Sportethik - Uni Salzburg

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Sportethik
Gottfried Schweiger
Überblick
• Sport und Ethik: Gibt es eine Sportethik und warum?
• Kinder im Profisport
• Frauen im Profisport
• Sollen wir Sport treiben?
• Schluss
Gottfried Schweiger
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Was ist Sport?
• Wir kennen keine einheitliche Definition von Sport
• Ein Versuch: Sport ist eine physische Aktivität, bei der es darum geht
regelbasiert nicht-notwendige Hindernisse zu überwinden
• Physische Aktivität: was ist mit Schach, E-Sport (Computerspiele),
Autorennen
• Regeln: es gibt implizite und explizite, viele Sportarten benötigen
eigentlich gar keine (z.B.: Nichtangriffspakt von Gijon)
• Hindernisse: müssen auch nicht immer vorhanden sein (z.B. Laufen)
• Definitionen sind auch relevant, da die Anerkennung als Sportart Zugang zu
Förderungen eröffnet (Bundesförderungen, Mitglied im Olympischen
Komitee etc)
Gottfried Schweiger
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Was ist Sport?
• Eine sehr grobe Einteilung:
• Profisport: alle sportlichen Tätigkeiten für die Personen bezahlt
werden
• Amateursport: alle sportlichen Tätigkeiten für die Personen nicht
bezahlt werden
• Bewegung: alle körperlichen Tätigkeiten, die ein Mensch überhaupt
ausführt (also auch solche im Beruf, Mobilität als Mittel zum Zweck:
zur Bewegung von A nach B, etc.)
Gottfried Schweiger
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Was ist Sport?
• Sowohl Profi- als auch Amateursport sind auch kommodifiziert, d.h. sie
haben den Charakter einer Ware
• Sport ist eine schnell wachsende Industrie (Konsum von Profisport
(TV) sowie Fanartikeln, Sportartikel für den Amateurbereich)
• Sportstars sind Werbeträger und generieren für sich und andere hohe
Einnahmen
• Es gibt eine Omnipräsenz des Sports
• Dennoch: Sport ist sehr hoch angesehen und beliebt
• Sport wird gesellschaftlich akzeptiert und staatlich gefördert
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Sport und Ethik
• Die ethische Relevanz des Sports lässt sich aus mehreren Perspektiven
erschließen:
• Sport ist eine für viele Personen wichtige Institution, die eingebunden ist
und Auswirkungen hat auf die Gesellschaft (Sport als rechtliche, soziale,
ökonomische, kulturelle und politische Institution)
• Im Sport scheint es irgendwie auch um moralisch relevante Werte und
Tugenden zu gehen (Fairness, Leistung, Verdienst)
• Sport war in der Geschichte vielfach eingewoben in ethisch relevante
Auseinandersetzung (z.B. Turnbewegung)
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Sportethik?
• Sport ist ethisch relevant: Gibt es also eine eigene Ethik des Sports?
• Nein: es gibt nur eine ethische Reflexion auf den Sport (also auf
SportlerInnen und andere beteiligte Personen, Institutionen, Praktiken,
Regeln etc.)
• Sport begründet keine eigene Ethik und kann sich auch nicht auf eine solche
berufen
• Trotzdem können im Sport andere Regeln gelten als im „echten“ Leben:
• z.B. in Bezug auf Körperverletzung:
• KO Klitschko-Leapai
• Foul im Fussball
Gottfried Schweiger
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Sportethik?
• Sport-immanente Rechtfertigungen müssen immer auch sport-extern
gerechtfertigt werden:
• Was geboten oder verboten (z.B. ein Foul) ist, kann sportimmanent
festgelegt werden
• Ob diese Handlung moralisch tolerierbar ist, kann aber nicht durch
Bezug auf das Regelsystem alleine eingesehen werden
• Sie müssen sich vielmehr auf Gründe berufen, die außerhalb des
Sports moralisch rechtfertigbar sind
• Z.B. ist die Körperverletzung beim Boxen durch den Respekt vor der
autonomen Entscheidung der erwachsenen, beteiligten Personen
tolierbar
• Darin unterscheidet sich der Sport nicht wesentlich von allen anderen
Institutionen und Praktiken
Gottfried Schweiger
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Sportethik?
• Hot topics der Sportethik, sind daher (fast) immer von prinzipiellem
ethischen Interesse und spiegeln größere gesellschaftliche Fragen wider:
• Doping: Wie weit dürfen wir in die „Natur“ des Menschen eingreifen?
Dürfen wir uns bewusst selbst schädigen? Sollen wir Doping freigeben,
da es sich ja um erwachsene Menschen handelt?
