmsche Widerstand Rw des Wassers zwischen den Platten gegeben durch (vgl. Gl. (14)): (43) Rw = ρ w l 1 b d U~ d l Abb. 11: Anordnung zur Messung des spezifischen Widerstandes von Leitungswasser (Amperemeter und Voltmeter nicht eingezeichnet). Durch Messung des Stromes I (Amperemeter) bei einer angelegten Spannung U (Voltmeter) zwischen den Platten (Schaltung A, s. Abb. 3) wird Rw für möglichst viele Werte der Eintauchtiefe d im Bereich zwischen 50 mm und 20 mm bestimmt Für die einzelnen Werte von U, I und Rw müssen keine Fehler angegeben werden. Anschließend wird Rw über 1/d aufgetragen. In das Diagramm wird die Ausgleichsgerade eingezeichnet und aus ihrer Steigung der spezifische Widerstand ρw des Leitungswassers inkl. Größtfehler berechnet (l und b messen!). Anmerkung: Um Polarisationseffekte im Wasser zu vermeiden, wird nicht eine Gleichspannung, sondern eine sinusförmige Wechselspannung ohne Gleichspannungsanteil (DC-Offset am FG ausschalten) an die Kupferplatten gelegt, die einem Funktionsgenerator entnommen wird (Ueff ≈ 2 V bei d ≈ 50 mm, Frequenz ca. 50 Hz). Auch mit dieser Maßnahme verhält sich das Wasser als Ionenleiter nicht genau so, wie wir es von einem metallischen Leiter kennen. Beispielsweise nimmt sein Widerstand mit der Temperatur ab, während er bei metallischen Leitern mit der Temperatur zunimmt. Wir müssen daher davon ausgehen, dass die Messung nur einen Orientierungswert für ρW liefert. Da überdies ρw je nach Beschaffenheit des Leitungswassers erheblich streut, wird auf einen Vergleich des Messwertes mit einem Literaturwert verzichtet. 11 Wegen der Messung mit einer Wechselspannung müssen die Multimeter in den AC-Modus umgeschaltet werden! 3.5 Brückenschaltung zur Messung von Widerstandsänderungen Es wird eine Brückenschaltung gem. Abb. 6 aufgebaut (R1,...,4 ≈ 100 Ω, U0 ≈ 5 V). R2,…4 sind in eine Box eingelötet, R1 wird mit einer Widerstandsdekade eingestellt. Die Spannung U in der Brückendiagonalen wird für etwa 10 Widerstandsänderungen ∆R des Widerstandes R1 im Bereich zwischen ± 1 Ω und ± 10 Ω gemessen, also für R1 im Bereich (90 – 110) Ω. U wird über ∆R aufgetragen und die Linearität des Zusammenhangs gem. Gl. (31) überprüft. 11 Der spezifische Widerstand von Leitungswasser bei 20 °C liegt in der Größenordnung von (10 – 20) Ωm. Zum Vergleich: der spezifische Widerstand von Kupfer bei 20 °C beträgt etwa 1,7 × 10-8 Ωm. 97 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Messung von Kapazitäten, Auf- und Entladungen von Kondensatoren Stichworte: Kondensator, Plattenkondensator, Dielektrikum, RC-Glied, Auf- und Entladekurven von Kondensatoren, Phasenverschiebung, KIRCHHOFFsche Gesetze, Ein- und Ausgangswiderstände und –kapazitäten. Messprogramm Bestimmung des Eingangswiderstandes eines Oszilloskops aus der Entladekurve eines Kondensators, Messung der Kapazität von Koaxialkabeln, Messung der relativen Permittivität von PVC, Bestimmung der Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung in einem RC-Glied. Literatur: /1/ DEMTRÖDER, W.: „Experimentalphysik 2 – Elektrizität und Optik“, Springer-Verlag, Berlin u.a. /2/ STÖCKER, H.: „Taschenbuch der Physik“, Harri Deutsch, Frankfurt /3/ KORIES, R., SCHMIDT-WALTER, H.: „Taschenbuch der Elektrotechnik“, Harri Deutsch, Frankfurt 1 Einleitung In diesem Versuch werden Messverfahren vorgestellt, mit deren Hilfe die Kapazitäten von Kondensatoren bestimmt werden können. Zusätzlich wird das Verhalten von Kondensatoren in Wechselstromkreisen untersucht. In der Experimentalphysikvorlesung des zweiten Semesters werden diese Themen noch ausführlich behandelt. Einfache Grundlagen, wie sie hier dargestellt werden, müssen jedoch frühzeitig bekannt sein, um das Verhalten von Kondensatoren in elektrischen Schaltungen verstehen zu können, die im Grundpraktikum zum Einsatz kommen. 2 Theorie 2.1 Kapazität eines Kondensators Jede Anordnung von zwei elektrischen Leitern, die sich in einem gewissen Abstand voneinander befinden, bildet einen Kondensator. So stellen z.B. zwei nebeneinander liegende Drähte (z.B. Laborkabel) ebenso einen Kondensator dar, wie zwei zueinander parallele Metallplatten oder ein Draht, der in einem bestimmten Abstand von einem Drahtgeflecht umgeben ist (Koaxialkabel). Ub + _ A + Q0 E d - Q0 Abb. 1: Schema eines Plattenkondensators. Bezeichnungen siehe Text. Betrachten wir exemplarisch einen Kondensator besonders einfacher Bauform, den so genannten Plattenkondensator, bei dem zwei elektrisch leitende Platten mit je der Fläche A im Abstand d parallel zueinander angeordnet sind (Abb. 1). Schließt man einen solchen Kondensator an eine Spannungsquelle mit der Betriebsspannung Ub an (Klemmenspannung im unbelasteten Zustand), so fließt kurzzeitig ein Ladestrom: die Spannungsquelle zieht Elektronen von der einen Platte ab und bringt sie auf die andere Platte, 98 d.h. sie sorgt für die Verlagerung einer Ladung Q von der einen auf die andere Platte. Durch diese Ladungsverlagerung wird ein elektrisches Feld E zwischen den Platten aufgebaut, dessen Betrag durch E = U/d gegeben ist, wobei U die momentane Spannung über dem Kondensator ist. Diese Spannung erreicht nach einer gewissen Zeit ihr Maximum von U = Ub. Zu diesem Zeitpunkt ist die Aufladung des Kondensators beendet; die eine Platte trägt dann die Ladung +Q0, die andere die Ladung -Q0. Ub und Q0 sind zueinander proportional, die Proportionalitätskonstante (1) C= Q0 Ub heißt Kapazität des Kondensators. Ihre Einheit ist das FARAD F 1: (2) [C ]= F= A ⋅s C = V V (1 C = 1 COULOMB 2) Für einen Plattenkondensator im Vakuum ist die Kapazität ausschließlich durch die Geometrie der Anordnung bestimmt. Sie ist zur Plattenfläche A direkt und zum Plattenabstand d umgekehrt proportional: (3) C A d Frage 1: - Wie lässt sich die Proportionalität C ∼ 1/d veranschaulichen? (Hinweis: betrachte das elektrische Feld E und die Spannung U an einem aufgeladenen Plattenkondensator, der nach dem Aufladen von der Spannungsquelle getrennt und dessen Platten danach auseinander gezogen werden. Beachte, dass die Ladung dabei konstant bleibt.) Mit der Proportionalitätskonstante ε0 gilt dann: (4) C = ε0 A d (im Vakuum) ε0 heißt elektrische Feldkonstante (Permittivität des Vakuums). Sie wird aus zwei international festgelegten Konstanten berechnet, nämlich der Lichtgeschwindigkeit c im Vakuum und der magnetischen Feldkonstanten (Permeabilität des Vakuums) m0, und lässt sich daher mit beliebiger Genauigkeit angeben (siehe hintere Umschlagseite dieses Skriptes). Wir beschränken uns hier auf 4 Stellen: (5) ε0 : = 1 −12 As 8,854 10 = ⋅ Vm m0 c 2 Bringt man zwischen die Kondensatorplatten einen elektrischen Isolator (Dielektrikum) ein, so erhöht sich die Kapazität um den Faktor εr ≥ 1: (6) C = ε 0ε r A d (in Materie) εr heißt relative Permittivität (relative Dielektrizitätskonstante), das Produkt ε = ε0εr heißt Permittivität (Dielektrizitätskonstante). εr ist ein vom verwendeten Isolatormaterial abhängiger dimensionsloser Zah1 2 Nach MICHAEL FARADAY (1791 - 1867) CHARLES AUGUSTIN DE COULOMB (1736 - 1806) 99 lenwert. Er beträgt z.B. für Luft bei 20° C und Normaldruck (101325 Pa): εr ≈ 1,0006, für Wasser bei 20° C: εr ≈ 81, für Gläser (je nach Art): εr ≈ 5 - 16 und für Keramiken (je nach Art): εr ≈ 50 - 1.000. Im Vakuum ist εr = 1. 3 Frage 2: - Wie lässt sich die Erhöhung der Kapazität durch das Dielektrikum anschaulich erklären? (Hinweis: Schwächung des elektrischen Feldes.) Handelsübliche Kondensatoren existieren in einer Vielzahl von Bauarten und Bauformen und mit Kapazitäten, die sich über Größenordnungen unterscheiden. Abb. 2 zeigt einige Beispiele. Abb. 2: Handelsübliche Kondensatoren unterschiedlicher Bauart und Bauform. Die Kapazitäten der dargestellten Typen variieren zwischen einigen Picofarad (pF) und einigen Mikrofarad (mF). 2.2 Auf- und Entladevorgang am Kondensator 2.2.1 Entladevorgang Wir wollen zunächst das Entladen eines Kondensators betrachten. Insbesondere interessiert uns, wie lange der Entladevorgang dauert und wie er zeitlich verläuft. Dazu betrachten wir gemäß Abb. 3 einen aufgeladenen Kondensator der Kapazität C, der über einen Widerstand R entladen wird. Eine solche Anordnung heißt RC-Glied. Zu einer beliebigen Zeit t nach Schließen des Schalters S gilt (vgl. Gl. (1)): (7) Q(t )= C ⋅ U (t ) S C R Abb. 3: Entladung eines Kondensators über einen Widerstand. Dabei ist Q(t) die momentane Ladung am Kondensator und U(t) die momentane Spannung über dem Kondensator. Diese Spannung muss nach der KIRCHHOFFschen Maschenregel gleich der Spannung am Widerstand R sein, so dass mit dem momentanen Strom I(t) gilt: 3 In einem Wechselstromkreis hängt εr von der Frequenz der angelegten Spannung ab. Die genannten Zahlen sind Näherungswerte für den Fall kleiner Frequenzen im Bereich unterhalb von 1 kHz. 100 (8) U (t )= R ⋅ I (t ) Der Strom I(t) wird durch die Abnahme (deshalb ein Minuszeichen) der Kondensatorladung mit der Zeit verursacht. Es gilt: (9) I (t ) = − dQ(t ) dt Die Gleichungen (7), (8) und (9) ergeben zusammengefasst die Differentialgleichung der Kondensatorentladung: (10) Q(t ) = − RC ⋅ dQ(t ) dt Die Lösung dieser Differentialgleichung unter der Anfangsbedingung Q(t = 0) = Q0 lautet: (11) Q(t= ) Q0 ⋅ e − t RC Das Produkt RC hat die Einheit [RC] = Ω⋅F = (V/A)⋅(As/V) = s. RC stellt also eine Zeit dar, die so genannte Zeitkonstante t. Sie hat folgende Bedeutung: zur Zeit t = t = RC ist die Ladung auf den Wert Q0/e, also etwa auf das 0,368-fache des ursprünglichen Wertes abgesunken: (12) Q0 t= t= RC → Q(t ) = Q(t ) =≈ 0,368 ⋅ Q0 e Für die Zeit t = T (Halbwertszeit), innerhalb derer die Ladung auf die Hälfte des ursprünglichen Wertes abgesunken ist, gilt: (13) Q Q(t =T ) = 0 2 → T =ln 2 ⋅ RC ≈ 0, 693 ⋅ RC Soll ein Entladevorgang experimentell beobachtet werden, ist es einfacher, statt der Abnahme der Ladung (Gl. (11)) die Abnahme der Spannung über dem Kondensator zu betrachten. Mit Gl. (1) und (7) folgt aus Gl. (11): (14) ) U0 ⋅ e U (t= − t RC Die Spannungsabnahme, die z.B. mit dem Oszilloskop sehr einfach zu messen ist, hat also den gleichen zeitlichen Verlauf wie die Ladungsabnahme. Damit ergibt sich aus Gl. (14) eine für die Praxis wichtige Beziehung zur Messung von Kapazitäten. Wird nämlich die Spannung U(t) zu zwei verschiedenen Zeiten t1 und t2 gemessen, so gilt (s. Abb. 4): (15) U ( t1= ) : U=1 U 0 e − U ( t2= ) : U=2 U 0 e t1 RC − t2 RC 101 U U1 U2 t1 t2 t Abb. 4: Entladekurve eines Kondensators. Der natürliche Logarithmus von Gl. (15) liefert 4: t1 RC t ln= (U 2 ) ln (U 0 ) − 2 RC ln = (U1 ) ln (U 0 ) − (16) Daraus folgt: (17) U t − t ln (U1 ) − ln (U 2 ) = ln 1 = 2 1 RC U2 und schließlich: (18) C= t2 − t1 U R ln 1 U2 Auf Basis dieser Gleichung werden in diesem Versuch Kapazitäten gemessen.5 2.2.2 Aufladevorgang Wir betrachten nun gemäß Abb. 5 die Aufladung eines Kondensators der Kapazität C mit Hilfe einer realen Spannungsquelle. Die reale Spannungsquelle kann als Reihenschaltung einer idealen Spannungsquelle G mit der Quellenspannung U0 und einem Widerstand R (dem Innenwiderstand der realen Spannungsquelle) betrachtet werden. Nach der Maschenregel gilt zu einem beliebigen Zeitpunkt t nach Schließen des Schalters S (I(t) ist der Ladestrom): (19) 4 5 U0 = U R (t ) + U C (t ) = R ⋅ I (t ) + Q(t ) dQ(t ) Q(t ) = R + C dt C Genau genommen müsste es in Gl. (16) ff. ln({U1}) statt ln(U1) usw. heißen, da der Logarithmus nur von einem Zahlenwert (wie z.B. {U1}), nicht jedoch von einer mit Einheiten behafteten Größe (wie z.B. U1) gebildet werden kann. Zur Vereinfachung der Schreibweise verzichten wir auf die geschweiften Klammern, meinen jedoch in den entsprechenden Gleichungen immer die Zahlenwerte der Größen. Auf diesem Prinzip beruht auch die Kapazitätsmessung in vielen Multimetern. 102 Daraus folgt mit Q0 = C U 0 : (20) Q(t ) + RC dQ(t ) − Q0 = 0 dt Die Lösung dieser Differentialgleichung lautet: (21) t − RC (t ) Q0 1 − e Q = S R I C = U0 G Abb. 5: Aufladung eines Kondensators über eine reale Spannungsquelle. Die Zeitkonstante t = RC gibt hier die Zeit an, innerhalb derer sich der Kondensator auf das (1 - 1/e)-fache seiner maximalen Ladung Q0 aufgeladen hat. Analog wie bei der Kondensatorentladung können wir für den leichter beobachtbaren Spannungsanstieg am Kondensator schreiben: (22) t − RC U (t ) U 0 1 − e = Frage 3: - Stellen Sie mit Matlab den Verlauf von Gl. (14) und (22) im Zeitintervall [0; 5t] für die Werte R = 1 kΩ, C = 4,7 nF und U0 = 1 V dar. 2.3 Zusammenschaltung mehrerer Kondensatoren Aus den KIRCHHOFFschen Gesetzen (Knoten- und Maschenregel) lässt sich die Gesamtkapazität einer Anordnung aus mehreren Kondensatoren berechnen. Für eine Serienschaltung von n Kondensatoren mit den Kapazitäten Ci gilt (s. Abb. 6 für n = 2): (23) n 1 1 =∑ C i =1 Ci Für eine Parallelschaltung gilt (s. Abb. 7 für n = 2): n (24) C = ∑ Ci i =1 103 C1 C2 Abb. 6: Serienschaltung von Kondensatoren. 2.4 C2 C1 Abb. 7: Parallelschaltung von Kondensatoren. Kosinusförmige Anregung eines RC-Gliedes Wir haben bislang untersucht, wie sich ein Kondensator bei einmaliger Auf- oder Entladung über einen Widerstand verhält. Um das Verhalten von Kondensatoren in Wechselstromkreisen zu verstehen, wollen wir nun untersuchen, wie ein RC-Glied, also eine Anordnung aus Widerstand und Kondensator, auf eine kosinusförmige Anregung reagiert. Dazu betrachten wir eine Anordnung gemäß Abb. 8. Eine ideale Spannungsquelle liefert die mit der Kreisfrequenz ω variierende Wechselspannung UG(t) 6: (25) U G (t ) = U 0 cos(ω t ) R ~ UG(t) C Abb. 8: RC-Glied mit kosinusförmiger Anregung. Analog zu Gl. (19) folgt aus der Maschenregel: (26) U G ( t ) = U 0 cos(ω t ) = U R (t ) + U C (t ) = R dQ(t ) Q(t ) + dt C Daraus folgt: (27) Q(t ) + RC dQ(t ) 0 − CU 0 cos(ωt ) = dt Unser Ziel ist es, den zeitlichen Verlauf von UC(t) zu bestimmen. Dazu reicht es gem. Gl. (7), den zeitlichen Verlauf von Q(t) zu finden. Aus den Überlegungen aus Kap. 2.2 wissen wir, dass der Kondensator nicht unendlich schnell aufgeladen oder entladen werden kann. Das bedeutet, dass der Ladungsverlauf Q(t) dem Spannungsverlauf UG(t) nicht instantan folgen kann, sondern nur mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung. Wir erwarten daher eine Phasenverschiebung ϕ von Q(t) gegenüber UG(t). Zur Lösung der Differentialgleichung (27) versuchen wir deshalb den Ansatz: (28)= Q(t ) Q0 cos(ω t + ϕ ) Durch Einsetzen von Gl. (28) in Gl. (27) müssen wir nun die unbekannten Größen Q0 und ϕ bestimmen. Nach einiger Rechnung (am einfachsten mit komplexen Größen, s. Anhang in Kap. 4) erhalten wir für die maximale Ladung Q0 am Kondensator: (29) 6 Q0 = CU 0 (ω RC )2 + 1 Natürlich würde der Ansatz UG(t) = U0 sin( ω t) ebenso zum Ziel führen; in der Physik hat sich jedoch die Schreibweise mit der cos-Funktion eingebürgert. 104 und für die Phasenverschiebung ϕ zwischen Q(t) bzw. UC(t) und UG(t): (30)= ϕ arctan(−ω RC ) (31) bzw. tan ϕ = −ω RC Aus Gl. (30) lässt sich ablesen, dass ϕ immer negativ ist. Die Ladung Q(t) hinkt also immer hinter der Spannung UG(t) her. Für den Grenzfall ω → 0 gilt ϕ ≈ 0° und für den Grenzfall ω → ∞ folgt ϕ = -90°. Mit dem Zusammenhang: 1 = tan 2 ϕ + 1 = cos ϕ (32) 1 (ω RC ) 2 + 1 erhalten wir durch Einsetzen von Gl. (32) in Gl. (29): (33) Q0 = CU 0 cos ϕ Durch Vergleich von Gl. (1) und (33) sehen wir, dass bei kosinusförmiger Anregung die maximale Ladung am Kondensator um den Faktor cos ϕ kleiner ist, als bei Aufladung mit einer Gleichspannung vom Betrag U0. Für den Grenzfall ω → 0 erhalten wir Q0 ≈ CU0 und für den Grenzfall ω → ∞ folgt Q0 = 0. Frage 4: - Wie lassen sich diese Grenzfälle anschaulich verstehen? Wir wollen nun den zeitlichen Verlauf des Stromes I(t) durch die Masche gemäß Abb. 8 berechnen. Es gilt: (34) I (t ) = dQ(t ) dt Einsetzen von Gl. (28) in (34) und Ausführung der Differentiation ergibt: (35) π ω Q0 cos ω t + ϕ + =I 0 cos (ω t + θ ) I (t ) =−ω Q0 sin (ω t + ϕ ) = 2 mit der Stromamplitude I0: I 0 ω= Q0 (36) = U0 R2 + 1 (ω C ) 2 und der Phasenverschiebung θ zwischen dem Strom I(t) und der Spannung UG(t): (37) θ= ϕ + π 2 Benutzen wir die Beziehung tan (ϕ + π/2) = -1/tanϕ, so erhalten wir aus Gl. (37) und (31): 105 (38) tan θ = 1 ω RC Wir sehen aus Gl. (38), dass im Falle ω → 0 der Strom I(t) der Spannung UG(t) um 90° vorauseilt (θ ≈ π/2). Im Falle ω → ∞ sind Strom und Spannung dagegen in Phase (θ ≈ 0°). Mit zunehmender Frequenz nimmt daher die Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung von 90° auf 0° ab. 2.5 Impedanz Die Impedanz (auch Scheinwiderstand) ist ein wichtiger Parameter zur Beschreibung elektrischer Schaltungen. Sie wird in der Experimentalphysikvorlesung im zweiten Semester noch ausführlich behandelt. Wir werden uns hier deshalb auf wenige Bemerkungen zur Impedanz beschränken. Die Impedanz Z ist definiert als der Gesamtwiderstand 7, den eine elektrische Schaltung einem Wechselstrom bei einer bestimmten Kreisfrequenz ω entgegen setzt. Es gilt also Z = Z(ω). Die Einheit der Impedanz ist Ohm: [Z ] = Ω Eine Impedanz in einem Wechselstromkreis führt i. Allg. dazu, dass Amplitude und Phasenlage des Stromes in einer Schaltung beeinflusst werden. Deshalb ist es praktisch, die Impedanz als komplexe Größe darzustellen: (39)= Z Re ( Z ) + i Im ( Z ) Abb. 9 zeigt Z als Zeiger in der komplexen Ebene. Der Realteil von Z ist der ohmsche Widerstand R der Schaltung, der auch als Wirkwiderstand bezeichnet wird: (40) R = Re ( Z ) Der Imaginärteil von Z wird als Reaktanz X (oder Blindwiderstand) bezeichnet 8: (41) X = Im ( Z ) Damit kann man für Z nach Gl. (39) auch schreiben: (42) Z= R + i X Der Betrag von Z (d.h. die Länge des Zeigers in Abb. 9) ist gegeben durch: (43) = Z R2 + X 2 und die Phase, d.h. die Winkelorientierung des Zeigers zur Re-Achse, durch: (44) 7 8 X R ϕ = arctan Der Gesamtwiderstand ist i. Allg. kein reiner ohmscher Widerstand! In einem Wechselstromkreis mit Kondensator C und Spule L hat die Reaktanz X einen von L hervorgerufenen induktiven und einen durch C hervorgerufenen kapazitiven Beitrag. Mehr dazu im zweiten Semester. 106 Damit kann Z aus Gl. (39) bzw. (42) in Polarform auch geschrieben werden als: (45) Z = Z eiϕ Im Z X ϕ R Re Abb. 9: Impedanz Z als Zeiger in der komplexen Ebene. In Analogie zum ohmschen Gesetz ist |Z| durch den Quotienten aus Spannungsamplitude U0 und Stromamplitude I0 gegeben. Für das in Kap. 2.4 betrachtete RC-Glied folgt demnach mit I0 nach Gl. (36): (46) Z = U0 = I0 R2 + 1 (ω C ) 2 Aus dem Vergleich von Gl. (46) mit Gl. (43) folgt, dass sich Z aus dem ohmschen Widerstand R und der kapazitiven Reaktanz X = 1/(ω C) zusammensetzt. Im Falle ω → 0 geht 1/(ω C) → ∞, d.h. Z wird vor allem durch den Kondensator bestimmt, der den Stromkreis in diesem Falle „sperrt“. Für ω → ∞ dagegen ist die Situation umgekehrt: in diesem Falle geht 1/(ω C) → 0, d.h. der Kondensator „schaltet durch“ und Z wird vor allem durch den ohmschen Widerstand R bestimmt. 3 Versuchsdurchführung Zubehör: Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, Funktionsgenerator (TOELLNER 7401, Ausgangswiderstand R ≈ 50 Ω), Multimeter (AGILENT 34405A), Netzgerät, Stoppuhr, Widerstandsdekade, Einzelkondensatoren auf Montageplatte (ca. 10 mF, ca. 10 nF), Plattenkondensator (Aluminium; A ≈ 0,20 ⋅ 0,17 m2) mit Dielektrikum (PVC-Platten variabler Dicke, d ≈ (1, 2, 3) mm), 5 Koaxialkabel unterschiedlicher Länge, Schalter, Metallmaßband, Bandmaß, Messschieber. Hinweis: In den folgenden Schaltbildern sind jeweils diejenigen Komponenten rot gezeichnet, deren Größen (Kapazität oder Widerstand) gemessen werden sollen (Abb. 10 - Abb. 12) oder über denen zu messende Signale abgegriffen werden (Abb. 15). Gestrichelt umrahmt sind jeweils die Ersatzschaltbilder von Geräten wie Funktionsgenerator oder Oszilloskop, die zur Messung der gesuchten Größen verwendet werden. Neben den Ein- und Ausgangswiderständen und -kondensatoren dieser Geräte ist oftmals noch ein weiterer Kondensator CK im Schaltbild eingezeichnet. CK repräsentiert die Kapazität aller Kabel, die für den Aufbau der Messanordnung erforderlich sind (Kapazität der Verbindungskabel). Zwecks Vereinfachung der Darstellung werden wir häufig von der „Eingangskapazität“ CO, der „Verbindungskabelkapazität“ CK, dem Kondensator C usw. sprechen, wenn wir „Kondensatoren mit den Kapazitäten“ CO, CK oder C usw. meinen. 107 3.1 Bestimmung des Eingangswiderstandes eines Oszilloskops aus der Entladekurve eines Kondensators Aus der Messung der Entladekurve eines Kondensators mit der Kapazität C soll der Eingangswiderstand RO eines Oszilloskops bestimmt werden (Abb. 10). Dazu wird C zunächst über den Innenwiderstand RS einer Spannungsquelle aufgeladen (Netzgerät; Ausgangsspannung ≈ 5 V), anschließend wird C von der Spannungsquelle getrennt (Schalter S öffnen) und die Entladung von C über RO beobachtet. S RS = U0 CK Spannungsquelle C CO RO Oszilloskop Abb. 10: Ersatzschaltbild für Spannungsquelle, Kondensator C, Verbindungskabel (mit der Kapazität CK) und Oszilloskop mit dem zu messenden Eingangswiderstand RO. Die Eingangskapazität CO des Oszilloskops, die Verbindungskabelkapazität CK und die Kondensatorkapazität C liegen parallel zueinander. Wir wählen C >> CO + CK, so dass wir CO und CK vernachlässigen können (hier C ≈ 10 mF, ausmessen mit Multimeter AGILENT 34405A). Gemäß Gl. (18) wird fünfmal die Zeitdifferenz ∆t = t2 – t1 mit der Stoppuhr gemessen, innerhalb derer die Spannung U vom Wert U1 auf den Wert U2 abnimmt (U1 und U2 messen). Aus dem Mittelwert von ∆t wird nach Gl. (18) der Eingangswiderstand des Oszilloskops inkl. Größtfehler bestimmt. Die Werte für U1 und U2 können dabei als fehlerfrei angenommen werden. 3.2 Messung von Kapazitäten 3.2.1 Beschreibung des Messverfahrens Das in Versuch 3.1 benutzte Verfahren zur Messung der Zeitdifferenz ∆t = t2 – t1 ist gut geeignet, wenn die Zeitkonstante t = RC groß ist. Bei kleinen Zeitkonstanten bietet sich an, den Kondensator periodisch aufzuladen und wieder zu entladen, und die Zeitdifferenz ∆t = t2 – t1 durch direkte Beobachtung einer Entladekurve mit einem Oszilloskop zu messen. Die periodische Auf- und Entladung lässt sich erreichen, indem man den Kondensator an einen Funktionsgenerator (FG) anschließt, der eine periodische Rechteckspannung UFG mit der Amplitude U0 liefert (z.B. U0 = 4 V). Der FG wirkt dann wie eine Spannungsquelle mit eingebautem „elektronischen Schalter“. Abb. 11 zeigt das zugehörige Ersatzschaltbild. Der Vergleich mit Abb. 10 zeigt zwei Unterschiede: a) Neben der Kapazität der Verbindungskabel (CK), der Eingangskapazität des Oszilloskops (CO) und der zu messenden Kondensatorkapazität C muss die „Ausgangskapazität“ 9 CF des FG berücksichtigt werden. Diese drei Kapazitäten bilden zusammen die Gesamtkapazität CA der Messanordnung: (47) 9 CA = CO + CK + CF Ein reales Rechtecksignal aus einem FG hat niemals Flanken mit der Steigung ∞. Vielmehr ähnelt z.B. die fallende Flanke der Entladekurve eines Kondensators mit der Kapazität CF. Diese Größe wird hier im Sinne eines Ersatzschaltbildes als Ausgangskapazität bezeichnet. 108 b) Der FG als „elektronischer Schalter“ trennt nicht die Spannungsquelle mit dem Innenwiderstand RF (≈ 50 Ω) vom Stromkreis (wie der Schalter S in Abb. 10), sondern sorgt lediglich für eine periodische Umladung der Kondensatoren CA und C. 10 Wegen RF << RO erfolgt diese Umladung über RF. RF bestimmt demnach mit CA und C die Zeitkonstante t des RC-Gliedes. Gl. (18) lautet in diesem Fall: t −t CA + C = 2 1 U RF ln 1 U2 (48) RF CF UFG FG CK C CO RO Oszilloskop Abb. 11: Ersatzschaltbild für Funktionsgenerator FG, Verbindungskabel (mit der Kapazität CK), zu messender Kapazität C und Oszilloskop. Weitere Bezeichnungen siehe Text. Gl. (48) bietet die Möglichkeit, durch Messung von ∆t = t2 – t1 sowie von U1 und U2 eine unbekannte Kapazität C zu bestimmen, wenn die Größen RF und CA bekannt sind. Für die im Praktikum eingesetzten Funktionsgeneratoren ist RF = (50 ± 2) Ω. Damit ergibt sich eine kleine Zeitkonstante t der Kondensatorentladung, die zu einer kleinen und damit schlecht messbaren Zeitdifferenz ∆t = t2 - t1 führt. Deshalb wird gem. Abb. 12 ein zusätzlicher Widerstand RD ≈ 1 kΩ aus einer Widerstandsdekade zu RF in Reihe geschaltet, um einen Gesamtwiderstand von (49) R= RF + RD G zu erreichen und die Zeitdifferenz ∆t entsprechend zu vergrößern. Aus Gl. (48) wird dann: (50) t −t CA + C = 2 1 U RG ln 1 U2 Daraus folgt für die gesuchte Größe C: (51) = C 10 t2 − t1 − CA U RG ln 1 U2 Für die Messung ist es unbedeutend, ob der Kondensator aufgeladen und anschließend entladen wird, oder ob er, wie hier, periodisch umgeladen wird. Auf das Zeitverhalten hat dies keinen Einfluss. 109 RD RF CF UFG FG CK C CO RO Oszilloskop Abb. 12: Schaltung aus Abb. 11 mit zusätzlich eingefügtem Widerstand RD. Abb. 13: Realer Aufbau der Schaltung aus Abb. 12. Links der Funktionsgenerator, rechts das Oszilloskop. In der Mitte die Widerstandsdekade mit dem Widerstand RD. RD liegt zwischen den beiden schwarzen Anschlussbuchsen der Widerstandsdekade. Die gelbe Buchse ist ein Stützkontakt ohne elektrische Verbindung zu RD. In der Kabelverbindung zwischen Oszilloskop und Widerstandsdekade befindet sich ein BNC-T-Stück, an das der Kondensator mit der zu messenden Kapazität C angeschlossen wird. 3.2.2 Vorbereitende Messung Um mit Hilfe von Gl. (51) eine unbekannte Kapazität C bestimmen zu können, muss neben RG auch die Gesamtkapazität CA der Messanordnung bekannt sein. Um diese Größe zu messen, wird die Schaltung nach Abb. 12 mit C = 0 (d.h. ohne die zu messende Kapazität C) aufgebaut. An einem Punkt der Schaltung wird ein BNC-T-Stück eingefügt (Abb. 13), an das für die späteren Versuchsteile die jeweils zu messende Kapazität C angeschlossen werden kann. Anschließend wird CA mit Hilfe von Gl. (50) bestimmt. Dazu wird auf dem Oszilloskop die Entladekurve für CA dargestellt und die Zeitdifferenz ∆t = t2 – t1 gemessen, innerhalb derer die Spannung von U1 nach U2 sinkt. Zur Messung dieser Größen kann das Digital-Oszilloskop in der Betriebsart → Erfassung → Mittelwert betrieben werden. In diesem Modus wird der Einfluss des Rauschens auf das Messergebnis minimiert. Zur Berechnung des Größtfehlers von CA können U1 und U2 als fehlerfrei angenommen werden. Für RG kann entsprechend der Genauigkeit der Widerstandsdekade ein Größtfehler von 0,01 × RG verwendet werden. Nach diesen Vorbereitungen kann die Messung unbekannter Kapazitäten C erfolgen, die zusätzlich in den Aufbau eingebracht werden. Hinweis: Gl. (18) bzw. Gl. (51) gelten für den Fall, dass sich ein aufgeladener Kondensator mit der Anfangsspannung U0 auf die Endspannung 0 V entlädt. Die Spannungswerte U1 und U2 sind in diesem 110 Fall für alle Werte der Zeit t positiv. Wird an den Kondensator jedoch eine Rechteckspannung mit der Amplitude U0 gelegt, so beträgt die Maximalspannung + U0 und die Minimalspannung - U0 (Abb. 14, linke Ordinate). Es ergibt sich demnach eine Umladekurve, in der die Spannung auch negativ werden kann. Dann können die Gl. (18) und (51) nicht angewendet werden, da die Logarithmusfunktion nur für positive Werte ihres Arguments definiert ist. U +U0 2U0 U1 U0 0 U2 -U0 t1 t2 0 t Abb. 14: Umladekurve am Kondensator beim Anlegen einer Rechteckspannung der Amplitude U0 ohne DC-Offset (linke Ordinate). Der gleiche zeitliche Verlauf ergibt sich für eine Rechteckspannung mit Amplitude U0 und DC-Offset U0 (rechte Ordinate, blau). Die horizontalen Linien symbolisieren die Skalenstriche am Oszilloskop. Dieses Problem lässt sich lösen, wenn man berücksichtigt, dass der zeitliche Verlauf des Umladevorgangs vom Spannungswert + U0 auf den Spannungswert - U0 identisch ist mit dem zeitlichen Verlauf der Entladung eines Kondensators, dessen Anfangsspannung 2 U0 und dessen Endspannung 0 V beträgt (Abb. 14, rechte Ordinate). Wird demnach zu allen am Oszilloskop abgelesenen Spannungswerten die Amplitude U0 addiert, sind U1 und U2 immer positiv und die Gl. (18) und (51) wieder anwendbar. Voraussetzung für dieses Vorgehen ist, dass die Rechteckspannung keinen Gleichspannungsanteil enthält (DC-Offset am FG auf OFF) und dass ihre Amplitude U0 bekannt ist. U0 muss also einmal gemessen werden. Um das Ablesen der Spannungswerte am Oszilloskop zu erleichtern ist es außerdem empfehlenswert, das Spannungssignal symmetrisch um den mittleren horizontalen Skalenstrich auf dem Bildschirm anzuordnen („0“ in Abb. 14, linke Ordinate). Dann können U1 und U2 mit Hilfe der Skalenstriche am Oszilloskop bestimmt werden und die Messung von ∆t kann mit den Zeitcursorn erfolgen. 3.2.3 Bestimmung der Kapazität von Koaxialkabeln In diesem Versuchsteil soll die Kapazität C von Koaxialkabeln gemessen werden, die neben den bereits vorhandenen (Koaxial-)Kabelverbindungen mit der Gesamt-Kapazität CK zusätzlich in den Aufbau eingebracht werden. Am einfachsten lässt sich dies erreichen, indem die zusätzlichen Kabel an das oben erwähnte BNC-T-Stück (Abb. 13) angeschlossen werden. C liegt dann parallel zu CA. Fünf Koaxialkabel unterschiedlicher Länge L ≥ 1 m (messen!) werden nacheinander an das BNC-T-Stück angeschlossen. Für jedes dieser Kabel werden die Größen U1, U2, t1 und t2 gemessen und die Kapazität C nach Gl. (51) berechnet. Auf eine Fehlerangabe für die einzelnen Werte von C kann verzichtet werden. Als Endergebnis soll der Mittelwert der Koaxialkabel-Kapazität pro Meter inkl. Standardabweichung des Mittelwertes angegeben und mit dem Sollwert für ein Koaxialkabel vom Typ RG 58 C/U (101 pF/m) verglichen werden. 111 3.2.4 Bestimmung der relativen Permittivität von PVC Nach dem gleichen Verfahren wie unter Kap. 3.2.3 beschrieben soll die Kapazität eines Plattenkondensators gemessen werden, zwischen dessen Platten sich das Dielektrikum PVC befindet. Ziel ist es, aus einer Reihe von Kapazitätsmessungen bei Variation der Dicke d des Dielektrikums die relative Permittivität εr von PVC zu bestimmen. Der Plattenkondensator besteht aus zwei gleich großen Aluminiumplatten der Fläche A, zwischen denen sich eine PVC-Platte gleicher Fläche und der Dicke d befindet. Der Kondensator wird zusätzlich und parallel zu den bereits vorhandenen Verbindungskabeln zwischen Funktionsgenerator und Oszilloskop geschaltet. Der Anschluss des Plattenkondensators an das BNC-T-Stück erfolgt über ein Koaxialkabel, das einseitig mit Laborsteckern versehen ist 11. Eine der Aluminiumplatten wird auf den Labortisch gelegt und mit dem „Minuspol“ des Funktionsgenerators (Außenkontakt der BNC-Buchse) verbunden. Auf diese Platte wird die PVC-Platte und darauf die zweite Aluminiumplatte gelegt, die mit dem anderen Pol des Funktionsgenerators verbunden wird. Die Messung wird für PVC-Plattendicken mit d ≈ (3, 4, 5, 6) mm durchgeführt (d mit dem Messschieber messen, A mit dem Metallmaßband). Für jede Dicke wird C bestimmt (Gl. (51)). Zur weiteren Analyse wird C über 1/d aufgetragen. Aus der Steigung der Ausgleichsgeraden kann εr bestimmt (Gl. (6)) und mit dem Literaturwert verglichen werden. 12 3.3 Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung in einem RC-Glied Mit einer Anordnung gemäß Abb. 15 soll die Phasenverschiebung θ zwischen der kosinusförmigen Ausgangsspannung UFG des Funktionsgenerators und dem Auf- und Entladestrom I des Kondensators in Abhängigkeit von der Kreisfrequenz ω gemessen werden. Für diesen Versuchsteil können die Innenwiderstände und Ein- und Ausgangskapazitäten von Funktionsgenerator und Oszilloskop vernachlässigt werden. C RF V1 R ~ UFG V2 FG Abb. 15: Anordnung zur Messung der Phasenverschiebung θ zwischen UG(t) und I(t) in einem RC-Glied. Die Ausgangsspannung UFG des Funktionsgenerators kann direkt mit dem Oszilloskop gemessen werden (symbolisiert durch das „Voltmeter“ V1 in Abb. 15). Der Strom I wird über einen kleinen Umweg gemessen: I erzeugt an R einen Spannungsabfall UR = RI, der mit I in Phase ist und der ebenfalls mit dem Oszilloskop gemessen werden kann (V2 in Abb. 15). Die Messung von θ erfolgt für ein RC-Glied mit R ≈ 1 kΩ und C ≈ 10 nF (beide Größen mit Multimeter AGILENT 34405A ausmessen) bei den Frequenzen f = (1, 5, 10, 20, 30, 40, 50, 100) kHz. Die Amplitude von UFG soll ca. 5 V bei f = 10 kHz betragen. 11 12 Dieses zusätzliche Anschlusskabel erhöht die Kabelkapazität CK des Aufbaus. Deshalb muss vor Anschluss des Plattenkondensators an dieses Kabel die Gesamtkapazität CA der Messanordnung neu bestimmt werden. Literaturwert nach /3/: εr = 3,1 ... 3,5 (ohne Frequenzangabe). 112 θ wird mit Größtfehler über ω aufgetragen. In das gleiche Diagramm werden auch die theoretisch erwarteten Werte für θ eingetragen und mit den experimentell gefunden Werten verglichen. Praktische Hinweise: - Bei der Versuchsdurchführung ist zu beachten, dass die Reaktanz X = 1/(ωC) des Kondensators eine Funktion von ω ist, die Spannungsamplituden also ebenfalls mit ω variieren. - Die Phasenverschiebung θ lässt sich am besten durch Messung der Zeitdifferenz ∆t der Nulldurchgänge der beiden Spannungen UFG(t) und UR(t) bestimmen (vgl. Versuch „Oszilloskop...“). - Beachten Sie beim Anschluss der Kabel zur Messung von UFG(t) und UR(t), dass die Außenkontakte der BNC-Buchsen des Oszilloskops auf gleichem Potential liegen! Folglich gilt das auch für die Außenkontakte der BNC-Stecker an den Koaxialkabeln! Frage 5: - Wie groß ist die Phasenverschiebung zwischen der Spannung am Kondensator (UC) und dem Strom I? Wie ließe sich diese Phasenverschiebung messen? 4 Anhang Durch Rechnung mit komplexen Größen ist die Herleitung von Gl. (29) und Gl. (30) recht einfach. Der Ansatz in Gl. (25) bzw. (28) lautet in komplexer Schreibweise: (52) U G (t ) = U 0 eiω t (53) i ω t +ϕ) Q ( t ) = Q0 e ( Durch Einsetzen beider Gleichungen in Gl. (26) und Ausführen der Differentiation erhalten wir nach Division durch e iω t : (54) = U 0 iω RQ0 eiϕ + 1 Q0 eiϕ C Daraus folgt: (55) Q0 ei ϕ = U0 1 + iω R C Die linke Seite von Gl. (55) ist eine übliche Darstellungsform (Polarform) einer komplexen Zahl z mit dem Betrag (Modul) |z| und dem Phasenwinkel (Argument) ϕ: −ϕ z : z eiϕ = hier: z Q= Q0 = (56) 0 e , z Der Betrag von z ist gegeben durch: (57) z = z z∗ wobei z* die zu z konjugiert komplexe Zahl ist, die man durch Wechsel des Vorzeichens vor der imaginären Einheit i erhält (i → -i bzw. –i → i). Für den Betrag Q0 ergibt sich demnach: 113 U 02 = 1 2 + (ω R ) 2 C U0 U0 = 1 1 + iω R − iω R C C Q0 = (58) U 0C 1 + (ω RC ) 2 Dies ist das Ergebnis aus Gl. (29). Für die Berechnung des Phasenwinkels benutzen wir eine zweite übliche Darstellungsform komplexer Zahlen, nämlich (59) z= Re ( z ) + i Im ( z ) := α + iβ wobei α der Realteil (Re) und β der Imaginärteil (Im) von z ist. Aus diesen Größen lässt sich der Phasenwinkel ϕ berechnen als (60) β a ϕ = arctan + π − π a < 0 ∧ β ≥ 0 a < 0 ∧ β < 0 ⇔ ⇔ Um Gl. (60) anwenden zu können, müssen wir Gl. (55) in die Form der Gl. (59) bringen, also Real- und Imaginärteil voneinander trennen. Dazu müssen wir i aus dem Nenner beseitigen, wozu wir den Bruch passend erweitern. Aus Gl. (55) wird dann: (61) Q0 ei ϕ 1 U0 U 0 − iω R U0 ω R C C = = −i α + iβ := 1 1 1 1 2 2 2 2 + + ω ω R R + iω R − iω R 2 C2 C C C Aus Gl. (61) können wir α und β ablesen: (62) α= U0 C 1 + ω2 R2 C2 β= − U0 ω R 1 + ω2 R2 C2 Dabei ist zu beachten, dass in der Definitionsgleichung (59) ein Pluszeichen steht. Das negative Vorzeichen vor dem i in Gl. (61) gehört demnach mit zum Imaginärteil β . Setzen wir Gl. (62) in Gl. (60) ein, so erhalten wir: β a (63)= ϕ arctan = arctan ( − ω RC ) Dies ist das Ergebnis aus Gl. (30). 114 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Sensoren für Kraft, Druck, Abstand, Winkel und Lichtintensität Stichworte: Sensor, Messwertaufnehmer, Linearität, Ansprechzeit, Messbereich, Auflösung, Rauschen, Dehnungsmessstreifen, piezoresistiver Effekt, Triangulation, HALL-Effekt, Halbleiter, pn-Übergang. Messprogramm: Kalibrierung eines Kraft- und eines Drucksensors, Abstandsmessung mit einem Laser-Distanzsensor, Messung eines Übersetzungsverhältnisses mit einem Winkelsensor, Linearität des Ausgangssignals einer Fotodiode, Messung der Leistung von Laserlicht, Messung der Geschwindigkeit einer Fingerbewegung. Literatur: /1/ NIEBUHR, J.; LINDNER, G.: „Physikalische Messtechnik mit Sensoren“, Oldenbourg Industrieverlag, München /2/ SCHANZ, G. W.: „Sensoren“, Hüthig-Verlag, Heidelberg /3/ HAUS, J.: „Optical Sensors“, Wiley-VCH, Weinheim 1 Einleitung Als Sensoren bezeichnet man Messwertaufnehmer (auch Messgrößenaufnehmer), mit denen eine physikalische oder chemische Größe quantitativ erfasst werden kann. In den meisten Fällen wird der Wert w der Größe in eine elektrische Spannung U oder einen elektrischen Strom I umgesetzt. Durch eine Kalibrierung wird die Kalibrierfunktion U(w) bzw. I(w) bestimmt, mit der man aus einem gemessenen Spannungs- oder Stromwert auf den zugehörigen Wert der Größe schließen kann. Zur Kalibrierung eines Kraftsensors wird z.B. der Sensor unterschiedlichen, aber bekannten Kräften Fi ausgesetzt und jeweils die zugehörige Spannung Ui gemessen. Anschließend wird Ui über Fi aufgetragen und mit Hilfe eines Fits eine Kalibrierkurve durch die Messdaten gelegt. Wichtige Kenngrößen von Sensoren sind: Linearität: Oftmals besteht ein linearer Zusammenhang zwischen dem tatsächlichen Wert der Größe w und dem Ausgangssignal des Sensors, z.B. der Spannung U. Dann gilt: = U k w + U0 wobei k der Kalibrierfaktor ist und U0 die Ausgangspannung des Sensors im Falle w = 0. Die Kalibrierkurve ist in diesem Fall eine Gerade, der Sensor arbeitet linear. Ist U0 = 0, so besteht eine Proportionalität zwischen U und w. Dies ist der Idealfall für einen Sensor. Ansprechzeit: Die Ansprechzeit gibt an, innerhalb welcher Zeit eine Änderung der Größe w zu einer entsprechenden Änderung des Ausgangssignals führt. Messbereich: Der Messbereich gibt den Wertebereich der Größe w an, der innerhalb festgelegter Fehlergrenzen zu einer mit der Kalibrierfunktion beschreibbaren Änderung des Ausgangssignals führt. Auflösung: Die Auflösung ist die kleinste Änderung der Größe w, die zu einer eindeutig messbaren Änderung des Ausgangssignals führt. Rauschen: Unter Rauschen versteht man die inhärenten, zufälligen Schwankungen des Ausgangssignals eines Sensors. Eine wesentliche Quelle für das Rauschen vieler Sensoren ist die Elektronik, die zur Erzeugung des Ausgangssignals eingesetzt wird. 115 Seit es möglich ist, Sensoren in kompakter bzw. miniaturisierter Bauform herzustellen, oder gar in IC’s 1 zu integrieren, haben sie in der modernen Messtechnik und in der industriellen Fertigung eine große Verbreitung gefunden. In diesem Versuch werden Sensoren für Kraft, Druck in Gasen, Abstand, Winkel und Lichtleistung bzw. Lichtintensität behandelt. 