• Fairplay: Was ist erlaubt, um ein Ziel zu erreichen? Zählt der Erfolg
mehr als alles andere? Welche Tugenden sollen wir fördern?
• Gender und Sport: Welche Bilder von Feminität/Maskulinität werden
in unserer Gesellschaft toleriert und gefördert?
• Sportlergehälter: Wie viel darf jemand verdienen? Gibt es einen
gerechten Lohn bzw. eine gerechte Begrenzung des Lohns?
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Fallbeispiel: Pete Rose
• Pete Rose: Baseballspieler und Coach
• Unbestritten ein Spieler mit den besten Statistiken
• 1989 Lebenslang gesperrt wegen Wettens auf die eigene Mannschaft als
Coach
• Daher keine Möglichkeit, in die Hall of Fame in Cooperstown aufgenommen
zu werden
• Andere Spieler, die strafrechtlich verurteilt wurde, wurden in die HoF
aufgenommen
• Sollten wir Pete Rose die Chance geben? Zählt seine Leistung nicht genug?
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1. Kinder und Profisport
• These: die Beteiligung von Kindern im Profisport sollte stattlich
nicht gefördert, sondern vielmehr sanktioniert werden
• Jugend-EM-Team
• Kinder sind in zumindest zweifacher Weise für den Profisport relevant:
• KonsumentInnen: Kinder werden früh zu Fans sozialisiert, erwerben
Sportgüter und nehmen den Sport als Teil ihres sozialen Lebens an
• Nachwuchs: Kinder treiben selbst Sport und stellen den notwendigen
Nachwuchs für alle Profisportarten, auch in dieser Hinsicht kommen
manche Kinder sehr früh mit dem Profisport in Kontakt und hoffen auf
eine Karriere als SportlerIn
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1. Kinder und Profisport
• Die Vorbereitung für den Profisport ist sehr vereinnahmend, zeitintensiv
(wenig Zeit für Bildung und andere soziale Kontakte) und in vielen Fällen
gefährlich (höhere Prävalenz an Verletzungen, psychischer Druck,
Missbrauch durch Abhängigkeitsverhältnisse)
• In vielen Sportarten ist ein späterer Erfolg überhaupt nur möglich, wenn
Kinder sehr früh sich darauf spezialisieren und sehr viel Zeit und Energie
investieren
• In den allermeisten Sportarten wird nur eine sehr geringe Anzahl an
NachwuchssportlerInnen erfolgreich (sehr kompetitiv) während die meisten
scheitern und sich auf eine andere Karriere umorientieren müssen
• Der Staat fördert die Beteiligung von Kindern im Profisport bzw. toleriert,
dass Eltern dies mit ihren Kindern tun
Gottfried Schweiger
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1. Kinder und Profisport
• Was sollen wir tun?
• Kinder sind als Kinder nicht vollständig zustimmungsfähig, ob sie ihre
Kindheit dem Ziel ProfisportlerInnen zu werden, unterordnen wollen
• Bei allen Entscheidungen bezüglich kindlicher Aktivitäten, insbesondere
bei solchen, die besonders schwerwiegende und langfristige Eingriffe
darstellen, ist das Kindeswohl an erster Stelle zu berücksichtigen (UNKinderrechte) und hat Vorrang vor den Wünschen der Eltern (und auch
jenen der Kinder)
• Die profisportliche Beteiligung von Kindern ist auf Grund der hohen
Wahrscheinlichkeit einer mittel- und langfristigen Schädigung bei
gleichzeitig sehr geringen Erfolgschancen, dass die Karriere erfolgreich
sein wird, dem Kindeswohl in den allermeisten Fällen abträglich
• Andere Vorteile der kindlichen Beteiligung (höheres Level im Profisport,
nationale Interessen, Zuschauer, Industrie) sind dem nachrangig
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2. Frauen im Profisport
• These: die mangelnde bzw. fehlgeleitete Aufmerksamkeit für den
professionellen Frauensport ist Ausdruck einer sexistischen
Gesellschaft, der Staat hat daher die Verantwortung hier mit dem
ihm zur Verfügung stehenden Mitteln gegenzusteuern
• Frauen sind im Profisport überwiegend den Männern nachgereiht:
• Geringere Gehälter, weniger Sponsoreneinnahmen und Förderungen
• Weniger Aufmerksamkeit in den Medien (TV, Zeitungen)
• Weniger Frauen unter Funktionären und anderen Verantwortungsträgern
• Sozial weniger Ernst genommen und mit Stereotypen belegt
• In vielen Gesellschaften sind Frauen sind von vielen Sportarten sowohl als
Konsumentinnen als auch Aktive ausgeschlossenen (z.B. Saudi Arabien)
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2. Frauen im Profisport
• Warum sollte die Benachteiligung von Frauen im Profisport ein ethisches
Problem sein (etwa der Gerechtigkeit)?