2 Theorie 2.1 Kraftsensor auf Basis eines Biegestabes Mit den im Grundpraktikum eingesetzten Kraftsensoren wird eine mechanische Kraft vom Betrag F in ein Spannungssignal U umgesetzt, das sich mit F linear ändert. Als Sensor dient ein Biegestab (s. Abb. 1). DMS F Abb. 1: Links: Prinzip der Kraftmessung mit einem Biegestab (grün), der links in einem Block (grau) fixiert ist. Die Gewichtskraft F = G eines angehängten Gewichtes (blau) verursacht eine Biegung des Stabes, die mit Dehnungsmessstreifen (DMS, gelb) gemessen wird. Die mechanischen Begrenzungen (rot) verhindern eine Überdehnung des Stabes durch zu große Kräfte. Rechts: Blick in das Gehäuse eines im Grundpraktikum eingesetzten Kraftsensors. Die auf den Biegestab aufgeklebten DMS sind so dünn, dass sie kaum erkennbar sind. Die Kabel sind die Anschlussleitungen der DMS. Sie führen zur Anschlussbuchse links oben, an die der Messverstärker angeschlossen wird. DMS R + U - =Ub R DMS Abb. 2: Halbbrücke mit zwei DMS gleichen Typs und zwei gleichen Widerständen R. Ein DMS wird gedehnt, der andere gestaucht. Ub ist die Betriebsspannung der Brücke, U die Ausgangsspannung, die mit einem Messverstärker weiter verstärkt wird. Durch die Kraft F wird der einseitig gehaltene Stab elastisch verformt, es gilt das HOOKEsche Gesetz 2. Oben findet eine Dehnung des Stabes statt, unten eine Stauchung. Dehnung und Stauchung sind propor1 2 IC: Integrated Circuit. Eine in einem Kunststoffgehäuse eingeschlossene integrierte elektronische Schaltung. ROBERT HOOKE (1635 – 1703) 116 tional zu F = |F|. Sie werden mit Dehnungsmessstreifen (DMS) in zu F proportionale Änderungen des elektrischen Widerstandes der DMS umgesetzt. Die DMS sind zu einer Halbbrücke (Abb. 2) zusammen geschaltet 3. An eine Brückendiagonale wird die Betriebsspannung Ub angelegt, über der anderen Diagonalen wird die Ausgangsspannung U gemessen. Da diese Spannung sehr klein ist (mV-Bereich), wird sie mit einem Messverstärker verstärkt, der gleichzeitig auch die Betriebsspannung Ub liefert. Die Ausgangsspannung des Messverstärkers, UM, ändert sich linear mit F. 2.2 Drucksensor auf Basis des piezoresistiven Effektes Für die Messung von Druckänderungen in Gasen steht ein Drucksensor des Typs SENSORTECHNICS HCLA12X5DB zur Verfügung. Es handelt sich dabei um einen Halbleiterdrucksensor, der auf dem piezoresistiven Effekt basiert. Darunter versteht man die Änderung des elektrischen Widerstandes eines Materials (hier p-Silizium, p-Si; zur Bezeichnung vgl. Kap. 2.5.1) unter dem Einfluss mechanischer Spannungen. Abb. 3 (links) zeigt den schematischen Aufbau eines solchen Sensors. In der Mitte einer gasdichten Kammer befindet sich eine Si-Membran von einigen Mikrometern Dicke, die die Kammer gasdicht in zwei Hälften teilt. Die obere Hälfte der Kammer wird über einen Schlauchanschluss mit einem Gasvolumen vom Druck p1 verbunden, die untere mit einem Gasvolumen vom Druck p2. Bei einer Druckdifferenz ∆p = p2 – p1 wölbt sich die Membran in Richtung der Kammer mit dem niedrigeren Druck. Am Rande der Membran sind piezoresistive Si-Elemente angebracht, auf die infolge der Membranwölbung Kräfte ausgeübt werden. Diese führen zur Dehnung und damit zu einer Widerstandsänderung des Materials 4, die mit Hilfe einer in dem Sensor integrierten Brückenschaltung in ein Spannungssignal gewandelt wird. Mit einer ebenfalls bereits im Sensor enthaltenen integrierten Schaltung wird dieses Signal weiter verstärkt. Am Ausgang des Drucksensors steht schließlich eine Spannung U zur Verfügung, die sich linear mit der Druckdifferenz ∆p ändert. 5 p1 Anschlusskontakt ("Bonding Pad") Si-Membran p2 Piezoresistives Si-Element Abb. 3: Links: Schematische Darstellung eines piezoresistiven Drucksensors zur Messung eines Differenzdruckes ∆p = p2 – p1. Rechts: Blick in das Gehäuse des im Grundpraktikum eingesetzten Drucksensors. Innen rechts befindet sich auf einer kleinen Platine der in einen IC integrierte Sensor. Rechts außen sind die Schlauchanschlüsse zu erkennen (p1 = p-, p2 = p+). 3 4 5 Vgl. Versuch „Messung ohmscher Widerstände…“. Der Effekt ist der Widerstandsänderung eines metallischen DMS bei Dehnung vergleichbar. Die mit einer bestimmten Dehnung einhergehende Widerstandsänderung ist jedoch bei einem piezoresistiven Material erheblich größer als bei einem metallischen DMS. Für Metalle ist k = 2 – 4, für Si ist k ≈ 100 (vgl. Versuch „Messung ohmscher Widerstände…“). Die elektrische Verbindung (engl. Bond) zwischen der integrierten Schaltung und den piezoresistiven Elementen erfolgt über dünne Bonddrähte, die an den Bonding Pads angeschlossen sind. 117 2.3 Abstandssensor auf Basis der Triangulation Zur Abstandsmessung wird ein Laserdistanzsensor eingesetzt (Typ BAUMER OADM 12U6460/S35), der nach dem Prinzip der Triangulation arbeitet (s. Abb. 4 links). d CCD q B p E A LD L s a O C Abb. 4: Links: Funktionsprinzip eines nach dem Prinzip der Triangulation arbeitenden Laserdistanzsensors (schematisch). Tatsächlich können Objektiv L und CCD-Zeile gegenüber der Horizontalen verkippt sein, um innerhalb des Messbereiches des Sensors Verzerrungen bei der Abbildung des Objektpunktes C zu minimieren. Rechts: Foto des im Grundpraktikum eingesetzten Laserdistanzsensors. Rechts unten befindet sich das Anschlusskabel, über das die Betriebsspannung zugeführt und das Ausgangssignal abgeleitet wird. Aus einer Laserdiode gelangt ein kollimierter, dünner Laserstrahl auf die Oberfläche eines Objektes O, deren Abstand zur Bezugsebene E im Sensor gemessen werden soll. In einem bekannten seitlichen Abstand d vom Austritt des Laserstrahls befindet sich der Mittelpunkt eines Objektivs L. Mit diesem Objektiv wird das vom Punkt C auf dem Objekt gestreute Licht auf eine CCD-Zeile abgebildet 6. Es entsteht ein Bildpunkt A, der vom rechten Rand der CCD-Zeile um die Strecke q entfernt ist. Der Abstand q variiert mit der Entfernung s zwischen E und O. Für das Dreieck ABC (daher der Name Triangulation) gilt: (1) tan a = d +q s Außerdem gilt mit der Entfernung p zwischen der Mittenebene der Linse und der Frontseite der CCDZeile (Ebene E): (2) tan a = q p Daraus folgt: (3) d +q q = s p → s= (d + q) p q In Kenntnis der Geräteparameter d und p lässt sich somit durch Messung der Größe q die Entfernung s bestimmen. 6 CCD: Charged Coupled Device. Eine CCD-Zeile besteht aus einer zeilenförmigen Anordnung von z.B. 128 oder 512 (oder mehr) kleinen Fotodetektoren (Pixeln), die jeweils eine Breite von wenigen Mikrometern haben. 118 Das Signal der CCD-Zeile wird von einem Mikroprozessor ausgelesen, der daraus die Größe q bestimmt und mit den bekannten geometrischen Daten d und p in ein Spannungssignal ULDS umrechnet, das sich mit s linear ändert. Dieses Signal steht am Ausgang des Laserdistanzsensors zur Verfügung. 2.4 Winkelsensor auf Basis des HALL-Effektes Für die Messung des Drehwinkels einer Achse wird ein Winkelsensor (Typ TWK-ELEKTRONIK PBA 12) eingesetzt, der auf dem HALL 7-Effekt basiert. Wir werden seine Funktion hier nur schematisch beschreiben. Eine detaillierte Behandlung des Hall-Effektes ist Vorlesungen späterer Semester vorbehalten. Wir betrachten gem. Abb. 5 einen Quader aus einem geeigneten Halbleitermaterial (grau), der in vertikaler Richtung von einem Magnetfeld B (blau) durchsetzt ist und in horizontaler Richtung von einem Strom I durchflossen wird. Im mikroskopischen Bild wird der Strom durch den Transport positiver und negativer Ladungsträger mit der Ladung ± q verursacht, die sich mit den Driftgeschwindigkeiten ± v bewegen. Aus der Schule ist bekannt, dass auf bewegte Ladungen in einem Magnetfeld die LORENTZkraft 8 F wirkt, die gegeben ist durch: (4) = F q v×B B I UH Abb. 5: Zur schematischen Darstellung des Hall-Effektes. Bezeichnungen siehe Text. Die Lorentzkraft bewirkt, dass sich in einer Anordnung gem. Abb. 5 die positiven Ladungsträger nach oben und die negativen Ladungsträger nach unten bewegen. In Folge dessen entsteht zwischen den Kontakten (schwarz) eine Hall-Spannung UH, für die gilt: (5) UH B Aus Gl. (4) ist ersichtlich, dass der Betrag der Kraft F von dem Winkel a zwischen v und B abhängt. Es gilt: (6) F q= v B sin α q v B⊥ = wobei Β⊥ die Komponente von B ist, die senkrecht auf v steht. Mit einer Änderung der Kraft F geht eine proportionale Änderung der Hall-Spannung einher. Es gilt: (7) U H B⊥ Gl. (7) bildet die Basis für den im Versuch eingesetzten Winkelsensor, dessen Funktionsprinzip schematisch in Abb. 6 dargestellt ist. Auf der Achse, deren Winkelstellung a gemessen werden soll, ist ein kleiner Permanentmagnet (rot/grün) montiert. Bei Drehung der Achse dreht sich das von ihm erzeugte Magnetfeld B um den gleichen Winkel. Dieses Feld durchsetzt zwei 9 Hall-Sonden H1 und H2. Je nach Orientierung von B liefern H1 und H2 7 8 9 EDWIN H. HALL (1855 – 1938) HENDRIK A. LORENTZ (1853 – 1928) Zwei Hall-Sonden sind erforderlich, um das Vorzeichen einer Winkeländerung eindeutig bestimmen zu können. 119 unterschiedliche Hall-Spannungen, aus denen mit einem ASIC 10 die Ausgangspannung U des Winkelsensors erzeugt wird, die proportional zum Winkel a ist. H2 a H1 SN ASIC U Abb. 6: Schematischer Aufbau des im Versuch eingesetzten Winkelsensors. Bezeichnungen siehe Text. 2.5 Fotodetektoren Fotodetektoren dienen zur Detektion von Licht. Messbare Größen sind die Lichtleistung PL mit der Einheit W (Watt) bzw. die Lichtintensität IL mit der Einheit W/m2. Aus der Vielzahl verschiedener Fotodetektoren wollen wir uns hier auf die Fotodiode beschränken. Sie wandelt die Größen PL bzw. IL in einen elektrischen Strom I um, der sich linear mit PL bzw. IL ändert. Bei Bedarf kann ein Strom-Spannungswandler den Strom I in eine dazu proportionale elektrische Spannung U konvertieren. Für ein detailliertes Verständnis der Funktion einer Fotodiode sind Kenntnisse aus dem Bereich der Festkörperphysik und Halbleiterphysik erforderlich, die erst in späteren Semestern erarbeitet werden. Deshalb beschränken wir uns hier auf eine kurze Beschreibung der Grundlagen ihres Aufbaus und ihrer Funktionsweise. 2.5.1 Si-Halbleiter und pn-Übergang Fotodioden werden überwiegend aus kristallinem Silizium (Si), einem Halbleiter, hergestellt. In reinem (intrinsischem) Si ist jedes vierwertige Si-Atom von vier gleichen Nachbarn umgeben und mit diesen in kovalenter Bindung verbunden (Abb. 7). Alle vier äußeren Elektronen des Si sind damit räumlich fixiert. Si Si Si Si Si Si Si Si Si Si Si Si Abb. 7: Kristallstruktur von reinem Si. Die blauen Kreise stellen schematisch die an der kovalenten Bindung beteiligten Elektronen dar. Durch Dotierung von reinem Si mit fünfwertigen Atomen (Donatoren) entsteht n-Silizium (Abb. 8 links), ein n-Halbleiter11. Für die kovalente Bindung des Donatoratoms mit den vier Si-Nachbarn werden nur vier Elektronen benötigt, das fünfte Elektron (negativer n-Ladungsträger) ist deshalb nur sehr schwach an den Rumpf des Donatoratoms gebunden. Es ist daher im Material nahezu frei beweglich. Durch Dotierung von reinem Si mit dreiwertigen Atomen (Akzeptoren) entsteht p-Silizium (Abb. 8 rechts), ein p-Halbleiter. In der kovalenten Bindung des Akzeptoratoms mit den vier Si-Nachbarn fehlt 10 11 Ein ASIC ist eine anwenderspezifische integrierte Schaltung (Application Specific Integrated Circuit). Die typische Dotierungskonzentration in Silizium, das für den Bau von Fotodioden verwendet wird, liegt in der Größenordnung von 1015 - 1017 Fremdatomen/cm3. Reines Si enthält ca. 0,5 × 1023 Si-Atome/cm3. 120 ein Elektron. Dadurch entsteht ein Loch, das sich wie ein positiver Ladungsträger verhält (p-Ladungsträger). Dieses Loch kann ein Elektron aus seiner Umgebung einfangen. Das eingefangene Elektron hinterlässt ein neues Loch, das wiederum ein Umgebungselektron einfangen kann usw. Auf diese Weise kann das Loch durch das Material wandern, es ist beweglich. Si Si Si Si Si Si Si Si Si Si As Si Si Si B Si p n Si Si Si Si Si Si Si Si Abb. 8: Links: Kristallstruktur von n-Si, in dem einige vierwertige Si-Atome durch fünfwertige Atome ersetzt sind, hier Arsen (As). Das fünfte Valenzelektron des As bildet einen beweglichen nLadungsträger. Rechts: Kristallstruktur von p-Si, in dem einige vierwertige Si-Atome durch dreiwertige Atome ersetzt sind, hier Bor (B). Das fehlende Valenzelektron des B, ein sogenanntes Loch, bildet einen beweglichen p-Ladungsträger. Bringt man einen p- und einen n-Halbleiter zusammen, so entsteht ein pn-Übergang (Abb. 9). In der Kontaktregion gibt es große Konzentrationsunterschiede der n- und p-Ladungsträger. Deshalb diffundieren Löcher aus dem p-Si in das n-Si und rekombinieren dort mit den im Überschuss vorhandenen Elektronen. Ebenso diffundieren Elektronen aus dem n-Si in das p-Si und rekombinieren dort mit den im Überschuss vorhandenen Löchern. Dadurch entsteht eine von beweglichen Ladungsträgern entleerte Zone (depletion zone), die sogenannte Sperrschicht S. In dieser Schicht lassen die diffundierten Elektronen positiv ionisierte Donatoren zurück, die diffundierten Löcher negativ ionisierte Akzeptoren (Abb. 10). Diese Ionen heißen Raumladungen, sie erzeugen in der Sperrschicht (Raumladungszone) ein elektrisches Feld E (built-in-Feld). - p-Si n-Si Abb. 9: Entstehung eines pn-Übergangs durch Kontakt zwischen zwei Schichten aus p-Si und n-Si. In der Übergangszone kommt es zur Diffusion von n-Ladungsträgern (blau) in das p-Si und von p-Ladungsträgern (rot) in das n-Si. + + + + E Abb. 10: Nach Diffusion der p- und n-Ladungsträger bleiben in der n-Schicht positiv ionisierte Donatoren ⊕ zurück, in der p-Schicht negativ ionisierte Akzeptoren (-). Es entsteht eine Sperrschicht S (gelb), in der die Raumladungen ein elektrisches Feld E erzeugen. Die realen Breitenverhältnisse der p-, n- und Sperrschicht weichen von diesem Prinzipbild erheblich ab. 121 2.5.2 Funktionsprinzip einer Fotodiode Wir betrachten eine Fotodiode auf Basis eines pn-Übergangs gem. Abb. 10. Die Bestrahlung der Fotodiode mit Licht führt zur Absorption von Photonen. Deren Energie reicht aus, um im Silizium ElektronLoch-Paare durch inneren Fotoeffekt zu erzeugen. Dabei werden Elektronen aus dem Valenz- ins Leitungsband gehoben und hinterlassen im Valenzband ein Loch. Die Zahl der erzeugten Elektron-LochPaare ist proportional zur Zahl der absorbierten Photonen und damit zur Leistung PL bzw. Intensität IL des einfallenden Lichtes. Die Erzeugung von Elektron-Loch-Paaren findet im p-Bereich, im n-Bereich und in der Sperrschicht der Fotodiode statt. Die in der Sperrschicht erzeugten Ladungsträger können durch das dort herrschende elektrische Feld E direkt räumlich getrennt und beschleunigt werden (Abb. 11). Ladungsträger, die in der p- und n-Schicht erzeugt wurden, müssen vor ihrer Rekombination durch Diffusion in die Sperrschicht gelangen, bevor sie dort beschleunigt werden können. Photon p n S E Abb. 11: Erzeugung eines Elektron-Loch-Paares, hier durch Absorption eines Photons in der Sperrschicht S einer Fotodiode. Durch das elektrische Feld E werden die Ladungsträger (Elektron und Loch) getrennt und beschleunigt. Verbindet man die Anschlusskontakte der p- und n-Schicht miteinander (Abb. 12 links und Mitte), so fließt ein Fotostrom I, der sich aus einem Driftstrom (Photonenabsorption in der Sperrschicht) und einem Diffusionsstrom (Photonenabsorption außerhalb der Sperrschicht) zusammensetzt und der sich linear mit der Leistung PL bzw. Intensität IL des einfallenden Lichtes ändert. Dies ist die einfachste Betriebsart einer Fotodiode 12. A p S n K I I - + Us I Abb. 12: Links: schematische Darstellung einer pn-Fotodiode, deren Bestrahlung mit Licht zu einem Fotostrom I führt. Schwarz: Anschlusskontakte der p-Schicht (Anode A) und der n-Schicht (Kathode K). Mitte: zugehöriges Schaltbild. Der senkrechte Strich des Diodensymbols symbolisiert die Kathode K. Rechts: Schaltbild einer Fotodiode mit Sperrspannung US. Häufig werden Fotodioden mit einer von außen angelegten Sperrspannung US zwischen Anode und Kathode betrieben, die im Bereich einiger Volt liegt (Abb. 12 rechts). Dadurch wird die Sperrschicht S verbreitert. Dies führt zu einer Verringerung ihrer Kapazität C (Analogie zum → Plattenkondensator). Außerdem wird durch US die elektrische Feldstärke E in der Sperrschicht vergrößert, wodurch die Ladungsträger stärker beschleunigt werden. Beide Effekte führen zu einer Verringerung der Zeitkonstante τ = RC 13 des Ausgangssignals der Fotodiode bis hinunter in den 10 ns-Bereich. Damit lassen sich auch schnelle Änderungen von Lichtleistungen bzw. Lichtintensitäten registrieren. 12 13 Bei dieser Betriebsart wird oft auch von einem Fotoelement statt von einer Fotodiode gesprochen. R ist der für das Zeitverhalten maßgebliche Widerstand in der äußeren Beschaltung der Fotodiode. 122 2.5.3 Technische Realisierung einer Fotodiode Zur Herstellung einer Fotodiode startet man gem. Abb. 13 (links) mit einem Stück n-Typ-Si (bulk-Material), das einige (10 – 100) µm dick ist. Auf das Material bringt man eine Maske aus SiO2 auf. Die Maske begrenzt die lichtempfindliche Fläche der Fotodiode auf den Bereich, der frei von SiO2 ist. Anschließend lässt man von oben durch Diffusion oder Ionen-Implantation dreiwertige Atome in das bulk-Material eindringen, bis sich durch diese Dotierung in einer dünnen Schicht (Dicke im Bereich 1 µm), der pSchicht, ein Überschuss an p-Ladungsträgern gebildet hat. Zwischen dieser p-Schicht und dem n-Material bildet sich eine ebenfalls dünne Sperrschicht S aus (Dicke ebenfalls im µm-Bereich). Schließlich werden die p- und n-Schicht mit metallischen Anschlusskontakten versehen (Abb. 13 links und rechts) und die Frontseite der Fotodiode bei Bedarf mit einer Antireflexschicht (AR) überzogen. Den Abschluss nach außen bildet in der Regel ein Schutzglas (G). AR SiO2 A G p S n K Abb. 13: Links: Schematische Darstellung einer Si-Fotodiode im Querschnitt. Die Antireflexschicht (AR) ist grün gezeichnet, die metallischen Anschlusskontakte schwarz. G ist ein Schutzglas. Mitte: Foto einer Fotodiode (SIEMENS BPW 34) mit nach außen gebogenen Lötkontakten. Auf der schwarzen lichtempfindlichen Fläche befindet sich unten rechts der Anschlusskontakt der Anode A, der mit dem rechten Lötkontakt verbunden ist. Die „Fahne“ am linken Lötkontakt markiert diesen als Anschlusskontakt der Kathode K. Rechts: Vergrößerter Ausschnitt der Frontseite der Fotodiode unter dem Mikroskop. Unten rechts auf der schwarzen lichtempfindlichen Fläche befindet sich der Anoden-Kontakt von ca. 0,25 × 0,25 mm2 Größe mit einem Gold-Anschlussdraht (Bond-Draht) von ca. 25 µm Durchmesser. Der Draht ist rechts mit dem nach außen geführten Anoden-Lötkontakt verbunden. Der äußere Rand und Teile des Golddrahtes erscheinen unscharf, da auf die Ebene des AnodenKontaktes scharf gestellt wurde. 105 100 4 80 103 Srel / % a / cm-1 10 102 101 100 0.4 60 40 20 0.5 0.6 0.7 0.8 λ / µm 0.9 1.0 1.1 0 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1.0 1.1 λ / µm Abb. 14: Links: Absorptionskoeffizient a von Silizium als Funktion der Wellenlänge λ (Datenquelle: A. M. GREEN, Solar Energy Materials & Solar Cells 92 (2008) 1305–1310). Rechts: Relative spektrale Empfindlichkeit Srel der Fotodiode SIEMENS BPW 34 als Funktion der Wellenlänge λ. (Datenquelle: SIEMENS-Datenblatt.) 123 Als spektrale Empfindlichkeit Sλ einer Fotodiode bei der Wellenlänge λ ist der Quotient aus Fotostrom I und eingestrahlter Lichtleistung PL definiert: Sλ (8) I = mit [ Sλ ] A/W PL Je größer die Wellenlänge λ des Lichtes ist, mit dem die Fotodiode beleuchtet wird, desto kleiner ist der Absorptionskoeffizient a (Abb. 14 links) und desto größer demnach die Eindringtiefe der Photonen. Kurzwelliges Licht wird zum großen Teil bereits im Schutzglas, der äußeren Antireflexschicht oder in der p-Schicht absorbiert, langwelliges zum großen Teil erst in der n-Schicht. Je weiter entfernt von der Sperrschicht die Photonenabsorption stattfindet, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ladungsträger in die Sperrschicht diffundieren können, bevor sie rekombinieren. Solche Photonen können deshalb nur zu einem geringeren Teil zum Fotostrom beitragen. Insgesamt ergibt sich damit eine von λ abhängige spektrale Empfindlichkeit der Fotodiode, die nach oben durch die Bandlücke des Halbleitermaterials begrenzt ist (ca. 1,1 µm für Si). Abb. 14 (rechts) zeigt als Beispiel die relative spektrale Empfindlichkeit Srel(λ) der im Praktikum eingesetzten Fotodiode. 3 Versuchsdurchführung Achtung: Beim Umgang mit Laserlicht muss darauf geachtet werden, dass weder der Laserstrahl direkt, noch reflektierte Strahlen in die Augen gelangen. Es besteht die Gefahr der Netzhautzerstörung durch lokal extrem hohe Intensitäten! Der Laserstrahl muss daher immer in einer Höhe unter ca. 1,2 m gehalten werden! Zubehör: Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, Digital-Multimeter (AGILENT U1251B und FLUKE 112), 3 Netzgeräte (PHYWE (0 - 15 / 0 - 30) V), Kraftsensor (U-OL) mit Messverstärker (U-OL), Gewichtssatz, Aluminium-Ring, Laborwaage, Drucksensor (SENSORTECHNICS HCLA12X5DB) auf Grundplatte mit Absperrhähnen an Stativ, ERLENMEYER-Kolben mit geschliffenem Stopfen auf Tisch, U-Rohr-Manometer (Wasserfüllung) mit Halterung und Ableseskala, Becherglas auf Scherentisch, Schlauchmaterial, Laserdistanzsensor (BAUMER OADM 12U6460/S35), Feder mit Stange und Kugel an Stativ, Becherglas mit Glycerin/Wasser-Gemisch (190 ml Wasser auf 1000 ml Glycerin), Grundplatte mit Winkelsensor (TWK-ELEKTRONIK PBA 12) und Handrad, Fotodiode SIEMENS BPW 34, Lochrasterplatine (8 × 5 cm2) zur Montage der Fotodiode mit Zubehör (50 Ω-Widerstand, Kabel, Isolierband, Lötzinn), Lötstation, Abisolierzange, Abgreifklemmen, Helium-Neon-Laser auf Dreieckschiene, Polarisationsfilter in THORLABS-Drehhalterung, UHalter für Fotodiode, Reiter. Hinweis: Ausgewählte Kenndaten der eingesetzten Sensoren finden sich in Tab. 1 im Anhang (Kap. 4). 3.1 Kalibrierung eines Kraftsensors Der an einem Stativ aufgehängte Kraftsensor soll mit Hilfe eines Gewichtssatzes kalibriert werden. Zunächst wird der Kraftsensor mit dem Messverstärker verbunden, mit dem die Brückenspannung U auf die Spannung UM verstärkt wird. Der Messverstärker wird über ein Netzgerät mit Betriebsspannung versorgt, die Dämpfung wird eingeschaltet. Für mindestens 5 Gewichte G im Bereich (0 - 100) mN wird die Ausgangsspannung UM des Messverstärkers mit einem Voltmeter gemessen. Zur Berechnung von G = mg aus den Massen m der Gewichte wird für die Erdbeschleunigung g der Wert für Oldenburg verwendet: g = 9,8133 m/s2, der ebenso wie m als fehlerfrei angenommen wird 14. Anschließend wird UM über G 14 Wert nach http://www.ptb.de/cartoweb3/SISproject.php; der Fehler von 2×10-5 m/s2 wird vernachlässigt. 124 aufgetragen und die Kalibrierkurve ermittelt. Da der Sensor linear arbeitet, ist die Kalibrierkurve eine Gerade, deren Parameter mit Hilfe der linearen Regression bestimmt werden. Schließlich wird ein Aluminiumring, der in einem späteren Versuch zur Messung der Oberflächenspannung eingesetzt wird, an den Kraftsensor gehängt und die zugehörige Ausgangsspannung UM des Messverstärkers gemessen. Mit Hilfe der Kalibrierkurve wird daraus die Gewichtskraft G und die Masse m des Rings bestimmt. Der Größtfehler von m ergibt sich aus dem Größtfehler von UM, die Fehler der Parameter der Ausgleichsgeraden können vernachlässigt werden. Die Masse m wird zusätzlich mit einer Laborwaage ermittelt (Fehler vernachlässigbar). Beide Messwerte werden miteinander verglichen. 3.2 Kalibrierung eines Drucksensors Der Drucksensor wird kalibriert, indem zwischen seinen beiden Schlauchanschlüssen definierte Druckdifferenzen ∆p eingestellt werden und jeweils die zugehörige Ausgangsspannung U gemessen wird. Der Schlauchanschluss mit der Kennzeichnung „-“ bleibt offen. Er steht dadurch in direktem Kontakt mit der Umgebungsluft. Der Anschluss mit der Kennzeichnung „+“ wird mit dem Gasvolumen verbunden, dessen Überdruck ∆p im Vergleich zum Umgebungsdruck gemessen werden soll. Für einen linearen Betrieb des Sensors muss bei dieser Betriebsart ∆p ≥ 0 sein, d.h. der Druck am „+“-Eingang muss immer größer sein als der Druck am „-“-Eingang. Die maximal zulässige Druckdifferenz beträgt ∆p = + 1,25 × 103 Pa, die bei einer Versorgungsspannung des Sensors von + 5 V (Netzgerät) in ein Spannungssignal von U = U0 + 2 V umgesetzt wird (U0 = 2,25 V) 15. Die Druckdifferenz ∆p = 0 Pa erzeugt eine Spannung von U = U0 + 0 V = U0. Für Druckdifferenzen zwischen 0 Pa und 1,25 × 103 Pa ergeben sich Ausgangspannungen im Bereich U0 ≤ U ≤ U0 + 2 V 16. Die für die Kalibrierung des Sensors benötigten Druckdifferenzen lassen sich mit einer Anordnung gem. Abb. 15 einstellen. Das Luftvolumen in einem luftdicht verschlossenen ERLENMEYER-Kolben E ist über ein Leitungs- und Schlauchsystem mit dem Drucksensor D und einem U-Rohr-Manometer M verbunden (Hahn H1 geöffnet, Hahn H2 geschlossen). Der Druck p in diesem Volumen kann durch Variation des Wasserstandes in E verändert werden. Diese Variation erfolgt durch Heben oder Senken eines mit Wasser gefüllten Vorratsgefäßes V mit Hilfe eines Scherentisches S. V und E sind über einen beidseitig in das Wasser eintauchenden Schlauch miteinander verbunden. Die Differenz zwischen dem Druck p in E und dem Umgebungsluftdruck pL, ∆p = p − pL (9) kann mit Hilfe des U-Rohr-Manometers gemessen werden. Sie ist bei einer Höhendifferenz hm im Manometer gegeben durch: (10) ∆p =ρ m hm g wobei ρm die Dichte der Flüssigkeit im Manometer (hier Wasser) und g die Erdbeschleunigung ist (g wie in Kap. 3.1). Für die Dichte ρm von Wasser im Temperaturbereich von (20 ± 2) °C kann ein als fehlerfrei angenommener Wert von 998 kg/m3 verwendet werden. Frage 1: Wie groß darf hm höchstens sein, damit die maximale Druckdifferenz des Sensors nicht überschritten wird? 15 16 Man könnte den Sensor auch so betreiben, dass der Anschluss „+“ in Kontakt mit der Umgebungsluft steht und am Anschluss „-“ ein Unterdruck herrscht. Die maximale Druckdifferenz wäre in diesem Fall ∆p = - 1,25 × 103 Pa, die in ein Spannungssignal von U = U0 - 2 V umgesetzt wird. U0 und U variieren mit der Betriebsspannung (nominell 5 V). Eine einmal eingestellte Spannung darf deshalb während der Messung nicht verändert werden. 125 Für mindestens 5 verschiedene Druckdifferenzen (zugehörige Höhen hm ausmessen) wird die Ausgangsspannung U des Drucksensors D mit einem Voltmeter gemessen. U wird über ∆p (Gl. (10)) aufgetragen. Für ∆p werden Fehlerbalken eingezeichnet, die sich aus dem Größtfehler der Höhen hm ergeben. Schließlich wird die Kalibrierkurve ermittelt und eingezeichnet. Da der Sensor linear arbeitet, ist die Kalibrierkurve eine Gerade, deren Parameter mit Hilfe der linearen Regression bestimmt werden. Hinweis zum Rauschen: Das elektronische Rauschen des Drucksensors (s. Tab. 1 im Anhang (Kap. 4)) führt zu Schwankungen der Ausgangsspannung U, die sich mit Hilfe der Kalibrierkurve in ein Rauschen des Drucksignals umrechnen lassen. Dieses Rauschen liegt unterhalb der Fluktuationen in den Druckwerten nach Gl.(10), die sich aus der beschränkten Ablesegenauigkeit der Höhendifferenz hm ergeben. Es kann deshalb bei den durchzuführenden Messungen vernachlässigt werden. M hm H1 Wasser pL H2 -+ D Luft, Druck p V E Wasser S Abb. 15: Anordnung zur Einstellung von Druckdifferenzen ∆p > 0 gegenüber dem Umgebungsluftdruck pL. Einzelheiten siehe Text. 3.3 Abstandsmessung mit einem Laser-Distanzsensor Mit einem Laser-Distanzsensor (Typ BAUMER OADM 12U6460/S35) soll das zeitliche Verhalten einer gedämpften harmonischen Schwingung untersucht werden. Gesucht sind die Kreisfrequenz ω der Schwingung und die Dämpfungskonstante a. Zur Messung beider Größen wird wie folgt vorgegangen. An einer Feder ist gem. Abb. 16 über eine Stange S eine Kugel K befestigt, die zur Dämpfung ihrer Bewegung in ein Becherglas B mit einem Glycerin-Wasser-Gemisch eintaucht. Die Stange S wird um einige Zentimeter nach unten ausgelenkt und dann losgelassen (Messbereich des Sensors beachten, s. Tab. 1 im Anhang (Kap. 4)). Kugel und Stange führen danach eine gedämpfte harmonische Oszillation aus. Die Auslenkung aus der Ruhelage, x, lässt sich als Funktion der Zeit t durch folgende Gleichung beschreiben: (11) x ( t ) = x0 e −α t cos (ω t ) Darin ist x0 die Anfangsamplitude (d.h. die anfängliche Auslenkung der Kugel), ω die Kreisfrequenz der Schwingung und a die Dämpfungskonstante. Zum Zeitpunkt des Loslassens der Stange sei t = 0. 126 LDS Feder s R S K B Abb. 16: Messung des Verlaufs einer gedämpften harmonischen Schwingung mit einem Laserdistanzsensor LDS. Die Auslenkung x(t) wird mit dem Laserdistanzsensor in ein Spannungssignal U(t) umgesetzt. Dazu ist an der Stange S eine Reflektorscheibe R angebracht, auf die der Laserstrahl des Sensors gerichtet wird. Die Ausgangsspannung des Sensors ist gegeben durch: = U ( t ) U 0 e −α t cos (ω t ) + U DC (12) Dabei ist UDC ein Gleichspannungsanteil, der vom Abstand zwischen dem Laserdistanzsensor LDS und der Reflektorscheibe R in der Ruhelage der Kugel abhängt (s. Abb. 17). 7.0 6.5 U1 6.0 U2 U/ V 5.5 5.0 4.5 4.0 3.5 3.0 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 t/s Abb. 17: Exemplarische Darstellung des Ausgangssignals des Laserdistanzsensors gem. Gl. (12). In diesem Beispiel ist U0 = 2 V und UDC = 5 V. Die Spannungen Ui werden zu den Zeitpunkten ti gemessen (hier t0 = 0 s, t1 = 0,2 s, t2 = 0,4 s,…). U(t) wird mit einem Digital-Oszilloskop im SINGLE-SEQ-Modus aufgezeichnet. Aus der aufgezeichneten Kurve wird mit Hilfe der Zeit-Cursor die Frequenz f der gedämpften Schwingung ermittelt und daraus ω berechnet. Zur Bestimmung der Dämpfungskonstante a werden die Amplituden Ui der Teilschwingungen zu den Zeiten ti (i = 0, 1, 2, …) mit Hilfe der Spannungs-Cursor gemessen (Abb. 17). Für Ui und ti müssen keine Fehler angegeben werden. Ui wird über ti in einem halblogarithmischen Diagramm dargestellt (Ui auf logarithmischer Achse). Wird für die Skalierung der Ordinate der natürliche Logarithmus verwendet, entspricht a der Steigung der Ausgleichsgeraden durch die Messwerte 17. 17 Hinweise zur linearen Regression in (halb)-logarithmischen Diagrammen im Kap. „Einsatz der Computer im Grundpraktikum Physik“ beachten („scheinbarer Fit“ bzw. „Apparent Fit“). 127 Durch Kalibrierung des Sensors ist es möglich, den Spannungsverlauf U(t) in die Größe x(t) umzurechnen. Frage 2: Wie müsste man vorgehen, um eine Kalibrierkurve zu erstellen? Wegen des linearen Zusammenhangs zwischen U(t) und x(t) ergäbe sich für x(t) ein zu U(t) analoger Funktionsverlauf. Deshalb soll hier auf die Kalibrierung und Umrechnung verzichtet werden. Frage 3: Wie ließe sich aus dem Verlauf von x(t) die Geschwindigkeit v(t) und die Beschleunigung a(t) gewinnen? 3.4 Messung eines Übersetzungsverhältnisses mit einem Winkelsensor Auf einer Grundplatte sind gem. Abb. 18 ein Handrad H und ein Winkelsensor W befestigt. Auf der Drehachse des Winkelsensors ist eine Scheibe mit einem O-Ring montiert, der gegen den Rand des Handrades drückt. Die Ausgangsspannung U des Winkelsensors ändert sich bei einer vollständigen Umdrehung der Achse des Winkelsensors linear zwischen Umin (ca. 0 V) und Umax (ca. 5 V). Das Handrad wird einmal von β = 0° auf β = 360° (also um 2π) gedreht. Dadurch dreht sich W um den Winkel a > 2π. Durch Messung von Umin, Umax, Uβ = 0°, Uβ = 360° mit einem Voltmeter sowie der Zahl n der während der Änderung von β stattfindenden Spannungssprünge von Umax nach Umin wird das Übersetzungsverhältnis V = a/2π zwischen der Drehung des Handrades und der Drehung von W bestimmt. Eine Fehlerangabe für V ist nicht nötig. a W H β O-Ring Abb. 18: Winkelsensor W mit O-Ring, der an den Rand eines Handrades H drückt. Bei Drehung des Handrades um den Winkel β dreht sich der O-Ring und damit die Achse von W um den Winkel a. U Umax Uβ = 360° Uβ = 0° Umin 0° 360° β Abb. 19: Ausgangsspannung U des Winkelsensors bei Drehung des Handrades aus Abb. 18 um β = 360° (exemplarisch!). In der Handrad-Stellung β = 0° steht die Achse des Winkelsensors an beliebiger Winkelposition, bei der der Winkelsensor die Spannung Uβ = 0° ausgibt. 128 3.5 Messungen mit einer Fotodiode 3.5.1 Linearität des Ausgangssignals einer Fotodiode Ziel der Messung ist die Überprüfung des linearen Zusammenhangs zwischen dem Fotostrom einer Fotodiode und der einfallenden Lichtintensität. Die Fotodiode vom Typ Siemens BPW 34 18 (Abb. 13) wird auf das obere Ende einer Lochrasterplatine gelötet. Für die Anode und die Kathode werden Anschlusskabel hergestellt, an den Enden verzinnt und angelötet. An den freien Kabelenden werden Abgreifklemmen angeschlossen, über die der Anschluss der Fotodiode an ein Amperemeter (AGILENT U1251B) mit Hilfe von Laborkabeln erfolgt. Das untere Ende der Platine wird mit Isolierband umwickelt und in einem U-Halter befestigt. Zur Überprüfung der Linearität der Fotodiode muss sie mit Licht unterschiedlicher Intensität IL beleuchtet werden. Unterschiedliche Lichtintensitäten sind mit einem Laser und einem idealen Polarisationsfilter (kurz: Polfilter) einfach herzustellen. Wir verwenden einen Helium-Neon-Laser (λ ≈ 633 nm), der linear polarisiertes Licht emittiert, d.h. das elektrische Feld E der Lichtwelle schwingt nur in einer Richtung. Dieses Licht wird durch einen drehbaren Polfilter geschickt, der die Eigenschaft hat, nur eine Richtung des E-Feldes einer Lichtwelle durchzulassen. Ist P die Durchlassrichtung des Polfilters, E die Richtung des elektrischen Feldes der auf den Filter einfallenden Lichtwelle und a der Winkel zwischen E und P, so wird nur die Komponenten Et von E durchgelassen, die parallel zu P liegt. Diese Komponente ist nach Abb. 20: (13) Et = E cos α Die Intensität einer Lichtwelle ist bis auf einen Proportionalitätsfaktor k durch das Quadrat ihrer Amplitude E = |E| gegeben. Ist IL die Intensität des Laserlichtes, so folgt demnach für die vom Polfilter durchgelassene Intensität IP gem. Gl. (13) das Gesetz von MALUS 19: (14) = I P k= Et2 k E 2 cos 2 = (αα ) I L cos 2 ( ) Durch Drehung des Polfilters um den Winkel a lassen sich demnach hinter dem Polfilter unterschiedliche Lichtintensitäten IP einstellen. P E a Et Abb. 20: Durchgang einer linear polarisierten Lichtwelle mit dem elektrischen Feldvektor E durch einen Polfilter mit der Durchlassrichtung P. 18 19 BPW 34 ist eine PIN-Fotodiode, die etwas anders aufgebaut ist als eine in dieser Anleitung beschriebene pnFotodiode. Auf die Einzelheiten des Unterschieds beider Typen soll hier nicht weiter eingegangen werden, da er für die hier durchzuführenden Versuche nicht relevant ist. ETIENNE LOUIS MALUS (1775–1812). Die Absorption des Polfilters, die für E || P gemessen werden kann, wird hier nicht berücksichtigt. 129 Hinter den auf einer Dreieckschiene stehenden Laser wird der Polfilter P und dahinter die Fotodiode FD montiert. Die Fotodiode wird so ausgerichtet, dass der Laserstrahl sie mittig trifft. Zunächst muss die Orientierung von E der vom Laser emittierten Lichtwelle gefunden werden. Dazu wird der Strom I der Fotodiode bei Änderung der Winkelstellung P des Polfilters gemessen. I ist minimal, wenn E und P orthogonal zueinander stehen. In dieser Stellung ist a = 90°. Auf der Winkelskala des Polfilters wird dann ein Wert β angezeigt. Da die Orientierung des Lasers in seiner Halterung beliebig sein kann, ist i. A. β ≠ a. Anschließend wird der Verschluss des Lasers geschlossen und der Dunkelstrom ID der Fotodiode gemessen. Danach wird der Verschluss wieder geöffnet und der Fotostrom I für verschiedene Winkel a gemessen (a = (0, 10, 20,…,90)°), die sich mit Hilfe der Winkelskala am Polfilter einstellen lassen. Die Stromdifferenz (15) Iα= I − I D ist proportional zur Lichtintensität IP. Ia wird über cos2(a) aufgetragen und mit Hilfe der linearen Regression eine Ausgleichsgerade eingezeichnet. Anhand der Verteilung der Messpunkte um die Ausgleichsgerade lässt sich die Linearität der Fotodiode beurteilen. Zufällige Streuungen der Messpunkte um die Ausgleichsgerade sind auf die realen Eigenschaften des Polfilters zurückzuführen, systematische Abweichungen würden auf ein nichtlineares Verhalten der Fotodiode hindeuten. 3.5.2 Messung der Leistung von Laserlicht Für die verwendete Fotodiode BPW 34 kann die spektrale Empfindlichkeit Sλ bei der Wellenlänge λ = 850 nm aus dem Datenblatt entnommen werden. Es ist S850 nm = 0,62 A/W (ohne Fehlerangabe). In Kenntnis der relativen spektralen Empfindlichkeit Srel für λ = 633 nm (Abb. 14 rechts) kann daraus die spektrale Empfindlichkeit Sλ für die Wellenlänge des Laserlichtes (λ ≈ 633 nm) bestimmt werden: (16) S633 nm = S850 nm S rel ( 633 nm ) 100 S rel in % Zur Messung der Leistung PL des Laserlichtes wird der Polfilter aus dem Versuchsaufbau entfernt, die Fotodiode direkt mit dem Licht des Lasers bestrahlt und der Fotostrom I633 nm gemessen. Anschließend wird der Verschluss des Lasers geschlossen und der Dunkelstrom ID gemessen. Die Differenz I = I633 nm - ID ist der Nettostrom, der für die Bestimmung von PL nach Gl. (8) benötigt wird. Für die Berechnung des Fehlers von PL ist nur der Ablesefehler für Srel zu berücksichtigen. Zusätzlich zum Messwert wird die Nummer des verwendeten Lasers angegeben. 3.5.3 Messung der Geschwindigkeit einer Fingerbewegung Im folgenden Experiment soll gemessen werden, wie schnell ein waagerecht ausgestreckter Finger um ca. (30 – 40)° nach unten bewegt werden kann – einem Klaviervirtuosen gelingt das sicher deutlich schneller als anderen Menschen. Dazu wird die Fingerspitze über den Laserstrahl gehalten und der Finger (nicht die Hand) dann schnellstmöglich nach unten bewegt. Dabei unterbricht die Fingerspitze den Laserstrahl. Die Zeitdauer der Unterbrechung wird mit der Fotodiode gemessen und soll als Maß für die Schnelligkeit dienen. Der Einfluss der Fingerdicke bleibt unberücksichtigt. Die Messung soll mit einem Digitaloszilloskop im SINGLE-SEQ-Modus erfolgen. Dazu muss zum einen der Fotostrom I in eine Spannung U umgeformt werden. Dies lässt sich im einfachsten Fall dadurch realisieren, dass I durch einen Widerstand R fließt, über dem die Spannung U = RI abgegriffen werden 130 kann 20. Zum anderen muss die Fotodiode mit einer Sperrspannung US betrieben werden, damit die Zeitkonstante reduziert wird (vgl. Kap. 2.5.2). Dies ist Voraussetzung für die Messung schneller Änderungen der Lichtintensität. Abb. 21 zeigt das zugehörige Schaltbild. Zum Aufbau der Schaltung nach Abb. 21 wird der Widerstand R ≈ 50 Ω mit auf die Lochrasterplatine gelötet und mit einem Anschlusskabel versehen. Die Sperrspannung soll Us = 10 V betragen. Anschließend erfolgt die beschriebene Messung für den Zeigefinger und den Ringfinger der rechten und linken Hand. Frage 4: Ergeben sich signifikante Unterschiede? R - + Us U Abb. 21: Beschaltung einer Fotodiode zur Messung schneller Änderungen der Lichtintensität IL als Funktion der Zeit t. Der zeitliche Verlauf der Spannung, U(t) ~ IL(t), kann mit einem Digital-Oszilloskop aufgezeichnet werden. 4 Anhang Größe Typ Messbereich Kraft U-OL 227/10 Auflösung Ansprechzeit Rauschen (0 – 100) mN < 0,5 ms ± 0,7 mV (0 – 1250) Pa 0,5 ms ± 4 mV SENSORTECHNICS Druck HCLA 12X5DB BAUMER Abstand OADM 12U6460/S35 TWKELEKTRONIK PBA 12 Winkel Lichtleistung Tab. 1: 20 21 22 23 SIEMENS BPW 34 (16 – 120) mm (0,002 – 0,12) mm 21 < 0,9 ms < ± 5 mV (0 – 360)° 0,35° < 0,4 ms < 0,5° 20 ns 22 NEP 23 4,1 × 10-14 W/Hz-1/2 Ausgewählte Kenndaten der eingesetzten Sensoren soweit verfügbar bzw. angebbar. In der fortgeschrittenen Messtechnik wird für die Strom/Spannungswandlung üblicherweise ein sogenannter Transimpedanzverstärker auf Basis eines Operationsverstärkers eingesetzt. Entsprechende Komponenten werden in Teil II des Grundpraktikums behandelt. Je kleiner der Abstand zwischen LDS und Messobjekt, desto besser die Auflösung. Abhängig von der Beschaltung. NEP: noise equivalent power = rauschäquivalente Strahlungsleistung. 131 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Kraft, Impuls und Kraftstoß Stichworte: Kraft, Federkraft, HOOKEsches Gesetz, NEWTONsche Axiome, Impuls, Kraftstoß, harmonische Schwingung, Abstandsgesetz für Kräfte Messprogramm: Kalibrierung eines Kraftsensors, Kraft und Auslenkung bei einer harmonischen Schwingung, Anziehungskraft zwischen zwei Magneten, Kraftstoß und Impulsänderung bei einem elastischen Stoß auf einer Luftkissenbahn. Literatur: /1/ DEMTRÖDER, W.: „Experimentalphysik 1 – Mechanik“, Springer-Verlag, Berlin u.a. /2/ MESCHEDE, D. [Hrsg.]: "Gerthsen Physik", Springer, Berlin 1 Einleitung Dieser Versuch ist vor allem der quantitativen Messung von Kräften gewidmet. Im ersten Teil wird der Zusammenhang zwischen Kraft und Auslenkung bei einer mechanischen, harmonischen Schwingung untersucht. Der zweite Teil widmet sich dem Abstandsgesetz bei der Kraftwirkung zwischen zwei Magneten. Im dritten und letzten Teil geht es um den Zusammenhang zwischen Kraft und Impuls bzw. Kraftstoß. 2 Theorie 2.1 Harmonische Schwingung: Kraft und Auslenkung Wir betrachten eine Anordnung gem. Abb. 1, wie wir sie in ähnlicher Form bereits im Versuch „Sensoren für Kraft…“ kennen gelernt haben. An einem Kraftsensor S hängt eine Feder FE. Am unteren Ende der Feder ist über eine Stange ST eine Kugel K befestigt. Zusätzlich ist an der Stange eine Reflektorscheibe R montiert. LDS S FE R ST K F0 0 x0 x Abb. 1: Anordnung zur Messung der Kraft und der Auslenkung bei einer harmonischen Schwingung. Bezeichnungen siehe Text. 132 In der Ruhelage der Kugel sind die nach unten gerichtete Gewichtskraft von ST, K und R und die nach oben gerichtete Federkraft im Gleichgewicht. Der Mittelpunkt der Kugel befindet sich dann in der Ruhelage bei x = 0. Durch eine zusätzliche senkrecht nach unten gerichtete Kraft F0 wird die Kugel um die Strecke x0 nach unten ausgelenkt 1. Zur Zeit t = 0 wird die Kugel losgelassen und durch die Zugkraft F der Feder nach oben beschleunigt. Für F gilt nach dem HOOKEschen Gesetz mit der Federkonstanten D: F = − D x0 (1) Anschließend führt die Kugel eine harmonische Schwingung in x-Richtung aus. Die Auslenkung aus der Ruhelage, x(t), die mit einem Laser-Distanzsensor LDS gemessen werden kann, wird unter Vernachlässigung von Reibungseffekten durch folgende Gleichung beschrieben 2: x ( t ) = x0 cos (ω t ) (2) Darin ist ω die Kreisfrequenz der Schwingung, die gegeben ist durch: ω= (3) D m m ist die für die Schwingung maßgebliche Masse, für die gilt: m = mK + mST + mR + (4) 1 mFE 3 mK, mST, mR und mFE sind die Massen der Kugel, der Stange, der Reflektorscheibe und der Feder 3. Die Geschwindigkeit v(t) der Kugel erhält man durch Differentiation von x(t) nach der Zeit: v ( t ) = − x0 ω sin (ω t ) (5) Die Beschleunigung a(t) erhält man durch Differentiation der Geschwindigkeit nach der Zeit: a ( t ) = − x0 ω 2 cos (ω t ) (6) Damit folgt für die Kraft F(t), die die Feder auf m ausübt: F (t ) = m a (t ) = − m x0 ω 2 cos (ω t ) = − F0 cos (ω t ) (7) mit (8) F0 = m x0 ω 2 Frage 1: - Die Kraft F(t) hat je nach Lage x(t) der Kugel ein positives oder negatives Vorzeichen. In welchem Bereich wirkt die Feder als Zugfeder bzw. als Druckfeder? 1 2 3 Da F0 und alle weiteren betrachteten Kräfte nur in x-Richtung wirken, reicht eine Beschreibung mit skalaren Größen. Eine detaillierte mathematische Beschreibung der Schwingung erfolgt im späteren Versuch „Erzwungene mechanische Schwingungen“. Der Zusammenhang nach Gl. (4) wird im späteren Versuch „Erzwungene mechanische Schwingungen“ erläutert. 133 In der Ruhelage der Kugel misst der Kraftsensor S die Gewichtskraft G von FE, ST, R und K. Wird die Kugel aus der Ruhelage mit der Kraft F0 nach unten gezogen, misst S nach dem 3. NEWTONschen Axiom 4 actio = reactio die Kraft FS =G + F0 =G − F ( t =0 ) (9) mit F(t) nach Gl. (7). Nach dem Loslassen der Kugel misst S die Kraft (10) FS ( t = ) G − F (t ) Nach Abzug von G liefert S also F(t) nach Gl. (7) mit umgekehrtem Vorzeichen. 2.2 Abstandsgesetz für magnetische Kraft Die Gravitationskraft FG zwischen zwei Massen m1 und m2 im Abstand r ist bekanntlich durch das NEWTONsche Gravitationsgesetz gegeben: (11) FG = G m1 m2 rˆ r2 Dabei ist G die Gravitationskonstante und r̂ der Einheitsvektor in Richtung der Verbindungslinie der Mittelpunkte beider Massen 5. Da die Kraft mit dem Quadrat des Abstandes r abnimmt, spricht man von einem 1/r2-Gesetz. Auch das COULOMB-Gesetz, das die Kraft FE zwischen zwei elektrischen Ladungen q1 und q2 im Vakuum beschreibt, ist ein 1/r2-Gesetz. Es lautet: (12) FE = 1 q1 q2 rˆ 4πε 0 r 2 wobei ε0 die elektrische Feldkonstante ist und r und r̂ analog zum Gravitationsgesetz definiert sind. Für Ladungen mit ungleichen Vorzeichen ergibt sich eine anziehende Kraft, für Ladungen mit gleichen Vorzeichen eine abstoßende Kraft. Auch für die Kraft zwischen zwei Magneten gilt unter bestimmten Bedingungen ein 1/r2 Gesetz. Wir betrachten dazu gem. Abb. 2 zwei Stabmagneten, deren Längen groß gegenüber ihren Durchmessern sind. Die „Stärke“ solcher Magnete kann man unter dieser Voraussetzung durch Polstärken P beschreiben, die mit unterschiedlichen Vorzeichen am Nord- und Südpol des jeweiligen Magneten herrschen und als punktförmig angenommen werden können 6. Die Kraft zwischen zwei Magneten wird dann durch folgendes Gesetz beschrieben, das auch als COULOMBgesetz für Magnete bezeichnet wird: (13) FM = µ0 P1 P2 rˆ 4π r 2 4 ISAAC NEWTON (1643 – 1727) 5 Streng genommen gilt Gl. (11) nur für punktförmige Massen im Abstand r. Bei annähernd kugelförmigen Massen mit symmetrischer Massenverteilung um den Mittelpunkt (z.B. beim System Erde und Mond) ergibt sich jedoch der gleiche Zusammenhang. r beschreibt dann den Abstand beider Mittelpunkte. Die magnetische Polstärke P wird in der Literatur unterschiedlich definiert. Hier ist die Größe mit der Einheit [P] = A m gemeint. 6 134 µ0 ist die magnetische Feldkonstante und r und r̂ sind wiederum analog zum Gravitationsgesetz definiert. Bei ungleichnamigen Polen ist die Kraft anziehend, bei gleichnamigen abstoßend. P2 P1 r Abb. 2: Zum Abstandsgesetz für magnetische Kräfte. P1 und P2 sind die Polstärken der Magnete, deren Längen groß gegenüber ihren Durchmessern sind. r ist der Abstand beider Magnete, der zwischen den Polen gemessen wird. 2.3 Impuls und Kraftstoß Der Bewegungszustand eines Körpers der Masse m, der sich geradlinig mit gleichförmiger Geschwindigkeit v bewegt, wird mit dem Impuls (14) p = mv beschrieben. Nach dem 1. NEWTONschen Axiom ist eine Änderung des Impulses nur möglich, wenn eine Kraft F auf den Körper einwirkt. Die durch F bewirkte zeitliche Änderung des Impulses ist nach dem 2. NEWTONschen Axiom gegeben durch (15) F= dp dt Gl. (15) kann man auch in der Form (16) dp = F dt schreiben. Sie besagt, dass eine Kraft F, die während der Zeit dt auf einen Körper einwirkt, eine Impulsänderung dp verursacht. Das Produkt F dt wird auch als Kraftstoß bezeichnet. E gilt also: Kraftstoß = Impulsänderung K2 v1' α K1 v1 Abb. 3: Zum elastischen Stoß zweier Körper K1 und K2. Wir betrachten nun gem. Abb. 3 den elastischen Stoß eines Körpers K1 der Masse m1 mit einem ruhenden Körper K2, dessen Masse m2 sehr viel größer als m1 ist. K1 möge sich anfänglich geradlinig mit der Geschwindigkeit v1 auf K2 zu bewegen (v2 = 0) und unter dem Winkel α auf K2 auftreffen. Nach dem ' Stoß bewegt sich K1 mit der Geschwindigkeit v1 von K2 fort, wobei der Strich (‘) hier und i. F. Größen 135 nach dem Stoß kennzeichnet. Im Fall m2 → ∞, der hier betrachtet werden soll, gilt v 2 → 0 . Der Impuls von K1 vor und nach dem Stoß ist demnach: ' (17) p1 = m1 v1 p1' = m1 v1' mit v1 ≈ v1' . Die kinetische Energie von K1 ist also vor und nach dem Stoß nahezu gleich: (18) 2 1 1 2 m1 v1 ≈ m1 v1' 2 2 Auf K2 wird unter den genannten Voraussetzungen praktisch keine kinetische Energie übertragen. Die Impulsänderung, die K1 durch den Stoß erfährt, ist (19) ∆p = p1' − p1 = m1 ( v1' − v1 ) Sie muss gleich dem Impuls sein, den K2 aufnimmt: (20) ∆p = p '2 = m2 v '2 Gl. (20) ist nicht im Widerspruch zur Tatsache, dass K2 bei dem Stoß wegen v2' → 0 praktisch keine kinetische Energie aufnimmt. Dies erkennt man gut aus dem Zusammenhang zwischen kinetischer Energie und Impuls: p '2 2 1 = m2 v '2 2 2 2 m2 Ekin,2 (21) = Für m2 → ∞ geht die kinetische Energie demnach auch bei endlichem Impuls p '2 gegen Null. Die Impulsänderung ∆p von K1 muss dem gesamten (integralen) Kraftstoß entsprechen, den K2 beim Stoßprozess auf K1 ausübt. Dieser Kraftstoß ist nach Gl. (16) gegeben durch: t (22) ∆p = ∫ F ( t ) dt 0 Hierbei ist F(t) die während der Dauer t des Stoßes wirkende Kraft. Sie sorgt zunächst für die Abbremsung von K1 von der Geschwindigkeit v1 auf die Geschwindigkeit 0 und anschließend zu seiner Beschleu' nigung auf die Geschwindigkeit v1 . Zum anschaulichen Verständnis des Stoßvorgangs kann man sich K2 als Feder vorstellen, die zunächst von K1 zusammengedrückt wird, bis seine Geschwindigkeit 0 ist, und ' die sich anschließend wieder entspannt und dabei K1 auf die Geschwindigkeit v1 beschleunigt. 136 3 Versuchsdurchführung Zubehör: Kraftsensor auf DMS-Prinzip (Messbereich (0 – 5) N), Messverstärker für Kraftsensor, Gewichtssatz zur Kalibrierung des Kraftsensors, 2 Netzgeräte (PHYWE (0 - 15 / 0 - 30) V), Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, Feder mit Kugel, Stange und Reflektorscheibe, Laserdistanzsensor (BAUMER OADM 12U6460/S35), Stabmagnete in Al-Halterungen mit Haltestangen, PVC-Abstandsstück, Führung für Stabmagnet, Verschiebetisch, Luftkissenbahn, Schlitten für Luftkissenbahn mit Blende und Al-Würfeln, Gabellichtschranke (BETA-SENSORIK GLS-30BP/R), Haken für Kraftsensor, Stativ auf Grundplatte, Stativstangen, Stativsäule, Kreuzverbinder, Messschieber. 3.1 Kalibrierung des Kraftsensors Der in den folgenden Versuchen eingesetzte Kraftsensor arbeitet nach dem gleichen Prinzip wie der Sensor, der im Versuch „Sensoren für Kraft…“ eingesetzt wurde. Beide Sensoren unterscheiden sich lediglich in ihrem Messbereich (hier: 5 N, vormals 100 mN). Die Kalibrierung des Sensors erfolgt mit mindestens fünf Massestücken im Bereich m ≈ (50 – 500) g. Die Ausgangsspannung U des Kraftsensors 7 wird mit dem Oszilloskop 8 gemessen. U wird über G = mg aufgetragen, wobei für die Erdbeschleunigung g der Wert von g = 9,8133 m/s2 verwendet wird, der als fehlerfrei angenommen werden kann. Durch die Daten wird eine Ausgleichsgerade gelegt, deren Parameter für die spätere Umrechnung von Spannung in Kraft verwendet werden. 3.2 Kraft und Auslenkung bei einer harmonischen Schwingung Mit einer Anordnung gem. Abb. 1 sollen die Kraft F(t) und die Auslenkung x(t) bei einer harmonischen Schwingung gemessen werden. Zunächst werden die Massen der Feder und des Systems Stange/Reflektorscheibe/Kugel durch Wiegen bestimmt. Anschließend werden alle Komponenten wie in Abb. 1 an den Kraftsensor S gehängt, der an ein Stativ montiert wird. Am selben Stativ ist auch der Laser-Distanzsensor LDS befestigt. Seine Höhe wird so justiert, dass die Reflektorscheibe bei der zu messenden Schwingung innerhalb seines Messbereiches bleibt. Anschließend wird die Kugel mit der Hand etwa 20 mm möglichst senkrecht nach unten ausgelenkt und losgelassen. Die Ausgangsspannung des LDS, ULDS(t), und die Ausgangsspannung des Kraftsensors, US(t), werden mit einem Speicheroszilloskop aufgezeichnet, das auf ULDS getriggert wird. Die Zeitablenkung des Oszilloskops wird so eingestellt, dass 5 – 10 Perioden der Schwingung auf dem Bildschirm sichtbar sind. Nach dem Einschwingen wird im single-sequence-Modus ein typischer Schwingungsvorgang gespeichert und als Bildschirmfoto dem Protokoll beigefügt. Mit Hilfe der Zeitcursor wird die Periodendauer der Schwingung bestimmt und daraus die Kreisfrequenz ω berechnet. Die Amplituden (Index 0) von ULDS(t) und US(t) einer ausgewählten Teilschwingung werden mit Hilfe der Spannungscursor gemessen: (23) U LDS,0 = (U LDSmax − U LDS,min ) / 2 U S ,0 = (U S,max − U S,min ) / 2 Mit dem als fehlerfrei angenommenen Kalibrierfaktor k des LDS für Spannungsdifferenzen, k = 0, 0962 V/mm 7 8 Der Einfachheit halber wird hier und i. F. der Begriff „Ausgangsspannung des Kraftsensors“ verwendet, wenn die Ausgangsspannung des mit dem eigentlichen Kraftsensor verbundenen Messverstärkers gemeint ist. Da bei den folgenden Messungen die Spannung U jeweils mit dem Oszilloskop gemessen wird, erfolgt auch hier die Messung von U mit dem Oszilloskop statt mit einem Multimeter, um Differenzen in den Messwerten durch unterschiedliche Kalibrierungen von Oszilloskop und Multimeter zu vermeiden. 137 und den Daten aus der Kalibrierfunktion des Kraftsensors können aus beiden Größen aus Gl. (23) die Schwingungsamplitude x0 und die Kraft F0 berechnet werden. Anschließend wird überprüft, ob der so gewonnene Messwert für F0 mit dem Wert übereinstimmt, der sich aus den Messwerten für m, x0 und ω nach Gl. (8) ergibt. 3.3 Anziehungskraft zwischen zwei Magneten Mit einer Anordnung gem. Abb. 4 soll die Gültigkeit des Abstandsgesetzes für die Anziehungskraft zwischen zwei Magneten nach Gl. (13) überprüft werden. Beide Magnete sind in Al-Hülsen gefasst, die auf Stangen geschraubt werden. Zunächst wird nur der obere Magnet mit der Polstärke P1 zusammen mit der Stange an einen Kraftsensor S gehängt. Eine reibungsarme Führung A beschränkt seine Bewegung auf die senkrechte Richtung. Die Ausgangsspannung US,0 des Kraftsensors wird gemessen. Sie entspricht der Spannung für den Fall r → ∞, wird also ausschließlich durch die Gewichtskraft G von Stange und Magnet verursacht. Aus US,0 wird mit den Daten der Kalibrierfunktion G berechnet und später von allen anderen gemessenen Kräften subtrahiert. ST S A V P1 P2 r Abb. 4: Anordnung zur Messung der Anziehungskraft zwischen zwei Magneten mit den Polstärken P1 und P2. Alle Komponenten sind an einem gemeinsamen Stativ ST befestigt, das eine exakt senkrechte Montage erlaubt. Übrige Bezeichnungen siehe Text. Anschließend wird der untere Magnet mit der Polstärke P2 mit einer Stange auf einem Verschiebetisch V montiert, mit dem er in senkrechter Richtung bewegt werden kann. Zunächst wird er so justiert, dass die Längsachsen beider Magnete exakt übereinander liegen. Danach wird mit einem PVC-Abstandsstück (Länge l ≈ 20 mm, messen) ein definierter Abstand l zwischen beiden Magneten eingestellt. Die zugehörige Skalenposition des Verschiebetisches wird notiert und als s = l definiert. Anschließend wird der Verschiebetisch in die Skalenposition s = 10 mm gebracht und US(s) bestimmt 9. Danach wird s in Schritten von ca. 0,5 mm Länge bis auf etwa s = 2 mm verringert und dabei jeweils wieder US(s) gemessen. Die Werte von US(s) werden mit den Daten der Kalibrierfunktion in Kräfte F(s) umgerechnet. Nach Subtraktion von G erhält man daraus die Kräfte FM(s), die durch die magnetische Anziehung verursacht werden: (24) 9 FM= (s) F (s) − G Beispiel: Es sei l = 20,1 mm. Bei diesem Abstand zwischen P1 und P2 werde am Verschiebetisch V die Skalenposition 74,5 mm abgelesen. Dieser Wert wird als s = l = 20,1 mm definiert. Anschließend soll V in die Position s = 10 mm gebracht werden. An seiner Skala muss demnach ein Wert von (74,5 – 10,1) mm = 64,4 mm eingestellt werden. 138 Jede Kraft F, die auf den Biegebalken im Kraftsensor wirkt, führt gem. Abb. 5 am Angriffspunkt Q von F zu einer kleinen Auslenkung d des Balkens in Richtung von F. d(F) lässt sich in guter Näherung durch ein Polynom 2. Ordnung beschreiben: (25) d (= F ) a1 F + a2 F 2 Die Parameter a1 und a2 sind den Unterlagen am Arbeitsplatz zu entnehmen. Unter Berücksichtigung der Auslenkung d gilt für den tatsächlichen Abstand r zwischen den beiden Magneten bei einer Position s am Verschiebetisch: (26) r= s − d FM wird doppelt-logarithmisch über r aufgetragen (Origin). In das Diagramm wird eine Ausgleichsgerade durch die Messdaten für r > 5 mm mit der festen Steigung -2 eingezeichnet (Daten für r < 5 mm maskieren). Bei Gültigkeit des nach Gl. (13) erwarteten 1/r2-Gesetzes müssten alle Messwerte auf dieser Geraden liegen. Für kleine Abstände r wird sich jedoch eine deutliche Abweichung der Messwerte von der Ausgleichsgeraden ergeben. Der Grund dafür ist, dass bei kleinen r die Annahme punktförmiger Polstärken P nicht mehr gerechtfertigt ist. Frage 2: - Ab welchem Abstand r ist in guter Näherung eine 1/r2-Abhängigkeit gegeben? Q d F Abb. 5: Verformung des Biegebalkens im Kraftsensor bei Einwirkung einer Kraft F, die am Punkt Q angreift. Q wird durch F um die Strecke d ausgelenkt. 3.4 Elastischer Stoß auf einer Luftkissenbahn Auf einer Luftkissenbahn LK (Abb. 6), auf der sich ein aufgesetzter Schlitten nahezu reibungsfrei bewegen kann, soll der Zusammenhang Kraftstoß = Impulsänderung bei einem elastischen Stoß quantitativ untersucht werden. Da alle Bewegungen längs der Achse der Luftkissenbahn ablaufen, ist gem. Abb. 3 α = 0° und es reicht eine Betrachtung der skalaren Größen Geschwindigkeit (v) und Impuls (p). LS B T K2 AW K1 LK S P H L A Abb. 6: Anordnung zur Messung von Impuls und Kraftstoß beim elastischen Stoß auf einer Luftkissenbahn LK. K1: Schlitten mit Blende B und zwei Al-Würfeln AW. S: Kraftsensor mit Spitze P an Halterung H. T: Stahlträger-Unterbau für LK mit Stellfuß A. L: Länge des Messbereiches. LS: Gabellichtschranke. 139 Der Schlitten K1 mit der Masse m1 wird mit der Hand auf die Geschwindigkeit v1 beschleunigt. Er bewegt sich anschließend auf den Kraftsensor S zu, der über eine starre Halterung H mit dem massiven Stahlträger-Unterbau T von LK verbunden ist. Durch diesen Aufbau sind die in Kap. 2.3 definierten Bedingungen ' für den Stoßpartner K2 (bestehend aus S, H und T), nämlich m2 ∞ und damit v2 0, gewährleistet. Die während des Stoßes zwischen K1 und K2 wirkende Kraft F(t) wird mit dem Kraftsensor S gemessen und mit Hilfe eines Speicheroszilloskops aufgezeichnet. Auf dem Schlitten ist mittig eine Blende B der Breite d angebracht, die beim Durchlaufen einer Gabellichtschranke LS diese für die Dauer tLS unterbricht. Durch Messung von d (Messschieber), tLS (Speicheroszilloskop) und m1 (Laborwaage) lassen sich somit die Geschwindigkeiten und Impulse von K1 vor und nach dem Stoß bestimmen. Hinweise zur Durchführung: - Um eine präzise Messung von F(t) zu ermöglichen, ist der Kraftsensor mit einer Spitze P versehen, die einen annähernd punktförmigen Kontakt mit einem am Schlitten montierten Aluminiumwürfel AW ermöglicht10. Vor Beginn der Messung muss der Sensor so ausgerichtet werden, dass der Würfel von der Spitze mittig getroffen wird. - Um zu verhindern, dass der Schlitten nach dem Anstoßen auf der Bahn weiter beschleunigt oder gebremst wird, ist eine exakt waagerechte Ausrichtung der Bahn erforderlich. Diese lässt sich nicht über ihre gesamte Länge erreichen, wohl aber über eine Strecke von L (10 – 15) cm Länge zwischen LS und S, die für die Durchführung der Messung ausreichend ist. Die Ausrichtung der Bahn erfolgt ausschließlich über das Verstellen des drehbaren Fußes A am Stahlträger. Bei eingeschalteter Luftzufuhr muss A so justiert werden, dass der aufgesetzte Schlitten im Bereich L nicht beschleunigt wird. - Der Schlitten K1 darf nur so stark beschleunigt werden, dass F(t) immer kleiner als 5 N bleibt, da andernfalls der Messbereich des Kraftsensors verlassen wird. Die Geschwindigkeit v1 des Schlittens darf also nicht zu groß und damit tLS nicht zu klein werden. tLS > 120 ms ist ein guter Orientierungswert. Abb. 7: Oszilloskopbild der Signale der Gabellichtschranke LS (CH1, oben) und des Kraftsensors S (CH2, unten). Abb. 7 zeigt ein typisches Oszilloskopbild nach einem Stoßvorgang. An CH1, auf den getriggert wird, wurden die Signale ULS der Gabellichtschranke beim Hin- und Rücklauf des Schlittens erfasst, an CH2 das Signal US des Kraftsensors. Ein Bildschirmfoto des Oszilloskopbildes wird dem Protokoll beigefügt. 10 Der Schlitten muss beidseitig mit gleichen Al-Würfeln versehen werden, um eine symmetrische Massenverteilung zu gewährleisten. 140 Zur Auswertung der Signale werden sie zunächst auf einer Compact-Flash-Karte oder einem USB-Stick (je nach Gerätetyp) gespeichert und anschließend in das ASCII-Format konvertiert. Einzelheiten dazu siehe Anhang (Kap. 0). Anschließend können diese Dateien in Origin importiert und dort weiter ausgewertet werden. Die Impulsbreiten tLS der Signale der Gabellichtschranke für den hin- und rücklaufenden Schlitten werden entweder mit Hilfe der Zeitcursor am Oszilloskops bestimmt oder in Origin mit Hilfe des Tools Datenkoordinaten (Data Reader) ermittelt. Die gesamte Impulsänderung des Schlittens gem. Gl. (19) kann dann wie folgt berechnet werden: (27) ∆ p= 1 1 p1 + p1' = m1 d + ' tLS tLS Für die Berechnung des Größtfehlers der Impulsänderung können m1 und d als fehlerfrei angenommen werden. Zur Messung des Kraftstoßes wird das Integral in Gl. (22) durch eine Summe ersetzt: (28) = ∆p ∑ F ( t ) ∆t i i Dabei sind F(ti) die diskreten Messwerte des Kraftsensors zu den Zeitpunkten ti (Abtastpunkte des Oszilloskops), die sich mit Hilfe der Kalibrierfunktion aus den aufgezeichneten Spannungswerten US(ti) berechnen lassen. Die Summe über die F(ti) lässt sich mit dem Origin-Tool Spaltenstatistik einfach ermitteln 11. ∆t ist der konstante Zeitabstand zwischen zwei aufeinander folgenden Messwerten zu den Zeiten ti und ti+1, der sich aus der eingestellten Zeitablenkung am Oszilloskop (x SEC/DIV) und der Zahl der aufgezeichneten Messwerte (2.500) ergibt: (29) = Dt 10 DIV × ( x SEC/DIV ) / 2500 Es ist schwierig, Beginn und Ende des Kraftstoßes und damit seine Dauer t exakt zu bestimmen. Deshalb wird die Summe nach Gl. (28) nicht über t, sondern über das gesamte aufgezeichnete Zeitintervall gebildet, d. h. über alle mit dem Oszilloskop aufgezeichneten 2.500 Messwerte. Dabei ist folgendes beachten: Außerhalb des Zeitintervalls t sollte F(ti) = 0 sein. Tatsächlich kann dort jedoch durch einen kleinen Offset im Kraftsignal und durch elektronisches Rauschen F(ti) ≠ 0 sein und somit bei Summation über viele ti einen erheblichen Fehler verursachen. Deshalb wird zunächst der Mittelwert F0 des Kraftsignals über das Zeitintervall gebildet werden, das sicher vor Beginn des Stoßes liegt 12. Anschließend wird dieser Wert F0 von allen Messwerten F(ti) subtrahiert und erst danach die Summe nach Gl. (28) gebildet. Um die Berechnung des Größtfehlers des Kraftstoßes nicht zu aufwändig zu machen, kann für jeden einzelnen Kraftwert F(ti) ein Größtfehler von 5 mN angenommen und der Größtfehler von ∆t vernachlässigt werden. Abschließend wird überprüft, ob die Impulsänderung nach Gl. (27) dem Kraftstoß nach Gl. (28) entspricht. Die Ursachen möglicher Abweichungen beider Größen werden diskutiert. 11 12 Im Menü Spaltenstatistik Haken bei Summe setzen. Zellen in der Spalte mit den Werten für F(ti) markieren, für die ti vor dem Beginn des Stoßes liegt. Dann → Spaltenstatistik, dort Haken bei Mittelwert setzen. 141 4 Anhang Zur Speicherung von Daten des Oszilloskops auf USB-Stick oder Compact-Flash-Karte und anschließende Konvertierung in ASCII-Daten sind folgende Schritte erforderlich: Am Oszilloskop werden zu Beginn einmalig folgende Tasten gedrückt: Grundeinstellungen: SAVE/RECALL Taste DRUCKEN Verzeichnis wählen → Aktion → Alle speichern → Speichert alles → GPRnn auswählen → Verzeichnis wechseln → Zurück Speichern: SAVE / PRINT Nach Betätigung der SAVE / PRINT–Taste werden vier Dateien im Unterverzeichnis ALLnnnn gespeichert, wobei nnnn eine fortlaufende Nummer ist (beginnend bei 0000), die bei jeder Betätigung der Taste SAVE / PRINT um 1 erhöht wird. Die vier Dateien sind: FnnnnTEK.SET FnnnnTEK.TIF FnnnnCH1.CSV FnnnnCH2.CSV ASCII-Datei mit Betriebsparametern des Oszilloskops Bilddatei mit Bildschirmfoto Daten von CH1 (u.a. Spannung U1 als Funktion der Zeit t) Daten von CH2 (u.a. Spannung U2 als Funktion der Zeit t) Für die quantitative Auswertung sind nur die beiden letzten Dateien von Bedeutung, die im CSV-Format vorliegen. 13 Mithilfe des zur Verfügung gestellten Matlab-Skriptes GPRTools.m, dort Option Tektronix CSV to ASCII, werden aus diesen Dateien die Signalverläufe U1(t) für CH1 und U2(t) für CH2 extrahiert, in das ASCII-Format umgewandelt und anschließend im Verzeichnis ALLnnnn unter folgenden Namen gespeichert: FnnnnCH1_all.txt FnnnnCH2_all.txt Spalte 1: t, Spalte 2: U1(t) für CH1 Spalte 1: t, Spalte 2: U2(t) für CH2 Diese Daten können über Datei → Import → … in Origin importiert werden. 13 CSV ist die Abkürzung für character separated values. Dies bedeutet, dass einzelne Einträge in der Datei (Zahlenwerte, Zeichenketten,…) durch ein definiertes Zeichen (englisch: character) voneinander getrennt sind. Hier ist das Komma das Trennzeichen. 142 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Datenerfassung und -verarbeitung mit dem PC Stichworte: Kontinuierliche und diskrete Signale, Abtastung, Abtastrate, Abtastfrequenz, Auflösung, Analog/Digital-Wandlung, Wägeverfahren, Multiplexing, Dualzahlen, Bit, Digit. Messprogramm: Erstellung eines MATLAB-Skriptes zur Datenerfassung mit einer AD-Karte, Bestimmung der Auflösung einer AD-Karte, Messung von Wechselspannungen, Kalibrierung eines Drucksensors, Messung von zeitlichen Druckänderungen. Literatur: /1/ Kose, V. [Hrsg.]; Wagner, S. [Hrsg.]: "Kohlrausch - Praktische Physik Bd. 3", Teubner, Stuttgart, 1996 1 Einleitung Bei vielen physikalischen Experimenten muss die Änderung des Wertes einer physikalischen Größe G als Funktion der Zeit t erfasst werden. Solche Größen können z.B. sein: Druck p, Temperatur T, Strahlungsintensität I, Kraft F, Beschleunigung a u.v.m. Zur Erfassung von G(t) dienen Sensoren, die den Wert von G(t) z.B. in ein Spannungssignal U(t) umsetzen (vgl. Versuch „Sensoren...“). Für die Aufzeichnung von U(t) kamen früher so genannte XT-Schreiber zum Einsatz, die den zeitlichen Verlauf von U(t) auf Papier festhielten. Heute werden stattdessen PCs mit Messwerterfassungskarten 1 (i.F. MEK) eingesetzt, mit denen der Verlauf von U(t) digital registriert wird. In diesem Versuch sollen die wichtigsten Eigenschaften solcher Messwerterfassungskarten und eine zu ihrer Steuerung benötigte Software (hier exemplarisch Matlab mit der Data Acquisition Toolbox) kennengelernt werden. 2 Grundlagen der Messwerterfassung 2.1 Kontinuierliche und diskrete Signale Mit einer Messwerterfassungskarte wird ein analoges Spannungssignal U(t) in eine Zeitreihe von Zahlenwerten N(i), i ∈ , überführt, die mit dem PC weiter verarbeitet werden können. Das Signal U(t) ist gem. Abb. 1 (oben) im Allgemeinen weder auf bestimmte Spannungswerte, noch auf bestimmte Zeitwerte beschränkt. Man spricht deshalb von einem zeit- und wertkontinuierlichen Signal. Auch mit sehr schnellen (und damit teuren) elektronischen Komponenten einer Messwerterfassungskarte ist die Erfassung (Abtastung) von Spannungswerten U(t) nur zu diskreten Zeitpunkten ti im Abstand (1) 1 ∆t = ti − ti − 1 i ∈ } \ {0} Eine Messwerterfassungskarte ist eine Einsteckkarte für einen PC, die sämtliche für ihre Funktion erforderlichen elektronischen Komponenten enthält und über den Systembus (die Gesamtheit der Daten-, Adress- und Steuerleitungen) mit der übrigen Hardware im PC kommunizieren kann. 143 möglich. Die Größe ∆t heißt Abtastintervall, ihr Reziprokwert (2) R = 1 = [ R ] s−1 ∆t heißt Abtastrate oder Abtastfrequenz und wird in Samples 2/s oder nur in 1/s angegeben. Je größer R, desto besser ist die zeitliche Auflösung der Signalerfassung. In der Praxis wird oftmals mit beschränkter Abtastrate gearbeitet, um die zu speichernde Datenmenge zu reduzieren. Die Frage, wie groß R gewählt werden muss, um einen Signalverlauf korrekt erfassen zu können, wird im späteren Versuch „Fourieranalyse“ noch detailliert untersucht werden. Aufgrund der Beschränkung ∆t > 0 und damit R < ∞ entsteht durch die Abtastung von U(t) ein zeitdiskretes Signal U(ti), wie es in Abb. 1 (Mitte) dargestellt ist. Statt Datenpunkten werden in dem Diagramm zum Zweck der besseren Sichtbarkeit vertikale Striche gezeichnet, deren Längen dem jeweiligen Spannungswert U(ti) entsprechen. U (t) t U (ti) ∆t N (i) ti ∆U ti Abb. 1: Wandlung eines wert- und zeitkontinuierlichen Spannungssignals U(t) (oben) in ein zeitdiskretes Signal U(ti) (Mitte) und eine wert- und zeitdiskrete Zahlenfolge N(i) (unten). 2 Sample (engl. = Probe) steht hier für Abtastwert. 144 Die Wandlung eines analogen Spannungswertes U(ti) in einen Zahlenwert N(i) mit Hilfe eines Analog/Digital-Wandlers (A/D-Wandler, s. Kap. 2.2) einer Messwerterfassungskarte ist nicht mit beliebiger Genauigkeit möglich, sondern durch die Auflösung A des A/D-Wandler beschränkt. A wird in Bit angegeben: (3) = A m Bit, m∈ Für jede Messwerterfassungskarte ist die messbare Eingangsspannung auf ein Intervall der Breite = U e U max − U min (4) beschränkt. Bei der A/D-Wandlung stehen für dieses Spannungsintervall m Bit und damit 2m Zahlenwerte im Bereich zwischen N = 0 und N = 2m – 1 zur Verfügung. Die Differenz zweier Spannungswerte, deren zugeordnete Zahlenwerte sich gerade um 1 (1 Digit 3)unterscheiden, ist demnach U ∆U =m e 2 −1 (5) Diese Größe wird ebenfalls als Auflösung der A/D-Wandlung bezeichnet. Da ∆U > 0, wird aus dem zeitdiskreten Signal in Abb. 1 (Mitte) durch die A/D-Wandlung ein zeit- und wertdiskretes Signal wie in Abb. 1 (unten). Innerhalb eines maximalen Spannungsbereiches (z.B. ± 10 V) kann Ue oftmals per Software auf ein kleineres Intervall beschränkt werden (s. Tab. 1). Wenn man weiß, dass das Eingangssignal innerhalb dieses Intervalls liegt, kann man dadurch die Auflösung der A/D-Wandlung verbessern. Dazu ein Beispiel. Ist das eingestellte Spannungsintervall ± 10 V, so ist Ue = 20 V und damit nach Gl. (5) (jeweils auf 4 signifikante Stellen gerundet): ∆U = 0,07813 V für m = 8 und ∆U = 0,0003052 V für m = 16. Wird das Spannungsintervall auf ± 0,5 V begrenzt, so ist Ue = 1 V und man erreicht bei gleicher Zahl von Bits eine bessere Auflösung: ∆U = 0,003906 V für m = 8 und ∆U = 0,00001526 V für m = 16. 2.2 Prinzip der A/D-Wandlung Analog/Digital-Wandler (engl. Analog-Digital-Converter, ADC) arbeiten nach unterschiedlichen Prinzipien. Ein in der Messdatenerfassung häufig eingesetztes Wandlungsverfahren ist das so genannte Wägeverfahren, das nach dem Prinzip der sukzessiven Approximation arbeitet. Dieses Verfahren ist in Abb. 2 schematisch dargestellt. Zu Beginn werden alle m Bit des Wandlers auf 0 gesetzt. Danach wird das höchstwertige Bit (most significant bit, MSB) mit der „Nummer“ m und der Wertigkeit 2m-1 probeweise auf 1 gesetzt. Eine im A/DWandler enthaltene Spannungsquelle generiert anschließend eine Spannung UD mit dem Wert (6) = U D k= 2m −1 [k ] V wobei k ein von Ue abhängiger Proportionalitätsfaktor ist. Mit einem Komparator wird danach überprüft: (7) 3 U ( ti ) ≥ U D ? Digit (engl.) = Ziffer. 145 Falls ja: • bleibt Bit Nr. m auf 1 gesetzt, • wird Bit Nr. m-1 ebenfalls auf 1 gesetzt, • generiert die interne Spannungsquelle eine neue Spannung UD mit dem Wert ( (8) = U D k 2m −1 + 2m − 2 ) Falls nein: • wird Bit Nr. m auf 0 zurück gesetzt, • wird Bit Nr. m-1 auf 1 gesetzt, • generiert die interne Spannungsquelle eine neue Spannung UD mit dem Wert (9) U D = k 2m − 2 Bits auf 0, da UD > U(ti) UD U(ti) 8 7 6 5 4 3 2 1 27 26 25 24 23 22 21 20 0 1 1 1 0 0 1 1 MSB LSB N 115 Bit-Nr. Wertigkeit Zustand Abb. 2: Prinzip der A/D-Wandlung nach dem Wägeverfahren für einen A/D-Wandler mit m = 8 Bit. Für die vom AD-Wandler generierten Spannungswerte UD (rot), die größer als die Eingangsspannung U(ti) (blau) sind, werden die entsprechenden Bits auf 0 gesetzt. Im Beispiel sind das die Bits mit den Wertigkeiten 27, 23 und 22. Die übrigen Bits werden auf 1 gesetzt, da für die zugehörigen Spannungswerte UD < U(ti) gilt. Anschließend wird die Gültigkeit von Gl. (7) mit der Spannung UD aus Gl. (8) bzw. (9) erneut überprüft und je nach Ergebnis mit Bit Nr. m-1 so verfahren wie vorher mit Bit Nr. m. Analoge Schritte werden solange durchgeführt, bis das niedrigstwertige Bit (least significant bit, LSB) mit der Nummer 1 und der Wertigkeit 20 erreicht ist. Auf diese Weise können durch schrittweise Annäherung (sukzessive Approximation) zwischen U(ti) und UD die Werte 0 oder 1 der einzelnen Bits bestimmt werden. Im Beispiel aus Abb. 2 wird dem Spannungswert U(ti) (blau) auf diese Weise die Binärzahl 011 100 11 zugeordnet, die der Dezimalzahl N = 115 entspricht. Wenn wir annehmen, dass Ue = 10 V ist, muss die Binärzähl 111 111 11 (entsprechend N = 255) dem Spannungswert 10 V zugeordnet sein, d.h. es muss für diesen Wert von Ue gelten: k= 10 V 255 146 Die Binärzahl 011 100 11 aus Abb. 2 entspricht daher unter dieser Voraussetzung dem Spannungswert U = k N = k × 115 ≈ 4,51 V. Für jeden Wandlungsvorgang wird eine bestimmte Zeit tw benötigt, die linear mit der Zahl m der Bits ansteigt. Für das Abtastintervall ∆t aus Gl. (1) muss daher gelten ∆t ≥ tw. tw bestimmt demnach den minimalen zeitlichen Abstand zweier aufeinander folgenden Abtastungen und damit die maximale Abtastrate Rmax: (10) Rmax = 1 tw Das beschriebene Wägeverfahren funktioniert nur, wenn sich U(ti) während der Zeit tw nicht merklich ändert. Vor der Aufzeichnung eines Signals U(t) mit einer Messwerterfassungskarte muss daher sicher gestellt sein, dass U(t) über Zeitintervalle der Breite tw als annähernd konstant angenommen werden kann. 2.3 Multiplexing In der Regel verfügen Messwerterfassungskarten über mehrere Signaleingänge (Kanäle, engl. Channel), von denen je nach Anwendung M verwendet werden. In den meisten Fällen steht auf den Karten jedoch nur ein A/D-Wandler zur Verfügung. Die Abtastung der M Eingangssignale muss dann im so genannten Multiplexing-Betrieb erfolgen. Dabei wird zunächst das Signal an Kanal 1 abgetastet, danach mit zeitlicher Verzögerung um jeweils tw das Signal an Kanal 2, das Signal an Kanal 3 usw., bis Kanal M erreicht ist. Nach Ablauf der Zeit ∆t beginnt der Vorgang mit dem Signal an Kanal 1 von neuem. Das hat zur Folge, dass die maximale Abtastrate Rmax sich in diesem Fall auf Rmax/M pro Kanal reduziert. Da tw die minimale Zeitdifferenz zwischen zwei Abtastungen ist, ist eine wirklich gleichzeitige Abtastung von zwei oder mehr Signalen im Multiplexing-Betrieb nicht möglich. In der Praxis ist jedoch die Zeitdifferenz tw oftmals so klein, dass sie gegenüber der Zeit, innerhalb der sich die Eingangssignale merklich ändern, vernachlässigt werden kann. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen (Abb. 3). Zwei Signale U1(t) und U2(t) sollen „gleichzeitig“ mit einer Abtastrate von R = 1 kHz erfasst werden. Der zeitliche Abstand aufeinander folgender Abtastwerte von U1 und U2 soll demnach ∆t = 1 ms betragen. Der A/D-Wandler der Messwerterfassungskarte erlaube eine maximale Abtastrate von Rmax = 250.000 s-1, der minimale zeitliche Abstand zwischen zwei Abtastungen ist demnach tw = 4 µs. Der erste Wert von Signal U1(t) werde zur Zeit t = 0 erfasst, der erste Wert von Signal U2(t) wird dann zur Zeit t = tw aufgenommen. Zur Zeit t = ∆t erfolgt die Erfassung des zweiten Wertes von U1(t), zur Zeit t = ∆t + tw die Erfassung des zweiten Wertes von U2(t) usw. Da tw << ∆t kann in diesem Beispiel in guter Näherung von „gleichzeitiger“ Erfassung gesprochen werden. U(t) U1 ∆t tw 0 U2 t Abb. 3: Zur „gleichzeitigen“ Erfassung von zwei Spannungssignalen U1(t) und U2(t) mit einer Messwerterfassungskarte im Multiplexingbetrieb. Einzelheiten siehe Text. 147 2.4 Anschlussarten für Spannungssignale Die Kanäle einer Messwerterfassungskarte können üblicherweise unterschiedlich beschaltet werden. Im einfachsten Betriebsmodus, dem Single-Ended-Modus (SE-Modus, auch grounded-source-Modus: GS), werden alle M Eingangsspannungen Uj(t) (j = 1,…,M) auf die Gehäusemasse (ground) der MEK bezogen, s. Abb. 4, links 4. Dieser Modus hat zwei Nachteile: 1. Fluktuationen im Potential der Gehäusemasse beeinflussen die gemessene Potentialdifferenz zwischen dem Anschlusskontakt j und der Gehäusemasse. 2. Alle Eingangsspannungen Uj müssen über ein gemeinsames Bezugspotential verfügen, wie z. B. in Abb. 5 (links) die Spannungen U1 und U2 mit der Gehäusemasse als Bezugspotential. DI / FS SE / GS U U Gehäuse Abb. 4: Links: SE-Signalanschluss der Spannungsquelle U mit der Gehäusemasse der Messwerterfassungskarte (⊥) als Bezugspotential (grounded source, GS). Rechts: DI-Signalanschluss der Spannungsquelle U ohne Bezug auf ein Potential der Messwerterfassungskarte (floating source, FS). U L1 U L2 L0 R1 R2 R1 R2 R3 R4 U1 U2 U1 U2 U3 U4 Abb. 5: Spannungsquelle U mit angeschlossenen Widerständen Rj und Verbrauchern Lj. Links: Teilspannungen Uj mit gemeinsamem Bezugspotential (Masse). Rechts: Teilspannungen ohne gemeinsames Bezugspotential. In rot sind Voltmeter gezeichnet, mit denen die Teilspannungen gemessen werden können. Verfügen die Eingangsspannungen Uj über kein gemeinsames Bezugspotential 5, wie z.B. die Teilspannungen Uj über den Widerständen eines Spannungsteilers gem. Abb. 5 rechts, muss der Differential-Betriebsmodus (DI-Modus, auch floating-source-Modus: FS) verwendet werden (Abb. 4 rechts). In diesem Modus werden für jeden Kanal die Potentialdifferenzen zwischen je zwei separaten Anschlusskontakten erfasst. Die Vorteile dieses Modus sind: 4 5 Dies ist äquivalent zur Messung von zwei Spannungen mit einem Zwei-Kanal-Oszilloskop, bei dem die Außenkontakte der BNC-Buchsen auf gleichem Potential liegen. Solche Signale heißen auch Floating Source (FS)-Signale. Der Name rührt daher, dass es kein gemeinsames, festes (fixed) Bezugspotential gibt. Vielmehr können die Potentiale beider Anschlüsse bei gleichbleibender Potentialdifferenz (Spannung) variieren (floaten). Beispiel: eine Potentialdifferenz von (5 V - 0 V) = 5 V führt zum gleichen Messergebnis wie die Differenz (100 V – 95 V) oder (1.000 V – 995 V). 148 1. Gleichsinnige Potentialfluktuationen 6 an den beiden Anschlusskontakten eines Kanals wirken sich nicht auf das gemessene Signal aus, da nur die Potentialdifferenz U zwischen den Anschlusskontakten gemessen wird. 2. Die Eingangsspannungen Uj können unterschiedliche Bezugspotentiale haben, es existiert kein gemeinsames Bezugspotential. Der DI-Modus hat jedoch auch einen Nachteil. Da jeder DI-Eingang zwei separate Anschlüsse auf der Messwerterfassungskarte benötigt, ist die Zahl der DI-Eingange nur halb so groß wie die der SE-Eingänge. 3 Kenngrößen von Messwerterfassungskarten Im Grundpraktikum werden Messwerterfassungskarten des Herstellers NATIONAL INSTRUMENTS (NI) eingesetzt. Die wichtigsten Kenngrößen dieser Karten sind in Tab. 1 zusammengefasst. Abb. 6 zeigt exemplarisch ein Foto der Karte NI PCI 6221. Kenngröße A/D-Wandler-Typ Zahl der Eingänge Maximale Abtastrate Rmax / s-1 Auflösung A / Bit Eingangskopplung Eingangswiderstand / GΩ Eingangskapazität / pF Eingangsspannungsbereich / V (einstellbar per Software) Tab. 1: NI PCI 6014 sukzessive Approximation 16 SE / 8 DI 200.000 16 DC 100 100 NI PCI 6221 sukzessive Approximation 16 SE / 8 DI 250.000 16 DC 10 100 ± 0,05, ± 0,5, ± 5, ± 10 ± 0,2, ± 1, ± 2, ± 10 Kenngrößen von Messwerterfassungskarten, die im Grundpraktikum zum Einsatz kommen. Abb. 6: Foto der Messwerterfassungskarte NI PCI 6221 (Quelle: NI). Neben der A/D-Wandlung können die Messwerterfassungskarten auch zur D/A-Wandlung eingesetzt werden. Damit ist es möglich, im Computer generierte Signale in analoge Spannungssignale umzusetzen, 6 Potentialfluktuationen können z.B. durch Einstreuungen in die Verbindungskabel verursacht werden, mit denen ein Sensor an die Messwerterfassungskarte angeschlossen wird. 149 die an einem Analog-Ausgang der Karte zur Verfügung stehen. Diese Option wird jedoch im Grundpraktikum vorerst nicht benötigt und soll deshalb hier nicht weiter beschrieben werden. 