• Gründe dagegen: Video Immer wieder Jim
• sie ist Ausdruck der „freien“ Präferenzen der ZuseherInnen
• Es ist nicht verwerflich, Männerfussball lieber zu sehen als
Frauenfussball, wie es auch nicht verwerflich ist, Fussball lieber zu
sehen als Baseball
• Männer bringen einfach bessere Leistung und daher interessanter
• Frauen werden nicht gezwungen, Profisport zu treiben, sie können
auch etwas anderes tun
• Es gibt überhaupt kein Anrecht darauf, für seine Tätigkeiten irgendwie
entlohnt zu werden als auch nicht gleich viel zu bekommen wie
jemand anderer, der dieselbe Tätigkeiten ausführt
Gottfried Schweiger
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2. Frauen im Profisport
• Gründe, warum die Benachteiligung von Frauen im Profisport vielleicht doch
ungerecht ist:
• Präferenzen „fallen nicht vom Himmel“ sondern sind durch die
Sozialisation, Institutionen und den öffentlichen Diskurs geprägt
• Frauen im Profisport finden nicht nur weniger Aufmerksamkeit, sondern
vor allem die „falsche“: Medienanalysen zeigen klar, dass diese
Leistungen infantilisiert, verniedlicht und mit sexistischen (und
homophoben) Stereotypen belegt werden
• Der Staat hat eine Verpflichtung, dass nicht nur Präferenzen der
BürgerInnen bedient werden (sonst gäbe es vielleicht auch noch
Gladiatorenkämpfe oder öffentliche Hinrichtungen), sondern seine Mittel
so einsetzt, dass sich alle BürgerInnen als freie und gleiche verstehen
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2. Frauen im Profisport
• Eine systematische Abwertung des professionellen Frauensports
widerspricht diesem Ziel, da es einer Gruppe (der Mehrheit) seiner
BürgerInnen vermittelt, dass sie in einem wichtigen Bereich prinzipiell
minderwertig ist
• Die staatlichen Mittel, die in den Sport fließen sind enorm und dieser ist
mitnichten ein „privates“ Unternehmen (Schulsport, Sportplätze,
öffentliche Förderung, TV, Olympia, WM)
• Daher sollte der Staat dafür sorge tragen, dass Sexismus (wie auch andere
Diskriminierungen) im Profisport möglichst eingedämmt werden und die
Leistungen von Frauen gleichermaßen gefördert und gewürdigt werden
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4. Sollen wir Sport treiben?
• These: es gibt keine Pflicht zur Gesundheit, aber es muss allen
Menschen ermöglicht werden, Sport als Teil eines gesunden
Lebensstils auszuüben
• Gesundheit ist ein wichtiges Gut (intrinsische Motivation)
• Sportliche Betätigung ist Teil eines gesunden Lebensstils
• Daher sollten wir Sport treiben, wenn wir gesund sein wollen
• Gesundheit ist aber nicht nur ein Gut, schlechte Gesundheit ist auch sehr
teuer und der Produktivität abträglich (externe Motivation)
• Ein sportlicher Lebensstil ist daher über die Gesundheit hinaus auch für die
Produktivität und die Senkung staatlicher Kosten relevant
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4. Sollen wir Sport treiben?
• Dennoch sollten wir vorsichtig sein, individuelle Verantwortung
zuzuschreiben
• Denn Gesundheit wie auch Sport nicht allen Menschen gleich zugänglich
• Gesundheit ist erwiesenermaßen sozial determiniert (über Einkommen,
Bildung, Wohnort) und nicht alleine vom individuellen Verhalten abhängig
• Es gibt sowohl eine frühe Sozialisation zu einem gesunden/ungesunden
Lebensstil als auch einen starken Einfluss der kindlichen Gesundheit auf
spätere Erkrankungen (z.B. Stress während der Schwangerschaft)
• Der Staat kann die Gesundheit seiner BürgerInnen in vielfältiger Weise
verbessern (aber auch verschlechtern)
Gottfried Schweiger
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Abschluss
• Wir sollten den Sport (Profi- und Amateurbereich) ethisch reflektieren
• Nicht weil wir eine eigene Sportethik benötigen würden, die uns sagt, was im
Sport erlaubt ist und was nicht (dafür haben wir implizite und explizite
Regeln, die wir an die allgemeine Ethik zurückbinden müssen)
• Sondern weil der Sport eine wichtige soziale, kulturelle, politische und
rechtliche Institution ist
Gottfried Schweiger
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Vielen Dank für die
Aufmerksamkeit!
Gottfried Schweiger
www.uni-salzburg.at/zea/schweiger
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