4 MATLAB-Software zur Steuerung von Messwerterfassungskarten Im Grundpraktikum wird die Software Matlab mit der Data Acquisition Toolbox zur Steuerung der unter Kap. 3 genannten NI-Messwerterfassungskarten eingesetzt. Die Schnittstelle zwischen dem Betriebssystem des PC (Windows XP) und der Matlab-Software bildet die Treibersoftware NIDAQmx. Im Folgenden wird beschrieben, mit welchen Matlab-Kommandos ein Spannungssignal über eine NIMEK in den PC eingelesen, verarbeitet und gespeichert werden kann. Alle Matlab-Kommandos (die mit >> beginnen) und die zugehörigen Ausgaben im Command-Window sind in der Schriftart Courier gesetzt, Kommentare dazu in der Schriftart des Fließtextes (Times Roman). >> clear Matlab-Workspace löschen. >> close('all','hidden') Alle Figure-Fenster schließen. >> HW=daqhwinfo; daqhwinfo steht für data acquisition hardware information: Informationen über die im PC enthaltene Data Acquisition Hardware auslesen und in der Struktur 7 (structure) HW speichern; HW enthält mehrere Felder (fields). >> HW.InstalledAdaptors Inhalt des Feldes „InstalledAdaptors“ der Struktur HW abfragen. In diesem Feld stehen die Matlab-Namen der im PC vorhandenen Messwerterfassungskomponenten. ans = 'nidaq' 'parallel' 'winsound' NI-MEK Parallel-Schnittstelle des PC Soundkarte des PC >> NI=daqhwinfo('nidaq'); Information über die NI-MEK auslesen und in der Struktur NI speichern. >> NI.BoardNames Inhalt des Feldes „BoardNames“ der Struktur NI abfragen. In diesem Feld steht die Typenbezeichnung der NI-MEK, hier „PCI 6221“. ans = 'PCI-6221' >> NI.InstalledBoardIds ans = 'Dev1' >> AI=analoginput('nidaq','Dev1'); 7 Näheres zu Strukturen siehe Anhang (Kap. 6). Inhalt des Feldes „InstalledBoardIds“ abfragen. In diesem Feld steht die Matlab-Identifikation (ID) der NI-MEK, hier „Dev1“ (Device 1). Analog-Input-Objekt AI generieren. AI stellt nach Generierung die Verbindung zwischen Matlab und der MEK her. 150 >> addchannel(AI,0); Eingangskanal 0 der MEK mit dem AnalaogInput-Objekt AI verbinden. Der Eingangsspannungsbereich ist auf ± 10 V voreingestellt. >> R=1000; Abtastrate R wählen, hier z.B. 1000 / s. >> set(AI,'SampleRate',R); R (‚SampleRate‘) auf der Messwerterfassungskarte einstellen. >> N=1000; Zahl N der einzulesenden Spannungswerte wählen, hier z.B. N = 1000. >> set(AI,'SamplesPerTrigger',N); N (‚SamplesPerTrigger‘) auf der Messwerterfassungskarte einstellen. >> start(AI) Messung starten. >> [U,t]=getdata(AI); Spannungs- und zugehörige Zeitwerte aus dem PC-Speicher 8 auslesen und in die Spaltenvektoren U und t schreiben. >> U_Mean = mean(U) Mittelwert Umean der Elemente von U berechnen und im Command-Window ausgeben. U_Mean = ... >> sigma_U = std(U) Standardabweichung σU der Elemente von U berechnen und im Command-Window ausgeben. sigma_U = ... >> sigma_U_Mean = std(U)/sqrt(N) sigma_U_Mean = ... Standardabweichung σ U des Mittelwertes der Elemente von U berechnen und im CommandWindow ausgeben. >> Daten(:,1)=t; >> Daten(:,2)=U; Spaltenvektoren U und t für die Datenspeicherung in die (N,2)-Matrix „Daten“ kopieren. Spalte 1: t, Spalte 2: U. >> save('MD.dat','Daten','-ascii'); Matrix „Daten“ in Ascii-Datei „MD.dat“ speichern. Diese Datei kann nach Origin importiert werden, um eine grafische Darstellung von U(t) zu erzeugen. >> plot(t,U) U über t zeichnen, um einen ersten Überblick über die Messdaten zu erhalten. Input-Objekt löschen. AI aus Workspace löschen. >> delete(AI); >> clear AI; Statt die genannten Kommandos Zeile für Zeile in das Command-Window von Matlab einzutippen, ist es praktischer, die Befehle in ein Matlab -Skript-File (m-File) einzutragen, das File zu speichern und 8 Die eingelesenen Daten werden zunächst in einem FIFO- (First-In-First-Out)- Speicher auf der MEK gespeichert (Größe des FIFO-Speichers für die MEK Typ NI PCI 6014: 512 Messwerte, Typ NI PCI 6221: 4096 Messwerte). Vom FIFO-Speicher werden sie in den Speicher des PC übertragen. Diese Übertragung geschieht über eine direkte Verbindung zwischen der MEK und dem PC-Speicher ohne Beteiligung der CPU per Direct Memory Access, DMA. 151 anschließend zu starten. Einzelheiten dazu sind im Kapitel „Einsatz der Computer…“ dieses Skriptes beschrieben. Wenn man weiß, dass im PC eine NI-MEK mit der Matlab-Bezeichnung ‚nidaq’ installiert ist und die Matlab -Identifikation der MEK ‚Dev1’ ist, können einige der oben genannten Kommandos übersprungen werden. In diesem Fall würde es reichen, folgende Zeilen in das m-File einzutragen: clear close('all','hidden') AI=analoginput('nidaq','Dev1'); addchannel(AI,0); R=1000; set(AI,'SampleRate',R); N=1000; set(AI,'SamplesPerTrigger',N); start(AI) [U,t]=getdata(AI); U_Mean = mean(U) sigma_U = std(U) sigma_U_Mean = std(U)/sqrt(N) Daten(:,1)=t; Daten(:,2)=U; save('MD.dat','Daten','-ascii'); plot(t,U); delete(AI); clear AI; Wenn das m-File mit unterschiedlichen Werten von R und N mehrfach ausgeführt werden soll, um verschiedene Spannungsverläufe zu erfassen (wie im späteren Experiment), ist es praktisch, die Variablen R und N sowie die Bezeichnung der Datei, in der die Daten gespeichert werden sollen, nicht jedes Mal im m-File zu ändern, sondern diese Variablen nach Start des Skriptes über das Command-Window abzufragen und einzugeben. Dazu wird der input-Befehl verwendet. Die Zeilen R=1000; N=1000; ... save('MD.dat','Daten','-ascii'); im m-File müssen dann durch folgende Zeilen ersetzt werden: R=input (' Abtastrate R in Hz: '); N=input (' Anzahl N der Abtastpunkte: '); ... Name=input (' Dateiname mit Endung .dat: ','s') 9; save(Name,'Daten','-ascii'); Nach jedem input-Befehl wird der Text in Klammern im Command-Window ausgegeben und auf eine Eingabe über die Tastatur gewartet. Jede Eingabe wird mit der Return-Taste (↵) abgeschlossen. 9 Das ‚s’ bewirkt, dass die eingelesenen Zeichen als Text-Variable (Typ character) übergeben werden. 152 5 Versuchsdurchführung Zubehör: Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, Digital-Multimeter (AGILENT U1251B / U1272A), Funktionsgenerator (AGILENT 33120A / 33220A), PC mit Messwerterfassungskarte (NATIONAL INSTRUMENTS PCI 6014 oder PCI 6221) und zugehörigem BNC-Adapter (NATIONAL INSTRUMENTS BNC-2120), Blockbatterie 9 V mit Anschlussklemmen, Netzgerät (PHYWE (0 - 15 / 0 - 30) V), Drucksensor (SENSORTECHNICS HCLA12X5DB) auf Grundplatte mit Absperrhähnen an Stativ, ERLENMEYER-Kolben mit geschliffenem Stopfen auf Tisch, U-Rohr-Manometer (Wasserfüllung) mit Halterung und Ableseskala, Becherglas auf Scherentisch, Schlauchmaterial, Luftballon, Papiertuchrolle. 5.1 Inbetriebnahme des PC und der Messwerterfassungskarte Vor dem Einschalten des PC vergewissere man sich, dass der BNC-Adapter vom Typ NI BNC-2120 (Abb. 7) mit der Messwerterfassungskarte im PC verbunden ist. Im eingeschalteten Zustand darf das Verbindungskabel nicht gesteckt oder gezogen werden! Nach dem Einschalten einloggen mit dem bekannten Nutzernamen und Passwort in der Domäne gpr. Abb. 7: Links: Foto des BNC-Adapters vom Typ NI BNC-2120. Rechts: Skizze der Anschlusskontakte desselben Adapters (Quelle: NI). 153 Der BNC-Adapter ermöglicht einen einfachen Anschluss der zu messenden Signale an die MEK mit Hilfe von Koaxialkabeln. Er verfügt über 8 differentielle DI-Eingänge (Bezeichnung je nach Kartentyp ACH 0,…, ACH 7 oder AI 0,…, AI 7). Der Anschluss der Signalquellen (Batterie, Netzgerät, Drucksensor) erfolgt in diesem Versuch grundsätzlich nur an der BNC-Buchse ACH 0 bzw. AI 0. Der Schiebeschalter über der BNC-Buchse von ACH 0 bzw. AI 0 muss auf „BNC“ stehen, der EingangsWahl-Schalter für die verwendete BNC-Buchse auf FS („floating source“, s. Kap. 2.4). Der maximale Eingangsspannungsbereich der Messwerterfassungskarte beträgt ± 10 V; er darf nicht überschritten werden. Zur Kontrolle werden deshalb alle Eingangssignale der Messwerterfassungskarte gleichzeitig am Oszilloskop dargestellt. 5.2 Start von MATLAB Matlab wird durch Doppelklick auf das entsprechende Icon gestartet. In der Matlab-Menüzeile „Current Directory“ wird der Pfad O:\Persoenliches_Verzeichnis eingestellt. Mit den unter Kap. 4 beschriebenen Kommandos wird die Bezeichnung (InstalledAdaptors), der Typ (BoardNames) und die Matlab-Identifikation (InstalledBoardIDs) der Messwerterfassungskarte ermittelt. Anschließend wird ein m-File geschrieben, mit dessen Hilfe Spannungssignale eingelesen, verarbeitet und gespeichert werden können. Das m-File wird im persönlichen Verzeichnis gespeichert. 5.3 Messung einer Gleichspannung und Ermittlung der Auflösung Eine 9 V-Blockbatterie wird mit dem Eingangskanal der MEK und parallel mit einem Multimeter verbunden. Die Spannung wird in den PC eingelesen (R = 100 s-1 und N = 100 sind gute Orientierungswerte) und aus den N Messwerten Ui werden der Mittelwert und die Standardabweichung der Einzelmessung bestimmt. Die ermittelten Werte werden mit dem Messwert am Multimeter und seinem Größtfehler verglichen. Die Ui werden mit Origin über i aufgetragen. Der Grafik kann man entnehmen, dass sich die Ui nur um ganzzahlige Vielfache eines Spannungswertes ∆U unterscheiden. ∆U wird bestimmt und mit der nach Gl. (5) erwarteten Auflösung der MEK verglichen. Dabei müssen hinreichend viele Stelle angegeben werden. 5.4 Messung von Wechselspannungen Mit einem Funktionsgenerator (FG) wird eine sinusförmige Wechselspannung ohne Gleichspannungsanteil (Frequenz 50 Hz, Amplitude 2 V) generiert. Der Ausgang des FG wird mit dem Eingangskanal der MEK und parallel mit dem Digital-Oszilloskop und dem Multimeter verbunden. Die Spannung wird in den PC eingelesen (R = 1000 s-1 und N = 1000 sind gute Orientierungswerte) und ihr Spitze-Spitze-Wert Uss sowie ihr Effektivwert Ueff bestimmt. Fehlerangaben sind für beide Größen nicht erforderlich. Uss ist in guter Näherung durch die Differenz zwischen Maximum und Minimum der eingelesenen N Spannungswerte Ui gegeben. In Matlab-Notation lautet die entsprechende Gleichung: U_ss = max(U) - min(U) Ueff ist gegeben durch: (11) U eff = 1 N N ∑U i =1 2 i 154 bzw. in Matlab-Notation: U_eff = sqrt(sum(U.^2)/N) (vgl. Kapitel „Zum Aufbau elektrischer Schaltungen…“ dieses Skriptes). Dieser Wert heißt im englischen Sprachraum auch rms-Wert. rms steht für root mean square, zu Deutsch Wurzel aus Mittelwert der Quadrate. Der Wert Uss wird mit dem Messwert am Oszilloskop verglichen, der Wert Ueff mit dem am Multimeter angezeigten Wert sowie mit der theoretischen Erwartung. Beide Geräte müssen so eingestellt werden (V/DIV am Oszilloskop, Messbereich am Multimeter), dass Uss bzw. Ueff mit best möglicher Auflösung gemessen werden können. Die gleichen Messungen werden mit einer Rechteckspannung gleicher Frequenz und Amplitude wiederholt. 5.5 Messung von Druckdifferenzen Für die Messung von Druckänderungen in Gasen steht ein Drucksensor des Typs HCLA12X5DB zur Verfügung, der bereits im Versuch „Sensoren...“ kennengelernt wurde. Einzelheiten zu seiner Funktionsweise und zu seinem Betrieb sind dem zugehörigen Skript zu entnehmen. 5.5.1 Kalibrierung des Drucksensors Der Drucksensor wird kalibriert, indem zwischen den beiden Anschlussstutzen definierte Druckdifferenzen ∆p eingestellt werden und jeweils die zugehörige Ausgangsspannung U gemessen wird. Definierte Druckdifferenzen lassen sich mit einer Anordnung gem. Abb. 8 einstellen, die bereits im Skript zum Versuch „Sensoren...“ beschrieben wurde (Hahn H1 geöffnet, Hahn H2 geschlossen). Die Druckdifferenz (12) ∆p = p − pL ist bei einer Höhendifferenz hm im Manometer gegeben durch: (13) ∆p =ρ m hm g wobei ρm die Dichte der Flüssigkeit im Manometer (hier Wasser) und g die Erdbeschleunigung ist. Für g wird der Wert für Oldenburg verwendet: g = 9,8133 m/s2, der als fehlerfrei angenommen wird 10. Für die Dichte ρm von Wasser im Temperaturbereich von (20 ± 2) °C kann ein ebenfalls als fehlerfrei angenommener Wert von 998 kg/m3 verwendet werden. Für mindestens 10 verschiedene Höhen hm (ausmessen) wird die Ausgangsspannung des Drucksensors D mit dem PC gemessen (R = 100 s-1 und N = 100 sind gute Orientierungswerte). Aus den Messdaten für die einzelnen Höhen werden jeweils der Mittelwert und die Standardabweichung des Mittelwertes berechnet. Am praktischsten ist es, wenn diese Daten gleich in ein Origin-Worksheet eingetragen werden. Schließlich wird U nach Gl. (13) über ∆p aufgetragen und die Parameter der Ausgleichsgeraden werden bestimmt. Mit Hilfe der Parameter dieser Kalibrierkurve können nachfolgend die Ausgangsspannungen des Drucksensors in Druckdifferenzen umgerechnet werden. 10 Wert nach http://www.ptb.de/cartoweb3/SISproject.php; der Fehler von 2×10-5 m/s2 wird vernachlässigt. 155 M hm H1 Wasser B pL H2 -+ D Luft, Druck p V E Wasser S Abb. 8: Anordnung zur Einstellung von Druckdifferenzen ∆p > 0 gegenüber dem Umgebungsluftdruck pL. Einzelheiten siehe Text und Skript zum Versuch „Sensoren...“. 5.5.2 Messung von zeitlichen Druckänderungen Zur Messung von zeitlichen Druckänderungen wird in der Anordnung gem. Abb. 8 neben dem Hahn H1 auch der Hahn H2 geöffnet, um eine Verbindung zwischen dem Ballon B und dem Luftvolumen in E herzustellen. Durch Anheben des Becherglases V wird zunächst ein Überdruck in B hergestellt. Danach wird der Ballon einmal zügig zusammen gedrückt und anschließend losgelassen. Das Zusammendrücken darf nur so erfolgen, dass die maximale Druckdifferenz am Sensor (∆p = + 1,25 × 103 Pa) nicht überschritten wird und dass der Druck am „+“-Anschluss des Drucksensors immer oberhalb des Drucks in der Umgebungsluft bleibt. Letzteres ist sicher gestellt, solange der Wasserstand im rechten Schenkel des U-Rohres höher bleibt als der im linken Schenkel. Der zeitliche Verlauf der Druckdifferenz bei und nach dem Zusammendrücken des Ballons soll solange aufgezeichnet werden, bis der Wasserstand im Manometer seine Ausgangsstellung wieder stabil erreicht hat. Diese Messung wird zweimal durchgeführt. Die aufgezeichneten Werte der Ausgangsspannung des Drucksensors werden mit den Kalibrierdaten aus Kap. 5.5.1 in Druckdifferenzen umgerechnet. Die Ergebnisse werden in Diagrammen ∆p(t) dargestellt und interpretiert. 6 Anhang: Definition einer Struktur in Matlab Eine Struktur (engl. structure) in Matlab ist ein mit einem eigenen Namen bezeichneter zusammenhängender Speicherbereich. Dieser Speicherbereich ist unterteilt in Felder (engl. fields). Die Felder können von unterschiedlicher Größe sein. Ein Feld kann nur ein einzelnes Element enthalten (z.B. einen einzelnen Zahlenwert), aber auch mehrere Elemente, die in Form eines Vektors oder einer Matrix angeordnet sind11. Die in den Elementen der Felder gespeicherten Daten können von unterschiedlichem Datentyp (engl. data type, in Matlab auch class) sein. Es können Zeichen (Datentyp character), ganze Zahlen (Datentyp integer), reelle Zahlen (Datentyp single oder double) usw. sein. Jedes Feld und jedes Element wird mit einem eigenen Namen versehen. 11 Darüber hinaus kann ein Feld auch seinerseits eine Struktur sein, die wiederum in Strukturen, Felder oder Elemente untergliedert sein kann usw. 156 Ein Beispiel soll die Zusammenhänge verdeutlichen. Wir bilden eine Struktur mit dem Namen student. Darin sollen die Felder nachname, vorname, matrikelnr, faecher und semester enthalten sein. Das Feld faecher soll mehrere Elemente a, b, c enthalten, die übrigen Felder jeweils nur ein Element. Zur Speicherung von Daten in den einzelnen Elementen dienen folgende Matlab-Kommandos (der Punkt ist das Trennzeichen zwischen Struktur und Feld bzw. Feld und Element): >> >> >> >> >> >> >> student.nachname = student.vorname = student.matrikelnr = student.faecher.a = student.faecher.b = student.faecher.c = student.semester = 'Mueller'; 'Hans'; 123456; 'Physik'; 'Mathematik'; 'Chemie'; 8; Da es sich beim Nachnamen, Vornamen usw. um Zeichenketten (character strings, Datentyp character) handelt, müssen die Angaben in Hochkommata gesetzt werden. Nach Eingabe aller Daten kann man sich durch das Kommando >> student anzeigen lassen, wie Matlab diese Struktur gespeichert hat: student = nachname: vorname: matrikelnr: faecher: semester: 'Mueller' 'Hans' 123456 [1x1 struct] 8 Da das Feld faecher mehrere Elemente enthält, wird es seinerseits als Struktur (struct) angezeigt. Um die Einträge im Feld faecher anzuzeigen, muss das Kommando >> student.faecher eingegeben werden. Die Matlab-Ausgabe ist dann: ans = a: 'Physik' b: 'Mathematik' c: 'Chemie' Abb. 9 zeigt eine schematische grafische Darstellung der Struktur student. Für weitere Details wird auf das Matlab-Handbuch verwiesen. 157 student nachname Mueller vorname Hans matrikelnr 123456 faecher semester a Physik b Mathematik c Chemie 8 Abb. 9: Schematische Darstellung einer Struktur in Matlab. 158 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Charakterisierung eines Sender-Empfänger-Systems Stichworte: Mikrowellen, Transversalwellen, ebene Wellen, Kugelwellen, stehende Welle, Richtcharakteristik, Reflexions- und Brechungsgesetz, Brechzahl, Polarisation. Messprogramm: Eigenschaften eines Sender-Empfänger-Systems für Mikrowellen, Messung der Entfernungsabhängigkeit und der Richtcharakteristik, Brechzahl von PVC für Mikrowellen, Reflexion von Mikrowellen an einer Metallplatte und einem Drahtgitter, Polarisation von Mikrowellen. Literatur: /1/ DEMTRÖDER, W.: „Experimentalphysik 2 – Elektrizität und Optik“, Springer-Verlag, Berlin u.a. /2/ EICHLER, H. J., KRONFELDT, H.-D., SAHM, J.: „Das Neue Physikalische Grundpraktikum“, Springer-Verlag, Berlin u.a. 1 Einleitung Im Laufe des Physikstudiums werden Sie verschiedene Sender-Empfänger-Systeme kennenlernen, wie z.B. das System Lichtquelle / Fotodetektor in der Optik oder das System Lautsprecher / Mikrophon in der Akustik. Solche Systeme werden i. Allg. durch mehrere Kenngrößen beschrieben. Ziel dieses Versuches ist es, anhand der Vermessung der Eigenschaften eines Sender-Empfänger-Systems für Mikrowellen 1 einige solcher Kenngrößen kennenzulernen. Im Einzelnen soll untersucht werden, - ob und wenn ja wie die Intensität der abgestrahlten Welle mit zunehmender Entfernung vom Sender abnimmt (Entfernungsabhängigkeit), - in welcher geometrischen Form (z.B. strahl-, kugel- oder keulenförmig) die Abstrahlung der Welle erfolgt (Richtcharakteristik), - an welchen Strukturen die Welle reflektiert wird (Reflexionsgesetz), - ob die Welle beim Übergang Luft → PVC gebrochen wird (Brechungsgesetz und Brechzahl), - ob die Welle linear polarisiert ist. Das System besteht aus einem Mikrowellensender und einem dazu passenden Empfänger. Beide Komponenten werden als „Black-Boxes“ behandelt, „schwarze Kästen“ also, die eine bestimmte Funktion erfüllen (Welle aussenden und Intensität der Welle detektieren), deren detaillierter Aufbau für den Versuch jedoch unbedeutend ist und auf den deshalb auch nicht weiter eingegangen wird. Zur Auswertung einiger Teilaufgaben des Versuchs werden grundlegende Kenntnisse aus dem Bereich der Optik benötigt, die aus der Schule bekannt sein sollten: Reflexion, Brechung, stehende Welle. Im späteren Verlauf des Grundpraktikums werden diese Themen noch ausführlich behandelt, nachdem sie in der Vorlesung erarbeitet wurden. 1 Mikrowellen sind elektromagnetische Wellen im Frequenzbereich zwischen ca. 300 MHz und ca. 300 GHz. 159 2 Versuchsdurchführung Zubehör: Mikrowellensender (Typ I mit Gunn-Diode MICROSEMI MO86751A, P ≈ 10 mW, λ ≈ 28,5 mm; Typ II mit Gunn-Diode CL 8650 8927 (Hersteller unbekannt), P ≈ 15 mW, λ ≈ 27,5 mm), Mikrowellenempfänger (HEWLETT PACKARD X424A), 2 Dreieckschienen (Längen 1,5 m und 0,5 m), Gelenk für Dreieckschienen mit Winkelskala und Zeiger, Winkelsensor (TWK ELEKTRONIK PBA 12), 3 Netzgeräte (PHYWE (0 – 15 / 0 – 30) V), Multimeter (AGILENT U1272A oder U1251B), Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, PVC-Platte, Al-Blech, Drahtgitter, Verschiebetisch (100 mm) mit Motor und Laserdistanzsensor (BAUMER OADM 12U6460/S35), 2 Impedanzwandler, PC mit Messwerterfassungskarte (NATIONAL INSTRUMENTS PCI 6014 oder PCI 6221) und zugehörigem BNC-Adapter (NATIONAL INSTRUMENTS BNC-2120), Metallmaßband (Länge 1 m), Stativmaterial. 2.1 Inbetriebnahme von Sender und Empfänger Zu Beginn der Versuche muss die Handhabung von Sender und Empfänger kennen gelernt werden. Dazu wird eine Anordnung gem. Abb. 1 aufgebaut. Sender S und Empfänger E werden auf einer ca. 1,5 m langen Dreieckschiene montiert, auf gleiche Höhe eingestellt und mittig zur Achse A im Abstand d = 5 cm voneinander angeordnet. Als Abstand d ist die Entfernung zwischen den Vorderkanten der Trichter von Sender und Empfänger definiert. d E S = UQ D ϕ A O Abb. 1: Schematische Anordnung des an eine Spannungsquelle UQ angeschlossenen Senders S und des zugehörigen Empfängers E. E wird über ein Koaxialkabel mit dem Oszilloskop O und/oder einer Messwerterfassungskarte verbunden, der Außenleiter des Kabels wird geerdet. A ist die Verbindungsachse von S und E. Für einige Versuche werden S und E auf einer Dreieckschiene montiert, für andere auf zwei Dreieckschienen, die mit einem Drehgelenk mit der Drehachse D verbunden sind. d ist der Abstand zwischen S und E, ϕ deren Winkelorientierung. Der Winkel ϕ wird mit einem Winkelsensor gemessen, der aus dem Versuch „Sensoren…“ bekannt ist. Der Sender wird an eine Gleichspannungsquelle UQ angeschlossen, die vorher auf 10 V Ausgangsspannung eingestellt wird (Überprüfung mit Multimeter). Er emittiert dann eine Mikrowelle konstanter Leistung P mit der Wellenlänge λ (P und λ siehe Zubehör). Der Empfänger wird über ein Koaxialkabel mit einem Oszilloskop O (DC-Ankopplung) und/oder einer Messwerterfassungskarte (MEK) verbunden. Er misst die Intensität I der einfallenden Mikrowelle. Darunter versteht man den zeitlichen Mittelwert der Energie einer Welle pro Zeit und Fläche. Die Einheit der Intensität ist also [I] = J s-1 m-2 = W m-2. Dem hochfrequenten Verlauf des elektrischen Feldes E der Mikrowelle (Frequenz ca. 10,5 GHz 2) kann der Detektor nicht direkt folgen. 3 Der Empfänger ist so gebaut, dass er die Intensität I der empfangenen Welle in ein negatives Spannungssignal U umsetzt: I ~ -U. Für die folgenden Versuche ist nur der Betrag |U| der Spannung maßgeblich. 2 3 Zum Vergleich die Frequenzen anderer Mikrowellen: Digital-Satelliten-TV ca. 12 GHz, Mikrowellenherd ca. 2,5 GHz. Dies ist analog zu einem Fotodetektor, der ebenfalls nur Lichtintensitäten messen kann, nicht jedoch den zeitlichen Verlauf des elektrischen Feldes einer Lichtwelle im Frequenzbereich von 1014 Hz. 160 Hinweise: - Um einer möglichen Zerstörung der im Empfänger enthaltenen Halbleiterdiode durch elektrostatische Entladungen vorzubeugen, wird der Außenleiter des Koaxialkabels geerdet (Verbindung mit der Erdungsbuchse ( ) in der Laborzeile oder am Netzgerät ( )). - Da die Mikrowellen z.T. auch an den handelnden Personen gestreut und reflektiert werden, müssen alle folgenden Messungen jeweils unter gleichen Umgebungsbedingungen (gleicher Standort der Personen usw.) durchgeführt werden. 2.2 Entfernungsabhängigkeit Zunächst wird die Entfernungsabhängigkeit gemessen. Dazu werden gem. Abb. 1 Sender und Empfänger auf der ca. 1,5 m langen Dreieckschiene aufgebaut und die Spannung U am Empfänger mit dem Oszilloskop in Abhängigkeit vom Abstand d gemessen (5 cm ≤ d ≤ 1 m). Bei Veränderung von d wird eine Oszillation des Empfangssignals auftreten, die dem entfernungsabhängigen Signalverlauf überlagert ist. Diese Oszillation (Periodenlänge λ/2) wird dadurch verursacht, dass ein Teil der abgestrahlten Welle am Empfänger reflektiert wird, mit der abgestrahlten Welle interferiert und eine stehende Welle bildet. Da die Amplitude der reflektierten Welle deutlich kleiner ist als die der abgestrahlten Welle, bildet sich eine stehende Welle mit schwacher Modulation aus (s. Abb. 2). Abb. 2: Räumlicher Verlauf der Intensität I in einer stehenden Welle, die durch Interferenz von zwei ebenen, gegenläufigen Mikrowellen mit der Wellenlänge λ = 30 mm entsteht 4. Blau: Intensitätsverlauf für den Fall, dass die Amplitude E der hinlaufenden Welle (Ea) gleich der Amplitude der reflektierten Welle (Er) ist: Er = Ea. Rot: Er = 0,2 Ea. Schwarz: Er = 0. Maxima und Minima der Intensität haben jeweils einen Abstand von λ/2. „a.u.“ steht für arbitrary units (beliebige Einheiten). Bei der Messung der Entfernungsabhängigkeit muss darauf geachtet werden, dass die Messpunkte immer bei den Abständen di liegen, bei denen der Betrag des Empfangssignals, |U|, jeweils maximal ist. Der Abstand der Messpunkte soll 2λ betragen. Ist ein Messpunkt eingestellt, kann mit Hilfe der Funktion Messung → Mittelwert des Digital-Oszilloskops der Messwert für U abgelesen werden. Für U muss kein Fehler angegeben werden. Der Größtfehler für di ergibt sich aus der eingeschränkten Genauigkeit, mit der die Lage der Messpunkte bestimmt werden kann. Zur Auswertung wird |U| über d (mit Größtfehler ∆d) einmal halblogarithmisch (|U| auf logarithmischer Achse) und einmal doppeltlogarithmisch aufgetragen. In die Diagramme werden zusätzlich die Kurven eingezeichnet, die sich für folgende Fälle ergeben würden: 4 Die Intensität I einer elektromagnetischen Welle ist proportional zum Quadrat der Amplitude E des elektrischen Feldes der Welle: I ~ E2. 161 a) Der Sender emittiert einen scharf begrenzten Strahl, der zwischen S und E nicht abgeschwächt wird: = U U= const. mit der Anfangsspannung |U0|. 0 b) Wie a), aber mit exponentieller Schwächung durch Absorption zwischen S und E: U = U 0 e −α d mit dem Abschwächungskoeffizienten α. c) Der Sender emittiert eine Kugelwelle, die zwischen S und E keine Abschwächung durch Absorption erfährt: U = U 0 k / d 2 . k ist ein Skalierungsfaktor, der so gewählt werden muss, dass |U| = |U0| für d → 0. Durch Vergleich des Verlaufes der Messdaten mit den theoretisch erwarteten Verläufen nach a) bis c) soll entschieden werden, in welcher Art die Wellenausbreitung stattfindet. Für die Darstellung der theoretischen Kurven sind für α, k und |U0| passende Werte einzusetzen, so dass der jeweils erwartete Kurvenverlauf gut zu erkennen ist. Um nicht zu falschen Schlussfolgerungen zu gelangen, müssen die Messergebnisse zur Richtcharakteristik (Kap. 2.3) mit berücksichtigt werden! 2.3 Richtcharakteristik Zur Messung der Richtcharakteristik wird der Sender auf der langen Dreieckschiene so montiert, dass die Vorderkante seines Trichters gerade in der Drehachse D liegt (Abb. 1). Der Empfänger wird auf einer zweiten, ca. 0,5 m langen Dreieckschiene in ca. 40 cm Abstand hinter der Drehachse angeordnet. Beide Schienen sind über ein Drehgelenk miteinander verbunden. Der Winkel ϕ kann auf einer Winkelskala abgelesen und gleichzeitig mit Hilfe eines Winkelsensors gemessen werden, der bereits aus dem Versuch „Sensoren…“ bekannt ist. Bei der Einstellung der Entfernung zwischen E und D muss darauf geachtet werden, dass das Empfangssignal |U| bei einem Winkel von ϕ = 180° ein Maximum aufweist. Der Winkel ϕ = 180° wird eingestellt, indem die Dreieckschienen mit Hilfe eines angelegten Metallmaßbands längs der gemeinsamen Achse A ausgerichtet werden. Durch Drehung des Armes mit dem Empfänger E wird der Winkel von ϕ = 150° auf ϕ = 210° erhöht. Während der Drehung werden die Ausgangsspannung des Winkelsensors, UW, und die Spannung U am Empfänger gemessen und mit einer MEK aufgezeichnet (s.u. Hinweise zur Datenaufnahme mit der MEK). Anschließend wird mit Hilfe von Origin |U| als Funktion von ϕ (aus UW berechnet) in einem Polardiagramm 5 dargestellt (vgl. Abb. 3). Für |U| und ϕ müssen keine Fehler angegeben werden. Wegen der Vielzahl der aufgenommenen Daten wird das Polardiagramm als Liniendiagramm statt als Punktdiagramm dargestellt. Zusätzlich werden in das Diagramm die Kurven eingezeichnet, die sich in den Fällen a) und c) ergeben würden. Hinweise zur Datenaufnahme mit der MEK Die Messung und Aufzeichnung der Spannung UW des Winkelsensors und der Spannung U am Empfänger erfolgt mit Hilfe einer Messwerterfassungskarte (MEK) im PC auf analoge Weise wie beim Versuch „Datenerfassung und -verarbeitung mit dem PC…“. UW und U werden aus Gründen der Signalanpassung jeweils über einen Impedanzwandler 6 an die Buchsen ACH 0 und ACH 1 bzw. AI 0 und AI 1 der MEK angeschlossen. Das aus dem Versuch „Datenerfassung…“ bekannte Matlab-m-File muss erweitert werden, um gleichzeitig beide Signale erfassen zu können. In das m-File wird eine weitere Zeile (rot markiert) eingefügt, um zusätzlich zu Kanal Nr. 0 einen zweiten Kanal Nr. 1 zur Datenaufnahme bereit zu stellen: 5 6 Zur Erzeugung eines Polardiagramms mit Origin: → Zeichnen → Spezialisiert → Polar… (englische Version: → Plot → Specialized → Polar…). Aufbau und Funktion von Impedanzwandlern werden im späteren Versuch „Operationsverstärker“ (SoSe) behandelt. 162 addchannel(AI,0); addchannel(AI,1); (Kanal 0: UW) (Kanal 1: U) Eine Abtastrate von R = 100/s ist ausreichend. Mit dem bekannten Befehl [UG,t]=getdata(AI); werden die Daten nach Ende der Messung ausgelesen. UG enthält die Spannungswerte aus beiden Kanälen in Form einer (N, 2)-Matrix mit N Zeilen und 2 Spalten, wobei N die Zahl der eingelesen Messwerte ist. In der ersten Spalte stehen die Messwerte von Kanal 0, also die Werte von UW, in der zweiten Spalte die Messwerte von Kanal 1, also die Werte von U. Die Daten für die Zeit t werden für die weitere Auswertung nicht benötigt. Die Daten für UW und U werden in einer ASCII-Datei (hier: MD.dat) gespeichert, um sie später mit Origin weiter verarbeiten zu können: save('MD.dat','UG','-ascii') Einen ersten Überblick über den Verlauf von U als Funktion von UW erhält man mit dem Plot-Befehl: plot (UG(:,1),UG(:,2)) (Durch den Doppelpunkt werden alle Daten aus Spalte 1 bzw. alle Daten aus Spalte 2 selektiert). Hinweis zur Vermeidung von Störspannungen: Für diesen Versuchsteil müssen die Ground-Leitungen (0 V) der Spannungsversorgungen für Impedanzwandler und Winkelsensor mit der Erdungsbuchse ( ) der Netzgeräte verbunden werden, um Störspannungen durch sogenannte Brummschleifen zu vermeiden. Abb. 3: Beispiel eines Polardiagramms für die Funktion r(α) = 1 + cosα (rote Kurve). Der Winkel α läuft gegen den Uhrzeigersinn. Für jeden Winkel α wird der Funktionswert r(α) als Abstand vom Zentrum des Diagramms dargestellt (für α = 15° exemplarisch durch blauen Strich markiert). 163 2.4 Brechung Ziel des Teilversuchs ist die Bestimmung eines Orientierungswertes für die Brechzahl nPVC von PVC für die verwendete Mikrowelle 7. Dazu folgender theoretischer Hintergrund: Die Ausbreitungsgeschwindigkeit von elektromagnetischen Wellen hängt von der Brechzahl n des Mediums ab, das die Wellen durchlaufen. Im Vakuum ist n = 1; die Wellen breiten sich hier mit der Vakuumlichtgeschwindigkeit c aus. c ist eine Naturkonstante (vgl. hintere Umschlagseite dieses Skriptes). In Medien (Index M) mit n > 1 ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit geringer. Es gilt: (1) cM = c nM Im Vakuum gilt folgender Zusammenhang zwischen der Ausbreitungsgeschwindigkeit c, der Wellenlänge λ und der Frequenz ν einer elektromagnetischen Welle: (2) c = λν In einem Medium mit nM > 1 gilt analog: (3) cM = λM ν Ausbreitungsgeschwindigkeit und Wellenlänge werden im Medium kleiner, die Frequenz der Welle bleibt unverändert. Die Kombination von Gl. (1) bis (3) ergibt: (4) c λ = λ= Mnn nM nM Für Luft ist nM ≈ 1 und damit cM ≈ c und λM ≈ λ . Die Verkürzung der Wellenlänge in einem Medium mit nM > 1 kann man ausnutzen, um die Brechzahl nM zu messen. Dazu betrachten wir gem. Abb. 4 oben einen Ausschnitt der bereits aus Kap. 2.2 bekannten stehenden Welle. Zwischen S und E befindet sich Luft mit nLuft ≈ 1 . Auf einer Strecke der Länge L bilden sich M Intensitätsmaxima, die jeweils den Abstand λ/2 voneinander haben. Es gilt also: (5) L=M λ 2 Nun bringen wir gem. Abb. 4 unten eine Platte der Dicke D zwischen S und E ein. Die Brechzahl des Plattenmaterials sei nM > 1 . Dadurch wird die Wellenlänge in der Platte verringert: (6) 7 λM = λ nM In der folgenden Beschreibung wird vorausgesetzt, dass sich die Mikrowelle wie eine ebene Welle ausbreitet. Dies ist nach den Ergebnissen aus Kap. 2.3 jedoch nicht der Fall. Außerdem wird die Messung durch Streuung und Reflexion der Mikrowelle an umgebenden Materialien beeinflusst. Deshalb ist eine präzise Bestimmung von nPVC mit der verwendeten Versuchsanordnung nicht möglich. Die Messung liefert jedoch einen brauchbaren Orientierungswert. 164 und die Zahl der Intensitätsmaxima längs der Strecke L um m erhöht. Es gilt: (7) D λM + a λ = M +m 2 2 L D a l Abb. 4: Stehende Wellen zwischen S und E. Oben für den Fall, dass sich zwischen S und E Luft befindet. Unten für den Fall, dass in die Luft zwischen S und E eine Platte der Dicke D mit der Brechzahl nM eingebracht wird, wodurch die Intensitätsmaxima im Bereich a zur Platte hin verschoben werden. Übrige Bezeichnungen siehe Text. Die Erhöhung der Zahl der Intensitätsmaxima um m geht außerhalb der Platte mit einem Versatz der Maxima um die Strecke l einher, für den gilt: (8) l=m l 2 Außerdem gilt gem. Gl. (5): (9) L= D+a= M λ 2 Durch Einsetzen von M aus Gl. (9) in Gl. (7) und mit Gl. (6) und (8) folgt: (10) 2 nM D 2 a 2 ( D + a) 2 l += + llll Damit folgt für nM : (11) nM = D+l D Durch Messung von D und l lässt sich also nM bestimmen. Die beschriebene Methode ist allerdings nur eindeutig, solange m < 1. Dies ist gleichbedeutend mit l < λ/2. Gem. Gl. (11) bedeutet dies: (12) = l D ( nM − 1) < l 2 165 und damit (13) D< λ 2 ( nM − 1) In diesem Versuch soll die Brechzahl von PVC, nPVC , für eine Mikrowelle mit λ ≈ 28,5 mm bzw. λ ≈ 27,5 mm mit Hilfe von Gl. (11) bestimmt werden. Sie liegt in der Größenordnung von nPVC ≈ 1,6. Damit folgt für beide Werte von λ: D < 23 mm. Gearbeitet wird mit D ≈ 10 mm. Zur Messung von l gehen wir wie folgt vor: S und E werden auf den beiden Dreieckschienen symmetrisch zur Drehachse D in d0 = 500 mm Entfernung voneinander aufgebaut. Der Empfänger wird auf einen motorgetriebenen Verschiebetisch V montiert, mit dem er längs der Achse A um 100 mm in Richtung S verschoben werden kann (Abb. 5). Der Motor wird mit einer Gleichspannung betrieben. Die Höhe der Spannung (maximal 24 V) steuert die Geschwindigkeit der Verschiebung, die Polarität ihre Richtung (vor / zurück). An beiden Enden des Verschiebetisches befinden sich Mikroschalter, die den Motor stoppen, sobald der jeweilige Anschlag erreicht ist. sB sA A D LDS E S V d0 Abb. 5: Anordnung von Sender S und Empfänger E, der sich auf einem Verschiebetisch V befindet. Mit dem Tisch kann E von der rechten bis zur linken Anschlagposition vorgefahren oder von der linken bis zur rechten Anschlagposition zurückgefahren werden. sA und sB sind in den Anschlagpositionen die jeweiligen Abstände zwischen dem LDS und der Grundplatte, auf der E montiert ist. An dem Verschiebetisch ist ein Laser-Distanzsensor LDS montiert, der bereits aus dem Versuch „Sensoren…“ bekannt ist. Seine Ausgangsspannung UL ändert sich linear mit Verschiebung von E. Der Sensor wird kalibriert, indem für beide Anschlagpositionen die Abstände sA und sB (Definition gem. Abb. 5) und die zugehörigen Ausgangspannungen ULA und ULB gemessen werden. Befindet sich E während der Verschiebung an beliebiger Position zwischen den beiden Anschlagpositionen, so gilt für den momentanen Abstand s des Empfängers von der rechten Anschlagposition: = s (14) (U ( s ) − U ) Us B L LA LB − sA − U LA und damit für den maßgeblichen Abstand d zwischen S und E: (15) = d d0 − s D Der Motor wird an der rechten Anschlagposition gestartet und bis zur linken Anschlagposition in Richtung S vorgefahren. Während der Verschiebung werden die Spannung UL und die Spannung U an E mit Hilfe der Messwerterfassungskarte gemessen und gespeichert (analog zum Vorgehen wie bei den Messungen zu Kap. 2.3). 166 Anschließend wird die Messung mit eingebrachter PVC-Platte der Dicke D0 (mit Messschieber messen) zwischen S und E wiederholt. Die Platte wird mittig zur Drehachse D montiert. Um zu verhindern, dass Signalreflexionen an der Platte die Messung stören, wird die Platte unter einem Winkel von α = 45° zur Achse A ausgerichtet. Die Mikrowelle legt dann in dem PVC die Strecke (16) D = D0 / cos (α ) zurück 8. Danach wird der Motor an der linken Anschlagposition gestartet und zur rechten Anschlagposition zurückgefahren. Während der Verschiebung werden wiederum UL und U aufgezeichnet und anschließend gespeichert. Aus beiden Datensätzen werden mit Hilfe von Origin und den Gleichungen (14) und (15) zunächst die Abstände d berechnet. Anschließend wird für beide Datensätze jeweils |U| über d in einem Diagramm dargestellt. Mit Hilfe des Origin-Tools „Datenkoordinaten / Data Reader“ 9 kann in beiden Kurven die Position eines ausgewählten Intensitätsmaximums und daraus deren Versatz l bestimmt werden. Aus den Werten für l und D wird schließlich die Brechzahl nPVC bestimmt. Hinweis zur Vermeidung von Störspannungen: Für diesen Versuchsteil müssen die Ground-Leitungen (0 V) der Spannungsversorgungen für Impedanzwandler und Laser-Distanzsensor mit der Erdungsbuchse ( ) der Netzgeräte verbunden werden, um Störspannungen durch sogenannte Brummschleifen zu vermeiden. 2.5 Polarisation In einer linear polarisierten Mikrowelle oszilliert das elektrische Feld E der Welle in nur einer Raumrichtung (z.B. in y-Richtung, s. Abb. 6). Trifft eine solche Welle auf ein Drahtgitter, dessen Stäbe in gleicher Richtung angeordnet sind, werden Ströme in den Stäben induziert, die wie HERTZsche Dipolstrahler wirken. Die von diesen Dipolen abgestrahlte Welle ist gegenüber der einlaufenden Welle um 180° phasenverschoben. Hinter dem Gitter kommt es deshalb zu destruktiver Interferenz zwischen der durchgehenden Ursprungswelle und der abgestrahlten Welle. Ein hinter dem Gitter platzierter Empfänger wird also allenfalls ein sehr schwaches Signal messen. Vor dem Gitter interferiert die von den Dipolen nach hinten abgestrahlte Welle mit der einlaufenden Welle. Steht das Gitter wie beim Versuch zur Reflexion (Kap. 2.6.2) schräg zur einfallenden Welle, so kann sich die nach hinten abgestrahlte (reflektierte) Welle ohne Interferenz mit der einfallenden Welle ausbreiten. Trifft die linear polarisierte Welle auf ein Gitter, dessen Stäbe senkrecht zur Polarisationsrichtung der Welle angeordnet sind, können wegen des geringen Durchmessers der Stäbe keine nennenswerten Ströme induziert werden. In diesem Fall tritt also keine von HERTZschen Dipolen abgestrahlte Welle auf, so dass die ursprüngliche Welle das Gitter nahezu ungestört durchdringen kann. Zur Untersuchung der Polarisationseigenschaften der im Versuch verwendeten Mikrowelle werden S und E im Abstand d ≈ 5 cm (ϕ = 180°) voneinander aufgebaut. Zwischen S und E wird ein Drahtgitter gehalten, dessen Stäbe einmal vertikal und einmal horizontal ausgerichtet sind. Für jede Staborientierung wird die Spannung U am Empfänger mit dem Oszilloskop gemessen. Frage 1: - Ist die Welle linear polarisiert? Wenn ja: in welcher Richtung? 8 Näherung für eine ebene Welle. 9 Das grafische Symbol des Tools Datenkoordinaten / Data Reader ist . 167 y E t Abb. 6: Wechselwirkung einer linear polarisierten Welle E mit einem Drahtgitter, dessen dünne Stäbe in Richtung der Polarisationsrichtung der Welle orientiert sind. 2.6 Reflexion 2.6.1 Reflexion an einer Metallplatte Zur Messung der Reflexion an einer Metallplatte MP (Al-Blech) werden S und E jeweils in ca. 20 cm Abstand von der Drehachse montiert und der Winkel zwischen S und E auf ϕ = 90° eingestellt (Abb. 7). Die Metallplatte wird so montiert, dass die Drehachse D in ihrer Oberfläche liegt. Der Winkel γ wird nun in acht Schritten von je 3° beginnend bei γ = 35° erhöht und für jeden Winkel die Spannung U am Empfänger mit dem Oszilloskop gemessen. Für U muss kein Fehler angegeben werden. Der Größtfehler für γ ergibt sich aus der eingeschränkten Genauigkeit, mit der γ eingestellt werden kann. |U| wird über γ (mit Größtfehler ∆γ) aufgetragen und mit Hilfe einer Ausgleichskurve durch die Messdaten der Winkel maximaler Reflexion bestimmt. Als Ausgleichskurve dient ein Polynom 2. Grades, das mit Hilfe von Origin berechnet und gezeichnet wird. 10 S γ D ϕ = 90° MP E Abb. 7: Anordnung zur Messung der Reflexion an einer Metallplatte MP. S und E sind unter dem Winkel ϕ = 90° angeordnet, der Winkel γ wird variiert. Frage 2: Gilt das Reflexionsgesetz? 2.6.2 Reflexion an einem Drahtgitter Die gleiche Messung wie unter 2.6.1 wird mit einem Drahtgitter wiederholt, dessen Stäbe senkrecht orientiert sind. Die Messdaten |U(γ)| werden mit in das unter Kap. 2.6.1 erstellte Diagramm eingetragen. Zur Interpretation der Messergebnisse wird auf die Anmerkungen zur Polarisation im Kap. 2.5 verwiesen. 10 Polynomfit mit Origin: → Analyse → Anpassen → Polynomieller Fit → Dialog öffnen… (englische Version: → Analysis → Fitting → Fit Polynomial → Open Dialog…). 168 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Trägheitsmoment - Steinerscher Satz Stichworte: Rotationsbewegung, Winkelgeschwindigkeit, Winkelbeschleunigung, Trägheitsmoment, Drehmoment, Drehimpuls, STEINERscher Satz Messprogramm: Messung des Trägheitsmomentes einer Kreisscheibe, Bestimmung der Lage der Schwerpunktachse eines unregelmäßig geformten Körpers. Literatur: /1/ EICHLER, H. J., KRONFELDT, H.-D., SAHM, J.: „Das Neue Physikalische Grundpraktikum“, Springer-Verlag, Berlin u.a. 1 Einleitung Ziel dieses Versuches ist es, das Verständnis für die Analogie zwischen Translations- und Rotationsbewegung zu vertiefen. Dazu wird ein Versuchsaufbau verwendet, mit dem Trägheitsmomente von Körpern bezüglich beliebiger Achsen gemessen werden können. Anhand von Tabelle 1 soll zunächst an die einander entsprechenden Größen der Translations- und Rotationsbewegung erinnert werden. Translationsbewegung Name Ortsvektor Geschwindigkeit Beschleunigung Symbol dr dt dv a= dt v= m Impuls p = mv Kraft = F m= a Einheit Name m r Masse Rotationsbewegung Winkel 1 m s-1 Winkelgeschwindigkeit 1 m s-2 Winkelbeschleunigung 1 kg Trägheitsmoment 2 kg m s-1 Drehimpuls dp dt N Drehmoment Symbol Einheit ϕ 1 dϕ dt dω dt I = ∫ R 2dm ω= L = Iω L =r × p = m r × v dω dL T = I= dt dt T= r×F s-1 s-2 kg m2 kg m2 s-1 Nm Tabelle 1: Zum Vergleich von Translations- und Rotationsbewegung. 1 2 Die Richtungen der axialen Vektoren ϕ, ω und dω/dt zeigen per Definition in Richtung der Drehachse. Hinsichtlich des Vorzeichens gilt die Rechte-Hand-Regel: zeigen die gekrümmten Finger in Richtung der Drehbewegung, so zeigt der Daumen in Richtung von ϕ, ω und dω/dt. Polare Vektoren (gewöhnliche Vektoren) wie z.B. die für Ort (r) und Geschwindigkeit (v) ändern ihr Vorzeichen bei einer Punktspiegelung des Koordinatensystems, axiale Vektoren (auch Pseudovektoren genannt) dagegen nicht. R ist der Abstand eines Massenelementes dm von der Drehachse. 169 2 Theorie Wir betrachten gem. Abb. 1 eine Drehscheibe D vom Radius r, um die ein feiner Faden gewickelt ist. Der Faden ist über eine Umlenkrolle R mit einer Masse m verbunden. Durch den Stift T eines Haltemagneten B wird die Drehscheibe arretiert. Nach Schließen des Schalters S fließt ein Strom aus der Spannungsquelle U durch den Spulendraht des Haltemagneten. Durch das dadurch entstehende Magnetfeld wird der Stift T zurückgezogen und die Drehscheibe freigegeben. Die fallende Masse m sorgt danach für eine beschleunigte Drehbewegung der Scheibe um die Drehachse H. H ω F r R D B T m S =U l Abb. 1: Drehscheibe zur Messung von Trägheitsmomenten. Bezeichnungen siehe Text. Wir suchen eine Gleichung, mit der wir aus bekannten oder messbaren Größen das Trägheitsmoment ID der Drehscheibe berechnen können. Dazu stellen wir zunächst die Bewegungsgleichung für die Rotationsbewegung der Drehscheibe auf. Sie hat in diesem Fall eine sehr einfache Form: die Drehscheibe erfährt durch das Drehmoment r × F die Winkelbeschleunigung dω/dt. In Analogie zum NEWTONschen Gesetz F = m a gilt also (siehe Tabelle 1): (1) r×F = ID dω dt Daraus folgt aufgrund der gewählten Geometrie (r ⊥ F) für die Beträge: (2) F= I D dω r dt In dieser Gleichung müssen wir F und dω /dt durch bekannte oder messbare Größen ersetzen. Um einen Ausdruck für dω /dt zu finden, betrachten wir zunächst die Bewegung der Masse m. Sie möge für das Durchfallen der Strecke l die Zeit t benötigen. Dann gilt für ihre Beschleunigung a: (3) a= 2l t2 Aufgrund der Verbindung von m mit der Drehscheibe über den Faden muss dies auch die Tangentialbeschleunigung eines Massepunktes am Rande der Drehscheibe sein. Für einen solchen Punkt gilt daher aufgrund des bekannten Zusammenhangs zwischen Tangential- und Winkelbeschleunigung mit Gl. (3): 170 (4) d ω a 2l = = d t r r t2 Einsetzen von Gl. (4) in Gl. (2) ergibt: 2l r t (5) = F I= ID D 2 2 a r2 Wir benötigen nun noch eine Beziehung für die nicht direkt messbare Kraft F, die die Drehscheibe beschleunigt. Dazu schauen wir uns die Kräftebilanz für die Anordnung an. Die beschleunigende Gewichtskraft G = mg (g: Erdbeschleunigung) muss die Masse m beschleunigen, Reibungskräfte an Umlenkrolle R und Drehscheibe D überwinden sowie die Umlenkrolle und die Drehscheibe in beschleunigte Rotation versetzen. Hierfür sind folgende Kräfte erforderlich: Fm : FRR : FR : FRD: F: Beschleunigungskraft für m Reibungskraft an der Umlenkrolle Beschleunigungskraft für die Umlenkrolle Reibungskraft an der Drehscheibe Beschleunigungskraft für die Drehscheibe Es gilt also: (6) G = mg = Fm + FRR + FR + FRD + F Die Kraft, die m beschleunigt, Fm = ma, ist also erheblich kleiner als die Gewichtskraft G = mg. Der Einfachheit halber wollen wir nun annehmen, dass Reibungskraft und Beschleunigungskraft an der Umlenkrolle durch eine Kraft ersetzt werden können, die zur Translationsbeschleunigung einer Ersatzmasse me (hier: me ≈ 2,2 g) aufgewendet werden müsste: (7) FR + FRR := me a Damit folgt für die gesuchte Kraft F aus Gl. (6): (8) F = mg − (m + me )a − FRD Setzen wir diese Gleichung in Gl. (5) ein, so erhalten wir: (9) mg − (m + me )a= I D a + FRD r2 Der besseren Lesbarkeit wegen führen wir eine Kraft (10) FE := mg − (m + me )a mit den messbaren Größen m und a und den bekannten Größen me und g ein, so dass Gleichung (9) die Form erhält: (11) = FE I D a + FRD r2 171 In dieser Gleichung zur Bestimmung von ID stört uns noch die unbekannte und nicht direkt messbare Größe FRD. Nehmen wir jedoch an, dass es sich bei der Reibung an der Drehscheibe um eine von der Geschwindigkeit unabhängige trockene Roll- und Gleitreibung handelt (so genannte COULOMB-Reibung), die nur von der Masse der Drehscheibe inkl. aufgelegter Körper abhängt, dann kann FRD als zeitunabhängige Konstante behandelt werden. Gl. (11) stellt in diesem Fall eine einfache Geradengleichung der Form (12) = y cx + b dar, mit a = , c I= b FRD D, r2 (13) = y F= x E, Tragen wir also gem. Gl. (11) bei konstantem r für verschiedene beschleunigende Massen m die zugehörige Größe FE (Gl. (10)) über a/r2 auf (mit a nach Gl. (3)), so ergibt sich eine Gerade mit der Steigung ID. Wir haben damit, auch ohne die Größe FRD zu kennen, einen Weg gefunden, um das Trägheitsmoment der Drehscheibe zu messen. Wir wollen nun den Fall betrachten, dass auf die Drehscheibe zusätzlich ein Körper aufgelegt wird. Ist IK das Trägheitsmoment dieses Körpers (Masse mK) bei Drehung um eine seiner Schwerpunktachsen (Hauptachsen) und fällt diese Schwerpunktachse C mit der Drehachse H der Drehscheibe zusammen, so ist das Gesamt-Trägheitsmoment I der Anordnung Drehscheibe/Körper: (14) = I ID + IK Verlaufen die Achsen H und C im Abstand s zueinander parallel, so gilt nach dem STEINERschen Satz 3: (15) I = I D + I K + mK s 2 Gl. (11) lautet dann: (16) = FE I a + FRD r2 Daraus folgt mit Gl. (3): (17) I= ( FE − FRD ) r2 r2 2 = F − F ( E RD ) t a 2l Wir können diesen Zusammenhang benutzen, um die Lage einer zur Drehachse der Drehscheibe parallel verlaufenden Schwerpunktachse eines beliebig geformten Körpers zu bestimmen, der auf der Drehscheibe aufliegt. Dazu gehen wir folgendermaßen vor: Gemäß Gl. (15) wird I minimal für s = 0, d.h. wenn die Schwerpunktachse des Körpers und die Drehachse der Drehscheibe zusammenfallen. Ein Minimum für I ist nach Gl. (17) gleichbedeutend mit einem Minimum für die Fallzeit t bzw. für t2. Verschieben wir also den Körper auf der Drehscheibe (variieren also s), so muss die Fallzeit t bei einer bestimmten Körperposition ein Minimum aufweisen. Die zugehörige Funktion t = f(s), die dieses Verhalten beschreibt, wollen wir nun bestimmen. Dazu setzen wir Gl. (15) in Gl. (17) ein, lösen nach t2 auf und erhalten für t als Funktion von s: 3 JAKOB STEINER (1796 - 1863) 172 = t2 (18) ( I D + I K ) 2l + 2l mk s2 2 2 − FRD ) r − FRD ) r ( FE ( ( FE ( ( (( ( (( K1 K2 oder in übersichtlicherer Schreibweise mit den Hilfsgrößen K1 und K2: (19) 2 t= K1 + K 2 s 2 Frage 1: - Was für eine Funktion (Kurve) stellt Gl. (19) dar? (Hinweis: Kegelschnitte) Zur experimentellen Bestimmung der Lage der gesuchten Schwerpunktachse C mit Hilfe von Gl. (19) gehen wir folgendermaßen vor: Auf der Drehscheibe geben wir ein Koordinatensystem XY vor, dessen Ursprung wir in die Drehachse H legen (s. Abb. 2). Längs der y-Achse versehen wir die Drehscheibe mit einer Lochreihe. Auf dem Körper, für den wir die Lage der Schwerpunktachse suchen, bringen wir an beliebiger Stelle P einen Stift an. Stift und Lochreihe sind so ausgelegt, dass wir den Körper in y-Richtung auf der Drehscheibe verschieben können, ohne seine Orientierung bezüglich des Koordinatensystems XY dabei zu ändern (s. Anmerkung am Ende von Kap. 3.2). Nach dem Auflegen des Körpers auf die Drehscheibe habe der Punkt P (also der Stift) die Koordinaten (0, yP). Für den Abstand s der Schwerpunktachse C von der Drehachse H gilt dann: (20) s= ∆x 2 + ( yP − ∆y ) 2 y Probekörper P y yP C s H x x Abb. 2: Drehscheibe (gelb) mit Probekörper (weiß, Aufsicht). H ist die Drehachse, C die Schwerpunktachse des Probekörpers 4 und P der Punkt der Fixierung des Probekörpers in der vertikalen Lochreihe auf der Drehscheibe. s ist der Abstand zwischen C und H. Gemäß Gl. (19) hat die Fallzeit t für die beschleunigende Masse m dann ein Minimum, wenn s minimal ist, was nach Gl. (20) bei festem ∆x für yP = ∆y der Fall ist. 4 Beachte, dass die weiße Fläche die Aufsicht auf den Probekörper darstellt. Deshalb muss C nicht im Schwerpunkt der weißen Fläche liegen. 173 Verschieben wir demnach den Körper in y-Richtung auf der Drehscheibe und tragen wir jeweils die Fallzeit t über der Verschiebung yP auf, so können wir durch Minimumsuche in der entstehenden Kurve die Größe ∆y bestimmen. Auf analoge Weise lässt sich die Größe ∆x finden und wir können, ausgehend von dem willkürlich gewählten Punkt P, die Lage der gesuchten Schwerpunktachse angeben. 3 Versuchsdurchführung Zubehör: Drehscheibe auf Dreifuß, 5 Beschleunigungsgewichte (m = (1,00 ± 0,01) g) mit Teller (m gemäß Aufdruck, Fehler vernachlässigbar), Messingkreisscheibe mit Haltestiften, unregelmäßig geformter Probekörper mit Haltestiften, Netzgerät (PHYWE (0 - 15 / 0 - 30) V), Magnethalter, Stativmaterial für Magnethalter, Schalter, Lichtschranke, elektronischer Universalzähler, Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, Präzisionswasserwaage (Genauigkeit 0,1 mm auf 1 m), Waage, Metallmaßstab, Messschieber, Bremsstäbchen, Faden Achtung: Die Drehscheiben haben sehr empfindliche Präzisionslager, die bei unsachgemäßer Behandlung zerstört werden können. Drehscheiben nur vorsichtig mit dem Finger bewegen! Durch rechtzeitiges Abbremsen darauf achten, dass der Faden sich nicht im Lager verfängt! Abbremsen der Scheiben nur mit dem bereitliegenden Bremsstäbchen! Hinweis: Vor Praktikumsbeginn wurden die Drehscheiben von der technischen Assistenz mit Hilfe einer Präzisionswasserwaage exakt waagerecht ausgerichtet. 3.1 Trägheitsmoment einer Kreisscheibe Das Trägheitsmoment IK einer Messing-Kreisscheibe (Radius rK, Masse mK) bei Drehung um ihre Symmetrieachse C (Abb. 3) soll mit einer Anordnung gem. Abb. 1 bestimmt werden. Es berechnet sich gem. Gl. (14) zu: (21) IK= I − ID Um IK zu erhalten, muss mit Hilfe von Gl. (11) zunächst das Trägheitsmoment der leeren Drehscheibe (ID) und anschließend mit Hilfe von Gl. (16) das Trägheitsmoment von Drehscheibe und Messingscheibe zusammen (I) bestimmt werden. Dazu wird a) für die leere Drehscheibe b) für die Drehscheibe mit zentrisch aufgelegter Messingscheibe für 5 verschiedene Beschleunigungsgewichte die Fallzeit t (Mittelwert aus jeweils mindestens 4 Einzelmessungen) für eine vorgegebene Fallstrecke l (ausmessen!) gemessen. Die Fallzeit wird mit einem elektronischen Universalzähler gemessen. Der Zähler wird durch den Impuls gestartet, mit dem der Stift des Magnethalters zurückgezogen wird, der die Drehscheibe zunächst in der Ausgangsposition hält. Der Stoppimpuls für den Zähler wird durch eine Lichtschranke geliefert, durch die die Beschleunigungsgewichte am Ende der Strecke l fallen. ω rK C Abb. 3: Drehung einer Kreisscheibe mit Radius rK und Masse mK um ihre Symmetrieachse C. 174 Anschließend werden gem. Gl. (11) bzw. Gl. (16) für a) und b) in einem Diagramm jeweils FE über a/r2 aufgetragen und die Ausgleichsgeraden berechnet (r vorsichtig mit dem Metallmaßband messen) 5. Auf eine Fehlerrechnung für die einzelnen Werte von FE und a/r2 kann verzichtet werden. Aus den Parametern der Ausgleichsgeraden werden die Reibungskräfte FRD an der Drehscheibe sowie die Trägheitsmomente ID und I inkl. Fehler berechnet und daraus das Trägheitsmoment IK gem. Gl. (21), ebenfalls inkl. Fehler. Frage 2: - Wie lässt sich aus der Beziehung I = R 2 dm (siehe Kap. 1) das Trägheitsmoment I einer Kreis- ∫ scheibe mit der Masse mK und dem Radius rK bei Drehung um ihre Symmetrieachse C (s. Abb. 3) berechnen? Wie groß ist das theoretisch erwartete Trägheitsmoment für die benutzte Messingkreisscheibe (rK und mK messen!)? Woher rühren gegebenenfalls Abweichungen zwischen Theorie und Experiment? 3.2 Bestimmung der Lage einer Schwerpunktachse eines unregelmäßig geformten Körpers Gemäß der bei Gl. (18) - (20) gegebenen Erläuterungen soll die Lage einer zur Drehachse H parallel verlaufenden Schwerpunktachse C eines unregelmäßig geformten Probekörpers bestimmt werden. Dazu wird der am Körper montierte Stift nacheinander in 10 verschiedene Löcher der Lochreihe auf der yAchse der Drehscheibe eingesteckt und jeweils die Koordinate yP bestimmt 6. Für jede Position wird für eine Masse m jeweils die mittlere Fallzeit t (Mittelwert aus 4 Einzelmessungen) für eine vorgegebene Fallstrecke l gemessen. Anschließend wird t inkl. Fehlerbalken (Standardabweichung des Mittelwertes) über yP aufgetragen und grafisch der Wert ∆y ermittelt, bei dem t ein Minimum hat. Alternativ kann die Lage des Minimums von t über einen nichtlinearen Funktionsfit 7 gewonnen werden. Als Zielfunktion dient dabei gem. Gl. (19): (22) = t K1 + K 2 ( yP − ∆y ) 2 mit den Fitparametern K1, K2 und ∆y. Dieser Fit liefert direkt den Wert yP = ∆y, für den die Fallzeit t minimal ist. Auf analoge Weise ließe sich ∆x bestimmen und mit Hilfe beider Größen die Lage des Schwerpunktes C in der xy-Ebene relativ zum Punkt P angeben. Wir wollen es aus Zeitgründen jedoch bei der Messung des Abstandes ∆y zwischen P und C belassen. Anmerkung: Um zu gewährleisten, dass sich die Orientierung des Probekörpers beim Verschieben längs der yAchse nicht ändert, sind an dem Körper zwei Haltestifte angebracht. Es muss daher vorab festgelegt werden, welcher der beiden Stifte den Ort des Punktes P markieren soll. 5 6 7 Die Beschleunigung a liegt in der Größenordnung von 10-2 ms-2 und ist damit klein gegenüber g. Für FE nach Gl. (10) ergeben sich deshalb für die Fälle a) und b) nur kleine Unterschiede. Der Abstand zweier Löcher auf der Drehscheibe beträgt 10 mm (fehlerfrei). Nichtlineare Funktionsfits werden in Teil II des Grundpraktikums im SoSe behandelt, siehe http://physikpraktika.uni-oldenburg.de/download/GPR/pdf/Nichtlineare_Fits.pdf. Die Anwendung hier ist freiwillig. 175 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Impuls- und Energieerhaltungssatz Stoßgesetze Stichworte: Impulserhaltung, Energieerhaltung, elastische, inelastische und vollkommen inelastische Stöße, Stoßgesetze, Laborsystem, Schwerpunktsystem, Streuwinkel Messprogramm: Messung von Geschwindigkeiten auf der Grundlage der Impulserhaltung, Analyse von schiefen elastischen Stößen auf einem Luftkissentisch. Literatur: /1/ ALONSO, M., FINN, E. J.: „Fundamental University Physics, Vol. 1: Mechanics“, Addison-Wesley Publ. Comp., Reading (Mass.) u.a. /2/ STÖCKER, H.: „Taschenbuch der Physik“, Harri Deutsch, Frankfurt /3/ GERTHSEN, C. u.a.: „Physik“, Springer-Verlag, Berlin u.a. 1 Einleitung Im Folgenden sind zwei Versuche beschrieben, die zum Verständnis des Impuls- und Energieerhaltungssatzes beitragen sollen. Insbesondere soll deutlich werden, dass der Erhalt des Impulses (Vektor, dessen Betrag proportional zur Geschwindigkeit ist) und der Erhalt der kinetischen Energie (Skalar, der proportional zum Quadrat der Geschwindigkeit ist) zwei völlig unterschiedliche Dinge sind. 2 Versuch I: erhaltung Messung von Geschwindigkeiten auf der Grundlage der Impuls- Sollen große Geschwindigkeiten kleiner Körper im Labor direkt gemessen werden, so ist dafür ein recht großer und entsprechend teurer apparativer Aufwand erforderlich. Einfache Lichtschranken, wie sie im Praktikum verwendet werden, reagieren beispielsweise zu langsam, als dass sie für solche Messungen eingesetzt werden könnten. Vielmehr würden Fotodetektoren benötigt, die über ein „schnelles Ansprechverhalten“ verfügen, d. h. Impulse mit großer Flankensteilheit liefern, die von entsprechend „schnellen“ elektronischen Zählern oder Speicher-Oszilloskopen weiter verarbeitet werden müssten. Da solche Geräte im Praktikum nicht zur Verfügung stehen, müssen wir uns eines Tricks bedienen: Die schnelle Bewegung des kleinen Körpers wird in die langsame Bewegung eines großen Körpers umgesetzt. Im folgenden Versuch wird dieses Verfahren eingesetzt, um die Mündungsgeschwindigkeit von Luftgewehrkugeln zu bestimmen. 1 2.1 Theorie Eine Kugel der Masse m fliege mit der Geschwindigkeit v auf einen ruhenden Klotz der Masse M (Abb. 1). Die Kugel bewege sich auf der Verbindungslinie der Schwerpunkte von Kugel und Klotz; beide treffen also zentral aufeinander. Der Klotz sei so beschaffen, dass nach dem Stoß Kugel und Klotz mit der 1 Da wir das Luftgewehr weniger als Waffe, sondern vielmehr als Jahrmarktsartikel ansehen, ist sein Einsatz im Praktikum vertretbar, zumal es der billigste Apparat ist, mit dem ausreichend hohe und hinreichend reproduzierbare Geschwindigkeiten erzeugt werden können. 176 gemeinsamen Geschwindigkeit u weiterfliegen. Es handelt sich demnach um einen total inelastischen Stoß. Frage 1: - Was kennzeichnet einen elastischen, was einen inelastischen, was einen total inelastischen Stoß? Der Impulserhaltungssatz kann in diesem Fall des zentralen Stoßes in skalarer Form geschrieben werden: (1) mv = ( M + m)u Mit Berücksichtigung der beim inelastischen Stoß in Verformung und Wärme umgesetzten Energie D lautet der Energieerhaltungssatz: (2) 1 2 1 mv = ( M + m)u 2 + D 2 2 Frage 2: - Wie sähen Impuls- und Energieerhaltungssatz im Falle eines elastischen Stoßes aus? Aus Gleichung (1) kann die gesuchte Geschwindigkeit v ermittelt werden, wenn M, m und u bekannt sind. M und m lassen sich durch einfache Wägung ermitteln. Um u zu bestimmen, muss man eine möglichst reibungsarme Bewegung des Klotzes erreichen, etwa durch Verwendung einer Luftkissenbahn. Wir wollen jedoch einen weniger aufwändigen Weg gehen: Der Klotz wird an einem langen Faden der Länge l aufgehängt, so dass er nach dem Stoß Pendelbewegungen ausführt (Abb. 1). Vernachlässigen wir Reibungseffekte, so ist die maximale kinetische Energie des Klotzes gleich seiner maximalen potentiellen Energie, also: a/2 l h a/2 M u v m s Abb. 1: Zentraler Stoß zwischen einer Kugel (rot) der Masse m und Geschwindigkeit v und einem Pendelkörper (beige) der Masse M, der nach dem Stoß die Ruhelage mit der Geschwindigkeit u verlässt. Übrige Bezeichnungen siehe Text. (3) 1 ( M + m)u 2 =( M + m) gh 2 Dabei ist u die Geschwindigkeit, mit der der Klotz die Ruhelage verlässt, h die maximale vertikale Auslenkung des Klotzes aus der Ruhelage und g die Erdbeschleunigung. Für kleine Pendelausschläge um den Winkel a ist tana ≈ a und es gilt gem. Abb. 1: 177 (4) a h a tan = ≈ 2 s 2 wobei s die maximale horizontale Auslenkung des Körpers aus der Ruhelage ist. Für l >> s gilt ferner: (5) s l α≈ Setzen wir Gl. (4) und Gl. (5) in Gl. (3) ein, so erhalten wir: (6) u2 ≈ g 2 s l Für die Schwingungsdauer T des Pendels benutzen wir den für kleine Auslenkungswinkel a geltenden Zusammenhang: (7) T = 2π l g Lösen wir Gl. (7) nach g/l auf und setzen das Ergebnis in Gl. (6) ein, so erhalten wir: (8) u≈ 2π s T Schließlich setzen wir Gl. (8) in Gl. (1) ein und erhalten die gesuchte Beziehung zur Bestimmung der Geschwindigkeit v aus den Messgrößen m, M, s und T: M + m 2π ⋅ s m T (9) v≈ 2.2 Versuchsdurchführung Zubehör: Luftgewehr in justierbarer Halterung, Schutzvorrichtung, Justierstab, Luftgewehrkugeln, bifilar aufgehängter Pendelkörper, U-Schiene mit Skalierung und verschiebbarem Stäbchen zur Messung des horizontalen Pendelausschlags, Stativ, Stoppuhr, Laborwaage, Folie, Tesafilm, doppelseitiges Klebeband. Bei diesem Versuch muss mit größter Vorsicht gearbeitet werden. Immer darauf achten, dass niemand in die Schussbahn gerät! Bei geöffnetem Gewehr niemals den Abzug betätigen! Vor Auslösung des ersten Schusses BetreuerIn informieren! Zunächst werden die mittlere Kugelmasse m aus der Wägung von 10 Kugeln und die Masse M des Pendelkörpers bestimmt. Anschließend wird das Gewehr mit Hilfe eines in den Lauf einschiebbaren Justierstabes so ausgerichtet, dass die Kugeln den Pendelkörper in der Mitte treffen. Nur dann ist ein zentraler Stoß gewährleistet. Andernfalls würde der Pendelkörper zusätzliche Dreh- und Kippbewegungen ausführen und Gl. (9) würde nicht mehr gelten. Die Gewehrmündung soll ca. 15 cm Abstand vom ruhenden Pendelkörper haben. Auf der gegenüberliegenden Pendelkörperseite wird ebenfalls mittig eine U-Schiene mit verschiebbarem Stäbchen zur Messung des Maximalausschlags s angebracht. Die Schiene wird so montiert, dass Pendelausschläge von bis zu 10 cm gemessen werden können. Nun wird 15-mal geschossen und jeweils der Maximalausschlag s inkl. Größtfehler ∆s sowie die Schwingungsdauer T gemessen. T wird mit der 178 Stoppuhr als Mittelwert über je 10 Schwingungsperioden ermittelt, der Größtfehler ∆T wird aus der Genauigkeit der Zeitmessung (Drücken der Stoppuhr) abgeschätzt. Bei dem beschriebenen Vorgehen nähme die Masse M des Pendelkörpers bei jedem Schuss um m zu, wir hätten es also bei jedem Schuss mit anderen Versuchsbedingungen zu tun. Wir werden dies dadurch umgehen, dass wir die noch nicht verschossenen Kugeln jeweils auf den Pendelkörper auflegen (Fixierung mit doppelseitigem Klebeband symmetrisch um die Mittenachse) und somit die Masse des Pendelkörpers konstant halten. Gl. (9) lautet dann: (10) v≈ M + 15 m 2π ⋅ s m T Nach Gl. (7) würde es prinzipiell reichen, T einmal zu messen, da l sich von Schuss zu Schuss nicht ändert. Um mögliche Fehler, z.B. durch falsche Zählung der Schwingungsperioden u.a. zu vermeiden, soll T dennoch bei jedem Schuss bestimmt werden. Für jeden Schuss (Nr. i) wird die Geschwindigkeit vi inkl. Größtfehler ∆vi berechnet. vi wird mit Fehlerbalken über i aufgetragen. Der Mittelwert v und seine Standardabweichung werden berechnet und in Form horizontaler Linien mit in das Diagramm eingetragen. Abschließend werden die kinetischen Energien vor und nach dem Stoß berechnet (Gl. (2)). Für v wird der Mittelwert v verwendet. u wird mit Gl. (8) bestimmt, wobei für s und T die Mittelwerte aus den Einzelwerten si und Ti eingesetzt werden. Frage 3: - Wie lässt sich das Ergebnis mit Hilfe von Gl. (2) interpretieren? Um was für einen Stoß handelt es sich demnach? 3 Versuch II: Schiefe elastische Stöße auf einem Luftkissentisch Nachdem wir uns im ersten Versuch mit zentralen Stößen beschäftigt haben, bei denen die stoßenden Körper in direkten mechanischen Kontakt getreten sind, wollen wir nun schiefe elastische Stöße unter dem Einfluss von magnetischen Wechselwirkungskräften betrachten, bei denen die Körper sich nicht berühren. Berührungslose Stöße zwischen Teilchen unter dem Einfluss von Wechselwirkungskräften spielen in der Atom-, Kern- und Teilchenphysik eine große Rolle. Wir wollen sie auf einem Luftkissentisch simulieren. 3.1 Theorie Wir betrachten gem. Abb. 2 vom Ursprung eines ruhenden Koordinatensystems XY aus zwei Körper mit den Massen m1 und m2, die sich mit den Geschwindigkeiten v1 und v2 unter beliebigem Winkel aufeinander zubewegen (schiefer Stoß, dadurch gekennzeichnet, dass sich die Schwerpunkte der beiden Körper nicht längs einer gemeinsamen Linie bewegen). Der Impuls- und der Energieerhaltungssatz lassen sich im Koordinatensystem XY recht einfach hinschreiben. Sollen jedoch zusätzlich Aussagen über Streuwinkel (s.u.) gemacht werden, wird die Rechnung deutlich einfacher, wenn man in ein Koordinatensystem XsYs übergeht, dessen Ursprung im gemeinsamen Schwerpunkt S der beiden Körper liegt. Ein solches Koordinatensystem heißt Schwerpunktsystem. Der Index „ s “ wird im Folgenden für alle Größen im Schwerpunktsystem verwendet. Vom Koordinatensystem XY aus betrachtet bewegt sich der Schwerpunkt S und damit das Koordinatensystem XsYs mit der Geschwindigkeit: 179 (11) u= m1 v1 + m2 v 2 m1 + m2 Hat ein Körper im Schwerpunktsystem XsYs die Geschwindigkeit vs, so lässt sich seine Geschwindigkeit v im Koordinatensystem XY durch einfache Vektoraddition berechnen: (12) = v vs + u und damit: (13) v s= v − u Von XsYs aus betrachtet haben m1 und m2 vor dem Stoß folgende Geschwindigkeiten: m2 m1 + m2 (14) v s 1 = v1 − u = ( v1 − v 2 ) (15) v s 2 =v 2 − u =− ( v1 − v 2 ) m1 m1 + m2 Die Geschwindigkeiten sind also im Schwerpunktsystem immer entgegengesetzt gerichtet. y ys v1 u m1 v2 S m2 xs x Abb. 2: Schiefer Stoß der Massen m1 und m2 im Koordinatensystem XY. Übrige Bezeichnungen siehe Text. Durch Multiplikation der Geschwindigkeiten mit den Massen erhalten wir aus Gl. (14) und (15) für die Impulse vor dem Stoß im Schwerpunktsystem: (16) (17) = p s 1 µ ( v1 − v 2 ) − µ ( v1 − v 2 ) ps2 = wobei wir der Einfachheit halber die reduzierte Masse µ eingeführt haben: 180 (18) m= m1m2 m1 + m2 Die Impulse sind im Schwerpunktsystem demnach ebenfalls immer entgegengesetzt gerichtet und darüber hinaus betragsmäßig gleich (Abb. 3). Es gilt: (19) ps 1 = ps 2 oder in anderer Schreibweise ps 1 = ps 2 Aus Gl. (16), (17) und (19) folgt: (20) ps 1 + ps 2 = 0 Aus Gründen der Impulserhaltung muss Gl. (20) auch nach dem Stoß gelten (wir werden im folgenden den Hochindex „´“ für alle Größen nach dem Stoß benutzen). Damit folgt: (21) p′s 1 + p′s 2 = 0 bzw. (22) p′s 1 = p′s 2 oder in anderer Schreibweise ps′ 1 = ps′ 2 ys ps1 p's2 xs p's1 ps2 Abb. 3: Impulsverlauf beim elastischen Stoß zweier Körper im Schwerpunktsystem XsYs. Die Impulse vor dem Stoß (grün) und nach dem Stoß (rot) sind paarweise entgegengesetzt gerichtet und von gleichem Betrag. Betrachten wir nun den elastischen Stoß. Er ist durch die Erhaltung der kinetischen Energie gekennzeichnet: (23) 1 1 1 1 m1vs 12 + m2vs 2 2 = m1vs′ 12 + m2vs′ 2 2 2 2 2 2 Gl. (23) lässt sich mit den Beträgen der Impulse auch in dieser Form schreiben: (24) p s 12 m1 + ps 2 2 m2 = ps′ 12 m1 + ps′ 2 2 m2 181 Setzen wir Gl. (19) und (22) in Gl. (24) ein, so sehen wir, dass in diesem Fall zusätzlich die Impulsbeträge im Schwerpunktsystem vor und nach dem Stoß gleich sein müssen: (25) ′ p= p= p= ps′ 2 s1 s2 s1 Das wiederum bedeutet für die Beträge der Geschwindigkeiten: ′ (26) = vs 1 v= vs 2 vs′ 2 s1 Der Streuwinkel θ ist per Definition der Winkel zwischen dem Impulsvektor (oder Geschwindigkeitsvektor) eines Körpers vor und nach dem Stoß. In unserem Falle gilt im Schwerpunktsystem für θs gemäß Abb. 4: θs sin (27) = 2 v 's 1 − v s 1 = 2 v 's 1 v 's 2 − v s 2 2 v 's 2 Diese Gleichung darf nicht in dem Sinne missverstanden werden, dass mit ihr a priori eine Berechnung des Streuwinkels θs möglich wäre. Das würde die Kenntnis der Richtung der Impulse bzw. Geschwindigkeiten nach dem Stoß voraussetzen. Diese Richtung ist jedoch z.B. von der genauen Form der Körper und ihrer Lage beim Stoß abhängig und daher i. Allg. nicht exakt vorhersehbar. (Das heißt nicht, dass es nicht eine Reihe von idealisierten Spezialfällen gibt, in denen eine Berechnung möglich ist.) p'1 θ vs1 p1 θs v's1 φ θ s/2 v's1 p'2 vs1 Abb. 4: Zur Definition des Streuwinkels θs zwischen den Geschwin-digkeitsvektoren vor (grün) und nach (rot) dem Stoß im Schwerpunktsystem. Abb. 5: Zur Definition der Streuwinkel θ und φ der Impulsvektoren vor (grün) und nach (rot) dem Stoß im XY-Koordi-natensystem (Sonderfall p2 = 0). Die Berechnung des Streuwinkels θ im Koordinatensystem XY ist wesentlich komplizierter. Wir wollen uns auf den einfachen Spezialfall des schiefen, elastischen Stoßes beschränken, bei dem der eine Körper vor dem Stoß in Ruhe ist (v2 = 0; s. Abb. 5). Der Impulserhaltungssatz liefert dann: (28) p= p1′ + p′2 1 bzw. ′2 p1 − p1′ p= Bilden wir das Quadrat vom rechten Term in Gl. (28), so erhalten wir (29) p2′ = ( p1 − p1′ ) = p1 + p1′ − 2 p1 p1′ cos θ und damit 2 2 2 2 182 p + p1′ − p2′ θ = arccos 1 2 p1 p1′ 2 (30) 2 2 Abschließend betrachten wir im Koordinatensystem XY den Winkel φ zwischen den Geschwindigkeitsoder Impulsvektoren der beiden Körper nach dem Stoß für den Fall v2 = 0 und zusätzlich m1 = m2. Für die Impulserhaltung gilt wieder Gl. (28): (31) p= p1′ + p′2 1 und damit (32) p12 = ( p1′ + p′2 ) = p1′2 + p2′ 2 + 2p1′p′2 2 Aus dem Energieerhaltungssatz folgt in diesem Fall für den elastischen Stoß: (33) p= p1′ + p2′ 1 2 2 2 Gl. (32) und (33) zusammen ergeben die Bedingung (34)= 2 p1′p′2 2= p1′ p2′ cos φ 0 Diese Gleichung ist für φ = 90° erfüllt. Die Geschwindigkeits- bzw. Impulsvektoren der beiden Körper nach dem Stoß stehen in diesem Fall (m1 = m2, v2 = 0) also senkrecht aufeinander. 3.2 Versuchsdurchführung Zubehör: Luftkissentisch mit Zubehör (Gebläse, Pucks), Stroboskoplampe, Fotodetektor, Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, Digital-Kamera NIKON D90, Kabelauslöser für Digital-Kamera, PC mit Bildverarbeitungs-Software Photoshop, Stativmaterial, Wasserwaage, Laborwaage, Becherglas, Metallmaßband Achtung: Die Pucks dürfen auf dem Tisch grundsätzlich nur bei eingeschalteter Luftzufuhr bewegt werden! Vor Versuchsbeginn wurde der Luftkissentisch durch die technische Assistenz so ausgerichtet, dass aufgesetzte Pucks in dem Bereich, in dem gemessen werden soll, keine Beschleunigung erfahren. Auf einem Luftkissentisch, auf dem spezielle Pucks sich nahezu reibungsfrei bewegen können, wollen wir den schiefen, elastischen Stoß zwischen zwei sich abstoßenden, magnetischen Pucks untersuchen, und zwar a) für den Fall m1 ≈ m2, v2 ≈ 0 und b) für den Fall m1 ≠ m2, v1 ≠ 0, v2 ≠ 0 Um die Bahn der Pucks verfolgen und später quantitativ auswerten zu können, wird der Versuchsablauf unter Stroboskopbeleuchtung mit einer Digital-Kamera fotografiert. Abb. 6 zeigt ein Beispiel. Aus räumlichen Gründen muss die Aufnahme über einen Spiegel erfolgen. Hierdurch kommt es zu Verzerrungen bei der Abbildung, die später korrigiert werden. 183 Abb. 6: Beispiel der Aufnahme von Puckbewegungen auf dem Luftkissentisch unter Stroboskopbeleuchtung für den Fall b). Links sind die Hände der Person zu erkennen, die die Pucks gestartet hat. Die Kamera wird wie folgt eingestellt: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. Kleiner Drehschalter: ON Großer Drehschalter: M (manueller Modus) Schiebeschalter am Objektiv: M (manueller Modus) Belichtungszeit: Bulb (Belichtung erfolgt so lange, wie der Auslöser gedrückt wird) Blende: ca. F5.6 Empfindlichkeit: ISO 400 Bildgröße: M (3216 x 2136 Pixel) Bildqualität: Fine Vergrößerung (Zoom): großer Drehring am Objektiv auf 18 (Minimum) Scharfstellung: kleiner Drehring am Objektiv Die Einstellungen 2 - 10 wurden vor Versuchsbeginn von der technischen Assistenz vorgenommen. Sie dürfen nicht verändert werden. Die Stroboskoplampe wird auf die weiße Wand hinter dem Luftkissentisch gerichtet, so dass der Tisch durch das diffus gestreute Licht indirekt beleuchtet wird. Im Sucher der Kamera soll der Tisch möglichst gleichmäßig ausgeleuchtet erscheinen. Gegebenenfalls muss dazu die Ausrichtung der Stroboskoplampe verändert werden. Die Frequenz der Stroboskoplampe muss dem Versuchsablauf derart angepasst werden, dass die verschiedenen Puckpositionen auf dem Kamerabild später deutlich zu unterscheiden sind. Sie wird mit Hilfe eines Fotodetektors und eines Digital-Oszilloskops gemessen, da sie für die quantitative Auswertung der Versuchsdaten benötigt wird. Die Massen der Pucks werden auf der Laborwaage gewogen (großes Becherglas unterstellen, da die Magnetfelder der Pucks andernfalls die Waage beeinflussen!). Die Pucks werden per Hand gestartet; im Fall a) muss der zweite Puck bis zum Start des ersten Pucks gegebenenfalls vorsichtig festgehalten werden. Zur Aufzeichnung der Puckbahnen wird der Kabelauslöser der Kamera gedrückt und festgehalten. Ca. 1 s später (Auslöseverzögerung der Kamera) werden die Pucks gestartet. Der Kabelauslöser wird wieder losgelassen, kurz bevor die Pucks die Tischränder erreichen. Für den Fall a) und b) soll je eine gelungene Aufnahme quantitativ ausgewertet werden. Dazu wird die Kamera über ein USB-Kabel mit dem PC verbunden. Die Bilder sind anschließend unter NIKON D90\DCIM\... zu finden und werden von dort in das persönliche Verzeichnis O:\GPRxx\Name übertragen. Anschließend werden sie von der Kamera gelöscht. Vor der weiteren Auswertung müssen die Bilder zunächst entzerrt werden (s.o.). Dies geschieht mit Hilfe des Matlab-Skriptes GPRTools, dort Option Equalize Image. Anschließend werden die x/yKoordinaten der Puckpositionen auf den Bildern z.B. mit dem Programm Photoshop ermittelt: im Fenster Navigator des Programms (gegebenenfalls öffnen mit → Fenster → Navigator) werden unter 184 Info die aktuellen Koordinaten des Mauszeigers in Bildschirmeinheiten (Pixel-Nummern) angezeigt 2. Alternativ kann auch das Programm Microsoft Photo Editor genutzt werden, bei dem die Pixelkoordinaten in der unteren Statuszeile angezeigt werden. Mit Hilfe des Abbildungsmaßstabs M, = M (35) Bildgröße Pixel = ; [M ] Objektgröße m lassen sich die Bildschirmkoordinaten (in Pixeln) in Tischkoordinaten (in m) umrechnen. Zur Bestimmung von M wird der Durchmesser eines Pucks mit dem Messschieber gemessen und auf dem Bild in Pixeln ermittelt. Für die Auswertung der Experimente sollen die Impulsvektoren der Pucks als Spaltenvektoren vor und nach dem Stoß angegeben werden, also in der Form: (36) px p= py Zusätzlich soll ein Vektordiagramm angelegt werden, in das die Impulse vor und nach dem Stoß sowie ihre Summen eingezeichnet werden (siehe Anhang, Kap. 4). Um die Auswertung nicht zu aufwändig zu machen, kann hier auf eine Fehlerrechnung verzichtet werden. Es reicht eine plausible Abschätzung der Größtfehler für die einzelnen Impulskomponenten. Anhand eines Beispiels wollen wir zeigen, dass die Versuchsauswertung mit Hilfe des Programms Matlab sehr einfach ist. Nehmen wir an, die Mitte von Puck 1 (Masse m1 = 0,2 kg) habe vor dem Stoß zur Zeit t die Bildschirmkoordinaten x11 = 210, y11 = 320 (s. Abb. 7). n Stroboskopblitze später, also zur Zeit t + nT (T: Periodendauer des Stroboskops, hier sei T = 0,1 s und n = 1) seien die Koordinaten des Mittelpunktes von Puck 1 x12 = 345, y12 = 275. Eine Länge von l = 0,1 m auf dem Tisch möge einer Anzahl von L = 350 Pixeln entsprechen. Der Abbildungsmaßstab ist demnach: M= L 350 Pixel = l 0,1 m In Matlab wird ein neues M-File geöffnet. Zunächst werden dort die Versuchsparameter in SI-Einheiten eingegeben (Erinnerung: das Semikolon am Ende der Zeile verhindert die Ausgabe im CommandWindow von Matlab): T = 0.1; n = 1; m1 = 0.2; M = 350/0.1; x11 = 210; y11 = 320; x12 = 345; y12 = 275; 2 Sollte die Anzeige nicht in Pixelnummern erfolgen, muss wie folgt vorgegangen werden. Mauszeiger im Navigator-Fenster auf Navigator → rechte Maustaste → Bedienfeldvoreinstellungen → Maßeinheiten und Lineale → Maßeinheiten Lineale → Pixel → OK. 185 y Pos. 1 y11 Pos. 2 y12 r11 r12 x11 x12 x Abb. 7: Definition von Größen zur Kennzeichnung der Position von Puck 1 zum Zeitpunkt t (Pos. 1) und zum Zeitpunkt t + nT (Pos. 2). r11 und r12 sind die Ortsvektoren zur Beschreibung der Puckposition. Nun berechnen wir die Ortsvektoren der beiden Positionen von Puck 1 vor dem Stoß. r11 ist der Ortsvektor zur Zeit t, r12 der Ortsvektor zur Zeit t + nT. Die Ortsvektoren geben wir als Spaltenvektoren an (Matlab-Notation: [x-Komponente; y-Komponente]) und lassen sie auf dem Bildschirm ausgeben (deshalb kein Semikolon am Zeilenende): r11 = [x11;y11]/M r12 = [x12;y12]/M Daraus ergibt sich der Impulsvektor p1 für Puck 1 vor dem Stoß ebenfalls als Spaltenvektor: p1 = m1*(r12 - r11)/(n*T) In Zahlen ergibt sich für das genannte Beispiel: 0,0771 -1 p1 = kg m s -0,0257 Analog lassen sich der Impuls von Puck 2 vor dem Stoß (p2) und die Impulse beider Pucks nach dem Stoß (p1’ und p2’) berechnen (in Matlab schreiben wir z. B. p1s für p1’, wobei „s“ für „Strich“ steht). Daraus ergeben sich die Gesamtimpulse vor und nach dem Stoß (p und p’): p = p1 + p2 ps = p1s + p2s und es lässt sich einfach überprüfen, ob die Impulsdifferenz ∆p null ist: delta_p = p - ps Um zu überprüfen, ob im Versuchsteil a) die Impulse p1’ und p2’ senkrecht aufeinander stehen, berechnet man ihr Skalarprodukt (hier sk genannt) mit dem Matlab-Befehl dot: sk = dot(p1s,p2s) Für einen Winkel von φ = 90° zwischen beiden Vektoren muss sk = 0 sein. Weicht der Wert des Skalarproduktes von Null ab, lässt sich φ aus dem Wert für sk berechnen, denn es gilt bekanntlich für das Skalarprodukt: 186 (37) sk = p1' p '2 = p1' p '2 cos φ und damit (38) sk φ = arccos ' ' p1 p 2 Der Betrag eines Vektors (seine „Norm“) wird in Matlab mit der Funktion norm berechnet. Gl. (38) lautet daher in Matlab-Notation: (38) phi = acos(sk/(norm(p1s)*norm(p2s))) Nachdem alle Eingaben getätigt wurden, wird das M-File gespeichert (z.B. unter dem Namen impuls.m im Pfad O:\GPRxx\Mueller_Meier\Impulserhaltung\) und anschließend über das Matlab-CommandWindow mit dem Befehl run impuls gestartet. Alternativ lässt sich das Speichern und Starten auch durch Klick auf das Symbol (Save and Run) im Matlab-Editor-Fenster durchführen. Frage 4: - Ist der Impulserhaltungssatz jeweils erfüllt? Bleibt die kinetische Energie in beiden Fällen erhalten? Wie lassen sich mögliche Abweichungen erklären? - Der Streuwinkel φ wird nur für den Fall a) bestimmt. Wie groß ist er? Stimmt das Ergebnis mit den theoretischen Erwartungen nach Gl. (34) überein? Falls nein - was könnten die Ursachen sein? 4 Anhang 2D-Vektordiagramme lassen sich mit Matlab mit Hilfe des Befehls quiver einfach zeichnen. Der Befehl hat das Format quiver(a,b,u,v,s). Dabei sind a und b die Koordinaten des Startpunktes des Vektors, u und v seine x- und y-Komponenten und s ein Skalierungsfaktor Abb. 8 zeigt als Beispiel ein Matlab-Skript zur Erzeugung des Impulsdiagramms aus Abb. 9 mit den Vektoren p1 und p2 und deren Summe p. clear close('all','hidden') % Example: momenta before the collision p1=[1;1.5]; % Nomenclature: [x-component;y-component]. Arbitrary units (a.u.) p2=[-0.5;1]; p=p1+p2; % Sum of momenta before the collision figure % Plot momentum p1 without scaling (s=0), colour blue ('b') s=0; quiver(0,0,p1(1),p1(2),s,'b') axis([-3 3 -3 3]); axis square % Set axis range and axis aspect ratio 1:1 hold on % Plot momenta p2, p in the same diagram in black ('k') and red ('r') quiver(p1(1),p1(2),p2(1),p2(2),s,'k') quiver(0,0,p(1),p(2),s,'r') hold off set(gca,'FontName','times','FontSize',16) % Set axis font and fontsize grid on xlabel ('{\itp_x} / a.u.'); ylabel ('{\itp_y} / a.u.'); legend('{\itp}_1','{\itp}_2','\itp') Abb. 8: Matlab-Skript zur Erzeugung des Impulsdiagramms aus Abb. 9. 187 Abb. 9: Beispiel eines mit Matlab gezeichneten Vektordiagramms. 188 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Erzwungene mechanische Schwingungen Stichworte: HOOKEsches Gesetz, harmonische Schwingung, harmonischer Oszillator, Eigenfrequenz, gedämpfter harmonischer Oszillator, Resonanz, Amplitudenresonanz, Energieresonanz, Resonanzkurven Messprogramm: Messung der Amplitudenresonanzkurve und der Phasenkurve für starke und schwache Dämpfung. Literatur: /1/ DEMTRÖDER, W.: „Experimentalphysik 1 – Mechanik und Wärme“, Springer-Verlag, Berlin u.a. /2/ TIPLER, P. A.: „Physik“, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg u.a. 1 Einleitung Ziel dieses Versuches ist es, an einem einfachen mechanischen Modell die Eigenschaften eines so genannten „harmonischen Oszillators“ zu studieren. Solche harmonischen Oszillatoren werden uns in verschiedenen Teilgebieten der Physik wieder begegnen, so z.B. in der Elektrodynamik (siehe Versuch „Elektromagnetischer Schwingkreis“) und der Atomphysik. Auf das Verständnis dieses Versuches, insbesondere die Bedeutung der Amplitudenresonanz- und Phasenkurven sollte daher größter Wert gelegt werden. 2 Theorie 2.1 Ungedämpfter harmonischer Oszillator Wir betrachten eine Anordnung gem. Abb. 1, bei der eine Kugel der Masse mK vertikal (x-Richtung) an einer Feder aufgehängt ist. Reibungseffekte seien zunächst vernachlässigt. In der Ruhelage der Kugel herrscht Gleichgewicht zwischen der nach unten gerichteten Gewichtskraft und der nach oben gerichteten rücktreibenden Federkraft; der Kugelmittelpunkt befinde sich dann in der Stellung x = 0. Eine Auslenkung der Kugel um x aus der Gleichgewichtslage führt zu einer zu x proportionalen rücktreibenden Federkraft FR, die x entgegen gerichtet ist: (1) FR − − x Bezeichnen wir die Proportionalitätskonstante (Elastizitäts- oder Federkonstante oder Richtgröße) mit D, so wird aus Gl. (1) das bekannte HOOKEsche Gesetz 1: (2) FR = − D x Nach dem Auslenken und Loslassen der Kugel führt die rücktreibende Kraft zu einer Beschleunigung a der Kugel. Nach dem zweiten NEWTONschen Gesetz (3) 1 FR = mK a ROBERT HOOKE (1635 – 1703) 189 folgt daher in Kombination mit Gl. (2): (4) mK a = mK d2 x = mK x= −D x d t2 (t: Zeit) wobei die drei linken Terme lediglich verschiedene Schreibweisen des Zusammenhangs Kraft = Masse × Beschleunigung darstellen. Gl. (4) ist die wichtige Differentialgleichung (DGL, auch Bewegungsgleichung genannt), mit der alle Systeme beschrieben werden können, die auf eine Auslenkung aus der Ruhe- oder Gleichgewichtslage mit einer rücktreibenden Kraft reagieren, die proportional zur Größe der Auslenkung ist. Solche Systeme werden uns in den verschiedenen Gebieten der Physik immer wieder begegnen. -x 0 mk +x Abb. 1: Masse/Feder-System. Uns interessiert, welche Bewegung die Kugel ausführt, wenn sie einmal aus der Ruhelage ausgelenkt und losgelassen wird, wobei die Anfangsgeschwindigkeit v der Kugel zum Zeitpunkt des Loslassens null sein möge. Wir suchen also die Funktion x(t), die eine Lösung der Differentialgleichung (4) unter der Bedingung v(t = 0) = 0 ist. Für die Funktion muss gelten, dass sie, bis auf Vorfaktoren, gleich ihrer zweiten zeitlichen Ableitung sein muss. Wir versuchen deshalb die Lösung mit einer Funktion x(t), die eine so genannte harmonische Schwingung (harmonische Oszillation) beschreibt: (5) = x ( t ) x0 cos (ω t + ϕ ) Dabei ist x0 die Amplitude, (ω t + ϕ) die Phase, ϕ die Anfangsphase und ω die Eigenkreisfrequenz der Schwingung (vgl. Abb. 2). Durch Einsetzen von Gl. (5) in Gl. (4) und Ausführung der zweimaligen Differentiation nach der Zeit t erhalten wir: (6) − mK ω 2 x0 cos (ω t + ϕ ) = − D x0 cos (ω t + ϕ ) Daraus folgt der Wert für ω, für den Gl. (5) eine Lösung von Gl. (4) ist: (7) = ω D =: ω0 mK Die Kugel führt demnach nach dem Loslassen Schwingungen mit der Eigenkreisfrequenz ω0 durch. Da wir Reibungsfreiheit vorausgesetzt hatten, bleibt die Amplitude x0 der Schwingung konstant. Sowohl x0 als auch die Anfangsphase ϕ sind freie Parameter, die so gewählt werden müssen, dass Gl. (5) dem zu be- 190 schreibenden Vorgang „angepasst“ ist, d.h. dass Gl. (5) die beobachtete Bewegung mit richtiger Amplitude und Anfangsphase wiedergibt. Gleichung (7) gilt nur für den Fall, dass die Masse der Feder, mF , gegenüber der Masse mK der Kugel vernachlässigbar ist. Ist dies nicht der Fall, so müssen wir berücksichtigen, dass nach dem Auslenken und Loslassen der Feder deren einzelne Massenelemente ebenfalls mitschwingen. Die Schwingungsamplitude dieser Massenelemente ist jedoch unterschiedlich: sie nimmt vom Wert null am Aufhängepunkt der Feder bis auf den Wert x0 am Ende der Feder zu. Eine genaue Rechnung 2 zeigt, dass das Mitschwingen der einzelnen Massenelemente mit unterschiedlicher Amplitude gleichbedeutend ist mit dem Mitschwingen eines Drittels der gesamten Federmasse mit der Amplitude x0. Die korrekte Gleichung für die Eigenkreisfrequenz der Feder lautet daher: (8) = ω0 D =: 1 mK + mF 3 D m 1 mit = m : mK + mF 3 Im durchzuführenden Versuch ist die Kugel nicht direkt an der Feder befestigt, sondern mit Hilfe einer Stange S2, an der sich außerdem eine Reflektorplatte R befindet (Abb. 8). In diesem Fall muss mK in Gl. (8) durch die Gesamtmasse (9) mG = mK + mS + mR ersetzt werden, wobei mS und mR die Massen von S2 und R sind. Ein Beispiel soll die dargestellten Zusammenhänge verdeutlichen. Wir betrachten gem. Abb. 1 eine Kugel der Masse mK = 0,11 kg, die mit Stange und Reflektorplatte (mS + mR = 0,07 kg) an einer Feder mit der Federkonstanten D = 28 kg/s2 und der Masse mF = 0,02 kg hängt. Die Kugel wird um eine Strecke x0 = 0,05 m nach unten aus der Ruhelage ausgelenkt. Anschließend lassen wir die Kugel los, woraufhin sie Schwingungen mit der Amplitude x0 und der Eigenfrequenz f0 = ω0/(2π) ≈ 1,9 Hz durchführt (Gl. (8)). Beginnen wir mit der Aufzeichnung der Bewegung x(t) der Kugel zu einem Zeitpunkt, bei der die Kugel gerade Ihren Maximalausschlag nach oben erreicht hat, so „beginnt“ der Cosinus gem. Gl. (5) bei einer Anfangsphase von ϕ = π = 180° (Vorzeichenfestlegung von x in Abb. 1 beachten!). Diese Situation ist in Abb. 2 dargestellt. x (t) x0 ϕ / ω0 T t Abb. 2: Zur Definition von Amplitude x0, Periodendauer T = 2π/ω0 und Anfangsphase ϕ einer harmonischen Schwingung. Zur Darstellung der Phase ϕ auf der t-Achse muss sie durch ω0 dividiert werden. 2 Siehe z.B. ALONSO, M., FINN, E. J.: „Fundamental University Physics, Vol. 1: Mechanics“, Addison-Wesley Publishing Company, Reading (Mass.) u.a. 191 Ein System wie die betrachtete Anordnung (auch Masse/Feder-System genannt), das harmonische Schwingungen ausführt, heißt harmonischer Oszillator. Kennzeichen eines harmonischen Oszillators ist eine zur Auslenkung proportionale rücktreibende Kraft, die auf eine typische Bewegungsgleichung der Form (4) mit einer Lösung der Form (5) führt. Ebenso kennzeichnend für den harmonischen Oszillator ist der parabolische Verlauf seiner potentiellen Energie Ep als Funktion des Ortes (Abb. 3): (10) Ep = 1 D x2 2 Ep - x0 + x0 x Abb. 3: Verlauf der potentiellen Energie Ep als Funktion der Auslenkung x beim harmonischen Oszillator. 2.2 Gedämpfter harmonischer Oszillator Wir betrachten nun den realistischeren Fall eines Masse/Feder-Systems unter dem Einfluss von Reibung. Wir werden von dem einfachen Fall ausgehen, dass in dem System zusätzlich zur rücktreibenden Kraft FR = -Dx eine zur Geschwindigkeit v proportionale Reibungskraft Fb wirkt, für die wir schreiben können: (11) Fb = −bv = −b dx dt Dabei ist b eine Reibungskonstante, die die Stärke der Reibung angibt. Frage 1: - Welche Einheit hat b? Warum steht in Gl. (11) ein Minuszeichen? In diesem Fall nimmt die Bewegungsgleichung (4) die Form an: (12) m d2 x dx = −D x − b 2 dt dt Üblicherweise wird diese Differentialgleichung in der Form: (13) d2 x b d x D + + x= 0 d t2 m d t m geschrieben. Auch hier interessiert uns wieder, welche Bewegung die Kugel durchführt, wenn sie einmal aus der Ruhelage ausgelenkt und dann losgelassen wird, wobei die Anfangsgeschwindigkeit der Kugel zum Zeitpunkt des Loslassens wieder Null sein möge. Wir suchen also wiederum die Funktion x(t), die die Differentialgleichung (13) unter der Voraussetzung v(t = 0) = 0 löst. Da wir hier als Folge der Dämp- 192 fung eine mit der Zeit abnehmende Amplitude der Schwingung erwarten, versuchen wir einen Lösungsansatz, bei dem die Amplitude exponentiell mit der Zeit abfällt (vgl. Abb. 4): (14) = x x0 e −α t cos (ω t + ϕ ) (α : Dämpfungskonstante) x (t) x0 e− α t t Abb. 4: Gedämpfte harmonische Schwingung. Wir setzen Gl. (14) in Gl. (13) ein, führen die Differentiationen aus und finden, dass Gl. (14) dann eine Lösung von Gl. (13) darstellt, wenn für die Parameter α und ω gilt: (15) α= (16) = ω b 2m und ω0 2 − b 2m 2 Wir wollen dieses Ergebnis nun interpretieren. Zunächst halten wir fest, dass die Amplitude der Schwingung umso schneller abfällt, je größer die Dämpfungskonstante (der Abklingkoeffizient) α ist. Bei gleich bleibender Masse bedeutet das gem. Gl. (15), dass die Schwingung um so rascher an Amplitude verliert, je größer die Reibungskonstante b ist - das ist plausibel. Aus Gl. (16) können wir ablesen, wie sich die Kreisfrequenz ω dieser gedämpften harmonischen Schwingung mit der Reibungskonstanten b ändert. Wir betrachten folgende unterschiedliche Fälle: (i) b = 0 → ω = ω0 Im Falle verschwindender Reibung (b = 0) liegt der in Kap. 2.1 diskutierte Fall des ungedämpften harmonischen Oszillators vor. Die Kugel führt eine periodische Schwingung mit der Eigenkreisfrequenz ω0 durch. (ii) (b/(2m))2 = ω02 → ω=0 Dies ist der Fall so genannter „kritischer Dämpfung“, bei dem die Kugel gerade keine periodische Schwingung mehr durchführt, er heißt deshalb aperiodischer Grenzfall. Die Kugel kehrt lediglich längs einer exponentiellen Bahn in ihre Ausgangslage zurück (s. Anmerkung). 193 (iii) (b/(2m))2 > ω02 → ω imaginär In diesem Fall so genannter „überkritischer Dämpfung“ gibt es ebenfalls keine periodische Schwingung, er heißt aperiodischer Fall oder Kriechfall. Die Kugel kehrt auch hier lediglich in ihre Ausgangslage zurück, allerdings mit zusätzlicher Dämpfung, d.h. langsamer (s. Anmerkung). (iv) 0 < b < 2mω0 → ω < ω0 Dieser allgemeinste Fall, der so genannte Schwingfall, führt zu einer periodischen Schwingung mit einer Kreisfrequenz ω nach Gl. (16), die etwas kleiner ist als die Eigenkreisfrequenz ω0 des ungedämpften harmonischen Oszillators. Anmerkung: Unter den hier diskutierten Bedingungen (v(t = 0) = 0) gibt es keinen wesentlichen Unterschied zwischen dem aperiodischen Grenzfall und dem aperiodischen Fall oder Kriechfall: In beiden Fällen kehrt die Kugel längs einer exponentiellen Bahn in ihre Ausgangslage zurück; beim Kriechfall gibt es lediglich eine höhere Dämpfung. Anders ist die Situation im Fall v(t = 0) ≠ 0. Lassen wir nämlich die Kugel nicht einfach los, sondern geben wir ihr zusätzlich durch Anstoßen eine bestimmte Anfangsgeschwindigkeit, so ist es beim aperiodischen Grenzfall möglich, dass die Kugel einmal über ihre Ruhelage hinweg schwingt und erst danach längs einer exponentiellen Bahn in die Ruhelage zurückkehrt. Beim Kriechfall dagegen findet ein solches Überschwingen nicht statt. Die Kugel kehrt hier immer nur längs einer exponentiellen Bahn in ihre Ruhelage zurück. Eine detaillierte Rechnung (Lösung der DGL (13) unter den Bedingungen (ii) und (iii)) bestätigt diese Zusammenhänge. 2.3 Erzwungene harmonische Schwingungen In Kap. 2.1 und 2.2 haben wir jeweils betrachtet, wie sich die Kugel bewegt, wenn wir sie einmal aus der Ruhelage auslenken und dann loslassen. Wir wollen jetzt untersuchen, welche Bewegung die Kugel durchführt, wenn das System einer sich periodisch ändernden, externen Kraft Fe ausgesetzt ist (Abb. 5), für die gelten möge: (17) Fe = F1 sin (ω1 t ) F1 ist die Amplitude der externen Kraft und ω1 ihre Kreisfrequenz. Das Vorzeichen wählen wir so, dass nach unten gerichtete Kräfte positiv und nach oben gerichtete Kräfte negativ gezählt werden. -x 0 m Fe +x Abb. 5: Anregung eines Masse/Feder-Systems mit externer Kraft Fe. m ist die Masse gem. Gl. (8) und (9). Die externe Kraft Fe wirkt zusätzlich auf die Feder. Die Bewegungsgleichung nimmt daher die Form an (s. Gl. (12) und (13)): 194 (18) m d2 x dx = − D x−b + Fe 2 dt dt und damit (19) d2 x b d x D 1 + + x= F1 sin (ω1 t ) 2 m dt m m dt Wir erwarten, dass die Bewegung der Kugel nach einer gewissen Einschwingzeit, d.h. nach Beendigung des Einschwingvorgangs, mit der gleichen Frequenz erfolgt wie die Änderung der externen Kraft. Für eine andere Frequenz gäbe es keine plausible Erklärung. Allerdings ist eine Phasenverschiebung φ zwischen der anregenden Kraft und der Auslenkung der Kugel denkbar. Schließlich können wir davon ausgehen, dass nach Beendigung des Einschwingvorgangs die Schwingungsamplitude konstant bleibt, da dem System von außen immer wieder neue Energie zugeführt wird. Mit diesen Überlegungen versuchen wir folgenden Lösungsansatz für die Differentialgleichung (19): (20) = x x0 sin (ω 1 t + φ ) Dabei ist φ die Phasenverschiebung zwischen der Auslenkung x(t) und der externen Kraft Fe. Für φ < 0 hinkt die Auslenkung der anregenden Kraft hinterher. Durch Einsetzen von Gl. (20) in Gl. (19) finden wir, dass Gl. (20) dann eine Lösung von Gl. (19) darstellt, wenn für die Amplitude x0 und die Phasenverschiebung φ gilt (Herleitung s. Anhang Kap. 4): (21) F1 m x0 = (ω 2 0 −ω1 ) 2 2 ω b + 1 m 2 ω 02 − ω 12 π φ arctan = (22) − ω1b 2 m Im Gegensatz zu den in Kap. 2.1 und 2.2 diskutierten Fällen sind die Amplitude x0 und die Phase φ hier nicht mehr frei wählbare Parameter, sondern durch die Größen F1, ω1, m, b und ω02 = D / m eindeutig bestimmt. Aus Gleichung (21) sehen wir, dass die Amplitude der Kugelschwingung, die so genannte Resonanzamplitude, von der Frequenz der anregenden Kraft abhängt. Tragen wir x0 über ω1 auf, so erhalten wir die so genannte Amplitudenresonanzkurve. Abb. 6 (oben) zeigt einige typische Amplitudenresonanzkurven für unterschiedliche Werte der Reibungskonstanten b. Im stationären Fall, d.h. für ω1 = 0, ergibt sich aus Gl. (21) die aus dem HOOKEschen Gesetz bekannte Amplitude (23) x0 (ω= 0= ) : x= 1 00 F1 D Dies ist der Betrag, um den die Kugel ausgelenkt wird, wenn an ihr eine konstante Kraft F1 angreift. Setzt man F1 aus Gl. (23) in Gl. (21) ein, so erhält man für die Resonanzamplitude x0: 195 (24) x00 D x0 = m (ω 2 0 −ω ) 2 2 1 ω b + 1 m 2 Abb. 6: Amplitudenresonanzkurven (oben) und Phasenkurven (unten) für einen gedämpften harmonischen Oszillator (F1 = 0,1 N, m = 0,1 kg, D = 2 kg/s2, b in kg/s). Die Lage des Maximums von x0 als Funktion von ω1 finden wir aus der Bedingung dx0/dω1 = 0. Aus Gl. (24) folgt dann: (25) = x0 x0,max für = ω1 ω 02 − b2 2m 2 Das Maximum der Amplitudenresonanzkurve liegt also außer im Fall b = 0 nicht bei der Eigenkreisfrequenz ω 0, sondern bei etwas kleineren Kreisfrequenzen ω 1 < ω 0. Im unteren Teil von Abb. 6 sind die so genannten Phasenkurven dargestellt, die den Verlauf der Phasenverschiebung φ als Funktion der Kreisfrequenz ω1 angeben. Aus Gl. (22) folgt, dass φ immer negativ ist, d.h. die Kugelauslenkung hinkt der anregenden Kraft außer im Fall ω1 = 0 immer hinterher. Wir wollen nun noch einige Spezialfälle diskutieren: 196 (i) Im Falle ω1 << ω0 ist bei „nicht zu großem“ b die Amplitude x0 ≈ F1/D, d.h. unabhängig von b. Die Amplitudenresonanzkurve verläuft dann im Bereich kleiner Anregungsfrequenzen annähernd horizontal und die Phasenverschiebung φ geht gegen 0: φ ≈ 0°. Die Kugelbewegung folgt also nahezu direkt der anregenden Kraft. (ii) Im Resonanzfall (ω1 gem. Gl. (25)) ist die Amplitude maximal und gegeben durch: x0,max = F1 b2 b ω − 4m 2 2 0 Je kleiner b, desto größer wird x0,max; für b → 0 geht x0,max → ∞. Die Kugelauslenkung hinkt in diesem Fall der anregenden Kraft um 90° hinterher (φ = - π/2). (iii) Im Falle ω1 >> ω0 ist x0 ≈ F1/(mω12), die Amplitude sinkt also mit 1/ω12. Die Phasenverschiebung beträgt in diesem Fall φ = - π, d.h. die Kugelauslenkung hinkt der anregenden Kraft um 180° hinterher. Aus den Amplitudenresonanzkurven und den unter (i) - (iii) diskutierten Spezialfällen lässt sich das Dämpfungsverhalten eines Masse-Feder-Systems ablesen, beispielsweise eines schwingungsisolierten Tisches, wie er in optischen Präzisionsexperimenten häufig eingesetzt wird. Die Eigenfrequenzen solcher Tische liegen typischerweise im Bereich um 1 Hz. Hat eine externe Störung (z.B. Gebäudeschwingung) eine sehr niedrige Frequenzen (ω1 → 0), wird die Amplitude der Störung ungedämpft auf den Tisch übertragen, in der Umgebung der Eigenkreisfrequenz (ω1 ≈ ω0) wird sie (ungewollt) verstärkt, aber im Bereich höherer Frequenzen (ω1 >>ω0) wird sie stark gedämpft. Abb. 7: Amplitudenresonanzkurven für verschiedene Massen m (in kg) bei gleichen übrigen Parametern (F1 = 0,1 N, D = 2 kg/s2, b = 0,1 kg/s). 197 Durch Änderung der Masse m lässt sich das Dämpfungsverhalten eines solchen Systems beeinflussen. Abb. 7 zeigt, dass durch eine Vergrößerung von m bei gleichen übrigen Parametern die Eigenkreisfrequenz erniedrigt und die Dämpfung für Frequenzen oberhalb der Eigenkreisfrequenz deutlich vergrößert werden kann. Schwingungsisolierte Tische haben deshalb oftmals große Massen im Bereich 103 kg. Abschließend wollen wir überlegen, bei welcher Frequenz der maximale Energieübertrag vom anregenden System auf das schwingende System stattfindet. Da wir wissen, dass maximale kinetische Energie gleichbedeutend ist mit maximaler Geschwindigkeit, berechnen wir zunächst den zeitlichen Verlauf der Geschwindigkeit v der Kugel unter Benutzung von Gl. (20): (26) v= dx = ω 1 x 0 cos (ω 1 t + φ ) := v 0 cos (ω 1 t + φ ) dt Für die Geschwindigkeit v0 gilt demnach mit Gl. (24): ω 1 x00 D (27) = v0 ω= 1 x0 m (ω 2 1 −ω ) 2 2 0 ω b + 1 m 2 und damit: (28) v0 = x00 D 2 D 2 m ω 1 − + b ω1 v0 wird maximal, wenn der Nenner aus Gl. (28) minimal wird, d.h. wenn gilt (für b ≠ 0): (29) m ω1 − D ω1 = 0 → v 0 = v0,max Daraus folgt: (30) ω1 = D =ω 0 m → v 0 =v0,max Die Geschwindigkeit und damit auch die kinetische Energie wird demnach dann maximal (anders als die Resonanzamplitude!), wenn das System mit seiner Eigenkreisfrequenz ω 0 angeregt wird. Man nennt diesen Fall daher auch den Fall der Energieresonanz, bei dem das anregende System die maximale Energie auf das schwingende System übertragen kann. Frage 2: - Wie sieht der typische Verlauf von Energieresonanzkurven (~ v02 (ω1 ) ) aus? Zeichnen Sie mit Hilfe von Matlab in einem Diagramm den prinzipiellen Verlauf von v02 (ω1 ) für die Fälle b ≈ 0, b = b1 und b = b2 (analog zu Abb. 6). 198 3 Versuchsdurchführung Zubehör: Feder (D = (22,7 ± 0,5) kg/s2, mF = (0,0575 ± 10-4) kg), Kugel an Aufhängestange mit Reflektorplatte (mG auswiegen), Anregungssystem an Stativ mit Motor und Lichtschranke, elektronische Drehzahlregelung für Motor, Laserdistanzsensor (Typ BAUMER OADM 12U6460/S35, Messbereich (16 - 120) mm), Netzteile (PHYWE (0 – 15 / 0 – 30) V) für Motor, Lichtschranke und Laserdistanzsensor, 2 Gläser mit unterschiedlicher Glycerin/Wassermischung (b ≈ 0,7 kg/s für die zähere Mischung bei T = 20° C), Tisch zur Aufnahme der Gläser, Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B. 3.1 Beschreibung der Versuchsanordnung Die Versuche werden an einer Anordnung gem. Abb. 8 durchgeführt. Sie ermöglicht die berührungslose Messung von Amplitudenresonanzkurven und Phasenkurven. Wir wollen zunächst die Versuchsanordnung beschreiben, bevor in Kap. 3.2 die eigentlichen Messaufgaben dargestellt werden. An einer Feder ist mit Hilfe einer Stange S2 eine Kugel K der Masse mK aufgehängt, die zur Dämpfung ihrer Bewegung in einen Glasbehälter B eintaucht, der mit einer Glycerin/Wassermischung gefüllt ist. An der Stange ist eine Reflektorscheibe R befestigt. Auf diese Scheibe trifft ein Laserstrahl aus einem Laserdistanzsensor LDS, dessen Funktionsweise aus dem Versuch „Sensoren…“ bekannt ist. Der Sensor liefert ein Spannungssignal ULDS(t), das sich mit der Entfernung s zwischen LDS und R linear ändert. Die Feder ist mit einer zweiten Stange S1, die in einer Stangenführung F läuft, über ein Gelenk G1 mit einer Pleuelstange P verbunden, die wiederum über ein Gelenk G2 auf einer Drehscheibe D befestigt ist. Mit einem Antriebsmotor kann die Scheibe mit der Kreisfrequenz ω 1 gedreht werden. Dadurch wird der Aufhängepunkt der Feder in eine periodische Vertikalbewegung versetzt und somit auf die Feder eine periodische Kraft Fe(t) ausgeübt. Nach Beendigung des Einschwingvorgangs führt die Kugel zusammen mit S2 und R ebenfalls eine periodische Vertikalbewegung mit der Amplitude x0 aus. Der Laserdistanzsensor liefert dann ein periodisches Spannungssignal ULDS(t) mit der Amplitude U0 ~ x0 und einem Gleichanteil UDC, der vom Abstand s zwischen LDS und R in der Ruhelage der Kugel abhängt. Die Periodendauer T von ULDS ist gegeben durch: (31) T= 2π ω1 Durch Variation von ω1 lässt sich somit die Amplitudenresonanzkurve U0(ω1) messen, aus der mit Hilfe des Kalibrierfaktors k des Laserdistanzsensors für Spannungsdifferenzen, (32) k = 0,0962 V/mm die gesuchte Amplitudenresonanzkurve x0(ω1) gewonnen werden kann. k kann als fehlerfrei angenommen werden. Die Messung der Phasenkurve, d.h. der Phasenverschiebung φ zwischen der Anregungskraft Fe(t) und der Auslenkung x(t) der Kugel als Funktion der Kreisfrequenz ω1 lässt sich folgendermaßen durchführen: Mit Hilfe eines Markierungsstiftes M sowie der Lichtschranke LS, die von M unterbrochen wird, wird immer dann ein Spannungsimpuls ULS(t) erzeugt, wenn der Aufhängepunkt der Feder seine oberste Position erreicht hat (Zeitpunkt t1 in Abb. 9). 199 M ω1 LS G2 D P G1 S1 LDS F Feder s R S2 B K Abb. 8: Skizze des verwendeten Versuchsaufbaus. T U ULS ULDS t1 t2 t Abb. 9: Zeitlicher Verlauf der Ausgangsspannungen der Lichtschranke LS (ULS) und des Laserdistanzsensors LDS (ULDS). Zeitpunkt t1: Aufhängepunkt der Feder in oberster Position, Anregungskraft Fe(t) minimal. Zeitpunkt t2: Kugel in oberster Position, x(t) und ULDS minimal. 200 Zu diesem Zeitpunkt hat die Anregungskraft Fe(t) = md2x/dt2 ihr Minimum (Vorzeichen gem. Abb. 5 beachten). Zu einem späteren Zeitpunkt t2 möge die Kugel (nicht der Aufhängepunkt der Feder!) ihre oberste Position und damit die Auslenkung x(t) ihr Minimum (- x0) erreichen (auch hier Vorzeichen gem. Abb. 5 beachten). In dieser Position ist die Entfernung s zwischen LDS und R und damit auch ULDS(t) minimal. Die Phasenverschiebung φ zwischen Fe(t) und x(t) ist dann (s. Abb. 9): (33) φ=− t 2 − t1 T 2π := − ∆t 2π = − ∆t ω1 T Durch Variation von ω1 lässt sich somit die Phasenkurve φ (ω1) messen. In der Praxis werden für jede eingestellte Kreisfrequenz ω1 mit Hilfe eines Oszilloskops gleichzeitig die Amplitude U0(ω1) und die Zeitdifferenz ∆t(ω1) gemessen. Abschließend noch eine Anmerkung zum zeitlichen Verlauf der Anregungskraft Fe(t). Offensichtlich entspricht dieser bis auf eine konstante Phasenverschiebung dem zeitlichen Verlauf der vertikalen Bewegung des Gelenkes G1, d.h. des Aufhängepunktes der Feder. Diese Bewegung wollen wir durch die Größe y(t) beschreiben (Abb. 10). ω1 r θ l D y y G1 S1 Abb. 10: Definition von Größen zur Berechnung der Bewegung des Gelenkes G1 (vgl. Abb. 8). Ist die Pleuelstange der Länge l im Abstand r von der Drehachse auf der Scheibe montiert, so gilt: (34)= y r cos θ + l cosy und (35) r sin θ = l sinψψ → sin = r sin θ l Mit (36) r2 2 cosψψ =− 1 sin =− 1 2 sin θ l 2 und (37) θ = ω1 t 201 folgt schließlich: ( ) ( y r cos ω 1 t + l 2 − r 2 sin 2 ω 1 t (38)= ) Der rein harmonischen Bewegung (r cos(ω 1 t)) ist also noch eine Störung (Wurzelterm in Gl. (38)) überlagert, die leider auch zeitabhängig ist und damit die Bewegung anharmonisch macht. Die Anregungskraft Fe(t) verläuft also ebenfalls nicht rein harmonisch. Wählen wir jedoch l >> r, so wird l2 >> r2sin2(ω 1 t) und damit √(...) ≈ l. Wir haben es dann statt mit einer zeitabhängigen Störung nur noch mit der additiven Konstanten l zu tun, die die „Harmonie“ jedoch nicht mehr stört. 3.2 Amplitudenresonanzkurve und Phasenkurve für starke und schwache Dämpfung Mit der Anordnung gem. Abb. 8 soll für eine Kugel mit Haltestange S1 und Reflektorplatte R und eine Feder mit bekannten D und mF (Daten siehe Zubehör) für zwei verschieden große Dämpfungen (Gläser mit unterschiedlichen Glyzerin/Wassergemischen) jeweils die Amplitudenresonanzkurve x0(ω 1) und die Phasenkurve φ(ω 1) im Frequenzbereich f1 = ω 1/2π zwischen 0 Hz und ca. 5 Hz gemessen werden. Die Pleuelstange P des Anregungssystems wird im zweiten Loch von innen auf der Scheibe angebracht Die anharmonische Störung gem. Gl. (38) kann in diesem Fall vernachlässigt werden. Die Ausgangssignale der Lichtschranke (ULS) und des Laserdistanzsensors (ULDS) werden auf einem Digital-Oszilloskop dargestellt, das auf das Signal ULS getriggert wird. Die Periodendauer T von ULS und der Spitze-Spitze-Wert (USS = 2 U0) von ULDS werden mit Hilfe der Funktion MESSUNG / MEASURE am Oszilloskop ermittelt. Aus diesen Größen können die Kreisfrequenz ω1 und die Amplitude U0 bzw. x0 bestimmt werden. Mit Hilfe der ZEIT-CURSOR wird die Zeitdifferenz ∆t = t2 – t1 gemessen (s. Abb. 9), aus der die Phasenverschiebung φ gem. Gl. (33) berechnet werden kann. Hinweis: Um einen möglichst gleichmäßigen Lauf der Kreisscheibe zu erreichen, muss die Drehscheibe gegen den Uhrzeigersinn laufen. Aus dem gleichen Grund muss zur Einstellung der Motordrehzahl im Frequenzbereich zwischen 0 Hz und ca. 1,5 Hz ein elektronischer Drehzahlregler (Betriebsspannung 12 V) benutzt werden, der zwischen Netzgerät und Motor geschaltet wird. Bei Frequenzen über 1,5 Hz kann der Motor direkt an das Netzgerät angeschlossen und die Drehzahl über die Betriebsspannung geregelt werden (Spannung langsam von 0 V auf max. 12 V erhöhen). Für beide Glycerin/Wassergemische wird für möglichst viele (mindestens 20) verschiedene Werte von ω 1, insbesondere in der Nähe der Resonanzfrequenz, jeweils nach Beendigung des Einschwingvorgangs die Periodendauer T, die Amplitude U0 (ω 1) und die Zeitdifferenz ∆t gemessen. Die Amplitude U0 für den Fall ω 1 → 0 wird bestimmt, indem die Motorachse bei ausgeschaltetem Motor per Hand in die Positionen „Pleuelstange oben“ und „Pleuelstange unten“ gedreht und jeweils die zugehörige Spannung ULDS gemessen wird. Für beide Gemische wird x0 über ω1 in einem Diagramm und φ über ω1 ebenfalls in einem Diagramm aufgetragen. Die Größtfehler von x0 und φ werden in Form von Fehlerbalken mit eingezeichnet (Fehler aus den Schwankungen der Werte für USS und T am Oszilloskop abschätzen). Danach werden „frei Hand“ Ausgleichskurven durch die Messwerte gezeichnet und die Form der Kurven mit den theoretischen Erwartungen verglichen. 202 Anmerkung: In der Nähe der Eigenkreisfrequenz kann die Messung bei kleiner Dämpfung schwierig werden, weil sich große Amplituden einstellen und die Feder (möglicherweise auch das Stativ) in unkontrollierte Bewegung gerät oder die Kugel gar auf dem Boden des Becherglases aufschlägt. In diesem Fall muss das System von Hand gedämpft und rasch zum nächsten Frequenzwert übergegangen werden. 4 Anhang: Berechnung der Resonanzamplitude und der Phasenverschiebung Wir wollen zeigen, dass die Resonanzamplitude x0 und die Phasenverschiebung φ mit wenigen einfachen Rechenschritten berechnet werden kann, wenn wir zur komplexen Schreibweise übergehen. Gl.(19) lautet in komplexer Schreibweise: (39) d2 x b d x D 1 iω t + + x= F1 e 1 2 m dt m m dt Analog zu Gl. (20) wählen wir als komplexen Lösungsansatz: i (ω 1 t + φ ) iω t = x x= x0 e 1 ei φ (40) 0 e Einsetzen von Gl. (40) in Gl. (39) ergibt nach Ausführen der Differentiation und Division durch e (41) −ω 2 1 x0 ei φ + i ω 1 iω1 t : b D F1 x0 ei φ + x0 ei φ = m m m Mit der Definition der Eigenkreisfrequenz ω 0 gem. Gl. (8) folgt daraus: F1 m (42) : z = x0 ei φ = b 2 2 ω 0 − ω 1 + iω 1 m Wie bereits im Versuch „Messung von Kapazitäten…“ dargestellt, ist Gl. (42) eine Darstellungsform einer komplexen Zahl z, deren Betrag |z| = x 0 durch z z * gegeben ist, wobei z* die zu z konjugiert komplexe Zahl ist. Damit folgt: (43) = x0 = z z∗ ω F1 m 2 0 −ω 2 1 b + iω 1 ω m F1 m 2 0 −ω 2 1 b − iω 1 m woraus sich durch einfaches Ausmultiplizieren Gl. (21) ergibt. Für die Berechnung des Phasenwinkels benutzen wir wiederum (vgl. Versuch „Messung von Kapazitäten…“) die zweite Darstellungsform komplexer Zahlen, nämlich z = α + iβ, wobei α der Realteil und β der Imaginärteil von z ist. Aus diesen Größen lässt sich der Phasenwinkel φ bekanntlich berechnen als (44) β a φ = arctan + π − π ⇔ ⇔ a < 0 ∧ β ≥ 0 a < 0 ∧ β < 0 203 Um Gl. (42) in die Form α + iβ zu bringen, erweitern wir den Bruch mit dem konjugiert komplexen Nenner: (45) x0 ei φ F1 2 b 2 F1 F b ω 02 − ω 12 ) − i 1 ω 1 ω 0 − ω 1 − iω 1 ( m m m m = m 2 b b 2 2 2 2 ω b 2 ω 0 − ω 1 + iω 1 ω 0 − ω 1 − iω 1 (ω 02 − ω 12 ) + m1 m m Hieraus können wir die Größen α und β ablesen: (46) F1 (ω 02 − ω 12 ) m α= 2 ω1 b 2 2 2 (ω 0 − ω 1 ) + m F1 b ω1 m m b= − 2 ω1 b 2 2 2 (ω 0 − ω 1 ) + m und woraus durch Einsetzen in Gl. (44) folgt: (47) ω1b m φ= arctan − −π 2 2 { ω ω − 0 1 Mit (48) 1 π arctan = ( − y ) arctan − y 2 folgt daraus schließlich Gl. (22). ⇔ ω 1 >ω 0 } 204 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Fourieranalyse Stichworte: FOURIERreihe (trigonometrische Reihe), FOURIERkoeffizienten, FOURIERanalyse (FOURIERzerlegung, harmonische Analyse), Amplitudenspektrum, Phasenspektrum, lineare Systeme, Übertragungsfunktion, Grund- und Oberschwingungen, EULERsche Formeln, Abtasttheorem. Messprogramm: Aliasing bei Verletzung des Abtasttheorems, Spektren von Fotodetektorsignalen, Spektren von Schallsignalen, Spektrum eines Schwebungssignals und eines amplitudenmodulierten Signals, Spektren von Rechteck-, Sägezahn- und Dreieckssignal, Gibbsches Phänomen. Literatur: /1/ HÄNSEL, H., NEUMANN, W.: „Physik - Mechanik und Wärmelehre“, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg u.a. /2/ BRACEWELL, R. N.: „The Fourier Transform and its Applications“, McGraw-Hill, London u.a. (für Fortgeschrittene) /3/ EICHLER, H. J., KRONFELDT, H.-D., SAHM, J.: „Das Neue Physikalische Grundpraktikum“, Springer-Verlag, Berlin u.a. 1 Einleitung Die FOURIERanalyse (nach JEAN-BAPTISTE-JOSEPH DE FOURIER, Abb. 1) ist ein wichtiges Werkzeug im Bereich der Signalanalyse und -verarbeitung. Mit ihrer Hilfe kann ausgerechnet werden, aus welchen harmonischen Signalen 1 unterschiedlicher Amplitude, Frequenz und Phasenlage ein periodisches Signal zusammengesetzt ist. Im Folgenden beschränken wir uns auf die Analyse sogenannter Zeitsignale. Das sind Signale wie z.B. eine Spannung U(t) oder ein Strom I(t), die sich mit der Zeit t ändern. Formal lassen sich die folgenden Überlegungen jedoch auch auf Signale übertragen, bei denen sich eine physikalische Größe mit dem Ort ändert, wie etwa die Intensität I(x) von Licht längs der Ortskoordinate x. Abb. 1: JEAN-BAPTISTE-JOSEPH DE FOURIER (1768-1830) 2 1 2 Mit harmonischen Signalen sind in diesem Text sinusförmige Signale gemeint. Quelle: GELLERT, W. et al. [Eds.]: „Kleine Enzyklopädie Mathematik“, VEB Bibliographisches Institut, Leipzig, 1969 205 Wir wollen als Beispiel für eine Anwendung der FOURIERanalyse ihre Bedeutung in der Systemtheorie zur Beschreibung des Verhaltens linearer Systeme herausgreifen. Die Theorie linearer Systeme hat in der Physik eine große praktische Bedeutung. Mit ihr kann das Verhalten vieler physikalischer Systeme beschrieben werden, ohne im Einzelnen wissen zu müssen, wie diese Systeme im Inneren aufgebaut sind. Wir behandeln diese Systeme als „Kästen“ unbekannten Inhalts („Black-Boxes“), von denen wir wissen, dass sie auf ein bestimmtes Eingangssignal e(t) mit einem bestimmten Ausgangssignal E(t) antworten: Eingang → e(t) Ausgang lineares System → E(t) Lineare Systeme erfüllen die Bedingung der Linearität (daher der Name): Eine Summe von Eingangssignalen führt zu einer entsprechenden Summe von Ausgangssignalen: Eingang (1) f (t ) = ∑ e j (t ) → Ausgang lineares System → F (t ) = ∑ E j (t ) j j Beispiele solcher linearer Systeme sind: - in der Akustik: - in der Optik: - in der Elektrotechnik: das System Mikrophon → Verstärker → Lautsprecher, das System Objektiv → Bildaufnehmer, das System Sender → Nachrichtenübertragungsstrecke → Empfänger. Nach dem FOURIER-Theorem, auf das wir in Kap. 2 noch detailliert eingehen werden, kann ein periodisches Signal, also auch ein periodisches Eingangssignal f(t) eines linearen Systems, durch eine unendliche Summe harmonischer Signale hn(t) ( n ∈ } \ {0} ) mit unterschiedlichen Kreisfrequenzen ωn dargestellt werden, die sich in ihren Amplituden cn und Phasen fn unterscheiden können, aber nicht müssen: ∞ (2) ∞ f (t ) = c0 + ∑ hn (t ) = c0 + ∑ cn sin( ωnt + fn ) (c0: Konstante 3) n 1= n 1 = Harmonische Signale werden von linearen Systemen unverzerrt übertragen, d.h. sie ändern bei der Übertragung allenfalls ihre Amplitude und Phasenlage, nicht jedoch ihre Form. Wir treffen nun die Annahme, dass wir wissen, wie ein System auf harmonische Eingangssignale unterschiedlicher Frequenz reagiert, dass wir also zu jedem harmonischen Eingangssignal hn(t) die Amplitude und Phasenlage des zugehörigen harmonischen Ausgangssignals Hn(t) kennen. Verändert das System die Amplituden aller harmonischen Eingangssignale unabhängig von ihrer Frequenz in gleicher Weise (z.B. Verstärkung um den Faktor 2) und werden alle harmonischen Eingangssignale um mπ ( m ∈ ) in der Phase verschoben, so haben wir es mit einem idealen System zu tun. Aus der Linearität des Systems (Gl. (1)) folgt dann sofort, dass ein periodisches Eingangssignal f(t), das sich nach dem FOURIER-Theorem in eine unendliche Summe harmonischer Signale zerlegen lässt 4, unverzerrt durch das System übertragen wird. Das Ausgangssignal F(t) ist gegenüber dem Eingangssignal f(t) lediglich um einen konstanten Faktor (z.B. 2) verstärkt worden, es hat jedoch seine Form beibehalten. 3 4 c0 stellt den zeitunabhängigen Gleichanteil von f(t) dar, der zum Informationsgehalt des Signals nichts beiträgt. Bei Formulierungen dieser Art ist in diesem Text der Gleichanteil des Signals (c0 in Gl. (2)) immer mit eingeschlossen. 206 Reale Systeme verhalten sich in der Regel anders. Bei ihnen kommt es je nach Frequenz ωn eines harmonischen Eingangssignals zu unterschiedlichen Verstärkungen V(ωn) und zu unterschiedlichen Phasenverschiebungen ∆f(ωn) und damit zu einer Verzerrung des Ausgangssignals F(t) gegenüber dem Eingangssignal f(t). V(ωn) heißt Amplituden-Übertragungsfunktion oder Amplitudenspektrum oder Frequenzgang und ∆f(ωn) Phasen-Übertragungsfunktion oder Phasenspektrum des Systems. Beide Funktionen zusammen beschreiben das so genannte Frequenzverhalten realer Systeme. Wir gehen nun entsprechend unserer obigen Annahme davon aus, dass dieses Frequenzverhalten für ein von uns untersuchtes System bekannt ist. In der Praxis ist dies oft der Fall, z.B. weil der Hersteller des Systems entsprechende Daten mitgeliefert hat. Abb. 2 zeigt beispielsweise die Amplituden-Übertragungsfunktion einer PC-Soundkarte. Ihr können wir entnehmen, dass die Karte nur im Frequenzbereich zwischen etwa ν = 200 Hz und ν = 10 kHz gute Übertragungseigenschaften hat, weil sie dort harmonische Signale unabhängig von ihrer Frequenz gleichmäßig verstärkt (V(ν) = const.). Außerhalb dieses Frequenzbereichs werden die Ein- und Ausgangssignale dagegen frequenzabhängig gedämpft, was zwangsläufig zu einer Signalverzerrung führt, falls das Eingangssignal f(t) harmonische Komponenten mit entsprechenden Frequenzen enthält. In Kenntnis des Frequenzverhaltens eines linearen Systems können wir für ein periodisches Eingangssignal f(t) berechnen, wie das Ausgangssignal F(t) aussehen wird. Wir müssen dazu lediglich wissen, aus welchen harmonischen Signalen hn(t) das Signal f(t) gemäß dem FOURIER-Theorem zusammengesetzt ist. Dann können wir für jedes dieser Signale hn(t) unter Kenntnis von V(ωn) und ∆f(ωn) das zugehörige Ausgangssignal Hn(t) angeben und anschließend die Hn(t) zum Ausgangssignal F(t) aufaddieren. Die hierfür erforderliche Berechnung der Parameter (Amplitude, Phase, Frequenz) der harmonischen Signale, in die sich ein periodisches Signal zerlegen lässt, heißt FOURIERzerlegung oder FOURIERanalyse oder harmonische Analyse und ist Gegenstand dieses Versuches. 10 10 V / dB 0 0 -10 -10 20 50 100 200 500 1k 2k 5k 10k 20k ν / Hz Abb. 2: Amplituden-Übertragungsfunktionen einer PC-Soundkarte (YAKUMO Soundcard 16 MCD); blaue Kurve: für Wiedergabe, rote Kurve für Aufnahme. 5 5 Verstärkungen werden in der Messtechnik häufig in der logarithmischen Größe Dezibel (dB) angegeben. Einzelheiten dazu werden im Versuch „Operationsverstärker“ im SoSe behandelt. Eine Verstärkung um x dB entspricht einer linearen Verstärkung um den Faktor 10x/20. 207 2 Theorie Im Folgenden werden wir auf mathematische Beweise verzichten, die in der angegebenen Literatur nachgelesen werden können, und uns auf die Darstellung der für den Versuch benötigten Zusammenhänge beschränken. 2.1 Fourierreihe und Fourierkoeffizienten Nach dem bereits in der Einleitung erwähnten FOURIER-Theorem lässt sich ein periodisches Signal f(t) mit der Periodendauer T durch einen Gleichanteil und eine unendliche Summe harmonischer Signale darstellen, deren Kreisfrequenzen jeweils ganzzahlige Vielfache von ω0 = 2π/T sind. Man nennt diese harmonischen Signale mit den Kreisfrequenzen (3) = n ω0 : ωn ; n ∈ } \ {0} Oberschwingungen zur Grundschwingung mit der Grundkreisfrequenz ω0 und bezeichnet die Summendarstellung als trigonometrische Reihe oder FOURIERreihe. Sie ist gegeben durch: ∞ (4) f (t ) = c0 + ∑ an cos ( nω0t ) + bn sin ( nω0t ) n= 1 Die Größen c0, an = a(nω0) und bn = b(nω0) heißen FOURIERkonstanten oder FOURIERkoeffizienten. Ihre Bestimmung ist Gegenstand der FOURIERanalyse. Man findet nach kurzer Rechnung (s. z.B. /1/), dass sie sich aus dem Signal f(t) wie folgt berechnen lassen: (5) c0 = 1 T T 2 ∫T f ( t ) dt − 2 T 2 (6) an 2 = f (t ) cos ( nω0t ) dt n 1, 2, 3, ... T ∫T − 2 T 2 (7) bn 2 = f (t )sin ( nω0t ) dt n 1, 2, 3, ... T ∫T − 2 Die Konstante c0 ist der Mittelwert (Gleichanteil) des Signals f(t). Stellt f(t) z.B. eine zeitlich oszillierende Spannung U(t) dar, entspricht c0 dem Gleichspannungsanteil (DC-Anteil) des Signals. Die Darstellung der FOURIERreihe gem. Gl. (4) lässt sich vereinfachen, wenn man folgenden Zusammenhang benutzt: (8) an cos ( nω0t ) + bn sin ( nω0t ) =cn sin( nω0t + φn ) 208 mit = cn (9) an2 + bn2 und (10) an bn φn = arctan Damit wird aus Gl. (4) die so genannte spektrale Darstellung der FOURIERreihe: ∞ (11) f (t ) = c0 + ∑ cn sin( n ω 0 t + f n ) n= 1 Ein periodisches Signal f(t) kann somit nach seiner FOURIERanalyse durch die Größen (12) c0 : Gleichanteil (Mittelwert des Signals f(t), s. Gl. (5)) cn = cn (nω0) : Amplitudenspektrum fn = fn (nω0) : Phasenspektrum beschrieben werden. 6 Abb. 3: Oben (rot): anharmonisches, aber periodisches Signal f(t) mit der Periode T = 1 (in beliebigen Einheiten) mit seinen harmonischen Komponenten h1(t) (Mitte, blau) und h2(t) (unten, blau). 6 Die grafische Darstellung von cn über ωn heißt Amplitudenspektrum. Die grafische Darstellung von an über ωn heißt Kosinusspektrum; die Darstellung von bn über ωn heißt Sinusspektrum. 209 Zwei Beispiele sollen die Verhältnisse verdeutlichen. Das erste Beispiel zeigt einen recht einfachen Fall. In Abb. 3 ist oben ein anharmonisches, aber periodisches Signal f(t) = h1(t) + h2(t) mit der Periodendauer T = 1 (in beliebigen Einheiten) dargestellt. Es ist zusammengesetzt aus den beiden darunter abgebildeten harmonischen Signalen: der Grundschwingung h1(t) mit der Amplitude c1 = 0,5 (in beliebigen Einheiten), der Kreisfrequenz ω1 = 1×ω0 = 2π/T und der Phase f1 = π sowie der ersten Oberschwingung h2(t) mit der gleichen Amplitude c2 = 0,5, der Kreisfrequenz ω2 = 2×ω0 und der Phase f2 = π/2. Eine FOURIERanalyse des Signals f(t) würde demnach liefern: Gleichanteil: c0 Amplitudenspektrum: c1 = c1(ω0) c2 = c2(2ω0) cm = cm(mω0) Phasenspektrum: f1 = f1(ω0) f2 = f2(2ω0) fm = fm(mω0) =0 = 0,5 = 0,5 =0 =π = π/2 =0 ∀m≥3 ∀m≥3 Das Amplituden- und das Phasenspektrum, also cn(ωn) und fn(ωn), sind in Abb. 4 dargestellt. fn π π/2 cn 0,5 ω0 2ω0 3ω0 4ω0 ωn ω0 2ω0 3ω0 4ω0 ωn Abb. 4: Amplitudenspektrum (links) und Phasenspektrum (rechts) des in Abb. 3 oben dargestellten Signals. In solchen Diagrammen werden üblicherweise statt Datenpunkten senkrechte Spektrallinien gezeichnet, die von der Abszisse bis zum jeweiligen Ordinatenwert reichen. Deutlich komplexer ist die in Abb. 5 dargestellte Situation. Oben links ist ein anharmonisches, aber periodisches Signal f(t) mit der Periodendauer T = 1 (in beliebigen Einheiten) gezeigt, rechts daneben die Grundschwingung mit der Kreisfrequenz ω1 = 1ω0 = 2π/T sowie darunter vier Oberschwingungen mit den Kreisfrequenzen ωn = nω0, n = 2, 3, 4, 5, die alle unterschiedliche Amplituden und Phasenlagen haben. Eine FOURIERanalyse würde hier den Gleichanteil c0 = 0 sowie fünf Werte cn für das Amplitudenspektrum und fünf Werte fn für das Phasenspektrum liefern. Frage 1: - Versuchen Sie der Abb. 5 auf grafischem Wege die nötigen Daten zu entnehmen, um das Amplitudenund Phasenspektrum analog zu Abb. 4 zu skizzieren. Kontrollieren Sie mit Hilfe von Matlab, ob Ihre Analyse richtig ist. 210 Abb. 5: Anharmonisches, periodisches Signal f(t) (oben links, rot) mit seinen fünf harmonischen Komponenten (oben rechts sowie Mitte und unten, blau). Abszisse: t, Ordinate: f(t) bzw. hn(t), Periodendauer T = 1 (t und f(t) in beliebigen Einheiten) 2.2 Abtastung und Abtasttheorem Wir wissen nun, wie man die FOURIERkoeffizienten a0, an und bn und daraus die Größen c0, cn und fn, also das Amplituden- und Phasenspektrum für periodische Signale f(t) berechnen kann. In der Praxis tritt an dieser Stelle ein Problem auf: Bei den zu untersuchenden Signalen handelt es sich in der Regel nicht um analytisch bekannte Signale, sondern um Messsignale mit kompliziertem zeitlichen Verlauf, die z.B. mit einer Messwerterfassungskarte in einem Computer aufgezeichnet wurden. Solche Aufzeichnungsverfahren liefern zu den äquidistanten Zeitpunkten ti (Zeitabstand ∆t) diskrete Funktionswerte yi = f(ti) 7. Man spricht dann auch davon, dass das Signal f(t) mit der Abtastkreisfrequenz ωa = 2π/∆t an den Stellen ti abgetastet wurde. Die FOURIERanalyse eines so abgetasteten Signals lässt sich natürlich nur näherungsweise durchführen - denn auch das Signal selber ist ja nur näherungsweise (nämlich nur an den Stellen ti) bekannt. Wie eine FOURIERanalyse in einem solchen Fall durchgeführt wird, soll im Folgenden dargestellt werden. Nehmen wir an, von dem Signal f(t) lägen 2m Messwerte (Abtastwerte) yi (i = 0, 1,..., 2m-1) zu den äquidistanten Zeitpunkten ti vor. Dann erhalten wir für die FOURIERkoeffizienten: (13) 7 c0 = 1 2m− 1 ∑ yi 2m i = 0 Siehe Versuch „Datenerfassung und -verarbeitung mit dem PC...“. 211 (14) (15) an = 1 m bn = 1 m 2m− 1 ∑ i= 0 2m− 1 ∑ i= 0 2π n i yi cos n = 1, 2,..., m 2m 2π n i yi sin 2m n = 1, 2,..., m-1 Aus 2m unabhängigen Funktionswerten gewinnen wir demnach m Koeffizienten an, (m - 1) Koeffizienten bn und eine Konstante c0, zusammen also m + (m - 1) + 1 = 2m unabhängige FOURIERkoeffizienten. Dies ist vom Standpunkt des Informationsgehalts her auch verständlich: durch bloße Rechnung geht weder Informationsgehalt verloren, noch kommt neuer hinzu. Die Frage, wie viel Funktionswerte man mindestens benötigt, um mit Hilfe der Gl. (13) - (15) die Kreisfrequenz ω s einer im Signal f(t) enthaltenen harmonischen Schwingung sicher bestimmen zu können, klärt das so genannte Abtasttheorem (Samplingtheorem, SHANNON-Theorem8). Es besagt, dass eine Kreisfrequenz ω s dann noch sicher detektiert werden kann, wenn für die Abtastkreisfrequenz ωa gilt: (16) ωa > 2 ωs Abtasttheorem Mit anderen Worten: Die Kreisfrequenz ω s eines harmonischen Signals kann nur dann sicher bestimmt werden, wenn für das Signal mehr als 2 Abtastwerte pro Periode vorliegen. Wird die Bedingung aus der Ungleichung (16) verletzt, wird ein Signal mit der Kreisfrequenz ω s also „unterabgetastet“, so kommt es zu falschen Resultaten (Aliasing-Effekten). Die FOURIERanalyse liefert in diesem Fall die falsche Kreisfrequenz ω f : (17) ω= ωa −ωs f Das Signal mit der Kreisfrequenz ω s taucht demnach im Amplitudenspektrum unter dem „falschem Namen“ ω f auf, daher die Bezeichnung „Alias“. Für ωs ≤ ωa ≤ 2ωs erscheint es im Spektrum gespiegelt an der Achse ω = ωa/2. Ist die Abtastkreisfrequenz ωa vorgegeben, so kann ein harmonisches Signal gem. Gl. (16) nur dann richtig abgetastet werden, wenn für seine Kreisfrequenz gilt: (18) ωs < ωa 2 Die Kreisfrequenz ωa/2 heißt NYQUIST-Frequenz 9. Bei Einhaltung des Abtasttheorems bestimmt die Länge 2 m ∆t des Zeitintervalls, über das das Messsignal abgetastet wurde, die Frequenzauflösung ∆f, d.h. die Genauigkeit, mit der Signalfrequenzen bestimmt werden können: (19) ∆f 1 2 m ∆t Dieser Aspekt der FOURIERanalyse kann jedoch im Grundpraktikum nicht weiter vertieft werden. 8 9 CLAUDE ELWOOD SHANNON (1916 - 2001). HARRY NYQUIST (1889 - 1976). 212 2.3 Praktische Hinweise Die Berechnungen der FOURIERkoeffizienten bzw. des Amplituden- und Phasenspektrums sind recht aufwändig. Heute können sie jedoch selbst von Personal Computern sehr schnell durchgeführt werden und im Falle großer Datenmengen lässt sich die Berechnung durch Einsatz spezieller Prozessoren noch beschleunigen. Es ist noch gar nicht so lange her, dass hier mühsame Handarbeit geleistet werden musste. So findet man in einem Mathematikhandbuch aus dem Jahr 1969 den Hinweis (GELLERT, W. u.a. [Hrsg.]: „Kleine Enzyklopädie Mathematik“, VEB Bibliographisches Institut, Leipzig, 1969): „Ein geübter Rechner braucht bei Benutzung einer elektrischen Rechenmaschine und unter Verwendung spezieller Rechenschemata zur Durchführung dieser harmonischen Analyse mit 12 Punkten etwa 1/2 Stunde, mit 24 Punkten etwa 2 Stunden, mit 36 Punkten etwa 6 Stunden und mit 72 Punkten etwa 16 Stunden... Eine mittelschnelle elektronische Rechenmaschine bewältigt die Rechnung für 36 Punkte in etwa 2 Minuten. Die Zeit, die erforderlich ist, um das Ergebnis auszudrucken, ist meist länger als die Rechenzeit.“ Im vorliegenden Praktikumsversuch wird die FOURIERanalyse mit einigen 100 bis einigen 1000 Punkten durchgeführt. Halten Sie sich also schon mal die Semesterferien frei - oder setzen Sie den bereitstehenden PC ein, dann werden Sie ohne Probleme an einem Nachmittag fertig! In der Praxis ist man häufig nur daran interessiert zu erfahren, welche Amplituden die harmonischen Signale haben, die in einem periodischen Messsignal enthalten sind. Die Phasenlage der einzelnen Beiträge ist oftmals unwichtig. Mit anderen Worten: das Amplitudenspektrum ist meistens von erheblich größerer praktischer Bedeutung als das Phasenspektrum. Auch bei den durchzuführenden Versuchen werden wir uns deshalb auf die Interpretation der Amplitudenspektren beschränken. Hat man ein nicht-periodisches Signal f(t) vorliegen, das nur in einem Zeitintervall der Länge τ definiert ist (z.B. ein Spannungsimpuls aus einem Fotodetektor), so kann man sich das Signal formal links und rechts des Intervalls periodisch fortgesetzt denken (mit der „Periode“τ) und es ebenfalls mit einer FOURIERreihe darstellen. Zwar werden durch eine so berechnete FOURIERreihe gem. Gl. (4) auch Funktionswerte außerhalb des Definitionsintervalls τ dargestellt, diese können jedoch für die weiteren Betrachtungen einfach ignoriert werden. 3 Versuchsdurchführung Zubehör: Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, PC mit Messwerterfassungskarte (NATIONAL INSTRUMENTS 6014 PCI oder 6221 PCI) und zugehörigem BNC-Adapter (NATIONAL INSTRUMENTS BNC-2120), 2 Funktionsgeneratoren (TOELLNER 7401 und AGILENT 33120A / 33220A), Additionsverstärker, Fotodiode mit integriertem Verstärker und Lochblende (Durchmesser 1 mm), AC-Filter für Fotodiode, Glühlampe und Leuchtstofflampe in lichtdichtem Kasten, Mikrophon mit Vorverstärker, Stimmgabel, Netzgerät (PHYWE (0 - 15 / 0 - 30) V). 3.1 Allgemeine Hinweise 3.1.1 Inbetriebnahme der Messwerterfassungskarte Die Eingangs-Wahl-Schalter auf der Steckplatine der Messwerterfassungskarte müssen auf FS (Floating Source) stehen. Der Anschluss der Signalquellen (Funktionsgenerator, Mikrophonverstärker usw.) erfolgt grundsätzlich nur an die BNC-Buchse des Eingangskanals 0 (ACH 0 bzw. AI 0); der Schiebeschalter über der BNC-Buchse von ACH 0 bzw. AI 0 muss auf BNC stehen. 213 3.1.2 Eingangsspannungsbereich der Messwerterfassungskarte Der maximale Eingangsspannungsbereich der Messwerterfassungskarte beträgt ± 10 V; er darf nicht überschritten werden. Zur Kontrolle werden deshalb alle Eingangssignale der Messwerterfassungskarte gleichzeitig am Oszilloskop dargestellt. 3.1.3 Software Die folgenden Versuche werden mit Hilfe der MATLAB-Skripte Fourieranalyse.m bzw. Rekonstruktion.m durchgeführt (Skripte verfügbar unter Q:). Die Skripte melden sich mit selbsterklärenden Fenstern. Textausgaben der Skripte, wie z.B. Tabellen mit Amplituden und Frequenzen von FOURIERkomponenten, erscheinen im Command Window. Sie können dort markiert und per „Copy and Paste“ in andere Anwendungen übernommen werden (z. B. Word, Notepad-Editor u.a.). 3.1.4 Ausdruck und Speicherung von Grafiken Die erzeugten Grafiken (Matlab Figures) können über → File → Print auf dem Drucker im Grundpraktikum ausgedruckt werden. Über → File → Save as kann eine Speicherung in verschiedenen gängigen Grafikformaten erfolgen. Details von Grafiken können mit Hilfe der Zoom-Funktion im Figure-Fenster vergrößert werden. 3.2 Abtasttheorem Mit Hilfe des AGILENT-Funktionsgenerators wird ein sinusförmiges Zeitsignal U(t) ohne DC-Anteil mit einer Frequenz von 140 Hz und einer Amplitude von 4 V erzeugt (Kontrolle der Einstellungen am Oszilloskop) und an den Eingang ACH 0 bzw. AI 0 der Messwerterfassungskarte gelegt. Mit Hilfe des Programms Fourieranalyse werden bei Abtastfrequenzen von (1.000, 500, 300, 200, 150, 120) Hz jeweils 1.000 Abtastwerte eingelesen und FOURIERanalysiert. Die Ergebnisse (Zeitsignale und Amplitudenspektren) werden ausgedruckt bzw. gespeichert. Frage 2: - Wie lassen sich die Ergebnisse unter Berücksichtigung von Gl. (16) bis (18) interpretieren? 3.3 Spektren der Signale eines Fotodetektors Beim Praktikumsversuch zum Oszilloskop haben wir gesehen, dass der zeitliche Verlauf der Lichtintensität einer am normalen Stromnetz betriebenen Glühlampe anders aussieht, als der Lichtintensitätsverlauf für eine Leuchtstofflampe. Diesen qualitativen Befund wollen wir nun quantitativ untersuchen. Dazu wird eine Fotodiode zunächst mit dem Licht einer mit Netzspannung betriebenen Glühlampe und anschließend mit dem Licht einer ebenfalls mit Netzspannung betriebenen Leuchtstofflampe beleuchtet. Durch eine passende Lochblende vor der Fotodiode wird verhindert, dass das Ausgangssignal des Fotodiodenverstärkers (Zeitsignal U(t)) übersteuert. Mit Hilfe des bereitliegenden AC-Filters wird der Gleichspannungsanteil aus dem jeweiligen Signal herausgefiltert (Kontrolle am Oszilloskop) und das Signal anschließend an den Eingang ACH 0 bzw. AI 0 der Messwerterfassungskarte gelegt. Mit Hilfe des Programms Fourieranalyse werden von beiden Signalen bei einer Abtastfrequenz von 5 kHz jeweils 5.000 Abtastwerte eingelesen und FOURIERanalysiert. Die Ergebnisse (Zeitsignale und Amplitudenspektren) werden ausgedruckt bzw. gespeichert. Frage 3: - Worin unterscheiden sich die Zeitsignale, worin ihre Amplitudenspektren? (Angaben über die absoluten Amplituden der spektralen Anteile sind nicht von Bedeutung.) 214 3.4 Spektren von mit einem Mikrophon aufgezeichneten Schallwellen Zunächst soll die Grundfrequenz einer Stimmgabelschwingung ermittelt werden. Dazu wird die Stimmgabel angeschlagen und die von ihr erzeugte Schallwelle mit Hilfe eines Mikrophons aufgezeichnet, indem das untere Ende der Stimmgabel auf das Mikrophon aufgesetzt wird. Das Ausgangssignal des Mikrophons wird mit dem bereitliegenden Verstärker verstärkt und dessen Ausgangssignal (Zeitsignal U(t)) an den Eingang ACH 0 bzw. AI 0 der Messwerterfassungskarte gelegt. Mit Hilfe des Programms Fourieranalyse werden bei einer Abtastfrequenz von 5 kHz 10.000 Abtastwerte eingelesen und FOURIERanalysiert. Das Ergebnis (Zeitsignal und Amplitudenspektrum) wird ausgedruckt bzw. gespeichert. Frage 4: - Entspricht das Amplitudenspektrum den musikalischen Erwartungen? Im zweiten Schritt wird versucht, den von der Stimmgabel erzeugten Ton (das a’) zunächst nachzusingen und anschließend nachzusummen. Für beide Fälle sollen die akustischen Signale mit dem Mikrophon aufgezeichnet werden und anschließend eine Auswertung wie bei der Stimmgabelschwingung erfolgen. Frage 5: - Worin unterscheiden sich die Ergebnisse von denen der Stimmgabelschwingung? 3.5 Spektrum eines Schwebungssignals Mit Hilfe eines Additionsverstärkers werden die Sinussignale zweier Funktionsgeneratoren (AGILENT und TOELLNER) addiert. Der eine Generator wird bei 104 Hz, Amplitude 1 V, kein DC-Anteil betrieben, der andere bei 108 Hz, Amplitude 0,75 V, kein DC-Anteil (Einstellungen mit dem Digital-Oszilloskop kontrollieren). Das Ausgangssignal des Additionsverstärkers (Zeitsignal U(t)) wird an den Eingang ACH 0 bzw. AI 0 der Messwerterfassungskarte gelegt und gleichzeitig mit dem Oszilloskop beobachtet. Mit Hilfe des Programms Fourieranalyse werden bei einer Abtastfrequenz von 2 kHz 10.000 Abtastwerte eingelesen und FOURIERanalysiert. Das Ergebnis (Zeitsignal und Amplitudenspektrum) wird ausgedruckt bzw. gespeichert und der Verlauf des Amplitudenspektrums interpretiert. 3.6 Spektrum eines amplitudenmodulierten Signals Wir betrachten ein harmonisches Spannungssignal U(t) der Form (20) U ( t ) = U T sin (ωT t ) mit der Amplitude UT und der Kreisfrequenz ωΤ. Wird zu der konstanten Amplitude UT dieses Signals ein zeitabhängiges Signal UM(t) hinzu addiert, so erhält man ein amplitudenmoduliertes Signal 10: (21) U= ( t ) UT + U M ( t ) sin (ωT t ) Das Signal aus Gl. (20) heißt Trägersignal und ωT heißt Trägerkreisfrequenz. Im einfachsten Fall ist UM(t) ein harmonisches Signal mit der Kreisfrequenz ωM und der Amplitude UM0. Dann folgt: 10 Das Prinzip der Amplitudenmodulation (amplitude modulation, AM) wird z. B. zur Signalübertragung beim Lang-, Mittel- und Kurzwellenrundfunk eingesetzt. Der heutige Standard im Ultrakurzwellen-(UKW)-Bereich ist die Frequenzmodulation (frequency modulation, FM). 215 (22) U= ( t ) UT + U M 0 sin (ωM t ) sin (ωT t ) Diese Gleichung lässt sich umformen zu: (23) U= ( t ) UT sin (ωT t ) + UM 0 cos ( (ωT − ωM ) t ) − cos ( (ωT + ωM ) t ) 2 Frage 6: - Skizzieren Sie das Amplitudenspektrum des Signals U(t) nach Gl. (23) für den Fall UT = 2UM0 = 1 V, ωT /2π = 750 kHz und ωM /2π = 15 kHz. Mit dem AGILENT-Funktionsgenerator wird ein amplitudenmoduliertes Signal gem. Gl. (22) mit folgenden Parametern generiert: UT = 2 V, ωT /2π = 1 kHz, UM0 = 1 V, ωM /2π = 200 Hz (beachte Fußnote 11!). Das Signal (Zeitsignal U(t)) wird an den Eingang ACH 0 bzw. AI 0 der Messwerterfassungskarte gelegt und gleichzeitig mit dem Oszilloskop beobachtet. Mit Hilfe des Programms Fourieranalyse werden bei einer Abtastfrequenz von 10 kHz 10.000 Abtastwerte eingelesen und FOURIERanalysiert. Das Ergebnis (Zeitsignal und Amplitudenspektrum) wird ausgedruckt bzw. gespeichert. Der Verlauf des Amplitudenspektrums wird mit den Erwartungen nach Gl. (23) verglichen. 3.7 Spektrum eines Rechtecksignals, Gibbssches Phänomen Das Rechtecksignal eines Funktionsgenerators (Zeitsignal U(t); Amplitude 4 V, Frequenz 50 Hz, kein DC-Anteil) wird an den Eingang ACH 0 bzw. AI 0 der Messwerterfassungskarte gelegt. Mit Hilfe des Programms Rekonstruktion werden bei einer Abtastfrequenz von 10 kHz 10.000 Abtastwerte eingelesen und FOURIERanalysiert. Das Ergebnis (Zeitsignal und Amplitudenspektrum) wird ausgedruckt bzw. gespeichert und der Verlauf des Amplitudenspektrums wird mit den theoretischen Erwartungen verglichen. Zu diesem Vergleich gehört auch eine tabellarische Gegenüberstellung der erwarteten und gemessenen Amplituden für die 10 Spektralkomponenten mit den größten Amplituden. Hinweis: Darstellungen der FOURIERanalyse eines Rechtecksignals finden sich in nahezu jedem Physiklehrbuch oder z.B. im „Taschenbuch der Mathematik“ oder in den Online-Nachschlagwerken von WOLFRAM RESEARCH (siehe http://www.uni-oldenburg.de/physik/lehre/praktika/literatur/). Die für den Vergleich benötigten Messdaten werden im Command-Fenster von Matlab ausgegeben und können von dort in eine eigene Anwendung kopiert werden. Anschließend wird das Zeitsignal durch schrittweise Addition seiner FOURIERkomponenten rekonstruiert (FOURIERsynthese). Auf diese Weise kann anschaulich gezeigt werden, wie das ursprüngliche Rechtecksignal Stück für Stück aus seinen FOURIERkomponenten zusammengesetzt werden kann, wenn bei der Rekonstruktion immer mehr Oberschwingungen zur Grundschwingung hinzuaddiert werden. Das Ergebnis der Rekonstruktion wird ausgedruckt bzw. gespeichert. Bei der Betrachtung des rekonstruierten Rechtecksignals wird auffallen, dass es zu Über- und Unterschwingern kommt. Dieser Effekt heißt GIBBSsches Phänomen 12. Es tritt immer dann auf, wenn das eingelesene Signal eine Unstetigkeit aufweist, wie das Rechtecksignal an den Stellen des Übergangs vom unteren zum oberen bzw. vom oberen zum unteren Signalpegel (s. Abb. 6). Die Überschwinger selbst 11 12 Diese Parameter wurden in dem Funktionsgenerator in seinem internen Speicher „1“ abgelegt. Sie können abgerufen werden durch Betätigung der Taste RECALL; im Display erscheint zunächst die Angabe RECALL 0 mit blinkender 0. Durch Betätigung der Taste ∧ wird die 0 auf 1 erhöht und danach die ENTER-Taste betätigt. Der Funktionsgenerator gibt nun an der OUTPUT-Buchse das gewünschte Signal aus. JOSIAH WILLARD GIBBS (1839 - 1903) 216 heißen GIBBSsche Höcker oder GIBBSsche Überschwinger. Je größer die Zahl N der Oberschwingungen ist, die zur Synthese des Rechtecksignals verwendet werden, desto enger rücken die Extrema der Überund Unterschwinger zusammen, ihre Amplituden bleiben für große N jedoch gleich. Eine genaue, aber aufwändige Rechnung ergibt, dass der größte Überschwinger eine Höhe von ca. 9 % der Amplitude des Rechtecksignals hat, während die Höhe des größten Unterschwingers etwa 4,8 % der Amplitude beträgt. Abb. 6: GIBBSsches Phänomen bei der FOURIERsynthese eines Rechtecksignals mit einer Amplitude von 1 V und einer Periodendauer von 2 s. Links N = 50, rechts N = 100. 3.8 Spektrum eines Sägezahnsignals und eines Dreiecksignals Der unter Kap. 3.7 beschriebene Versuch wird mit einem Sägezahnsignal und anschließend mit einem Dreiecksignal wiederholt (Amplitude der Signale jeweils 4 V, Frequenz 50 Hz, kein DC-Anteil; Abtastfrequenz 10 kHz, 10.000 Abtastwerte). Das Zeitsignal und das Amplitudenspektrum werden jeweils ausgedruckt bzw. gespeichert und der Verlauf der Amplitudenspektren mit den theoretischen Erwartungen verglichen. Darstellungen der Fourieranalyse beider Signale findet man ebenfalls in den unter Kap. 3.7 genannten Quellen. Abschließend werden beide Signale aus ihren Spektren rekonstruiert, die Ergebnisse der Rekonstruktion werden ausgedruckt bzw. gespeichert. Frage 7: - Bei welchem der Signale macht sich das GIBBSsche Phänomen bemerkbar und warum? 217 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Oberflächenspannung, Minimalflächen und Kaffeeflecken Stichworte: VAN DER WAALS-Kräfte, spezifische Oberflächenenergie, Oberflächenspannung, Minimalflächen, Kapillarität, Kontaktwinkel, Kohäsion, Adhäsion, Abreißmethode, Blasendruckmethode. Messprogramm: Beobachtung von Minimalflächen, Beobachtung des Stofftransports bei der Verdunstung eines Flüssigkeitstropfens, Messung der Oberflächenspannung mit der Abreißmethode und der Blasendruckmethode, Innendruck in Gasblasen. Literatur: /1/ DEMTRÖDER, W.: „Experimentalphysik 1 - Mechanik und Wärme“, Springer-Verlag, Berlin u.a. /2/ EICHLER, H. J., KRONFELDT, H.-D., SAHM, J.: „Das Neue Physikalische Grundpraktikum“, Springer-Verlag, Berlin u.a. /3/ WALCHER, W.: „Praktikum der Physik“, Teubner Studienbücher, Teubner-Verlag, Stuttgart 1 Einleitung Viele werden sich noch an das Experiment aus der Kindheit erinnern, bei dem eine Stecknadel auf eine Wasseroberfläche gelegt wurde und nicht versank. Oder an die Beobachtung von Insekten, die über die Wasseroberfläche eines Teiches laufen können, ohne einzusinken. Beide Erscheinungen sind Folge der Oberflächenspannung von Flüssigkeiten, um deren quantitative Messung es in diesem Versuch geht. 2 Theorie Zwischen den Molekülen im Innern einer Flüssigkeit herrschen verschiedene Wechselwirkungskräfte, vor allem die VAN DER WAALS-Kräfte elektrostatischen Ursprungs. Diese Wechselwirkungskräfte haben eine sehr kurze Reichweite im Bereich von 10-9 m und bewirken den Zusammenhalt der Moleküle untereinander (Kohäsionskräfte). Sie sind deutlich größer als die Wechselwirkungskräfte, die zwischen den Flüssigkeitsmolekülen und den Molekülen eines über der Flüssigkeitsoberfläche liegenden Gases (z. B. Luft) auftreten (Adhäsionskräfte). Das führt zu der in Abb. 1 dargestellten Situation: Auf die Moleküle im Innern der Flüssigkeit wirken gleich große Kräfte in alle Raumrichtungen, die sich in ihren Wirkungen gegenseitig aufheben, die resultierende Kraft FR ist null. In einer dünnen Schicht an der Oberfläche der Flüssigkeit verbleibt jedoch eine resultierende, ins Innere der Flüssigkeit gerichtete Kraft FR ≠ 0, die auf der Flüssigkeitsoberfläche senkrecht steht. Soll die Oberfläche der Flüssigkeit vergrößert werden, indem Flüssigkeitsmoleküle aus dem Innern der Flüssigkeit an die Oberfläche gebracht werden, so muss gegen diese Kraft FR Arbeit geleistet werden; die potentielle Energie der Moleküle wird erhöht. Hieraus lässt sich sofort ein wichtiger Schluss ziehen: da ein Gleichgewichtszustand durch ein Minimum an potentieller Energie gekennzeichnet ist, nehmen Flüssigkeitsoberflächen ohne Einwirkung äußerer Kräfte Minimalflächen ein. Eindrucksvolle Minimalflächen lassen sich einfach demonstrieren, indem z.B. unterschiedlich geformte Draht- oder Kunststoffgestelle in Seifenwasser eingetaucht und anschließend herausgezogen werden. Die sich dabei ausbildenden Seifenhautlamellen zwischen den Drähten bzw. Stegen stellen Minimalflächen dar. 218 Luft Flüssigkeit FR ≠0 FR =0 Abb. 1: Zur Entstehung der Oberflächenspannung von Flüssigkeiten, hier an der Grenzfläche zwischen einer Flüssigkeit und Luft. FR: resultierende Kraft auf Flüssigkeitsmolekül. Die zur Vergrößerung der Flüssigkeitsoberfläche um den Betrag ∆A erforderliche Arbeit sei ∆W. Der Quotient beider Größen, (1) w = ∆W ∆A heißt spezifische Oberflächenenergie oder Oberflächenenergiedichte, ihre Einheit ist [w] = J/m2. Fg Kraftmesser L σ s h F ∆s Abb. 2: Zur Definition der Oberflächenspannung. Metallring Flüssigkeitslamelle Flüssigkeit Abb. 3: Messung der Oberflächenspannung mit der Abreißmethode. Abb. 2 zeigt eine mögliche Anordnung zur Messung der spezifischen Oberflächenenergie. Zwischen den Schenkeln eines dünnen, U-förmigen Drahtbügels (grau) mit der Breite L gleitet ein verschiebbarer Draht (gelb), der sich anfänglich im Abstand s vom oberen Rand des Bügels befindet. Zwischen Bügel und Draht befinde sich eine Flüssigkeitsoberfläche mit der Fläche 2 A = 2 L s , beispielsweise eine Seifenhautlamelle (Faktor 2 wegen Vorder- und Rückseite der Oberfläche). Durch Einwirkung einer Kraft F wird der verschiebbare Draht um die kleine Strecke ∆s verschoben und damit die Oberfläche um ∆A = 2L∆s vergrößert. Die dazu erforderliche Arbeit ∆W ist mit F = |F|: (2) ∆W = F ∆s Mit Gl. (1) folgt daraus für die spezifische Oberflächenenergie (3) = w ∆W F ∆s F = = ∆A 2 L∆s 2 L 219 Berücksichtigt man die Vektoreigenschaft der Kraft F, so erhält man die vektorielle Größe Oberflächenspannung σ : σ = (4) − F 2L mit der Einheit [σ] = N/m = J/m2 1. Wie aus Abb. 2 ersichtlich, ist die Oberflächenspannung tangential zur Oberfläche gerichtet. Der Betrag der Oberflächenspannung, σ = |σ|, ist identisch mit der spezifischen Oberflächenenergie w: w = σ. In der Praxis gebräuchlich ist der Begriff der „Oberflächenspannung“ für den Betrag σ ; so werden auch wir ihn im Folgenden verwenden. 2.1 Messung der Oberflächenspannung mit der Abreißmethode Eine häufig verwendete Anordnung zur Messung der Oberflächenspannung von Flüssigkeiten gegen Luft zeigt Abb. 3. Ein dünnwandiger zylindrischer Ring mit dem Radius r, der Wanddicke d und der Masse m wird an einen Kraftmesser gehängt und in die Flüssigkeit eingetaucht. Anschließend wird der Ring durch Absenken des Flüssigkeitsbehälters aus der Flüssigkeit herausgezogen. Dadurch entsteht zwischen Ring und Flüssigkeitsoberfläche eine Flüssigkeitslamelle. Um den Ring in der Höhe h zu halten, ist die Kraft F(h) erforderlich. Wir wollen annehmen, dass wir den Ring, ausgehend von der Höhe h, gerade noch um ein kleines Stück ∆h bis auf die Höhe h0 aus der Flüssigkeit herausziehen können, ohne dass die Lamelle sich einschnürt und schließlich abreißt. Die hierfür erforderliche Arbeit ist (5) ∆W = F ( h0 ) ∆ h , durch die die Lamellenoberfläche um (6) ∆A = 2 × 2 π r ∆h vergrößert wird. Damit ergibt sich für die Oberflächenspannung: (7) = σ F ( h0 ) ∆h F ( h0 ) ∆W = = ∆A 2 × 2 π r ∆h 4π r Mit Hilfe dieser Abreißmethode lässt sich durch Messen der maximalen Kraft F := F(h0), bei der die Lamelle sich noch nicht einschnürt und schließlich abreißt und des Ringradius r die Oberflächenspannung σ von Flüssigkeiten gegen Luft bestimmen. Dabei ist zu beachten, dass der Kraftmesser die Gesamtkraft Fg (8) F= g F + mg anzeigt, wobei m die Masse des Ringes einschließlich Halterung und g die Erdbeschleunigung ist. Die in Gl. (7) einzusetzende Kraft F ist also: (9) 1 = F Fg − mg Im Gegensatz zur Oberflächenspannung mit der Einheit N/m ist eine mechanische Spannung, z.B. die auf einen Stab wirkende Zugspannung, als Kraft F pro Fläche A definiert, also σ = F/A mit der Einheit [σ] = N/m2. 220 Soweit die Theorie. In der Praxis muss der mit Gl. (7) ermittelte Wert noch mit einem Korrekturfaktor f multipliziert werden, den wir hier ohne Herleitung angeben und als fehlerfrei annehmen 2: (10) f = 0, 725 + 0,3607 d σ + 0, 04534 − 0,839 2 r r rg Dabei ist σ der Rohwert der Oberflächenspannung aus Gl. (7) und r die Dichte der Flüssigkeit. Der korrigierte Wert σk der Oberflächenspannung ist dann: (11) σk = f σ 2.2 Messung der Oberflächenspannung mit der Blasendruckmethode Eine andere Methode zur Messung der Oberflächenspannung ist in Abb. 4 dargestellt. Eine spitz angeschliffene Kapillare K mit kleinem Innenradius r taucht senkrecht in eine Flüssigkeit ein (Eintauchtiefe h), deren Oberflächenspannung gegen Luft gemessen werden soll. Die Kapillare ist über einen Schlauch mit einer Anordnung zur Änderung des Luftdruckes verbunden, die bereits aus dem Versuch „Sensoren...“ bekannt ist. Der Luftdruck in der Kapillare kann mit dem Drucksensor D gemessen werden. M hm H1 Wasser pL H2 K B -+ D Luft, Druck p h V E Wasser S Abb. 4: Aufbau zur Messung der Oberflächenspannung mit der Blasendruckmethode. Einzelheiten siehe Versuch „Sensoren...“. Um die Luft bis zur Öffnung der Kapillare zu treiben, muss zunächst der hydrostatische Gegendruck pF in der Flüssigkeit überwunden werden, der durch (12) pF = ρ gh gegeben ist, wobei r die Dichte der Flüssigkeit und g die Erdbeschleunigung ist. Wird der Luftdruck in K weiter erhöht, so bildet sich an der Öffnung der Kapillare langsam eine in die Flüssigkeit gewölbte Luftblase vom Radius R aus (Abb. 5), deren Innendruck antiproportional zu R ist. Mit zunehmendem Druck 2 nach KOSE, V. [Hrsg.]; WAGNER, S. [Hrsg.]: "KOHLRAUSCH - Praktische Physik Bd. 1", Teubner, Stuttgart, 1996 221 wird die Luft weiter aus der Kapillare getrieben und der Radius R der Luftblase demnach immer kleiner. Im Falle R = r ist der Radius minimal und der Druck in der dann halbkugelförmigen Blase maximal. Nach Überschreiten dieses Druckes wird die Blase größer und löst sich schließlich von der Kapillare. Der Druck in der Kapillare bricht kurzzeitig zusammen und der Vorgang der Blasenbildung beginnt von neuem. Luftzufuhr 2r R >> r R>r R=r R>r Abb. 5: Luftblasen (grau, Radius R) an der Öffnung einer in Flüssigkeit eingetauchten Kapillare vom Radius r. Die gestrichelten Linien markieren die gedachte Form einer freien Blase mit Radius R. Sei ∆p der Überdruck gegenüber dem hydrostatischen Druck an der Kapillaröffnung, bei dem der Druck in den Blasen maximal und ihr Radius gleich r ist. Ist rm die Dichte der Flüssigkeit im Manometer (hier Wasser) und hm die im Manometer angezeigte Höhe, so gilt für ∆p: (13) = ∆p h) g ( ρρ m hm − Damit lässt sich die Oberflächenspannung näherungsweise wie folgt berechnen: (14) 2 r ∆p 2r r g 1 rr g 1 − σ = − 2 3∆p 6 ∆p Gleichung (14) stellt eine Näherungslösung dar, auf deren Herleitung wir verzichten wollen, da sie nicht leicht nachzuvollziehen ist. An ihr haben schließlich so berühmte Physiker wie ERWIN SCHRÖDINGER, einer der Begründer der Quantenmechanik, mitgewirkt! 3 Für kleine Kapillarradien r fallen die beiden letzten Glieder in Gl. (14) (Korrekturterme) nicht ins Gewicht und wir können schreiben: (15) 3 σ ≈ r ∆p 2 Vgl. E. SCHRÖDINGER: „Notiz über den Kapillardruck in Gasblasen“, Ann. Phys. 46.4 (1915) 413 - 418. 222 Der Vorteil dieser Blasendruckmethode gegenüber der Abreißmethode ist der, dass hier die Oberflächenspannung jeweils an einer frischen Oberfläche, nämlich der der Gasblase in der Flüssigkeit, gemessen wird. Verunreinigungen der Flüssigkeitsoberfläche durch die umgebende Luft, die bei der Abreißmethode zu Fehlern führen können, fallen hier also nicht ins Gewicht. 2.3 Physik in Kaffeeflecken Gibt man einen Tropfen einer Flüssigkeit auf eine feste glatte Oberfläche, z.B. Wasser auf Glas, so stellt sich bei nicht vollständiger Benetzung zwischen Flüssigkeit und Oberfläche ein bestimmter Kontaktwinkel ein, der durch die Eigenschaften der beteiligten Materialien, insbesondere durch die Oberflächenspannung der Flüssigkeit, bestimmt wird. Durch kleine Defekte in der Oberfläche kann der Rand des Tropfens auf der Oberfläche fixiert werden. Enthält die Flüssigkeit einen gelösten Stoff, wie z.B. Kaffee in Wasser, erfolgt die Fixierung des Tropfenrandes durch den gelösten Stoff selber, tritt also auch bei „perfekten“ Oberflächen auf 4. Die Fixierung des Tropfenrandes hat zur Folge, dass der Tropfen beim Verdampfen der Flüssigkeit seine radiale Ausdehnung beibehält. Deshalb muss Flüssigkeit, die am Rand verdampft, aus der Tropfenmitte nachgeliefert werden. Dies führt in dem Tropfen zu einer nach außen gerichteten „kapillaren Strömung“ (Abb. 6), mit der der gelöste Stoff ständig an den Tropfenrand transportiert wird. Nach vollständigem Abtrocknen des Tropfens befindet sich also am Tropfenrand deutlich mehr Kaffee als im Innern. Der innen helle Kaffeefleck ist demnach von einem dunklen Rand umgeben. Abb. 6: Links: Radiale kapillare Strömung in einem Flüssigkeitstropfen auf einer Glasoberfläche 5. Die Strömung wurde durch Mehrfachbelichtung von kleinen Mikrokugeln (Durchmesser 1 µm) sichtbar gemacht, die der Flüssigkeit beigemischt wurden. Rechts: getrockneter Kaffeefleck, dessen höhere Kaffeedichte am Rand durch eine solche Strömung verursacht wird. 4 5 Vgl. R. D. Deegan: „Pattern formation in drying drops“, Phys. Rev. E 61.1 (2000) 475 - 485 Vgl. R. D. Deegan: „Capillary flow as the cause of ring stains from dried liquid drops“, Nature 389 (1997) 827 – 829. 223 3 Versuchsdurchführung Zubehör: Ring (r = 25,52 mm, d = 0,25 mm, jeweils fehlerfrei) mit Aufhängung, höhenverstellbare Plattform, Kraftsensor auf DMS-Prinzip (U-OL, Messbereich 100 mN), Messverstärker für Kraftsensor (U-OL), Gewichtssatz zur Kalibrierung des Kraftsensors, Kapillare (Innendurchmesser d = (2,07 ± 0,01) mm) in Halterung an Höhenverstelleinheit (Ablesegenauigkeit 0,02 mm), Drucksensor (SENSORTECHNICS HCLA12X5DB) auf Grundplatte mit Absperrhähnen an Stativ, ERLENMEYER-Kolben mit geschliffenem Stopfen auf Tisch, U-Rohr-Manometer (Wasserfüllung) mit Halterung und Ableseskala, Bechergläser, Scherentisch, Schlauchmaterial, Thermometer (Genauigkeit 0,1 °C), destilliertes Wasser, Seifenlauge, Kunststoffgestelle, Glasrohrgestell mit zwei Eintrittsöffnungen und zwei Austrittsöffnungen, Objektträger, Zahnstocher, Aluminiumplatte, Rotwein, Ethanolbad, Bad mit destilliertem Wasser, Fön, Stickstoffflasche, Haushaltstuchrolle, Netzgerät (PHYWE (0 - 15 / 0 - 30) V), PC mit Messwerterfassungskarte (NATIONAL INSTRUMENTS PCI 6014 oder PCI 6221) und zugehörigem BNC-Adapter (NATIONAL INSTRUMENTS BNC-2120). 3.1 Minimalflächen Zielgröße Skizzieren Sie bei der Vorbereitung auf den Versuch Ihre Erwartungen hinsichtlich der Minimalflächen, die sich nach Eintauchen und Herausziehen der bereitliegenden Kunststoffgestelle 6 in Seifenlauge ergeben. Vergleichen Sie Ihre Erwartungen mit den experimentell gefundenen Minimalflächen. Beachten Sie, dass sich neben dem globalen (absoluten) Minimum auch so genannte lokale Minima einstellen können (Abb. 7). globales Minimum lokales Minimum Parameter Abb. 7: Globales Minimum einer Zielgröße als Funktion eines Parameters. Neben dem globalen Minimum existieren viele lokale Minima, von denen eines exemplarisch markiert ist. 3.2 Rotweinflecken Geben Sie einige Tropfen Rotwein auf einen Objektträger. Ziehen Sie die Tropfen mit einem Zahnstocher in interessante Formen und beobachten Sie, wie sich im Laufe des Praktikums durch Verdampfen der Flüssigkeit die Fruchtfleischkonzentration innerhalb der Tropfen verändert. Um das Verdampfen der Flüssigkeit zu beschleunigen, werden die Objektträger auf eine dünne Aluminiumplatte und dann auf den Heizkörper gelegt. 3.3 Messung der Oberflächenspannung mit der Abreißmethode Die Oberflächenspannung von destilliertem Wasser gegen Luft soll mit Hilfe einer Anordnung gem. Abb. 3 gemessen werden. Als Kraftsensor kommt ein Biegestab zum Einsatz, der bereits aus dem Versuch „Sensoren…“ bekannt ist. 6 Fotos der Gestelle finden Sie auf den Internetseiten des GPR. 224 Hinweise: - Die Haltefäden am Ring wurden vor Versuchsbeginn von der technischen Assistenz so justiert, dass der Ring waagerecht hängt. Änderungen an diesen Einstellungen nur nach Rücksprache mit der technischen Assistenz oder der/dem Betreuer/in! - Der Ring darf auf keinen Fall mit den bloßen Händen angefasst werden, da sich sonst Fett- und Schweißrückstände bilden, die die Messergebnisse verfälschen. Halten des Ringes deshalb nur an den Haltefäden! Zunächst wird der an einem Stativ aufgehängte Kraftsensor mit Hilfe eines Gewichtssatzes kalibriert. Für mindestens fünf Gewichtskräfte G im Bereich (0 – 100) mN wird die Ausgangsspannung UM des Messverstärkers (Dämpfung ein) gemessen. Die Messung erfolgt mit Hilfe einer Datenerfassungskarte im PC 7 unter Einsatz des MATLAB-Skriptes DatenEinlesen.m (verfügbar unter Q:). Dabei handelt es sich um eine umfangreichere und mit mehr Komfort zu bedienende Version des Skriptes, das beim Versuch „Datenerfassung und –verarbeitung mit dem PC...“ zum Einsatz kam. Die grafische Oberfläche, die das Skript generiert, ist selbsterklärend. UM wird über G = mg aufgetragen und durch lineare Regression wird eine Kalibrierkurve (Ausgleichsgerade) ermittelt. Für g wird der Wert für Oldenburg verwendet: g = 9,8133 m/s2, der als fehlerfrei angenommen wird 8. Der Ring wird gereinigt (in Ethanol schwenken und mit destilliertem Wasser abspülen; anschließend mindestens eine Minute in destilliertes Wasser eintauchen und schwenken, trocknen mit Fön), an dem Kraftsensor befestigt und sein Gewicht G bestimmt (UM messen, Umrechnung in G mit Hilfe der Kalibrierkurve). Anschließend wird ein Becherglas mit destilliertem Wasser auf die höhenverstellbare Plattform gestellt und soweit angehoben, dass der untere Rand des Ringes etwa 5 mm tief in das Wasser eintaucht. In dieser Position soll der Ring zu Beginn der Messreihe einige Minuten gehalten werden, um eine gute Benetzung mit dem Wasser zu gewährleisten. Die Temperatur des Wassers wird direkt vor der Messung bestimmt; der Temperaturfühler muss vor der Messung gereinigt werden (in destilliertes Wasser eintauchen und schwenken). Die Plattform wird nun langsam und vorsichtig (ruckfrei) nach unten bewegt, bis die Lamelle abreißt. Während dieses Vorgangs wird die Ausgangsspannung UM des Messverstärkers bei einer Abtastfrequenz von 0,5 kHz im PC aufgezeichnet. Die Zahl der aufzunehmenden Messwerte richtet sich nach der Dauer des Experiments. 10.000 Messwerte, entsprechend einer Messzeit von 20 s, sind ein guter Anfangswert. Nach Ende der Datenaufnahme werden die Daten im ASCII-Format gespeichert (Button Save Data) und anschließend nach Origin importiert. Dort erfolgt die Umrechnung der Ausgangsspannungen UM(t) des Kraftsensors in ein Kraftsignal F(t) mit den Daten der Kalibrierfunktion. Die Parameter der Kalibrierfunktion (Ausgleichsgerade) können dabei als fehlerfrei angenommen werden. F(t) wird grafisch dargestellt und die maximale Kraft Fg vor dem Abreißen der Lamelle abgelesen. Abb. 8 zeigt einen typischen Verlauf von F(t). Zum Ablesen der Maximalkraft kann das Origin-Tool „Datenkoordinaten“ („Data Reader“) 9 verwendet werden. Die Messung wird mindestens fünfmal durchgeführt. Dem Protokoll wird eine exemplarische Kraftkurve beigefügt. Für jeden Messwert von Fg wird mit Hilfe der Gl. (7) bis (11) die Oberflächenspannung σ von Wasser berechnet. Eine Fehlerangabe für jeden einzelnen Wert von σ ist nicht erforderlich. Die für die 7 8 9 Eingangs-Wahl-Schalter auf „FS“, Anschluss der Signalquelle an BNC-Buchse des Eingangskanals 0 (ACH 0 bzw. AI 0). Schiebeschalter über der BNC-Buchse von ACH 0 bzw. AI 0 auf BNC. Wert nach http://www.ptb.de/cartoweb3/SISproject.php; der Fehler von 2×10-5 m/s2 wird vernachlässigt. Das grafische Symbol des Tools Datenkoordinaten (Data Reader) ist . 225 Berechnung des Korrekturfaktors (Gl. (10)) benötigte Dichte r des Wassers ist als Funktion der Temperatur im Anhang 4.1 angegeben. Schließlich wird der Mittelwert von σ und seine Standardabweichung berechnet und mit dem Literaturwert für Wasser verglichen (Gl. (18) im Anhang 4.2). 2,2 Fg F / a.u. 2,0 1,8 1,6 1,4 0 5 10 t / a.u. Abb. 8: Exemplarischer Verlauf der Kraft F als Funktion der Zeit t bei der Bestimmung der Oberflächenspannung nach der Abreißmethode. Fg ist die maximale Kraft vor Abreißen der Lamelle. Die gepunkteten roten Linien markieren den Bereich des Größtfehlers ± ∆Fg von Fg, der durch das Rauschen des Kraftsensors gegeben ist. „a.u.“ steht für arbitrary units (beliebige Einheiten). 3.4 Messung der Oberflächenspannung mit der Blasendruckmethode Die Oberflächenspannung von destilliertem Wasser gegen Luft soll mit Hilfe einer Anordnung gem. Abb. 4 gemessen werden. Im U-Rohr des Manometers befindet sich Wasser, dem zur besseren Benetzung des U-Rohrs einige Tropfen Spülmittel zugesetzt sind. Das Becherglas B wird gereinigt, indem es mehrfach mit destilliertem Wasser ausgespült und anschließend bis etwa 1 cm unter der Oberkante mit destilliertem Wasser gefüllt wird. Die Temperatur des Wassers wird gemessen. Vor der Messung wird der Temperaturfühler gereinigt (wie in Kap. 3.3 beschrieben). Die Kapillare wird in die Halterung eingesetzt, senkrecht ausgerichtet und mit Hilfe der Höhenverstelleinheit h = 30 mm tief in das destillierte Wasser eingetaucht. Die Position der Höhenverstelleinheit, bei der die Kapillare gerade in die Flüssigkeit eintaucht, lässt sich durch gleichzeitige Beobachtung der Kapillarenöffnung und ihres Spiegelbildes im Wasser auf ± 0,05 mm genau bestimmen, so dass auch die Eintauchtiefe h mit der gleichen Genauigkeit eingestellt werden kann. Hinweis: Die Kapillare wurde vor Versuchsbeginn von der technischen Assistenz mit Ethanol gereinigt, anschließend mit destilliertem Wasser durchgespült und in einem Stickstoffstrom getrocknet. Sie darf im Metallbereich auf keinen Fall mit bloßen Händen angefasst werden, da sich sonst Fett- und Schweißrückstände bilden, die die Messergebnisse verfälschen. Anfassen der Kapillare deshalb nur an dem oberen PVC-Halter! Zunächst wird der Drucksensor kalibriert. Das geschieht nach dem gleichen Verfahren wie es in den Versuchen „Sensoren…“ und „Datenerfassung und –verarbeitung mit dem PC...“ kennen gelernt wurde. 226 Während der Kalibrierung wird der Verbindungshahn zwischen dem Luftreservoir im ERLENMEYERkolben und der Kapillare geschlossen, der Verbindungshahn zum U-Rohr-Manometer geöffnet. Für mindestens fünf Höhendifferenzen hm im Manometer im Bereich (0 – 80) mm wird die Ausgangsspannung U des Drucksensors gemessen, der Druck p(hm) berechnet, U über p aufgetragen und die Ausgleichsgerade durch die Daten berechnet. Die Messung der Ausgangsspannung des Sensors erfolgt wie bei der Abreißmethode (Kap. 3.3) mit Hilfe einer Datenerfassungskarte im PC unter Einsatz des MATLAB-Skriptes DatenEinlesen.m. Nach Abschluss der Kalibrierung wird der Hahn zum U-Rohr-Manometer geschlossen und der zur Kapillare geöffnet. Der Scherentisch S unter dem Vorratsgefäß V wird anschließend langsam und vorsichtig (möglichst ruckfrei) solange nach oben bewegt, bis Gasblasen aus der Kapillare austreten. Während dieses Vorgangs wird die Ausgangsspannung des Drucksensors bei einer Abtastfrequenz von 1 kHz im PC aufgezeichnet. Auch bei dieser Messung richtet sich die Zahl der aufzunehmenden Messwerte nach der Dauer des Experiments. 20.000 Messwerte (entsprechend 20 s) sind ein guter Anfangswert. Nach Ende der Datenaufnahme werden die Daten im ASCII-Format gespeichert (Button Save Data) und anschließend in Origin importiert. Dort erfolgt die Umrechnung der Ausgangsspannungen U(t) des Drucksensors in ein Drucksignal p(t) mit den Daten der Kalibrierfunktion. Die Parameter der Kalibrierfunktion (Ausgleichsgerade) können dabei als fehlerfrei angenommen werden. p(t) wird grafisch dargestellt und der maximale Druck pm direkt vor dem Abreißen der Blasen abgelesen. Abb. 9 zeigt einen typischen Verlauf von p(t). Zum Ablesen des Maximaldruckes kann wiederum das Origin-Tool „Datenkoordinaten“ („Data Reader“) verwendet werden. pm p / a.u. 3,4 3,2 0 5 10 15 t / a.u. Abb. 9: Exemplarischer Verlauf des Druckes p als Funktion der Zeit t bei der Bestimmung der Oberflächenspannung nach der Blasendruckmethode. pm ist der maximale Druck vor Abreißen der Blasen. Die gepunkteten roten Linien markieren den Bereich des Größtfehlers ± ∆pm von pm, der durch das Rauschen des Drucksensorsignals gegeben ist. Die Welligkeit des Druckanstiegs wird durch ungleichmäßiges Anheben des Scherentisches verursacht. Die Messung wird insgesamt mindestens fünfmal durchgeführt. Dem Protokoll wird eine exemplarische Druckkurve beigefügt. Aus den Daten für pm wird der Mittelwert pm und seine Standardabweichung berechnet. Aus pm , der Eintauchtiefe h sowie den Literaturdaten für g und r wird der Überdruck ∆p inkl. Größtfehler gem. Gl. (13) bestimmt: 227 (16) ∆p = h ) g = pm − hg ( ρρρ m hm − r wird aus Gl. (17) (Anhang 4.1) berechnet und als fehlerfrei angenommen. Für g wird der Wert für Oldenburg verwendet: g = 9,8133 m/s2, der ebenfalls als fehlerfrei angenommen wird. Die einzigen Größen, die den Größtfehler der Druckdifferenz ∆p bestimmen, sind demnach der Größtfehler ∆h von h und die Standardabweichung von pm . Schließlich wird die Oberflächenspannung σ gem. Gl. (14) berechnet. Der Größtfehler von σ wird mit Hilfe der Näherungslösung aus Gl. (15) bestimmt. Das Ergebnis wird mit dem Literaturwert (Gl. (18)) sowie mit dem Messwert nach der Abreißmethode verglichen. 3.5 Innendruck in Gasblasen Ein Glasrohrgestell gem. Abb. 10 wird mit den beiden Austrittsöffnungen in Seifenlauge getaucht und anschließend herausgezogen. Durch Luftzufuhr an den Eintrittsöffnungen und geeignetes Öffnen und Schließen der Hähne können an den beiden Austrittsöffnungen zwei unterschiedlich große Seifenblasen aufgeblasen werden. Anschließend wird der Verbindungshahn zwischen beiden Blasen geöffnet. Frage 1: - Welche Blase wächst zu Lasten der anderen und warum? (Hinweis: beachte Gl. (15)) - Wie groß ist der Innendruck p in einer Gasblase vom Radius r, die von einer Seifenhautlamelle (Oberflächenspannung der Seifenlösung: σ) umgeben ist? 10 Abb. 10: Glasrohrgestell zur Demonstration des Innendruckes in Gasblasen. 10 Hinweis: Bei einer Luftblase in Wasser gibt es eine Grenzfläche zwischen Luft und Wasser. Bei einer Seifenblase gibt es zwei Grenzflächen zwischen der Seifenlauge und Luft. 228 4 Anhang 4.1 Dichte von Wasser Die Temperaturabhängigkeit der Dichte r von Wasser lässt sich durch folgendes Polynom beschreiben (T in °C, Gültigkeitsbereich: -20°C < T < 110°C) 11: (17) 0,99975 + 8,42492 ⋅ 10-5 {T } -8,82693 ⋅ 10-6 {T }2 ρ 10 ⋅ = + 5,91004 ⋅ 10-8 {T }3 - 2,05642 ⋅ 10-10 {T }4 3 kg m3 Der Verlauf dieser Funktion ist in Abb. 11 dargestellt. 1,01 1,00 r / 103 kg m-3 0,99 0,98 0,97 0,96 0,95 -40 -20 0 20 40 60 80 100 120 T / °C Abb. 11: Dichte von Wasser als Funktion der Temperatur. 4.2 Oberflächenspannung von Wasser Die Temperaturabhängigkeit der Oberflächenspannung σ von Wasser gegen Luft lässt sich durch folgendes Polynom beschreiben (T in °C, Gültigkeitsbereich: 0°C < T < 100°C)11: (18) 0,07569 -1,49944 ⋅ 10-4 {T } + 1,97712 ⋅ 10-7 {T }2 σ = - 8,34217 ⋅ 10-9 {T }3 + 4,57847 ⋅ 10-11 {T }4 N m Der Verlauf dieser Funktion ist in Abb. 12 dargestellt. 11 Polynomfit an Daten aus WEAST, R. C. [Ed.]: „CRC Handbook of Chemistry and Physics“, 56th Ed., CRC Press, Boca Raton; Fehler vernachlässigbar. 229 0,076 0,074 0,072 σ / N m-1 0,070 0,068 0,066 0,064 0,062 0,060 0,058 0 20 40 60 80 100 T / °C Abb. 12: Oberflächenspannung σ von Wasser gegen Luft als Funktion der Temperatur T. 230 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Viskosität und Reynoldszahlen Stichworte: Reibung, Reibungskraft, Auftrieb, Viskosität, laminare und turbulente Strömung, REYNOLDSzahl, STOKESsches Gesetz, BERNOULLIsches Gesetz, HAGEN-POISEUILLEsches Gesetz Messprogramm: Messung der Viskosität mit der Kugelfallmethode, Messung der kinematischen Viskosität mit dem Kapillarviskosimeter, Bestimmung der REYNOLDSzahl für den Übergang von laminarer zu turbulenter Rohrströmung. Literatur: /1/ DEMTRÖDER, W.: „Experimentalphysik 1 - Mechanik und Wärme“, Springer-Verlag, Berlin u.a. /2/ SCHENK, W., KREMER, F. (Hrsg.): „Physikalisches Praktikum“, Vieweg + Teubner Verlag, Wiesbaden /3/ WALCHER, W.: „Praktikum der Physik“, Teubner Studienbücher, Teubner-Verlag, Stuttgart 1 Einleitung Das NEWTONsche Gesetz „Kraft proportional Beschleunigung“ scheint vielen alltäglichen Erfahrungen zu widersprechen. Betrachtet man beispielsweise die Bewegung von Körpern unter dem Einfluss von Reibung, so trifft die Beschreibung „Kraft proportional Geschwindigkeit“ eher zu: um etwa beim Radfahren eine konstante Geschwindigkeit einzuhalten, muss dauernd Kraft aufgewendet werden. Will man dauerhaft schneller fahren, muss man dauerhaft schneller treten, was dauernd mehr Kraft erfordert. Tatsächlich lassen sich viele mechanische Abläufe, bei denen Reibung eine Rolle spielt, mit dem Ansatz „Kraft ~ Geschwindigkeit“ befriedigend beschreiben. Das gilt z.B. für den Einfluss der Reibung auf das Fallen von Kugeln in Flüssigkeiten oder Gasen. Zwei wichtige Beispiele für solche Fallvorgänge sind das Absetzen von Staubteilchen oder Wassertröpfchen (Nebel) aus der Luft und die Bewegung winziger Öltröpfchen, wie sie im MILLIKANschen Versuch zur Bestimmung der Elementarladung zur Anwendung kommen. Dieser Versuch hat zum Ziel, aus der Beobachtung solcher Fallvorgänge und der Strömung von Flüssigkeiten durch Kapillaren die Viskosität einer Flüssigkeit zu bestimmen. Außerdem wird der Übergang von einer laminaren in eine turbulente Strömung untersucht und die zugehörige REYNOLDSzahl bestimmt. 2 Theorie 2.1 Bestimmung der Viskosität mit der Kugelfallmethode nach Stokes Wir betrachten gemäß Abb. 1 eine Kugel vom Radius r, die mit der Geschwindigkeit v durch eine unendlich ausgedehnte Flüssigkeit gezogen wird. Um die Kugel zu bewegen, müssen Reibungskräfte überwunden werden. Sie rühren daher, dass die direkt an die Kugel angrenzende Flüssigkeitsschicht an der Kugel haftet und folglich mitbewegt werden muss. Die mitbewegte Schicht reißt die ihr benachbarte Flüssigkeitsschicht mit, diese reißt wiederum ihre Nachbarschicht mit usw. Im Ergebnis entsteht infolge dieser Reibung um die Kugel herum eine Flüssigkeitsströmung, deren Geschwindigkeit mit größer werdendem Abstand quer zur Kugel abnimmt. 231 2r V Abb. 1: Bewegung einer Kugel durch eine Flüssigkeit. Aus den NAVIER-STOKES-Gleichungen 1, mit denen Bewegungen von Flüssigkeiten beschrieben werden können, lässt sich die Reibungskraft FR berechnen, die die Flüssigkeit einer Bewegung der Kugel mit der Geschwindigkeit v entgegensetzt. Da die Vektoren FR und v längs der gleichen Achse orientiert sind, reicht im Folgenden eine Betrachtung ihrer Beträge FR und v. Nach einer komplizierten Rechnung, die erst in höheren Semestern nachvollzogen werden kann, ergibt sich, dass die Reibungskraft FR zur Geschwindigkeit v und zum Kugelradius r proportional ist: (1) FR v FR r und dass gilt: (2) FR = 6πη rv Die Konstante η heißt Viskosität (auch Koeffizient der inneren Reibung oder dynamische Zähigkeit). Ihre SI-Einheit ist [η] = kg/(m⋅s) = N⋅s/m2 = Pa⋅s. Die alte CGS-Einheit, die noch in vielen Tabellenwerken gebräuchlich ist, ist das POISE 2 (1 POISE = 1 p = 1 g/(cm⋅s)). Gl. (2) ist das so genannte STOKESsche Gesetz. Es beschreibt die Bewegung der Kugel jedoch nur dann richtig, wenn die durch die Kugelbewegung erzeugte Flüssigkeitsströmung laminar ist. Eine laminare Strömung liegt dann vor, wenn die einzelnen Flüssigkeitsschichten glatt übereinander gleiten, also nicht untereinander verwirbeln. Anschaulich bedeutet dies, dass sich glatte, zusammenhängende Stromlinien um die Kugel herum ausbilden (Abb. 2). Im Gegensatz dazu spricht man von turbulenter Strömung, wenn die Flüssigkeitsschichten untereinander verwirbeln. In diesem Fall ergeben sich verwirbelte Stromlinien (Abb. 3; siehe auch Abbildungen auf dem Titelblatt dieses Praktikumskriptes) und die aufzuwendende Kraft wird oft proportional zu v2: (3) FR v 2 Mit Hilfe der dimensionslosen REYNOLDSzahl 3 Re lässt sich abschätzen, ob eine Strömung laminar oder turbulent verläuft. Sie ist gegeben durch: (4) Re = ρ vl η Dabei ist ρ die Dichte der Flüssigkeit und l eine für den betrachteten Strömungvorgang charakteristische Länge. In unserem Fall entspricht l dem Durchmesser der Kugel; im Falle einer Strömung durch ein Rohr (vgl. Gl. (36)) entspricht l dem Rohrdurchmesser. 1 2 3 CLAUDE LOUIS MARIE HENRI NAVIER (1785 – 1836); GEORGE GABRIEL STOKES (1819 – 1903). JEAN-LOUIS MARIE POISEUILLE (1799 – 1869). OSBORN REYNOLDS (1842 – 1912) 232 Abb. 2: Laminare Strömung um eine Kugel. Abb. 3: Turbulente Strömung um eine Kugel. Links schematisch, rechts Originalaufnahme von LUDWIG PRANDTL (1875 – 1953) 4. Die REYNOLDSzahl hat eine anschauliche physikalische Bedeutung: sie ist proportional zum Quotienten aus der kinetischen Energie Ek eines Volumenteilchens mit der Kantenlänge l und der Reibungsenergie ER, die beim Verschieben des Teilchens um die Strecke l „verbraucht“ wird. Für das Beispiel eines kugelförmigen Flüssigkeitsteilchens (Masse m, Geschwindigkeit v, Dichte ρ, Durchmesser l) ergibt sich als kinetische Energie: (5) = Ek 1 1 = m v2 ρ π l 3 v2 2 12 Die Reibungsenergie ist das Produkt aus Reibungskraft (Gl. (2) mit r = l/2) und Strecke l: (6) ER = 3 π η v l 2 Der Quotient beider Größen ergibt bis auf die Konstante 1/36 die REYNOLDSzahl aus Gl. (4). Eine Strömung verläuft laminar bei „kleinen“ und turbulent bei „großen“ REYNOLDSzahlen 5. Dabei sind die Begriffe „klein“ und „groß“ jedoch nur als relative Angaben zu verstehen. Was „klein“ und was „groß“ ist, ist stark abhängig vom betrachteten Experiment. So verlaufen z.B. Rohrströmungen laminar für REYNOLDSzahlen Re < 2.000 - 2.500. Für fallende Kugeln in Flüssigkeiten muss Re < 0,2 sein /3/, damit die Strömung nicht turbulent wird und das STOKESsche Gesetz gültig bleibt. FA FR G Abb. 4: Wirkende Kräfte auf eine fallende Kugel. 4 5 Quelle: PHYSIK JOURNAL 3.10 (2004) 31-37 Die Bedingungen für laminare oder turbulente Strömungen sind nach neueren Erkenntnissen erheblich komplexer, als in diesem Text und in gängigen Lehrbüchern dargestellt, siehe z.B. B. HOF et al: „Finite lifetime of turbulence in shear flows“, Nature 443 (2006) 59-62. Hierauf kann im Rahmen des Grundpraktikums jedoch nicht eingegangen werden. 233 Wir betrachten nun das Fallen einer Kugel mit der Masse m, dem Radius r und dem Volumen V in einer unendlich ausgedehnten Flüssigkeit mit der Dichte ρF und der Viskosität η. Auf die Kugel wirken drei Kräfte (Abb. 4), die alle in vertikaler Richtung orientiert sind. Deshalb reicht die Betrachtung ihrer Beträge. Die Kräfte sind die nach unten gerichtete Gewichtskraft G = mg (g: Erdbeschleunigung), die nach oben gerichtete Auftriebskraft FA = ρFVg und die ebenfalls nach oben gerichtete Reibungskraft (Gl. (2)) FR = 6πηrv. Die resultierende Kraft F ist also: (7) F =G − FA − FR Diese Kraft F beschleunigt die Kugel nach unten auf zunächst immer größer werdende Geschwindigkeiten v. Mit v wächst jedoch auch FR, so dass F immer kleiner und schließlich gleich null wird. Von diesem Zeitpunkt an gilt: (8) F =G − FA − FR =0 Die Kugel fällt von nun an mit der konstanten Geschwindigkeit v0. Frage 1: - Wie bewegt sich eine Gasblase, die am Boden eines Wasserglases freigesetzt wird (z. B. eine CO2Blase in einem Glas mit Mineralwasser)? Setzen wir G, FA und FR mit v = v0 in Gl. (8) ein, so erhalten wir: (9) 0 mg − r F Vg − 6πη rv0 = Wir setzen nun noch m = ρKV (mit ρK : Dichte des Kugelmaterials) sowie V = 4 3 πr und erhalten damit 3 aus Gleichung (9): (10) 4 3 πr g ( rr 0 K − F ) − 6πη rv0 = 3 Lösen wir diese Gleichung nach η auf, so erhalten wir (11) 2 9 η = r2g ( rr K − F) v0 Aus Gl. (11) folgt eine einfache Möglichkeit zur indirekten Messung von η, wenn ρK und ρF bekannt sind: Man lässt Kugeln vom Radius r in der zu untersuchenden Flüssigkeit fallen und misst ihre Fallgeschwindigkeit v0 nach Erreichen des Zustands F = 0. Dabei taucht ein Problem auf: In der Regel haben wir es nicht mit unendlich ausgedehnten Flüssigkeiten zu tun, sondern beispielsweise mit Zylindern vom Radius R, in denen das Fallen der Kugeln beobachtet wird. In diesen Fällen muss die zusätzliche Reibung der von der Kugel mitgerissenen Flüssigkeit an der Zylinderwand berücksichtigt werden. Sie führt dazu, dass die gemessene Geschwindigkeit vm kleiner ist als die Geschwindigkeit v0 im Falle der unendlich ausgedehnten Flüssigkeit. Da die Abweichung zwischen v0 und vm vor allem durch das Verhältnis der Querschnittsflächen von Kugel und Zylinder bestimmt ist, kann näherungsweise gesetzt werden: (12) r vm ≈ v0 − k R 2 234 wobei k ein experimentell zu bestimmender Korrekturfaktor ist 6. Damit folgt: 2 (13) r v0 ≈ vm + k R 2.2 Bestimmung der Viskosität mit einem Kapillarviskosimeter nach UBBELOHDE Durch eine senkrecht stehende Kapillare vom Radius r0 strömt eine Flüssigkeit. Die Zeit ∆t, die ein Flüssigkeitsvolumen V benötigt, um durch die Kapillare zu fließen, wird durch die Viskosität η der Flüssigkeit bestimmt. Je größer η, desto größer ∆t. Nach diesem einfachen Prinzip arbeiten Kapillarviskosimeter. Abb. 5 zeigt ein solches Kapillarviskosimeter nach UBBELOHDE, das in Kap. 3.2 und im Anhang 4.4 noch näher beschrieben wird. 2 3 1 G M1 V B M2 l 2r0 D H Abb. 5: Kapillarviskosimeter nach UBBELOHDE. Durch die Kapillare (rot) mit Radius r0 und Länge l strömt während der Zeit ∆t das Volumen V. Weitere Bezeichnungen siehe Kap. 3.2 und Anhang 4.4. Die exakte Herleitung des quantitativen Zusammenhangs zwischen η und ∆t erfordert einigen Aufwand. Die Herleitung ist im Anhang 4.4 dargestellt. Hier geben wir nur das Ergebnis wieder: 6 Gl. (13) ist ein für die verwendete Versuchsanordnung empirisch gefundenes Gesetz. Die vielfach verwendete Korrektur nach LADENBURG (siehe z.B. /2/) liefert für diese Versuchsanordnung deutlich schlechtere Ergebnisse. 235 (14) = η K ρ ∆t Hierbei ist ρ die Dichte der Flüssigkeit und K eine Apparatekonstante des verwendeten Viskosimeters, in die u.a. das durchgeflossene Volumen V eingeht (Abb. 5). Für die kinematische Viskosität υ = η/ρ mit der Einheit [υ] = m2/s erhält man: (15) υ= K ∆t In Gl. (14) und (15) ist noch eine Korrektur anzubringen. Wenn nämlich die Flüssigkeit aus dem breiten Vorratsgefäß B (Abb. 5) des Kapillarviskosimeters in die enge Kapillare eintritt, muss sie nach dem BERNOULLIschen Gesetz 7 beschleunigt werden. Die dazu erforderliche Arbeit führt zu einem kleinen Druckverlust, der eine Vergrößerung der Auslaufzeit ∆t bewirkt. Von den gemessenen Zeiten ∆t sind daher Korrekturzeiten tk abzuziehen (HAGENBACHsche Korrektur), die von den Herstellern der UBBELOHDE-Viskosimeter als Apparatekonstanten mitgeliefert werden. Die endgültige Gleichung zur Bestimmung der kinematischen Viskosität lautet daher: (16) υ= K ( ∆t − tk ) 2.3 Laminare und turbulente Rohrströmung Abb. 6 zeigt eine Anordnung, mit der der Übergang von einer laminaren in eine turbulente Strömung in einem zylindrischen Rohr untersucht werden kann 8. Ein langes Plexiglasrohr vom Innendurchmesser d wird von einer Flüssigkeit, hier Wasser, durchströmt. Das Wasser fließt aus einem Tank in das Rohr. Durch einen Zulauf (Wasserhahn) strömt Wasser in den Tank nach. Ein Überlauf sorgt dafür, dass der Wasserstand im Tank konstant bleibt, so dass am Einlauf in das Rohr immer der gleiche Druck herrscht. Ein Flies sorgt für eine Beruhigung des Wasserzulaufs. Mit einem Hahn H1 am Ende des Rohres kann die Strömungsgeschwindigkeit v reguliert werden. Zusätzlich zu dem Wasser aus dem Tank gelangt gleichzeitig ein dünner Strahl mit eingefärbtem Wasser durch eine Düse mittig in das Rohr. Die Durchflussmenge durch die Düse kann mit einem Hahn H2 variiert werden. Der Strahl ist bei kleiner Strömungsgeschwindigkeit v als glatter Stromfaden in dem Rohr zu sehen. Wird die Strömungsgeschwindigkeit durch Öffnen des Hahns H1 langsam erhöht, beginnt der Stromfaden ab einer bestimmten Geschwindigkeit vt zu verwirbeln und zeigt damit den Übergang von einer laminaren in eine turbulente Strömung an. Durch Messen der Wasserdurchflussmenge pro Zeit bei dieser Stellung des Hahns H1 kann die Strömungsgeschwindigkeit vt bestimmt und die zugehörige REYNOLDSzahl Re berechnet werden: (17) Re = ρ w vt d ηw Dabei sind ρw und ηw die Dichte und Viskosität des Wassers. Einzelheiten zur quantitativen Beschreibung der Wasserströmung durch ein Rohr sind im Anhang 4.3 dargestellt. 7 8 DANIEL BERNOULLI (1700 – 1782). Nach Empfehlung von A. HEIDER, DEUTSCHES ZENTRUM FÜR LUFT- UND RAUMFAHRT (DLR), Göttingen. 236 Farbe Überlauf H2 Zulauf H1 Ablauf d Düse Flies Ablauf Abb. 6: Anordnung zur Untersuchung des Übergangs von einer laminaren zu einer turbulenten Strömung in einem Rohr vom Innendurchmesser d. Einzelheiten siehe Text. 3 Versuchsdurchführung Zubehör: 6 Glaszylinder mit unterschiedlichen Durchmessern in justierbarem Gestell mit Wasserwaage, Stopfen für die Zylinder mit mittig angebrachtem Loch, 2 l Behälter mit Glyzerin-Wasser-Gemisch, Stahlkugeln (ca. 100 Stück mit d ≈ 2 mm), Pinzette, Analysenwaage (Genauigkeit 0,001 g), Laborwaage (Genauigkeit 0,01 g), Bügelmessschraube, Messschieber, Stoppuhr, Thermometer (Genauigkeit 0,1 °C), Magnet, UBBELOHDE-Viskosimeter (K ≈ 10-8 m2/s2) in Halterung und Wasserbad, Saugschlauch, Ethanol, Strömungsrohr (d = (12,10 ± 0,05) mm) in Halterung mit Wassertank, Wasser mit Lebensmittelfarbe, Messzylinder (100 ml und 1000 ml), Eimer, Feudel, Papiertuchrolle. 3.1 Messung der Viskosität eines Glyzerin-Wasser-Gemisches mit der Kugelfallmethode Hinweise: - Die Mischungsverhältnisse der Glyzerin-Wasser-Gemische sind bei den einzelnen Versuchsaufbauten nicht identisch. Da die Viskosität empfindlich vom Mischungsverhältnis und der Temperatur abhängt (s. Kap. 4.1 und 4.2), muss jede Praktikumsgruppe den gesamten Versuch bei möglichst konstanter Raumtemperatur mit dem Gemisch aus einem Vorratsbehälter durchführen! - Der Arbeitsplatz muss sauber verlassen werden! Mit einer Anordnung gemäß Abb. 7 soll die Fallbewegung von Stahlkugeln (d = 2r ≈ 2 mm) in einem Glyzerin-Wasser-Gemisch mit dem Ziel untersucht werden, die Viskosität des Gemisches nach Gl. (11) zu bestimmen. Um den Einfluss der Reibungseffekte an der Gefäßwand quantifizieren zu können (s. Gl. (13)), kommen Glaszylinder mit unterschiedlichem Radius R zum Einsatz. Zur Vorbereitung des Versuches müssen zunächst folgende Größen bestimmt werden: (a) Dichte ρF des Gemisches durch Wägung eines mit einem Messzylinder ermittelten Volumens auf der Laborwaage. (b) Mittlerer Radius r der Kugeln durch Messung des Durchmessers von mindestens 10 Kugeln mit der Bügelmessschraube und anschließender Mittelwertbildung. (c) Dichte ρK des Kugelmaterials durch Wägung von n Kugeln (n ≥ 100) auf der Analysenwaage. 237 (d) Radien R der verwendeten Glaszylinder durch Messung der Innendurchmesser mit dem Messschieber. (e) Temperatur des Gemisches. Da die Viskosität stark temperaturabhängig ist, macht die Angabe eines Messergebnisses nur Sinn bei gleichzeitiger Angabe der Temperatur des Gemisches. Raumtemperatur während des Versuchs so konstant wie möglich halten! 2R 2r vm s Abb. 7: Messanordnung zum Kugelfallversuch in Flüssigkeiten. Die Kugeln vom Radius r fallen durch den oberen durchbohrten Stopfen (grau). Dadurch soll gewährleistet werden, dass sie möglichst zentral in die Flüssigkeit (beige) fallen, die sich in einem Zylinder mit dem Innenradius R befindet. Nach diesen Vorbereitungen wird das Glyzerin-Wasser-Gemisch vorsichtig in sechs Glaszylinder mit unterschiedlichen Radien R eingefüllt (Blasenbildung vermeiden! Flüssigkeitspegel muss unter der Unterkante der Stopfen bleiben!). Anschließend werden die Zylinder im Gestell fixiert (Kunststoffschrauben vorsichtig festdrehen) und die Grundplatte des Gestells wird mit Hilfe einer integrierten Wasserwaage waagerecht ausgerichtet. Die Zylinder stehen dann senkrecht. Danach lässt man je 10 Kugeln zentral in die Zylinder fallen; zur Zentrierung wird ein passender, in der Mitte durchbohrter Stopfen benutzt (Abb. 7). Mit der Stoppuhr bestimmt man die Fallzeit t für eine Fallstrecke s, die durch die beiden horizontal angeordneten Haltebleche der Zylinder festgelegt ist (s mit dem Messschieber messen). Der Beginn der Fallstrecke (also das obere Halteblech) liegt einige cm unter der Flüssigkeitsoberfläche. Frage 2: - Warum darf die Fallstrecke nicht an der Flüssigkeitsoberfläche beginnen? Frage 3: - Warum ist es wichtig, dass die Kugeln zentral in die Zylinder fallen? Für jeden Glaszylinder wird die Sinkgeschwindigkeit (18) vm = s t bestimmt, wobei t der Mittelwert der gemessenen Fallzeiten für die je 10 Kugeln ist. Anschließend wird vm über (r/R)2 aufgetragen (mit Fehlerbalken für vm) und eine Ausgleichsgerade durch die Messdaten gezeichnet. Der Schnittpunkt der Geraden mit der vm-Achse ergibt die gesuchte Geschwindigkeit v0 für eine unendlich ausgedehnte Flüssigkeit (R → ∞). 238 Mit den experimentell gewonnenen Daten v0, r, ρK und ρF sowie der Erdbeschleunigung für Oldenburg (g = 9,8133 m/s2, Fehler vernachlässigbar 9) wird die Viskosität η des Glyzerin-Wasser-Gemisches nach Gl. (11) bestimmt und mit den Angaben aus Tab. 1 (Kap. 4.1) verglichen. Nach Ende der Messung wird die Flüssigkeit vorsichtig (erneut Blasenbildung vermeiden!) aus den Glaszylindern durch ein Sieb in das Vorratsgefäß zurück gegossen, um die Kugeln aufzufangen. Die in den Zylindern verbleibenden Kugeln werden mit einem Magneten herausgeholt. Die Kugeln werden in Wasser gereinigt und mit Haushaltspapier getrocknet. 3.2 Messung der kinematischen Viskosität mit dem Kapillarviskosimeter Mit einem Kapillarviskosimeter nach UBBELOHDE soll die kinematische Viskosität von Ethanol bei Raumtemperatur bestimmt werden. Das Viskosimeter befindet sich in einem großen Wasserbad, das für die Dauer des Versuchs für eine konstante Temperatur (messen!) innerhalb der Kapillare sorgt. Von der technischen Assistenz wurde das Viskosimeter vor Versuchsbeginn senkrecht ausgerichtet und das Vorratsgefäß H über das Rohr 1 (s. Abb. 5) zu etwa ¾ mit Ethanol gefüllt. Rohr 3 wird mit dem Finger verschlossen. Mit Hilfe eines an Rohr 2 angeschlossenen Saugschlauches wird die Flüssigkeit in Rohr 2 so weit hoch gesaugt, bis das Vorlaufgefäß G gefüllt ist. Anschließend werden Rohr 2 und 3 geöffnet und die Zeit ∆t gemessen, in der der Flüssigkeitsspiegel von der Marke M1 bis zur Marke M2 absinkt. Anschließend wird die Messung dreimal wiederholt. Aus den Messdaten und den bereitliegenden Apparatekonstanten K und tk wird die kinematische Viskosität υ von Ethanol bei der im Wasserbad herrschenden Temperatur bestimmt und mit dem Literaturwert verglichen. 3.3 Bestimmung der REYNOLDSzahl für den Übergang von laminarer zu turbulenter Rohrströmung Mit einer Anordnung nach Abb. 6 soll die REYNOLDSzahl für den Übergang von einer laminaren in eine turbulente Rohrströmung bestimmt werden. Zunächst wird der Tankzulauf (Wasserhahn) so weit geöffnet, dass der Wasserstand das Niveau der oberen Kante des Überlaufs während des Versuches gerade nicht unterschreitet. Der Schlauch am Ablauf des Rohres wird in das Abflussbecken gelegt. Der Hahn H1 am Ende des Rohres wird langsam geöffnet, bis Wasser am Rohrende abfließt. Bei kleiner Strömungsgeschwindigkeit ist die Rohrströmung laminar. Anschließend wird der Hahn H2 so weit geöffnet, dass in dem Rohr ein dünner, glatter Stromfaden sichtbar wird. Danach wird der Hahn H1 langsam weiter bis zu der Stellung geöffnet, bei der die laminare in eine turbulente Rohrströmung umschlägt. Dies erkennt man daran, dass der Stromfaden zu „zittern“ beginnt. Um die Strömungsgeschwindigkeit v bei dieser Stellung des Hahnes H1 zu messen, wird für eine mit der Stoppuhr zu messende Zeit ∆t ein Messzylinder unter den Abflussschlauch des Rohres gehalten und das ablaufende Wasser aufgefangen. Aus dem während der Zeit ∆t aufgefangenen Wasservolumen V, dem Innendurchmesser d des Rohres sowie der Dichte 10 und der Viskosität η des Wassers (s. Anhang 4.2) lässt sich v und damit schließlich die gesuchte REYNOLDSzahl Re bestimmen. 9 10 Wert nach http://www.ptb.de/cartoweb3/SISproject.php; der Fehler von 2×10-5 m/s2 wird vernachlässigt. Zur temperaturabhängigen Dichte von Wasser siehe Versuch „Oberflächenspannung...“. 239 4 Anhang 4.1 Viskosität von Glycerin Glyzerin 11 (C3H8O3) ist hygroskopisch, d.h. wasseranziehend. Lässt man es längere Zeit offen stehen, so nimmt es aus der Umgebungsluft Feuchtigkeit auf, d.h. es entsteht ein Gemisch, dessen Wassergehalt im Laufe der Zeit zunimmt. Dieses Gemisch hat eine andere Viskosität als reines Glyzerin. Zur Orientierung seien für eine Temperatur von 20° C einige Daten genannt: C3H8O3 Gew.-% 100 96 92 88 84 80 H2O Gew.-% 0 4 8 12 16 20 η/ kg m-1s-1 1,76 0,761 0,354 0,130 0,071 0,048 Tab. 1: Viskosität von Glyzerin/Wasser- Gemischen bei 20°C 12. Darüber hinaus ist die Viskosität stark temperaturabhängig. Für reines Glycerin gilt bei T = 20 °C: η = 1,76 kg/(m s) (s.o.) und bei T = 25 °C: η = 0,934 kg/(m s) 13 4.2 Viskosität von Wasser Abb. 8 zeigt die Viskosität η von Wasser als Funktion der Temperatur T. Der Verlauf der Daten lässt sich im Temperaturbereich zwischen 10 °C und 35 °C in guter Näherung durch ein Polynom 4. Grades beschreiben (T in °C) 12: (19) 11 12 13 1,77721 - 0,05798 {T } + 0,00125 {T }2 η ≈ 3 4 5 -1,66039 ⋅ 10-{T } + 9,814 ⋅ 10 8 {T } kg 10-3 ms Weitere gebräuchliche Eigennamen von Glycerin sind Glycerol, Propan-1,2,3-triol u.a. Die Struktur wird durch C3H5(OH)3 beschrieben. Daten nach: WEAST, R. C. [Ed.]: „CRC Handbook of Chemistry and Physics”, 56th Ed., CRC Press, Boca Raton, 1975 - 1976. Alle Daten ohne Fehlerangaben. LIDE, D. R. [Ed.]: "CRC Handbook of Chemistry and Physics on CD-ROM", Taylor & Francis, Boca Raton, FL, 2006. Daten ohne Fehlerangaben. 240 1,4 1,3 η / 10-3 kg m-1 s-1 1,2 1,1 1,0 0,9 0,8 0,7 0,6 10 20 30 40 T / °C Abb. 8: Viskosität η von Wasser als Funktion der Temperatur T. 4.3 Laminare Rohrströmung In diesem Anhang wird dargestellt, wie die Strömungsgeschwindigkeit v und ihr laterales Profil v(r) in einem zylindrischen Rohr quantitativ berechnet werden kann. 14 Eine ideale Flüssigkeit ist inkompressibel und frei von inneren Reibungskräften. Wir betrachten gem. Abb. 9 eine solche Flüssigkeit, die durch ein sich verjüngendes horizontales Rohr strömt. Aus der Inkompressibilität der Flüssigkeit folgt, dass der Volumenstrom (durchströmendes Volumen pro Zeit) an jeder Stelle des Rohres gleich sein muss. Sind A1 die Querschnittsfläche des Rohres und v1 die Strömungsgeschwindigkeit im Rohr auf der linken Seite und A2 und v2 die entsprechenden Größen auf der rechten Seite, so bedeutet dies: (20) A= A= const. 1 v1 2 v2 ∆V A1 A2 F1 F2 p2 p1 ∆x2 ∆x 1 Abb. 9: Strömung durch ein sich verjüngendes horizontales Rohr. Bezeichnungen siehe Text. 14 r ist der laterale Abstand von der Längsachse des Rohres. 241 Gl. (20) heißt Kontinuitätsgleichung. Um ein Flüssigkeitsvolumen ∆V in der linken Rohrseite um ∆x1 nach rechts zu bewegen, muss durch den links herrschenden statischen Druck p1 die Arbeit W1 verrichtet werden: (21) W1 = F1 ∆x1 = p1 A1∆x1 = p1∆V Die erforderliche Arbeit W2 zur Bewegung des gleichen Volumens ∆V durch die rechte Rohrseite gegen den statischen Druck p2 ist gegeben durch: (22) W2 = F2 ∆x2 = p2 A2 ∆x2 = p2 ∆V Aus dem Energieerhaltungssatz folgt, dass die Arbeitsdifferenz W1 - W2 zu einer Zunahme der kinetischen Energie der Flüssigkeit (Dichte ρ) im rechten Teil des Rohres führen muss. Sind m die Masse und v1, v2 die Geschwindigkeiten der Volumina ∆V, so folgt: (23) W1 − W2 = p1 ∆V − p2 ∆V = 1 1 1 1 m v22 − m v12 = ρ ∆V v22 − ρ ∆V v12 2 2 2 2 Nach Division durch ∆V und Umsortieren der Terme folgt schließlich: (24) 1 1 1 p1 + ρ v12 =+ p2 ρ v22 := p + ρ v2 = const. 2 2 2 Dies ist das BERNOULLIsche Gesetz. Es besagt, dass unter den genannten Annahmen die Summe aus statischem Druck p und Staudruck ½ρv2 an jeder Stelle des Rohres konstant sein muss. Für ein senkrecht statt horizontal stehendes Rohr muss der von der Höhe h abhängige hydrostatische Druck ρgh mit berücksichtigt werden (g ist die Erdbeschleunigung). Dann lautet das BERNOULLIsche Gesetz: (25) 1 p + ρ v 2 + ρ gh = const. 2 In einem horizontalen Rohr mit konstantem Durchmesser, das von einer idealen Flüssigkeit durchströmt wird, sind Druck und Strömungsgeschwindigkeit im gesamten Rohr konstant. Bei einer realen Flüssigkeit mit der Viskosität η treten jedoch Reibungskräfte zwischen Flüssigkeit und Rohrmantel und zwischen den benachbarten Flüssigkeitsschichten auf. Diese Reibungskräfte bewirken, dass der Druck längs des Rohres abnimmt und die Strömungsgeschwindigkeit entlang des Rohrquerschnitts, also in lateraler Richtung variiert. Sie muss am Rohrrand null sein (denn dort haftet eine Grenzschicht der Flüssigkeit an der Wand) und in der Mitte ihren maximalen Wert annehmen. Zur quantitativen Beschreibung des transversalen Geschwindigkeitsprofils einer laminaren Rohrströmung betrachten wir gem. Abb. 10 ein zylindrisches Rohr mit der Länge l und dem Radius r0, das in z-Richtung von einer realen Flüssigkeit durchströmt wird. Innerhalb dieser Strömung betrachten wir einen koaxialen Flüssigkeitszylinder mit dem Radius r und der Mantelfläche A = 2πrl. Nach dem NEWTONschen Reibungsgesetz ist die Reibungskraft FR zwischen diesem Flüssigkeitszylinder und der angrenzenden Flüssigkeitsschicht proportional zur Mantelfläche A und zum Geschwindigkeitsgefälle dv/dr; die Proportionalitätskonstante ist die Viskosität η. Es gilt also: dv dr (26) = FR η= A 2π r l η dv dr 242 r0 F z r p2 p 1 l Abb. 10: Zylindrisches Rohr mit koaxialem Flüssigkeitszylinder vom Radius r. Links herrscht der Druck p1, rechts der Druck p2. Übrige Bezeichnungen siehe Text. Im stationären Fall (zeitlich konstante Strömungsgeschwindigkeit) muss die Reibungskraft FR für einen Flüssigkeitszylinder mit dem Radius r gerade gleich der treibenden Kraft F sein, die durch das Druckgefälle ∆p = p1 - p2 verursacht wird, also: (27) F= π r 2 ∆p= 2π r l η dv dr Daraus erhalten wir (28) d v ∆p = r d r 2η l bzw. (29) dv = ∆p r dr 2η l und schließlich durch Integration unter der Randbedingung v(r0) = 0 das gesuchte Geschwindigkeitsprofil v(r): (30) = v(r ) ∆p 2 2 ( r0 − r ) ; 4η l 0 ≤ r ≤ r0 Das transversale Geschwindigkeitsprofil für eine laminare Strömung durch ein Rohr ist also parabolisch (s. Abb. 11). Zur Berechnung des Volumens V, das innerhalb der Zeit ∆t durch ein Rohr mit dem Radius r0 strömt, betrachten wir zunächst das Volumen dV, das innerhalb von ∆t durch einen Hohlzylinder mit dem Innenradius r und dem Außenradius r + dr (s. Abb. 12) fließt. Dieser Hohlzylinder hat die Grundfläche A und die Länge ∆l. Der Volumenstrom ist bei kleinem dr demnach gegeben durch: (31) dV A ∆l ∆l = = 2π r dr ∆t ∆t ∆t 243 0,0 0,2 v(r) / b.E. 0,4 0,6 0,8 1,0 -1,0 -0,8 -0,6 -0,4 -0,2 0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 r / r0 Abb. 11: Links: Berechnetes parabolisches Geschwindigkeitsprofil einer laminaren Strömung durch ein zylindrisches Rohr mit dem Radius r0. Rechts: Visualisierung eines parabolischen Geschwindigkeitsprofils in einem zylindrischen Plexiglasrohr (Durchmesser ca. 1 cm) mit Hilfe von eingefärbtem Kleister. 15 Da sich die Flüssigkeit gleichförmig (d.h. ohne Beschleunigung) durch das Rohr bewegt, gilt für die Geschwindigkeit: (32) v= ∆l ∆t Damit wird aus Gl. (31) unter Verwendung von Gl. (30): dV ∆t (33) r dr v(r ) 2π r = 2π = ∆p 2 2 ( r0 − r ) dr 4η l A dr r ∆l Abb. 12: Zur Definition geometrischer Größen eines Hohlzylinders. Aus dieser Gleichung lässt sich durch Integration das Gesamtvolumen V berechnen, das innerhalb der Zeit ∆t durch das Rohr mit dem Radius r0 fließt: 15 Bildquelle: T. GREVE: „Aufbau und physikalische Betrachtung eines Durchlaufreaktors zur Hydrothermalen Karbonisierung“, Diplomarbeit, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Institut für Physik, AG Turbulenz, Windenergie und Stochastik (TWiST), 2009. 244 r π∆ p 0 2 2 r0 − r r dr 2η l ∫0 V ∆t = (34) ( ) und damit (35) V= π ∆p ∆t 4 r0 8η l Dies ist das HAGEN-POISEUILLEsche Gesetz16 für laminare Strömungen. Diese liegen vor, wenn die REYNOLDSzahl Re, die in diesem Fall durch (36) Re= r v 2 r0 η (ρ: Dichte der Flüssigkeit; v : Mittelwert der Strömungsgeschwindigkeit nach Gl. (30)) gegeben ist, kleiner als ca. 2.000 - 2.500 ist. 4.4 Kapillarviskosimeter In diesem Anhang wird die Herleitung von Gl. (14) dargestellt. Mit Hilfe des HAGEN-POISEUILLEschen Gesetzes (Gl. (35)) kann man die Viskosität von Flüssigkeiten bestimmen. Dazu bedient man sich so genannter Kapillarviskosimeter. Abb. 5 zeigt ein Kapillarviskosimeter nach UBBELOHDE. Durch eine Kapillare mit dem Radius r0 und der Länge l lässt man aus einem Vorratsbehälter B, vor dem sich ein Vorlaufgefäß G befindet, ein definiertes Flüssigkeitsvolumen V strömen, das durch das zwischen den Marken M1 und M2 eingeschlossene Volumen gegeben ist. Durch Messung der Zeitdifferenz ∆t, in der der Flüssigkeitsspiegel von M1 nach M2 sinkt, lässt sich dann aus Gl. (35) die Viskosität η bestimmen: (37) = η π ∆p r04 ∆t 8lV Die Druckdifferenz ∆p ist in diesem Fall gegeben durch den hydrostatischen Druck: (38) ∆p (t ) = ρ g h(t ) (ρ: Dichte der Flüssigkeit; g: Erdbeschleunigung) Dabei ist h(t) die Höhendifferenz zwischen dem momentanen Stand des Flüssigkeitsspiegels im Vorratsgefäß B und dem unteren Ende der Kapillare. Dass dieses Ende der Kapillare die Referenzhöhe bildet, erreicht man durch einen Trick: das Belüftungsrohr 3 (s. Abb. 5) sorgt dafür, dass im oben kugelförmig ausgebildeten Auslaufgefäß D Luftdruck herrscht. Dadurch läuft die Flüssigkeit in Form eines dünnen Films an der Innenwand von D ab. Infolge der Zeitabhängigkeit der Höhe h(t) (sinkender Flüssigkeitsspiegel) ist auch ∆p(t) zeitabhängig. Man kann h(t) jedoch durch einen geeigneten Mittelwert ersetzen. Diese mittlere Höhe h ist gegeben durch: 16 GOTTHILF HEINRICH LUDWIG HAGEN (1797 – 1884) 245 (39) 1 h= ∆t ∆t ∫ h(t ) dt 0 Damit folgt aus Gl. (37): (40) h = π r g h r04 ∆t 8lV Die Größe (41) K= π g h r04 8lV ist eine Apparatekonstante und auf den Viskosimetern eingraviert ([K] = m2/s2; meistens in mm2/s2 angegeben). Damit ergibt sich für die Viskosität die einfache Beziehung aus Gl. (14): = η K ρ ∆t 246 Empfohlene Werte ausgewählter physikalischer Konstanten (Stand 2010) Konstante Atomare Masseeinheit Symbol u Wert 1,660 538 921 (73)⋅10-27 Einheit kg Avogadro-Konstante NA 6,022 141 29 (27)⋅1023 mol-1 Boltzmann-Konstante k 1,380 6488 (13)⋅10-23 J/K Elektrische Feldkonstante: 1/(µ0c2) ε0 8,854 187 817...⋅10-12 As/(Vm) Elementarladung e Faraday-Konstante F Gravitationskonstante G Lichtgeschwindigkeit im Vakuum c 1,602 176 565 (35)⋅10 -19 96 485,3365 (21) 6,673 84 (80)⋅10-11 m3/(s2kg) 2,99792458⋅108 m/s exakt Vs/(Am) exakt Molare Gaskonstante R Plancksche Konstante h 6,626 069 57(29)⋅10-34 Js Ruhemasse des Elektrons me 9,109 382 91(40)⋅10-31 kg mn 1,674 927 351 (74)⋅10 -27 kg 1,672 621 777 (74)⋅10 -27 kg Ruhemasse des Protons mp Standard-Erdbeschleunigung g exakt C/mol µ0 Ruhemasse des Neutrons Bemerkung As Magnetische Feldkonstante: 4π⋅10 -7 1 1,256 637 061…⋅10 -6 8,314 4621 (75) J/(mol K) 9,80665 m/s2 exakt (Definition) Die in Klammern stehenden Zahlen geben die einfache Standardabweichung in Einheiten der letzten Dezimalen an. Präfixe Faktor -1 10 -2 10 -3 10 -6 10 -9 10 1 10 -12 10 -15 10 -18 10 -21 10 -24 Name deci centi Symbol d c milli m micro µ nano pico femto atto zepto yocto n p f a z y Faktor Name Symbol 10 1 deka da 10 2 hecto h 10 3 kilo k 10 6 mega M 10 9 giga G 10 12 tera T 10 15 peta P 10 18 exa E 10 21 zetta Z 10 24 yotta Y Quelle: Mohr, P. J.; Taylor, B. N.; Nevell, D. B.: "CODATA Recommended Values of the Fundamental Physical Constants: 2010", Rev. Mod. Phys. 84(4), 1527-1605 (2012). Siehe auch: http://physics.nist.gov/cuu/Constants/index.html.